Technische Standards, Patente und Wettbewerb [1 ed.] 9783428535002, 9783428135004

Heribert Burghartz behandelt ausgewählte rechtliche Fragestellungen, die sich an der Schnittstelle zwischen der privatwi

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German Pages 310 Year 2011

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Technische Standards, Patente und Wettbewerb [1 ed.]
 9783428535002, 9783428135004

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Schriften zum Technikrecht Band 10

Technische Standards, Patente und Wettbewerb Von Heribert Burghartz

Duncker & Humblot · Berlin

HERIBERT BURGHARTZ

Technische Standards, Patente und Wettbewerb

Schriften zum Technikrecht Herausgegeben von Prof. Dr. M i c h a e l K l o e p f e r, Berlin

Band 10

Technische Standards, Patente und Wettbewerb

Von Heribert Burghartz

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2010 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Process Media Consult GmbH, Darmstadt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1616-1084 ISBN 978-3-428-13500-4 (Print) ISBN 978-3-428-53500-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-83500-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 * ∞

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern in Dankbarkeit gewidmet

Vorwort Die vorliegende Arbeit behandelt ausgewählte rechtliche Fragestellungen, die sich an der Schnittstelle zwischen der privatwirtschaftlichen und kollektiven Festlegung technischer Standards einerseits und dem Patent- sowie dem Wettbewerbsrecht andererseits ergeben. Kollektive Bemühungen um die Aufstellung einheitlicher Standards können im Zusammenspiel mit der Einbeziehung von unter Patentschutz stehenden technischen Lehren im Einzelfall nicht unerhebliche Risiken für die Aufrechterhaltung eines Systems wirksamen Wettbewerbs bergen. Um Verstöße gegen die Vorschriften des Wettbewerbsrechts zu vermeiden und um die eigenen Arbeitsergebnisse gegen Manipulationen durch „hinterhältige“1 Patentinhaber zu schützen, verfügen die meisten Standardisierungsorganisationen über interne Regelwerke zum Umgang mit Patenten im Rahmen der Standardisierungsarbeit. Die rechtliche Behandlung, einschließlich der inhaltlichen Auslegung der wesentlichen Bestandteile dieser Regelwerke bildet einen der beiden Schwerpunkte der vorliegenden Arbeit. Im Rahmen des zweiten Schwerpunkts wird über die Grenzen dieser Regelwerke hinaus untersucht, ob das Wettbewerbs- und/oder das Patentrecht Vorschriften bereithalten, den Inhaber eines Patents, von dem nachträglich bekannt wird, dass es zur Anwendung eines bestimmten Standards unerlässlich ist, gegen dessen Willen zur Erteilung von Lizenzen zu zwingen. Diese Fragestellung hat nicht zuletzt durch die Einleitung eines wettbewerbsrechtlichen Missbrauchsverfahrens der Europäischen Kommission gegen den Computerchiphersteller Rambus im Sommer 2007 besondere Aktualität erlangt. Die Arbeit wurde im Wintersemester 2009/2010 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen. Ich danke meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Gregor Bachmann, der mein Promotionsvorhaben sowie meine Themenwahl von Anbeginn unterstützt und die Erstkorrektur trotz seines Wechsels an die Freie Universität Berlin sehr zügig vorgenommen hat. Mein Dank gilt zudem Herrn Prof. Dr. Jürgen Ensthaler für die äußerst rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Besonders danken möchte ich darüber hinaus meiner Frau Kathrin, die den entscheidenden Anstoß zur Aufnahme meines Promotionsvorhabens gegeben hat und mir während dieser Zeit stets die entscheidende persönliche und zugleich juristische Stütze war. Ohne sie wäre die vorliegende Arbeit niemals entstanden. 1

Zum Begriff des sog. „Patenthinterhalts“ ausführlich unten Teil 2, D.III. sowie Teil 4, A.

8

Vorwort

Der größte Dank gebührt schließlich meinen Eltern Renate und Jochen Burghartz, denen dieses Werk gewidmet ist. Sie haben durch ihre beispiellose Förderung meiner Ausbildung von frühen Kindertagen an den Grundstein für die Erstellung dieser Dissertation gelegt und durch vielfältige Verbesserungsvorschläge juristischer wie nichtjuristischer Art entscheidend zu deren erfolgreichem Gelingen beigetragen. .

Düsseldorf, im Oktober 2010

Heribert Burghartz

Inhaltsverzeichnis Teil 1 Einleitung

23

A. Einführung in die Thematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Ziel der Arbeit und Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Teil 2 Grundlagen

32

A. Technische Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II. Abgrenzung zu anderen Formen der Standardsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Staatliche Rechtsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Werksnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 3. De facto Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 III. Wirtschaftliche Anreize kollektiver Standardisierungsbestrebungen . . . . . . . . . . . 39 IV. Bindungswirkung technischer Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Rechtliche Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 a) Verbindlicherklärung durch gesetzliche Inbezugnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 aa) Unmittelbare gesetzliche Verbindlicherklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 bb) Mittelbare gesetzliche Inbezugnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 b) Verbindlicherklärung durch privatrechtlichen Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Faktische Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 V. Vorstellung einiger Standardisierungsorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1. Offizielle Standardisierungsorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 a) Deutsche Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

10

Inhaltsverzeichnis b) Europäische Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 c) Internationale Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Inoffizielle Standardisierungsorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 a) Deutsche Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 b) Europäische Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 c) Internationale Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

B. Patente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 I. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 II. Die herkömmlichen Patentrechtstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 III. Förderung des technischen Fortschritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 IV. Berücksichtigung verschiedener Interessenlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 1. Interessen des Patentinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2. Interessen der Wettbewerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2. Interessen der Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 C. Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 I. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 II. Geschichtliche Entwicklung der wirtschaftswissenschaftlichen Wettbewerbstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1. Wettbewerbstheoretische Ursprünge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 2. Harvard-Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3. Chicago-Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 4. Zusammenfassung zu Harvard- und Chicago-Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 5. Ausläufer von Harvard- und Chicago-Schule im europäischen und deutschen Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) Vorab: Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 b) Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 c) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 III. Bedeutung des Wettbewerbs und Sinn und Zweck des Wettbewerbsrechts . . . . . . 79

Inhaltsverzeichnis

11

D. Berührungspunkte und Konfliktpotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 I. Patentschutz und Wettbewerbsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 II. Kollektive Standardsetzung und Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 III. Standardsetzung und Patentschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 IV. Zusammenschau: Technische Standards, Patente und Wettbewerb – patent- und wettbewerbsrechtliche Implikationen kollektiver Standardisierungsbestrebungen mit immaterialgüterrechtlichem Bezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 1. IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2. Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Teil 3 Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

96

A. Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 B. Kernbestandteile regelmäßig wiederkehrender IP-Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 I. Pflicht zur Patentoffenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 II. Pflicht zur Lizenzvergabe unter FRAND-Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 C. FRAND – Auslegung und kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 I. Rechtsnatur und Verbindlichkeit des FRAND-Versprechens . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1. Abgabe der FRAND-Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2. Rechtsnatur des FRAND-Versprechens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Exkurs: Aspekte des Internationalen Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Vertragsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 c) Mögliche „Ausnahmen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 aa) Lizenzbereitschaftserklärung nach § 23 Abs. 1 S. 1 PatG . . . . . . . . . . . . 111 bb) Zustimmung zur Erfindungsnutzung nach § 9 Abs. 1 S. 2 PatG . . . . . . . 112 d) Bindendes Angebot auf Abschluss eines Lizenzvertrages . . . . . . . . . . . . . . . 113 e) Unverbindliche Absichtserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 f) Vorvertrag zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

12

Inhaltsverzeichnis II. Unmittelbare Bedeutung von fair, angemessen und nicht-diskriminierend . . . . . . 123 1. Nicht-diskriminierend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 a) Das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 aa) Tatbestandliche Anwendungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 bb) Materiell-rechtlicher Norminhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 b) Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf die FRAND-Verpflichtung . . . . . . . . 129 aa) Vergleichbarkeit der zugrundeliegenden Sachverhaltskonstellationen . . 130 (1) (Norm-)Adressat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 (2) Gleichartige Unternehmen und üblicherweise zugänglicher Geschäftsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 bb) Vergleichbarkeit der Schutzzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (1) § 20 Abs. 1 GWB, Art. 82 S. 2 lit. c) EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (2) FRAND . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (3) Gegenüberstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 cc) Übertragbarkeit des materiell-rechtlichen Norminhalts . . . . . . . . . . . . . 133 (1) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (2) Im Standardisierungskontext zu beachtende Besonderheiten . . . . . . 134 dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Fair und angemessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 a) Das kartellrechtliche Verbot des Ausbeutungsmissbrauchs . . . . . . . . . . . . . . 139 aa) Deutsches Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 bb) Europäisches Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 cc) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 b) Die patentrechtlichen Bestimmungen über die Lizenzbereitschaftserklärung, die Zwangslizenz und den Schadensersatz wegen Patentrechtsverletzung . . 146 aa) Die einzelnen gesetzlichen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 bb) Angewandte Bewertungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 cc) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 c) Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 aa) Sinn und Zweck des Patentschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 bb) Abgrenzung Patentlohn – Standardisierungslohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (1) Kostenorientierte Patentbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 (2) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (3) Ex-ante Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

Inhaltsverzeichnis

13

(4) Ex-ante Bieterverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (5) „Angemessen“ als Ergebnis bilateraler Lizenzverhandlungen . . . . . 156 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 III. „Verzicht“ auf patentrechtlichen Unterlassungsanspruch durch Eingehung einer FRAND-Verpflichtung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 1. Rechtsgeschäftlicher „Verzicht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 a) Grundsatz: Vertragsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 b) Mögliche Ausnahme: § 20 Abs. 1 Nr. 1 PatG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 c) Erlassvertrag, § 397 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 aa) Der patentrechtliche Unterlassungsanspruch als tauglicher Gegenstand eines Erlassvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 bb) Vorliegen eines wirksamen Vertragsschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (1) Angebot und Annahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (2) Unmissverständliche Äußerung des Verzichtswillens . . . . . . . . . . . . 167 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 d) Stillhalteabkommen (pactum de non petendo), § 311 Abs. 1 BGB . . . . . . . . 168 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 2. Ausschluss des Unterlassungsanspruchs aufgrund widersprüchlichen Verhaltens 170 a) Venire contra factum proprium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 aa) Widersprüchliches Verhalten des Patentinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 bb) Schutzwürdiges Vertrauen auf Seiten der (potentiellen) Patentverletzer . 172 b) Dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 c) Abschließende Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 D. Wesentliche Ergebnisse des 3. Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Teil 4 Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

179

A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 B. Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 I. Dell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 II. Rambus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

14

Inhaltsverzeichnis III. Qualcomm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 1. Normative Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 2. Zwangslizenz als Folge der Anwendung des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 II. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Zugrundeliegende Rechtsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Sinn und Zweck des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots . . . . . . . . . . . . . . . 190 3. Anwendungsbereich des europäischen und deutschen Missbrauchsverbots und Verhältnis der Vorschriften zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 4. Anwendbarkeit des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots auf geistige Eigentumsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 5. Die Lizenzverweigerung im Spannungsfeld zwischen Patent- und Wettbewerbsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 III. Die einzelnen Voraussetzungen der kartellrechtlichen Zwangslizenz . . . . . . . . . . . 197 1. Marktbeherrschende Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 a) Allgemeine Grundsätze zur Marktabgrenzung und Marktbeherrschung . . . . 198 b) Besonderheiten bei Vorliegen eines Patents . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 aa) Unterscheidung zwischen Technologie- und Produkt- / Verfahrensmarkt 200 bb) Marktbeherrschung auf dem Technologiemarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 c) Übertragung auf den Fall standard-essentieller Patente im Standardisierungskontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 2. Missbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 a) Allgemeine Grundsätze zum Marktmachtmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 b) Missbrauch durch Patentlizenzverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 aa) Die Zwangslizenz im europäischen Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 (1) Volvo / Veng . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (2) Magill . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (3) IMS Health . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (4) Microsoft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (5) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 bb) Die Zwangslizenz im deutschen Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

Inhaltsverzeichnis

15

c) Die echte Lizenzverweigerung im Standardisierungskontext . . . . . . . . . . . . 220 aa) Anwendung der von EuGH und EuG entwickelten Kriterien . . . . . . . . . 220 (1) Unerlässlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (2) Ausschluss jeglichen Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (3) Verhinderung eines neuen Produkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (4) Fehlen von Rechtfertigungsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (5) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 bb) Anderweitige Begründung außergewöhnlicher Umstände . . . . . . . . . . . 224 (1) Literaturmeinung: vorwerfbare Ausnutzung des Standardisierungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (a) Darstellung der Literaturmeinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (2) Eigener Ansatz: Ausschluss des Substitutionswettbewerbs . . . . . . . . 229 (3) Fehlen sachlicher Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 cc) Zusammenfassung und abschließende Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 IV. Verfahrensrechtliche Durchsetzung der kartellrechtlichen Zwangslizenz . . . . . . . 240 1. Anordnung der Zwangslizenz durch die Wettbewerbsbehörden . . . . . . . . . . . . . 241 2. Gerichtliche Anordnung der Zwangslizenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 3. Einwand des kartellrechtlichen Anspruchs auf Lizenzerteilung im Patentverletzungsprozess? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 V. Zusammenfassung zur kartellrechtlichen Zwangslizenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 D. Die Zwangslizenz im Patentrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 I. Allgemeine Anwendungsgrundsätze des § 24 PatG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 2. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 3. Bedeutung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 4. Tatbestandsvoraussetzungen der Grundnorm des § 24 Abs. 1 PatG . . . . . . . . . . 255 5. Öffentliches Interesse an der Zwangslizenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 a) Rückgriff auf wettbewerbsrechtliche Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 b) Umfassende Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 aa) Öffentliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 bb) Individualinteresse des Patentinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 cc) Abwägung der Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

16

Inhaltsverzeichnis II. § 24 PatG im besonderen Zusammenhang privatwirtschaftlicher Standardisierungsbestrebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 1. Gebotensein der Zwangslizenz im öffentlichen Interesse nach § 24 Abs. 1 PatG 265 a) Öffentliches Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 aa) Öffentliches Interesse an der Verfügbarkeit standard-essentieller Patente im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 bb) Öffentliches Interesse an der Verfügbarkeit der für einen konkreten Standard erforderlichen Patente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 b) Individualinteresse des Patentinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 c) Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 2. Rückgriff auf den Prüfungsmaßstab des § 24 Abs. 2 PatG . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 III. Verfahrensrechtliche Durchsetzung der patentrechtlichen Zwangslizenz . . . . . . . . 275 IV. Einwand des patentrechtlichen Lizenzierungsanspruchs im Patentverletzungsprozess? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 V. Zusammenfassung zur patentrechtlichen Zwangslizenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

E. Abschließende Bemerkungen zum 4. Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Teil 5 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

280

Nachtrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 IPR-Policies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. Abl. Abs. Abschn. AcP a.E. a.F. AG AIPLA Q. J. AIPPI Am. Econ. Rev. ANSI Ant. Bull. Ant. L. J. ArbnErfG Art. ATM AtomG Aufl. BauNVO BB BBergG Bd. BeckRS Beil. Berkeley Tech. L. J. BGB BGH BGHZ BImSchG BKartA Bo. Coll. L. Rev. BPatG BPatGE

anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Abschnitt Archiv für civilistische Praxis am Ende alte Fassung Die Aktiengesellschaft American Intellectual Property Law Association Quaterly Journal Association Internationale pour la Protection de la Propri¦t¦ Intellectuelle American Economic Review American National Standards Institute Antitrust Bulletin Antitrust Law Journal Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (Arbeitnehmererfindungsgesetz) Artikel Asynchronous Transfer Mode Forum Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) Auflage Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung) Betriebs Berater Bundesberggesetz Band Beck Rechtsprechung Beilage Berkeley Technology Law Journal Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundesimmissionsschutzgesetz) Bundeskartellamt Boston College Law Review Bundespatentgericht Entscheidungen des Bundespatentgerichts

18 BT BT-Drucks. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE Cal. L. Rev. CD CEN CENELEC CIL CMLR Corp. CPI CR Ct. DB DECT ders. d. h. dies. DIN DIN-Mitt. DKE DPMA DuD DVB DVD ECLR ECMA E DIN 820-1: 2007-11 EFTA EG EGBGB EGV Einf. Einl. EIPR ELR endg. EPÜ ETSI EU EuG EuGH

Abkürzungsverzeichnis Bundestag Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundsverwaltungsgerichts California Law Review Compact Disc Comit¦ Europ¦en de Normalisation Comit¦ Europ¦en de Normalisation Electrotechnique Computer and Internet Lawyer Common Market Law Review Corporation Competition Policy International Computer und Recht Court Der Betrieb Digital Enhanced Cordless Telephony Forum derselbe das heißt dieselbe/dieselben Deutsches Institut für Normung e.V. DIN-Mitteilungen Deutsche Elektrotechnische Kommission Deutsches Patent- und Markenamt Datenschutz und Datensicherheit Digital Video Broadcasting Consortium Digital Versatile Disc European Competition Law Review European Computer Manufacturers Association DIN Normentwurf 820 Teil 1 über die Grundsätze der Normungsarbeit, Stand November 2007 European Free Trade Association Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag), konsolidierte Fassung des Vertrages vom 25.03.1957 in der ab dem 01.05.2004 geltenden Fassung Einführung Einleitung European Intellectual Property Review European Law Review endgültig Europäisches Patentübereinkommen European Telecommunications Standards Institute Europäische Union Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften Europäischer Gerichtshof

Abkürzungsverzeichnis EuZW e.V. EWS f. F. F.3rd ff. FK FKVO Fn. Fordham Int. L. J. FRAND FS F. Supp. FTC FTC Act GA GCR GebrMG GG ggf. GPSG GRUR GRUR-Int. GRUR-RR GWB h.M. Hrsg. Hs. HTML i. d. R. IEC IEEE IETF IIC IMTC Inc. Ind. L. Rev. InstGE Int. IP IPR i.S.d.

19

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eingetragener Verein Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht folgende Federal Reporter Federal Reporter Third Series fortfolgende Frankfurter Kommentar Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, Abl. L 24 vom 29.01. 2004, S. 1 (Fusionskontrollverordnung) Fußnote Fordham International Law Journal fair, reasonable and non-discriminatory Festschrift Federal Supplement U.S. Federal Trade Commission U.S. Federal Trade Commission Act Generalanwalt Global Competition Review Gebrauchsmustergesetz Grundgesetz gegebenenfalls Gesetz über technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte (Geräte- und Produktsicherheitsgesetz) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht – Internationaler Teil Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht – Rechtsprechungsreport Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz Hypertext Markup Language in der Regel International Electrotechnical Commission Institute for Electrical and Electronics Engineers Internet Engineering Task Force International Review of Industrial Property and Copyright Law International Multimedia Teleconferencing Consortium Incorporated Indiana Law Review Sammlung von Entscheidungen der Instanzgerichte zum Recht des geistigen Eigentums International Intellectual Property Intellectual Property Rights im Sinne des/der

20 ISO ITU i.U. i.V.m. J. Econ. Hist. J. Econ. Persp. JEDEC J. L. Econ. J. L. Econ. Org. JPIM J. Stat. Soc. L. JZ KartVerfVO

KG Leits. LG lit. LMK m.a.W. m. E. Mich. L. Rev. Minn. L. Rev. Mitt. MittdtschPatAnw MMR MPEG MüKo MuW m.w.N. NJOZ NJW NJW-RR Nr. NVwZ NVwZ-RR NZA o. ä. OLG OMA PatG PDF ProdHaftG Rand J. Econ. RG

Abkürzungsverzeichnis International Organization for Standardization International Telecommunication Union im Unterschied in Verbindung mit Journal of Economic History Journal of Economic Perspectives Joint Electron Device Engineering Council Journal of Law and Economics Journal of Law, Economics and Organization Journal of Product Innovation Management Journal of the Statistical Society of London Juristenzeitung Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates zur Durchführung der in Artikeln 81 und 82 des Vertrages niedergelegten Wettbewerbsregeln, abgedruckt in Abl. Nr. L 1 vom 04.01.2003, S. 1 (Kartellverfahrensverordnung) Kammergericht Leitsatz Landgericht littera (Buchstabe) Kommentierte BGH Rechtsprechung mit anderen Worten meines Erachtens Michigan Law Review Minnesota Law Review Mitteilung Mitteilungen der deutschen Patentanwälte Multimedia und Recht Moving Picture Expert Group Münchner Kommentar Zeitschrift für Markenschutz und Wettbewerb mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht oder ähnliches Oberlandesgericht Open Mobile Alliance Patentgesetz Portable Document Format Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz) Rand Journal of Economics Reichsgericht

Abkürzungsverzeichnis RGZ RIW Rn. ROM RP Rs. Rutgers L. J. S. s. SDRAM Sec. Slg. s. o. SprengG StVZO s.u. SZ TA TCG Texas L. Rev. TIA TRIPS u. a. UMTS UN UPR UrhG US US CAFC u. U. UWG v. VCI VDE VDI vgl. VHS VO Vol. Vorbem. VVK W3C WIPO WRP WTO WuW

21

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft Randnummer Read-Only Memory Research Policy Rechtssache Rutgers Law Journal Seite siehe Synchronous Dynamic Random Access Memory Section Sammlung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Europäischen Gerichts Erster Instanz siehe oben Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung siehe unten Süddeutsche Zeitung Technische Anweisung Trusted Computing Group Texas Law Review Telecommunications Industry Association Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights unter anderem Universal Mobile Telecommunication System Forum United Nations Umwelt- und Planungsrecht Urhebergesetz United States United States Court of Appeals for the Federal Circuit unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb versus Verband der Chemischen Industrie Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik Verein deutscher Ingenieure vergleiche Video Home System Verordnung Volume Vorbemerkung Vierteljahresschrift für Volkswirtschaft und Kulturgeschichte World Wide Web Consortium World International Property Organization Wettbewerb in Recht und Praxis World Trade Organisation Wirtschaft und Wettbewerb

22 WuW/E www z. B. ZHR Ziff. ZPO ZWeR

Abkürzungsverzeichnis Wirtschaft und Wettbewerb – Entscheidungssammlung zum Kartellrecht World Wide Web zum Beispiel Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer Zivilprozessordnung Zeitschrift für Wettbewerbsrecht

Teil 1

Einleitung A. Einführung in die Thematik Standards und kollektive Standardisierungsbestrebungen sind so alt wie die Menschheit selbst. Als einer der ersten gemeinsamen Standards kann bereits die menschliche Sprache als solche angesehen werden. Die Entwicklung der zwischenmenschlichen Kommunikation von undefinierbaren tierischen Lauten, welche die ersten Menschen in der frühen Steinzeit zur Verständigung nutzten, über die Verwendung von Gesten, Symbolen und Bildzeichen bis zu dem, was wir heute als gesprochene und geschriebene Sprache bezeichnen, ist ein Beispiel kollektiver Standardisierungsbestrebungen zum gemeinsamen Nutzen aller.1 Im alten Ägypten wurden schon zur Zeit Thutmosis (um 1500 v. Chr.) einheitliche Ziegel in einem ganz bestimmten Format für den Häuserbau verwendet.2 Und im frühen Rom durften nur Rohre mit konkret vorgegebenen, standardisierten Maßen an das städtische Wasserleitungssystem angeschlossen werden, da nur so der Wasserverbrauch einheitlich berechnet werden konnte.3 Um 650 v. Chr. führten dann die Lyder das erste auf Münzen basierende Zahlungssystem ein, um den Waren- und Güterhandel zu vereinfachen und zu beschleunigen.4 Die industrielle Revolution sowie die Erfindung der Eisenbahn im frühen 19. Jahrhundert brachten das Bedürfnis nach technischen Standards mit sich,5 welches durch die später aufkommende Massenproduktion und die Internationalisierung der Gütermärkte sowie das dadurch entstehende Verlangen nach Produktkompatibilität weiter verstärkt wurde.6

1

Vgl. Weitzel, S. 11. Marburger, Regeln der Technik, S. 179. 3 Marburger, Regeln der Technik, S. 179. 4 Siehe Meyers Lexikon, Stichwörter „Lydien“, „Münzen“ und „Elektronmünzen“. Bei den Lydern handelt es sich um ein indogermanisches Volk aus dem Altertum, das in der nach ihnen benannten Landschaft Lydien im Nordwesten Kleinasiens (heutige Türkei) lebte. 5 Berichten zufolge hat die US-amerikanische Regierung die Eisenbahngesellschaften während des Bürgerkrieges (US Civil War, 1861 – 1865) dazu gedrängt, den Abstand zwischen den Eisenbahngleisen zu standardisieren, um die Truppenbewegungen und die Nahrungslieferungen zu beschleunigen. Vgl. Updegrove, „Standard-Setting Organizations“. 6 Vgl. Balto, 18 CIL 2001, S. 5. 2

24

Teil 1: Einleitung

Auf dem Gebiet der elektronischen Kommunikationstechnologien war es die Erfindung des elektromagnetischen Schreibtelegrafen in den Jahren 1833 bis 1837,7 die den Grundstein für die Herausbildung nationaler und internationaler Kommunikationsstandards legte. So wurde die erste internationale Standardisierungsorganisation bereits im Jahre 1865 gegründet, als sich 20 europäische Staaten zusammenschlossen und die International Telegraph Union ins Leben riefen, um Standards für die internationale Telekommunikation zu entwickeln.8 Obwohl also die Bemühungen nach allgemeingültigen Standards in der Geschichte der Menschheit nichts grundsätzlich Neues sind,9 so erreichen sie doch in der modernen Informationsgesellschaft eine völlig andere Dimension.10 Denn im Lichte der ständig fortschreitenden Globalisierung und Vernetzung der Produktmärkte, insbesondere im Bereich der Informations-, Telekommunikations- und Unterhaltungselektronik, wird das Bemühen um Produkt- und Kompatibilitätsstandards11 zu einem unabdingbaren Bestandteil bei dem Streben der Wettbewerber nach wirtschaftlichem Erfolg und größtmöglicher Kundenzufriedenheit.12 Standardisierung ist kein Selbstzweck. Sie soll vielmehr sowohl für die jeweiligen Nutzer von Vorteil sein als auch für die einzelnen, an der Standardfestlegung beteiligten Unternehmen. Diese Grundidee privatwirtschaftlicher Standardisierungsbestrebungen zum „Nutzen der Allgemeinheit“13 ist nicht nur nach dem eigenen Selbst7

Siehe Meyers Lexikon, Stichwort „Telegrafie“. Die International Telegraph Union ging 1932 in der Internationalen Fernmeldeunion (International Telecommunication Union, ITU) auf, die heute eine Unterorganisation der UN mit 190 Mitgliedern ist und unter anderem technische Standards für eine Vielzahl von Informations- und Telekommunikationstechnologien entwickelt, die weltweit implementiert werden. (Siehe für weitere Informationen die Homepage der ITU unter http://www.itu.int/net/ home/index.aspx (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). 9 Zur Geschichte der technischen Standardisierung in Deutschland vgl. Marburger, Regeln der Technik, S. 179 ff. Einen unterhaltsamen Überblick über die Geschichte der Standardsetzung in den USA bietet Nesmith, Smithsonian Magazine 1985, S. 176. Interessante Beispiele (auch fehlgeschlagener) Standardisierungsbemühungen auf dem europäischen Kontinent finden sich bei Weitzel, S. 11 f. 10 Vgl. Chiao/Lerner/Tirole, S. 1. Lesenswert auch Maaßen, S. 86 ff. 11 Vgl. zur Einteilung verschiedener Arten von Standards Hess, S. 19. Zur ganz speziellen Bedeutung gerade von Kompatibilitätsstandards siehe M. Erhardt, S. 8 ff. 12 Vgl. Lemley, 90 Cal. L. Rev. 2002, S. 1889, 1896 ff.; Chiao/Lerner/Tirole, S. 1. 13 Diesen Nutzen für die Allgemeinheit beschreiben Verbruggen/Lorincz, GRUR Int. 2002, S. 815, 818 wie folgt: „Normierung [= Standardisierung] neigt dazu, die Kosten für den Lieferanten und Käufer von Waren und Dienstleistungen zu reduzieren und die Transparenz des Marktes zu erhöhen. Wenn sich die Erfordernisse des Marktes einmal in einer formellen Norm wiederspiegeln, befinden sich alle interessierten Parteien in einer Position, in der sie den Marktbedürfnissen auf einer konkurrenzfähigen Basis begegnen können. Gleichzeitig wird Käufern eine gemeinschaftliche Zusicherung für die Güte der Ware oder der Dienstleistung hinsichtlich feststehender Kriterien der Qualität, Kompatibilität usw. gegeben.“ Lesenswert auch Shapiro, in: Dreyfuss/Zimmermann/First (Hrsg.), S. 81, 82, der die Vorteile der Standardisierung anhand folgender Anekdote veranschaulicht: „[…] during the great 8

A. Einführung in die Thematik

25

verständnis der beteiligten Kreise,14 sondern auch aus dem Blickwinkel der Wettbewerbsbehörden eines der Wesensmerkmale technischer Standardisierung.15 Von Seiten der Nutzer werden (globale) technische Standards, insbesondere Kompatibilitätsstandards,16 heutzutage allgemein erwartet und vorausgesetzt. So empfindet es der moderne Nutzer beispielsweise als selbstverständlich, mit seinem deutschen Mobiltelefon aus dem französischen Netz seinen britischen Kollegen anrufen zu können, der sich mit seinem schwedischen Telefon gerade in Spanien befindet und dort das lokale Mobilfunknetz in Anspruch nimmt. Ebenso wenig aufsehenerregend erscheint die Möglichkeit, in Finnland einen Diafilm kaufen zu können, der in eine japanische Kamera eingelegt und später in Deutschland entwickelt werden soll. Und damit sind nur die einfachsten und heute selbstverständlichsten aller Standardisierungs- und Kompatibilitätsfragen angesprochen. Von Unternehmerseite her werden einheitliche technische Standards wegen des damit häufig verbundenen Rationalisierungseffekts auf den verschiedenen Ebenen der Produktion und Logistik sowie im Hinblick auf die Möglichkeit zur Ausnutzung von sog. Netzwerkeffekten17 als eine der Grundvoraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg angesehen.18 So wird Henry Ford, der Erfinder der Serien- und Fließbandfertigung, in der grundlegenden Arbeit von Marburger mit den Worten zitiert:

Baltimore fire of 1904, fire fighters called in from neighboring cities were unable to fight the blaze effectively because their hoses would not fit the Baltimore hydrants. The following year, national standards for fire hoses were adopted.“ Allgemein Conde Gallego, GRUR Int. 2006, S. 16, 22. 14 Vgl. etwa E DIN 820-1: 2007-11, Art. 4 Abs. 1, wo es wörtlich heißt: „Normung ist die planmäßige, durch die interessierten Kreise gemeinschaftlich durchgeführte Vereinheitlichung von materiellen und immateriellen Gegenständen z u m N u t z e n d e r A l l g e m e i n h e i t . S i e d a r f n i c h t z u e i n e m w i r t s c h a f t l i c h e n S o n d e r v o r t e i l e i n z e l n e r f ü h r e n .“ 15 Siehe Europäische Kommission, Horizontalleitlinien, Abl. C 3 vom 06.01.2001, S. 2, Rn. 163, 169, 174. Vgl. auch Verbruggen/Lorincz, GRUR Int. 2002, S. 815, 818; Calderini/ Giannaccari, S. 10. 16 Unter Kompatibilität versteht man die Fähigkeit zweier Produkte, zusammenarbeiten zu können. Um Kompatibilität zu erzeugen, müssen die Schnittstellen der betreffenden Produkte aufeinander abgestimmt sein, wobei sich zwei Arten von Kompatibilität unterscheiden lassen: Die Abstimmung kann sich zum einen auf die Austauschbarkeit von Komplementärprodukten beziehen, so dass ein und dasselbe Komplementärprodukt mit sämtlichen standardisierten Hauptprodukten verwendet werden kann (Bsp.: Fernseher und Videorekorder, CD-Spieler und CD). Die Abstimmung kann sich zum anderen auf die Interaktions- und Kommunikationsfähigkeit zwischen den standardisierten Hauptprodukten selbst beziehen (Bsp.: Telefone verschiedener Anbieter). Ausführlich Hess, S. 18 f.; M. Erhardt, S. 8 ff. 17 Einzelheiten zu diesen beiden Aspekten unten Teil 2, A. 18 Ausführlich zum unternehmerischen Nutzen der Standardisierung: DIN, Gesamtwirtschaftlicher Nutzen der Normung, Teil A. Zu den wirtschaftlichen Anreizen privatwirtschaftlicher Standardisierungsbestrebungen näher unten Teil 2, A.III.

26

Teil 1: Einleitung „Die für den Konsumenten mit großen Ersparnissen verbundene Normalisierung [d.h. Standardisierung] bringt für den Produzenten so ungeheure Gewinne, dass er sein Geld kaum unterbringen kann.“19

Die fundamentale Bedeutung technischer Standards auch für die technische und wirtschaftliche Fortentwicklung ist heute allgemein anerkannt.20 In einem Beitrag in dem US-amerikanischen Magazin Wired heißt es sogar, dass es eine moderne Wirtschaft ohne (technische) Standards nicht gäbe.21 In der Tat sind technische Standards in der technisierten und global vernetzten Gesellschaft des 21. Jahrhunderts allgegenwärtig und haben einen erheblichen Beitrag zu dem weltumspannenden Erfolg vieler Produkte gerade der Informations- und Telekommunikationsindustrie geleistet.22 Auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft kommt privatwirtschaftlichen Standardisierungsaktivitäten darüber hinaus für die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes und den Abbau von Handelshemmnissen eine entscheidende Bedeutung zu,23 die von der Europäischen Kommission seit langem anerkannt ist.24 Denn diver19

Zitiert nach Marburger, Regeln der Technik, S. 247. Aus jüngster Zeit etwa Loest/Bartlik, ZWeR 2008, S. 41, 44 f.; Walther/Baumgartner, WuW 2008, S. 158, 160; Barthel, S. 44. 21 Vgl. Surowiecki, Wired Magazine, 10.01, January 2002: „Without standardization there wouldnÏt be a modern economy.“ 22 Informationssysteme verlangen nach gemeinsamen Standards für das Speichern, Bearbeiten und Abrufen der jeweiligen Daten. Kommunikationssysteme – gleichviel ob sie der Audio-, Video- oder Datenübertragung dienen – könnten ohne gemeinsame Standards ebenso wenig existieren. Ein weltumspannender Austausch von Informationen wäre ohne technische Standards nicht möglich. Wie könnte eine Person A in München einer anderen Person in New York ein Fax, eine Email, eine elektronische Datei oder eine Sprachnachricht zukommen lassen, wenn all diese Technologien nicht jeweils gemeinsame Standards verwendeten, welche die Kompatibilität und Interoperabilität zwischen den verschiedenen Produkten sicherstellten? Lesenswert WIPO, S. 8, wo es wörtlich heißt: „Our lives are surrounded by technical standards. A vast majority of products currently on the market were developed in compliance with, or in conformity with, one or more standards. As the standards regarding food products or cars may suggest, conformity of products and services to standards is not only a matter of practical convenience but also provides an assurance about their quality, safety and reliability. Furthermore, standards are considered to be an important way of promoting wide adoption of new technologies in the market place, in particular in, but not limited to, the field of information and communication technologies (ICT).“ 23 Dolmans, 26 Fordham Int. L. J. 2002, S. 163, 165; Jones/Sufrin, S. 42; Loest/Bartlik, ZWeR 2008, S. 41, 44. 24 Siehe etwa Europäische Kommission, Mitt. „Ausbau der europäischen Normung“, KOM (90) 456 endg., Abl. C 20 vom 28. 1. 1991, S. 1, 3 ff. Vgl. neben den zahlreichen, der Binnenmarktbildung gewidmeten Kommissionsmitteilungen auch Europäische Kommission, Mitt. „Normung und die globale Informationsgesellschaft“, KOM (96) 359 endg., vom 24.07.1996, S. 1, wo es wörtlich heißt: „Normen sind nicht nur eine technische Angelegenheit. Sie bestimmen die Technik, mit deren Hilfe die Informationsgesellschaft aufgebaut wird, und damit, in welcher Form Industrie, Benutzer, Verbraucher und Verwaltung davon profitieren werden. Sie spielen auch bei der Zusammenarbeit und im Wettbewerb zwischen Unternehmen eine Rolle und sind für den Erfolg des Binnenmarktes von entscheidender Bedeutung.“ Vgl. auch Europäische Kommission, Horizontalleitlinien, Abl. C 3 vom 06.01.2001, S. 2, Rn. 159. 20

A. Einführung in die Thematik

27

gierende nationale Standards führen nicht nur Jahr für Jahr zu einer erheblichen Mittelvergeudung in der Produktion und damit einhergehend zu höheren Preisen für den Verbraucher, sondern behindern auch in erheblichem Maße die Binnenmarktentwicklung als solche sowie die Durchsetzungskraft der europäischen Wirtschaft auf dem Weltmarkt.25 Um hier Abhilfe zu schaffen, verabschieden allein die drei offiziell anerkannten europäischen Standardisierungsorganisationen CEN, CENELEC und ETSI26 jährlich rund 1.000 neue Standards.27 Doch so positiv und wünschenswert die von privatwirtschaftlichen Standardisierungsbestrebungen ausgehenden Wirkungen für die Verbraucher, die beteiligten Unternehmen sowie den Abbau zwischenstaatlicher Handelshemmnisse vom Grundsatz her auch sein mögen, so vielfältig sind auch die hiermit potentiell verbundenen Gefahren für den Wettbewerb. Die entsprechenden Aktivitäten müssen von den Kartellbehörden sorgfältig beobachtet werden, damit mögliche Wettbewerbsverzerrungen aufgedeckt und von Grund auf unterbunden werden, die die soeben beschriebenen Vorteile der Standardisierung in ihr Gegenteil verkehren könnten.28 Während die Standardisierung nämlich einerseits unter anderem die Interoperabilität zwischen verschiedenen Produkten zu erhöhen vermag und so den Wert eines standardisierten Produkts für den Nutzer zu steigern in der Lage ist, so birgt sie andererseits zugleich eine nicht unerhebliche Gefahr, dass letzten Endes die Produktvielfalt und damit die Auswahlmöglichkeit empfindlich eingeschränkt werden. Denn wenn infolge der Standardisierung die große Mehrzahl der Nutzer sich auf einen bestimmten Standard festlegt und dieser dadurch eine immer größere Marktakzeptanz erreicht, so kann dies auf lange Sicht zu einem „Aussterben“ rivalisierender Produktformate führen. In Einzelfällen kann darüber hinaus eine Einschränkung des Qualitäts- und Innovationswettbewerbs zu befürchten sein, wenn die Wettbewerber

Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang auch die seit einiger Zeit zu beobachtenden Bemühungen der Europäischen Kommission, die Hersteller von Mobiltelefonen zu veranlassen sich auf einen gemeinsamen Standard für entsprechende Ladegeräte zu einigen, so dass jedes Ladegerät sich für die Verwendung mit jeglicher Art von Mobiltelefon eignet und unabhängig ist von Bauart, Hersteller und verwendetem Netz. Siehe hierzu SZ vom 18.02.2009, S. 1. 25 Vgl. Cecchini, S. 47 ff., 76 ff. Hiernach sollen im Jahre 1988 die Kosten der Marktzersplitterung 43 % der EG-Industrieproduktion und 13 % der Wertschöpfung umfasst haben. Der sog. Cecchini-Bericht geht auf ein von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebenes Gutachten zurück und befasst sich mit den „Kosten der Nichtverwirklichung des Binnenmarktes“. Vgl. auch Dolmans, 26 Fordham Int. L. J. 2002, S. 163, 165 f. 26 Zu diesen und anderen Standardisierungsorganisationen ausführlich unten Teil 2, A.V. 27 Europäische Kommission, Studie „KMU und europäische Normung“, S. 15. Vgl. auch Barthel, S. 122 f. Vor dem Hintergrund dieser großen Zahl jährlich neu entstehender Standards ist auch die Aussage von Updegrove zu verstehen, wenn er schreibt: „[…] The result is a global standard setting infrastructure that is as extensive as it is invisible to those not directly involved.“ (Updegrove, Brief Amicus Curiae, S. 6.) 28 Vgl. Loest/Bartlik, ZWeR 2008, S. 41, 45 ff.; Walther/Baumgartner, WuW 2008, S. 158 ff.

28

Teil 1: Einleitung

sich mit der Erfüllung bestimmter, gemeinsam festgelegter Qualitätsmerkmale begnügen und weitere Forschungsbemühungen in der Folge unterlassen.29 Wie noch zu zeigen sein wird, können die Standardisierungsorganisationen im hier verstandenen Sinne bzw. die in diesem Rahmen getroffenen Abreden unter gewissen Umständen als „Vereinbarungen zwischen Unternehmen“, „Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen“ oder „aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen“ im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EGV bzw. § 1 GWB qualifiziert werden und als solche dem allgemeinen Kartellverbot unterliegen.30 Um einer möglichen Nichtigkeitsfolge (Art. 81 Abs. 2 EGV bzw. § 1 GWB i.V.m. § 134 BGB) zu entgehen, müssen die Beteiligten eine Reihe von Voraussetzungen beachten. So muss beispielsweise gewährleistet sein, dass der Zugang zu der Organisation jedermann offensteht und das Verfahren der Standardsetzung in transparenter Weise verläuft. Ebenso müssen Vorkehrungen getroffen werden, damit die spätere Anwendung des Standards jedem Interessierten zu angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen möglich ist und auch den an der Standardisierung Beteiligten die Freiheit verbleibt, ihre eigenen Produkte an anderen – konkurrierenden – technischen Lösungen auszurichten oder solche gar selbst zu entwickeln.31 Besondere Probleme ergeben sich, wenn bei der Entwicklung des Standards geistige Eigentumsrechte in Form von Patenten im Spiel sind. Denn während technische Standards auf möglichst weite Verbreitung und Anwendung abzielen,gewährt das Patent seinem Inhaber das Recht, jeden Dritten von der Benutzung seiner Erfindung auszuschließen. Dem sich aus diesem Zielkonflikt zwischen kollektiven Standardisierungsbestrebungen und Patentschutz ergebenden Spannungsverhältnis versuchen die meisten Standardisierungsorganisationen durch den Erlass sog. IPR-Policies32 zu begegnen. Hierbei handelt es sich um interne Regeln in Bezug auf den Umgang mit Patenten und anderen Immaterialgüterrechten, die von einzelnen Mitgliedern der Organisation an bestimmten Teilen des zu entwickelnden Standards gehalten werden. So heißt es in der Mehrzahl dieser Regelwerke etwa, dass jeder an der Standardisierung Beteiligte verpflichtet ist, etwa von ihm gehaltene Patente frühzeitig offenzulegen und sich in der Folge zur Lizenzvergabe an jeden Interessierten zu angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen bereit zu erklären, will er mit seiner geschützten Lehre auch weiterhin an der Standardisierungsarbeit teilnehmen.33 Ungeachtet dieser Vorkehrungen kann es Konstellationen geben, in denen bestimmte technische Lehren, auf denen ein Standard maßgeblich beruht, patentrechtlichen Schutz genießen, ohne dass dies im Vorfeld der endgültigen Festlegung des Standards erkannt wurde. Das mag zum einen dann der Fall sein, wenn das in 29

Vgl. Maaßen, S. 151. Umfassend Maaßen, S. 156 ff. Vgl. auch Loest/Bartlik, ZWeR 2008, S. 41, 45 ff. 31 Siehe Europäische Kommission, Horizontalleitlinien, Abl. C 3 vom 06.01.2001, S. 2, Rn. 163, 167, 172, 174. Lesenswert auch Maaßen S. 166 ff. 32 IPR steht für Intellectual Property Rights, also geistige Eigentumsrechte. 33 Hierzu ausführlich unten Teil 3. 30

B. Ziel der Arbeit und Gang der Darstellung

29

Rede stehende Patent schlicht übersehen wurde. Zum anderen sind in der jüngeren Vergangenheit wiederholt Fälle bekanntgeworden, in denen einzelne Mitglieder von Standardisierungsorganisationen von ihnen gehaltene, sog. standard-essentielle Patente bewusst verschwiegen und erst dann offengelegt haben, als der Standard bereits endgültig verabschiedet war und sich am Markt etabliert hatte. Während insbesondere die letztgenannte Fallgestaltung erhebliche wettbewerbsrechtliche Probleme birgt, stellt sich in beiden Situationen gleichermaßen die Frage, ob es eine rechtliche Handhabe gibt, den die Lizenzerteilung verweigernden Patentinhaber zur Lizenzierung seiner Schutzrechte zu zwingen und auf diese Art und Weise die Zugänglichkeit des Standards für alle Interessierten zu gewährleisten.

B. Ziel der Arbeit und Gang der Darstellung Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, einige der sich an der Schnittstelle von privatwirtschaftlichen Standardisierungsbestrebungen, Patentschutz und Wettbewerbsrecht offenbarenden Probleme einer eingehenden rechtlichen Würdigung zu unterziehen. Dies erscheint insbesondere deshalb reizvoll, weil die in diesem Spannungsfeld aufeinandertreffenden, unterschiedlichen normativen Wertungen und das daraus sich ergebende Konfliktpotential bisher kaum umfassend untersucht wurden.34 Vor dem Hintergrund, dass das Phänomen der kollektiven Festlegung technischer Standards, wie eingangs erläutert, schon seit langer Zeit existiert und auch die Gefahr möglicher Konflikte zwischen dieser Art der Standardsetzung und dem rechtlichen Schutz des geistigen Eigentums sowie den Vorschriften des Wettbewerbsrechts nicht erst kurzfristig bekannt ist, mag dies zunächst erstaunen, dürfte aber wohl nicht zuletzt dem Umstand geschuldet sein, dass es seit einer Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 193935 sowie einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) von 195236 – soweit ersichtlich – nur einen einzigen Fall gegeben hat, in dem das oberste Zivilgericht der Bundesrepublik sich mit entsprechenden Fragestellungen zu befassen hatte. Hierbei handelt es sich um die sog. Standard-Spundfass II

34 Eine Ausnahme stellt die im Jahre 2006 veröffentlichte Arbeit von Maaßen mit dem Titel „Normung, Standardisierung und Immaterialgüterrechte“ dar, die den Versuch unternimmt, das Thema der privatwirtschaftlichen Standardsetzung in rechtlicher Hinsicht aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Die vorliegende Arbeit behandelt indes schwerpunktmäßig Themengebiete, die von Maaßen – wenn überhaupt – nur sehr knapp und oberflächlich bearbeitet wurden. 35 RG vom 07.07.1939, RGZ 161, S. 385 („Schmiernippel“). Lesenswert hierzu Weber, MuW 1940, S. 85. 36 BGH vom 16.12.1952, BGHZ 8, S. 202 („Kabelkennstreifen“). In diesem Fall ging es zwar um Warenzeichen statt um Patente, die zugrundeliegenden Wertungen sind jedoch dieselben.

30

Teil 1: Einleitung

Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2004.37 Vor diesem Hintergrund wies beispielsweise Zahn noch 1980 darauf hin, dass trotz der schnell ansteigenden Zahl an Schutzrechtsanmeldungen einerseits und einer zeitgleich zu beobachtenden erheblichen Zunahme privatwirtschaftlicher Standardisierungsaktivitäten andererseits (wider Erwarten) kaum Komplikationen zu beobachten wären.38 Anlass zur Auseinandersetzung mit den nachfolgend behandelten Problemkreisen geben über die zitierte Standard-Spundfass II Entscheidung des BGH hinaus nicht zuletzt eine Reihe spektakulärer juristischer Streitigkeiten, die auf dem Gebiet der kollektiven und privatwirtschaftlichen Festlegung immaterialgüterrechtlich geschützter Standards in der jüngeren Vergangenheit insbesondere in den Vereinigten Staaten zu beobachten waren und denen zumeist wettbewerbsrechtliche Fragestellungen zugrunde lagen.39 Infolge der Aktualität dieser Thematik in den USA erfreut sich die anglophone Fachliteratur insoweit bereits seit einigen Jahren einer regen Forschungsund Veröffentlichungstätigkeit interessierter Wissenschaftler sowie Praktiker.40 Seit dem Sommer des Jahres 2007 ist nun auch die Europäische Kommission offiziell mit einem wettbewerbsrechtlichen Missbrauchsverfahren gegen den Computerchiphersteller Rambus befasst, dem vorgeworfen wird, eigene Patente im Rahmen privatwirtschaftlich organisierter Standardisierungstätigkeiten bewusst verschwiegen und durch die nachträgliche Forderung unangemessen hoher Lizenzgebühren sowie die teilweise Lizenzverweigerung gegen Art. 82 EGV verstoßen zu haben.41 Die weitere Untersuchung gliedert sich in insgesamt vier Teile. In dem sich an diese Einführung anschließenden Teil 2 werden diejenigen Grundlagen der hier im Vordergrund stehenden Rechtsbereiche – namentlich die private Standardsetzung, der Patentschutz und das Wettbewerbsrecht – dargestellt, deren Kenntnis aus Sicht des Verfassers im Sinne einer umfassenden Auseinandersetzung mit der Materie erforderlich ist und darüber hinaus geboten erscheint, um das sich an den jeweiligen

37

BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1331 („Standard-Spundfass II“). Zahn, GRUR 1980, S. 157. 39 Siehe hierzu unten Teil 4, A. 40 Exemplarisch sei an dieser Stelle auf folgende Arbeiten hingewiesen: Anton/Yao, 64 Ant. L. J. 1995, S. 247; Lemley, 90 Cal. L. Rev. 2002, S. 1889; ders., 48 Bo. C. L. Rev. 2007, S. 149; Lemley/Shapiro, 85 Texas L. Rev. 2007, S. 1991; Shapiro, in: Dreyfuss/Zimmermann/First (Hrsg.), S. 81; Besen/Farrell, 8 J. Econ. Persp. 1994, 117; Farrell/Saloner, 16 Rand J. Econ. 1985, S. 70; Farrell/Hayes/Shapiro/Sullivan, 74 Ant. L. J. 2007, S. 603; Swanson/Baumol, 73 Ant. L. J. 2005, S. 1; Hovenkamp, 48 Bo. Coll. L. Rev. 2007, S. 87; Chiao/Lerner/Tirole; Dolmans, 26 Fordham Int. L. J. 2002, S. 163; Taffet; Tassey, 29 RP 2000, S. 587; Teece/Sherry, 87 Minn. L. Rev. 2003, S. 1913; Weiser; Geradin, Standardization and Technological Innovation; ders., Abusive Pricing in an IP licensing Context; ders., Pricing Abuses by Essential Patent Holders in a Standard-Setting Context; Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?; L¦vÞque/M¦niÀre, Technology Standards. 41 Vgl. Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 23.08.2007, MEMO/07/330; zum aktuellen Verfahrensstand siehe Europäische Kommission, Bekanntmachung vom 12.06.2009, Abl. C 133 vom 12.06.2009, S. 16 sowie unten Teil 2, Fn. 320. 38

B. Ziel der Arbeit und Gang der Darstellung

31

Schnittstellen ergebende Konfliktpotential erkennen sowie die im Rahmen der weiteren Arbeit entwickelten Lösungsansätze nachvollziehen zu können. Die darauffolgenden Teile beschäftigen sich mit einigen ausgewählten Problemkreisen, die hierzulande in Literatur und Rechtsprechung bisher keine hinreichende Aufmerksamkeit erfahren haben. Den Schwerpunkt des 3. Teils bilden daher die IPRPolicies verschiedener Standardisierungsorganisationen und dort insbesondere die Erklärung des Inhabers sog. standard-essentieller Patente, zur Lizenzvergabe an jeden interessierten Anwender des Standards zu fairen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen bereit zu sein. Auf der Grundlage des deutschen Privatrechts wird untersucht, welche Rechtsnatur dieser Lizenzbereitschaftserklärung zukommt und ob ihr zugleich ein Verzicht auf die Geltendmachung des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs (§ 139 Abs. 1 PatG) entnommen werden kann. In Anlehnung an ausgewählte Vorschriften aus dem Bereich des Patent- und Wettbewerbsrechts wird darüber hinaus der Versuch unternommen, die Begriffe „fair“, „angemessen“ und „nicht-diskriminierend“ einer näheren Konkretisierung zuzuführen. Der 4. Teil wird die Problematik behandeln, dass sich der Inhaber eines standardessentiellen Patents nachträglich weigert, die zur Anwendung eines bestimmten Standards erforderlichen Lizenzen zu erteilen. Insbesondere für den Fall, dass der betreffende Patentinhaber im Vorfeld der Standardfestlegung gerade nicht erklärt hat, zur Lizenzvergabe zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen bereit zu sein, wird untersucht, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen das Wettbewerbs- und/oder das Patentrecht Vorschriften bereithalten, den Schutzrechtsinhaber zur Lizenzierung seiner Patente zu zwingen. Abschließend werden die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit in einem 5. Teil noch einmal zusammengefasst.

Teil 2

Grundlagen Dieser Teil enthält eine grundlegende Darstellung der im weiteren Verlauf schwerpunktmäßig behandelten (Rechts-)Materien; hierzu gehören die Funktionsweise der privaten Standardsetzung, das Patentrecht und die Vorschriften zum Schutze des Wettbewerbs. In diesem Rahmen werden auch die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen allen drei Bereichen herausgearbeitet (unten A. bis C.). Anschließend werden die möglichen Berührungspunkte untersucht und das sich an den entsprechenden Schnittstellen offenbarende Konfliktpotential beleuchtet (unten D.).

A. Technische Standards I. Begriffsbestimmung Die Ansichten darüber, was genau unter einem technischen (bzw. Technologie-)1 Standard zu verstehen ist, gehen in der hierzu veröffentlichten Literatur weit auseinander. Versuche, Begriffe wie „Standard“ bzw. „Norm“2 oder „Standardisierung“ 1 Zur Vereinfachung sollen im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Begriffe „Technik“ (bzw. technischer Standard) und „Technologie“ (bzw. Technologiestandard) synonym verwendet werden. In der Praxis werden mitunter Differenzierungen vorgeschlagen und es herrschen Auffassungsunterschiede, welcher dieser Begriffe der weitere bzw. engere ist. Dies ist jedoch für den Zweck der nachfolgenden Untersuchung nicht von Relevanz und soll nicht weiter vertieft werden. Insoweit sei darauf hingewiesen, dass auch im Englischen nicht zwischen Technik und Technologie unterschieden wird („technology“). Für eine umfassende Definition und Erläuterung der jeweiligen Begriffe siehe Meyers Lexikon, Stichworte „Technik“ und „Technologie“. 2 Beachte: Die vorrangig anzutreffende Bezeichnung in der deutschen Sprache ist technische „Norm“ anstelle von „Standard“. Vgl. etwa § 2 Abs. 1 GWB a.F.; Europäische Kommission, Horizontalleitlinien, Abl. C 3 vom 06.01.2001, S. 2, Rn. 159; Mohr/Winckler, CR 1986, 761, 762. Gleichwohl wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit der an das Englische angelehnte Terminus „Standard“ bevorzugt. Die Bezeichnung „Standard“ hat den Vorteil, dass terminologisch der Unterschied zur juristischen Norm im Sinne einer gesetzlichen Vorschrift deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Zur Terminologie umfassend Rönck, S. 21 ff.; Lukes, in: MüllerGraff (Hrsg.), S. 17, 18. Lesenswert allerdings Maaßen, S. 10 ff., der von einem nicht nur terminologischen, sondern auch tatsächlichen Unterschied zwischen einer technischen Norm und einem technischen Standard ausgeht. Dieser soll darin bestehen, dass der Begriff „Norm“ nur die von einer staatlich anerkannten, sog. offiziellen Organisation erarbeiteten technischen Spezifikationen erfasst,

A. Technische Standards

33

bzw. „Normung“ zu definieren, gibt es viele.3 Diese Vielfalt an Begriffsbestimmungen ist zum einen dem Umstand geschuldet, dass eine gesetzliche oder höchstrichterliche Definition4 des Begriffes „Standardisierung“ bzw. „Normung“ nicht existiert.5 Zum anderen spielt aber auch die Vielzahl der verschiedenen Arten von Standards eine Rolle, die jeweils völlig unterschiedliche Zielsetzungen haben. Exemplarisch seien Sicherheits-, Qualitäts-, Umweltschutz-, Design-, Kompatibilitäts- oder Schnittstellenstandards angeführt.6 Erschwerend kommt hinzu, dass sich in der Vergangenheit neben Juristen vor allem Ökonomen und technische Experten Definitionen vorgeschlagen haben. Dass dabei zumeist andere Wertvorstellungen und Zielsetzungen maßgeblich sind als im Rahmen einer juristischen Analyse, liegt auf der Hand.7 Die Folge ist, dass die derart entwickelten Begriffsbestimmungen für die Zwecke der vorliegenden Arbeit nur eingeschränkt brauchbar sind.8 Als Grundlage für die weitere Untersuchung soll stattdessen von folgender Begriffsbestimmung ausgegangen werden:

während der Begriff des „Standards“ demgegenüber diejenigen technischen Spezifikationen meint, die von nicht anerkannten, sog. inoffiziellen Organisationen festgelegt werden. Ebenso Kleinaltenkamp, S. 19 ff. (Hiernach stellt sich also die „Spezifikation“ als gemeinsamer Oberbegriff für „Norm“ und „Standard“ dar.) (Zur Unterscheidung zwischen offiziellen und inoffiziellen Standardisierungsorganisationen ausführlich unten Teil 2, A.V.) M.E. überzeugender ist es jedoch, die Begriffe „technischer Standard“ und „technische Norm“ (entsprechend dem ganz überwiegenden Teil der Literatur) als synonym zu betrachten, wobei aus den genannten Gründen im Rahmen dieser Arbeit der Terminus Standard bevorzugt wird. Eine terminologische Unterscheidung ist hier auch deshalb nicht angezeigt, weil die rechtliche Behandlung beider Arten der Standardsetzung ohnehin parallel verläuft, was auch Maaßen selbst anerkennt und in der Folge stets von „Norm bzw. Standard“ spricht. 3 Vgl. auf deutscher bzw. europäischer Ebene etwa Jakobs, unter 2.1; Ullrich, GRUR 2007, S. 817, 818; Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 1 Rn. 110 m.w.N.; Kübel, S. 7 f.; Marburger, Regeln der Technik, S. 40 ff.; Zorn, S. 19 ff.; Hess, S. 18 f. Vgl. auf USamerikanischer Ebene z. B. Tassey, 29 RP 2000, 587, 588. Eine Auflistung verschiedener Definitionen findet sich bei Zorn, S. 19. 4 Auf europäischer Ebene hat sich die Europäische Kommission in ihren Horizontalleitlinien an einer Definition versucht (dazu sogleich), doch kommt diesen Leitlinien keine unmittelbar rechtsverbindliche Wirkung zu. (Vgl. allgemein zur Bedeutung von Leitlinien der Europäischen Kommission Pampel, EuZW 2005, S. 11 ff.; Schweda, WuW 2004, S. 1139 ff.) 5 Auch in anderen Rechtsordnungen, etwa in den USA, wo es (insbesondere im Zusammenhang mit wettbewerbsrechtlichen Fragestellungen) eine reichhaltige Literatur und Judikatur zum Thema Standardisierung gibt, sucht man vergeblich nach einer gesetzlichen oder höchstrichterlichen Definition dieses Begriffs. 6 Eine Kategorisierung der verschiedenen Standards findet sich bei Hess, S. 19. 7 Lesenswert etwa Kleinemeyer, S. 51; Kleinaltenkamp, S. 19 ff.; Meffert, S. 14; Buxmann, S. 8; Ensthaler, Zertifizierung, S. 15. 8 Lesenswert Hemenway, S. 8, der auf die Ironie hinweist, dass der Begriff des Standards selbst bisher nicht standardisiert, also vereinheitlicht, worden ist. Wörtlich heißt es dort: „Ironically, standards have not been completely standardized.“

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Teil 2: Grundlagen Standardisierung im hier verstandenen Sinne ist die privatwirtschaftlich organisierte, überbetriebliche und im Kollektiv planmäßig und gemeinschaftlich durchgeführte Festlegung technischer Konstruktionsmerkmale, Gütereigenschaften oder Verfahrensweisen,9 die dazu bestimmt ist, eine einheitliche technische Basis für bestimmte Produkte oder Verfahren bereitzustellen.10

Diese Definition ist zum einen weit genug, um alle hier relevanten Formen von Standards zu umfassen, zu denen (regulierende) Qualitäts- oder Sicherheitsstandards11 ebenso zählen wie (koordinierende) Netzwerk-, Kompatibilitäts- oder Schnittstellenstandards.12 Sie ist zum anderen so eng, dass sie tatsächlich nur die vorliegend im Blickpunkt stehende Form der privaten, überbetrieblichen und kollektiven Standardsetzung einbezieht und die hoheitliche Festlegung technischer Standards ebenso unberücksichtigt lässt wie die rein innerbetriebliche Standardisierung und die einseitige Durchsetzung sog. de facto Standards.13 9 Zur Klassifizierung der verschiedenen Arten von produkt- und verfahrensbezogenen Standards vgl. Rönck, S. 26 ff. 10 Begriffsbestimmung in loser Anlehnung an Lemley, 90 Cal. L. Rev. 2002, S. 1889, 1896 ff. und Teece/Sherry, 87 Minn.L.Rev. 2003, 1913, 1915; Johannes, S. 1; Kleinaltenkamp, S. 19; Voelzkow, DIN-Mitt. 75 (1996), S. 193, 194; E DIN 820-1: 2007-11, Art. 4 Abs.1. Ähnlich auch die Definition der Europäischen Kommission, die in ihren Leitlinien zur Anwendbarkeit des Artikels 81 EGV auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit folgende Definition zugrundelegt: „Vereinbarungen über Normen bezwecken im wesentlichen die Festlegung technischer oder qualitätsmäßiger Anforderungen an bestehende oder zukünftige Erzeugnisse, Herstellungsverfahren oder -methoden. Normenvereinbarungen erstrecken sich über unterschiedliche Bereiche wie die Normierung unterschiedlicher Ausführungen oder Größen eines Erzeugnisses oder technischen Spezifikation in Märkten, bei denen die Kompatibilität und Interoperabilität mit anderen Produkten oder Systemen unerlässlich ist. Auch die Bedingungen des Zugangs zu einem bestimmten Gütezeichen oder der Genehmigung durch eine Regulierungsbehörde kann als Norm angesehen werden.“ Europäische Kommission, Horizontalleitlinien, Abl. C 3 vom 06.01.2001, S. 2, Rn. 159. 11 Zu dieser Kategorie zählt z. B. auch die Arbeit der Trusted Computing Group (TCG). Dieser weltweite Zusammenschluss von Unternehmen der Soft- und Hardwarebranche will technologische Standards entwickeln, die „vertrauenswürdige Systemumgebungen“ für Computersysteme garantieren sollen. Die Integrität des Computersystems soll durch das sog. Trusted Platform Module (TPM) gewährleistet werden. Dieses Modul lässt ausschließlich Anwendungen zu, welche die von der TCG geforderten sicherheitstechnischen Anforderungen erfüllen und eine entsprechende Zertifizierung besitzen. (Eine detaillierte wettbewerbsrechtliche Analyse der Standardisierungstätigkeit der TCG bieten Koenig/Neumann, WuW 2003, 1138; dies., MMR 2003, 695; dies., DuD 2004, 555; Bechthold, CR 2005, 393.) 12 Vgl. zu der hier vorgenommenen Einteilung Falke, in: Vieweg (Hrsg.), S. 178; Lemley, 90 Cal. L. Rev. 2002, S. 1889, 1897 f.; Johannes, S. 1 f. Speziell zu den letztgenannten Standards Teece/Sherry, 87 Minn. L. Rev. 2003, 1913, 1914 ff., die an die von Lemley, 90 Cal. L. Rev. 2002, S. 1889, 1896 ff. vorgeschlagene Begriffsbestimmung anknüpfen, diese aber gerade für die Fälle von Kompatibilitäts- und Schnittstellenstandards weiterentwickeln. Lesenswert auch Anton/Yao, 64 Ant. L. J. 1995, 247. 13 Hesser und Kleinemeyer sprechen insoweit von „Komiteestandards“, die sie zu sog. „Hierarchiestandards“ einerseits und den „Wettbewerbsstandards“ andererseits abgrenzen. Dabei zeichnen Erstere sich dadurch aus, dass sie von staatlichen Organen erlassen werden und allgemeine Verbindlichkeit besitzen; für Letztere ist charakteristisch, dass sie sich im Wett-

A. Technische Standards

35

Zum besseren Verständnis wird die hier besprochene Form der Standardisierung im Folgenden zunächst von anderen Arten der Standardsetzung abgegrenzt (dazu unten II.), bevor auf die wirtschaftlichen Anreize kollektiver Standardisierungsbestrebungen (dazu unten III.) sowie auf die Bindungswirkungen der so entwickelten Standards eingegangen (dazu unten IV.) und in einem letzten Schritt ein Überblick über die im weiteren Verlauf der Arbeit schwerpunktmäßig untersuchten Standardisierungsorganisationen gegeben wird (dazu unten V.).

II. Abgrenzung zu anderen Formen der Standardsetzung 1. Staatliche Rechtsnormen Standardisierung im Sinne der oben entwickelten Definition meint ausschließlich privatrechtlich organisierte Standardisierungsaktivitäten. Nicht ausgeschlossen ist damit zwar einerseits die Tätigkeit solcher privatrechtlicher Standardisierungsorganisationen, die staatlich oder zwischenstaatlich anerkannt sind und zu denen auf deutscher, europäischer bzw. internationaler Ebene beispielsweise DIN, ETSI, CEN, CENELEC und ISO zählen.14 Denn allein die offizielle staatliche Anerkennung15 ändert nichts daran, dass es sich statusrechtlich weiterhin um Vereinigungen des Privatrechts handelt, deren Standards nicht per se für jedermann rechtlich verbindlich sind.16 Außerhalb der hier zu behandelnden Thematik bewegen sich andererseits aber diejenigen technischen Vorgaben, die vom Staat selbst geschaffen werden, sei es in Form von Gesetzen, Verordnungen oder auch Verwaltungsvorschriften. Im Unterschied zu den von privatrechtlichen Standardisierungsorganisationen verabschiedeten Standards entfalten derartige technische Vorgaben unmittelbare rechtliche Verbindlichkeit gegenüber jedermann,17 deren Einhaltung vom Staat mit hoheitlichen (Zwangs-)Mitteln überwacht und durchgesetzt wird.18 Eine solche Form der „Stanbewerb herausbilden, also nicht das Ergebnis koordinierender Aktivitäten verschiedener Beteiligter sind. Vgl. Hesser/Kleinemeyer, S.4. 14 Zu den verschiedenen Standardisierungsorganisationen unten Teil 2, A.V. 15 Die staatliche Anerkennung kann beispielsweise in Form einer Rechtsverordnung oder durch Staatsvertrag erfolgen. Dazu unten Teil 2, A.V.1. 16 Vgl. etwa BVerwG, NVwZ-RR 1997, 214, Rn. 3; Zemlin, S. 112; Marburger, Regeln der Technik, S. 335 f. Zur Bindungswirkung privatwirtschaftlich festgelegter Standards ausführlich unten Teil 2, A.IV. 17 Beachte, dass bloße Verwaltungsvorschriften keine unmittelbaren Rechtswirkungen nach außen entfalten, über die Selbstbindung der Verwaltung (Art. 3 GG) aber mittelbar doch jedermann gleichermaßen betreffen. 18 Hier wird gelegentlich auch der Begriff „Hierarchiestandards“ verwendet. Vgl. Hesser/ Kleinemeyer, S. 4. Siehe auch Kübel, S. 8; Zemlin, S. 84.

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Teil 2: Grundlagen

dardsetzung“ folgt zudem von Grund auf anderen Regeln und ist im Rahmen der vorliegenden Untersuchung daher nicht weiter zu behandeln.19 2. Werksnormen Standards im hier verstandenen Sinne sind weiterhin nur überbetriebliche Standards. Außer Betracht bleiben innerbetriebliche bzw. unternehmenseigene Normen.20 Nicht behandelt werden daher zum Beispiel solche Standards, die ein Unternehmen zur Regelung oder Überwachung seiner eigenen Produktions- und Vertriebsabläufe aufstellt.21 Unberücksichtigt bleiben ebenfalls betriebsinterne Qualitäts- oder Sicherheitsstandards, die ein Unternehmen festlegt, um sich von seinen Mitbewerbern in der Branche positiv abzuheben.22 3. De facto Standards Zu den Standards im Sinne der oben vorgeschlagenen Definition gehören schließlich nicht die sog. de facto Standards. Hierbei handelt es sich um Produkte oder Verfahren, die ein bestimmtes Unternehmen durch technische Überlegenheit, durch zeitlichen Vorsprung bei der Markteinführung, durch geschickte Ausnutzung der besonderen Strukturen und Prozesse des jeweiligen Marktes und/oder kraft seiner dominierenden Stellung auf (demselben oder einem benachbarten oder vorgelagerten) Markt einseitig durchsetzt.23 Auch so entstandene Standards haben zwar überbetriebliche Wirkungen in dem Sinne, dass andere Unternehmen, die hiermit kompatible Produkte auf den Markt bringen wollen, sich bei der Entwicklung dieser Produkte faktisch an dem betreffen-

19 Der Anstoß für eine solche Normsetzung kommt z. B. nicht von den interessierten Kreisen selbst und beruht nicht auf wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Vielmehr erfolgt die Normierung „von oben herab“ und findet ihre Legitimation in der Fürsorgepflicht und der Regelungsbefugnis des Staates, weshalb diese Normen grundsätzlich auch von verpflichtendem Charakter sind. Darüber hinaus folgt die staatliche Normsetzung ganz bestimmten, im Grundgesetz detailliert festgelegten Verfahrensabläufen, die im hier zu behandelnden Bereich der privaten Standardsetzung keine Geltung beanspruchen. Vgl. Zemlin, S. 112. 20 Hierzu Zemlin, S. 85. Zur Abgrenzung zwischen inner- und überbetrieblichen Normen Niederbacher, S. 51 f.; Marburger, Regeln der Technik, S. 43 ff. 21 Kleinaltenkamp, S. 20 f. spricht in diesem Zusammenhang von sog. „Typen“. Vgl. auch Kübel, S. 9. 22 Ausführlich zu innerbetrieblichen Werksnormen Marburger, Regeln der Technik, S. 43 f. sowie Lukes, in: Mestmäcker (Hrsg.), S. 147, 163. 23 Vgl. hierzu Ullrich, GRUR 2007, S. 817, 818; Lemley, 90 Cal. L. Rev. 2002, S. 1889, 1898 ff.; Teece/Sherry, 87 Minn. L. Rev. 2003, S. 1913, 1918; Schallop, 28 AIPLA Q. J. 2000, S. 195, 214; Kübel, S. 9; Conde Gallego, GRUR Int. 2006, S. 16, 22 f. Beispiele für einige de facto Standards aus der jüngeren Vergangenheit bieten Zubke von Thünen, S. 222 Fn. 1; Brown, 61 Ant. L. J. 1993, S. 921 Fn. 2; Hess, S. 1, 53 ff. Lesenswert auch Europäische Kommission, Mitt. Gewerbliche Schutzrechte und Normen, KOM (92) 445 endg., vom 27.10.1992, Rn. 2.1.1.

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den Standard zu orientieren haben.24 Gleichwohl fallen de facto Standards aus der oben vorgeschlagenen Definition heraus, weil sie nicht das Ergebnis planmäßiger Gemeinschaftsarbeit sind, sondern von einem einzelnen Unternehmen am Markt etabliert werden. De facto Standards treten insbesondere auf Märkten in Erscheinung, die durch starke Netzwerkeffekte charakterisiert sind.25 Als Netzwerkeffekt wird eine Marktsituation bezeichnet, in welcher der Wert eines Produktes für den jeweiligen Nutzer nicht (allein) von der Qualität des Produktes abhängt, sondern (vor allem) von der Anzahl (1) derjenigen Nutzer, die ebenfalls dieses Produkt verwenden (sog. direkter Netzwerkeffekt), sowie (2) der anderen Produkte, die mit diesem Produkt kompatibel sind (sog. indirekter Netzwerkeffekt).26 Diese Netzwerkeffekte führen dazu, dass die Nutzer mehr und mehr an ein bestimmtes Produkt bzw. an einen bestimmten Produktstandard gebunden und schließlich darin „eingesperrt“ werden.27 In dieser Situation ist der Wechsel zu einem anderen System mit einem erheblichen finanziellen und organisatorischen Aufwand verbunden, den die Nutzer nicht zu tragen bereit sind, mit der Folge, dass das betreffende Produkt sich am Markt als quasi oder de facto Standard durchsetzt.28 Ein gutes Beispiel für dieses ökonomische Phänomen der Entwicklung von de facto Standards aufgrund von Netzwerkeffekten ist das Betriebssystem Windows der Firma Microsoft. Denn Windows ist nicht etwa das Ergebnis kollektiver Standardisierungsbestrebungen der Softwarebranche. Auch verdankt Microsoft jedenfalls 24

So muss sich der Entwickler eines Computerprogramms faktisch stets nach den Softwarespezifikationen des Betriebssystems Windows richten, wenn er sein Produkt gewinnbringend vermarkten will. Denn ein nicht mit Windows kompatibles Programm auf den Markt zu bringen, bedeutet zugleich den Verzicht auf einen Großteil der potentiellen Abnehmer im privaten Bereich (etwa 90 Prozent aller privat genutzten PCs weltweit verwenden das Betriebssystem Windows, s.u. Fn. 29). 25 Vgl. etwa Lemley, 90 Cal. L. Rev. 2002, S. 1889, 1899; Farrell/Saloner, 16 Rand J. Econ. 1985, 70; Schallop, 28 AIPLA Q. J. 2000, S. 195, 215. 26 Vgl. etwa Zorn, S. 38 f.; Kleinaltenkamp, S. 27 ff.; Conde Gallego, GRUR Int. 2006, S. 16, 22 f. Ausführlich zu Netzwerkeffekten auch M. Erhardt, S. 24 ff.; Liebowitz/Margolis, Network Externalities; Katz/Shapiro, 8 (2) J. Econ. Persp. 1994, 93; dies., 75 Am. Econ. Rev. 1985, 424; Calderini/Giannaccari, S. 9. Zu den Besonderheiten der Ausnutzung von Netzwerkeffekten im Rahmen privatwirtschaftlicher Standardisierungsbestrebungen vgl. Johannes, S. 2 f.; Maaßen, S. 39 ff.; Weitzel, S. 14 ff. 27 Ein solcher, in von Netzwerkeffekten geprägten Märkten häufig vorkommender sog. „customer lock-in“ tritt auf, wenn die Wechselkosten von einem Produkt zu einem anderen so hoch sind, dass sich ein Wechsel nicht lohnt und daher unterbleibt. In dieser Situation wechseln die Nutzer selbst dann nicht zu einem anderen Produkt, wenn dieses qualitativ höherwertig ist, solange nicht dieser Qualitätsgewinn so signifikant ist, dass er die sog. „switching costs“, also die Wechselkosten, aufwiegt. Allgemein zum Einsperrungseffekt: Katz/Shapiro, in: Eisenach/ Lenard (Hrsg.), S. 29, 32 ff.; Cowan, 50 J. Econ. Hist. 1990, S. 541; Dheber, 12 JPIM 1995, S. 136; McKenzie/Lee, 46 Ant. Bull. 2001, S. 253, 256. 28 Vgl. David, 75 Am. Econ. Rev. 1985, 332; Farrell/Saloner, 16 Rand J. Econ. 1985, S. 70; Maaßen, S. 39 ff. Kritisch Liebowitz/Margolis, 11 J. L. Econ. Org. 1995, S. 205; dies., 8 J. L. Econ. 1990, 1.

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heute seine überragende Dominanz29 auf dem Markt für PC Betriebssysteme nicht mehr (allein) der technischen Überlegenheit von Windows, sondern (wenigstens auch) den soeben beschriebenen, besonderen Strukturen von Netzwerkmärkten. Denn je mehr Nutzer das Betriebssystem von Windows in der Vergangenheit verwendeten, desto wertvoller wurde es für den Einzelnen, weil ein Austausch von Daten und Informationen untereinander möglich wurde. Gleichzeitig stieg die Anzahl der mit Windows kompatiblen Anwendungen in Form von Softwareprogrammen, wodurch die Attraktivität von Windows weiter stieg. Durch diese Form von Netzwerkeffekten kam es im Laufe der Zeit zu einem Einsperrungseffekt auf Seiten der Nutzer: Selbst wenn Windows bereits seit Jahren in Sachen Anwenderfreundlichkeit, Systemsicherheit, Zuverlässigkeit, Innovation, Preis etc. nicht mehr das objektiv beste Betriebssystem ist,30 so kann es dennoch ohne großen Aufwand seine beherrschende Stellung auf dem Markt behaupten, da die Wechselkosten für den Nutzer schlicht zu hoch sind. Zu den mit dem Wechsel auf ein anderes Betriebssystem verbundenen Kosten zählen neben dem Kaufpreis für ein neues Betriebssystem auch der Preis für die dazugehörige Hardware, die Unannehmlichkeiten (Zeit, aufzuwendende Energie, Geld) beim Erlernen des Umgangs mit dem neuen System, die Unzulänglichkeiten bei der Datenübertragung etc. Diese sog. „switching costs“ sind höher als der durch den Wechsel erzielte Mehrwert an Qualität, so dass ein solcher Wechsel in der Regel unterbleibt und der de facto Standard Windows seine überragende Marktstellung vermutlich auch weiterhin wird verteidigen können.31

29 Die Europäische Kommission ging in ihrer Microsoft-Entscheidung aus dem Jahre 2004 davon aus, dass Microsoft auf dem Markt für PC Betriebssysteme über einen Marktanteil von mindestens 90 % verfügt(e). Siehe Europäische Kommission vom 24.03.2004, COMP/C-3/ 37.792, Rn. 430 ff., 491 ff. („Microsoft“). Dieser Bewertung hat sich Microsoft weder während des Verfahrens vor der Kommission noch in dem späteren Gerichtsverfahren vor dem EuG widersetzt. 30 So auch Schallop, 28 AIPLA Q. J. 2000, S. 195, 216, Fn. 57 m.w.N. 31 Vgl. zum Ganzen Schallop, 28 AIPLA Q. J. 2000, S. 195, 216 (Fn. 57 m.w.N.); McKenzie/Lee, 46 Ant. Bull. 2001, S. 253, 256. Als weiteres Beispiel für die Entwicklung eines de facto Standards aufgrund von Netzwerk- und Einsperrungseffekten wird immer wieder die „QWERTY“-Tastatur in den USA angeführt, die gegenüber anderen Tastaturtypen aus verschiedenen (u. a. ergonomischen Gründen) minderwertig sein soll, sich aber trotzdem auf dem Markt durchgesetzt hat. Vgl. insoweit David, 75 Am. Econ. Rev. 1985, S. 332 ff.; M. Erhardt, S. 97 f. Dagegen Liebowitz/Margolis 11 J. L. Econ.Org. 1995, S. 205; dies., 8 J. L. Econ. 1990, S. 1. Ebenfalls hierher gehört die deutschlandweite Verbreitung des VHS-Videosystems des japanischen JVC-Konzerns, welches sich in den 1980er Jahren gegen die konkurrierenden Systeme Video 2000 von Grundig sowie Betamax von Sony durchgesetzt hat. (Hierzu anschaulich von Frankenberg, S. 96 ff.) Als Beispiel für die Entwicklung eines de facto Standards kann schließlich auf das PDF-Dokumentenformat der Firma Adobe verwiesen werden.

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III. Wirtschaftliche Anreize kollektiver Standardisierungsbestrebungen Von Seiten der involvierten Unternehmen bestehen nicht unerhebliche wirtschaftliche Anreize, sich an überbetrieblichen, kollektiven Standardisierungsbestrebungen zu beteiligen.32 So wird durch die Entwicklung gemeinsamer technischer Standards für bestimmte Produkte oder Verfahren – insbesondere im Bereich der Kompatibilitätsstandards – die Bereitschaft der Kunden zum Erwerb dieser technischen Lösung gefördert.33 Denn dadurch, dass sich verschiedene Hersteller auf demselben und/oder auf benachbarten Märkten auf einen gemeinsamen technischen Standard einigen, an dem sie ihre Produkte ausrichten, verringert sich für den Nutzer die Gefahr des „Strandens“34 auf einem veralteten oder verdrängten System;35 die oben beschriebenen Einsperrungseffekte werden vermieden. Weiß der Kunde, dass die von ihm zu erwerbende technische Lösung standardisiert ist, wird er zu Investitionen eher geneigt sein, als wenn es sich um eine bloß von einem einzigen Hersteller angebotene Technologie handelt.36 Unabhängig von sich ergebenden Netzwerkvorteilen37 wird die Produktauswahl für den Nutzer erheblich erhöht, wenn die Hersteller verschiedener Komponenten eines Systems sich zur Herbeiführung von Kompatibilität zwischen ihren Produkten entscheiden.38 Von der kollektiven Festlegung technischer Standards geht daher eine nicht unerhebliche Anreizwirkung für den Kunden aus. Mit steigender Produktnachfrage auf Kundenseite ergeben sich direkte Vorteile auf Produzentenseite, wenn eine Steigerung der Produktion sog. Skaleneffekte39 hervorruft und so zu sinkenden Durchschnittskosten führt.40 Insbesondere für aufstrebende kleine und mittlere Unternehmen kommt hinzu, dass durch die Beteiligung an kollektiven Standardisierungsbestrebungen das Risiko und die Kosten des Markteintritts gesenkt werden können, da hierdurch das Problem der Akzeptanz der eigenen Tech32 Vgl. die bereits einleitend zitierte Bemerkung Henry Fords: „Die für den Konsumenten mit großen Ersparnissen verbundene Normalisierung [d. h. Standardisierung] bringt für den Produzenten so ungeheure Gewinne, dass er sein Geld kaum unterbringen kann.“ Zitiert nach Marburger, Regeln der Technik, S. 247. 33 Zur Wirkungsweise insbesondere von Kompatibilitätsstandards ausführlich M. Erhardt, ab S. 8. 34 Im Englischen: „Stranding“. 35 Siehe Katz/Shapiro, in: Eisenach/Lenard (Hrsg.), S. 29, S. 56; Balto, Standard Setting in a Network Economy, S. 3; Johannes, S. 3. Allgemein auch M. Erhardt, S. 32. 36 Vgl. zum Ganzen Johannes, S. 3. 37 Die oben im Rahmen der Entwicklung von de facto Standards beschriebenen Netzwerkeffekte spielen selbstverständlich auch im Rahmen der kollektiven Standardsetzung eine Rolle. 38 Siehe Johannes, S. 3. 39 Im Englischen: „Economies of Scale“. 40 Vgl. Johannes, S. 3; Anton/Yao, 64 Ant. L. J. 1995, S. 247, 249.

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nik auf dem Markt verringert werden kann.41 Für alle beteiligten Unternehmen besteht weiterhin die Chance, aus der Zusammenführung von Fachwissen und technischer Expertise von verschiedenen Seiten wichtige Informationen für die weiterführende, eigene Entwicklung neuer Produkte erlangen zu können.42 Erhebliche Bedeutung haben auch die mit der Standardisierung oftmals einhergehenden, kostensenkenden Rationalisierungseffekte innerhalb des Betriebes, die nicht nur bei dem eigentlichen Produktionsvorgang selbst eine Rolle spielen, sondern auf allen Ebenen des Fertigungsablaufs angesiedelt sein können und sich bei der Planung, Konstruktion und Beschaffung ebenso auswirken können wie im innerbetrieblichen Transportwesen, der Lagerhaltung, Verpackung und beim Vertrieb.43 Die Kosten für die Planung und Gestaltung bestimmter Produkte können spürbar sinken, wenn das Produkt den Regeln eines bestimmten Standards folgt. Außerdem sind standardisierte Teile in der Regel rasch lieferbar und brauchen daher nicht in großen Mengen vorrätig gehalten zu werden, wodurch die Lagerkosten sinken. Zudem werden diejenigen Arbeiter, die aufgrund der Standardisierung immer wieder exakt dieselben Arbeitsschritte vollziehen müssen, allein aufgrund der ständigen Übung effizienter arbeiten, als jemand, der eine Vielzahl von Produktionsverfahren beherrschen muss. Dasselbe gilt im Rahmen der Fließbandfertigung, wenn und weil die einzelnen Maschinen weniger häufig umprogrammiert werden müssen.44 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass sich durch die unternehmensübergreifende, gemeinsame Entwicklung und Festlegung bestimmter Standards auch Einsparungen im Rahmen der Forschungs-und Entwicklungsarbeit der einzelnen Unternehmen ergeben können; das gilt jedenfalls dann, wenn die Kooperation sich nicht in der Einigung auf eine von mehreren technischen Lösungen erschöpft, sondern der Standardfestlegung auch eine Kooperation auf der Ebene der Forschung und Entwicklung vorausgeht.45

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Siehe Johannes, S. 3 Vgl. DIN, Gesamtwirtschaftlicher Nutzen der Normung, S. 12. Eine umfassende wirtschaftswissenschaftliche Analyse der unternehmerischen Anreize, sich an kollektiven Standardisierungsbestrebungen zu beteiligten, bietet Johannes. Lesenswert auch Maaßen, S. 17 ff., 48 f. 43 Umfassend hierzu Marburger, Regeln der Technik, S. 247 ff.; Rönck, S. 30 ff. Vgl. auch DIN, Gesamtwirtschaftlicher Nutzen der Normung, S. 14 f.; Sonnenberger, BB Beil. 4/1985, S. 3. 44 Beispiele in Anlehnung an Marburger, Regeln der Technik, S. 247 ff. 45 Insoweit müssen allerdings zusätzliche kartellrechtliche Besonderheiten beachtet werden, auf die hier jedoch nicht näher eingegangen werden soll. Hierzu Europäische Kommission, Horizontalleitlinien, Abl. C 3 vom 06.01.2001, S. 2, Rn. 173. 42

A. Technische Standards

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IV. Bindungswirkung technischer Standards Wie bereits erwähnt,46 zeichnen sich die hier behandelten, von privaten Unternehmen im Kollektiv festgelegten Standards im Unterschied zu den von staatlicher Seite erlassenen Rechtsnormen dadurch aus, dass sie von Natur aus nicht verbindlich sind.47 Das gilt auch dann, wenn der Standard von einer staatlich anerkannten Standardisierungsorganisation entwickelt wurde.48 Denn allein die staatliche Anerkennung eines solchen Gremiums vermag den durch sie entwickelten Standards nicht zu rechtlicher Verbindlichkeit und Allgemeingültigkeit zu verhelfen.49 Vom Ausgangspunkt her handelt es sich bei technischen Standards im hier verstandenen Sinne daher um bloß unverbindliche Empfehlungen.50 Gleichwohl kann auch ihnen unter bestimmten Voraussetzungen eine rechtliche oder jedenfalls faktische Verbindlichkeit zukommen.51 1. Rechtliche Verbindlichkeit Rechtliche Verbindlichkeit kann ein technischer Standard zum einen durch gesetzliche Inbezugnahme erlangen, zum anderen durch privatrechtlichen Vertrag.52 46

Siehe oben Teil 2, A.II.1. Vgl. etwa BVerwG, NVwZ-RR 1997, S. 214, Rn. 3; Di Fabio, S. 18. Umfassend auch Marburger, Regeln der Technik, S. 330 ff. 48 Siehe Zemlin, S. 112. Vgl. auch Marburger, Regeln der Technik, S. 335 f. 49 Vgl. BVerwG, NVwZ-RR 1997, S. 214, Rn. 3 (am Beispiel von DIN-Normen). Siehe außerdem bereits oben Teil 2, A.II.1. m.w.N. 50 Siehe Verbruggen/Lorincz, GRUR Int. 2002, S. 815, 819; Maaßen, S. 52; Niedzilla, S. 16. Ebenso Bachmann, S. 33; Kleinaltenkamp, S. 23. Dieser Grundsatz ergibt sich nicht zuletzt unter kartellrechtlichen Aspekten. So heißt es beispielsweise in den bereits erwähnten Horizontalleitlinien der Europäischen Kommission: „Vereinbarungen über Normen laut vorstehender Definition, die für alle zugänglich und transparent sind und n i c h t d i e Ve r p f l i c h t u n g z u r E i n h a l t u n g e i n e r N o r m enthalten […], beschränken nicht den Wettbewerb.“ Sodann heißt es weiter „Das Vorhandensein einer Beschränkung des Wettbewerbs in Vereinbarungen über Normen hängt davon ab, in welchem Maße die Beteiligten die Freiheit behalten, alternative Normen oder Produkte zu entwickeln, die mit der vereinbarten Norm nicht übereinstimmen.“ (Europäische Kommission, Horizontalleitlinien, Abl. C 3 vom 06.01.2001, S. 2, Rn. 163, 167.) Daraus folgt, dass ein Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EGV immer dann naheliegt, wenn die Standardisierungsorganisation ihren Mitgliedern die Einhaltung eines bestimmten Standards zwingend vorschreibt. Im Hinblick auf die Nichtigkeitsfolge des Art. 82 Abs. 2 EGV werden die jeweiligen Organisationen in der Praxis daher alles daran setzen, eine ebensolche Verpflichtung ihrer Mitglieder zu vermeiden, mit der Folge, dass die von ihr verabschiedeten Standards grundsätzlich den Charakter bloß unverbindlicher Empfehlungen einnehmen. 51 Hierzu umfassend Falke, Rechtliche Aspekte der Normung, S. 237 ff.; Schepel/Falke, S. 181 ff.; Lamb, S. 87 ff.; Maaßen, S. 52 ff. Vgl. auch Verbruggen/Lorincz, GRUR Int. 2002, S. 815, 819. 52 Ausführlich zur Bedeutung überbetrieblicher technischer Standards in der Rechtsordnung Zemlin, S. 108 ff. sowie Marburger, Regeln der Technik, S. 279 – 426. Nicht eingegangen 47

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Teil 2: Grundlagen

a) Verbindlicherklärung durch gesetzliche Inbezugnahme Durch gesetzliche Inbezugnahme kann ein privatwirtschaftlich festgelegter Standard zu rechtlicher Verbindlichkeit gelangen, wobei diese Verbindlichkeit entweder unmittelbarer oder mittelbarer Natur sein kann.53 In beiden Fällen ist der Grund der gesetzlichen Inbezugnahme primär darin zu sehen, den Gesetzgeber zu entlasten.54 Dieser wird vielfach nicht selbst über den erforderlichen technischen Sachverstand verfügen, um die entsprechenden komplexen Regelwerke aufzustellen.55 In solchen Fällen bietet es sich an, auf das Fachwissen der in den privaten Standardisierungsgremien tätigen Spezialisten zu vertrauen und sich die Ergebnisse von deren Arbeit zueigen zu machen.56 aa) Unmittelbare gesetzliche Verbindlicherklärung Die unmittelbare gesetzliche Verbindlicherklärung privatwirtschaftlich festgelegter technischer Standards erfolgt entweder durch wortgetreue Übernahme des Wortlauts der technischen Beschreibung des jeweiligen Standards in den Tatbestand einer Rechtsnorm oder durch statische bzw. dynamische Verweisung.57 Allen diesen Formen der gesetzlichen Verbindlicherklärung ist gemeinsam, dass sie sich in der Praxis erfahrungsgemäß auf solche Standards beschränken, die von einer offiziellen, d. h. staatlich anerkannten Standardisierungsorganisation und zumeist im Auftrag einer staatlichen Stelle festgelegt worden sind. . . . werden soll hier auf die weitergehende Bedeutung von Technologiestandards im Rahmen des privaten Haftungsrechts (Deliktsrecht, Sachmängelgewährleistung, Produkthaftung etc.). Eine detaillierte Darstellung hierzu findet sich bei Marburger, Regeln der Technik, S. 429 – 536 sowie bei Köhler, BB Beil. 4/1985, S. 10. 53 Beachte, dass auch in einem solchen Fall nicht etwa der Standard selbst rechtliche Verbindlichkeit entfaltet. Diese Wirkung entsteht vielmehr allein durch die gesetzliche Inbezugnahme. Vgl. Marburger, Regeln der Technik, S. 388; ders., in: Müller-Graff (Hrsg.), S. 27, 32. Zur Zulässigkeit der gesetzlichen Bezugnahme auf technische Standards im Hinblick auf das Demokratieprinzip und die Kompetenzverteilung innerhalb der Europäischen Union vgl. Rönck, ab S. 170 ff. 54 Siehe Falke, in: Vieweg (Hrsg.), S. 179; Marburger, Regeln der Technik, S. 379. Vgl. auch Niedzilla, S. 16. 55 Siehe Falke, in: Vieweg (Hrsg.), S. 178 f.; Zorn, S. 59; Marburger, Regeln der Technik, S. 379, 381. 56 Vgl. zum Ganzen Zorn, S. 59 sowie Marburger, Regeln der Technik, S. 379. 57 Hierzu im Einzelnen Lukes, in: Müller-Graff (Hrsg.), S. 17, 19; Lamb, S. 89 ff.; Nicklisch, NJW 1983, S. 841, 843; Marburger, Regeln der Technik, S. 383 ff.; ders., in: MüllerGraff (Hrsg.), S. 27, 38 ff.; Rönck, S. 156 ff.

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Die wörtliche Wiedergabe der technischen Beschreibung eines bestimmten Standards in der Vorschrift selbst (sog. Inkorporation) ist aufgrund der Komplexität der jeweiligen technischen Details und der daraus resultierenden Unübersichtlichkeit des Gesetzestextes untypisch und daher nur sehr selten anzutreffen.58 Regelmäßig wendet der Gesetzgeber die wesentlich einfachere Methode der sog. statischen Verweisung an. Hierbei wird im Gesetz auf einen technischen Standard in einer ganz bestimmten Fassung Bezug genommen, wobei – z. B. im Hinblick auf die bekannten DIN Normen – Normblattnummer, Titel und Ausgabedatum unzweideutig angegeben werden.59 Rechtsstaatlich problematisch und daher (jedenfalls in Deutschland)60 nur selten anzutreffen sind demgegenüber sog. dynamische Verweisungen.61 Diese zeichnen sich dadurch aus, dass auf einen technischen Standard nicht in einer ganz bestimmten Fassung, sondern in der jeweils gültigen Fassung verwiesen wird.62 Dies ist deshalb bedenklich, weil hierdurch im Ergebnis eine private Standardisierungsorganisation durch Änderung eines von ihr entwickelten und vom Gesetzgeber in Bezug genommenen technischen Standards (un-)mittelbar auf den Inhalt des Gesetzes Einfluss nehmen kann, was einen Verstoß gegen das in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG festgeschriebene Demokratieprinzip zumindest nahelegt.63

58 Vgl. Maaßen, S. 54. Andererseits hat diese Art der rechtlichen Regelung den Vorteil, dass sie wegen der exakten Normierung für den Betroffenen vorhersehbar und berechenbar ist und damit ein hohes Maß an Rechtssicherheit gewährleistet. 59 Siehe Marburger, Regeln der Technik, S. 384; Zemlin, S. 117. Als Beispiele können etwa § 37 b BImSchG sowie § 35 h Abs. 1, 3 StVZO angeführt werden, wo auf mehrere nach Normblattnummer und Ausgabedatum bezeichnete DIN-Normen verwiesen wird. In § 35 h Abs. 3 S. 1 StVZO heißt es beispielsweise: „In anderen als den in Absatz 1 genannten Kraftfahrzeugen […] ist Erste-Hilfe-Material mitzuführen, das nach Art, Menge und Beschaffenheit mindestens dem Normblatt DIN 13 164, Ausgabe Januar 1998 entspricht.“ Ähnliche Verweise auf Standards des DIN finden sich darüber hinaus in einer Vielzahl umweltschutzrechtlicher und sicherheitstechnischer Bestimmungen. Vgl. Maaßen, S. 54, der darauf hinweist, dass etwa 20 % aller DIN Standards Gegenstand einer solchen Verweisung sind. 60 Lesenswert Maaßen, S. 57 f., der darauf hinweist, dass die Regelungstechnik der dynamischen Verweisung auf europäischer Ebene demgegenüber durchaus üblich ist. Als Beispiel führt er die Vorschrift des § 1 Abs. 2 FernsehdienstnormenVO vom 04.02.1999 an, derzufolge ein digitaler Fernsehdienst nach den technischen Normen von ETSI in der jeweils aktuellen Fassung betrieben werden muss. 61 Hierzu ausführlich Marburger, Regeln der Technik, S. 390; ders., BB Beil. 4/1985, S. 16, 21. 62 Siehe Marburger, Regeln der Technik, S. 384, 390 ff.; Nicklisch, NJW 1983, S. 841, 843. 63 Vgl. Nicklisch, NJW 1983, S. 841, 843; Zemlin, S. 116. Die sich hieraus ergebenden Probleme waren jedoch bereits in der Vergangenheit Gegenstand zahlreicher Untersuchungen und sollen daher an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Vgl. weiterführend etwa Marburger, Regeln der Technik, S. 390 ff.; ders., in: Müller-Graff (Hrsg.), S. 27, 38 ff.; ders., BB Beil. 4/1985, S. 16, 20 f.; Breulmann, S. 126 ff.

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bb) Mittelbare gesetzliche Inbezugnahme Mittelbare rechtliche Allgemeinverbindlichkeit kann einem technischen Standard insbesondere durch die Verwendung gesetzlicher Generalklauseln oder unbestimmter Rechtsbegriffe zukommen,64 bei deren Auslegung und Konkretisierung die Details eines konkreten technischen Standards maßgebliche Berücksichtigung finden können.65 Unbestimmte Rechtsbegriffe kommen in einer Vielzahl von Rechtsnormen vor, insbesondere in solchen, die sich mit der Gewährleistung der technischen Sicherheit oder des Arbeits- und Umweltschutzes beschäftigen und vor allem im Bereich von (öffentlich-rechtlichen) Genehmigungsverfahren, (privatrechtlichen) Haftungsnormen und (strafrechtlichen) Sanktionsvorschriften zu finden sind.66 In vielen Fällen wird die Zulässigkeit eines Vorhabens oder die Vermeidung einer Haftung daran geknüpft, dass die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“67, der „Stand von Wissenschaft und Technik“68 oder einfach der „Stand der Technik“69 beachtet werden bzw. wurden. Es ist dann die Aufgabe des Normanwenders70, die vom Gesetzgeber verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe anhand des jeweiligen Schutzzwecks der Norm zu konkretisieren.71 Hierbei wird häufig auf bestimmte technische Standards zurückgegriffen, die nach teilweise vertretener Ansicht in nicht wenigen Fällen eben jenen vom Gesetz geforderten „Stand der Technik“ wiedergeben.72 Insoweit sind es vor allem 64 Zur Abgrenzung der Begriffe Generalklausel – unbestimmter Rechtsbegriff Marburger, Regeln der Technik, S. 166 ff. 65 Vgl. hierzu Lukes, in: Müller-Graff (Hrsg.), S. 17, 19 ff.; Lamb, S. 94 ff.; Marburger, Regeln der Technik, S. 385, 395 ff.; ders., in: Müller-Graff (Hrsg.), S. 27, 34 ff.; Zemlin, S. 115; Nicklisch, NJW 1983, S. 841; Sonnenberger, BB Beil. 4/1985, S. 3, 7 f. Grundlegend und zugleich kritisch zur mittelbaren rechtlichen Verbindlichkeit privater Regelwerke Bachmann, S. 334 ff. Lesenswert auch BVerwG vom 30.09.1996, NVwZ-RR 1997, 214. 66 Hierzu ausführlich Maaßen, S. 58 ff.; Nicklisch, BB 1983, S. 261; Falke, in: Vieweg (Hrsg.), S. 178 f.; Zorn, S. 60. 67 Siehe z. B. § 17 Abs. 2 Nr. 1 SprengG; § 55 I Nr. 3 BBergG („allgemein anerkannte Regeln der Sicherheitstechnik“). 68 Siehe etwa § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG; §§ 4 Abs. 2 Nr. 3; 5 V; 6 Abs. 2 Nr. 2; 7 Abs. 2 Nr. 3 AtomG. 69 Siehe z. B. § 14 Abs. 1 Nr. 3 GPSG sowie alle aufgrund dieser Vorschrift ergangenen Rechtsverordnungen. Vgl. auch §§ 3 VI, 14 S. 2 BImSchG; § 5 Abs. 2 Nr. 3 SprengG. 70 Normanwender sind in der Regel Gerichte und sonstige staatliche Stellen wie Verwaltungsbehörden oder die Staatsanwaltschaft. 71 Um dem Normanwender die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe zu erleichtern, enthalten die entsprechenden Vorschriften häufig eine ausdrückliche Herausstellung der vom Gesetzgeber verfolgten Schutzziele. Vgl. Nicklisch, NJW 1983, S. 841, 842. So wird etwa in § 14 Abs. 1 GPSG der Schutz der Beschäftigten und Dritter vor den Gefahren durch überwachungsbedürftige Anlagen angeordnet. 72 Selbstbewusst formuliert das DIN insoweit: „Die Normen des deutschen Normenwerks stehen jedermann zur Anwendung frei. Sie wollen sich als ,anerkannte Regeln der TechnikÐ einführen.“ (E DIN 820-1: 2007-11, Art. 8.1 Abs. 1).

A. Technische Standards

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die Verwaltungs- und Überwachungsbehörden aus dem Bereich des technischen Sicherheitsrechts, welche die in den Regelwerken privater Standardisierungsorganisationen enthaltenen technischen Spezifikationen den anerkannten Regeln der Technik gleichsetzen.73 In diesem Zusammenhang ist allerdings auf die ausdrückliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinzuweisen, derzufolge die in privatwirtschaftlich festgelegten Standards enthaltenen technischen Vorgaben in aller Regel nur als „grober Anhalt“74 bzw. „Entscheidungshilfe“75 angesehen werden dürfen, keinesfalls aber die tatrichterliche Würdigung im Einzelfall ersetzen können, die gegebenenfalls unter Heranziehung weiterer Erkenntnisquellen zu erfolgen hat.76 Denn ungeachtet des von den Standardisierungsorganisationen bei der Festlegung ihrer jeweiligen Standards regelmäßig zur Anwendung gebrachten Sachverstandes, darf nicht vergessen werden, dass es sich bei der Mehrheit der kooperativ festgelegten Standards um Vereinbarungen interessierter Kreise handelt, die den Standard nicht um seiner selbst willen festlegen, sondern damit in aller Regel eine gezielte Einflussnahme auf das Marktgeschehen bezwecken.77 Die von den Vertretern privater Unternehmen und interessierter Branchen verabschiedeten Standards dürfen daher auch nicht etwa mit der Arbeit eines neutralen und unvoreingenommenen gerichtlichen Sachverständigen gleichgesetzt werden.78 Gleichwohl ist es den zur Anwendung der betreffenden Vorschriften berufenen Stellen nicht verwehrt, in Einzelfällen auf etwa bestehende, von bestimmten Standardisierungsorganisationen festgelegte technische Standards Bezug zu nehmen und diese im Rahmen der Gesetzesauslegung heranzuziehen. Nur ist der Rückgriff auf derartige Standards als Mittel zur Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe eben kein Automatismus. Die Behörden und Gerichte müssen vielmehr in jedem Einzelfall genau prüfen, ob der konkrete Standard sich im Hinblick auf die Art und Weise

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Maaßen, S. 59 f. Ablehnend gegenüber der Heranziehung technischer Standards als „Usancen der Technik“ demgegenüber Breulmann, S. 74 f. 74 BVerwG vom 27.01.1994, NVwZ-RR 1995, S. 6. Dort heißt es im Zusammenhang mit der Zulässigkeit von Geruchsbelästigungen i.S.d. § 5 BauNVO: „Selbst wenn hinsichtlich einzelner Beeinträchtigungsarten technische Regelwerke vorhanden sind (z. B. DIN-Normen oder VDIRichtlinien), bieten diese im Rahmen der gebotenen Einzelfallprüfung nur eine Orientierungshilfe oder einen ,groben AnhaltÐ. Unzulässig ist in jedem Falle eine nur schematische Anwendung bestimmter Mittelungspegel oder Grenzwerte.“ 75 BVerwG vom 08.07.1998, NVwZ 1999, S. 63, 64. 76 Maaßen, S. 60. 77 Hierdurch unterscheiden sie sich beispielsweise von normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften, wie der aufgrund von § 48 BImSchG erlassenen TA-Luft und TA-Lärm. Ausführlich Marburger, Regeln der Technik, S. 92 ff. 78 Siehe BVerwG vom 22.05.1987, BVerwGE 77, S. 285, 291 f. Ausführlich zur Gleichsetzung privatwirtschaftlich festgelegter Standards mit Sachverständigengutachten im Rechtssinne Nicklisch, NJW 1983, S. 841.

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Teil 2: Grundlagen

seines Zustandekommens sowie nach Sinn und Zweck der in Rede stehenden Vorschrift zur Normkonkretisierung eignet.79 b) Verbindlicherklärung durch privatrechtlichen Vertrag Als Ausfluss der im Privatrecht geltenden Vertragsautonomie steht es den Parteien eines Vertrages grundsätzlich frei, die Einhaltung bestimmter technischer Standards vertraglich festzulegen.80 Eine solche vertragliche Regelung, durch die sich die beteiligten Parteien gegenseitig verpflichten, einen gemeinsam entwickelten Standard einzuhalten, führt ähnlich der oben beschriebenen gesetzlichen Inbezugnahme zwar ebenfalls zur rechtlichen Verbindlichkeit des entsprechenden Standards; der wesentliche Unterschied zur gesetzlichen Inbezugnahme besteht indes darin, dass eine solche vertragliche Regelung Wirkung lediglich inter partes hat, wohingegen eine gesetzliche Inbezugnahme dem entsprechenden Standard allgemeine Bindungswirkung gegenüber jedermann zukommen lässt. An dieser Stelle sei jedoch angemerkt, dass eine Vereinbarung, nach der sich die an dem Standardisierungsprozess beteiligten Unternehmen gegenseitig zur Einhaltung und ausschließlichen Anwendung des gemeinsam entwickelten Standards verpflichten, in kartellrechtlicher Hinsicht nicht unerheblichen Bedenken unterliegt. Derartige Vereinbarungen laufen – bei entsprechender Marktstellung der Beteiligten81 – Gefahr, als wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EGV bzw. § 1 GWB eingestuft zu werden. Folge wäre die Nichtigkeit nach Art. 81 Abs. 2 EGV bzw. § 1 GWB i.V.m. § 134 BGB, sofern nicht einer der Ausnahmetatbestände des Art. 81 Abs. 3 EGV bzw. § 2 GWB einschlägig ist. Diese Problematik soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit indes nicht weiter vertieft werden.82

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Vgl. etwa Rönck, S. 162 ff.; Marburger, in: Müller-Graff (Hrsg.), S. 27, 36. Siehe Zemlin, S. 109; Lukes, in: Müller-Graff (Hrsg.), S. 17; Marburger, in: Müller-Graff (Hrsg.), S. 27, 32. 81 Bei einem kumulativen Marktanteil aller an der Vereinbarung Beteiligten von unter 10 % ist in aller Regel eine Wettbewerbsbeschränkung nicht gegeben, siehe Europäische Kommission, Bagatellbekanntmachung, Abl. C 368 vom 22.12.2001, S. 13, Rn. 7. 82 Hingewiesen sei aber noch auf die Entscheidung der Europäischen Kommission vom 20.12.1977, Abl. L 47 vom 18.02.1978, S. 42 – Video-Cassetterecorders. In diesem Fall hatten sich mehrere Elektronikunternehmen zusammengeschlossen, um ein neues Videosystem zu entwickeln. Dazu wurde ein offenes Forum gebildet, an dem alle interessierten Unternehmen mitarbeiten und jederzeit ein- und austreten konnten. Die Unternehmen verpflichteten sich zur einheitlichen Anwendung des sog. VCR-Standards; den beteiligten Unternehmen war bei der Herstellung sowie dem Vertrieb von Videokassettengeräten und Videokassetten also die ausschließliche Verwendung des VCR-Systems vorgeschrieben. In dieser Vereinbarung sah die Kommission eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung i.S.d. Art. 85 Abs. 1 EGV a. F. (Art. 81 Abs. 1 EGV n.F.), „die auf die Einschränkung der technischen Entwicklung, der Erzeugung und des Absatzes anderer Videokassettensysteme (außer dem VCR-System) gerichtet war.“ (Rn. 23 der Entscheidung). 80

A. Technische Standards

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2. Faktische Verbindlichkeit Wenngleich die meisten Standards im hier verstandenen Sinne rechtlich keine zwingende Befolgung verlangen, sondern es sich grundsätzlich um Festlegungen von rein empfehlendem Charakter handelt, deren Anwendung auf freiwilliger Basis erfolgt, so ist ihnen doch tatsächlich häufig ein nicht unerhebliches Maß an faktischer Verbindlichkeit immanent.83 Diese ergibt sich zunächst aus den oben84 im Zusammenhang mit der Entstehung von de facto Standards beschriebenen Netzwerkeffekten, die auch im Rahmen der hier zu behandelnden kollektiven Festlegung technischer Standards eine je nach Fallgestaltung erhebliche Rolle spielen können. Denn je größer die Zahl der auf einen bestimmten Standard festgelegten Nutzer und je größer die Zahl der mit diesem Standard kompatiblen Produkte ist, desto weniger Anreize bestehen für den Kunden, Produkte zu erwerben, die diesen Standard nicht unterstützen.85 Für einen Hersteller, der abweichende Produkte vertreiben will, ist es daher häufig schwierig, diese auf dem Markt zu etablieren. Es sei beispielsweise auf den USBStandard86 verwiesen, der heutzutage fast ausschließlich verwendet wird, um einen Computer mit externen Geräten zu verbinden. Da mittlerweile (weltweit) fast alle auf dem Markt erhältlichen PCs, ebenso wie die dazu gehörenden peripheren Geräte wie Tastatur, Maus, Drucker, Scanner, externe Speichermedien etc., zur Kommunikation untereinander den USB-Standard nutzen, wäre es etwa für den Hersteller eines Druckers mit großen Schwierigkeiten verbunden, sein Produkt erfolgreich zu vermarkten, wenn dieses den USB-Standard nicht unterstützt. Denn dann wäre der Drucker mit einem handelsüblichen Computer nicht kompatibel und für den Anwender daher in aller Regel von geringem Nutzen.87 Aber auch unabhängig von den beschriebenen Netzwerkeffekten entscheiden sich die Verbraucher in der Regel für den Erwerb von Produkten, die einem bestimmten Standard entsprechen. Häufig haben sich derartige Produkte in der Praxis nämlich bereits bewährt und waren Gegenstand unabhängiger Testverfahren (z. B. Warentests).88 Außerdem existiert im Falle der überbetrieblichen Einigung auf einen bestimmten 83

Vgl. Lukes, in: Müller-Graff (Hrsg.), S. 17, 24; Rönck, S. 44; Lamb, S. 92 f. Siehe Teil 2, A.II.3. 85 Vgl. Hess, S. 1, 20 f. 86 USB steht für „Universal Serial Bus“ und ist ein serielles Bussystem zur digitalen Datenübertragung. Für Einzelheiten zum USB-Standard und dessen Verbreitung durch das sog. USB Implementers Forum siehe http://www.usb.org/home (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). 87 Ein weiteres Beispiel aus einem anderen Bereich ist das Papierformat DIN A 4, welches sich hierzulande nicht zuletzt durch die oben beschriebenen (indirekten) Netzwerkeffekte, d. h. durch Erreichung von Kompatibilität mit anderen Produkten wie Heftern, Ordnern, Aktenmappen, Umschlägen, Kopierern, Druckern etc., flächendeckend durchgesetzt hat. Jedenfalls in Deutschland hätten Hersteller von Papier es daher schwer, ein anderes Papierformat am Markt zu etablieren. Entsprechendes gilt für die Hersteller der anderen genannten Produkte. 88 Vgl. Zorn, S. 64. 84

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Teil 2: Grundlagen

Standard in der Regel eine größere Auswahl an entsprechenden Produkten und es ist davon auszugehen, dass das zuständige Fachpersonal im Hinblick auf die technische Betreuung und Fehlerbehebung besser geschult ist. Die nicht zuletzt auf diesen Faktoren beruhende, ganz grundsätzlich zu beobachtende „Verbraucherpräferenz für standardkonforme Produkte“89 bewirkt für die Hersteller oftmals einen faktischen – nämlich wirtschaftlichen – Zwang, ihre Produkte an dem betreffenden Standard auszurichten. 3. Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzuhalten, dass privatwirtschaftlich entwickelte technische Standards im hier verstandenen Sinne vom theoretischen Ausgangspunkt her bloße unverbindliche Empfehlungen darstellen. In der Praxis kommt einer Vielzahl von Standards aber gleichwohl eine rechtliche oder zumindest faktische Verbindlichkeit zu.90 Auf das Vorliegen einer solchen Bindungswirkung ist es ohne Einfluss, ob Urheber des Standards eine staatlich anerkannte (sog. offizielle) oder eine inoffizielle Standardisierungsorganisation ist.91

V. Vorstellung einiger Standardisierungsorganisationen Im Folgenden werden exemplarisch einige bekannte Standardisierungsorganisationen vorgestellt, auf die im weiteren Verlauf der Arbeit an verschiedenen Stellen wiederholt zurückzukommen sein wird. Dabei kann eine grobe Unterteilung vorgenommen werden zwischen den staatlich anerkannten, sog. offiziellen Standardisierungsorganisationen und den sog. inoffiziellen Standardisierungsorganisationen, die sich am Markt zur Festlegung bestimmter technischer Standards gebildet haben, ohne von staatlicher Seite offiziell anerkannt zu sein. Beiden ist gemeinsam, dass sie auf längerfristige Zusammenarbeit angelegt sind und im Hinblick auf die Ver-

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Hierzu Conde Gallego, GRUR Int. 2006, S. 16, 22; Maaßen, S. 48. Dies stellt Zemlin, S. 108 sehr anschaulich wie folgt dar: „Die in den überbetrieblichen technischen Normen verankerte technische Ordnung bildet gewissermaßen das Grundwasser, das sich unterhalb der Erdoberfläche, der Rechtsordnung befindet. Das Grundwasser hat einerseits seine eigene Gesetzlichkeit. Andererseits befindet es sich in einer ständigen Berührung mit der Erdoberfläche. Dort, wo den technischen Normen ein juristisches Flussbett zur Verfügung steht, etwa im Rahmen der Vertragsfreiheit oder des behördlichen Ermessens, können sie einen freien Lauf entwickeln. Ist aber die Erdoberfläche hart oder zementiert, d. h. hat der Gesetzgeber von sich aus bestimmte Regelungen verbindlich festgelegt, können sie nicht wirksam werden. Gegebenenfalls können sie hier durch Einzelmaßnahmen mit Brunnen oder dgl. erbohrt werden, wie bei der Einbeziehung einer Norm in einen gesetzlichen Tatbestand. Sie können sich aber auch überall dort, wo das Erdreich durchlässig ist, z. B. bei Verwendung sogen. unbestimmter Rechtsbegriffe wie ,anerkannte Regeln der TechnikÐ oder ,im Verkehr erforderliche SorgfaltÐ, durchsetzen und zutage treten.“ 91 Zu dieser Unterscheidung sogleich im nächsten Abschnitt. 90

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fahren der Standardfestlegung92 über (mehr oder weniger ausdifferenzierte) Verhaltensregeln verfügen, die der Arbeit in den jeweiligen organisationsinternen Standardisierungsgremien zugrunde liegen.93 Unterschiede bestehen lediglich insoweit, als die offiziellen Standardisierungsorganisationen regelmäßig gemeinnützig tätig sind und von staatlicher Seite mit der Erarbeitung bestimmter technischer Standards beauftragt werden; häufig wird auf die von ihnen entwickelten technischen Lösungen auch in Gesetzen oder Verordnungen Bezug genommen. Die inoffiziellen Standardisierungsorganisationen werden demgegenüber für gewöhnlich aus wirtschaftlichen Motiven und ohne staatlichen Auftrag tätig; der Anstoß zur gemeinsamen Festlegung technischer Standards kommt stattdessen aus den Reihen der teilnehmenden Unternehmen selbst und orientiert sich an den Bedürfnissen des Marktes. In Bezug auf die rechtliche Behandlung beider Typen von Standardisierungsorganisationen bestehen jedoch keine im Rahmen dieser Arbeit relevanten Unterschiede. Neben diesen offiziellen und inoffiziellen Standardisierungsorganisationen existieren noch eine Reihe von ad hoc am Markt gebildeten Kooperationsgemeinschaften zur Festlegung gemeinsamer technischer Standards, die auf lediglich punktuelle Zusammenarbeit angelegt sind und über keine ausdifferenzierten Statuten zur Regelung ihrer inneren Angelegenheiten verfügen. Da diese aber im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Bedeutung von lediglich untergeordneter Relevanz sind und zudem nicht das Merkmal der „Planmäßigkeit“ im Sinne der oben herausgearbeiteten Definition94 erfüllen, soll auf sie nicht näher eingegangen werden.95 Organisatorisch handelt es sich bei den hier im Mittelpunkt stehenden offiziellen und inoffiziellen Standardisierungsorganisationen regelmäßig um juristische Personen oder jedenfalls teilrechtsfähige Einheiten des Privatrechts. Dabei sind die offiziellen Standardisierungsorganisationen vornehmlich als (nicht wirtschaftliche) Vereine des Privatrechts organisiert.96 Aber auch ein beträchtlicher Anteil der inoffiziellen

92 Ausführlich zum Ablauf des Standardisierungsprozesses innerhalb der Standardisierungsorganisationen Barthel, S. 122 ff. 93 In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass sich im Einzelfall eine Verknüpfung zwischen offiziellen und inoffiziellen Standardisierungsaktivitäten dergestalt ergeben kann, dass bestimmte Standards einer nicht anerkannten Organisation durch eine anerkannte Standardisierungsorganisation übernommen und durch diese am Markt eingeführt werden. Entsprechende Kooperationsverträge bestehen beispielsweise zwischen dem Digital Video Broadcasting Consortium (DVB) und ETSI sowie CENELEC (Einzelheiten zu all diesen Organisationen sogleich), wonach letztere sich verpflichten, unter bestimmten Voraussetzungen die von DVB erarbeiteten Standards zu übernehmen. Die entsprechenden technischen Spezifikationen werden dann von ETSI oder CENELEC veröffentlicht und kostenlos für jedermann zur Verfügung gestellt. 94 Siehe Teil 2, A.I. 95 Vgl. zu der hier vorgenommenen Einteilung auch Johannes, S. 4; Rahnasto, S. 186 f.; Loest/Bartlik, ZWeR 2008, S. 41, 43 f.; Europäische Kommission, Horizontalleitlinien, Abl. C 3 vom 06.01.2001, S. 2, Rn. 162. 96 Siehe zu den Einzelheiten Kübel, S. 11 ff.

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Teil 2: Grundlagen

Standardisierungsorganisationen präsentiert sich in der Rechtsform des Vereins;97 andernfalls handelt es sich aus deutscher Sicht zumeist um Gesellschaften bürgerlichen Rechts oder um offene Handelsgesellschaften.98 1. Offizielle Standardisierungsorganisationen Offizielle, d. h. staatlich bzw. zwischenstaatlich anerkannte Standardisierungsorganisationen gibt es sowohl auf deutscher und europäischer als auch auf internationaler Ebene, wobei die Formen der staatlichen Anerkennung variieren können.99 a) Deutsche Organisation Die (einzige) nationale, staatlich anerkannte Standardisierungsorganisation in Deutschland ist das Deutsche Institut für Normung e.V. (DIN). Das DIN ist seit seiner Gründung im Jahre 1917 als Verein des Privatrechts (§ 21 BGB) organisiert, der ausschließlich gemeinnützige Zwecke verfolgt, „indem es durch Gemeinschaftsarbeit der interessierten Kreise, zum Nutzen der Allgemeinheit Deutsche Normen oder andere Arbeitsergebnisse, die der Rationalisierung, der Qualitätssicherung, dem Umweltschutz, der Sicherheit und der Verständigung in Wirtschaft, Technik, Wissenschaft, Verwaltung und Öffentlichkeit dienen, aufstellt, sie veröffentlicht und ihre Anwendung fördert.“100 Seit 1975 ist das DIN durch einen mit der Bundesrepublik geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag101 als „die zuständige Normenorganisation für das Bundesgebiet […] sowie als die Nationale Normenorganisation in nichtstaatlichen Internationalen Normenorganisationen“102 anerkannt. Im Gegenzug ist das DIN verpflichtet, „bei seinen Normungsarbeiten das öffentliche Interesse zu berücksichtigen [sowie] bei der Ausarbeitung der DIN-Normen insbesondere dafür Sorge [zu] tragen, daß die Normen bei der Gesetzgebung, in der öffentlichen Verwaltung und im Rechtsverkehr als Umschreibungen technischer Anforderungen herangezogen werden können.“103 Eine Übertragung von Hoheitsrechten ist mit der staat97

Als Beispiel sei die Trusted Computing Group (TCG) (dazu unten Teil 2, A.V.2.) genannt. Hierzu Maaßen, S. 35 ff. Ausführlich zu den möglichen Rechtsformen von Standardisierungsorganisationen außerdem Schepel/Falke, S. 62 ff. 99 Dazu sogleich im Rahmen der Darstellung der jeweiligen Organisation. 100 § 2 Abs. 1 der Satzung des DIN, abrufbar im Internet unter http://www.din.de unter der Rubrik „Wir über uns ! DIN e.V. ! Satzung“ (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). 101 Vertrag vom 05.06.1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister für Wirtschaft, und dem DIN, Deutsches Institut für Normung e.V., vertreten durch dessen Präsidenten. Der Vertrag ist abrufbar im Internet unter http://www.din.de unter der Rubrik „Wir über uns ! DIN e.V. ! Partner Staat“ (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). Zu den Auswirkungen des Vertrages aus der Sicht von 1977 mit grundsätzlich positiver Bilanz: Pokorny, DIN-Mitt. 56 (1977), S. 336 ff.; Reihlen, DIN Mitt. 56 (1977), S. 339 f.; aus heutiger Sicht: Zubke von Thünen, S. 265 ff. 102 § 1 Abs. 1 des Normenvertrages. 103 § 1 Abs. 2 des Normenvertrages. 98

A. Technische Standards

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lichen Anerkennung des DIN nicht verbunden, so dass das DIN nicht als Beliehener tätig wird und die insoweit entwickelten Standards weiterhin das Ergebnis rein privatrechtlich geregelter Standardisierungsarbeit sind.104 Organisation und Arbeitsweise des DIN sind in der Satzung, den Geschäftsordnungen und den einzelnen Teilen der DIN 820105, dem „Grundgesetz“ der Organisation festgelegt.106 . b) Europäische Organisationen Auf europäischer Ebene existieren insgesamt drei anerkannte Standardisierungsorganisationen, das European Telecommunication Standards Institute (ETSI), das Comit¦ Europ¦en de Normalisation (CEN), sowie das Comit¦ Europ¦en de Normalisation Electrotechnique (CENELEC).107 Diese drei Gremien sind durch eine EURichtlinie als offizielle Standardisierungsorganisationen Europas auf jeweils unterschiedlichen Gebieten mit der Ausarbeitung bestimmter Standards betraut, die europaweit implementiert werden sollen.108 Das damit verfolgte Ziel ist es, die Konkurrenzfähigkeit der europäischen Industrie im weltweiten Wettbewerb zu fördern und zugleich einen Beitrag zur Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes zu leisten.109 Dabei befasst sich ETSI mit allen Fragen der Standardisierung im Bereich der Telekommunikation, während CENELEC auf die Standardisierung von Produkten der Elektrotechnik spezialisiert ist.110 Umfassender ist das Betätigungsfeld von CEN, das sich der Entwicklung von Standards in allen anderen technischen Bereichen widmet.111 CEN und CENELEC sind als gemeinnützige Vereine nach belgischem Recht organisiert; ungeachtet ihrer juristischen Selbständigkeit arbeiten sie seit 1982 als „Gemeinsame Europäische Normungsorganisation“ eng zusammen und haben ihre Entscheidungsfindungsprozesse und Organisationsstrukturen weitgehend vereinheitlicht; sie verfügen zudem über eine gemeinsame Geschäftsordnung und gemeinsame Regeln zum Umgang mit patentgeschützten Lehren im Rahmen der Standardisie-

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Siehe nur Maaßen, S. 26 f. Beachte hierzu den neuen Normentwurf E DIN 820-1:2007-11. 106 Umfassend Niedzilla, S. 13 ff., 67 ff.; Ekardt u. a., S. 110. 107 Hierzu umfassend Schepel/Falke, S. 3 ff.; Rönck, S. 52 ff.; siehe auch Bekkers/Liotard, EIPR 1999, S. 110 ff. 108 Vgl. Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.06.1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften, Abl. L 204 vom 21.07.1998, S. 37. 109 Vgl. Breulmann, S. 41; Rönck, S. 52; Anselmann, RIW 1986, S. 936 ff. 110 Zum Verfahren der Standardfestlegung im Rahmen von CENELEC ausführlich Niedzilla, S. 77 ff. 111 Vgl. Schepel/Falke, S. 3 ff. 105

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Teil 2: Grundlagen

rungstätigkeit.112 Mitglieder sind die jeweiligen nationalen Standardisierungsorganisationen der EU sowie der EFTA-Länder.113 Auch ETSI, das erst im Jahre 1988 auf Betreiben der Europäischen Kommission gegründet wurde, hat die Rechtsform eines gemeinnützigen Vereins, ist von CEN und CENELEC allerdings sowohl organisatorisch als auch geographisch getrennt und hat seinen Sitz in Frankreich. Im Gegensatz zu CEN und CENELEC ist bei dieser Organisation die Mitgliedschaft auch nicht auf die jeweiligen nationalen Standardisierungsorganisationen beschränkt, sondern steht darüber hinaus Netzbetreibern und Dienstleistungsunternehmen auf dem Gebiet der Telekommunikation ebenso offen wie Herstellern von Telekommunikationsprodukten und Nutzern derselben.114 Zu den bekanntesten Telekommunikationsstandards, an deren Entwicklung ETSI maßgeblich beteiligt war,115 zählen beispielsweise die Mobilfunkstandards GSM und UMTS, der DECT Standard für Telekommunikationsendgeräte sowie das Integrated Services Digital Network (ISDN).116 c) Internationale Organisationen Auf internationaler Ebene ist insbesondere die International Organization for Standardization (ISO)117 zu nennen. Die ISO mit Sitz in Genf ist ein privatrechtlicher 112 Vgl. Rönck, S. 54 f.; Maaßen, S. 28 f.; Grützner, S. 29. Umfassend auch Ensthaler, Zertifizierung, S. 50 f.; Griller, S. 23 ff.; Anselmann, RIW 1986, S. 936, 940 ff.; Schepel/ Falke, S. 3 ff. 113 Aus Deutschland sind bei CEN das DIN und bei CENELEC die Deutsche Elektrotechnische Kommission im DIN und VDE (DKE), ein Gemeinschaftsgremium von DIN und VDE (Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik, dazu sogleich unter Teil 2, A.V.2.) für den Teilbereich der Elektrotechnik, als nationale Mitglieder beteiligt. Zu DKE und VDE ausführlich Niedzilla, S. 25 ff. 114 Tatsächlich wird die Mitgliederstruktur von ETSI ganz überwiegend von privaten Unternehmen geprägt. Die nationalen Standardisierungsorganisationen und Fernmeldebehörden stellen nur etwa 9 % der Mitglieder dar. Vgl. hierzu die Homepage von ETSI unter http://www. etsi.org/WebSite/AboutETSI/structure/members.aspx (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). Insgesamt hat ETSI knapp 700 Mitglieder aus 60 verschiedenen Ländern. Auch wenn ETSI eine von der Europäischen Kommission ins Leben gerufene Institution ist, ist deren Tätigkeitsbereich nicht auf Europa beschränkt. Daher können auch interessierte Kreise aus Nicht-EU Ländern als sog. assoziierte Mitglieder am Standardisierungsverfahren teilnehmen. 115 ETSI arbeitet nicht immer völlig autonom, sondern kollaboriert in vielen Fällen mit anderen Standardisierungsorganisationen (wie z. B. der International Telecommunication Union (ITU)) zusammen. Vgl. wiederum die Homepage von ETSI unter http://www.etsi.org/ WebSite/AboutETSI/GlobalRole/Ourglobalrole.aspx (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). Siehe auch Falke, Rechtliche Aspekte der Normung, S. 89 ff. (zur Zusammenarbeit zwischen ETSI und dem VDI). 116 Siehe http://www.etsi.org/WebSite/AboutETSI/GlobalRole/Ourglobalrole.aspx (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). 117 Die Abkürzung „ISO“ rührt nicht vom englischen Namen der Organisation her (dann müsste es „IOS“) heißen, sondern stammt von dem griechischen Begriff isos ab, der übersetzt

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Verein nach schweizerischem Recht und wurde im Jahr 1946 gegründet. Sie ist die größte offizielle Organisation im Bereich der Entwicklung und Vermarktung internationaler Standards und setzt sich zusammen aus den offiziellen nationalen Standardisierungsorganisationen von mittlerweile über 157 Ländern.118 Erklärtes Ziel der ISO ist es, durch die Schaffung globaler technischer Standards in den verschiedensten Bereichen von Wirtschaft und Wissenschaft119 sowohl den länderübergreifenden Handel mit Gütern und Dienstleistungen wie auch internationale wissenschaftliche Forschungs- und Entwicklungsprojekte zu vereinfachen und zu fördern.120 Um eine Divergenz zwischen den von ISO entwickelten internationalen und den von einzelnen nationalen oder europäischen Standardisierungsgremien entwickelten Standards zu vermeiden, hat ISO mit einer Reihe dieser Standardisierungsinstitutionen – darunter auch CEN und CENELEC – Kooperationsverträge121 geschlossen, die sich mit der Angleichung der jeweiligen Standards beschäftigen.122 Neben der ISO existiert auf internationaler Ebene noch die International Electrotechnical Commission (IEC), die mit der Entwicklung von internationalen Standards speziell auf dem Gebiet der Elektrotechnik und Elektronik befasst ist und deren Aufgabengebiet in Abgrenzung zu demjenigen der ISO in einem entsprechenden Vertrag geregelt ist.123 Genau wie ISO ist auch die IEC ein Verein nach schweizerischem Recht mit Sitz in Genf; sie setzt sich zusammen aus den entsprechenden nationalen

„gleich“ bedeutet. Siehe http://www.iso.org/iso/about/discover-iso_isos-name.htm (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). 118 Vgl. die Homepage der ISO unter http://www.iso.org/iso/about.htm (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). Von deutscher Seite ist wiederum das DIN an der Standardisierungstätigkeit innerhalb der ISO beteiligt. 119 Nicht zuständig ist die ISO allerdings für die Schaffung von Standards im Bereich der Elektrik und Elektronik (dies fällt in den Zuständigkeitsbereich der International Electrotechnical Commission (IEC)) sowie der Telekommunikation (dies ist das Hauptgebiet der International Telecommunication Union (ITU). Hierzu sogleich. 120 Vgl. Rönck, S. 64 f. Nach eigenen Angaben hat die ISO derzeit mehr als 16.500 internationale Standards in ihrem Portfolio, die sowohl in traditionellen Bereichen wie Landwirtschaft und Handwerk, als auch auf Gebieten wie Medizin, Informations- und Kommunikationstechnologien sowie im Dienstleistungsgewerbe angesiedelt sind. Vgl. http://www.iso.org/ iso/about/discover-iso_the-scope-of-isos-work.htm (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). 121 Siehe etwa das sog. Vienna Agreement aus dem Jahre 1991, welches die Zusammenarbeit zwischen ISO und CEN umfassend regelt. Abrufbar auf im Internet unter http://www.iso. org/iso/standards_development/processes_and_procedures/cooperation_with_cen.htm (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). 122 Vgl. Grützner, S. 40. Eine vollständige Liste der Institutionen, mit den denen ISO Kooperationsverträge geschlossen hat, findet sich unter http://www.iso.org/iso/about/organiza tions_in_liaison.htm (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). 123 Für weiterführende Informationen vgl. die Homepage der Gemeinschaftseinrichtung von ISO und IEC, dem sog. ISO/IEC Information Center unter http://www.standardsinfo.net/ info/livelink/fetch/2000/148478/6301438/index.html (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). Ausführlich außerdem Niedzilla, S. 53 ff., 85 ff.

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Teil 2: Grundlagen

elektrotechnischen Komitees.124 Ähnlich wie CEN und CENELEC haben auch ISO und IEC ihre interne Organisation und Verfahrensabläufe weitgehend aufeinander abgestimmt und in gemeinsamen „Directives“ festgeschrieben.125 Erwähnt werden soll der Vollständigkeit halber schließlich die International Telecommunications Union (ITU), die 1932 durch einen Zusammenschluss zweier älterer Organisationen, der Internationalen Telegraphenunion und der Internationalen Radio-Telegraphen-Konvention hervorging und mit der Entwicklung von Standards im Bereich der Telekommunikation befasst ist.126 Obgleich die ITU oft in einem Atemzug mit ISO und IEC genannt wird und diese drei Organisationen gemeinsam die sog. World Standards Cooperation (WSC) bilden, handelt es sich hierbei nicht um eine Standardisierungsorganisation im Sinne der oben127 entwickelten Definition. Die ITU ist nämlich seit 1949 eine zwischenstaatliche Organisation unter dem Dach der Vereinten Nationen und daher im Gegensatz zu ISO und IEC nicht privatrechtlich organisiert.128 Auf sie soll aus diesem Grunde nicht näher eingegangen werden.129 2. Inoffizielle Standardisierungsorganisationen Neben diesen offiziellen Standardisierungsorganisationen ist in den verschiedenen Wirtschaftszweigen eine Vielzahl von inoffiziellen Standardisierungsorganisationen anzutreffen, die über keine ausdrückliche staatliche oder zwischenstaatliche Anerkennung verfügen. Parallel zu den oben beschriebenen, offiziellen Organisationen können auch diese auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene tätig sein und werden in aller Regel von Herstellern der gleichen Branche gebildet. Häufig können sich an der Standardisierungsarbeit aber auch sonstige Interessierte wie wissenschaftliche Forschungseinrichtungen, Interessenverbände oder gar Private beteiligen. Im Folgenden werden beispielhaft einige dieser inoffiziellen Standardisierungsorganisationen vorgestellt, wobei insbesondere auf europäischem und internationalem Parkett und dort vor allem auf dem Gebiet der Informations- und Telekommunikationstechnologie eine rege Standardisierungstätigkeit zu beobachten ist.

124 Deutschland wird wie bei CENELEC durch die DKE (hierzu oben Fn. 113) vertreten. Vgl. Maaßen, S. 30. Umfassend außerdem http://www.iec.ch/about/members-e.htm (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). 125 Siehe ISO/IEC Directives Part 1. 126 Maaßen, S. 30 f. 127 Teil 2, A.I. 128 Vgl. die Homepage der ITU unter http://www.itu.int/net/about/index.aspx (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009) sowie Art. 57, 63 der UN Charter. 129 Für weitere Beispiele offizieller internationaler Standardisierungsorganisationen siehe Rönck, S. 67.

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a) Deutsche Organisationen Auf deutscher Ebene sei der Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik e.V. (VDE) genannt. Die Mitgliedsstruktur des bereits im Jahre 1839 gegründeten VDE besteht aus Unternehmen und Studierenden. Mit insgesamt rund 34.000 Mitgliedern ist der VDE einer der größten technisch-wissenschaftlichen Verbände Europas.130 Seine Aufgabe ist die Erarbeitung von Standards mit dem Ziel der Gewährleistung eines gewissen Sicherheitsniveaus in der Elektro- und Sicherheitstechnik.131 b) Europäische Organisationen Als europäische Organisation kann beispielhaft das 1993 in Europa ins Leben gerufene Digital Video Broadcasting Consortium (DVB) hervorgehoben werden, das sich der Standardisierung auf dem Gebiet des digitalen Fernsehens verschrieben hat. Es besteht aus mittlerweile über 270 Unternehmen der Privatwirtschaft und arbeitet eng mit der Europäischen Kommission sowie den offiziellen europäischen Standardisierungsorganisationen CENELEC und ETSI zusammen. Gemeinsames Ziel ist es unter anderem, verschiedene Schnittstellen zur Anwendungsprogrammierung von sog. Top Set Boxen132 zu vereinheitlichen und weltweit zu implementieren. Aus diesen Bestrebungen ist z. B. der sog. Multimedia-Home-Platform-Standard (MHP) hervorgegangen, der die Übertragung und Darstellung interaktiver Inhalte im digitalen Fernsehen auf Basis der Programmiersprache Java spezifiziert.133 c) Internationale Organisationen Auf internationaler Ebene ist exemplarisch zunächst die Trusted Computing Group (TCG) zu nennen. Hierbei handelt es sich um einen weltweiten Zusammenschluss von Unternehmen der Soft- und Hardwarebranche, die an einem gemeinsamen Standard für „vertrauenswürdige Computersysteme“ einschließlich der Datenübertragung über das Internet arbeitet. Entsprechende Plattformmodule sind bereits seit einiger Zeit in den Endgeräten verschiedener Hersteller enthalten. Die Organisation ist im Jahre 2003 gegründet worden und ging damals aus der Vorgängerorganisation Trusted Computing Platform Alliance (TCPA) hervor.134 130 Vgl. die Homepage des VDE unter http://www.vde.com/de/Verband/Ueber%20Uns/ Seiten/Leitbild.aspx (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). 131 Für weitere Beispiele solcher inoffiziellen Standardisierungsorganisationen auf nationaler Ebene siehe Lamb, S. 72. 132 Eine Set Top Box ist ein Gerät der Unterhaltungselektronik, welches dem Benutzer eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten bietet und in den meisten Fällen mit einem Fernseher verbunden wird. 133 Für ausführliche Informationen siehe die Homepage des DVB unter http://www.dvb.org/ about_dvb/index.xml (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). 134 Siehe für ausführliche Informationen die Homepage der TCG unter https://www.tru stedcomputinggroup.org/about/ (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009).

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Teil 2: Grundlagen

Eine ebenfalls recht junge Organisation ist das 1994 gegründete World Wide Web Consortium (W3C), das heute mehr als 400 Unternehmen zu seinen Mitgliedern zählt und sich dem Ziel der Unterstützung der technischen Entwicklung und Sicherstellung von Kompatibilität im Internet verschrieben hat, wobei die bisher verabschiedeten Standards vor allem die Präsentation von Inhalten und die Gestaltung von Webseiten im Internet betrafen.135 Hinzuweisen ist darüber hinaus auf die Telecommunications Industry Association (TIA), einen im Jahre 1988 gegründeten Zusammenschluss von über tausend Unternehmen aus der ganzen Welt, deren gemeinsames Ziel unter anderem die Festlegung einheitlicher Standards in sämtlichen Bereichen der Daten- und Telekommunikationstechnik ist. TIA ist eine vom American National Standards Institute (ANSI) akkreditierte Standardisierungsorganisation und arbeitet teilweise eng mit der bereits oben erwähnten IEC zusammen.136 Weniger bekannt, aber gleichwohl erwähnenswert ist die VMEbus International Trade Association (VITA). Hierbei handelt es sich um einen 1984 ins Leben gerufenen gemeinnützigen Zusammenschluss von Unternehmen, die an der Entwicklung von modularen, eingebetteten Echtzeitcomputersystemen arbeiten und die Mitte der 1990er Jahre in Fachkreisen durch die Veröffentlichung der VMEbus-Technology137 auf sich aufmerksam machten.138 Erwähnung finden soll schließlich139 die auf dem Gebiet der Informations-, Kommunikations- und Unterhaltungselektronik tätige Standardisierungsorganisation ECMA International. Die Organisation wurde 1961 unter dem ursprünglichen Namen „European Computer Manufacturers Association“ als rein europäische Vereinigung in Genf gegründet, umfasst heute jedoch Unternehmen aus der ganzen Welt und heißt daher seit 1994 offiziell ECMA International. Ziel ist die Festlegung von 135 So gehen beispielsweise verschiedene Versionen der HTML-Sprache auf W3C zurück. Für nähere Informationen siehe die Homepage von W3C unter http://www.w3.org/Consortium/ (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). 136 Für weitere Informationen siehe die Homepage von TIA unter http://www.tiaonline.org/ about/ (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). 137 Einzelheiten hierzu unter http://www.vita.com/specifications.html (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). 138 Für weitere Informationen siehe die Homepage von VITA unter http://www.vita.com/ about.php (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). 139 Eine umfassende Darstellung sämtlicher Standardisierungsorganisationen, die sich mit der Entwicklung technischer Standards beschäftigen, ist im Rahmen dieser Arbeit weder möglich noch sinnvoll. Vielmehr sollten hier nur exemplarisch einige Organisationen vorgestellt werden, auf die im weiteren Verlauf der Arbeit wiederholt zurückzukommen sein wird. Unter den bekannten Organisationen sind darüber hinaus beispielsweise zu nennen die Joint Electron Device Engineering Council (JEDEC), die Moving Picture Experts Group (MPEG), das Asynchronous Transfer Mode Forum (ATM), die Internet Engineering Task Force (IETF), das International Multimedia Teleconferencing Consortium (IMTC), das Universal Mobile Telecommunication System Forum (UMTS), das Digital Enhanced Cordless Telephony Forum (DECT) sowie die Open Mobile Alliance (OMA).

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universellen Standards in den vorgenannten Bereichen, wobei eine enge Zusammenarbeit mit den jeweiligen offiziellen nationalen und europäischen Standardisierungsorganisationen unterhalten wird.140

B. Patente I. Begriffsbestimmung Das Patent141 ist ein gewerbliches Schutzrecht an einer neuen und gewerblich nutzbaren Erfindung auf dem Gebiet der Technik, die das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit ist (§ 1 Abs. 1 PatG)142 und sich auf Erzeugnisse und Verfahren gleichermaßen beziehen kann.143 Es gewährt seinem Inhaber ein umfassendes Ausschließlichkeitsrecht dergestalt, dass es Dritten verboten ist, (1) das erfindungsgemäße Erzeugnis herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu diesen Zwecken einzuführen oder zu besitzen, (2) das erfindungsgemäße Verfahren anzu140 Für weitere Informationen sowie eine Liste der von ECMA entwickelten Standards siehe http://www.ecma-international.org/, Rubriken „What is ECMA“ und „Standards“ (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). 141 Die Rechtsgrundlagen unseres geltenden Patentrechtssystems sind das deutsche Patentgesetz (PatG) auf nationaler Ebene, das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) auf europäischer Ebene sowie das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights – TRIPS) auf internationaler Ebene. Das EPÜ ermöglicht die Anmeldung eines sog. Europäischen Patents beim Europäischen Patentamt. Entgegen seinem Namen handelt es sich hierbei aber nicht um ein Patent, das unabhängig von den jeweiligen mitgliedstaatlich verliehenen Patenten ist bzw. neben diesen besteht und für das gesamte Gebiet der Europäischen Union erteilt wird. Das Europäische Patent besteht vielmehr aus einem Bündel nationaler Patente für diejenigen Vertragsstaaten, die in der Anmeldung genannt werden. Vorteil des Europäischen Patents ist allein, dass der Anmelder die Möglichkeit hat, durch eine einzige Anmeldung für sein Patent in einer Vielzahl von Vertragsstaaten (, deren Bestimmung allein ihm obliegt) Patentschutz zu erlangen, anstatt in jedem einzelnen Staat ein eigenes Anmeldeverfahren betreiben zu müssen. Das TRIPS-Abkommen von 1994 ist ein internationaler Vertrag zwischen den Mitgliedern der Welthandelsorganisation (World Trade Organisation – WTO), der bestimmte Mindestanforderungen festlegt, welche die Vertragsstaaten im Hinblick auf den Schutz von geistigen Eigentumsrechten, wozu auch Patente zählen, zu erfüllen haben. So verlangt z. B. Art. 27 Abs. 1 S. 1 TRIPS, dass Patentschutz „für Erfindungen a u f a l l e n G e b i e t e n d e r Te c h n i k erhältlich [ist], sowohl für Erzeugnisse als auch für Verfahren, vorausgesetzt, dass sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind“. Einschränkungen des Patentschutzes sind nur zulässig, sofern sie weder die normale Verwertung des Patents noch die berechtigten Interessen seines Inhabers oder betroffener Dritter unangemessen beeinträchtigen (Art. 30 TRIPS). Vorgeschrieben ist außerdem eine Mindestlaufzeit für Patente von 20 Jahren (Art. 33 TRIPS). 142 Ebenso Art. 52 Abs. 1 EPÜ. 143 Umfassend zum Begriff der Erfindung und den hierfür insbesondere maßgeblichen Kriterien der Neuheit, der erfinderischen Tätigkeit und der gewerblichen Verwertbarkeit Mes, PatG/GebrMG, § 1 PatG Rn. 7 ff. m.w.N. Vgl. auch Art. 54 ff. EPÜ.

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wenden bzw. zur Anwendung zu bringen und (3) das unmittelbar durch ein erfindungsgemäßes Verfahren hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen bzw. zu diesen Zwecken einzuführen oder zu besitzen (§ 9 PatG)144. Allein der Patentinhaber ist also befugt, seine Erfindung gewerblich145 zu nutzen und wirtschaftlich zu verwerten.146 Zu beachten ist allerdings, dass Patente nicht von sich aus bestehen; sie werden vielmehr in jedem Einzelfall auf Antrag durch staatlichen Hoheitsakt verliehen (§ 49 Abs. 1 PatG)147. Die beschriebene Wirkung des Patents ist außerdem zeitlich begrenzt; sie beginnt mit der Erteilung und endet spätestens 20 Jahre nach der Anmeldung, wobei der Bestand von der Zahlung jährlicher Gebühren abhängt, die mit der Dauer der Laufzeit des Patents ansteigen (§ 16 Abs. 1 PatG)148. In räumlicher Hinsicht erstreckt sich die Wirkung eines deutschen Patents auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.149 Unter Zugrundelegung der genannten Eigenschaften und Wirkungen des Patents kann dieses definiert werden als ein staatlich verliehenes, zeitlich und räumlich begrenztes ausschließliches subjektives Recht, eine Erfindung zu benutzen, wobei in der Ausschließlichkeit des Rechts die Befugnis liegt, anderen die Benutzung zu verbieten.150 Als solches unterliegt das Patent nach allgemeiner Meinung zugleich der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG.151 Ein entscheidender Unterschied des Patents als Immaterialgüter- bzw. geistiges Eigentumsrecht152 zum Sacheigentum besteht darin, dass es nicht ipso iure ent144

Ebenso Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Hervorzuheben ist, dass ein Patent Dritten allein die gewerbliche Nutzung der Erfindung verbietet. Die nicht gewerbliche Nutzung der erfindungsgemäßen Lehre im privaten Bereich ist gem. § 11 Nr. 1 PatG jederzeit auch ohne Zustimmung des Patentinhabers gestattet. 146 Vgl. Beier, GRUR 1998, S. 185, 186; Chrocziel, S. 14 f.; Ensthaler, gewerblicher Rechtsschutz, S. 87. 147 Ebenso Art. 97 Abs. 1 EPÜ. 148 Ebenso Art. 63 Abs. 1 EPÜ. 149 Dasselbe gilt gem. Art. 66 EPÜ in Bezug auf ein für Deutschland erteiltes europäische Patent. 150 Kraßer, S. 2. 151 So ausdrücklich BPatG vom 07.06.1997, GRUR 1994, S. 98, 100 („Zwangslizenz“), insoweit bestätigt durch BGH vom 05.12.1995, NJW 1996, S. 1593, 1595 („Polyferon“). Vgl. auch Beier, GRUR 1998, S. 185 ff.; Ensthaler, Gewerblicher Rechtsschutz, S. 97; Kraßer, S. 39; Pohl, S. 139; Kaestner, S. 5 ff. 152 Die diesbezügliche Terminologie in der (deutschen) Rechtssprache ist uneinheitlich. Um den Versuch, einen gemeinsamen Oberbegriff für Patente, Marken sowie Muster-, Kennzeichen-, und Urheberrechte zu finden, ist eine heftige Diskussion entbrannt. Jedenfalls in Deutschland wird dabei traditionell der zwischen gewerblicher und künstlerischer bzw. kultureller Leistung unterscheidende Begriff „gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht“ oder der einheitliche Oberbegriff „Immaterialgüterrechte“ verwendet. (Vgl. etwa Käller, S. 28 ff. Beachte aber, dass zumindest auf europäischer Ebene seit der Entscheidung des EuGH vom 22.01.1981, Slg. 181, S. 181, Rn. 10 ff. (Dansk Supermarket/Imerco) eine Unterscheidung 145

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bzw. besteht. Es bedarf hierzu vielmehr eines hoheitlichen Verleihungsaktes. Dabei ist die Gewährung eines solchen Ausschließlichkeitsrechts für eine neue technische Erfindung keineswegs zwingend; die damit verfolgte Zweckrichtung des Gesetzgebers drängt sich bei unbefangener Betrachtung nicht gleich auf. Es erscheint daher sinnvoll, nachfolgend die Frage nach der zugrundeliegenden gesetzgeberischen Motivation aufzuwerfen (dazu unten II. und III.). In einem weiteren Schritt sind die im Patentrecht aufeinandertreffenden – auf den ersten Blick unterschiedlichen oder gar gegenläufigen – Interessenlagen der von einem Patent „Betroffenen“153 zu ergründen, wobei darzustellen sein wird, dass durch das geltende Patentrecht letztlich sämtlichen Interessen gleichermaßen Rechnung getragen wird (dazu unten IV.). Beiden Themen – also sowohl der Zweckrichtung des Patentschutzes als auch der Interessenlage der hiervon Betroffenen – wird im weiteren Verlauf der Arbeit bei der Auslegung verschiedener Vorschriften sowie der Lösung spezieller Fragestellungen an der Schnittstelle von Patent- und Wettbewerbsrecht maßgebliche Bedeutung zukommen. zwischen Urheberrechten und (sonstigen) gewerblichen Schutzrechten nicht mehr stattfindet und seither auch das Urheberrecht dem Begriff des gewerblichen Rechtsschutzes unterfällt. Zum Ganzen ausführlich Kaestner, S. 5 ff.) Gegen die Bezeichnung als „geistiges Eigentum“ wurde bislang eingewandt, dass der zivilrechtliche Eigentumsbegriff nach römisch-rechtlichem Vorbild auf die Herrschaft über körperliche Sachen begrenzt sei. (Vgl. etwa Beier, GRUR Int. 1990, S. 675, 677 m.w.N.) In der jüngeren Vergangenheit hat sich in Anlehnung an den angelsächsischen und französischen Sprachgebrauch („intellectual property“ bzw. „propri¦t¦ intellectuelle“) sowie in dem Bemühen um die einheitliche Übersetzung europäischer Texte der Begriff des „geistigen Eigentums“ indes mehr und mehr durchgesetzt. (Siehe wiederum Beier, GRUR Int. 1990, S. 675, 677; ders., GRUR 1998, S. 185 ff.) Für eine Übernahme dieser Terminologie spricht, dass ungeachtet der teilweise bestehenden wesentlichen Unterschiede zwischen Sacheigentum und Immaterialgüterrechten (zu denken ist hier beispielsweise an die Tatsache, dass der Patentschutz zeitlich befristet ist und zu seiner Verleihung eines staatlichen Hoheitsaktes bedarf. Siehe hierzu auch unten Teil 2, B.II., Fn. 161.) doch auch zentrale Übereinstimmungen festzustellen sind. (A.A., aber gleichwohl lesenswert Hirsch, WuW 1070, S. 99, 100, der sogar von einem „offenen Konflikt“ zwischen geistigem und dinglichem Eigentum spricht.) So gewähren beide ein ausschließliches Nutzungs- und Verwertungsrecht; beide unterfallen zudem unstreitig dem verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff des Art. 14 GG. (Siehe Nachweise in Fn. 151. Sehr lesenswert hierzu auch Schulte, GRUR 1985, S. 772 ff., der die interessante Frage aufwirft, ob Art. 14 GG nur das Patent als positiv-rechtlich änderbare Erscheinung schützt oder auch die Erfindung als eine vorgegebene Institution mit allen sich daraus auch für die einzelne Erfindung anschließenden Konsequenzen.) Die Bezeichnung der genannten Rechte als „geistige Eigentumsrechte“ erscheint daher durchaus angemessen und wird aus den genannten Gründen vom Verfasser präferiert. (Für den Bereich des Urheberrechts ebenso Schack, S. 11.) Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass die Begriffe „Immaterialgüterrechte“ und „geistige Eigentumsrechte“ trotz der terminologischen Unterschiede ihrem Inhalt nach übereinstimmen und daher im weiteren Verlauf der Arbeit synonym verwendet werden. (So auch Kaestner, S. 6; Heinemann, Immaterialgüterschutz, S. 5 f.; Fechner, S. 111.) 153 Zu den von einem Patent „Betroffenen“ in diesem Sinne gehören neben dem Patentinhaber selbst dessen Wettbewerber ebenso wie die Allgemeinheit. Siehe unten Teil 2, B.IV.

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II. Die herkömmlichen Patentrechtstheorien Die Hauptargumente für den in der dargelegten Form bestehenden Patentschutz lassen sich in Anlehnung an Fritz Malchup154 in vier klassische Patentrechtstheorien zusammenfassen, die seit Erlass des ersten Patentgesetzes der Welt, dem venezianischen Patentstatut von 1474,155 in erstaunlicher Übereinstimmung und Kontinuität beinahe allen Patentrechtssystemen der westlichen Welt zugrunde lagen und immer noch liegen.156 Die Vertreter der sog. Naturrechts- oder Eigentumstheorie157 gehen davon aus, dass jede Erfindung als geistige Leistung kraft natürlichen Menschenrechts im „Ei154 Malchup, GRUR Int. 1961, S. 373 ff., 473 ff., 524 ff. Hierbei handelt es sich um eine aus volkswirtschaftlicher Sicht für den amerikanischen Senat verfasste Untersuchung. Die Arbeit beschränkt sich gleichwohl nicht auf die amerikanische Rechtslage, sondern behandelt in gleichem Maße auch europäische, insbesondere deutsche Auffassungen und hat damit einen wichtigen Grundstein für das gesamte Patentrecht gelegt, auf die sich beinahe alle später verfassten Abhandlungen zu diesem Thema beziehen. Vgl. etwa Strohm, S. 13; Beier, GRUR Int. 1970, S. 1; Pohl, S. 116 ff.; Böck, S. 4 ff; Kaufer, S. 158; Bernhardt, S. 8 ff.; Chrocziel, S. 13; Kraßer, S. 34 f.; Beier/Straus, GUR 1977, S. 282, 283 f. Interessant auch Säger, GRUR 1991, S. 267, der insbesondere auf die ethischen Aspekte des Patentschutzes sowie der dahinter stehenden Theorien abhebt. 155 Vgl. hierzu Berkenfeld, GRUR 1949, S. 139 ff.; Müller, GRUR 1965, S. 450; Beier/ Straus, GUR 1977, S. 282, 283. Das am 19. März 1474 von dem Senat der Stadt Venedig erlassene Gesetz hat folgenden Wortlaut: „Unter uns leben große und geniale Männer, die fähig sind, sinnreiche Vorrichtungen zu erfinden, und zu entdecken; und mehr solcher Männer kommen in Anbetracht der Größe und Kraft unserer Stadt täglich von überall her zu uns. Wenn nun Vorsorge getroffen würde, dass andere, die die von diesen Männern entdeckten Vorrichtungen und Werke sehen, nicht bauen können und dem Erfinder seine Ehre nehmen, dann würden mehr Männer ihre Talente anwenden, würden entdecken und Vorrichtungen bauen, die sehr nützlich und vorteilhaft für unser Gemeinwesen sind. Es wird daher kraft der gesetzmäßigen Macht und Gewalt dieses Rates zum Gesetz erklärt, daß jeder, der in dieser Stadt irgendeine neue und erfinderische Vorrichtung bauen sollte, die bisher in unserem Gemeinwesen noch nicht hergestellt worden ist, dem Provveditori di Comun hiervon Mitteilung machen soll, wenn die Erfindung so zur Vervollkommnung gebracht ist, daß sie benutzt werden kann. Es ist jedem Dritten in irgendeinem unserer Gebiete und Städte für die Dauer von 10 Jahren verboten, ohne die Zustimmung und Lizenz des Urhebers eine weitere Vorrichtung zu bauen, die mit besagter Vorrichtung übereinstimmt oder ihr ähnlich ist, und wenn sie jedoch jemand unter Verletzung dieses Gesetzes baut, so soll der vorgenannte Urheber und Erfinder berechtigt sein, ihn vor einen Magistrat dieser Stadt zu laden, durch den der Verletzer gezwungen werden soll, ihm 100 Dukaten zu zahlen; und die Vorrichtung soll sofort zerstört werden. Es steht jedoch in der Macht und dem Ermessen der Regierung, jede dieser Vorrichtungen und Geräte für ihre Tätigkeiten zu nehmen und zu gebrauchen unter der Bedingung jedoch, daß nur der Urheber sie betreiben soll.“ (zitiert nach Berkenfeld, GRUR 1949, S. 139, 140 f.). 156 Vgl. Beier, GRUR Int. 1979, S. 227, 231. Zu beachten ist jedoch, dass gleichwohl keine der im Folgenden genannten Theorien unangefochten geblieben ist. Jede einzelne gab vielmehr auch Anlass zu Kritik, auf die im Rahmen von Anmerkungen sogleich ebenfalls einzugehen sein wird. 157 Zu dieser Theorie sowie den dagegen vorgebrachten Kritikpunkten umfassend Malchup, GRUR Int. 1961, S. 373, 377 f.

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gentum“ desjenigen stehe, der sie hervorgebracht hat.158 Dieses geistige Eigentum sei ebenso wie das Sacheigentum von jedermann zu achten.159 Jede unbefugte Verwendung der Erfindung sei daher „geistiger Diebstahl“160. Die Verleihung eines Ausschließlichkeitsrechts in Form eines Patents liegt hiernach in der Natur der Sache und bedarf keiner weiteren Rechtfertigung.161 Nach der rechtsethisch geprägten Belohnungstheorie162 stellt sich die Erfindung als ein der Allgemeinheit geleisteter Dienst dar, der aus Gerechtigkeitsgründen entsprechend seiner Nützlichkeit belohnt werden muss. Dem Erfinder, der als „Lehrer der Nation“163 durch seine geistige Leistung und deren Offenbarung das allgemein 158 Bernhardt, S. 8 verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass Galilei auf der Grundlage des venezianischen Patentstatuts seinen Antrag auf Patentierung einer von ihm erfundenen Wasserpumpe vor dem Senat in Venedig damit begründete, dass diese Erfindung sein Eigentum sei, die von ihm mit großer Mühe und vielen Kosten gefunden worden sei und nicht einem jeden freigegeben werden könne. 159 Die Theorie vom geistigen Eigentum fand unter anderem in der Französischen Revolution ihre Anerkennung als Menschenrecht. So machte der von der französischen Nationalversammlung mit der Ausarbeitung einer Stellungnahme zu den Grundlagen des Erfindungsschutzes betraute Marquis Stanislas de Boufflers in seinem Abschlussbericht vom 30. Dezember 1790 beispielsweise folgende wegweisende Aussage: „LÏinvention […] est la source […] de la propri¦t¦: elle est la propri¦t¦ primitive, toutes les autres ne sont que des conventions.“ („Die Erfindung ist die Quelle des Eigentums: sie ist das ursprüngliche Eigentum, alle anderen [Arten des Eigentums] sind nur Übereinkommen“) In dem darauf aufbauenden französischen Patentgesetz von 1791 hieß es sodann wörtlich: „Toute d¦couverte ou nouvelle invention, dans tous les genres dÏindustrie, est la propri¦t¦ de son auteur; […]“ („Jede Entdeckung oder neue Erfindung, in allen Gewerbezweigen, ist das Eigentums ihres Erfinders; […]“). Zitiert nach Kurz, S. 238 f., 243. Und im Hinblick auf das – insoweit mit dem Patentrecht vergleichbare – Urheberrecht führt BGH vom 18.05.1955, BGHZ 17, S. 266, 278 („Magnettonband“) aus: „Für das moderne Urheberrecht wird allseitig anerkannt, dass die Nutzungsrechte des Urherbers nur die Ausstrahlungen seines durch den Schöpfungsakt begründeten geistigen Eigentums sind. Die Herrschaft des Urhebers über sein Werk, auf die sich sein Anspruch auf einen gerechten Lohn für seine Verwertung seiner Leistung durch Dritte gründet, wird ihm hiernach nicht erst durch den Gesetzgeber verliehen, sondern folgt aus der Natur der Sache, nämlich aus seinem geistigen Eigentum, das durch die positive Gesetzgebung nur seine Anerkennung und Ausgestaltung findet.“ 160 Beier, GRUR Int. 1970, 1, 2; Kraßer, S. 34. 161 Die Kritiker dieser Theorie verweisen gerne auf die grundlegenden Bedenken im Hinblick auf die Erkennbarkeit und Verbindlichkeit eines solchen überpositiven Eigentumsrechts. (Vgl. Fechner, S. 121 ff.) Auch könne an unkörperlichen Sachen nicht in gleicher Weise Eigentum bestehen wie an körperlichen Sachen. (Bernhardt, S. 8 f.; Fechner, S. 106 ff.) Schließlich sei nicht erklärbar, weshalb das Patent nach seiner allgemeinen Ausgestaltung nur ein zeitlich befristetes Eigentumsrecht darstelle, eines Hoheitsaktes zu seiner Verleihung bedürfe und durch seine Ausschließlichkeitswirkung Parallelerfindern ihr „Eigentum“ entziehe. (Vgl. zu diesen Kritikpunkten sowie ihrer (teilweisen) Entkräftung Kraßer, S. 35 f.; Bernhardt, S. 8 ff.; Strohm, S. 43 f.) 162 Zu dieser Theorie sowie den dagegen vorgebrachten Kritikpunkten umfassend Malchup, GRUR Int. 1961, S. 373, 377 f. 163 Weidlich/Spengler, S. 27; Beier, GRUR Int. 1970, S. 1, 2.

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zugängliche technische Wissen vermehre, gebühre hierfür ein gerechter bzw. angemessener Anteil am Sozialprodukt. Dies sei am besten dadurch sicherzustellen, dass dem Erfinder ein zeitlich begrenztes, ausschließliches Verwertungsrecht an seiner Erfindung gewährt werde.164 Ausgangspunkt der Anspornungstheorie165 ist die Förderung der industriellen Fortentwicklung, wofür Erfindungen und ihre industrielle Verwertung von entscheidender Bedeutung seien. Um die Erfindungstätigkeit in der Gesellschaft anzuregen und das Ausmaß der industriellen Verwertung neuer technischer Lösungen zu steigern, sei es erforderlich, den (potentiellen) Erfindern einen entsprechenden Ansporn zu geben.166 Müssten diese nämlich damit rechnen, dass die von ihnen entwickelten technischen Neuerungen alsbald von der Konkurrenz übernommen würden, so fehlte ihnen der entsprechende Anreiz, sich erfinderisch zu betätigen. Der erforderliche Ansporn sei am einfachsten, billigsten und wirkungsvollsten durch die Verleihung eines zeitlich befristeten, ausschließlichen Verwertungsrechts an der Erfindung zu erreichen.167 164 Wenngleich wohl weitgehend Einigkeit darüber herrschen dürfte, dass es dem Prinzip der Gerechtigkeit entspricht, individuelle Erfinderleistungen, die der technischen Fortentwicklung dienen, zu belohnen (a. A. allerdings John Lewis Ricardo in der Sitzung des Select Committee of the House of Lords, The Economist vom 26. Juli 1851, S. 812, zitiert bei Malchup, GRUR Int. 1961, S. 373, 378; Schäffle, S. 141), so wird gegen die Belohnungstheorie dennoch eingewendet, dass kein Erfinder seinen Erfindungsgedanken allein sich selbst zuschreiben könne. Jede Erfindung sei vielmehr eine bloße Fortführung bzw. ein Ausbau des jeweiligen wissenschaftlichen und praktischen Entwicklungsstandes der Technik. Jede scheinbar neue Idee sei daher jedenfalls teilweise bereits in früheren Überlegungen anderer vorausgeahnt worden, so dass es ungerecht sei, nur diesen letzten technischen Schritt zu belohnen, die Vorgänger und Vorbereiter indes leer ausgehen zu lassen. (Vgl. von Mises, S. 658; diese Argumentation aufgreifend: Bernhardt, S. 9 f.; Kaufer, S. 158 f.; ablehnend hingegen Böck, S. 6 f.) Auch müsse die Belohnung nicht zwingend in der Gewährung eines Ausschließlichkeitsrechts bestehen, sondern könne auch eine andere Gestalt annehmen, wie z. B. die Erteilung des mit einem Vergütungsanspruch verbundenen Erfinderscheins wie in den früheren sozialistischen Staaten wie der Sowjetunion und der DDR. (Hierzu ausführlich Dietz, GRUR Int. 1976, S. 139 ff., 265 ff.; Lebedeva, GRUR Int. 1982, S. 699 ff. Siehe außerdem unten Teil 3, C.II.2.c)bb)(5)). 165 Zu dieser Theorie sowie den dagegen vorgebrachten Kritikpunkten umfassend Malchup, GRUR Int. 1961, S. 373, 377 ff. 166 Der Anspornungstheorie wohnt genau wie der Belohnungstheorie ein Element der Belohnung inne. Gleichwohl gehen beide Lehren von unterschiedlichen konzeptionellen Ansätzen aus. Während nämlich die Belohnungstheorie entscheidend auf das Merkmal der „gerechten“ bzw. „angemessenen“ Belohnung abstellt und diese somit (zumindest auch) Ausdruck eines allgemeinen Gerechtigkeitsgedankens ist, ordnet die Anspornungslehre den Erfinder deutlicher den Interessen der Allgemeinheit an technischer Fortentwicklung unter und gewährt die „Belohnung“ des Ausschließlichkeitsrechts nicht aus Gründen der Gerechtigkeit, sondern zum Zwecke der Förderung der technischen Fortentwicklung zum Wohle der Allgemeinheit. Vgl. Pohl, S. 122. 167 Gegen die Anspornungstheorie wurde u. a. vorgebracht, dass ein äußerer Anreiz zur Anregung der Erfindungstätigkeit überhaupt nicht erforderlich sei. Jedenfalls seien Ehrungen und Auszeichnungen vorzuziehen, da der finanzielle Gewinn, den der Erfinder dank seines zeitlichen Vorsprungs und seines überlegenen Wissens ohnehin erzielen könne, wirtschaftlicher

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Nach der Offenbarungstheorie168 steht im Vordergrund, dass Patentschutz nur gewährt wird, wenn der Erfinder sein neues technisches Wissen der Allgemeinheit offenbart. Die Offenlegung der technischen Lehre im Rahmen der Patentanmeldung führe dazu, dass diese erheblich früher zur allgemeinen Kenntnis gelange, als dies sonst der Fall sei. Infolgedessen könnten die neuen technischen Erkenntnisse entsprechend früher für die weitere technische Entwicklung fruchtbar gemacht werden, wodurch wiederum die technologische Fortentwicklung gefördert werde. Die Gewährung eines zeitlich befristeten Patentrechts stellt hiernach die gerechte Gegenleistung der Allgemeinheit für den Verzicht des Erfinders auf Geheimhaltung seiner technischen Neuerung dar. Diese Theorie wird daher häufig auch als Vertragstheorie169 bezeichnet.170

III. Förderung des technischen Fortschritts Wenngleich sich die vorgenannten vier klassischen Leitmotive des Erfindungsschutzes, namentlich die Anerkennung geistigen Eigentums, die Belohnung des Erfinders, die Anspornung zur Innovationstätigkeit sowie die Förderung der Offenbarung und Verbreitung neuer technischer Erkenntnisse, wie eingangs erwähnt,171 von den Anfängen des Erfindungsschutzes im späten Mittelalter172 bis hin zu den Patentgesetzen der Gegenwart in Zielsetzung und Ausgestaltung der jeweiligen gesetzlichen Regelungen kontinuierlich wiederholen,173 ist dennoch keines dieser Denkmodelle für sich allein in der Lage, Sinn und Zweck des Patentschutzes vollumfänglich zu erklären. Die einzelnen Theorien ergänzen sich vielmehr gegenseitig und beschreiben letztlich jeweils nur Teilziele bzw. einzelne Funktionen des Patentsystems, das dem viel weitergehenden und grundlegenderen Zweck dient, die technische und wirt-

Ansporn genug sei. Vgl. Schäffle, S. 265; Prince-Smith, VVK 1863, Bd. 3, S. 150, 161. Für weitere Kritikpunkte siehe auch Strohm, S. 46 ff. 168 Zu dieser Theorie sowie den dagegen vorgebrachten Kritikpunkten umfassend Malchup, GRUR Int. 1961, S. 373, 377, 379. 169 Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass der Erfinder mit dem Staat als Vertreter der Allgemeinheit einen Vertrag schließt, wonach er seinen Besitz an geheimem Wissen aufgibt und ihm im Gegenzug das Patent als zeitlich befristetes Ausschließlichkeitsrecht eingeräumt wird. 170 Kritiker dieser Theorie verweisen gerne darauf, dass die Mehrheit der Erfindungen ohnehin nicht über einen längeren Zeitraum geheim gehalten werden könnten, weil ähnliche Entdeckungen zumeist binnen kurzer Zeit auch von anderen Erfindern gemacht würden. Und ginge ein Erfinder tatsächlich einmal davon aus, seine technische Neuheit langfristig vor der Allgemeinheit verheimlichen zu können, so nähme er gewiss nicht die Mühe und die Ausgaben der Patentanmeldung auf sich. Er offenbare also ohnehin nur das, was er nicht geheim halten zu können glaubt. Vgl. Rogers, 26 J. Stat. Soc. L. 1863, S. 121, 128 ff.; Rentzsch, Handwörterbuch VWL, Stichwort: „geistiges Eigentum“, S. 629. 171 Siehe oben Teil 2, B.II. 172 An dieser Stelle sei nochmals auf das venezianische Patentstatut aus dem Jahre 1474 hingewiesen. Vgl. hierzu Berkenfeld, GRUR 1949, S. 139 ff.; Kurz, S. 52 ff. 173 Siehe Beier, GRUR Int. 1979, S. 227, 231.

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schaftliche Fortentwicklung zu fördern.174 Dieser Zielsetzung sind alle anderen Theorien untergeordnet.175 Die Mehrheit der Patentrechtsordnungen der Vergangenheit176 sind stets aus dem grundlegenden Bestreben entsprungen, durch die Gewährung von Patentschutz die technische Weiterentwicklung und damit letzten Endes das wirtschaftliche Wachstum zum gemeinsamen Wohle aller zu fördern.177 Diese Anregung des technischen Fortschritts als grundlegende Zielrichtung des Patentrechts kommt bereits in dem venezianischen Patentstatut von 1474 zum Ausdruck, wo es heißt: „Wenn nun Vorsorge getroffen würde, daß andere, die die von diesen Männern (Erfindern) entdeckten Vorrichtungen und Werke sehen, nicht bauen können und dem Erfinder seine Ehre nehmen, dann würden mehr Männer ihre Talente anwenden, würden entdecken und Vorrichtungen bauen, die sehr nützlich und vorteilhaft für unser Gemeinwesen sind.“178

Ökonomisch wird der technische Fortschritt dabei als Prozess des Übergangs zu neuen oder neuartigen Produktionsverfahren oder zur Schaffung neuer Produkte oder neuer Qualitäten von Produkten verstanden und in drei Hauptphasen eingeteilt, namentlich die Entstehung bzw. Invention, die Entwicklung bzw. Innovation und die Verbreitung bzw. Diffusion.179 Durch die Gewährung von Patentschutz soll der technische Fortschritt in jeder einzelnen dieser drei Phasen gefördert werden.180 Die Gewährung eines Ausschließlichkeitsrechts für Erfindungen soll im Rahmen der Inventionsphase dazu führen, dass die Konkurrenten des Erfinders ebenfalls dazu herausgefordert werden, ihrerseits technische Neuerung hervorzubringen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Eine den technischen Fortschritt in dieser Phase begünstigende Wirkung soll zudem von der für die Gewährung eines Patents zwingend erforderlichen Offenlegung der zugrundeliegenden technischen Lehre ausgehen. Denn hierdurch wird einerseits sichergestellt, dass umgehend mit der Weiterentwicklung dieser Lehre bzw. der Erarbeitung alternativer technischer Lösungen begonnen werden kann; andererseits wird nutzloser Aufwand für die eigene Entwicklung derselben

174 Hierzu umfassend Kraft, S. 37 ff. Vgl. auch Kurz, S. 239 f.; Kroes, Speech/08/317 vom 10.06.2008. 175 Vgl. Beier, GRUR Int. 1979, S. 227, 231; Kraft, S. 37 f.; Strohm, S. 21; Kaufer, S. 212 ff.; Kraßer, S. 41; Hirsch, WuW 1970, S. 99, 110 ff.; Chrocziel, S. 14; Beier/Straus, GRUR 1977, S. 282, 284; Müller, GRUR 1965, S. 450 ff. 176 Zur historischen und weltweiten Entwicklung des Patentrechts statt aller Kurz, Erfindungsgeschichte des Patentschutzes, Köln u. a. 2000. 177 Vgl. Kraft, S. 37 ff. 178 Zitiert nach Berkenfeld, GRUR 1949, S. 139, 140 f. 179 Der häufig verwendete Begriff „Forschung und Entwicklung“ (FuE) umfasst im Wesentlichen die beiden ersten Phasen. 180 Zu diesen, den technischen Fortschritt fördernden, aber auch zu den fortschrittshemmenden Wirkungen des Patentschutzes ausführlich Grefermann u. a., Patentwesen und technischer Fortschritt, Teil I (insbes. S. 45 ff., 78 ff., 82 ff., 92 ff.).

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technischen Lehre durch Wettbewerber vermieden werden, so dass die entsprechenden Ressourcen anderweitig nutzbar sind.181 Während der Innovationsphase kommt der mit dem Patent verbundenen Gewährung eines ausschließlichen Verwertungsrechts vor allem im Hinblick auf die in dieser Phase regelmäßig erforderlichen außerordentlich hohen Aufwendungen Bedeutung zu.182 Durch den Patentschutz werden die Amortisations- und Gewinnaussichten des Erfinders und infolgedessen seine Bereitschaft gesteigert, solche Investitionen zu tätigen.183 Denn in Anbetracht des für die Verwirklichung technischer Neuerungen in vielen Fällen notwendigen finanziellen Aufwandes würde allein die „reaktionsfreie Zeit“, die von der Markteinführung der Erfindung bis zum Einsetzen der Imitation durch die Wettbewerber regelmäßig vergeht, in einer Vielzahl von Fällen zur Amortisation oder gar Gewinnerzielung gerade nicht ausreichen.184 Durch das Patentrecht als Immaterialgüterrecht wird darüber hinaus die Diffusion des neuen technischen Wissens gefördert. Denn durch die Erteilung von Lizenzen wird die Geheimhaltung der Erfindung entbehrlich und die Verwendung der neuen technischen Lehre auf eine allseits akzeptierte und transparente Grundlage gestellt. Durch den Patentschutz wird die Erfindung zu einem verkehrsfähigen Gut.185 Er bildet damit auch eine wichtige Grundlage für den Technologietransfer und ist in dieser Funktion für die nationalen wie internationalen Wirtschaftsbeziehungen von entscheidender Bedeutung.186 Die allgemeine Bedeutung des Patentschutzes für den technischen Fortschritt kommt auch in einer Untersuchung des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung aus dem Jahre 1974 deutlich zum Ausdruck, derzufolge ein erheblicher Anteil von Erfindungen ohne die Aussicht auf die Erlangung einer patentrechtlichen Ausschließlichkeitsstellung niemals hervorgebracht worden wäre.187 In diesem Sinne weist auch Beier darauf hin, dass der Stand der industriellen Entwicklung in Ländern, die schon seit längerer Zeit über ein funktionierendes Patentsystem verfügen, deutlich höher sei als der Entwicklungsstand in Ländern, die keinen bzw. einen nur schwachen, unvollkommenen Patentschutz gewähren.188 181

Vgl. Kraßer, S. 41 ff.; Strohm, S. 21 ff. Vgl. Kaufer, S. 114. 183 Siehe Kraßer, S. 43.; Strohm, S. 24 ff. 184 Vgl. Kaufer, S. 217; Prahl, S. 112 ff.; Prosi, WuW 1980, S. 641, 642 ff. 185 Hierzu Kraßer, S. 44; Hirsch, WuW 1970, S. 99, 102; Bußmann, GRUR 1977, S. 121, S. 127. 186 Dies wird nicht zuletzt daran deutlich, dass selbst diejenigen sozialistischen Staaten ausländischen Patentanmeldern Ausschlusspatente gewähren, die intern grundsätzlich nur Vergütungsansprüche gewähren. Vgl. Lippott, S. 56 ff. 187 Interessanterweise kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass dieser Anteil mit steigender Unternehmensgröße seinerseits zunimmt, wobei als Durschnitt ein Anteil von 21 % errechnet wurde. Siehe Grefermann u. a., S. 113. Weitere Nachweise bei Brandt, S. 151 ff. 188 Beier, GRUR Int. 1979, S. 227, 231. 182

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Teil 2: Grundlagen

IV. Berücksichtigung verschiedener Interessenlagen In diesem Bestreben bestmöglicher Anregung der Erfindungstätigkeit zum Zwecke der Förderung der technischen und wirtschaftlichen Fortentwicklung versucht das Patentrecht, durch die Gewährung eines zeitlich befristeten, ausschließlichen Verwertungsrechts die unterschiedlichen, hier aufeinandertreffenden189 Interessenlagen aller Betroffenen in größtmöglichem Maße zu befriedigen und so letztlich zum Gemeinwohl der Gesamtgesellschaft beizutragen.190 Betroffen in diesem Sinne sind neben dem Patentinhaber selbst dessen Konkurrenten, ebenso wie die Allgemeinheit. 1. Interessen des Patentinhabers Der Patentinhaber hat ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse an der gesetzlichen Gewährleistung eines ausschließlichen Verwertungsrechts an seiner Erfindung.191 Nur so hat er hinreichende Aussicht darauf, dass sich die von ihm im Rahmen der Forschung und Entwicklung getätigten Aufwendungen amortisieren und er den erhofften finanziellen Gewinn realisieren kann. Denn in einem Wirtschaftssystem, in dem der Erfinder allein das Risiko eines Fehlschlags seiner Erfindungstätigkeit trägt, muss für ihn im Falle eines Erfolges ein wirtschaftlicher Erlös erzielbar sein, der nicht nur die zum Zwecke der Erfindung getätigten Investitionen deckt, sondern darüber hinaus einen tatsächlichen Gewinn abwirft. Die durch den bloßen Wissensbzw. Zeitvorsprung erzielten Wettbewerbsvorteile genügen hierzu jedenfalls nicht. 2. Interessen der Wettbewerber Die Wettbewerber des Patentinhabers sind in erster Linie daran interessiert, so bald und so kostengünstig wie möglich ebenfalls Zugang zu der technischen Neuerung zu erhalten, wobei dieses Interesse umso stärker ist, je bedeutender die Erfindung ist und je mehr sie sich negativ auf die Nachfrage nach ihren eigenen Produkten auswirkt.192 Damit scheint das Interesse der Konkurrenten denjenigen des Patentinhabers auf den ersten Blick zuwiderzulaufen. 189 Es ist bewusst nicht von „sich widersprechenden“ Interessen die Rede. Denn wie noch zu zeigen sein wird, sind die Interessen nur teilweise bzw. vordergründig gegenläufig und verlaufen in weiten Teilen parallel zueinander. 190 Vgl. Bernhardt, S. 4 ff.; Kraßer, S. 33 ff.; Kübel, S. 30 f., jeweils m.w.N. 191 Beachte, dass Patentinhaber und Erfinder in einer Vielzahl von Fällen auseinanderfallen. Im Falle von sog. Dienst- bzw. Arbeitnehmererfindungen, die mittlerweile mehr als drei Viertel aller Erfindungen ausmachen, steht das Ausschließlichkeitsrecht dem Arbeitgeber zu, während der Erfinder (= Arbeitnehmer) nur einen Anspruch auf angemessene Vergütung hat (§§ 6, 9 ff. ArbnErfG). (Hierzu ausführlich Bayreuther, GRUR 2003, S. 570 ff.) Diese Differenzierung spielt im vorliegenden Zusammenhang indes keine Rolle, da Erfinder und Dienstherr nach außen als Einheit auftreten und beide an einem möglichst umfassenden Patentschutz interessiert sind. 192 Vgl. Kraßer, S. 33.

C. Wettbewerb

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Dieser Gegensatz der Interessenlagen besteht indes nur vordergründig. Es ist nämlich zu beachten, dass jede Erfindung für die Wettbewerber ihrerseits die Möglichkeit zu Weiterentwicklungen und Folgeerfindungen mit sich bringt, die wiederum selbst Gegenstand eigenständiger Patente sein können. Auch unabhängig von der Möglichkeit der Weiterentwicklung bereits bestehender Patente haben alle Wettbewerber jederzeit die Chance, durch das Hervorbringen eigener technischer Neuerungen selbst in den Genuss des Patentschutzes und der damit verbundenen besonderen Rechte zu kommen. Mithin vermag der Patentschutz auch den Interessen der Wettbewerber des jeweiligen Patentinhabers gerecht zu werden. 2. Interessen der Allgemeinheit Das Interesse der Allgemeinheit193 ist in erster Linie darauf gerichtet, dass die technische Fortentwicklung vorangetrieben wird und die Gesellschaft auf diese Weise in den Genuss immer neuer und technisch weiter ausgereifter Produkte gelangt. Dies kann aber allein dadurch gewährleistet werden, dass der Wettbewerb zwischen den Marktteilnehmern um immer weitere Erfindungen angeregt wird. Hierzu müssen den Konkurrenten die entsprechenden wirtschaftlichen Anreize gegeben werden, damit diese sich zur Entfaltung umfangreicher Erfindungsbemühungen veranlasst sehen. Ziel des Patentrechts ist es, genau diese Anreize zu setzen und so gerade auch die Interessen der Allgemeinheit zu befriedigen.194

C. Wettbewerb I. Begriffsbestimmung Der Begriff „Wettbewerb“ ist gesetzlich nicht definiert. Er wird sowohl im EGVals auch im GWB wie selbstverständlich vorausgesetzt.195 Der Terminus stammt aus der Wirtschaftswissenschaft und wird dort gleichgesetzt mit „Konkurrenz“.196 Die Öko193 Der Begriff der Allgemeinheit soll hier verstanden werden als Gesamtgesellschaft, wozu in besonderem Maße die Verbraucher zählen, aber natürlich auch die Unternehmen, und zwar unabhängig davon, ob sie im konkreten Fall als Patentinhaber, Konkurrent oder in keiner dieser Funktionen auftreten. 194 Das Interesse der Allgemeinheit an freiem (im Sinne von kostenlosem) Zugang zu den der jeweiligen technischen Neuerung zugrundeliegenden Informationen muss dahinter zurücktreten. Denn die Möglichkeit der schranken- und kostenlosen Ausbeutung fremder geistiger Leistungen wäre für die Erfindungstätigkeit und damit für den Wettbewerb auf dem Markt für neue Erfindungen hinderlich. 195 Vgl. die Regierungsbegründung zu dem Entwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (1952), BT-Drucks. II/1158, S. 31, wo sich eine lose Umschreibung des Wettbewerbsbegriffs findet. 196 Siehe I. Schmidt, S. 2; Aberle, S. 13.

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Teil 2: Grundlagen

nomie versteht darunter eine marktbezogene Rivalitätsbeziehung zwischen mehreren Wirtschaftssubjekten, der das erwerbsorientierte Streben von Anbietern und Nachfragern nach Geschäftsverbindungen mit Dritten zugrunde liegt.197 Der Wettbewerb ist gekennzeichnet durch das Nebeneinander einer großen Anzahl von Unternehmen, die sämtlich zum gleichen oder einem wirtschaftlich ähnlichen Ziel hinstreben, und bildet damit das Gegenstück zum sog. Monopol.198 Charakteristisch für den Wettbewerb im wirtschaftlichen Sinne ist die Existenz von Märkten, auf denen sich mindestens zwei Anbieter bzw. Nachfrager antagonistisch verhalten, d. h. durch den Einsatz eines oder mehrerer Aktionsparameter199 ihren Zielerreichungsgrad zulasten anderer Wirtschaftssubjekte zu verbessern versuchen.200 Der so verstandene Wettbewerb spornt die Wirtschaftssubjekte durch ökonomische Anreize zu besonderen wirtschaftlichen Leistungen und Verhaltensweisen an (sog. Anreizfunktion201 des Wettbewerbs).202 Jeder Marktteilnehmer will seinen Konkurrenten einen Vorsprung abringen, um über den Abschluss von Verträgen mit der Marktgegenseite die eigene Gewinnsituation zu verbessern.203 Im Sinne eines besseren Verständnisses der verschiedenen gesetzlichen Vorschriften zum Schutze des Wettbewerbs, denen im weiteren Verlauf der Arbeit maßgebliche Bedeutung zukommen wird, wird im Folgenden ein kurzer Überblick über die geschichtliche Entwicklung der wirtschaftswissenschaftlichen Wettbewerbstheorie sowie die dem geltenden europäischen und deutschen Wettbewerbsrecht zugrundeliegenden wettbewerbstheoretischen und -politischen Ansätze gegeben (dazu unten II.). In einem nächsten Schritt wird auf die Bedeutung eines wirksamen Wettbewerbs für die marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung ebenso eingegangen wie auf Sinn und Zweck des Wettbewerbsrechts (dazu unten III.).

197 Cox/Hübener, in: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), S. 1, 4. Vgl. auch Borchardt/Fikentscher, S. 15; I. Schmidt, S. 1; Bartling, S. 10. Eine andere, häufig anzutreffende Definition lautet: „Wettbewerb bedeutet das Streben von zwei oder mehr Personen bzw. Gruppen nach einem Ziel, wobei der höhere Zielerreichungsgrad des einen i. d. R. einen geringeren Zielerreichungsgrad des(r) anderen bedingt.“ Hierzu Schuster, S. 20; I. Schmidt, S. 2; Tolksdorf, Dynamischer Wettbewerb, S. 10. Eine zusammenfassende Darstellung des Meinungsstandes findet sich bei Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 1 Rn. 110. 198 Benisch, WuW 1956, S. 480, 483; Bartling, S. 10. 199 Z.B. Preissenkung, Produktinnovation, verbesserte Serviceleistungen etc. 200 I. Schmidt, S. 1 f.; vgl. auch Aberle, S. 13. 201 Eine ähnliche Anreizfunktion kommt, wie oben (Teil 2, B.III.) gezeigt, auch dem Patentschutz zu. 202 Cox/Hübener, in: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), S. 1, 4. 203 Neben dieser Anreizfunktion kommt dem Wettbewerb im marktwirtschaftlichen System auch eine Ordnungsfunktion im Sinne der Sicherung und Steuerung des Wirtschaftsprozesses zu. Die dezentralisierten Produktions- und Konsumtionspläne der selbständigen und miteinander in Konkurrenz stehenden Wirtschaftssubjekte werden laufend durch den Markt über die dort wirksamen Aktionsparameter koordiniert. Siehe Aberle, S. 17; I. Schmidt, S. 2; Cox/Hübener, in: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), S. 1, 4.

C. Wettbewerb

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II. Geschichtliche Entwicklung der wirtschaftswissenschaftlichen Wettbewerbstheorie 1. Wettbewerbstheoretische Ursprünge Die erste eigenständige Theorie des Wettbewerbs entstand mit dem Aufkommen der klassischen Nationalökonomie im ausgehenden 18. Jahrhundert.204 Sie wird datiert auf das Jahr 1776, als das grundlegende Werk von Adam Smith „Der Wohlstand der Nationen“205 erschien.206 Die von Smith entwickelte Theorie des freien Wettbewerbs verstand sich zunächst als eine Art Gegenbewegung zum Merkantilismus, der durch Protektionismus und Reglementierung gekennzeichnet war.207 Ihre Bedeutung erschöpfte sich aber nicht in einer bloßen Wirtschaftstheorie, sie war vielmehr Bestandteil einer umfassenden, liberalen Gesellschaftstheorie.208 Dabei galt die individuelle Handlungsfreiheit des Einzelnen als unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme aller Menschen am Wirtschaftsleben, sei es als Anbieter oder Nachfrager. Der klassischen Nationalökonomie zufolge findet jede wirtschaftliche Aktivität ihren Ursprung in dem egoistisch motivierten Gewinnstreben eines jeden Marktteilnehmers. Eine staatliche Kontrolle des Marktes ist weder erforderlich noch wünschenswert, denn der Markt wird von einer „unsichtbaren Hand“209 gesteuert, die das Eigeninteresse des Einzelnen in volkswirtschaftlich sinnvolle Bahnen lenkt.210 Durch den Wettbewerb ist der Anbieter von Waren und Dienstleistungen gezwungen, sich den Wünschen seiner Kunden anzupassen, wenn er nicht auf den Gewinn verzichten oder gar Verluste in Kauf nehmen will.211 Der freie Wettbewerb stellt somit die ideale Voraussetzung für die Anpassung der Produktion an die Bedürfnisse der Kunden dar.212 Aufgrund dieser Art der Selbstregulierung des Marktes führt das dem freiem Wettbewerb immanente eigennützige Streben der jeweiligen Konkurrenten nach maximalem Gewinn zugleich zu steigendem Gemeinwohl für alle. Wie von einer unsichtbaren Hand geleitet, stellt sich der freie Wettbewerb als ein „System nicht autoritärer sozialer Kontrolle“213 privater Macht dar, in dem sich Einzelinter204

Siehe Cox/Hübener, in: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), S. 1, 9. Adam Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, London 1776; deutsche Übersetzung: Der Wohlstand der Nationen, München 1974. 206 Hauptvertreter der klassischen Nationalökonomie waren neben Adam Smith (1723 – 1790) auch David Ricardo (1772 – 1823), John Elliot Cairnes (1823 – 1875) und Nassau William Senior (1790 – 1864). 207 Vgl. Bittlingmayer, WuW 1987, S. 709, 712; I. Schmidt, S. 2; Tolksdorf, Dynamischer Wettbewerb, S. 40; Cox/Hübener, in: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), S. 1, 9. 208 Tolksdorf, in: Demele/Semmler (Hrsg.), S. 89. 209 A. Smith, S. 371. 210 Cox/Hübener, in: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), S. 1, 9; vgl. auch I. Schmidt, S. 2. 211 Vgl. Bartling, S. 9. 212 Siehe Cox/Hübener, in: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), S. 1, 9. 213 Hoppmann, in: Mestmäcker (Hrsg.), S. 61, 81 f. 205

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esse und Gesamtinteresse gegenseitig ergänzen und so im Ergebnis zu einem gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrtsgewinn führen.214 Im Gegensatz zu der sogleich zu behandelnden, neoklassischen Wettbewerbstheorie wird nach traditionellem nationalökonomischen Verständnis der Wettbewerb als dynamischer Handlungsprozess verstanden, der durch unternehmerische Initiativen sowie die darauf folgenden Reaktionen der Marktgegenseite und der Mitbewerber entsteht und in Gang gehalten wird.215 Die Vertreter der klassischen Nationalökonomie hatten es indes versäumt, die Wettbewerbsbedingungen im Einzelnen aufzuzeigen, unter denen der Wettbewerb die gewünschte und behauptete Harmonie der Interessen herbeiführt.216 Daher wurde in der Folgezeit versucht herauszuarbeiten, wann der Wettbewerb eine Übereinstimmung von Einzel- und Gesamtinteressen hervorbringt. Diese, sich in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts entwickelnde, neue Strömung wird gemeinhin als Neoklassik bezeichnet.217 Hierbei setzte sich das auf einer statischen Betrachtungsweise fußende Gleichgewichtsmodell der „vollständigen Konkurrenz“218 durch.219 Auf der Grundlage der Annahme eines stationären220 Zustandes der Wirtschaft,221 eines stets rationalen Verhaltens sämtlicher Wirtschaftssubjekte, völliger Markttransparenz, des Fehlens jeglicher Marktzutrittsschranken, der Anwendung identischer Produktionstechniken bei allen Produzenten sowie eines von jedem Zwang freien Preisbildungsprozesses auf einem von einer unendlich großen Zahl von Anbietern und Nachfragern geprägten Markt entstand ein abstraktes Wettbewerbsmodell, das zwar in der Theorie funktionierte, mit der Realität aber wenig gemein hatte und daher nicht realisierbar war.222 Die Wettbewerbstheorie der klassischen Nationalökonomie verengte sich zu einer reinen Preistheorie, in welcher die Analyse der gesamtwirtschaftlichen bzw. gesamtgesellschaftlichen Entwicklung zurücktrat zugunsten 214

Siehe Kartte/Holtschneider, in: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), S. 193, 195. Siehe Cox/Hübener, in: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), S. 1, 9. 216 I. Schmidt, S. 4. Ebenso Tolksdorf, Dynamischer Wettbewerb, S. 40 m.w.N. 217 Siehe Tolksdorf, in: Demele/Semmler (Hrsg.), S. 89, 94 f.; Riese, S. 82. Vgl. auch die bei Riese, S. 81, aufgeführten, aus dieser Zeit stammenden, Werke von Jevons (London, 1871), Marshall (London, 1980), Menger (Wien, 1871), Walras (Lausanne 1900). Angemerkt sei an dieser Stelle, dass es für die verschiedenen Autoren und theoretischen Ansätze ab dieser Zeit keine einheitliche Terminologie mehr gibt. Zumeist werden sie zusammenfassend als Neoklassik bezeichnet. 218 Als Synonym werden die Begriffe vollständiger oder vollkommener Wettbewerb verwendet. 219 Siehe I. Schmidt, S. 4. 220 Im Gegensatz zu dem von der Nationalökonomie verstandenen dynamischen Prozess des Wettbewerbs (s. o.). Stationär in diesem Sinne bedeutet eine fest gegebene Zahl von Betrieben und Produkten sowie fest gegebene Produktionsverfahren und Arten von Produktionsfaktoren. 221 Hierzu I. Schmidt, S. 4 f. 222 Ausführlich I. Schmidt, S. 5 ff.; Aberle, S. 27 f.; Tolksdorf, Dynamischer Wettbewerb, S. 41 f.; Bartling, S. 12 ff.; Kartte/Holtschneider, in: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), S. 193, 195 f. 215

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der Erforschung der Voraussetzungen einer (scheinbaren) Idealmarktform der „vollkommenen Konkurrenz“, der die Marktform des reinen Monopols abstrakt gegenübergestellt wurde.223 Nicht zuletzt hierin lag der Grund für eine schonungslose Kritik, die in der Folgezeit an diesem Wettbewerbsmodell geäußert wurde und letztlich zu seiner Aufgabe führte.224 Um die Wende zum 20. Jahrhundert waren in der wirtschaftlichen Realität das Auftreten von Konzentrationsprozessen und Kartellen sowie die Entstehung von Großunternehmen zu beobachten, infolgedessen die Diskrepanz zwischen den im Modell des vollkommenen Wettbewerbs angenommenen Prämissen und der Realität ständig zunahm und nicht der „vollkommene“, sondern vielmehr der „unvollkommene“ Wettbewerb zur empirisch sichtbaren Regel wurde. In den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde daher der Versuch unternommen, diese real festgestellte unvollkommene Konkurrenz mit in das theoretische Modell aufzunehmen. Es wurde versucht, durch die Entwicklung verschiedener Oligopoltheorien225 die in der Realität zu beobachtende Lücke zwischen freiem bzw. vollkommenem Wettbewerb und Monopol zu schließen und wettbewerbstheoretisch sowie -politisch zu beleuchten.226 So entwickelten sich in der Folgezeit eine Vielzahl unterschiedlicher Wettbewerbstheorien, von deren Auflistung und detailgetreuer Darstellung im Rahmen dieser Arbeit indes abgesehen wird.227 Stattdessen soll es ausreichen, zwei grundlegende wettbewerbspolitische Interpretationsansätze vorzustellen, deren Ursprung zwar in beiden Fällen in den USA zu finden ist, die sich im weiteren Verlauf der Geschichte aber gleichsam als Grundpfeiler 223

196. 224

Siehe Bartling, S. 14 f.; Kartte/Holtschneider, in: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), S. 193,

Vgl. etwa Röpke, in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Bd. 12, S. 29, 33: „Die modernen Bemühungen, den Begriff einer möglichst ,reinenÐ oder ,vollkommenenÐ Konkurrenz zu entwickeln, haben nicht nur dazu geführt, ihn in einem theoretischen Perfektionismus von Bedingungen abhängig zu machen, von denen von vornherein feststeht, daß sie in der wirtschaftlichen Wirklichkeit kaum anzutreffen sind. Noch ernster ist vielmehr der Umstand, daß im Modell des ,vollkommenenÐ Wettbewerbs das Wesen des Wettbewerbs als eines dynamischen Prozesses geradezu eliminiert wird, und gerade dieser ist es, auf den sich die Argumente zugunsten des Wettbewerbs und des Konkurrenzsystems stützen.“ Umfassend auch I. Schmidt, S. 5 ff. 225 Der Begriff „Oligopol“ bezeichnet eine Marktsituation, die „irgendwo zwischen vollkommener Konkurrenz und Monopol“ liegt, wobei gemeinhin von Oligopol gesprochen wird, wenn auf einem bestimmten Markt zwar viele Nachfrager, aber nur einige wenige (und deshalb starke) Anbieter vorhanden sind. Vgl. Wish, S. 506 f.; Jones/Sufrin, S. 11. 226 Siehe zum Ganzen Kartte/Holtschneider, in: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), S. 193, 196; I. Schmidt, S. 9 ff. 227 Der interessierte Leser sei auf die reichhaltige wirtschaftswissenschaftliche Literatur zu diesem Thema verweisen, aus der hier beispielhaft zu nennen sind: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), Handbuch des Wettbewerbs, München 1981; Aberle, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, Stuttgart/Berlin/Köln 1980; Tolksdorf, Dynamischer Wettbewerb, Wiesbaden 1994; Herdzina, Wettbewerbspolitik, 4. Aufl., Stuttgart 1993; Bartling, Leitbilder der Wettbewerbspolitik, München 1980.

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internationaler Wettbewerbspolitik sowie der einzelnen nationalen Wettbewerbsordnungen erwiesen und dementsprechend auch im Rahmen der geltenden europäischen und deutschen Vorschriften zum Schutz des Wettbewerbs ihren Ausdruck gefunden haben.228 Hierbei handelt es sich um die sog. Harvard-Schule einerseits und die sog. Chicago-Schule andererseits.229 2. Harvard-Schule Die Harvard-Schule, die im Wesentlichen der Theorie des funktionsfähigen Wettbewerbs („workable competition“)230 folgt,231 geht von einer spezifischen Kausalbeziehung zwischen Marktstruktur, Marktverhalten und Marktergebnis aus („structureproduct-performance-paradigm“).232 Hiernach bestimmt die jeweilige Struktur des Marktes das Verhalten der Marktteilnehmer, welches wiederum deren Marktergebnis im Sinne von Profitabilität, Effizienz, technischem Fortschritt und Wachstum bestimmt. Je weniger Anbieter es auf einem Markt gibt, je höher also die Marktkonzentration ist, desto transparenter ist der Markt für die einzelnen Unternehmen. Dies führt dazu, dass die Unternehmen (bewusst oder unbewusst) ihre Verhaltensweisen untereinander abstimmen, was sich konkret in einer verminderten Innovationstätigkeit sowie in einer Drosselung der Produktion bemerkbar macht und zu höheren Preisen für die Verbraucher führen sowie das Wirtschaftswachstum hemmen oder gar zum Stillstand bringen kann. Diesem Ansatz zufolge birgt ein konzentrierter Markt in der Regel dieselben Gefahren wie ein Monopol, namentlich einen geringeren Ausstoß, höhere Preise und fehlendes Wachstum, wobei diese Entwicklungen bereits bei relativ geringer Marktkonzentration zu beobachten sein sollen.233 . . 228

Lesenswert hierzu Becker-Celik, EWS 1997, S. 334 ff. Es sei darauf hingewiesen, dass die hier angestellte Kategorisierung eine stark vereinfachende Darstellung der verschiedenen Theorien ist. In der Tat ist die Zahl der vertretenen Konzeptionen schier unüberschaubar und eine jede Theorie hat ihre Nuancen. Gleichwohl erscheint die hier vorgenommene Klassifizierung für die Zwecke der vorliegenden Arbeit sinnvoll und findet auch in der übrigen (rechtswissenschaftlichen) Literatur zu diesem Thema gemeinhin Zustimmung. Vgl. etwa Jones/Sufrin, S. 22 ff.; Weston, GRUR Int. 1984, S. 125 ff.; Bittlingmayer, WuW 1987, S. 709 ff.; Kallfass, WuW 1980, S. 596 ff.; Becker-Celik, EWS 1997, S. 334 ff. 230 Der Begriff des „workable competition“ wurde geprägt von John Maurice Clark in seinem 1940 erschienen Werk „Towards a Concept of Workable Competition“. Hierzu I. Schmidt, S. 9 f. 231 Siehe Cox/Hübener, in: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), S. 1, 26; Aberle, S. 29. 232 Umfassend Jones/Sufrin, S. 22; Aberle, S. 31; Weston, GRUR Int. 1984, S. 125, 126; Cox/Hübener, in: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), S. 1, 18; Becker-Celik, EWS 1997, S. 334, 335; Katzenbach/Kallfass, in: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), S. 103, 113 ff. 233 Vgl. zum Ganzen Weston, GRUR Int. 1984, S. 125, 126; Jones/Sufrin, S. 22; Aberle, S. 29 ff.; Bartling, S. 20 ff. 229

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Da hiernach also eine unmittelbare Verbindung zwischen Marktstruktur (Oligopol), Marktverhalten (Beschränkung des Angebots) und Marktergebnis (kein Wachstum, keine Innovation, höhere Preise für den Kunden) besteht, ist es nach den Anhängern dieser Theorie Aufgabe der staatlichen Wettbewerbspolitik, eine Marktstruktur zu gewährleisten, welche die optimale Grundlage für die Entfaltung und Erhaltung des Wettbewerbs zwischen den einzelnen Marktteilnehmern bereitstellt, wobei Wettbewerb im oben beschriebenen Sinne von Konkurrenz und Rivalität verstanden wird.234 Im Vordergrund steht mithin eine staatliche Marktgestaltungspolitik, welche die Entwicklung von Oligopolen und hohen Marktkonzentrationen verhindern soll.235 Dementsprechend setzt sich die Harvard-Schule insbesondere für eine strikte Fusionskontrolle ein (präventiv) und bejaht im Einzelfall auch die Vornahme staatlicher Entflechtungsprogramme (repressiv). Daneben haben die Vertreter der HarvardSchule aber auch Vertikalvereinbarungen zwischen Lieferanten und Abnehmern im Blick und plädieren für strenge Regeln gegen verschiedene Arten von Vertriebsbeschränkungen, wie Koppelungsgeschäfte, Ausschließlichkeitsbindungen, Gebietsund Kundenbeschränkungen, Preisbindungen und Preisdiskriminierungen.236 3. Chicago-Schule Die Vertreter der Chicago-Schule wenden sich entschieden gegen den von der Harvard-Schule angenommenen Zusammenhang zwischen Marktstruktur, Marktverhalten und Marktergebnis. Insbesondere die These, dass konzentrierte Märkte stets weniger innovationsfreudig seien und den optimalen Nährboden für die Einführung wettbewerbswidriger Preise böten, wird strikt abgelehnt. Der Konzentrationsgrad eines Marktes vermag hiernach keinerlei Aufschluss über Intensität und Art des Wettbewerbs zu vermitteln. Höhere Unternehmensgewinne in konzentrierten Märkten werden vielmehr als Beweis für eine bessere Marktleistung gewertet und nicht auf einen Mangel an Wettbewerb zurückgeführt.237 Das wettbewerbspolitische Konzept der Chicago-Schule basiert auf dem Vertrauen in die Selbstregulierungskräfte des Marktes. Wettbewerb und Marktkonzentration 234

Wegen des Fokus auf die Gewährleistung einer wettbewerbsfreundlichen Marktstruktur werden die Vertreter dieses Ansatzes teilweise auch als „Strukturalisten“ bezeichnet. (Vgl. Weston, GRUR Int. 1984, S. 125, 126.) Sie stehen damit im Gegensatz zu den Anhängern der sogleich zu behandelnden Chicago-Schule, wonach das Hauptaugenmerk der staatlichen Wettbewerbspolitik nicht auf der Marktstruktur, sondern auf wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen einzelner Marktteilnehmer gerichtet werden muss. 235 Vgl. zum Ganzen Jones/Sufrin, S. 22 f.; Cox/Hübener, in: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), S. 1, 14 ff., 26 ff.; Kartte/Holtschneider, in: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), S. 193, 195 ff.; Aberle, S. 31; Tolksdorf, Dynamischer Wettbewerb, S. 47 ff.; Herdzina, S. 187 ff.; Weston, GRUR Int. 1984, S. 125, 126; Becker-Celik, EWS 1997, S. 334 ff.; Bartling, S. 20 ff. 236 Weston, GRUR Int. 1984, S. 125, 126. 237 Umfassend Cox/Hübener, in: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), S. 1, 19; Becker-Celik, EWS 1997, S. 334 ff., Weston, GRUR Int. 1984, S. 125, 126; I. Schmidt, S. 19 ff.; Kallfass, WuW 1980, S. 596, 599.

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stehen hiernach nicht in einem Verhältnis der Gegensätzlichkeit, da eine hohe Marktkonzentration als Konsequenz von betrieblichen Wachstumsvorgängen lediglich auf eine höhere Effizienz der – durch internes Wachstum oder durch Zusammenschluss mit anderen – größer werdenden Unternehmen zurückgeführt wird. Der Wettbewerb wird als Ausleseprozess verstanden, in dem sich nur die Besten auf dem Markt durchsetzen („survival of the fittest“), wobei der „Beste“ in diesem Sinne derjenige ist, der die Bedürfnisse der Nachfrager erfolgreicher zu befriedigen vermag als seine Konkurrenten.238 Es ist die Grundüberzeugung der Chicago-Schule, dass nur ein vom Staat unbeeinflusster Markt die für die Verbraucherwohlfahrt optimale Marktstruktur hervorzubringen in der Lage ist. Die Anhänger dieser Denkschule werden daher mit einem ausgeprägten „laissez faire“-Ansatz in Verbindung gebracht, nach dem staatliche Eingriffe in die Marktstruktur grundsätzlich abgelehnt werden.239 Insbesondere Unternehmenszusammenschlüssen steht die Chicago-Schule grundsätzlich wohlwollend gegenüber, da diese als effizientes Mittel angesehen werden, um Ressourcen auf Unternehmen umzuverteilen, die sie produktiv nutzen können. Das gelte insbesondere – aber nicht ausschließlich – für vertikale Fusionen zwischen Lieferanten und Abnehmern, deren Motivation allein in der Erzielung höherer Effizienz in Herstellung und Vertrieb gesehen wird. Durch den Druck potentieller Konkurrenten sei die Weitergabe dieser Effizienzvorteile an die Verbraucher stets gewährleistet. Das eigentliche wettbewerbspolitische Problem wird in wettbewerbsbeschränkendem Verhalten gesehen, das unabhängig von der Struktur des jeweiligen Marktes auftritt. Das gilt zum einen für kollusives Zusammenwirken zwischen einzelnen Marktteilnehmern, wobei insbesondere horizontale Preisabsprachen und Kartelle als bedenklich angesehen werden, da diese zu einer Beschränkung des Angebots führen, ohne zugleich Effizienzsteigerungen zugunsten der Verbraucher mit sich zu bringen.240 Zum anderen sollen auch willkürliche Verhaltensweisen einzelner Marktteilnehmer für unzulässig erklärt werden, wenn diese dem Wettbewerb auf dem jeweiligen Markt abträglich sind, was insbesondere dann der Fall sein soll, wenn das betreffende Unternehmen über eine besondere wirtschaftliche Macht verfügt. Zu

238 Vgl. I. Schmidt, S. 19 ff.; Kallfass, WuW 1980, S. 596, 597 f.; Kallfass, WuW 1980, S. 596, 599; Tolksdorf, Dynamischer Wettbewerb, S. 68. 239 Zum Ganzen Cox/Hübener, in: Cox/Jens/Markert (Hrsg.), S. 1, 19; Becker-Celik, EWS 1997, S. 334, 336; Weston, GRUR Int. 1984, S. 125, 126; I. Schmidt, S. 19 ff. 240 Umgekehrt werden vertikale Vereinbarungen, also solche zwischen Unternehmen auf verschiedenen Marktstufen, grundsätzlich als unbedenklich eingestuft. Das gilt vor allem für vertikale Preisbindungen und territoriale Vertriebsbeschränkungen, da diese den Wettbewerb zwischen den Marken konkurrierender Hersteller (sog. „interbrand-competition“) ebenso fördern wie den Wettbewerb zwischen den einzelnen Händlern, die im Kampf um die Kunden versuchen werden, einen besonders guten Service anzubieten. Vgl. Bittlingmayer, WuW 1987, S. 709, 714 f.; Weston, GRUR Int. 1984, S. 125, 127.

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solchen Verhaltensweisen zählt insbesondere die willkürliche Ausübung von Zwang in Form von Diskriminierung, Boykott oder Liefersperren.241 4. Zusammenfassung zu Harvard- und Chicago-Schule Zusammenfassend lassen sich die unterschiedlichen Wettbewerbspolitiken von Harvard- und Chicago-Schule wie folgt darstellen: Der Ansatz der Harvard-Schule plädiert unter Zugrundelegung spezifischer Kausalbeziehungen zwischen Marktstruktur, Marktverhalten und Marktergebnis für eine staatliche Marktgestaltungspolitik, deren Ziel die Gewährleistung einer M a r k t s t r u k t u r ist, in welcher sich der freie Wettbewerb zwischen allen Wirtschaftssubjekten am besten entfalten kann, wobei insbesondere die Verhinderung und Bekämpfung hoher Marktkonzentrationen im Vordergrund stehen. Demgegenüber setzt die Chicago-Schule großes Vertrauen in die Selbstregulierungskräfte des Marktes und lehnt folgerichtig sämtliche staatlichen Marktstrukturmaßnahmen ab. Als Aufgabe der Wettbewerbspolitik wird vielmehr das Formulieren allgemeingültiger Verbotsmaßnahmen für bestimmte wettbewerbsfreiheitsbeschränkende Ve r h a l t e n s w e i s e n einzelner Marktteilnehmer angesehen. Ausgehend von dieser Unterscheidung werden im Folgenden die auf europäischer wie deutscher Ebene bestehenden gesetzlichen Vorschriften zum Schutze des Wettbewerbs auf ihre wettbewerbstheoretischen Ansätze untersucht. 5. Ausläufer von Harvard- und Chicago-Schule im europäischen und deutschen Wettbewerbsrecht a) Vorab: Begriffsbestimmung Vorab sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der Begriff „Wettbewerbsrecht“ im Rahmen der vorliegenden Arbeit maßgeblich diejenigen Vorschriften bezeichnet, deren Ziel die Aufrechterhaltung eines Systems wirksamen Wettbewerbs ist. Gemeint sind also die Regelungen zum Schutze des Wettbewerbs als Institution, die im deutschen Sprachgebrauch auch unter dem Begriff „Kartellrecht“ zusammengefasst werden. Die daneben existierenden Vorschriften zur Kontrolle der Lauterkeit des Wettbewerbsverhaltens der einzelnen Marktteilnehmer, die im deutschen Recht insbesondere im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ihren Niederschlag gefunden 241

Vgl. zum Ganzen Weston, GRUR Int. 1984, S. 125, 126 f.; Cox/Hübener, in: Cox/Jens/ Markert (Hrsg.), S. 1, 19, 28 f.; Becker-Celik, EWS 1997, S. 334, 336; I. Schmidt, S. 19 ff.; Kallfass, WuW 1980, S. 596 ff.; Bittlingmayer, WuW 1987, S. 709, 714 f.; Jones/Sufrin, S. 23 ff.; Hovenkamp, 84 Mich. L. Rev. 1985, S. 213, 226 ff.; Tolksdorf, Dynamischer Wettbewerb, S. 68 f.

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haben und auf europäischer Ebene Gegenstand der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken242 sind, sollen demgegenüber keine weitere Beachtung finden.243 Die vor allem im 4. Teil dieser Arbeit zu behandelnde Situation der Lizenzverweigerung durch den Inhaber standard-essentieller Patente birgt nämlich in erster Linie Gefahren für den Wettbewerb als solchen und ist weniger eine Frage der Lauterkeit bzw. Sittlichkeit des in Rede stehenden Wettbewerbsverhaltens. Der systematische Unterschied zwischen den Vorschriften des Kartellrechts und denen des Lauterkeitsrechts besteht darin, dass durch das Kartellrecht der Wettbewerb als solcher geschützt werden soll, während es Aufgabe des Lauterkeitsrechts ist, sicherzustellen, dass der so gewährleistete Wettbewerb in geordneten und gesitteten Bahnen verläuft und die Anwendung unlauterer Kampfesmittel unterbunden wird.244 b) Europa Das europäische Wettbewerbs- bzw. Kartellrecht enthält an verschiedenen Stellen Anknüpfungen an die wettbewerbstheoretischen und -politischen Grundsätze sowohl der Harvard- als auch der Chicago-Schule, ohne jedoch streng einer der beiden Denkschulen zu folgen.245 Die maßgeblichen Vorschriften auf europäischer Ebene beinhalten das Verbot des Marktmachtmissbrauchs (Art. 82 EGV), das Verbot wettbewerbsbehindernder Vereinbarungen (Art. 81 EGV) sowie die EG-Fusionskontrollverordnung (FKVO)246. Art. 82 EGV normiert das Verbot der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen. Bei erster Betrachtung knüpft die Vorschrift damit an ein bestimmtes, als wettbewerbsbeschränkend einzustufendes Marktverhalten an und scheint sich damit an das Gedankengut der Chicago-Schule anzulehnen. Bei näherer Untersuchung wird aber deutlich, dass Sinn und Zweck der Vorschrift nicht die Ahndung bestimmter wettbewerbsschädigender Verhaltensweisen, sondern vielmehr der Schutz einer wettbewerblichen Marktstruktur ist,247 womit die Norm letztlich grundlegende Elemente der Harvard-Schule enthält. Dies wird daran deutlich, dass das in Bezug genommene Verhalten nur dann wettbewerbswidrig und damit 242

Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen und Verbrauchern, Abl. L 149 vom 11.06.2005, S. 22. 243 Diese Vorschriften werden auch als „Lauterkeitsrecht“ bezeichnet. 244 Vgl. Würdinger, WuW 1953, S. 721, 730 f. 245 Für eine weitergehende Differenzierung vgl. Becker-Celik, EWS 1997, S. 334, 335 ff. 246 Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, Abl. L 24 vom 29.01.2004, S. 1. 247 Vgl. auch Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV, der die Aufrechterhaltung und Entwicklung wirksamen Wettbewerbs zum ausdrücklichen Ziel der Wettbewerbsvorschriften des EG-Vertrages erklärt.

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verboten ist, wenn zugleich eine ganz bestimmte Marktstruktur, nämlich das Vorliegen einer beherrschenden Stellung eines oder mehrerer Unternehmen, gegeben ist.248 Ein Missbrauch ohne marktbeherrschende Stellung ist nach der Konzeption des Art. 82 EGV nicht möglich. Denn nur die mit der Marktbeherrschung verbundene Abschwächung der Wettbewerbsintensität vermag den mit dieser Verbotsnorm einhergehenden, schwerwiegenden Eingriff in die wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der entsprechenden Unternehmen zu rechtfertigen.249 Nicht eindeutig einer der beiden Schulen zuordnen lässt sich auch die Regelung des Art. 81 EGV, die insgesamt aus drei Teilen besteht. Art. 81 Abs. 1 EGV verbietet Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken. Absatz 2 der Vorschrift erklärt entsprechende Vereinbarungen oder Beschlüsse für nichtig. Art. 81 Abs. 3 EGV bestimmt, dass gewisse Vereinbarungen, Beschlüsse oder Verhaltensweisen von der Anwendbarkeit des Abs. 1 ausgenommen werden können, wenn einzelne der näher aufgelisteten Voraussetzungen erfüllt sind, wozu insbesondere die Verbesserung der Warenerzeugung bzw. -verteilung sowie die Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts gehören. Vordergründig ist Anknüpfungspunkt der Regelung somit wie bei Art. 82 EGV das Verhalten der jeweiligen Unternehmen, womit die Vorschrift wiederum dem Gedankengut der Chicago-Schule zu entspringen scheint. Im Rahmen der praktischen Anwendung kommen aber vor allem strukturelle Überlegungen zum Zuge, die erneut in erster Linie auf die Harvard-Schule zurückzuführen sind. So kommt es im Rahmen der Prüfung, ob die fraglichen Vereinbarungen, Beschlüsse oder Verhaltensweisen geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, entscheidend auf die wettbewerblichen Strukturen des jeweiligen Marktes an.250 Gemäß den von der Europäischen Kommission erlassenen Leitlinien zur Anwendbarkeit des Art. 81 EGVauf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit („Horizontalleitlinien“) spielt neben der Stellung der Beteiligten in den von der Zusammenarbeit be-

248 Zum Begriff der Marktbeherrschung ausführlich de Bronett, in: Wiedemann (Hrsg.), § 22, Rn. 17 ff.; Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG, Art. 82 Rn. 63 ff.; Helmuth, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 82 EGV Rn. 77 ff. 249 In diesem Zusammenhang sei auch auf die allgemein akzeptierte Definition des Begriffs der missbräuchlichen Ausnutzung hingewiesen. Nach ständiger Rechtsprechung sind darunter alle „Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung [zu verstehen], die die S t r u k t u r eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, welche von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen.“ (EuGH vom 13.02.1979, Slg. 1979, S. 461, Rn. 6 (Hoffmann-LaRoche/Kommission).) 250 Siehe etwa Rehbinder, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG, Art. 81 Abs. 1 Rn. 270.

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troffenen Märkten insbesondere die Marktkonzentration eine Rolle, namentlich Stellung und Anzahl der auf dem Markt tätigen Wettbewerber.251 Gedankengut der Harvard-Schule enthält auch die FKVO, welche die rechtliche Zulässigkeit von Unternehmenszusammenschlüssen von „gemeinschaftsweiter Bedeutung“252 regelt. Ganz im Sinne der Harvard-Schule, ist gesetzgeberisches Ziel der Verordnung die Gewährleistung einer wettbewerbsfreundlichen Markstruktur auf dem Gemeinsamen Markt.253 Das entsprechende Instrumentarium zur Erreichung dieses Ziels stellt schwerpunktmäßig Art. 2 Abs. 2, 3 FKVO zur Verfügung. Hiernach sind solche Zusammenschlüsse untersagt, durch die der wirksame Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert zu werden droht, wobei eine solche Behinderung sich insbesondere aus der Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung ergeben kann. Die FKVO ist damit ein marktstrukturbezogenes und kein verhaltensbezogenes Regelwerk.254 Eher den Grundsätzen der Chicago-Schule scheint es demgegenüber zu entsprechen, dass das europäische Wettbewerbsrecht im Unterschied beispielsweise zum US-amerikanischen Kartellrecht keinen Tatbestand der als wettbewerbswidrig anzusehenden Monopolisierung eines Marktes enthält. Dem Ansatz der Harvard-Schule folgend, die für die Gewährleistung einer wettbewerbsfreundlichen Marktstruktur plädiert, heißt es etwa im US-amerikanischen Sherman Act (Sec. 2): „Every person who shall monopolize, or attempt to monopolize, or combine or conspire with any other person or persons, to monopolize any part of the trade or commerce among the several States, or with foreign nations, shall be deemed guilty of a felony, and, on conviction thereof, shall be punished […].“255

In Europa hingegen wird die Gewährleistung einer wettbewerbsfreundlichen Marktstruktur stattdessen vorrangig durch die bereits erwähnte FKVO erfüllt. c) Deutschland Die Situation in Deutschland stellt sich parallel dar zu derjenigen auf europäischer Ebene, so dass auf die obigen Ausführungen verwiesen werden kann. Auch hierzulande setzt sich das wettbewerbsrechtliche Handwerkszeug im Wesentlichen zusam251

29. 252

Europäische Kommission, Horizontalleitlinien, Abl. C 3 vom 06.01.2001, S. 2, Rn. 27,

Vgl. Art. 1 Abs. 1 FKVO. Vgl. etwa Einführung zur FKVO, Rn. 6 sowie Art. 2 Abs. 1 lit. a) FKVO. 254 Siehe zu den Ansätzen der Harvard-Schule in den vergleichbaren Vorschriften der deutschen Fusionskontrolle (§§ 35 ff. GWB) die Auslegungsgrundsätze des Bundeskartellamtes vom Juli 2005, S. 4, abrufbar im Internet unter http://www.jura.uni-augsburg./prof/lehr beauftragte/heinichen_christian/Materialien_Allgemein/materialien_pdfs/050715Auslegungs grundsaetze.pdf (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). 255 Ein kurzer Überblick über das amerikanische Kartellrecht findet sich bei Jones/Sufrin, S. 19 ff. 253

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men aus einem dem Art. 82 EGV entsprechenden Missbrauchsverbot (§§ 19, 20, 21 GWB), einem dem Art. 81 EGVentsprechenden Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen (§§ 1, 2, 3 GWB) sowie einer der FKVO entsprechenden Zusammenschlusskontrolle (§§ 35 ff. GWB). Sowohl Struktur als auch Auslegung der entsprechenden Vorschriften sind in ihren wesentlichen Grundzügen mit denen der europäischen Vorschriften identisch,256 so dass die wettbewerbstheoretische Einordnung insoweit dieselbe ist wie auf europäischer Ebene.

III. Bedeutung des Wettbewerbs und Sinn und Zweck des Wettbewerbsrechts Ungeachtet der dargestellten, unterschiedlichen wettbewerbstheoretischen und -politischen Ansätze besteht Einigkeit darüber, dass der Erhaltung eines wirksamen Wettbewerbs zwischen den Marktteilnehmern im Hinblick auf die Sicherung eines gewissen Wohlstandsniveaus auf breiter Ebene grundlegende Bedeutung zukommt.257 Nach dem von Alfred Müller-Armack258 und Ludwig Erhard259 begründeten System der Sozialen Marktwirtschaft gehören „Wohlstand für alle“ und „Wohlstand durch Wettbewerb“ untrennbar zusammen.260 Dementsprechend stellt sich nach Erhard ein auf Verbote gegründetes Kartellgesetz als das unentbehrliche „wirtschaftliche Grundgesetz“ dar, ohne welches das Ziel der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt nicht erreicht werden kann.261 Insbesondere auf europäischer Ebene wird dabei in der jüngeren Vergangenheit die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt zunehmend als Wohlfahrt der Verbraucher verstanden. Dementsprechend richtet die Europäische Kommission ihre Wettbewerbspolitik inhaltlich immer deutlicher an deren Interessen aus.262 So heißt es in ihren Leitlinien für vertikale Beschränkungen: „Der Schutz des Wettbewerbs zum Wohle der Verbraucher und zur effizienten Verteilung der Ressourcen ist das Hauptziel der EG-Wettbewerbspolitik.“263 256 Vgl. Immenga/Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, Vorwort, Einleitung; Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWG, § 1 Rn. 13. 257 Vgl. nur Bunte, in: Langen/Bunte, GWB, Einführung zum GWB, Rn. 45. 258 1901 – 1978. Müller-Armack war es, der 1956 den Begriff der Sozialen Marktwirtschaft in seinem gleichnamigen Werk erstmals geprägt hat. 259 1897 – 1977. Erhard hat den von Müller-Armack geprägten Begriff der Sozialen Marktwirtschaft aufgegriffen und weiterentwickelt. 260 L. Erhard, S. 9. 261 L. Erhard, S. 9. 262 Vgl. etwa Jones/Sufrin, S. 13 f., 44 ff. 263 Europäische Kommission, Vertikalleitlinien, Abl. C 291 vom 13.10.2000, S. 1, Rn. 7. Vgl. auch die Rede des früheren Wettbewerbskommissars Mario Monti vom 9. Juli 2001, in der es heißt: „[…] the goal of competition policy, in all its aspects, is to protect consume welfare by maintaining a high degree of competition in the common market. Competition should lead to

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Die Fokussierung auf den Verbraucher kommt zum Teil auch in den gesetzlichen Bestimmungen selbst zum Ausdruck. Beispielsweise sind gem. Art. 81 Abs. 3 EGV und § 2 GWB solche Vereinbarungen von dem allgemeinen Kartellverbot freigestellt, die „unter angemessener Beteiligung der Verbraucher“ zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen. Auch in Art. 82 EGV wird der Verbraucher ausdrücklich erwähnt; dort ist im Rahmen der beispielhaften Aufzählung missbräuchlicher Verhaltensweisen unter anderem der Fall einer „Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung zum Schaden der Verbraucher“ genannt. Auch in der Fusionskontrolle spielt der Verbraucherschutz eine Rolle: Gem. Art. 2 Abs. 1 lit. b) FKVO hat die Europäische Kommission bei der Beurteilung von Unternehmenszusammenschlüssen unter anderem „die Interessen der Zwischen- und Endverbraucher sowie die Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts“ in die Betrachtung mit einzubeziehen. Diese Berücksichtigung der Interessen der Verbraucher darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Hauptziel des Kartellrechts nach wie vor der Schutz des Wettbewerbs als Institution ist, der um seiner allgemeinen wohlfahrtsfördernden Eigenschaften willen angeregt und erhalten werden soll. Denn nur ein wirksamer, von beschränkenden Verhaltensweisen Einzelner freier Wettbewerb hat die beschriebenen wohlfahrtsoptimierenden Wirkungen.264 Die Bedeutung dieses Institutionsschutzes kommt besonders deutlich in den Vorschriften des Art. 81 Abs. 1 EGV sowie des § 1 GWB zum Ausdruck, in denen es um den Schutz des Wettbewerbs vor „Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung“ geht.265 Und auch in der FKVO ist formuliert, dass ein konkretes Zusammenschlussvorhaben nur dann freigegeben werden darf, wenn hierdurch der wirksame Wettbewerb nicht behindert oder eingeschränkt zu werden droht (Art. 2 Abs. 2 FKVO).266 . lower prices, a wider choice of goods, and technological innovation, all in the interest of the consumer.“ Monti, Speech/01/340 vom 09.07.2001. Noch stärker rückt die aktuelle Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes den Verbraucher in den Blickpunkt des europäischen Wettbewerbsrechts. Vgl. etwa Kroes, Speech/05/512 vom 15.09.2005 sowie Kroes, Speech/08/212 vom 22.04.2008. 264 Informativ Benisch, WuW 1953, S. 721, 730, wo es wörtlich heißt: „Die Unternehmer sollen dem wirtschaftlichen Kampfe und seinen Auswirkungen preisgegeben werden, weil nur dadurch nach dem Gesetzeszweck ein Optimum des gesamtwirtschaftlichen Nutzens gewährleistet wird.“ 265 Lesenswert auch BGH vom 16.03.1954, BGHZ 13, 33 („Warenkredit“), wo das Gericht als Zweck des Kartellrechts ausdrücklich den Schutz des Wettbewerbs als die Institution der bestehenden Marktwirtschaft bezeichnet. Wesen des Kartellrechts sei es, den freien Wettbewerb als solchen zu schützen. Vgl. aus der Literatur etwa: Würdinger, WuW 1953, S. 721, 726, 730 f.; Ballerstedt, JZ 1956, S. 267, 271; Strickrodt, WuW 1957, S. 75, 81, 89; Benisch, WuW 1956, S. 480, 483; aus der neueren Zeit: Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 1 Rn. 15; Bunte, in: Langen/Bunte, GWB, Einführung Rn. 53. Eine ausführliche Untersuchung der Schutzrichtung des Kartellrechts findet sich bei Benisch, WuW, 1961, S. 764. 266 Ähnliches gilt gem. § 36 GWB auch für die deutsche Fusionskontrolle.

D. Berührungspunkte und Konfliktpotential

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Dass dieser Wettbewerb insbesondere auch den Verbrauchern, denen im Rahmen der Gesamtgesellschaft eine nicht unerhebliche Stellung zukommt, zum Vorteil gereicht und der Wahrung gerade auch ihrer Interessen dient, steht hierzu nicht im Widerspruch, sondern bedeutet vielmehr die konsequente Fortführung des Wettbewerbsgedankens.267

D. Berührungspunkte und Konfliktpotential Nach dieser Darstellung der Grundlagen privater Standardsetzung, des Patentschutzes sowie des Wettbewerbsrechts werden im Folgenden die Berührungspunkte der einzelnen Bereiche sowie das sich an den jeweiligen Schnittstellen ergebende Konfliktpotential herausgearbeitet. Dabei wird zunächst jeder der drei Komplexe zu den jeweils anderen in Beziehung gesetzt, bevor abschließend eine Zusammenschau aller drei Bereiche vorgenommen wird. In diesem Rahmen wird auch ein Überblick über die Hauptproblemfelder gegeben, die sich in der jüngeren Vergangenheit im Bereich der privaten Festlegung technischer Standards herausgebildet haben. Einige ausgewählte Problemkonstellationen werden im weiteren Verlauf der Arbeit eingehend behandelt.

I. Patentschutz und Wettbewerbsfreiheit Patente werden häufig als Monopole bezeichnet, die quasi per Definition wettbewerbsbeschränkend wirkten. Und in der Literatur wird zum Teil hartnäckig die These vertreten, Patentrecht und Wettbewerbsrecht verfolgten grundlegend andere, geradezu gegenläufige Zielrichtungen, so dass beide Rechtsgebiete „denknotwendig“ in einem permanenten und offenen Konflikt miteinander stünden. Durch die staatliche Gewährung von Ausschließlichkeits- bzw. Monopolrechten in der Form von Patenten werde ein wettbewerbsfreier Raum geschaffen, was einen massiven Eingriff in das durch das Kartellrecht geschützte System wirksamen Wettbewerbs darstelle. Dieses natürliche Spannungsverhältnis könne im Einzelfall nur durch die Anwendung von auf beiden Seiten bestehenden Ausnahmevorschriften (z. B. § 24 PatG, Art. 82

267

Lesenswert Jones/Sufrin, S. 13 f., die darauf hinwiesen, dass jede Wohlfahrtssteigerung auf Seiten der Verbraucher mittelbar auch der Unternehmerwohlfahrt zugutekommt, indem der Verbraucher seinen Konsum steigert und damit der Wirtschaft zu höheren Gewinnen verhilft. Andererseits stehen hinter einer nicht unerheblichen Zahl von Unternehmen letztlich größtenteils Verbraucher in Gestalt von Aktionären. Gute Umsatzzahlen auf Unternehmensseite führen zu Aktiengewinnen bei den Verbrauchern. Letzten Endes erscheint die Unterscheidung zwischen Unternehmern und Verbrauchern ohnehin künstlich, da es sich in der Realität um einund dieselbe Person handelt, die nur in unterschiedlicher Funktion am Markt tätig wird.

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Teil 2: Grundlagen

EGV, §§ 19, 20 GWB) einem mehr oder weniger zufriedenstellenden Ausgleich zugeführt werden.268 Diese Sichtweise ist aber bereits vom Ansatzpunkt her verfehlt. Denn wie im Rahmen der jeweiligen Ausführungen zum Wettbewerbs- und Patentrecht dargelegt,269 verfolgen beide Rechtsinstitute keineswegs unterschiedliche oder gegenläufige, sondern sogar ganz ähnliche, teilweise übereinstimmende Zielrichtungen. Durch die Sicherung des freien Wettbewerbs, ebenso wie durch die staatliche Gewährung von Erfindungsschutz, sollen die am Markt tätigen Wirtschaftssubjekte zu unternehmerischen und wirtschaftlichen Höchstleistungen angespornt und auf diese Weise die technische und ökonomische Fortentwicklung zum gemeinsamen Wohle aller gefördert werden.270 Richtig ist zwar, dass sich beide Rechtsinstitute diesem gemeinsamen Ziel aus jeweils unterschiedlichen Richtungen nähern, was Kaufer wie folgt auf den Punkt bringt: „Die eine [die Wettbewerbspolitik] versucht, durch den Ausschluß von Marktmacht und die andere [die Patentpolitik] durch die Macht des Ausschlusses den technischen Fortschritt zu fördern.“271

Dadurch, dass der Patentschutz sich gegen die konkurrierende Benutzung einer Erfindung richtet, engt er den wettbewerblichen Handlungsspielraum der Wettbewerber auf der Anwendungsebene ein. Gesamtwirtschaftlich betrachtet kommt ihm jedoch eine sogar wettbewerbsfördernde Eigenschaft zu.272 Das folgt aus der oben beschriebenen Anspornungswirkung des Patentrechts und der damit verbundenen Belebung des Wettbewerbs auf der Ebene der Forschung und Entwicklung.273 Der Patentschutz beschränkt mit anderen Worten zwar den Imitationswettbewerb, den verbleibenden und gesamtwirtschaftlich ebenso bedeutsamen Substitutionswettbewerb belebt er dagegen ganz erheblich.274 Der Patentschutz ist daher mit dem 268

Vgl. zum Ganzen Hirsch, WuW 1970, S. 99, 102 ff.; Schaefer, S. 239; Kübel, S. 25 f.; Buxbaum, WuW 1966, S. 193 ff. Ausführlich dargestellt und diskutiert ist diese Sichtweise bei Bernhardt, S. 1 ff., 25 ff. sowie Pretnar, GRUR Int. 2004, S. 776 ff., jeweils m.w.N. 269 Vgl. oben Teil 2, C.I. sowie Teil 2, B.III. 270 Ausführlich Kaufer, S. 11 ff.; Hartmann, S. 7 ff. Vgl. auch Pohl, S. 253; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., Verordnung (EG) Nr. 772/2004, Rn. 1; Casper, ZHR 166 (2002), S. 685, 695 f.; Kraft, S. 77; Busche, in: Jahrbuch der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 2001, S. 345 ff.; Höppner, GRUR Int. 2005, S. 457, 460. Sehr lesenswert auch L¦vÞque/M¦niÀre, Economics of Patents, S. 82 ff.; WIPO, S. 5. 271 Kaufer, S. 13. 272 Kraft, S. 79; Kraßer, S. 46. 273 In diesem Zusammenhang kommt wieder dem oben (Teil 2, C.II.) beschriebenen Verständnis des Wettbewerbs als dynamischer Prozess (i.U. zum statischen Wettbewerbsmodell der Neoklassik) besondere Bedeutung zu. Hierzu ausführlich Prahl, S. 137 f.; Böck, S. 52 ff.; Loewenheim, GRUR 1977, S. 683. 274 von Hayek, S. 61 drückt dies wie folgt aus: „Wo es unmöglich ist, den Genuß gewisser Leistungen von der Zahlung eines Preises abhängig zu machen, wird der Wettbewerb diese

D. Berührungspunkte und Konfliktpotential

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Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit nicht nur vereinbar, sondern für deren Ziele sogar erwünscht, denn ohne die Aussicht auf die mit der ausschließlichen Verwertung einer Erfindung erzielbaren Gewinne könnte es eine Vielzahl von technischen Neuerungen überhaupt nicht geben; die technische – und infolgedessen die wirtschaftliche – Weiterentwicklung geriete ins Stocken.275 Die erwähnte, vielfach anzutreffende Gleichstellung von Patent und Monopol beruht zudem auf einer unzutreffenden Vermengung rechtlicher und wirtschaftlicher Untersuchungskriterien.276 Rein rechtlich gewährt das Patent von Gesetzes wegen ein Ausschließlichkeitsrecht und damit eine rechtliche Monopolstellung.277 Dies ist ebenso selbstverständlich wie unstreitig und bedarf daher keiner weiteren Erläuterung. Zur Beantwortung der Frage, ob dieses Ausschließlichkeitsrecht seinem Inhaber auch eine Monopol- oder zumindest marktbeherrschende Stellung278 im Sinne von Art. 82 EGV bzw. §§ 19, 20 GWB verschafft, ist nach allgemeiner Meinung aber eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten.279 Hierbei ist entscheidend, inwieweit der Schutzrechtsinhaber die Möglichkeit hat, sein Verhalten gegenüber Wettbewerbern und anderen Marktteilnehmern im Wesentlichen autonom, d. h. ohne Rücksicht auf diese zu bestimmen. Insoweit kommt es auf die Struktur und die Verhältnisse des jeweiligen Marktes, insbesondere auf die Abwesenheit von Substituten und Ausweichmöglichkeiten sowie auf das Bestehen etwaiger Marktzutrittsschran-

Leistungen hervorbringen.“ Vgl. auch Casper, ZHR 166 (2002), S. 685, 686 ff.; Kraft, S. 37 ff.; Heinemann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., GRUR Teil B, Rn. 42. 275 Lesenswert Lehmann, GRUR Int. 1983, S. 356, 360 ff., der die vom Patentschutz stets ausgehenden Wettbewerbsbeschränkungen auf der einen Stufe als unabdingbare Voraussetzung für die Ankurbelung des Wettbewerbs auf gesamtwirtschaftlicher Ebene sieht. Interessant auch Hirsch, WuW 1970, S. 99, 110 ff., der das Patentrecht zwar als insgesamt wettbewerbsbeschränkend und innovationshemmend betrachtet, die Alternativen (also die Abschaffung des Patentschutzes) aber als „noch schlimmer“ bezeichnet. 276 Vor diesem Hintergrund erklären sich auch die Äußerungen des EuGH, der sich wiederholt zu der ausdrücklichen Klarstellung veranlasst sah, dass der Inhaber eines Patents oder eines sonstigen Ausschließlichkeitsrechts nicht schon wegen dieser „Sonderstellung“ eine marktbeherrschende Stellung im Sinne des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots einnimmt. Vgl. exemplarisch EuGH vom 29.02.1968, Slg. 1968, S. 86, 112 (Parke Davis/Probel u. a.) (zu Patenten); EuGH vom 08.06.1971, Slg. 1971, S. 487, Leits. 7 (Deutsche Grammophon/Metro) (zum Urheberrecht); EuGH vom 06.04.1995, Slg. 1995, S. I-743, Rn. 46 (RTE & ITP/Kommission („Magill“)) (zum Urheberrecht). 277 Siehe nur Preu, in: Häußer (Hrsg.), S. 239, 249 f. Vgl. auch Meinberg, S. 55. 278 Das Monopol ist eine besonders starke Form der Marktbeherrschung, in welcher das betreffende Unternehmen ohne jegliche Wettbewerber ist. Siehe die Legaldefinition des § 19 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 GWB. Vgl. außerdem de Bronett, in: Wiedemann (Hrsg.), § 22, Rn. 18. 279 Vgl. Heinemann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., GRUR Teil B, Rn. 42 ff.; Bartl, S. 77 ff.; Meinberg, S. 55, 80 ff., 91; Preu, in: Häußer (Hrsg.), S. 239, 249 f.; Busche, Vortrag vom 11.06.2002, S. 11; ders., in: Jahrbuch der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 2001, S. 345, 351 f.

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Teil 2: Grundlagen

ken an.280 In aller Regel ist der für die Bestimmung der Marktverhältnisse relevante sachliche Markt nicht auf die erfindungsgemäßen Erzeugnisse beschränkt.281 Vielmehr werden zumeist andere Produkte bzw. Verfahren auf dem Markt existieren, auf welche die Marktgegenseite ausweichen kann, so dass ein entsprechender Substitutionswettbewerb besteht.282 Nur dort, wo dies – aus welchen Gründen auch immer – nicht der Fall ist,283 kommt dem Patentinhaber auch eine Monopol- oder jedenfalls marktbeherrschende Stellung im hier maßgeblichen, wirtschaftlichen Sinne zu.284 Dass der Patentschutz also nicht per se wettbewerbsbeschränkend wirkt, bedeutet aber nicht, dass die durch das Patentrecht gewährten Ausschließlichkeitsrechte nicht im Einzelfall gleichwohl in den Blickpunkt wettbewerbsrechtlicher Bedenken geraten können.285 Konfliktpotential im Hinblick auf das kartellrechtliche Missbrauchsverbot286 besteht insbesondere dann, wenn marktmächtige Unternehmen das durch das Patentrecht bereitgestellte Schutzsystem zur Ausschaltung oder Einschränkung des Wettbewerbs auszunutzen versuchen; so zum Beispiel, wenn große Unternehmen durch die Anmeldung einer Vielzahl von Patenten (sog. Patenthäufung) darauf abzielen, einen breiten Bereich der Technik allein zu beherrschen. Die von solchen Praktiken ausgehende Marktabschottungswirkung kann durch die Erlangung sog. Vorratsoder Sperrpatente sogar noch intensiviert werden.287 Hierbei handelt es sich um Patente, die nicht in erster Linie dem Schutz eigener Erfindungen dienen, sondern vor allem auf die Unterbindung der Anwendungstätigkeit von Konkurrenten abzielen. Teilweise zu beobachten ist auch die Anmeldung rechtlich überhaupt nicht schutzfähiger Neuerungen, womit die Einschüchterung insbesondere kleinerer Wettbewerber bezweckt wird. Und im Hinblick auf das allgemeine Kartellverbot des Art. 81 EGV 280

Vgl. etwa Meinberg, S. 119 sowie ausführlich unten Teil 4, C.III.1. Vgl. Wolff, S. 132. Ausführlich hierzu außerdem unten Teil 4, C.III.1.b). 282 Siehe Heinemann, ZWeR 2005, S. 198, 202. Bernhardt, S. 26 weist zudem darauf hin, dass sich ein Patent häufig nur auf einen bestimmten Teil innerhalb einer größeren Konstruktion bezieht. Sei z. B. ein Teil einer Spiegelreflexkamera patentiert, so könne diese Kamera dadurch zwar mancherlei Vorzüge aufweisen, gleichwohl sei sie aber nicht der einzig brauchbare Fotoapparat auf dem Markt, so dass weitere Konkurrenz bestehe. 283 Eine solche Situation kann z. B. auftreten bei grundlegenden technischen Neuerungen, die ein Bedürfnis der Nachfrager erstmals und alternativlos befriedigen (sog. Pionier- bzw. Schlüsselpatente), oder bei Einbeziehung eines Patents in einen allgemein anerkannten und verwendeten technischen Standard (hierzu ausführlich unten Teil 4, C.III.1.c)). 284 Vgl. zum Ganzen Bernhardt, S. 25 ff.; Kraft, S. 22 ff., 79; Jones/Sufrin, S. 855; Prahl, S. 137 f.; Bußmann, GRUR 1977, S. 121, 123; Kraßer, S. 45 f.; Kaufer, S. 110, 157 ff.; Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 219; Ullrich, GRUR Int. 1984, S. 89, 91; Pretnar, GRUR Int. 2004, S. 776, 777 f.; Prosi, WuW, 1980, S. 641 ff. 285 Vgl. Preu, in: Häußer (Hrsg.), S. 239, 249 f. 286 Art. 82 EGV; §§ 19, 20 GWB. 287 Hierzu Grefermann u. a., S. 78 f., die in ihrer empirischen Untersuchung aus dem Jahre 1974 unter den insgesamt untersuchten Patenten einen Anteil von 7 % an Vorrats- und einen solchen von 4 % an Sperrpatenten identifizierten. 281

D. Berührungspunkte und Konfliktpotential

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bzw. § 1 GWB können wettbewerbsrechtliche Gefahren auch von sog. Patent- und Technologiegemeinschaften288 ausgehen.289 Weiteres Konfliktpotential kann sich insbesondere im Rahmen der kollektiven Festlegung technischer Standards ergeben, wenn und soweit diese Standards auf technischen Lehren basieren, die ihrerseits patentrechtlichen Ausschließlichkeitsschutz genießen. Die Untersuchung und rechtliche Würdigung der hier häufig auftretenden Problemkonstellationen bildet den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit und wird daher später ausführlich zu behandeln sein.

II. Kollektive Standardsetzung und Wettbewerbsrecht Kollektive Standardsetzung bedeutet die Festlegung gemeinsamer technischer Standards für bestimmte Produkte oder Verfahren.290 Dabei werden die von den einzelnen Mitgliedern der jeweiligen Standardisierungsorganisation eingebrachten technischen Lösungen begutachtet und ausgewertet, bis sich alle Teilnehmer schließlich auf eine bestimmte Lösung einigen und diese zum gemeinsamen Standard erheben. Im Hinblick auf die Gewährleistung eines wirksamen Wettbewerbs durch die Vorschriften des Kartellrechts stößt diese Form der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen zum Teil auf Bedenken.291 Zu beachten ist nämlich, dass mit der Festlegung auf einen gemeinsamen technischen Standard innerhalb einer Standardisierungsorganisation möglicherweise auch der Wettbewerb der Mitglieder um die Entwicklung der technisch besten Lösung endet, so dass ab diesem Zeitpunkt der Innovationswettbewerb zwischen ihnen zum Erliegen kommt.292 Die Einigung auf einen konkreten Standard kann außerdem zu einer Reduzierung der Produktvielfalt und damit einhergehend zu einer Einschränkung der Auswahlmöglichkeit für den Verbraucher führen. Im Hinblick auf den bereits erwähnten

288 Vgl. hierzu ausführlich Europäische Kommission, Technologietransferleitlinien, Abl. C 101 vom 27.04.2004, S. 2. 289 Vgl. zum Ganzen Böck, S. 52 ff.; Kraßer, S. 46 f.; Oppenländer, S. 65 f.; ders., GRUR 1977, S. 362, 369 f.; Prosi, WuW, 1980, S. 641, 644 ff. 290 Hierzu ausführlich oben Teil 2, A.I. 291 Ausführlich Klees, EWS 2008, S. 449 ff. Vgl. auch Loest/Bartlik, ZWeR 2008, S. 41, 45 ff. 292 Freilich entsteht in der Folge ein Wettbewerb auf anderer Ebene, nämlich im Bereich des Preises, des Kundenservice und u. U. des Produktdesigns, um nur einige Beispiele zu nennen. Außerdem bezieht sich der gewählte technische Standard zumeist nur auf Teilbereiche bzw. bestimmte technische Komponenten eines Produkts oder einer Produktgruppe, so dass den Herstellern entsprechender Produkte genügend Spielraum verbleibt, diesen ihre eigene „Note“ zu geben und sie dem Kunden besonders „schmackhaft“ zu machen.

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Teil 2: Grundlagen

hohen Stellenwert, den die Verbraucherwohlfahrt im geltenden Wettbewerbsrecht genießt,293 erscheint dies jedenfalls nicht unproblematisch. Die im Zusammenhang mit privatwirtschaftlichen Standardisierungsbestrebungen getroffenen Abreden können unter gewissen Umständen darüber hinaus als „Vereinbarungen zwischen Unternehmen“, „Beschlüsse einer Unternehmensvereinigung“ oder „aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen“ angesehen werden und aus diesem Grunde dem allgemeinen Kartellverbot des Art. 81 EGV bzw. §§ 1, 2 GWB unterfallen.294 Dementsprechend legt die Europäische Kommission in ihren Horizontalleitlinien auch eine Reihe von Kriterien fest, die beachtet werden müssen, damit eine Standardisierungsvereinbarung nicht gegen Art. 81 Abs. 1 EGV verstößt.295 So heißt es beispielsweise in Randnummer 163 der Horizontalleitlinien, dass Standardisierungsvereinbarungen (nur) dann keine Wettbewerbsbeschränkung darstellen, wenn sie für alle zugänglich und transparent sind und keine Verpflichtung zur Einhaltung eines gemeinsam vereinbarten Standards enthalten. Außerdem muss das Standardisierungsverfahren als solches nach objektiven, nicht-diskriminierenden Regeln ablaufen und der vereinbarte Standard sollte

293

Siehe oben Teil 2, C.III. Vgl. Loest/Bartlik, ZWeR 2008, S. 41, 45 ff. Umfassend Maaßen, S. 156 ff. Dem steht jedenfalls nicht entgegen, dass zu dem Mitgliederkreis einiger Standardisierungsorganisationen auch solche natürlichen oder juristischen Personen zählen (s. o. Teil 2, A.V.), die ihrerseits keine „Unternehmen“ in diesem Sinne sind. Hierzu Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 1 Rn. 75; BKartA vom 20.02.1960, WuW/E BKartA 145, 148 – Doppelstecker. Theoretisch möglich wäre zwar auch, dass es sich bei einzelnen Standardisierungsorganisationen um sog. Gemeinschaftsunternehmen handelt; in diesem Fall wäre vornehmlich an die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle (FKVO bzw. §§ 35 ff. GWB) zu denken. Zu beachten ist aber, dass eine die Anwendung dieser Regeln auslösende Fusion nur dann vorliegt, wenn es sich um ein Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen bzw. ein funktional selbständiges Gemeinschaftsunternehmen handelt, das selbständig am Markt auftritt und nicht bloß Hilfsfunktionen für die dahinter stehenden Gründerunternehmen ausübt. Gem. Art. 3 Abs. 4 FKVO muss das Gemeinschaftsunternehmen auf Dauer alle Funktionen einer selbständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllen. Ausführlich hierzu vgl. Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 1 Rn. 316 ff.; Immenga/Körber, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EGWettbR., Art. 3 FKVO Rn. 105 ff.; Europäische Kommission, Mitt. Vollfunktions-GU, Abl. C 66 vom 02.03.1998, S. 1. Die überwiegende Mehrzahl der Standardisierungsorganisationen im Sinne der oben (Teil 2, A.I.) entwickelten Definition erfüllen diese Voraussetzungen jedoch nicht, so dass auf die Vorschriften der Zusammenschlusskontrolle im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht näher eingegangen wird. 295 Siehe Europäische Kommission, Horizontalleitlinien, Abl. C 3 vom 06.01.2001, S. 2, Rn. 159 ff. Die dort gemachten Ausführungen der Kommission gelten zwar nicht unmittelbar auch für die Anwendung der §§ 1, 2 GWB, doch dürften aufgrund des übereinstimmenden Wortlauts sowie der gleichartigen Zielrichtung der entsprechenden Vorschriften dieselben Grundsätze auch im Rahmen der Anwendung des deutschen Kartellverbots eine wichtige Auslegungshilfe bieten. Dies gilt erst recht nach Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle im Jahre 2005 und dem damit einhergehenden Wegfall der in § 22 GWB a. F. enthaltenen Freistellung für Normen- und Typenkartelle. 294

D. Berührungspunkte und Konfliktpotential

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jedermann zu gerechten, vernünftigen und nicht-diskriminierenden Bedingungen zugänglich sein.296 Nach Randnummer 165 der Horizontalleitlinien ist ein Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EGV hingegen dann anzunehmen, wenn die Standardsetzung nur Teil einer umfassenden, beschränkenden Vereinbarung ist, mit der bestehende oder potentielle Wettbewerber ausgeschlossen werden sollen. Wettbewerbsrechtlichen Bedenken begegnen kollektive Standardisierungsvereinbarungen auch dann, wenn in deren Rahmen den Beteiligten die gemeinsame Kontrolle über Produkte, die Produktion und/ oder Innovation übertragen und ihre Fähigkeit eingeschränkt wird, bei anderen Produktmerkmalen zu konkurrieren; dasselbe gilt, wenn ihnen die Freiheit genommen wird, alternative technische Lösungen zu entwickeln oder sich an konkurrierenden Standardisierungsorganisationen zu beteiligen.297 Kartellrechtlich strenge Maßstäbe sind darüber hinaus an den Informationsaustausch unter den Mitgliedern der jeweiligen Organisation zu stellen. Das Standardisierungsverfahren darf nicht als Forum für den Austausch wettbewerblich relevanter Informationen dienen, die es den Teilnehmern erlauben, ihr Wettbewerbsverhalten aufeinander abzustimmen. Der Informationsaustausch muss vielmehr auf die zur Vereinbarung des Standards unerlässlichen Daten beschränkt werden. Des Weiteren können Standardisierungsprozessen Gefahren der Marktabschottung im Sinne einer Verdrängung von Konkurrenten innewohnen.298 Wettbewerber, die nicht Mitglieder der Standardisierungsorganisation sind und sich daher an der Standardsetzung nicht beteiligen (können), laufen Gefahr, ihre mit dem Standard nicht konformen Produkte nur mit erheblichen Schwierigkeiten vermarkten zu können. Dies wird aufgrund der oben299 beschriebenen Netzwerkeffekte insbesondere bei Kompatibilitätsstandards der Fall sein, da ein mit dem Standard nicht kompatibles Produkt für den Nutzer von nur geringem Wert ist. Als kartellrechtswidrig kann es daher beispielsweise einzustufen sein, wenn die Standardisierungsorganisation bestimmte Marktteilnehmer von der Teilnahme an den Standardisierungsbestrebungen ausschließt. Dies kann entweder offen dadurch geschehen, dass die Mitgliedschaft in der Organisation von vornherein nur einem exklusiven Personenkreis zugänglich ist, oder aber verdeckt, wie zum Beispiel durch die Erhebung überhöhter Mitgliederbeiträge, die insbesondere kleinere Unternehmen offensichtlich nicht in der Lage sind aufzubringen.300 Vor dem Hintergrund der Marktabschottung unterliegen besonders 296 Siehe Europäische Kommission, Horizontalleitlinien, Abl. C 3 vom 06.01.2001, S. 2, Rn. 163, 168, 174. 297 Siehe Europäische Kommission, Horizontalleitlinien, Abl. C 3 vom 06.01.2001, S. 2, Rn. 166, 167. 298 Siehe hierzu Europäische Kommission, Horizontalleitlinien, Abl. C 3 vom 06.01.2001, S. 2, Rn. 168. Vgl. auch Hovenkamp, 48 Bo. Coll. L. Rev. 2007, S. 87, 96 ff. 299 Teil 2, A.II.3. 300 In diesem Zusammenhang ist die Praxis einiger der oben dargestellten Standardisierungsorganisationen bedenklich, unterschiedliche Mitgliederebenen vorzusehen und die Un-

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Teil 2: Grundlagen

solche Standardisierungsorganisationen einer strengen kartellrechtlichen Kontrolle, deren Mitglieder ohnehin bereits über eine gewisse Marktmacht verfügen. Hier kann die Teilnahme vor allem kleinerer Wettbewerber an dem Standardisierungsprozess für diese überlebensnotwendig sein, weil für sie die Marktdurchsetzung einer eigenen Technologie aus alleiniger Kraft so gut wie unmöglich ist.301

III. Standardsetzung und Patentschutz Unverkennbar ist auch das Spannungsverhältnis zwischen der kollektiven Festlegung technischer Standards einerseits sowie dem gesetzlich gewährleisteten Ausschließlichkeitsschutz einzelner technischer Lehren, auf denen ein bestimmter Standard maßgeblich beruht, andererseits. Der Grund hierfür liegt in den unterschiedlichen, geradezu gegensätzlichen Philosophien, denen beide Bereiche folgen: Wähterrichtungs-, Mitsprache- und Mitwirkungsrechte bei der Entwicklung der einzelnen Standards von der jeweiligen Ebene der Mitgliedschaft abhängig zu machen, wenn zugleich die Mitgliedsgebühren je nach Ebene der Mitgliedschaft variieren und ein tatsächlicher Einfluss auf die Standardisierungstätigkeit nur von den Mitgliedern der höchsten Ebene ausgeübt werden kann. Exemplarisch sei hier auf die Trusted Computing Group (TCG) hingewiesen. TCG sieht insgesamt vier verschiedene Mitgliederebenen vor. Auf der untersten Stufe stehen die sog. „Adopter Members“, die allerdings keinerlei Mitspracherechte bei der Entwicklung der Standards haben, sondern lediglich einen – im Vergleich zu Außenstehenden – privilegierten Zugang zu internen Informationen erhalten. Diese Stufe der Mitgliedschaft steht nur Unternehmen mit weniger als 100 Angestellten zur Verfügung und der Jahresbeitrag beläuft sich auf 1.000 US Dollar. Die weiteren Kategorien unterteilen sich in eine zweite Stufe der sog. „Adopter Members“ (zugänglich für Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern und einem Jahresbeitrag von 8.250 US Dollar), „Contributor Members“ (16.500 US Dollar/Jahr) und die „Promoter Members“ (55,000 US Dollar/Jahr). Nur die Mitglieder der obersten Ebene, die „Promoter Members“, haben einen tatsächlichen Einfluss auf die Entwicklung der Standards. (Für weitere Informationen zur Mitgliederstruktur der TCG vgl. die Homepage der Organisation unter: https://www.trustedcomputinggroup.org/join/levels/ (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009); siehe außerdem TCG Bylaws Art. 12.) Beim Blick auf den Jahresbeitrag von 55.000 US Dollar wird schnell deutlich, dass dieser das finanzielle Leistungsvermögen der meisten Interessierten übersteigt und nur von einigen, wirtschaftlich ohnehin starken Unternehmen getragen werden kann. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass insbesondere Unternehmen mit einem breiten Produktportfolio in aller Regel die Mitgliedschaft in nicht nur einer einzigen Standardisierungsorganisation anstreben, sondern einer Vielzahl verschiedener Organisationen angehören müssen, um auf dem Markt insgesamt konkurrenzfähig zu bleiben. In diesem Zusammenhang ungelöst ist auch die Frage, welche Stellung nicht kommerzielle Open Source Entwickler hier einnehmen. Der Entwickler eines Softwareprogramms, welches den Nutzern ohne Gebühr im Internet zur Verfügung gestellt wird, ist von der Teilnahme an der Standardisierungstätigkeit der TCG faktisch ausgeschlossen, weil er selbst einen Jahresbeitrag von 1.000 US Dollar wirtschaftlich nicht wird tragen können. Zu diesen und anderen wettbewerbsrechtlichen Fragen rund um die TCG Koenig/Neumann, WuW 2003, S. 1138; dies., MMR 2003, S. 695; dies., DuD 2004, S. 555; Bechthold, CR 2005, S. 393. 301 Vgl. zum Ganzen Balto, Standard Setting in a Network Economy; Shapiro, in: Dreyfuss/ Zimmermann/First (Hrsg.), S. 81 ff.; Dolmans, 26 Fordham Int. L. J. 2002, S. 163, 170 ff.; Anton/Yao, 64 Ant. L. J. 1995, S. 247 ff., jeweils m.w.N.

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rend technische Standards auf möglichst umfassende Verbreitung und Anwendung abzielen, gewährt das Patent seinem Inhaber das Recht, jeden Dritten von der Benutzung der erfindungsgemäßen Lehre auszuschließen.302 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Einbeziehung patentgeschützter technischer Lehren in den Standardisierungsprozess besonders konfliktträchtig ist.303 Verbietet nämlich nach abgeschlossenem Standardisierungsverfahren der Inhaber eines standard-essentiellen Patents unter Berufung auf sein Ausschließlichkeitsrecht den übrigen an der Standardfestlegung Beteiligten (und/oder außenstehenden Dritten) die Benutzung des auf seiner technischen Lehre basierenden Standards, so macht er damit die Kosten und Mühen des Standardisierungsverfahrens zunichte und verwandelt den ursprünglich auf Allgemeinzugänglichkeit abzielenden Standard in ein proprietäres System.304 In diesem Zusammenhang sind in der jüngeren Vergangenheit vor allem in den USA vermehrt Fälle bekannt geworden, in denen einzelne Standardisierungsbeteiligte versucht haben, sich den Standardisierungsprozess dergestalt zunutze zu machen, dass sie alles daran setzten, ihre eigene – patentgeschützte – Erfindung in einen Standard einzuführen und das Bestehen ihres Schutzrechts erst dann offenlegten, wenn der betreffende Standard endgültig verabschiedet war und teilweise von der Industrie bereits verwendet wurde (sog. „Patent-Ambush“ oder „Patenthinterhalt“).305 Die hinter einem solchen – wettbewerbsrechtlich fragwürdigen – Verhalten stehende Motivation liegt auf der Hand: Die Einbeziehung seiner geschützten Lehre in einen technischen Standard bietet dem Patentinhaber die Aussicht auf eine unverhofft breite Marktdurchsetzung und die damit verbundenen wirtschaftlichen Gewinne. In Anbetracht der vielfach bestehenden, jedenfalls faktischen Verbindlichkeit306

302 Umfassend Verbruggen/Lorincz, GRUR Int. 2002, S. 815 ff. (insbes. S. 820 ff.); Ullrich, GRUR 2007, S. 817 ff.; Kübel, S. 41 ff. Informativ auch Europäische Kommission, Mitt. Gewerbliche Schutzrechte und Normen, KOM (92) 445 endg. vom 27.10.1992. 303 Hierzu ausführlich WIPO, S. 15 ff. Lesenswert auch Zahn, GRUR 1980, S. 157. 304 In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Beteiligung eines Patentinhabers an einem Standardisierungsverfahren und die Einbringung einer patentierten Technologie in einen gemeinsam festgelegten Standard nicht den Verlust der Rechte aus dem Patent zur Folge haben. Auch geht das Schutzrecht nicht etwa auf die jeweilige Standardisierungsorganisation über. Dies ist allgemein anerkannt und gilt für die Fälle der inoffiziellen wie diejenigen der offiziellen Standardsetzung gleichermaßen und hat sogar dann Gültigkeit, wenn die Anwendung eines bestimmten Standards gesetzlich verbindlich vorgeschrieben ist. Vgl. nur RG vom 07.07.1939, RGZ 161, S. 385, 387 („Schmiernippel“). Ebenso BGH vom 16.12.1952, BGHZ 8, S. 202, 209 („Kabelkennstreifen“), der im Zusammenhang mit einem Warenzeichen ausdrücklich klarstellt, dass die bloße Zustimmung des Zeicheninhabers zur Fassung einer DIN-Norm nicht zu einem Verlust der Rechte aus dem Warenzeichen führt. Umfassend außerdem Maaßen, S. 180 ff. 305 Hierzu unten Teil 4, A. 306 Hierzu im Detail oben Teil 2, A.IV.

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Teil 2: Grundlagen

technischer Standards wird sich der Patentinhaber regelmäßig einer steigenden Nachfrage ausgesetzt sehen.307 Dadurch, dass der Erfinder der zum Standard erhobenen technischen Lösung hieran ein ausschließliches Verwertungsrecht in Form eines Patents innehat, beschert ihm der Standard nicht nur ein größeres Nachfrageinteresse an dem patentierten Gegenstand selbst, sondern er hat darüber hinaus auch noch das exklusive Recht, diese Nachfrage zu befriedigen. Er hat es in der Hand, den betreffenden Gegenstand entweder ganz allein zu vermarkten oder ausgewählten Dritten die Vermarktung gegen Zahlung von – im Zweifel überhöhten – Lizenzgebühren ebenfalls zu gestatten. In beiden Fällen ist das mit dem Standardisierungsverfahren ursprünglich verfolgte Ziel der Allgemeinzugänglichkeit der technischen Spezifikation infolge des durch das Patentrecht gewährten Ausschließlichkeitsschutzes aber real gefährdet. Das Patentrecht erweist sich damit für den „skrupellosen“ Erfinder als willkommene Möglichkeit, den Standardisierungsprozess zu seinem eigenen Nutzen zu pervertieren. Wo die rechtlichen – insbesondere die wettbewerbsrechtlichen – Grenzen eines solchen Verhaltens liegen und welche Möglichkeiten von Seiten der Standardisierungsbeteiligten sowie Dritter bestehen, sich hiergegen zur Wehr zu setzen, wird im weiteren Verlaufe der Arbeit ausführlich untersucht.

IV. Zusammenschau: Technische Standards, Patente und Wettbewerb – patent- und wettbewerbsrechtliche Implikationen kollektiver Standardisierungsbestrebungen mit immaterialgüterrechtlichem Bezug Wie dargelegt, steht der Ausschließlichkeitscharakter des Patentschutzes den kollektiven Interessen der Standardisierungsbeteiligten sowie der späteren Anwender eines Standards diametral gegenüber. Während letztere auf möglichst ausgedehnte Verbreitung und Anwendung des Standards gerichtet sind, besteht auf Seiten des Patentinhabers die Gefahr, dass dieser sich von seinen individuellen Verwertungsinteressen leiten lässt und versucht, auf Kosten der übrigen Standardisierungsbeteiligten seinen eigenen Gewinn zu maximieren. Dies kann etwa dadurch geschehen, dass er die Lizenzvergabe insgesamt verweigert, um sich so die alleinige Vermarktung der patentierten und standardisierten technischen Lehre vorzubehalten. Möglich ist aber auch die Forderung unangemessen hoher Lizenzgebühren, wodurch die Anwendung und Verbreitung des Standards faktisch ebenfalls verhindert oder jedenfalls spürbar eingeschränkt werden kann.

307 Lesenswert Maaßen, S. 81, der auf folgendes Zitat der Siemens AG verweist: „Für den Patentinhaber ist so ein Patent, das von den anderen Marktteilnehmern bei standardgemäßen Realisierungen zwangsläufig benutzt werden muss, quasi eine Garantie für kommenden Geldregen.“

D. Berührungspunkte und Konfliktpotential

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Insbesondere im Bereich der Hochtechnologie besteht aufgrund der hohen Innovationsrate und der damit einhergehenden besonderen Patentdichte ein nicht unerhebliches Konfliktpotential. Sobald nämlich der Inhalt eines Standards in den Schutzbereich eines Patents fällt und eine Anwendung des Standards ohne Rückgriff auf die geschützte Lehre technisch nicht möglich ist, – man spricht dann von einem sog. „standard-essentiellen Patent“308 – hat der Inhaber dieses Patents es in der Hand, durch Anwendung der soeben beschriebenen Taktiken die Nutzung und Verbreitung des Standards zu blockieren oder jedenfalls erheblich zu behindern. Wettbewerbsrechtlich erscheint eine solche Vorgehensweise vor allem dann problematisch, wenn der Patentinhaber die von ihm gehaltenen oder angemeldeten Patente während des Standardisierungsverfahrens bewusst verschweigt und sie erst dann offenlegt, wenn der Standard bereits endgültig verabschiedet ist und sich am Markt durchgesetzt hat. 1. IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen Diesem Spannungsverhältnis versuchen die meisten Standardisierungsorganisationen mit Hilfe eigens hierfür entwickelter IP-Regeln (auch „IPR-Policies“ genannt) zu begegnen.309 Hierbei handelt es sich um interne Regeln zum Umgang mit Patenten und anderen Immaterialgüterrechten im Rahmen der Standardisierungstätigkeit, deren Ziel es ist, die widerstreitenden Interessen einem möglichst fairen Ausgleich zuzuführen. Das bedeutet im Einzelnen, dass neben den Rechten der Patentinhaber, die frei über ihr Schutzrecht verfügen und dies auch wirtschaftlich verwerten möchten, auch die Interessen derjenigen zu berücksichtigen sind, die standardgemäße Produkte zu tragbaren Konditionen produzieren und vertreiben möchten (= Anwender des Standards). Darüber hinaus spielt das Interesse der Kunden eine Rolle, denn diese sol308 Gebräuchlich ist auch die Bezeichnung als „normnotwendiges“ oder „wesentliches“ Patent. Dem gegenüber stehen Patente, die zwar ebenfalls Eingang in den Standard gefunden haben, für dessen Anwendung aber nicht zwingend erforderlich sind, entweder weil es entsprechende Substitute gibt oder weil der Standard auch ohne die konkrete Lehre zur Anwendung gelangen kann. Vgl. ETSI IPR-Policy, Art. 15.6; Bekkers/Iversen/Blind, unter 2.1; Verbruggen/Lorincz, GRUR Int. 2002, S. 815, 820; Ullrich, GRUR 2007, S. 817, 821 (Fn. 50). Eine Definition standard-essentieller Patent enthält beispielsweise die ETSI IPR-Policy; dort heißt es in Art. 15.6: „,ESSENTIALÐ as applied to IPR means that it is not possible on technical (but not commercial) grounds, taking into account normal technical practice and the state of the art generally available at the time of standardization, to make, sell, lease, otherwise dispose of, repair, use or operate EQUIPMENT or METHODSs which comply with a STANDARD without infringing that IPR.“ Dieselbe Begriffsbestimmung wird auch sonst allgemein verwendet, vgl. etwa Bekkers/ Iversen/Blind, unter 2.1; Verbruggen/Lorincz, GRUR Int. 2002, S. 815, 820; Ullrich, GRUR 2007, S. 817, 821 (Fn. 50); Rahnasto, S. 188. Zur Struktur und Entwicklung standard-essentieller Patente ausführlich Nagoka/Shimbo/Tsukada, S. 1 ff. 309 „IPR“ steht für Intellectual Property Rights, also geistige Eigentumsrechte.

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Teil 2: Grundlagen

len als künftige Nutznießer des Standards nicht unnötig an eine bestimmte proprietäre Technologieplattform gebunden werden. Schließlich hat die Standardisierungsorganisation selbst ein Interesse an der ungehinderten Nutzung der von ihr festgelegten Standards und an der Vermeidung überflüssigen Zeit-, Arbeits- und Geldaufwands, der dadurch entsteht, dass der Standard im Anschluss an seine Veröffentlichung von einem bestimmten standard-essentiellen Patent blockiert und damit nicht angewendet werden kann. Vor diesem Hintergrund sehen die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen regelmäßig zweierlei vor: Zunächst sind die Mitglieder angehalten, etwa von ihnen gehaltene Patente in Bezug auf den zu entwickelnden Standard möglichst frühzeitig offenzulegen. Im Anschluss an diese Offenlegung werden sie darüber hinaus aufgefordert, sich für den Fall der Einbeziehung gerade ihrer geschützten Lehre in den gemeinsamen Standard zur Erteilung von Lizenzen zu fairen, angemessenen und nichtdiskriminierenden (fair, reasonable and non-discriminatory – FRAND) Bedingungen bereit zu erklären.310 Diese sog. FRAND-Erklärung ist das Herzstück einer jeden IPR-Policy und ist über das beschriebene Bestreben der jeweiligen Standardisierungsorganisation hinaus, einen gerechten Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen herbeizuführen, nicht zuletzt kartellrechtlichen Vorgaben geschuldet. Denn wie oben aufgezeigt, laufen Standardisierungsvereinbarungen im Einzelfall Gefahr, als „Vereinbarung zwischen Unternehmen“, „Beschluss einer Unternehmensvereinigung“ oder „aufeinander abgestimmte Verhaltensweise“ nach Art. 81 Abs. 1 EGV bzw. § 1 GWB qualifiziert zu werden, die (bzw. der) unter Umständen geeignet ist, Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne dieser Vorschriften zu bezwecken oder zu bewirken und dann verboten wäre.311 Zu den Voraussetzungen, welche die Europäische Kommission in ihren Horizontalleitlinien für eine Vermeidung dieses Verbotes insbesondere dann aufstellt, wenn die an dem Standardisierungsverfahren Beteiligten ohnehin über eine besondere Machtposition auf den betroffenen Märkten verfügen, gehört es unter anderem, dass die jeweilige Organisation Vorkehrungen trifft, um sicherzustellen, dass der Zugang zu dem konkreten Standard Dritten zu „gerechten, vernünftigen und nicht-diskriminierenden“ Bedingungen offensteht.312 . . . 310 Zu diesen beiden Kernbestandteilen der IPR-Policies ausführlich unten Teil 3, B. Eine ausführliche Beschreibung der wesentlichen Bestandteile regelmäßig verwendeter IP-Regeln findet sich auch bei WIPO, S. 19 ff. 311 Siehe Nachweise oben Fn. 294. 312 Siehe Europäische Kommission, Horizontalleitlinien, Abl. C 3 vom 06.01.2001, S. 2, Rn. 168, 174 f. Vgl. auch Europäische Kommission, Mitt. Gewerbliche Schutzrechte und Normen, KOM (92) 445 endg. vom 27.10.1992, Rn. 4.3.3.

D. Berührungspunkte und Konfliktpotential

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Aufgrund der weitgehenden Übereinstimmung der entsprechenden Vorschriften auf deutscher und europäischer Ebene können diese von der Europäischen Kommission für den Bereich des Art. 81 EGV festgelegten Kriterien auch für die Anwendung und Auslegung des §§ 1, 2 GWB herangezogen werden.313 Mithin handelt es sich bei der in den IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen enthaltenen FRAND-Verpflichtung jedenfalls auch um eine Vorkehrung, dem Kartellverbot des Art. 81 Abs. 1 EGV bzw. des § 1 GWB mit seiner allgemeinen Nichtigkeitsfolge314 zu entgehen. Es ist jedoch zweifelhaft, ob die von den Standardisierungsorganisationen in ihren Statuten regelmäßig festgeschriebene FRAND-Verpflichtung in der Praxis tatsächlich geeignet ist, einerseits den beabsichtigten Interessenausgleich herbeizuführen und das Blockieren eines gemeinsam festgelegten Standards zu verhindern, und andererseits sicherzustellen, dass – wie von den Kartellbehörden verlangt – die Anwendung des Standards tatsächlich jedermann zu angemessenen Bedingungen offensteht. Diese Zweifel resultieren zum einen aus der Unklarheit im Hinblick auf die exakte rechtliche Einordnung dieser FRAND-Lizenzierungsverpflichtung. So wird in der Literatur zum Teil die Ansicht vertreten, es handele sich hierbei um keine echte Vertragspflicht, sondern um eine bloße Obliegenheit oder unverbindliche Selbstverpflichtung des Patentinhabers, die nicht selbständig einklagbar und deren Wirkungskraft daher im Allgemeinen erheblich reduziert ist.315

313 Unter Verweis auf die Regierungsbegründung zur 7. GWB Novelle 2004 (BT-Drucks. 15/3640, S. 26 f.) ebenso Bachmann, S. 148. Zwar ist der im Regierungsentwurf als § 23 GWB vorgesehene Grundsatz der europafreundlichen Auslegung des deutschen Kartellrechts nicht ausdrücklich ins Gesetz aufgenommen worden. Nach dem Willen des Regierungsentwurfs sollte die Vorschrift folgenden Wortlaut haben: „Die Grundsätze des europäischen Wettbewerbsrechts sind bei der Auslegung der §§ 1 bis 4 und 19 maßgeblich zu Grunde zu legen, soweit hierzu nicht in diesem Gesetz besondere Regelungen enthalten sind.“ Auch besteht rein rechtlich keine Bindung der nationalen Wettbewerbsbehörden an Leitlinien und Bekanntmachungen der Europäischen Kommission; dies gilt bereits für die Anwendung europäischen Wettbewerbsrechts und somit erst recht für die Anwendung der nationalen kartellrechtlichen Bestimmungen. Aufgrund der weitgehend übereinstimmenden Vorschriften auf europäischer und deutscher Ebene sowie der inhaltlich nahezu identischen gesetzgeberischen Zielsetzungen lassen sich die deutschen Behörden im Rahmen der Auslegung der jeweiligen Vorschriften aber regelmäßig maßgeblich von den durch die Europäische Kommission in ihren Leitlinien und Bekanntmachungen aufgestellten Grundsätzen leiten. Vgl. zum Ganzen ausführlich Pampel, EuZW 2005, S. 11 ff.; Schweda, WuW 2004, S. 1133 ff. Lesenswert auch Braun, in: Langen/Bunte, GWB, nach § 2 Rn. 160, 162, 6 ff.; Rehbinder, in: Immenga/ Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 22 Rn. 3. 314 Eine gegen die entsprechenden Vorschriften verstoßende Vereinbarung ist ipso iure nichtig. Das ergibt sich im Hinblick auf die europäische Regelung unmittelbar aus dem Wortlaut des Art. 81 Abs. 2 EGV; für das deutsche Recht ist die Vorschrift des § 134 BGB maßgeblich. 315 Siehe etwa Ullrich, GRUR 2007, S. 817, 822, 826; Loest/Bartlik, ZWeR 2008, S. 41, 49. A. A. dagegen (zu Recht) Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S. 17.

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Teil 2: Grundlagen

Fraglich ist zum anderen der genaue Bedeutungsgehalt der Begriffe „fair“, „angemessen“ und „nicht-diskriminierend“, die in keiner der einschlägigen IPR-Policies näher konkretisiert werden. So herrscht in Standardisierungskreisen sowie in der entsprechenden Fachliteratur insgesamt große Unsicherheit darüber, wie diese Vorgaben im Einzelnen auszulegen sind. Eine diesbezügliche Klarstellung scheint daher dringend geboten. Diese und andere Fragen werden im nachfolgenden Teil 3 ausführlich behandelt. 2. Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht Im sich anschließenden Teil 4 wird der Frage nachgegangen, ob der Inhaber eines standard-essentiellen Patents auch dann gezwungen werden kann, Lizenzen an einem von ihm gehaltenen und zur Anwendung eines bestimmten Standards erforderlichen Patent zu erteilen, wenn es zur Abgabe der beschriebenen FRAND-Erklärung im Vorfeld der Standardfestlegung gerade nicht gekommen ist. Der Schwerpunkt wird darin bestehen, die hierzulande geltenden Vorschriften des Wettbewerbs- und Patentrechts auf entsprechende Möglichkeiten zur zwangsweisen Lizenzierung zu untersuchen. Besondere Aufmerksamkeit wird in diesem Zusammenhang dem bereits erwähnten316 Szenario eines sog. „Patent-Ambush“ (Patenthinterhalt) gewidmet, das in der jüngeren Vergangenheit insbesondere die US-amerikanischen Wettbewerbsbehörden wiederholt beschäftigt hat und den Fall der missbräuchlichen Ausnutzung des Standardisierungsprozesses durch das gezielte Verschweigen von Patenten bzw. Patentanmeldungen betrifft.317 Dabei legen einzelne Mitglieder von Standardisierungsorganisationen ihre für den Standard wesentlichen Patente ganz bewusst erst dann offen, wenn der Standard endgültig verabschiedet und eine Umgestaltung nicht mehr möglich ist, um sich auf diese Weise entweder die alleinige Vermarktung des Standards vorzubehalten oder ihre patentrechtliche Ausschließlichkeitsstellung als Druckmittel zur Durchsetzung überhöhter Lizenzgebühren zu verwenden. Wettbewerbsrechtlich ist dieses Verhalten deshalb in besonderem Maße anstößig, weil der Patentinhaber durch die verspätete Offenlegung in der Lage ist, eine Monopolmacht an dem entsprechenden Standard zu begründen, die daraus resultiert, dass eine Verwendung des Standards ohne Rückgriff auf sein Patent nicht möglich ist. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Patentschutzes ist diese Situation darüber hinaus auch rechtspolitisch nicht erstrebenswert, weil sie es dem Patentinhaber ermöglicht, eine Wertschöpfung an sich zu ziehen, die sich nicht aus der der geschützten Erfindung zugrundeliegenden schöpferischen Leistung ergibt (Beloh-

316

Teil 2, D.III. Zur wettbewerbsrechtlichen Behandlung eines sog. Patenthinterhalts im US-amerikanischen Wettbewerbsrecht ausführlich Cotter, S. 41 ff. 317

D. Berührungspunkte und Konfliktpotential

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nungstheorie, s. o.)318, sondern maßgeblich erst durch deren Einbeziehung in den Standard geschaffen wurde. Gestützt auf das im US-amerikanischen Kartellrecht geltende Verbot der vorsätzlichen Monopolisierung eines Marktes gem. Sec. 2 Sherman Act hat die amerikanische Federal Trade Commission (FTC) dieses Verhalten unter dem Gesichtspunkt eines sog. „exclusionary conduct“,319 also eines ausschließenden Verhaltens, wiederholt für wettbewerbsrechtlich unzulässig erklärt und die entsprechenden Unternehmen zur zwangsweisen Lizenzierung ihrer Patente verpflichtet. Weder das europäische noch das deutsche Kartellrecht kennt indes ein solches Monopolisierungsverbot nach amerikanischem Vorbild. Es stellt sich daher die Frage, wie ein entsprechendes Verhalten hierzulande rechtlich zu bewerten ist und ob die uns zur Verfügung stehenden gesetzlichen Vorschriften Mittel bereithalten, um einen „hinterhältigen“ Standardisierungsteilnehmer zur Lizenzerteilung zu zwingen. Diese Frage hat in jüngster Zeit besondere Relevanz dadurch erlangt, dass sich seit Mitte 2007 auch die Europäische Kommission in einem förmlichen Missbrauchsverfahren gegen den Chiphersteller Rambus erstmals mit der Thematik des Patenthinterhalts beschäftigt.320 Die von der Europäischen Kommission in Betracht gezogene Anwendung des Art. 82 EGV auf diesen Fall erscheint aufgrund der an den Missbrauchsbegriff zu stellenden strengen Anforderungen sowie der Voraussetzung einer Marktbeherrschung bereits im Zeitpunkt des fraglichen Verhaltens aber jedenfalls nicht unproblematisch.321 Dasselbe gilt für die Anwendung der §§ 19, 20 GWB. Im Rahmen des 4. Teils werden daher die jeweiligen Voraussetzungen der sowohl auf patent- wie auf kartellrechtlicher Ebene grundsätzlich bestehenden Möglichkeiten der Auferlegung von Zwangslizenzen zunächst allgemein untersucht; anschließend wird deren Vorliegen im dargelegten, besonderen Kontext der kollektiven Festlegung technischer Standards hinterfragt.

318

Zur Belohnungstheorie oben Teil 2, B.II. Vgl. hierzu Sec. 5 FTC Act. 320 Vgl. Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 23.08.2007, MEMO/07/330. Eine abschließende Entscheidung über das Vorliegen eines Missbrauchs ist bislang nicht ergangen. Die Europäische Kommission prüft aktuell, ob es bestimmte, von Rambus eingegangene Verpflichtungszusagen für bindend erklären und damit das Missbrauchsverfahren offiziell beenden kann, ohne ein endgültiges Urteil über die Verwirklichung des Missbrauchstatbestandes fällen zu müssen. Siehe hierzu Europäische Kommission, Bekanntmachung vom 12.06.2009, Abl. C 133 vom 12.06.2009, S. 16. 321 Vgl. Immenga, GRUR 2007, S. 302, 303. 319

Teil 3

Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen Wie erwähnt, verfügt die überwiegende Mehrzahl der Standardisierungsorganisationen über interne Regeln zum Umgang mit Patenten und anderen Immaterialgüterrechten im Rahmen der Standardisierungsarbeit.1 Diese, von den unterschiedlichen Organisationen „IPR-Policy“2, „Patent-Policy“3 oder auch „Code of Conduct in Patent Matters“4 genannten Regelwerke werden im Folgenden zusammenfassend als „IP-Regeln“ oder „IPR-Policy“ bezeichnet.5 Dabei sprechen einige Organisationen in ihren IP-Regeln ganz allgemein von geistigen Eigentumsrechten, worunter dann neben Patenten vor allem auch Urheberrechte, Warenzeichen und Gebrauchsmuster fallen können,6 während andere sich ausschließlich auf Patente beziehen.7 Ungeachtet dieser Unterschiede kommt hinsichtlich der im Blickpunkt der vorliegenden Arbeit stehenden kollektiven Entwicklung technischer Standards dem Umgang mit Patenten die weitaus größte Bedeutung zu. Nur auf diese – die Patente – wird daher nachfolgend näher eingegangen. Die Aufgabe des vorliegenden 3. Teils ist es, die Kernbestandteile regelmäßig verwendeter IP-Regeln genau zu untersuchen und einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Hierbei wird zunächst die auf Seiten der Standardisierungsorganisationen zum Erlass solcher IPR-Policies führende Motivation herausgearbeitet und ein Überblick über die entsprechenden Regelwerke gegeben (dazu unten A. und B.). Sodann werden die einzelnen Bestandteile auf ihren jeweiligen Bedeutungsgehalt überprüft, wobei insbesondere der Versuch unternommen wird, in Anlehnung an bestehende gesetzliche Vorschriften des Kartell- und Patentrechts eine entsprechende – dringend erforderliche – Konkretisierung vorzunehmen (dazu unten C.).

1 Vgl. hierzu die von Mark A. Lemley im Jahre 2002 durchgeführte Studie „Intellectual Property Rights and Standard-Setting Organizations“, 90 Cal. L. Rev. 2002, S. 1889. 2 Bei ETSI. 3 Bei ISO/IEC und W3C. 4 Bei ECMA. 5 Zur Frage der Rechtsnatur dieser Regelwerke siehe Maaßen, S. 264 ff. 6 So z. B. die IPR-Policies von ETSI, CEN/CENELEC und TCG. 7 Siehe hierzu etwa die IPR-Policies von ISO/IEC, VITA und W3C, wo jeweils nur von Patenten („patents“) die Rede ist.

A. Interessenlage

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A. Interessenlage Wie bereits dargelegt, ist der Erlass von IP-Regeln durch die Standardisierungsorganisationen zum einen dem Bestreben geschuldet, die unterschiedlichen Interessen der an der Standardsetzung Beteiligten bzw. der davon mittelbar Betroffenen einem gerechten Ausgleich zuzuführen.8 Zugleich soll einem Verstoß gegen das allgemeine Kartellverbot des Art. 81 Abs. 1 EGV bzw. § 1 GWB vorgebeugt werden, der dann droht, wenn der Standard infolge von etwa bestehenden Patentrechten Einzelner nicht jedermann zu vernünftigen Bedingungen zugänglich ist.9 Für die an der Festlegung des gemeinsamen Standards Beteiligten von besonderer Bedeutung ist darüber hinaus die Vermeidung eines sog. „Hold-Up“.10 Hiermit ist eine Situation gemeint, in der einzelne, für die Anwendung des jeweiligen Standards essentielle Patente zunächst unentdeckt bleiben und erst gegen Ende oder nach Abschluss des Verfahrens offen zutage treten;11 aufgrund des patentrechtlichen Ausschließlichkeitsschutzes besteht in diesem Falle die Gefahr, dass die weitere Entwicklung oder die gemeinsame Vermarktung des Standards aufgehalten oder gar insgesamt verhindert wird, wenn und weil der Patentinhaber nicht bereit ist, den anderen die Nutzung seiner geschützten Lehre (zu angemessenen Bedingungen) zu gestatten.12 Ein solcher Hold-Up kann zum einen Folge eines bloßen „Übersehens“ standardessentieller Patente im Vorfeld der Standardfestlegung sein. Er kann zum anderen das Ergebnis eines bewussten und zielgerichteten Verschweigens der betreffenden Schutzrechte durch ihren Inhaber sein; in diesem Fall spricht man von einem sog. Patenthinterhalt („Patent-Ambush“).13 In beiden Fällen ist die verspätete Identifizierung 8

Vgl. etwa ETSI IPR-Policy, Art. 3.1, wo es insoweit einführend heißt: „It is ETSIÏs objective to create STANDARDS and TECHNICAL SPECIFICATIONS that are based on solutions which best meet the technical objectives of the European telecommunications sector, as defined by the General Assembly. In order to further this objective the ETSI IPR-POLICY seeks to reduce the risk to ETSI, MEMBERS, and others applying ETSI STANDARDS and TECHNICAL SPECIFICATIONS, that investment in the preparation, adoption and application of STANDARDS could be wasted as a result of an ESSENTIAL IPR for a STANDARD or TECHNICAL SPECIFICATION being unavailable. In achieving this objective, the ETSI IPR-POLICY seeks a balance between the needs of standardization for public use in t h e f i e l d o f t e l e c o m m u n i c a t i o n s a n d t h e r i g h t s o f t h e o w n e r s o f I P R s .“ 9 Hierzu bereits oben Teil 2, D.IV.1. 10 Vgl. etwa Miller, 40 Ind. L. Rev. 2007, S. 351 ff., der auf S. 378 davon spricht, dass die Vermeidung von Hold-Up die Hauptaufgabe („core function“) der IPR-Policy einer jeden Standardisierungsorganisation ist. 11 Weil diese Patente plötzlich wie ein U-Boot aus dem Nichts auftauchen, werden sie auch als „submarine patents“ bzw. „U-Boot-Patente“ bezeichnet. Vgl. z. B. Verbruggen/Lorincz, GRUR Int. 2002, S. 815, 823. 12 Umfassend hierzu Lemley/Shapiro, 85 Texas L. Rev. 2007, S. 1991 ff.; Lemley, 48 Bo. Coll. L. Rev. 2007, S. 149 ff.; Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S. 19 ff.; Ohana/Hansen/Shah, ECLR 2003, S. 644, 645. 13 Siehe bereits oben (Teil 2, D.III.); ausführlich außerdem unten (Teil 4, A.).

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

der zur Anwendung des gemeinsamen Standards wesentlichen Patente für die an dem Standardisierungsverfahren Beteiligten gleichermaßen ärgerlich und kostspielig, da die Mühen und Kosten der Standardisierungsarbeit unter Umständen vergeblich waren, wenn ihnen aufgrund des patentrechtlichen Ausschließlichkeitsrechts die spätere Verwendung des Standards nicht möglich ist. Die unterbliebene Identifizierung standard-essentieller Patente im Vorfeld der Standardfestlegung kann darüber hinaus negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsstruktur der von dem Standard betroffenen Produkt- bzw. Verfahrensmärkte haben.14 Eine Einschränkung des Wettbewerbs droht beispielsweise dann, wenn der Patentinhaber unter Ausnutzung seines gesetzlichen Ausschließlichkeitsrechts eine wirtschaftliche Monopolstellung erlangt und seine Produkte bzw. Verfahren anschließend zu unangemessen hohen Preisen anbietet, die sich letztlich zum Nachteil der Verbraucher auswirken.15 Das Verschweigen von Patenten im Rahmen des Standardisierungsprozesses kann zudem dazu führen, dass möglicherweise alternative Technologien künstlich außer Acht gelassen werden und so der Wettbewerbsprozess verzerrt wird.16 Vor diesem Hintergrund hat beispielsweise die Europäische Kommission wiederholt auf die Bedeutung hingewiesen, die den hier besprochenen IP-Regeln im Hinblick auf den Schutz des Wettbewerbs zukommt.17 Nicht zu vernachlässigen sind außerdem die „sozialen“ Kosten, die den Anwendern eines Standards und schließlich der Gesellschaft im Ganzen entstehen können, wenn die Einführung eines bestimmten Standards dadurch verzögert wird, dass nach verspätetem Bekanntwerden wesentlicher Patente eine nachträgliche Umgestaltung einzelner Bestandteile des Standards erforderlich wird. Nach Teece/Sherry lassen sich diese „sozialen“ Kosten ökonomisch wie folgt darstellen:18 Wenn in einer bestimmten Industrie, in welcher der Zyklus für die Einführung neuer Produkte regelmäßig drei Jahre beträgt, die Veröffentlichung eines Standards der neuen Generation aufgrund von Hold-Up um sechs Monate verzögert wird, so hat dies zur Folge, dass der Gesellschaft insgesamt ein Sechstel desjenigen Gewinns vorenthalten wird, welcher ihr aus der Einführung des neuen Standards entstanden wäre.19 Führt man sich vor Augen, dass in vielen Bereichen der Technik ein neu eingeführtes Produkt bzw. ein neu eingeführter Standard gegenüber der Vorgängerversion eine fünfzig- bis sechzigprozentige Verbesserung bzw. Leistungssteigerung mit sich bringt, so liegen die mit dem Hold-Up verbundenen Nachteile für die Anwender des Standards auf der Hand; ökonomisch betrachtet belaufen sie sich im gegebenen Beispiel auf acht bis 16 Prozent des Wertes der entsprechenden Produktgruppe. 14

Einzelheiten zur Marktabgrenzung unten Teil 4, C.III.1.a). Zur Bedeutung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbsrecht siehe oben Teil 2, C.III. 16 Vgl. Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 12.12.2005, IP/05/1565. 17 Siehe nur Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 12.12.2005, IP/05/1565. 18 Teece/Sherry, 87 Minn. L. Rev. 2003, S. 1913, 1975 f. 19 Dieser Wert ergibt sich, wenn man den Drei-Jahres Produktzyklus durch die sechsmonatige Verzögerung dividiert. 15

B. Kernbestandteile regelmäßig wiederkehrender IP-Regeln

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B. Kernbestandteile regelmäßig wiederkehrender IP-Regeln Die auf den ersten Blick naheliegendste und einfachste Möglichkeit, die oben beschriebenen Probleme des Hold-Up sowie eines Verstoßes gegen das Kartellverbot des Art. 81 EGV bzw. §§ 1, 2 GWB zu vermeiden, wäre es, patentgeschützte Lehren ganz grundsätzlich aus der Standardisierungsarbeit zu verbannen und nur solche Standards zu verabschieden, die gerade keine immaterialgüterrechtlich geschützten Lehren enthalten.20 Eine solche Vorgehensweise ist in der Praxis jedoch nicht durchführbar. Denn gerade im Technologiesektor existieren kaum technische Lösungen, die nicht in der einen oder anderen Form Patent- (oder sonstigen Immaterialgüter)Schutz genießen. Gerade die innovativsten und zukunftsträchtigsten Lösungen sind so gut wie stets immaterialgüterrechtlich geschützt.21 Entschiede sich eine Standardisierungsorganisation, bei der Festlegung ihrer Standards gänzlich auf die Einbeziehung patentgeschützter Lehren zu verzichten, so bestünde die Gefahr, dass diese Standards nicht den Anforderungen der Anwender entsprechen und daher auf dem Markt nicht diejenige Akzeptanz finden, um derentwillen der Standardisierungsprozess überhaupt eingeleitet wurde. Der Rückgriff auf patentgeschützte technische Lehren ist aus Sicht der Standardisierungsorganisationen daher oftmals unvermeidbar.22 Das gilt insbesondere dann, wenn es um die Herstellung von Kompatibilität mit bereits bestehenden Produkten oder Verfahren geht, die ihrerseits unter Patentschutz stehen.23 Alle im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Standardisierungsorganisationen haben daher IP-Regeln erlassen, die den Umgang mit Patenten während des Standardisierungsverfahrens regeln sollen.24 Wenngleich die Ausgestaltung der jeweiligen 20 In diesem Sinne sieht beispielsweise das DIN in seinen Verfahrensgrundsätzen folgende Regelung vor: „Normen sollten sich nicht auf Gegenstände erstrecken, auf denen Schutzrechte ruhen. Ist es in Ausnahmefällen nicht vermeidbar, dass bestehende Schutzrechte von einer Norm berührt werden, so ist mit den Berechtigten eine Vereinbarung zu treffen, die mit dem Allgemeininteresse in Einklang steht, z. B. die Vergabe von Lizenzen unter angemessenen Bedingungen.“ (E DIN 820-1: 2007-11, Art. 7.9.) 21 Lesenswert Bekkers/Liotard, EIPR 1999, S. 110, 123, die darauf hinweisen, dass allein der von ETSI festgelegte Standard zum Betrieb des GSM-Mobilfunknetzes auf nicht weniger als 132 verschiedenen Schutzrechten beruht. Auch Bechthold, GRUR Int. 2008, S. 484, 486, hebt hervor, dass bestimmte Technologiestandards auf hunderten oder gar tausenden von Patenten aufbauen. 22 Vgl. Kübel, S. 363. Der vom DIN in seinen Verfahrensgrundsätzen bezeichnete „unvermeidbare Ausnahmefall“ wird jedenfalls im Rahmen der Erarbeitung von Standards im Technologiebereich daher rein tatsächlich wohl eher die Regel sein. Ebenso Verbruggen/Lorincz, GRUR Int. 2002, S. 815, 824. 23 Ausführlich Maaßen, S. 271 f. 24 Vgl. auch Lemley, 90 Cal. L. Rev. 2002, S. 1889, der in einer großangelegten Studie insgesamt 43 verschiedene Standardisierungsorganisationen auf dem Gebiet der Telekommunikations- und Computerindustrie in den USA und weltweit untersuchte und zu dem Ergebnis kam, dass die weit überwiegende Zahl (nämlich insgesamt 36) dieser Organisationen über eine entsprechende IPR-Policy verfügt(e).

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

Statuten im Detail so unterschiedlich und vielfältig ist wie die Zielrichtungen und Arbeitsweisen der Organisationen selbst,25 so sind sie sich in ihren Grundzügen aber sehr ähnlich.26 Dies überrascht nicht, ist doch die oben dargelegte Motivation für den Erlass von IPR-Policies – also insbesondere die Vermeidung eines Hold-Up und die Beachtung der Vorschriften des Kartellrechts – bei sämtlichen Standardisierungsorganisationen dieselbe. Alle Organisationen sehen in der einen oder anderen Form jedenfalls zweierlei vor: Erstens sind alle an einem Standardisierungsprozess Beteiligten dazu verpflichtet, etwa von ihnen gehaltene, standard-essentielle Schutzrechte möglichst frühzeitig offenzulegen. Nach erfolgter Offenlegung wird von ihnen zweitens verlangt, sich zur Lizenzvergabe an jeden interessierten Anwender des Standards zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden (fair, reasonable and non-discriminatory – FRAND) Bedingungen bereit zu erklären. Diese beiden Kernbestandteile regelmäßig wiederkehrender IP-Regeln werden im Folgenden am Beispiel einiger ausgewählter IPR-Policies kurz erläutert. Anschließend erfolgt eine eingehende Untersuchung der – insoweit interessanteren – Verpflichtung zur FRAND-Lizenzvergabe.

I. Pflicht zur Patentoffenlegung Die Verpflichtung zur Patentoffenlegung beinhaltet regelmäßig die Pflicht der Standardisierungsbeteiligten, nach bestem Wissen und Gewissen alle Patente rechtzeitig offenzulegen, die nach ihrer Einschätzung unter einen zu entwickelnden Standard fallen und für dessen Anwendung notwendig sind bzw. werden können.27 25 Zu den Einzelheiten ausführlich Lemley, 90 Cal. L. Rev. 2002, S. 1889. Sehr lehrreich auch die von Chiao, Lerner und Tirole im Jahre 2006 durchgeführte empirische Analyse der IPR-Policies von Standardisierungsorganisationen auf der ganzen Welt, die ebenfalls zu dem Ergebnis kommt, dass die konkrete Ausgestaltung der jeweiligen Statuten teilweise erhebliche Unterschiede aufweist, Chiao/Lerner/Tirole, S. 16. 26 Vgl. Lemley, 90 Cal. L. Rev. 2002, S. 1889, S. 1898; Chiao/Lerner/Tirole, Anhang, Tabelle 1. 27 Beispielhaft seien folgende IPR-Policies genannt: ETSI IPR-Policy, Art. 4.1: „[…] each MEMBER shall use its reasonable endeavours, in particular during the development of a STANDARD or TECHNICAL SPECIFICATION where it participates, to inform ETSI of ESENTIAL IPRs in a timely fashion. In particular, a MEMBER submitting a technical proposal for a STANDARD or TECHNICAL SPECIFICATION shall, on a bona fide basis, draw the attention of ETSI to any of that MEMBERÏs IPR which might be ESSENTIAL if that proposal is adopted.“ ISO/IEC Directives Part 1, Art. 2.14.2: „The originator of a proposal for a document shall draw the attention of the committee to any patent rights of which the originator is aware and considers to cover any item of the proposal. Any party involved in the preparation of a document shall draw the attention of the committee to any patent rights of which it becomes aware during any stage in the development of the document.“

B. Kernbestandteile regelmäßig wiederkehrender IP-Regeln

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Die Verpflichtung zur Patentoffenlegung gründet in der Überlegung, dass die oben beschriebenen Probleme des Hold-Up ihren Ursprung darin haben, dass die an einem Standardisierungsverfahren Beteiligten entweder gar nicht oder zu spät von etwa vorhandenen, standard-essentiellen Patenten erfahren. Dieser Unkenntnis soll durch die Offenlegungspflicht vorgebeugt und dadurch einem Hold-Up der Boden entzogen werden. Denn nur wenn alle zur Anwendung des Standards notwenigen Schutzrechte rechtzeitig offen gelegt werden, kann der jeweilige Schutzrechtsinhaber vor endgültiger Festlegung des Standards und dessen Markteinführung zur Abgabe einer entsprechenden FRAND-Lizenzierungserklärung angehalten oder andernfalls – d. h., wenn er hierzu nicht bereit ist – nach alternativen Lösungen zu der geschützten Lehre gesucht werden. Die nähere Ausgestaltung der Offenlegungspflicht kann jedoch von Organisation zu Organisation nicht unerheblich variieren. Unterschiede bestehen insbesondere im Hinblick auf den genauen Umfang der Verpflichtung. Während einige Organisationen von ihren Mitgliedern lediglich die Offenlegung bereits bestehender Patente fordern,28 erstrecken andere die Offenlegungspflicht auch auf bloße Patentanmeldungen.29 Teilweise wird von den Mitgliedern verlangt, ihr gesamtes Patentportfolio nach etwa einschlägigen Patenten zu durchsuchen,30 wohingegen in anderen Fällen eine solche Patentrecherche sogar ausdrücklich ausgeschlossen wird.31

Weniger deutlich stellt sich demgegenüber die von CEN/CENELEC gewählte Formulierung dar. Dort heißt es in Guide 8, Art. 2: „If any person or organization involved in a standards project under study in a technical body of CEN or CENELEC becomes aware that there is a possibility of conflict between the draft and any patent or like rights (hereinafter: IPR), it is his responsibility to raise the matter with the responsible chairman and/or secretary, at the earliest possible stage. Receipt of such information signals the start of an investigation aimed at finding a way to re-write the draft standard so that it does not conflict with any IPR.“ 28 Vgl. z. B. ECMA Code of Conduct, Art. 2.2: „All members are required to state no less than two weeks before the GA [i.e. General Assembly] or at the end of the postal voting period whether they claim any i s s u e d protective rights covering the subject matter of the proposed standard and/or have knowledge of such rights of third parties.“ 29 In diesem Sinne heißt es z. B. in der ETSI IPR-Policy ausdrücklich, dass mit Patenten auch bloße Patentanmeldungen gemeint sind und diese daher in gleichem Umfang offengelegt werden müssen wie bereits bestehende Patente. Vgl. ETSI IPR-Policy Art. 4.1 i.V.m. Art. 15.7. (zitiert oben Teil 2, Fn. 6). 30 So z. B. die VITA Patent-Policy in Art. 10.2.1: „Each working group member (,WG MemberÐ) shall disclose to the working group (,WGÐ) in writing the existence of all patents and patent applications owned, controlled, or licensed by the VITA member company (,VITA Member CompanyÐ) the WG Member represents, which are known by the WG Member and which the WG Member believes contain claims that may become essential to the draft VSO specification (,Draft VSO SpecificationÐ) of the WG in existence at the time, a f t e r t h e W G Member has made a good faith and reasonable inquiry into the patents and p a t e n t a p p l i c a t i o n s the VITA Member Company (or its Affiliates) owns, controls or licenses.“ Zur (Un-)Zweckmäßigkeit und praktischen (Un-)Durchführbarkeit solcher Schutzrechtsrecherchen vgl. Maaßen, S. 280 ff.

102

Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

Die bestehenden Unterschiede im Hinblick auf die in den jeweiligen IP-Regeln enthaltenen Offenlegungspflichten sollen hier aber nicht weiter vertieft werden. Insoweit sei auf die bereits erwähnten empirischen Untersuchungen von Lemley sowie Chiao, Lerner und Tirole verwiesen, die sich mit diesem Thema ausführlich befassen.32 Ebenfalls nicht weiter vertieft werden sollen die sich im Rahmen der praktischen Anwendung und Überwachung der Patentoffenlegungspflicht innerhalb der jeweiligen Standardisierungsorganisation ergebenden Probleme.33 Dasselbe gilt im Hinblick auf die Fragen der rechtlichen Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit dieser verbandsinternen Verhaltenspflichten sowie bezüglich möglicher Schadensersatzpflichten bei unterlassener Patentoffenlegung. Denn auch hierzu ist in der Literatur bereits an anderer Stelle umfassend Stellung genommen worden.34

II. Pflicht zur Lizenzvergabe unter FRAND-Bedingungen In Fortführung der beschriebenen Pflicht zur rechtzeitigen Patentoffenlegung verlangen die Statuten der meisten Standardisierungsorganisationen von ihren Mitgliedern, sich bereit zu erklären, ihre offengelegten standard-essentiellen Schutzrechte jedem interessierten Anwender des Standards auf dessen Verlangen zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen zugänglich zu machen, also entsprechende Lizenzen zu erteilen. Hierdurch soll über die bloße Offenlegungspflicht hinaus sichergestellt werden, dass nicht einzelne Beteiligte es in der Hand haben, den Standardisierungsprozess durch Berufung auf ihre patentrechtliche Ausschließlichkeitsbefugnis nachträglich aufzuhalten oder die Anwendbarkeit des gemeinsam festgelegten Standards sogar insgesamt zu verhindern.35 Offenlegungs- und Lizenzierungsverpflichtung gemeinsam sind nach Ansicht der meisten Standardisierungsorganisationen die erforderli-

31 Siehe wiederum die ETSI IPR-Policy, Art. 4.2: „The obligations pursuant to Clause 4.1 above do however not imply any obligation on MEMBERS to conduct IPR searches.“ 32 Lemley, 90 Cal. L. Rev. 2002, S. 1889; Chiao/Lerner/Tirole. 33 Hierzu ausführlich Fröhlich, GRUR 2008, S. 205, 208 ff., der am Beispiel von ETSI z. B. sehr anschaulich den sog. „Call for IPRs“ beschreibt, mit dem die Teilnehmer zu Beginn eines jeden technischen Meetings an die Einhaltung zur Offenlegung wesentlicher Patente erinnert werden. Vgl. auch Maaßen, S. 286 ff. 34 Siehe Maaßen, S. 292 ff. m.w.N. 35 Eine Zustimmung des Patentinhabers zum Verzicht auf sein Schutzrecht insgesamt wird von den Standardisierungsorganisationen hingegen regelmäßig nicht verlangt. Eine solche Regelung würde wohl viele Schutzrechtsinhaber von der Teilnahme an kollektiven Standardisierungsbestrebungen abschrecken, weil sie zumeist viel Zeit und Geld in die Entwicklung ihrer Erfindungen investiert haben und daher zu einem Verzicht auf ihren so hart erkämpften Patentschutz nicht bereit sind.

B. Kernbestandteile regelmäßig wiederkehrender IP-Regeln

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chen und zugleich effektivsten Mittel, einem Hold-Up im oben beschriebenen Sinne vorzubeugen.36 Genau wie die Offenlegungspflicht ist selbstverständlich auch die Lizenzierungsverpflichtung nicht von sämtlichen Standardisierungsorganisationen in allen Einzelheiten uniform ausgestaltet. Während vereinzelte IP-Regeln – in kartellrechtlich bedenklicher Weise – vorsehen, dass diese Verpflichtung sich nur auf die Lizenzvergabe an die übrigen Standardisierungsbeteiligten bezieht,37 sind in den meisten Fällen auch außenstehende Dritte ausdrücklich in den Kreis der potentiellen Lizenznehmer einbezogen;38 teilweise fehlt jegliche ausdrückliche Regelung zu diesem Punkt.39 36 Vgl. etwa die Anhörung des Institute for Electrical and Electronics Engineers (IEEE) vor der US Federal Trade Commission (FTC) vom 17. April 2002, abrufbar im Internet unter http:// www.ftc.gov/os/comments/intelpropertycomments/ieee.pdf (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009), wo es heißt: „[…] the only reasonable approach [to safeguarding against hold-up], and one that has proven to be very efficient and effective for decades, is to ensure that any known patent holders whose patents may be required (i. e., essential to implement or use the standard) are willing to offer licenses under terms and conditions that are reasonable and not unfairly discriminatory.“ 37 Vgl. z. B. die TCG Bylaws, Art. 16.4: „[…] the Member and its Affiliates hereby agree to grant t o o t h e r M e m b e r s a n d t h e i r A f f i l i a t e s , under reasonable terms and conditions that are demonstrably free of any unfair discrimination, a nonexclusive, nontransferable, worldwide license under its Necessary Claims to such Specification to allow s u c h o t h e r M e m b e r s a n d t h e i r A f f i l i a t e s to make, have made, use, import, offer to sell, lease and sell and otherwise distribute Compliant Portions […].“ Jedenfalls bei einer entsprechend starken Marktstellung der an dem Standardisierungsverfahren Beteiligten muss auf der Grundlage des europäischen Kartellrechts sichergestellt sein, dass das Ergebnis der Standardisierungsarbeit nicht nur den Standardisierungsbeteiligten selbst, sondern gleichermaßen auch außenstehenden Dritten zu vernünftigen Bedingungen zugänglich ist, siehe Europäische Kommission, Horizontalleitlinien, Abl. C 3 vom 06.01.2001, S. 2, Rn. 168, 174 f. Andernfalls läuft die gesamte Standardisierungsvereinbarung Gefahr, gegen das allgemeine Kartellverbot zu verstoßen. 38 Siehe etwa die VITA Patent-Policy, Art. 10.3.1: „Each WG [i.e. Working Group] Member agrees, on behalf of the VITA Member Company he or she represents, that it will grant to any WG Member, VITA Member Company, o r t h i r d p a r t y a nonexclusive, worldwide, nonsublicensable (except to the extent necessary ,to have madeÐ), perpetual patent license (or equivalent non-assertion covenant) for its patent claims essential to the Draft VSO Specification on fair, reasonable and nondiscriminatory terms to use, make, have made, market, import, offer to sell, and sell, and to otherwise directly or indirectly distribute products that implement the Draft VSO Specification. Such license need only extend to the portions of the Draft VSO Specification for which the license is essential to its implementation.“ 39 So beispielsweise in der ETSI IPR-Policy, Art. 6.1: „When an ESSENTIAL IPR relating to a particular STANDARD or TECHNICAL SPECIFICATION is brought to the attention of ETSI, the Director-General of ETSI shall immediately request the owner to give within three months an undertaking in writing that it is prepared to grant irrevocable licences on fair, reasonable and non-discriminatory terms and conditions under such IPR to at least the following extent: […].“ Nach den bereits erwähnten (oben Fn. 37) Horizontalleitlinien der Europäischen Kommission muss ein Standard jedenfalls bei entsprechender Marktstellung der Beteiligten auch für diejenigen zugänglich sein, die an dem Standardisierungsverfahren selbst nicht beteiligt waren.

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

Einige Standardisierungsorganisationen gehen sogar so weit, von ihren Mitgliedern die Vergabe von Lizenzen ohne Gebühren zu verlangen.40 Sofern allerdings eine solche Verpflichtung zur Erteilung von Gratislizenzen zur Bedingung für die Teilnahme an dem Standardisierungsprozess gemacht wird, bestehen erhebliche Bedenken im Hinblick auf die Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit Art. 81 EGV bzw. § 1 GWB, da hierdurch eine – zumindest faktische – Zugangssperre zu der Standardisierungsorganisation begründet wird. Das aber steht in Widerspruch zu der von der Europäischen Kommission geforderten Offenheit und Allgemeinzugänglichkeit des Standardisierungsprozesses.41 Denn ein Unternehmen, das erhebliche Mühen und Kosten in die Entwicklung einer bestimmten patentgeschützten Lehre investiert hat, wird oftmals nicht bereit sein, seine Erfindung im Rahmen kollektiver Standardisierungsbestrebungen jedermann kostenlos zugänglich zu machen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf sog. reine Erfinder, also solche Unternehmen, die weder auf einem dem Standard vorgelagerten noch auf einem nachgelagerten Markt tätig sind und deren einzige Einnahmequelle somit in der Erhebung von Lizenzgebühren für ihre Schutzrechte besteht. Die überwiegende Mehrzahl der Standardisierungsorganisationen sieht aus diesem Grund davon ab, von ihren Mitgliedern die Erteilung von Gratislizenzen zu verlangen und fordert stattdessen die Lizenzierungsbereitschaft zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden – FRAND – Bedingungen.42 Genau wie die oben besproIst dies in der jeweiligen IPR-Policy nicht ausdrücklich vorgesehen, so ist die FRAND-Verpflichtung durch Auslegung entsprechend anzupassen. 40 Vgl. etwa die W3C Patent-Policy, Art. 3.1 i.V.m. Art. 5: „As a condition of participating in a Working Group, each participant (W3C Members, W3C Team members, invited experts, and members of the public) shall agree to make available under W3C RF [i.e. Royalty-Free] licensing requirements any Essential Claims related to the work of that particular Working Group.“ […] „With respect to a Recommendation developed under this policy, a W3C RoyaltyFree license shall mean a non-assignable, non-sublicensable license to make, have made, use, sell, have sold, offer to sell, import, and distribute and dispose of implementations of the Recommendation that: [1. – 4. …] 5. m a y n o t b e c o n d i t i o n e d o n p a y m e n t o f r o y a l t i e s , f e e s o r o t h e r c o n s i d e r a t i o n [6. …].“ 41 Siehe Europäische Kommission, Horizontalleitlinien, Abl. C 3 vom 06.01.2001, S. 2, Rn. 163. 42 Lemley kommt in seiner Studie zu dem Ergebnis, dass 29 der insgesamt 36 Standardisierungsorganisationen mit eigener IPR-Policy (s. o. Fn. 24) eine solche Pflicht zur Lizenzvergabe unter FRAND-Bedingungen vorsehen. Lemley, 90 Cal. L. Rev. 2002, S. 1889, 1906. Dieser Befund wird bestätigt durch die Statuten der meisten hier untersuchten Standardisierungsorganisationen. Vgl. zunächst die bereits zitierten IPR-Policies von TCG, VITA und ETSI. Im gleichen Sinne auch: CEN/CENELEC Guide 8, Art. 3: „[…] an attempt should be made to encourage him [i.e. the IPR-holder] to make an irrevocable statement that he is prepared to grant licences on a nondiscriminatory basis and on fair and reasonable terms.“ ISO/IEC Directives Part 1, Art. 2.14.2: „[…] If the proposal is accepted on technical grounds, the originator shall ask any holder of such identified patent rights for a statement that the holder would be willing to negotiate worldwide licences under his rights with applicants throughout the world on reasonable and non-discriminatory terms and conditions.“

C. FRAND – Auslegung und kritische Würdigung

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chene Pflicht zur Patentoffenlegung bezieht sich auch die FRAND-Lizenzierungsverpflichtung nur auf die sog. standard-essentiellen, also diejenigen Patente, auf die zur Anwendung des gemeinsamen Standards zwingend zurückgegriffen werden muss.43 Inhalt und Reichweite der FRAND-Verpflichtung sowie deren Umsetzung in der Praxis werden im Folgenden näher untersucht.

C. FRAND – Auslegung und kritische Würdigung Im Hinblick auf die unter Standardisierungsorganisationen allgemeine Üblichkeit der Verwendung von IPR-Policies der dargelegten Art und in Anbetracht der großen Bedeutung, die derartigen Regeln sowohl von Seiten der Standardisierungsbeteiligten als auch von Seiten der Wettbewerbsbehörden mit Blick auf den störungsfreien Ablauf des Standardisierungsprozesses sowie die Einhaltung der Vorschriften des Wettbewerbsrechts beigemessen wird, soll ihr Bedeutungsgehalt in den nachfolgenden Abschnitten einer eingehenden Analyse unterzogen werden. Diese wird sich jedoch auf die Verpflichtung des Inhabers standard-essentieller Patente zur Lizenzerteilung zu FRAND-Bedingungen beschränken, die eine Vielzahl verschiedener Auslegungs- und Anwendungsprobleme bereithält. Zwar bietet grundsätzlich auch die vorgelagerte Pflicht zur Patentoffenlegung einzelne Ansatzpunkte für weitergehende Untersuchungen;44 die praktische Relevanz der sich dort eröffnenden Fragestellungen ist aber als gering einzustufen, so dass hierauf im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden soll.45 E DIN 820-1: 2007-11, Art. 7.9: „Ist es in Ausnahmefällen nicht vermeidbar, daß bestehende Schutzrechte von einer Norm berührt werden, so ist mit den Berechtigten eine Vereinbarung zu treffen, die mit dem Allgemeininteresse in Einklang steht, z. B. die Vergabe von Lizenzen unter angemessenen Bedingungen.“ 43 Vgl. etwa ETSI IPR-Policy, Art. 6.1; TCG Bylaws, Art. 16.4 i.V.m. 16.1 (c); VITA Patent-Policy, Art. 10.3.1. 44 Hier sei insbesondere auf die Ungenauigkeiten in der Formulierung der entsprechenden Passagen in den jeweiligen IPR-Policies hingewiesen. Manche Standardisierungsorganisationen begnügen sich damit auszusprechen, ihre Mitglieder seien zur rechtzeitigen Offenlegung von Patenten verpflichtet. Die genaue Reichweite einer solchen Klausel und der Umfang ihrer Verpflichtung sind für die Betroffenen nicht auf den ersten Blick erkennbar. So bleibt teilweise z. B. unklar, ob nur bestehende Patente erfasst sind oder auch bloße Patentanmeldungen. Des Weiteren kommt nicht immer zum Ausdruck, (bis) zu welchem Zeitpunkt im Rahmen des Standardisierungsverfahrens und gegenüber wem die Offenlegung zu erfolgen hat. Auch bleibt im Dunkeln, ob von den Beteiligten eine Durchsuchung ihres Patentportfolios erwartet wird, und auf welche Art von Patenten (nur die standard-essentiellen oder alle) sich die Offenlegungspflicht bezieht. Diese und andere Auslegungsschwierigkeiten sind jedoch den Formulierungmängeln individueller IP-Regeln geschuldet und stellen kein grundsätzliches Problem der gängigen IPR-Policies dar, so dass ein näheres Eingehen hierauf im vorliegenden Kontext nicht geboten erscheint. 45 Der interessierte Leser sei auf die Ausführungen von Maaßen verwiesen, der sich auf S. 279 ff. mit den verschiedenen Problemen beschäftigt, die sich im Rahmen der praktischen

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

Die im Rahmen der FRAND-Verpflichtung zutage tretenden Probleme erstrecken sich unter anderem auf die Frage nach der konkreten Bedeutung von FRAND. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit die Bedingungen der Lizenzvergabe fair, angemessen und nicht-diskriminierend sind? Wer legt die entsprechenden Anforderungen fest und woher weiß der Patentinhaber, wie er seine Lizenzbedingungen im Einzelfall zu gestalten hat, um nicht gegen FRAND zu verstoßen? Diese und andere Anwendungsprobleme werden in keiner der hier untersuchten IPR-Policies thematisiert.46 Das ist deshalb umso gravierender, als die Beteiligten naturgemäß unterschiedliche Vorstellungen darüber haben, was fair und angemessen ist – der Patentinhaber als Lizenzgeber wird regelmäßig eine erheblich höhere Lizenzgebühr für angemessen halten als ein (potentieller) Lizenznehmer. Eine Konkretisierung der FRAND-Verpflichtung erscheint daher dringend geboten (dazu unten II.). Zuvor (unten I.) soll allerdings die Frage nach der konkreten Rechtsnatur der einem standardisierungsbeteiligten Patentinhaber abverlangten Erklärung beantwortet werden, jedem interessierten Anwender des Standards Lizenzen zu FRANDBedingungen zu erteilen. Es ist fraglich, ob hierdurch eine echte Vertragspflicht begründet wird oder ob es sich um eine bloße Obliegenheit bzw. freiwillige Selbstverpflichtung handelt. Hiervon hängt entscheidend ab, welche Rechtsfolgen einen Patentinhaber treffen, der sich nicht an sein FRAND-Versprechen hält, etwa weil er die Lizenzvergabe insgesamt verweigert oder seine Lizenzbedingungen nicht den Erfordernissen einer fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Lizenzpolitik entsprechen. In einem weiteren Schritt wird untersucht, welche Auswirkungen die FRANDVerpflichtung eines Patentinhabers auf sein ihm gesetzlich zustehendes Recht47 hat, sich gegen Patentverletzungen mit der (gerichtlichen) Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs zu wehren. Hier wird – insbesondere in der US-amerikanischen Literatur – zum Teil die Ansicht vertreten, die Zustimmung des Patentinhabers zu der ihm auferlegten FRAND-Verpflichtung stelle zugleich einen Verzicht auf die dem Patent innewohnende Ausschließlichkeitsbefugnis und mithin auf die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs dar. Rechtsdogmatisch erscheint eine solche Beurteilung – jedenfalls auf Grundlage des deutschen Privatrechts – nicht unbedenklich. (Dazu unten III.)

Anwendung der Offenlegungsverpflichtung ergeben können, wie z. B. die Frage nach möglichen Schadensersatzpflichten bei unterlassener oder (bewusst) falscher Auskunftserteilung über bestehenden Immaterialgüterschutz. 46 Vgl. etwa die ETSI IPR-Policy, Art. 6.1; TCG – Bylaws, Art. 16.4. In den TIA IPR-Policy Guidelines heißt es auf S. 2 sogar explizit: TIA will not „get involved in the issue of whether proposed licensing terms and conditions are reasonable or non-discriminatory“. 47 Vgl. § 139 Abs. 1 PatG.

C. FRAND – Auslegung und kritische Würdigung

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I. Rechtsnatur und Verbindlichkeit des FRAND-Versprechens Zu Beginn der Auseinandersetzung mit den Auslegungs- und Anwendungsproblemen rund um FRAND ist die Frage nach der konkreten Rechtsnatur bzw. Verbindlichkeit des von einem Patentinhaber abgegebenen Lizenzierungsversprechens zu klären. Für die an der Standardisierung Beteiligten ist es von großer praktischer Relevanz, ob die Standardisierungsorganisation bzw. deren Mitglieder rechtlich in der Lage sind, denjenigen, der sich zur Lizenzvergabe zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen bereit erklärt hat, an diesem Versprechen festzuhalten und etwaige Lizenzierungsansprüche notfalls gerichtlich einzuklagen oder ob es sich stattdessen um eine bloß unverbindliche Selbstverpflichtung des Schutzrechtsinhabers handelt. Einige Autoren gehen insoweit ohne nähere Begründung wohl davon aus, das FRAND-Versprechen des Patentinhabers begründe für diesen eine reine Obliegenheit, deren Einhaltung gerichtlich nicht durchgesetzt werden kann und deren Verletzung auch keine Schadensersatzpflichten auslöst.48 Ob diese Bewertung tatsächlich zutrifft, wird im Folgenden begutachtet. 1. Abgabe der FRAND-Erklärung Von entscheidender Bedeutung ist zunächst, dass die FRAND-Verpflichtung eines Inhabers standard-essentieller Patente diesen nur ausnahmsweise unmittelbar aufgrund seiner Mitgliedschaft in der jeweiligen Standardisierungsorganisation trifft. Das ist immer dann der Fall, wenn die Lizenzierungsverpflichtung in der zugrundeliegenden Vereinssatzung bzw. dem Gesellschaftsvertrag selbst festgeschrieben ist und der Patentinhaber nach den Grundsätzen des Gesellschaftsrechts schon durch seinen Beitritt zu der Organisation hieran gebunden ist.49 Regelmäßig folgt die Verpflichtung der Lizenzvergabe zu FRAND-Bedingungen aber gerade nicht unmittelbar aus der Vereinssatzung bzw. dem Gesellschaftsvertrag.50 Das liegt zum einen daran, dass die entsprechenden IPR-Policies zumeist 48 So Ullrich, GRUR 2007, S. 817, 822, 826; Loest/Bartlik, ZWeR 2008, S. 41, 49. A.A. dagegen (zu Recht) Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S. 17: „The enforceability of the FRAND obligation results from the fact that it forms part of a private agreement between an IPR owner and a SSO [i.e. Standard Setting Organization].“ 49 Unter den im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Standardisierungsorganisationen ist dies allein bei TCG und DVB der Fall. Dort folgt die entsprechende Lizenzierungsverpflichtung jeweils unmittelbar aus der Vereinssatzung selbst. Siehe TCG Bylaws, Art. 16.4; DVB Statutes Art. 14.2. 50 Auch wird die Bereitschaft des Patentinhabers zur FRAND-Lizenzvergabe in aller Regel nicht auf sonstige Weise zur Bedingung seiner Mitarbeit innerhalb der Standardisierungsorganisation erhoben. Eine Sonderstellung nimmt allerdings die IPR-Policy von W3C ein. Hiernach wird die Mitarbeit in einer bestimmten Arbeitsgruppe (nicht in der Organisation selbst!) nur unter der Bedingung gewährt, dass das entsprechende Mitglied sich bereit erklärt, etwa von ihm gehaltene standard-essentielle Patente zu FRAND-Bedingungen zu lizenzieren.

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

nicht selbst Bestandteil desselben sind;51 zum anderen sehen die IP-Regeln der meisten hier untersuchten Standardisierungsorganisationen lediglich die im Einzelfall an den Patentinhaber zu richtende Aufforderung vor, sich im Konfliktfall52 zur Lizenzerteilung zu FRAND-Bedingungen bereit zu erklären. Das entsprechende Verfahren ist dabei in der Regel wie folgt ausgestaltet: Sobald im Laufe des Standardisierungsprozesses offenkundig wird, dass zur Anwendung des gemeinsamen Standards die Verwendung patentierter Technologien aller Wahrscheinlichkeit nach notwendig ist, wird der entsprechende Patentinhaber aufgefordert, sich zur Vergabe von Lizenzen zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen bereit zu erklären.53 Nicht die Teilnahme an der Standardisierungsarbeit, sondern erst die Abgabe einer solchen Erklärung bildet also den Grundstein für die Lizenzierungsverpflichtung des Patentinhabers.54 (W3C Patent-Policy, Art. 3.1.) Zu beachten ist allerdings, dass der Patentinhaber auch nach Abgabe einer solchen Erklärung die Lizenzvergabe noch verweigern kann, wenn er dies innerhalb einer bestimmten Frist anzeigt oder aus der betreffenden Arbeitsgruppe ausscheidet. (W3C Patent-Policy, Art. 4.1 und 4.2.) 51 Vgl. Maaßen, S. 264 ff., der darauf hinweist, dass die Verbindlichkeit vieler IP-Regeln in Ermangelung einer ausdrücklichen oder hinreichend bestimmten verbandsrechtlichen Rechtsgrundlage zumindest zweifelhaft ist. Er vergleicht die Regelwerke stattdessen mit Spieloder Verhaltensordnungen von Sportvereinen. 52 „Konfliktfall“ in diesem Sinne meint die Situation, dass ein bestimmter Standard wesentlich auf einer patentgeschützten Lehre beruht, so dass es nicht möglich ist, den Standard anzuwenden, ohne von dieser Lehre Gebrauch zu machen. 53 Vgl. etwa E DIN 820-1: 2007-11, Art. 7.9: „Ist es in Ausnahmefällen nicht vermeidbar, dass bestehende Schutzrechte von einer Norm berührt werden, s o i s t m i t d e n B e r e c h t i g t e n e i n e Ve r e i n b a r u n g z u t r e f f e n , die mit dem Allgemeininteresse in Einklang steht, z. B. die Vergabe von Lizenzen unter angemessenen Bedingungen.“ 54 ETSI IPR-Policy, Art. 6.1: „When an ESSENTIAL IPR relating to a particular STANDARD or TECHNICAL SPECIFICATION is brought to the attention of ETSI, the DirectorGeneral of ETSI s h a l l i m m e d i a t e l y r e q u e s t t h e o w n e r t o g i v e within three months a n u n d e r t a k i n g in writing that it is prepared to grant irrevocable licences on fair, reasonable and non-discriminatory terms and conditions under such IPR to at least the following extent: […]“ CEN/CENELEC Guide 8, Art. 3: „Failing an offer by the IPR-holder to waive his rights, an attempt should be made to e n c o u r a g e h i m t o m a k e a n i r r e v o c a b l e s t a t e m e n t that he is prepared to grant licences on a nondiscriminatory basis and on fair and reasonable terms.“ ISO/IEC Directives Part 1, Art. 2.14.2: „If the proposal is accepted on technical grounds, the originator s h a l l a s k a n y h o l d e r of such identified patent rights f o r a s t a t e m e n t that the holder would be willing to negotiate worldwide licences under his rights with applicants throughout the world on reasonable and non-discriminatory terms and conditions.“ Die Frage, wie verfahren wird, wenn der entsprechende Patentinhaber die Abgabe eines solchen Lizenzierungsversprechens verweigert, ist in den verschiedenen Standardisierungsorganisationen unterschiedlich geregelt. Während die IP-Regeln einiger Organisationen für diesen Fall über keine ausdrücklichen Regelungen verfügen, enthalten andere einen im Detail ausdifferenzierten „Notfallplan“. So sieht z. B. die ETSI IPR-Policy in Art. 8 ausdrücklich vor, welche Schritte einzuleiten sind, wenn der Patentinhaber die Abgabe des geforderten Lizenzierungsversprechens verweigert. Zusammengefasst ist dort geregelt, dass der Patentinhaber

C. FRAND – Auslegung und kritische Würdigung

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2. Rechtsnatur des FRAND-Versprechens Für die an dem Standardisierungsprozess beteiligten Patentinhaber, ebenso wie für die (potentiellen) Anwender des jeweiligen Standards ist von entscheidender Bedeutung, ob die vom Patentinhaber abgegebene Erklärung, zur Lizenzvergabe zu FRAND-Bedingungen bereit zu sein, für diesen rechtlich verbindlich ist und gegebenenfalls gerichtlich durchgesetzt werden kann. Ziel der nachfolgenden Ausführungen ist es daher, auf der Grundlage des deutschen Privatrechts die konkrete Rechtsnatur des beschriebenen FRAND-Versprechens umfassend zu untersuchen. a) Exkurs: Aspekte des Internationalen Privatrechts Die Arbeit grenzübergreifender Standardisierungsorganisationen sowie die Anwendung der von diesen Organisationen verabschiedeten Standards werfen in der Praxis eine Reihe internationalprivatrechtlicher Fragestellungen auf, deren umfassende Behandlung jedoch nicht Ziel dieser Arbeit ist. Im vorliegenden Rahmen sollen stattdessen einige grundsätzliche Bemerkungen genügen. In Bezug auf das Verhältnis der jeweiligen Standardisierungsorganisation zu ihren Mitgliedern gilt nach deutschem internationalen Privatrecht grundsätzlich die sog. Sitztheorie.55 Diese besagt, dass ein deutsches Gericht bei der Behandlung eines Rechtsstreits aus dem Mitgliedsverhältnis sowie im Hinblick auf die Satzungsauslegung das Recht desjenigen Staates anzuwenden hat, in dem die tatsächliche Hauptverwaltung der Organisation ihren Sitz hat.56 Etwas anderes gilt aber im Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit nach Art. 43, 48 EGV; dort gilt spätestens seit der Überseering-Entscheidung57 des EuGH aus dem Jahre 2002 die sog. Gründungstheorie, derzufolge jedenfalls für die Beurteilung der Rechts- und Parteifähigkeit sowie der Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung diejenige Rechtsordnung Anwendung findet, in deren Geltungsbereich die Gesellschaft wirksam gegründet wurde.58 Über den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit hinaus gilt die

zunächst aufgefordert wird, seine Position zu überdenken. Ist er danach weiterhin nicht bereit, die erforderliche Erklärung abzugeben, wird versucht, die technischen Grundlagen des Standards dergestalt abzuändern, dass ein Rückgriff auf die in Rede stehende Technologie des Patentinhabers zur Anwendung des Standards nicht mehr zwingend erforderlich ist, das Patent mithin nicht mehr standard-essentiell ist. Ist dies nicht möglich und hält der Patentinhaber gleichwohl weiterhin an seiner Position fest, so droht ihm in letzter Konsequenz der Ausschluss aus ETSI. Eine rechtliche (vertragliche) Handhabe, ihn zur Abgabe einer entsprechenden FRAND-Erklärung zu zwingen, besteht indes nicht. (Hierzu ausführlich Fröhlich, GRUR 2008, S. 205 208 ff.) 55 Siehe Kindler, in: MüKo, BGB, Bd. 11, IntGesR Rn. 1 ff., 127, 400 ff. 56 Siehe Maaßen, S. 268. Umfassend Kindler, in: MüKo, BGB, Bd. 11, IntGesR Rn. 1 ff., 84 ff., 127, 400 ff. mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen. 57 EuGH vom 15.11.2002, NJW 2002, S. 3614 („Überseering“). 58 Siehe Kindler, in: MüKo, BGB, Bd. 11, IntGesR Rn. 1 ff., 124 ff., 339 ff., 400 ff.

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

Gründungstheorie auch für solche ausländischen Gesellschaften, die unter dem Schutz eines entsprechenden bilateralen Staatsvertrages stehen.59 Nicht automatisch dem Recht des jeweiligen Sitz- oder Gründungsstaates unterliegt jedoch die hier zu untersuchende FRAND-Erklärung, die einzelne Standardisierungsbeteiligte im Rahmen des Standardisierungsverfahrens abgeben. Hierbei, ebenso wie bei dem späteren Abschluss tatsächlicher Lizenzverträge, handelt es sich um rechtsgeschäftliche Willenserklärungen, die nach den in Art. 27 ff. EGBGB enthaltenen Kollisionsregeln für vertragliche Schuldverhältnisse zu beurteilen sind. Gem. Art. 27 Abs. 1 S. 1 EGBGB können die Parteien das anwendbare Recht in jedem Einzelfall frei wählen. In Ermangelung einer solchen ausdrücklichen oder konkludenten Rechtswahl unterliegt die Erklärung nach Art. 28 Abs. 1 S. 1 EGBGB dem Recht desjenigen Staates, mit dem die insoweit engste Verbindung besteht. Sofern die FRAND-Erklärung selbst keine eigene Rechtswahlklausel enthält, ergibt sich daraus für den vorliegenden Fall, dass sie ebenfalls dem Recht des entsprechenden Sitz- oder Gründungsstaates unterliegt, da zu diesem die wohl engste Verbindung im Sinne der zitierten Vorschrift besteht.60 Die Auslegung dieser Erklärung folgt mithin denjenigen Regeln, die entweder am Ort des tatsächlichen Verwaltungssitzes oder aber am Gründungsort der Organisation gelten. Nach diesen Grundsätzen wären beispielsweise die im Rahmen des DIN abgegebenen Erklärungen nach deutschem Recht auszulegen, während bei ETSI die Auslegungsregeln des französischen Rechts zur Anwendung kommen müssten. Da es jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich ist, auf sämtliche Rechtsordnungen einzugehen, in denen die hier behandelten Standardisierungsorganisationen ihren Sitz haben, sollen im Folgenden die Vorschriften des deutschen Privatrechts zugrunde gelegt und das von den Inhabern standard-essentieller Patente abgegebene FRAND-Versprechen auf dieser Grundlage auf seine Rechtsnatur untersucht werden. b) Vertragsprinzip Dabei ist zunächst von grundlegender Bedeutung, sich zu vergegenwärtigen, dass die bloße Erklärung des Patentinhabers, zur Lizenzvergabe zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen bereit zu sein, für sich besehen rechtlich grundsätzlich unbeachtlich ist. Gemäß § 311 Abs. 1 Hs. 1 BGB ist zur rechtsgeschäftlichen Begründung eines Schuldverhältnisses stets ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, der gem. §§ 145 ff. BGB durch (wenigstens zwei) übereinstimmende Willenserklärungen zustande kommt.

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Siehe Kindler, in: MüKo, BGB, Bd. 11, IntGesR Rn. 406. Vgl. auch BGH vom 05.07.2004, BGH NJW-RR 2004, S. 1618 („Delaware“) im Hinblick auf eine nach US-amerikanischem Recht gegründete Gesellschaft. 60 Vgl. Maaßen, S. 269.

C. FRAND – Auslegung und kritische Würdigung

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Dieses in der Rechtsgeschäftslehre geltende sog. Vertragsprinzip ist fundamentaler Bestandteil der deutschen Privatrechtsordnung und gestattet Durchbrechungen im Sinne der einseitigen Begründung rechtsgeschäftlicher Rechte und Pflichten nur dort, wo das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht (vgl. § 311 Abs. 1 Hs. 2 BGB).61 c) Mögliche „Ausnahmen“ Als hier möglicherweise einschlägige, gesetzliche „Ausnahmen“ von dem soeben beschriebenen Vertragsprinzip soll in der gebotenen Kürze auf die Regelungen des § 23 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 4 PatG sowie des § 9 Abs. 1 S. 2 PatG eingegangen werden. aa) Lizenzbereitschaftserklärung nach § 23 Abs. 1 S. 1 PatG Gem. § 23 Abs. 1 S. 1 PatG kann ein Patentinhaber gegenüber dem Patentamt einseitig seine Bereitschaft erklären, jedermann die Benutzung seiner Erfindung gegen angemessene Vergütung zu gestatten.62 Folge einer solchen Lizenzbereitschaftserklärung ist, dass gem. § 23 Abs. 3 S. 4 PatG jeder Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, mit der gewerblichen Nutzung der Erfindung zu beginnen, sofern er dem Patentinhaber die konkrete Art der Nutzung nur zuvor schriftlich anzeigt.63 In der Sache begibt sich der Patentinhaber durch die Abgabe einer solchen Lizenzbereitschaftserklärung mithin seines Rechts, die Erfindung ausschließlich alleine zu nutzen und jedem Dritten die Nutzung zu verbieten.64 Gleichwohl handelt es sich bei diesem Rechtsinstitut nur scheinbar um eine Ausnahme von dem soeben beschriebenen, grundsätzlich geltenden Vertragsprinzip. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundespatentgerichts (BPatG) stellt die Lizenzbereitschaftserklärung nach § 23 Abs. 1 S. 1 PatG nämlich nichts anderes dar, als ein rechtsgeschäftliches Angebot auf Abschluss eines Lizenzvertrages an jeden, der zur Zahlung einer angemessenen Vergütung bereit ist. Die Benutzungsanzeige nach § 23 Abs. 3 PatG bedeutet die Annahme dieses Angebots, wodurch ein entsprechender Lizenzvertrag zustande kommt.65 Unabhängig von der rechtsdogmatischen Einordnung der Lizenzbereitschaftserklärung kann das hier zu behandelnde FRAND-Versprechen des Inhabers standard-essentieller Patente aber schon deswegen nicht unter die Vorschrift des § 23 61

Hierzu umfassend und kritisch Bachmann, S. 278 – 299. Die Motivation zur Abgabe einer solchen Lizenzbereitschaftserklärung liegt in der damit einhergehenden Ermäßigung der für das Patent jährlich anfallenden Gebühren um 50 % (§ 23 Abs. 1 S. 1 a.E. PatG). 63 Hierzu ausführlich Schwendy, in: Busse, PatG, § 23 Rn. 43 ff. Sofern die Beteiligten nicht in der Lage sind, über die Höhe der zu zahlenden Gebühr eine Einigung zu erzielen, wird diese auf Antrag vom Patentamt festgesetzt (§ 23 Abs. 4 S. 1 PatG). 64 Vgl. etwa BPatG vom 20.03.1996, GRUR 1996, S. 477 („Lizenzbereitschaftserklärung“). 65 Siehe nur BPatG vom 20.03.1996, GRUR 1996, S. 477 („Lizenzbereitschaftserklärung“), m.w.N. 62

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

PatG subsumiert werden, weil es an der insoweit erforderlichen schriftlichen Erklärung gegenüber dem Patentamt fehlt.66 bb) Zustimmung zur Erfindungsnutzung nach § 9 Abs. 1 S. 2 PatG Aus § 9 Abs. 1 S. 2 PatG (ebenso § 10 Abs. 1 PatG) ergibt sich, dass Dritten die Benutzung einer patentierten Erfindung nur dann verboten ist, wenn es an einer entsprechenden Zustimmung des Patentinhabers fehlt. Wenn und soweit eine solche Zustimmung vorliegt, ist ihnen die Nutzung der Erfindung gestattet. Mit „Zustimmung“ in diesem Sinne ist zwar in erster Linie die vertragliche Erteilung von Lizenzen gem. § 15 Abs. 2 PatG sowie § 23 Abs. 1, 3 PatG gemeint.67 Darüber hinaus umfasst der Begriff der Zustimmung nach § 9 Abs. 1 PatG aber auch den Fall der einseitig vom Patentinhaber geäußerten Billigung der Erfindungsnutzung durch Dritte.68 Ein solcher Wille des Patentinhabers, Dritten bereits durch die bloße Abgabe des FRAND-Versprechens ein Recht zur Nutzung seiner geschützten technischen Lehre einzuräumen, ist jedoch nicht zu erkennen. Die Auslegung dieser Erklärung nach §§ 133, 157 BGB ergibt vielmehr nur, dass der Patentinhaber seine grundsätzliche Bereitschaft zum Ausdruck bringen möchte, mit interessierten Anwendern des Standards in Verhandlungen über die Vergabe von Lizenzen einzutreten. Voraussetzung für die Erteilung einer entsprechenden Nutzungserlaubnis ist nach dem so geäußerten Willen des Patentinhabers stets, dass er mit den potentiellen Lizenznehmern eine Einigung über die von diesen zu zahlenden Nutzungsgebühren sowie die übrigen Lizenzbedingungen erzielt. Der Patentinhaber verspricht insoweit lediglich, bei der Gestaltung seiner Lizenzverträge faire, angemessene und nicht-diskriminierende Bedingungen zur Anwendung zu bringen. Die Erteilung einer Nut66 Etwas anderes mag – soweit ersichtlich – allenfalls für die British Standards Institution (BSI) gelten. Deren IP-Regeln sehen vor, dass wenn ein an dem Standardisierungsverfahren beteiligter Schutzrechtsinhaber sich mit der Aufnahme einer von ihm patentierten technischen Lehre in einen bestimmten Standard einverstanden erklärt, Sec. 46 des UK Patent Act von 1977, dem britischen Pendant zu § 23 PatG, zur Anwendung gebracht wird. Bei dieser Vorgehensweise des BSI handelt es sich aber um einen Ausnahmefall, der nicht verallgemeinerungsfähig ist. Vgl. hierzu Verbruggen/Lorincz, GRUR Int. 2002, S. 815, 825, m.w.N. 67 Vgl. Schulte, PatG, § 9 Rn. 35; Mes, PatG/GebrMG, § 9 PatG Rn. 64. 68 Vgl. Schulte, PatG, § 9 Rn. 35. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass es sich hierbei nicht um eine Zustimmung im Sinne der §§ 182 ff. BGB handelt, denn diese meint nur die Abgabe einer Willenserklärung, die erforderlich ist, um einen zwischen anderen Personen geschlossenen Vertrag bzw. das einseitige Rechtsgeschäft eines anderen wirksam werden zu lassen; die Zustimmung zur Benutzung des eigenen Patents nach § 9 Abs. 1 S. 1 PatG ist aber nicht die Erklärung des Einverständnisses mit dem von einem anderen vorgenommenen Rechtsgeschäft, sondern vielmehr die Einwilligung in einen tatsächlichen Eingriff einer anderen Person in das staatlich absolut wirkende Patentrecht des Zustimmenden. Vgl. Osterloh, GRUR 1985, S. 707, 710.

C. FRAND – Auslegung und kritische Würdigung

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zungserlaubnis unabhängig vom Zustandekommen eines entsprechenden Vertragsschlusses bezweckt der Patentinhaber mit seinem FRAND-Versprechen demgegenüber nicht; eine solche müsste er auch in jedem Falle eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck bringen,69 was hier aber nicht der Fall ist. d) Bindendes Angebot auf Abschluss eines Lizenzvertrages Bei dem FRAND-Versprechen des Patentinhabers könnte es sich stattdessen um ein auf den Abschluss eines Lizenzvertrages gerichtetes Angebot im Sinne des § 145 BGB handeln.70 Dem stünde jedenfalls nicht entgegen, dass der jeweilige Lizenznehmer als Vertragspartner in der Erklärung selbst nicht individualisiert bezeichnet ist. Das Angebot wäre vielmehr als ad incertas personas gerichtet anzusehen. Die rechtliche Verbindlichkeit einer solchen Publikumsofferte begegnet dann keinen Bedenken, wenn sich durch Auslegung eindeutig ermitteln lässt, an wen bzw. an welchen Personenkreis sich das Angebot im Einzelnen richtet.71 Diese sog. Bestimmbarkeit des bzw. der Angebotsadressaten ist vorliegend gegeben: Nach Sinn und Zweck des FRAND-Versprechens, die Allgemeinzugänglichkeit des auf der geschützten Lehre des Patentinhabers beruhenden Standards sicherzustellen, richtet sich dieses erkennbar an all diejenigen natürlichen und juristischen Personen, die den konkreten Standard anwenden wollen und zu diesem Zweck um eine entsprechende Lizenz nachsuchen. Da der Patentinhaber im Hinblick auf die Erteilung von Lizenzen auch zahlenmäßig nicht beschränkt ist, er also in der Lage ist, sein Schutzrecht einem jedem einzelnen Angebotsadressaten und potentiellen Vertragspartner zu lizenzieren, wäre die Auslegung als Angebot ad incertas personas theoretisch durchaus denkbar. Gegen die Auslegung des vom Patentinhaber abgegebenen FRAND-Versprechens als bindendes Vertragsangebot nach § 145 BGB spricht aber zunächst der Wortlaut der zugrundeliegenden IPR-Policies und der in Gemäßheit hiermit abgegebenen Erklärung des Schutzrechtsinhabers. Dort heißt es lediglich, der Patentinhaber sei „prepared to grant licences“ oder „willing to negotiate licences“.72 Das FRAND69

Vgl. Schulte, PatG, § 9 Rn. 35. Ausdrücklich offengelassen in LG Düsseldorf vom 13.02.2007, BeckRS 2008 07732, Ziff. II.4b („Zeitlagenmultiplexverfahren“). 71 Siehe nur Kramer, in: MüKo, BGB, § 145 Rn. 10 m.w.N. 72 Vgl. etwa ETSI IRP Policy, Art. 6.1: „[…] the Director-General of ETSI shall immediately request the owner to give within three months an undertaking in writing that it is p r e p a r e d t o g r a n t irrevocable licences on fair, reasonable and non-discriminatory terms and conditions […].“ CEN/CENELEC Guide 8, Art. 3: „[…] an attempt should be made to encourage him to make an irrevocable statement that he is p r e p a r e d t o g r a n t licences on a nondiscriminatory basis and on fair and reasonable terms.“ ISO/IEC Directives Part 1, Art. 2.14.2: „[…] the originator shall ask any holder of such identified patent rights for a statement that the holder would be w i l l i n g t o n e g o t i a t e 70

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

Versprechen beinhaltet mithin lediglich die Aussage, dass der Patentinhaber bereit ist, mit potentiellen Lizenznehmern in entsprechende Vertragsverhandlungen einzutreten. Auch die gem. §§ 133, 157 BGB vom Empfängerhorizont vorzunehmende Ermittlung des mutmaßlichen Parteiwillens ergibt, dass ein bindendes Vertragsangebot nach § 145 BGB nicht gewollt ist, sondern der Patentinhaber lediglich seine Bereitschaft signalisieren will, Verhandlungen über den Abschluss eines Lizenzvertrages aufzunehmen. Denn der FRAND-Erklärung fehlen jegliche Angaben über die vom Schutzrechtsinhaber verlangten Vertragskonditionen. Wie noch zu zeigen sein wird,73 ist die Erklärung, faire, angemessene und nicht-diskriminierende Bedingungen zur Anwendung bringen zu wollen, so unbestimmt und einzelfallabhängig, dass ihre Tauglichkeit als wesentlicher Bestandteil eines Lizenzvertrages bezweifelt werden kann.74 Selbst wenn man davon ausginge, dass sich jedenfalls die Frage nach der Angemessenheit etwaiger Lizenzgebühren grundsätzlich anhand abstrakter Kriterien bestimmen ließe, so fehlte es aber jedenfalls an einer Konkretisierung der übrigen Vertragskonditionen, zu denen beispielsweise Bestimmungen über die Art und den Umfang der erlaubten Nutzung des fraglichen Patents, die Vereinbarung von Kreuzlizenzen oder bestimmte Geheimhaltungsabreden gehören. Es ist darüber hinaus kein auf die Abgabe eines bindenden Vertragsangebots gerichteter Rechtsbindungswille des Patentinhabers zu erkennen. Besonders deutlich tritt das Fehlen eines solchen Rechtsbindungswillens in der Formulierung der bereits zitierten IPR-Policy von ISO und IEC zutage. Hiernach soll der Inhaber standard-essentieller Patente lediglich seine Bereitschaft erklären, „to negotiate worldwide licences“, also in Verhandlungen über die Erteilung von Lizenzen einzutreten.75 In dem von ISO zu diesem Zweck zur Verfügung gestellten und vom Patentinhaber auszufüllenden Erklärungsvordruck heißt es: „The Patent Holder is prepared to grant a license to an unrestricted number of applicants on a worldwide, non-discriminatory basis and on reasonable terms and conditions to make, use and sell implementations of the above document. Negotiations are left to the parties concerned and are performed outside the […] ISO, or IEC.“76

Eine ähnliche Formulierung enthält auch der Erklärungsvordruck, den die Organisation VITA von ihren Mitgliedern ausfüllen lässt, wenn sich herausstellt, dass ein konkreter Standard nicht angewendet werden kann, ohne dabei auf bestimmte standard-essentielle Patente einzelner Standardisierungsbeteiligter zurückzugreifen: worldwide licences under his rights with applicants throughout the world on reasonable and non-discriminatory terms and conditions.“ 73 Siehe unten Teil 3, C.II. 74 Zum Erfordernis hinreichender Bestimmtheit eines Vertragsangebots nach § 145 BGB vgl. Kramer, in: MüKo, BGB, § 145 Rn. 4 m.w.N. 75 s. o. Fn. 72. 76 ISO/IEC Directives Part 1, Appendix II.

C. FRAND – Auslegung und kritische Würdigung

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„The VITA Member Company will grant to all interested parties a nonexclusive, worldwide, nonsublicensable […] perpetual patent license (or equivalent non-assertion covenant) for its patent claims essential to create an implementation compliant with the above-referenced Draft VSO Specification on fair, reasonable and non-discriminatory terms […].“77

In beiden – hier nur beispielhaft genannten – FRAND-Erklärungen kommt deutlich zum Ausdruck, dass die Abgabe eines bindenden Vertragsangebots gerade nicht gewollt ist. Der Patentinhaber erklärt vielmehr nur, dass er grundsätzlich zur Lizenzvergabe bereit ist;78 der Abschluss entsprechender Verträge wird hingegen lediglich für die Zukunft in Aussicht gestellt, was durch die jeweiligen Formulierungen für den Erklärungsempfänger auch klar erkennbar ist. Nach alledem ist das FRAND-Versprechen des Patentinhabers auch nicht als Angebot auf Abschluss eines Lizenzvertrages zu qualifizieren.79 e) Unverbindliche Absichtserklärung Nach dem bloßen Wortlaut der FRAND-Erklärung sowie den vorausgehenden Ausführungen liegt der Schluss nahe, dass es sich hierbei im Ergebnis um nichts anderes als eine unverbindliche Absichtserklärung des Inhabers standard-essentieller Patente handelt, mit interessierten Anwendern in Verhandlungen über den Abschluss von Lizenzverträgen einzutreten. Solche unverbindlichen Absichtserklärungen werden in der jüngeren Literatur oftmals unter dem Begriff „Letter of Intent“ diskutiert. Hierbei handelt es sich um ein Instrument, das im (internationalen) Wirtschaftsverkehr zumeist im Vorfeld des Abschlusses komplexer und wirtschaftlich bedeutsamer Vertragswerke verwendet wird und mit dem eine Partei ihre grundsätzliche Bereitschaft signalisieren möchte, mit dem Adressaten einen bestimmten Vertrag abzuschließen.80 Im Unterschied zu einem echten Vertragsangebot nach § 145 BGB zeichnet sich der Letter of Intent dadurch aus, dass eine Bindungswirkung gerade nicht eintreten soll. Das ergibt sich zum Teil bereits aus der Formulierung der entsprechenden Erklärung selbst, wird bisweilen aber auch durch eine sog. „no binding clause“ ausdrücklich klargestellt.81

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VITA Patent-Policy, Appendix 6, Art. E.1. Vgl. auch DVB Statutes Art. 14.2: „[…] each Member hereby undertakes, on its behalf and on behalf of its affiliated companies, t h a t i t i s w i l l i n g t o g r a n t or to cause the grant of non-exclusive, non-transferable, world-wide licences […].“ 79 Ebenso Geradin/Layne-Farrar, 3 (1) CPI 2007, S. 78, 88. 80 Siehe Kramer, in: MüKo, BGB, vor § 145 Rn. 48; umfassend Lutter, S. 10 ff. Zur Bedeutung des Letter of Intent im Rahmen von Patentlizenzverträgen Bartenbach/Gennen, S. 82 f. 81 Werden im Anschluss an den Letter of Intent Vertragsverhandlungen aber tatsächlich aufgenommen, so kann die geäußerte Absichtserklärung allerdings Grundlage für eine Haftung aus culpa in contrahendo nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB sein. Siehe wiederum Kramer, in: MüKo, BGB, vor § 145 Rn. 48; umfassend Lutter, S. 65 ff. 78

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

Seiner Struktur und Zielrichtung nach ähnelt der Letter of Intent damit einer sog. invitatio ad offerendum, also einer Aufforderung an den potentiellen Vertragspartner, seinerseits auf den Erklärenden zuzukommen und diesem ein Vertragsangebot zu unterbreiten. Genau wie beim Letter of Intent will der Erklärende auch hier lediglich seine grundsätzliche Bereitschaft zum Vertragsschluss bekunden, ohne zugleich ein Angebot nach § 145 BGB zu machen, an welches er in der Folge rechtlich gebunden wäre.82 In beiden Fällen fehlt es also am erforderlichen Rechtsbindungswillen.83 Eine solche Auslegung liefe dem Sinn und Zweck der FRAND-Erklärung jedoch zuwider und entspräche darüber hinaus auch nicht dem Willen des Patentinhabers als Erklärendem. Nach §§ 133, 157 BGB ist aber gerade der wahre Wille des Erklärenden zu erforschen, wie er sich aus objektiver Empfängersicht mit Rücksicht auf die Verkehrssitte darstellt.84 Hintergrund dafür, dass die Standardisierungsorganisationen von den Inhabern standard-essentieller Patente die Abgabe einer FRAND-Erklärung verlangen, ist, wie bereits ausführlich dargelegt,85 zweierlei: Das FRAND-Versprechen soll zum einen der Vermeidung eines Hold-Up dienen; zum anderen soll aus kartellrechtlichen Gründen die Allgemeinzugänglichkeit des jeweiligen Standards gewährleistet werden. Beide Ziele können allerdings durch die unverbindliche Abgabe einer bloßen Absichtserklärung von Seiten des Patentinhabers nicht erreicht werden. Die Situation eines Hold-Up, ebenso wie ein möglicher Verstoß gegen das Kartellverbot können nur dadurch wirksam verhindert werden, dass der betreffende Schutzrechtsinhaber sich verbindlich verpflichtet, die von ihm gehaltenen standard-essentiellen Patente

82

In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass eine allgemeingültige Definition des Letter of Intent bisher nicht existiert. Die Ansichten darüber, welche rechtlichen Konstruktionen unter diesen Begriff fallen, gehen in der internationalen Wirtschaftspraxis mitunter weit auseinander. Dies fasst Kramer wie folgt zusammen: „Zuweilen sind in den unter der Bezeichnung letter of intent firmierenden (von der Gegenseite konsentierten) Fixierungen auch bereits verbindliche ,VorfeldvereinbarungenÐ enthalten, also Vereinbarungen bezüglich der Modalitäten der Vertragsverhandlungen, etwa über die Kostentragung in Bezug auf Vorleistungen, über Informations- und Geheimhaltungspflichten oder Exklusivbindungen; auch ist es nicht auszuschließen, dass von der anderen Seite akzeptierte letters of intent, richtig besehen, Punktuationen, Vorverträge oder sogar bereits Hauptverträge darstellen.“ Kramer, in: MüKo, BGB, vor § 145 Rn. 48. Umfassend wiederum Lutter, ab S. 18. Vorliegend wird dem Letter of Intent indes allein die oben beschriebene Bedeutung beigemessen, wonach es sich um eine einseitige und unverbindliche Erklärung zur Bekundung eines bestehenden Vertragsabschlussinteresses handelt. 83 Vgl. Kramer, in: MüKo, BGB, § 145 Rn. 10 ff. m.w.N. 84 Nach dem genauen Wortlaut der Vorschriften gelten §§ 133, 157 BGB zwar nur für die Auslegung von Willenserklärungen bzw. Verträgen, nach allgemeiner Meinung sind diese Vorschriften aber auch für die Frage heranzuziehen, ob ein bestimmtes willentliches Verhalten überhaupt eine Willenserklärung darstellt. Siehe nur Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 133 Rn. 3. 85 Siehe oben Teil 2, D.IV.1. sowie Teil 3, A.

C. FRAND – Auslegung und kritische Würdigung

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jedem interessierten Anwender des Standards zu vernünftigen Bedingungen zugänglich zu machen. Das Interesse des Patentinhabers selbst verläuft dabei letztlich parallel zu demjenigen der Standardisierungsorganisation bzw. der übrigen Standardisierungsbeteiligten. Nur vordergründig ist ihm daran gelegen, einer wie auch immer gearteten rechtlichen Bindung durch die Abgabe seiner FRAND-Erklärung zu entgehen und die Begründung einer Lizenzierungspflicht so lange wie möglich hinauszuzögern oder gar insgesamt zu vermeiden. Denn insbesondere im Hinblick auf die Nichtigkeitsfolge eines Verstoßes gegen das Kartellverbot ist ihm daran gelegen, dass die entsprechenden Standardisierungsvereinbarungen den kartellrechtlichen Anforderungen genügen. Hierzu gehört eben auch, dass die Anwendbarkeit des jeweiligen Standards gewährleistet ist, was wiederum nur dadurch erreicht werden kann, dass die betroffenen Patentinhaber sich wirksam, d. h. rechtlich verbindlich zur Lizenzierung der von ihnen gehaltenen, standard-essentiellen Patente verpflichten. Denn nur so ist garantiert, dass die potentiellen Anwender des Standards in der Lage sind, diejenigen Nutzungsrechte zu erlangen, die erforderlich sind, um ihre eigenen Produkte bzw. Verfahren an diesem Standard auszurichten und auf dessen Grundlage anzubieten und zu vertreiben. Nur so kann mit anderen Worten verhindert werden, dass einzelne Schutzrechtsinhaber die Implementierung des gemeinsamen Standards am Markt einseitig blockieren können. Der betreffende Patentinhaber weiß darüber hinaus, dass die übrigen Standardisierungsbeteiligten sich nur dann bereit erklären, gerade seine technische Lehre als Grundlage für den gemeinsamen Standard auszuwählen, wenn sie die Gewissheit haben, dass ihnen hieraus im Hinblick auf die spätere Anwendung des Standards keine Nachteile entstehen und die Zugänglichkeit des Standards gesichert ist. Auch insoweit ist davon auszugehen, dass die Abgabe einer bloß unverbindlichen Absichtserklärung dem objektiv verstandenen, tatsächlichen Willen des Patentinhabers kaum entsprechen wird. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Auslegung des FRAND-Versprechens als bloß unverbindliche Absichtserklärung des Patentinhabers ebenfalls nicht in Betracht kommt. . f) Vorvertrag zugunsten Dritter Da es sich nach dem Vorgesagten bei der FRAND-Erklärung also weder um ein verbindliches Angebot auf unmittelbaren Abschluss eines Lizenzvertrages handelt noch um eine bloß unverbindliche Anzeige seiner grundsätzlich bestehenden Lizenzierungsbereitschaft, liegt es aufgrund der Besonderheiten der vorliegenden Sachverhaltskonstellation nahe, in der Erklärung des Schutzrechtsinhabers die Bekundung seines Willens zu erblicken, mit dem Erklärungsempfänger einen im Vorfeld des eigentlichen Lizenzvertrages stehenden Vorvertrag zu schließen, durch welchen jedem interessierten Anwender des betreffenden Standards ein Anspruch auf Abschluss

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

eines Lizenzvertrages zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen gewährt wird.86 Obgleich die Rechtsfigur des Vorvertrages im BGB nicht ausdrücklich geregelt ist, steht ihre Zulässigkeit seit jeher außer Frage; sie ergibt sich aus der grundgesetzlich verbürgten allgemeinen Handlungs- und Vertragsgestaltungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG).87 Dogmatisch handelt es sich um einen schuldrechtlichen Vertrag, der die Verpflichtung zum späteren Abschluss eines Hauptvertrages zu den in dem Vorvertrag bezeichneten Bedingungen begründet.88 Die Funktion des Vorvertrages besteht darin, eine schuldrechtliche Bindung bereits zu einem Zeitpunkt zu begründen, an dem noch nicht über alle Punkte des späteren Hauptvertrages Klarheit erzielt wurde oder an dem einem endgültigen Vertragsschluss noch rechtliche oder tatsächliche Hindernisse im Wege stehen.89 In Ermangelung der ausdrücklichen Bezeichnung einer bestimmten Vereinbarung als Vorvertrag müssen nach der Rechtsprechung des BGH allerdings „besondere Umstände“ vorliegen, die „darauf schließen lassen, daß die Parteien sich – ausnahmsweise – schon binden wollten, bevor sie alle Vertragspunkte abschließend geregelt hatten.“90 Von dem Vorliegen derartiger besonderer Umstände kann im gegebenen Zusammenhang ausgegangen werden. Denn wie gezeigt, kommt einerseits der Abschluss eines endgültigen Lizenzvertrages aufgrund des Wortlauts der FRAND-Erklärung sowie der fehlenden Spezifizierung des genauen Umfangs von Leistung und Gegenleistung nicht in Betracht; andererseits muss der Erklärung des Patentinhabers nach dessen objektiv verstandenem Willen sowie nach Sinn und Zweck des FRAND-Versprechens eine gewisse Bindungswirkung dergestalt zukommen, dass die Zugänglichkeit des betreffenden Standards gewährleistet ist. Dieser besonderen Interessenlage wird am besten dadurch Rechnung getragen, dass sich der Schutzrechtsinhaber rechtlich verbindlich dazu verpflichtet, in der Zukunft mit allen interessierten Anwendern des Standards auf deren Verlangen einen entsprechenden Lizenzvertrag zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen abzuschließen. Unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten sowie der tatsächlichen Umstände, unter denen das FRAND-Versprechen regelmäßig abgegeben wird, ist daher davon auszugehen, dass es sich im Ergebnis um einen auf den Abschluss eines endgültigen Lizenzvertrages gerichteten Vorvertrag zwischen Patentinhaber und Standardisierungsorganisation handelt, durch welchen nach § 328 BGB jedem

86 Zum Vorvertrag im speziellen Zusammenhang der Vergabe von Patentlizenzen vgl. Bartenbach/Gennen, S. 84 ff. 87 Siehe nur RG vom 08.05.1907, RGZ 66, S. 116, 120; Kramer, in: MüKo, BGB, vor § 145 Rn. 52. 88 Siehe Heinrichs, in: Palandt, BGB, vor § 145 Rn. 19; Kramer, in: MüKo, BGB, vor § 145 Rn. 50. 89 Siehe Kramer, in: MüKo, BGB, vor § 145 Rn. 51, 53, m.w.N. 90 So etwa BGH vom 26.03.1980, NJW 1980, S. 1577, 1578 m.w.N.

C. FRAND – Auslegung und kritische Würdigung

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interessierten Anwender91 des Standards ein Anspruch gegen den Patentinhaber auf Abschluss eines Lizenzvertrages zu vernünftigen Bedingungen zugewendet wird.92 Die Möglichkeit, einem Dritten durch Vertrag zu seinen Gunsten einen Anspruch auf Vertragsschluss mit einer der Vertragsparteien zuzuwenden (sog. Vorvertrag zugunsten Dritter), begegnet dogmatisch keinen Bedenken93 und ergibt sich daraus, dass Gegenstand eines Vertrages zugunsten Dritter nach § 328 BGB jede selbständig einklagbare Leistung im Sinne des § 241 Abs. 1 BGB sein kann.94 Im Hinblick auf die Vorschriften des § 311 Abs. 1, 145 ff. BGB (Vertragsprinzip)95 kann vorliegend entweder die Aufforderung von Seiten der Standardisierungsorganisation an den Patentinhaber zur Abgabe des FRAND-Versprechens als Angebot auf Abschluss eines solchen (Vor-)Vertrages angesehen werden, das der Patentinhaber seinerseits (durch mündliche Erklärung oder Unterzeichnung eines entsprechenden Erklärungsvordrucks) annimmt; oder man betrachtet erst die FRAND-Erklärung selbst als Angebot, das von der Standardisierungsorganisation (ggf. unter Anwendung des § 151 S. 1 BGB) angenommen wird.96 91

Die Standardisierungsorganisation selbst hat in aller Regel kein eigenes Interesse an der Erlangung entsprechender Patentlizenzen. Sie selber gehört nämlich gerade nicht zum Kreise der späteren Anwender des Standards; ihre Funktion beschränkt sich vielmehr allein darauf, als Plattform für die gemeinsame Festlegung eines bestimmten Standards zu dienen, weshalb sie einer eigenen Nutzungserlaubnis nicht bedarf. 92 Im Ergebnis ebenso Maaßen, S. 320. 93 Umfassend Schmalzel, AcP 164 (1964), S. 446 ff. Insbesondere handelt es sich hierbei nicht um einen unzulässigen Vertrag zulasten Dritter, da der Dritte weiterhin frei darüber entscheiden kann, ob er von seinem Anspruch auf Vertragsschluss Gebrauch machen will und bereit ist, seinerseits eine entsprechende Gegenleistung (hier: insbesondere Zahlung von Lizenzgebühren) zu erbringen oder nicht. Er erfährt mithin durch eine solche Konstruktion lediglich eine Erweiterung seiner Rechtsstellung; ihn unmittelbar belastende Rechtspflichten werden hingegen nicht begründet. Ein bei dieser Interessenlage grundsätzlich ebenfalls denkbarer Optionsvertrag zugunsten der potentiellen Lizenznehmer kommt demgegenüber vorliegend nicht in Betracht. Ein solcher würde nämlich voraussetzen, dass der genaue Inhalt des durch die Ausübung der Option zustande kommenden Lizenzvertrages bereits vollständig festgelegt ist, was im hier behandelten Zusammenhang aber, wie dargelegt (siehe oben Teil 3, C.I.2.d)), gerade nicht zutrifft. Vgl. zum Optionsvertrag im Hinblick auf die Vergabe von Patentlizenzen Bartenbach/Gennen, S. 86 f. 94 Vgl. hierzu Gottwald, in: MüKo, BGB, § 328 Rn. 21. 95 Siehe oben Teil 3, C.I.2.b). 96 Theoretisch denkbar wäre natürlich auch, den Vertrag als direkt zwischen dem Patentinhaber und dem jeweiligen Lizenznehmer geschlossen anzusehen. In diesem Falle könnte die jeweilige Standardisierungsorganisation als Erklärungsbote des Schutzrechtsinhabers fungieren, indem sie den Inhalt der FRAND-Erklärung sämtlichen Erklärungsempfängern durch Veröffentlichung etwa auf ihrer Homepage oder in der technischen Beschreibung des betroffenen Standards übermittelt. Eine solche Konstruktion hätte allerdings den Nachteil, dass der Patentinhaber sein FRAND-Versprechen bis zum Zeitpunkt des Zugangs beim jeweiligen Erklärungsempfänger jederzeit frei widerrufen könnte (§ 130 Abs. 1 S. 2 BGB). Bedenkt man nun, dass im Zeitpunkt der Abgabe der FRAND-Erklärung und deren Veröffentlichung durch die Standardisierungsorganisation einige Erklärungsempfänger (d. h. spätere Anwender des Standards) möglicherweise noch nicht einmal existieren oder von dem fraglichen Standard

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

Der Auslegung als (Vor-)Vertrag zugunsten Dritter steht auch nicht entgegen, dass die potentiellen Anwender des Standards als Lizenznehmer und begünstigte Dritte im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in Zahl und Identität noch nicht im Einzelnen bestimmt sind. Insoweit ist anerkannt, dass es ausreicht, wenn die Person des bzw. der Begünstigten nach persönlichen oder sachlichen Kriterien mit hinreichender Sicherheit bestimmbar ist.97 Von einer solchen Bestimmbarkeit ist hier auszugehen: Wenngleich die Zahl der begünstigten Dritten im Einzelfall auch sehr groß sein mag, so ist der betreffende Personenkreis doch dadurch hinreichend abgrenzbar, dass er (nur) diejenigen natürlichen und juristischen Personen umfasst, die einen ganz bestimmten Standard anwenden wollen und zu diesem Zweck beim Patentinhaber um eine entsprechende Lizenz nachsuchen. In der Sache kann es sich nur um einen sog. echten Vertrag zugunsten Dritter handeln, der sich im Vergleich zum unechten Vertrag zugunsten Dritter dadurch auszeichnet, das neben98 dem Versprechensempfänger (Standardisierungsorganisation) auch der begünstige Dritte (Anwender des Standards als Lizenznehmer) das Recht erhält, die versprochene Hauptleistung (Erteilung der zur Anwendung des Standards erforderlichen Patentlizenz) zu fordern. Gem. § 328 Abs. 2 BGB kommt es in Ermangelung einer ausdrücklichen Bestimmung durch die Vertragsschließenden insoweit auf die Umstände des Einzelfalles, insbesondere auf den Zweck des Vertrages an.99 Als Indiz für die Begründung eines eigenen Forderungsrechts des Begünstigten ist regelmäßig das Bestehen eines für den Versprechenden erkennbaren Interesses des Versprechensempfängers zu sehen, ein solches eigenes Forderungsrecht des Begünstigten zu begründen.100 Von einem derartigen Interesse auf Seiten der Standardisierungsorganisation ist hier aus zweierlei Gründen auszugehen: Zum einen ist die Zahl der (potentiellen) Lizenznehmer so groß, dass die Standardisierungsorganisation in der Regel gar nicht über die notwendigen personellen und finanziellen Mittel verfügt, den Lizenzierungsanspruch eines jeden Einzelnen gegenüber dem Patentinüberhaupt noch keine Kenntnis haben, wird deutlich, dass eine solche Gestaltung keinesfalls dem Interesse der Beteiligten entspricht, sicherzustellen, dass jeder interessierte Anwender des Standards alle hierzu erforderlichen Nutzungserlaubnisse auch tatsächlich erlangen kann. Zwar könnte der Gefahr des Widerrufs der FRAND-Erklärung rein theoretisch auch dadurch begegnet werden, die Standardisierungsorganisation nicht als Erklärungsboten des Patentinhabers, sondern als Stellvertreter der potentiellen Lizenznehmer zu betrachten (dann würde das Angebot bereits im Zeitpunkt des Zugangs beim Vertreter wirksam und könnte nicht mehr widerrufen werden). Da Anzahl und Identität der potentiellen Lizenznehmer im Zeitpunkt des FRAND-Versprechens aber noch nicht bekannt sind und diese zum Teil möglicherweise sogar noch nicht einmal existieren und zudem die Zulässigkeit eines „Vertreters für den, den es angeht“ zumindest zweifelhaft ist, kommt eine solche Konstruktion ebenfalls nicht in Betracht. 97 Vgl. etwa Gottwald, in: MüKo, BGB, § 328 Rn. 24; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 328 Rn. 2; jeweils m.w.N. 98 Gem. § 335 BGB bleibt das Forderungsrecht des Versprechensempfängers beim echten Vertrag zugunsten Dritter neben demjenigen des begünstigten Dritten bestehen. 99 Siehe Jagmann, in: Staudinger, BGB, § 328 Rn. 63 (2004); Larenz, S. 220. 100 Siehe nur Larenz, S. 220; Jagmann, in: Staudinger, BGB, § 328 Rn. 66 (2004).

C. FRAND – Auslegung und kritische Würdigung

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haber geltend zu machen und notfalls auf dem Klagewege durchzusetzen. Zum anderen beschränkt sich die Funktion der Standardisierungsorganisationen allein auf die Festlegung gemeinsamer Standards; die darüber hinausgehende Geltendmachung und Durchsetzung von Lizenzierungsansprüche der späteren Anwender dieser Standards liegt außerhalb ihres Aufgabengebiets. Dementsprechend legen viele dieser Organisationen in ihren IPR-Policies auch ausdrücklich fest, dass sie sich aus den lizenzvertraglichen Verhandlungen zwischen den Patentinhabern und Lizenznehmern heraushalten.101 Die hier vertretene Auffassung, dass das von dem Inhaber eines standard-essentiellen Patents abgegebene FRAND-Versprechen Grundlage für den Abschluss eines Vorvertrages nach § 328 BGB zwischen ihm und der Standardisierungsorganisation ist, durch den allen potentiellen Anwendern des betreffenden Standards das selbständig durchsetzbare Recht eingeräumt wird, vom Patentinhaber die insoweit erforderlichen Patentlizenzen zu angemessenen Bedingungen zu erhalten, wird zum Beispiel durch die im Rahmen der VITA Patent-Policy vorgesehenen Erklärung des Patentinhabers bestätigt. Auf dem dort enthaltenen, vom jeweiligen Patentinhaber bzw. dessen Vertreter auszufüllenden und zu unterschreibenden Erklärungsvordruck heißt es wörtlich: „The VITA Member Company will grant102 to all interested parties a […] patent license […] on fair, reasonable and non-discriminatory terms […].“103 „By signing this Declaration, the undersigned represents that he or she is authorized to bind the VITA Member Company as stated herein. The undersigned acknowledges and agrees that this Declaration is a binding agreement104 between the VITA Member Company and VITA,105 and its terms are enforceable 101 So heißt es beispielsweise im ETSI Guide on IPRs, Art. 4.1: „S p e c i f i c l i c e n s i n g terms and negotiations are commercial issues between the companies and s h a l l n o t b e a d d r e s s e d w i t h i n E T S I . Technical Bodies are not the appropriate place to discuss IPR Issues. Technical Bodies do not have the competence to deal with commercial issues. Members attending ETSI Technical Bodies are often technical experts who do not have legal or business responsibilities with regard to licensing issues. Discussion on licensing issues among competitors in a standards making process can significantly complicate, delay or derail this process.“ Ähnlich auch ISO/IEC Directives Part 1, Art. 2.14.2: „If the proposal is accepted on technical grounds, the originator shall ask any holder of such identified patent rights for a statement that the holder would be willing to negotiate worldwide licences under his rights with applicants throughout the world on reasonable and non-discriminatory terms and conditions. S u c h n e g o t i a t i o n s a r e l e f t t o t h e p a r t i e s c o n c e r n e d and are performed outside ISO and/or IEC.“ Diese Zurückhaltung gründet nicht zuletzt in der Angst vieler Organisationen vor einem Verstoß gegen die kartellrechtlichen Vorschriften über das Verbot von Preisabsprachen oder der Ausnutzung von Nachfragemacht. Vgl. hierzu Lemley, 90 Cal. L. Rev. 2002, S. 1889, 1965; Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S. 30 ff., jeweils m.w.N. 102 Die eigentliche Lizenzerteilung erfolgt also erst in der Zukunft, so dass noch kein endgültiger Lizenz-, sondern ein bloßer Vorvertrag gegeben ist. 103 VITA Patent-Policy, Appendix 6, Art. E 1. 104 Es ist die Rede von einem verbindlichen Vertrag, nicht von einer bloßen Absichtserklärung.

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

against the VITA Member Company, its Affiliates, successors, assigns, and transferees. The undersigned further acknowledges and agrees on behalf of the VITA Member Company that each licensee and prospective licensee of patent claims essential to implement the Draft VSO Specification identified above in Section C is an intended beneficiary106 of this agreement, and each such beneficiary is entitled to rely upon and enforce against the VITA Member Company107 the provisions set forth in this Declaration.“108

3. Zusammenfassung Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass es sich bei der von dem Inhaber standard-essentieller Patente abgegebenen FRAND-Erklärung weder um eine unverbindliche Absichtserklärung handelt, noch um ein Angebot auf unmittelbaren Abschluss eines Lizenzvertrages. Den Interessen der Beteiligten sowie den tatsächlichen Umständen, in denen die FRAND-Erklärung in den hier untersuchten Fällen normalerweise abgegeben wird, wird auf der Grundlage des deutschen Privatrechts allein die Auslegung gerecht, das Versprechen des Patentinhabers als Grundlage für den Abschluss eines (Vor-)Vertrages zwischen ihm und der jeweiligen Standardisierungsorganisation zu sehen, durch den allen interessierten Anwendern des fraglichen Standards das Recht eingeräumt wird, vom Schutzrechtsinhaber die Erteilung von Lizenzen zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen zu verlangen. Da es sich nach der hier vertretenen Meinung um einen echten Vertrag zugunsten Dritter handelt, erlangen die interessierten Anwender des Standards als begünstigte Dritte einen eigenen Anspruch gegen den Patentinhaber auf Lizenzerteilung, den sie aus eigenem Recht gerichtlich einklagen können.109 Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass dieser Anspruch natürlich nicht völlig bedingungslos ist, sondern davon abhängt, dass der jeweilige Zugangspetent auch seinerseits bereit ist, eine nach den Umständen des Einzelfalls angemessene Gegenleistung zu erbringen. Sofern dies nicht der Fall ist, besteht auf Seiten des Patentinhabers auch keine Verpflichtung zur Lizenzvergabe.110

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Der (Vor-)Vertrag kommt mit der Standardisierungsorganisation selbst zustande und nicht mit dem jeweiligen Anwender des Standards. 106 Begünstigter ist nicht die Standardisierungsorganisation als Vertragspartner, sondern jeder potentielle Lizenznehmer. 107 Es wird ein eigenes Forderungsrecht des jeweiligen Begünstigten begründet. 108 VITA Patent-Policy, Appendix 6, Art. F. 109 Zu den Einzelheiten einer solchen Klage auf Vertragserfüllung Bartenbach/Gennen, S. 85; Heinrichs, in: Palandt, BGB, vor § 145 Rn. 22; Kramer, in: MüKo, BGB, vor § 145 Rn. 56, jeweils m.w.N. 110 Anders wäre es nur, wenn der Patentinhaber sich zur Vergabe kostenloser Lizenzen verpflichtete, was im Rahmen von FRAND aber gerade nicht der Fall ist.

C. FRAND – Auslegung und kritische Würdigung

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II. Unmittelbare Bedeutung von fair, angemessen und nicht-diskriminierend Der folgende Abschnitt beschäftigt sich mit der unmittelbaren Bedeutung der Lizenzierungsverpflichtung zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen. Hierbei wird mit der Auslegung der Nicht-Diskriminierungs-Komponente begonnen, die in der praktischen Anwendung die geringeren Schwierigkeiten erwarten lässt.111 1. Nicht-diskriminierend Ein Bestandteil der FRAND-Verpflichtung ist die Vergabe von Lizenzen zu nichtdiskriminierenden Bedingungen. Dies wirft für den Patentinhaber die Frage auf, wie er seine Lizenzierungspolitik gestalten muss, um dem Vorwurf der Diskriminierung zu entgehen. Eine nähere Umschreibung oder gar Definition dieses Erfordernisses ist in den IPR-Policies der Standardisierungsorganisationen regelmäßig nicht enthalten.112 Auch die rechts- bzw. wirtschaftswissenschaftliche Literatur, die sich mit dem Thema der kollektiven Standardsetzung im Allgemeinen und der Bedeutung von FRAND im Besonderen beschäftigt und ganz überwiegend aus den USA stammt, hält sich mit der Interpretation der Nicht-Diskriminierungs-Komponente von FRAND zurück.113 Die wenigen zu dieser Fragestellung ergangenen Stellungnahmen sind darüber hinaus uneinheitlich. Während einige die Ansicht vertreten, das Nicht-Diskriminierungs-Erfordernis bedeute, dass der Patentinhaber allen Interessierten Lizenzen zu exakt denselben Bedingungen erteilen müsse,114 vertreten andere die Ansicht, dass die Anwendung unterschiedlicher Lizenzbedingungen je nach Fallgestaltung sehr wohl gerechtfertigt sein könne und dass lediglich vergleichbare oder ähnlich gelager-

111 Lesenswert in diesem Zusammenhang allerdings Teece/Sherry, 87 Minn. L. Rev. 2003, S. 1913, 1956 Fn. 149, die die Ansicht vertreten, dass die „non-discriminatory“ Komponente von FRAND für die potentiellen Lizenznehmer an sich von erheblich größerer Bedeutung sein müsste, als die „fair and reasonable“ Komponente. Wörtlich heißt es dort „[…] firms would prefer not have to pay royalties, just as they would prefer not to have to pay their rent or their taxes. But so long as every firm must pay, then the cost of the royalties can be built into the price of the product being sold, just as the cost of the raw materials and labor needed to make and sell the product is likewise built into the price. That is, prospective licensees may rationally be far more concerned about the ,non-discriminatoryÐ aspect of the FRAND requirement than they are about the ,reasonableÐ aspect.“ 112 Vgl. etwa die ETSI IPR-Policy, Art. 6.1; TCG – Bylaws, Art. 16.4. Siehe auch die empirischen Untersuchungen von Lemley, 90 Cal. L. Rev. 2002, S. 1889, 1913 f., 1964 f. sowie Farrell/Hayes/Shapiro/Sullivan, 74 Ant. L. J. 2007, S. 603, 636. 113 Zur Frage der Angemessenheit der Lizenzgebühren finden sich dagegen eine Vielzahl von Stellungnahmen. Dazu ausführlich unten Teil 3, C.II.2. 114 So z. B. Patterson, 17 Berkley Tech. L. J. 2002, S. 1043, 1052; a. A. dagegen zu Recht Feldman/Rees, 38 (7) IEEE Communications Magazine 2000, S. 112, 114 f.

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

te Sachverhalte gleich behandelt werden müssten.115 Wieder andere warten mit komplizierten ökonomischen Berechnungsmethoden auf, nach denen sich (angeblich) der gerade noch zulässige Grad der Ungleichbehandlung potentieller Lizenznehmer exakt ermitteln lasse, die juristisch indes wenig greifbar sind.116 Es besteht daher auf Seiten der am Standardisierungsprozess Beteiligten ein erhebliches Bedürfnis nach einer praktisch anwendbaren und juristisch fundierten Regel zur Bestimmung der Voraussetzungen einer nicht-diskriminierenden Lizenzierungspolitik eines Inhabers standard-essentieller Patente. Als Ansatzpunkt für die Ermittlung eines konkreten Prüfungsmaßstabes werden nachfolgend bestehende gesetzliche Vorschriften herangezogen, denen eine vergleichbare normative Schutzrichtung zugrunde liegt wie der zu untersuchenden FRAND-Verpflichtung. Solche Vorschriften könnten sich in dem auf deutscher wie europäischer Ebene bestehenden kartellrechtlichen Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung finden, namentlich in § 20 Abs. 1 GWB bzw. Art. 82 S. 2 lit. c) EGV. Beide Normen enthalten ein Diskriminierungsverbot dergestalt, dass es einem marktbeherrschenden Unternehmen verboten ist, gleichartige Handelspartner im Geschäftsverkehr ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich zu behandeln. Zur Untersuchung der Vergleichbarkeit dieses kartellrechtlichen Diskriminierungsverbotes mit der hier im Blickpunkt stehenden FRAND-Verpflichtung werden zunächst die Tatbestandsvoraussetzungen und die Rechtsfolgen der zitierten Normen des Kartellrechts überblicksartig vorgestellt und deren inhaltliche Konkretisierung durch Rechtsprechung und Literatur näher beleuchtet. Hierdurch werden die Voraussetzungen geschaffen, die erforderlich sind, um in einem zweiten Schritt der Frage nachzugehen, ob und inwieweit die Auslegung dieser Vorschriften auf das Erfordernis einer nicht-diskriminierenden Lizenzvergabe im Rahmen von FRAND übertragen werden kann. In diesem Zusammenhang wird es entscheidend auch darauf ankommen, ob die jeweiligen Regelungen – also das kartellrechtliche Missbrauchsverbot einerseits und die FRAND-Verpflichtung andererseits – dieselben oder zumindest vergleichbare Schutzzwecke verfolgen.

115 Vgl. etwa Miller, 40 Ind. L. Rev. 2007, S. 351, 355; Taffet, S. 9; Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S. 13. Vgl. auch TIA IPR-Policy Guidelines, S. 5, wo es heißt: „The term ,non-discriminatoryÐ does not mean or imply that licensing terms must be the same for all applicants. Discrimination and difference are not the same. It is understood that the process of license negotiation and the components of consideration between parties can vary substantially yet be fair.“ Die TIA ist eine der der wenigen Standardisierungsorganisationen, die in eigenen Richtlinien zu ihrer IPR-Policy versucht, die Nicht-DiskriminierungsKomponente von FRAND zu konkretisieren. 116 Vgl. etwa Swanson/Baumol, 73 Ant. L. J. 2005, S.1, 25 ff. (insbes. 31 ff.); L¦vÞque/ M¦niÀre, Technology Standards.

C. FRAND – Auslegung und kritische Würdigung

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a) Das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot Das Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB verbietet es einem marktbeherrschenden Unternehmen, „ein anderes Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, gegenüber gleichartigen Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich zu behandeln.“ Die Parallelvorschrift auf europäischer Ebene, Art. 82 S. 2 lit. c) EGB, untersagt einem Unternehmen in marktbeherrschender Stellung die „Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden.“ Trotz des leicht unterschiedlichen Wortlauts der beiden Vorschriften ist der materiell-rechtliche Inhalt nahezu identisch, da es im Kern jeweils um das Verbot der sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von im Wesentlichen gleichen Geschäftspartnern geht. Zur Vermeidung von Wiederholungen orientiert sich die nachfolgende Darstellung daher maßgeblich an der insoweit etwas detaillierteren Regelung des § 20 Abs. 1 GWB. aa) Tatbestandliche Anwendungsvoraussetzungen Sowohl § 20 Abs. 1 GWB als auch Art. 82 S. 2 lit. c) EGV finden nur dann Anwendung, wenn das die (mutmaßliche) Ungleichbehandlung vornehmende Unternehmen auf dem betreffenden Markt über eine beherrschende Stellung verfügt. Nach der Legaldefinition des § 19 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen marktbeherrschend, „soweit es als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt ohne Wettbewerber ist oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat“.117 Ähnliches gilt auf europäischer Ebene, wo der Begriff der Marktbeherrschung definiert wird als „wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens […], die dieses in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und schließlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten.“118 117 § 20 Abs. 2 S. 1 GWB erstreckt das Diskriminierungsverbot darüber hinaus auf sog. marktstarke Unternehmen, also solche, von denen kleine oder mittlere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen dergestalt abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen. Auf diese Erweiterung des Kreises der Normadressaten soll hier indes nicht weiter eingegangen werden. 118 So die gängige Formulierung des EuGH sowie der Europäische Kommission, vgl. erstmals EuGH vom 14.02.1978, Slg. 1978, S. 207, 286 (United Brands/Kommission); aus der neueren Zeit z. B. EuGH vom 12.12.1991, Slg. 1991, S. II-1439, 1480 („Hilti“). Siehe auch Europäische Kommission vom 14.12.1985, Abl. L 374 vom 31.12.1985, S. 1, 17 (ECS/AKZO II); Europäische Kommission vom 19.12.1990, Abl. L 152 vom 15.06.1991, S. 40, 48 („SodaICI“); Europäische Kommission, Art. 82 Discussion Paper, Rn. 20.

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

Die näheren Einzelheiten zur Bestimmung der Marktbeherrschung sowie die Kriterien zur sachgemäßen Marktabgrenzung sollen an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden; hierauf wird im 4. Teil näher einzugehen sein. Das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot gilt weiterhin nur gegenüber gleichartigen Unternehmen und in einem diesen üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr. Unternehmen sind in diesem Sinne gleichartig, wenn sie im Hinblick auf ihre unternehmerische Tätigkeit und ihre wirtschaftliche Funktion im Verhältnis zum Normadressaten dieselbe Aufgabe erfüllen.119 Die Gleichartigkeit ist in der Regel dann zu bejahen, wenn die entsprechenden Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder Dienstleistungen auf derselben Wirtschaftsstufe tätig sind.120 Ob ein Geschäftsverkehr für die gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, bestimmt sich danach, was sich innerhalb der in Betracht kommenden Kreise in natürlicher, wirtschaftlicher Entwicklung als allgemein geübt und als angemessen empfunden herausgebildet hat.121 bb) Materiell-rechtlicher Norminhalt Materiell-rechtlich beinhalten § 20 Abs. 1 GWB und Art. 82 S. 2 lit. c) EGV ein Verbot der sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung. Unter „Behandlung“ i.S.d. § 20 Abs. 1 GWB ist jede Maßnahme zu verstehen, die unmittelbare oder mittelbare geschäftliche Beziehungen zum Normadressaten betrifft. Ob eine Behandlung unterschiedlich ist, beurteilt sich nach einem formalen Gleichheitsmaßstab. Erforderlich ist, dass die Waren bzw. Leistungen, die einander zum Vergleich gegenübergestellt werden, vergleichbar sind. Es genügt nicht, dass sie gleichartig oder aus Sicht des Abnehmers funktionell austauschbar sind; entscheidend ist der formale Gesichtspunkt der technisch-physikalischen Identität.122 Sodann ist zu fragen, ob im Hinblick auf die in diesem Sinne vergleichbaren Waren bzw. Leistungen eine unterschiedliche Behandlung gleichartiger Unternehmen vorliegt.123 Die Ungleichbehandlung kann entweder das „Ob“ einer Geschäftsbeziehung betreffen, also darin bestehen, dass der Normadressat das Zustandekommen oder die Aufrechterhaltung einer Geschäftsverbindung verweigert, obwohl er entsprechende Verbindungen mit gleichartigen Unternehmen unterhält (sog. Geschäftsverweige119 Ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BGH vom 03.03.1969, WuW/E BGH 1027, 1030 („Sportartikelmesse II“); BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1331 („StandardSpundfass II“); allgemeine Ansicht auch im Schrifttum, so z. B. Loewenheim, in: Loewenheim/ Meessen/Riesenkampff (Hrsg.), GWB, § 20 Rn. 61. 120 Markert, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 20 Rn. 102; Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff (Hrsg.), GWB, § 20 Rn. 61. 121 BGH vom 26.10.1972, WuW/E BGH 1238, 1242 f. („Registrierkassen“); Rixen, in: FK, KartellR., § 20 GWB Rn. 127. 122 Rixen, in: FK, KartellR., § 20 GWB Rn. 147; Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/ Riesenkampff (Hrsg.), GWB, § 20 Rn. 82. 123 Siehe Markert, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 20 Rn. 102.

C. FRAND – Auslegung und kritische Würdigung

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rung); sie kann aber auch das „Wie“ einer Geschäftsbeziehung betreffen, was dann der Fall ist, wenn sie sich auf einzelne Aspekte einer bestehenden Handelsbeziehung erstreckt, im Rahmen von Lieferbeziehungen also z. B. auf Preise, Rabatte, Konditionen, Qualität, Menge, Lieferzeit, Gewährung besonderer Zusatzleistungen etc. (sog. Preis- bzw. Konditionendifferenzierung).124 Dabei kann eine Ungleichbehandlung nicht nur in der Benachteiligung einzelner Unternehmen gegenüber der Mehrheit der Behandelten, sondern ebenso in der Bevorzugung Einzelner gegenüber der Mehrheit liegen, wenn ein derartiges Verhalten sich mittelbar als Beeinträchtigung der Wettbewerbsposition der konkurrierenden, nicht bevorzugten Unternehmen auswirkt.125 Die so definierte Ungleichbehandlung ist kartellrechtlich aber nur dann verboten, wenn sie eines sachlich gerechtfertigten Grundes entbehrt. Ob eine solche sachliche Rechtfertigung vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung sowie der einhellig vertretenen Ansicht in der Literatur anhand einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB zu bestimmen.126 Es sind mithin einerseits die individuellen Interessen der Beteiligten im konkreten Einzelfall zu ermitteln und gegeneinander abzuwägen. Andererseits darf sich die Abwägung nicht auf die Feststellung des Überwiegens des einen Individualinteresses über das andere beschränken; deren Gewichtung und Bewertung ist vielmehr durch das gesetzliche Wertungssystem des GWB im Allgemeinen und den Normzweck des § 20 Abs. 1 GWB im Besonderen geprägt.127 Auf Seiten des die Ungleichbehandlung vornehmenden marktbeherrschenden Unternehmens können in die Interessenabwägung grundsätzlich alle Interessen einbezogen werden, unabhängig davon, ob das diesen Interessen dienende Verhalten nach objektiven Maßstäben kaufmännisch vernünftig oder sinnvoll ist. Dazu gehört insbesondere das Interesse an unternehmerischem Freiraum. Das Diskriminierungsverbot hindert ein (marktbeherrschendes) Unternehmen grundsätzlich nicht daran, sein Bezugs- und Absatzsystem nach eigenem Ermessen so zu gestalten, wie es dies für richtig und betriebswirtschaftlich optimal hält, und auf unterschiedliche 124 Markert, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 20 Rn. 120; Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff (Hrsg.), GWB, § 20 Rn. 88 ff. 125 BGH vom 30.10.1970, WuW/E BGH 1069, 1070 („Tonbandgeräte“); Rixen, in: FK, KartellR., § 20 GWB Rn. 145. 126 So erstmals BGH vom 27.09.1962, WuW/E BGH 502, 508 („Treuhandbüro“); aus der neueren Rspr. BGH vom 14.07.1998, WuW/E DE-R 201, 203 („Schilderpräger im Landratsamt“); BGH vom 27.04.1999, WuW DE-R 357, 358 („Feuerwehrgeräte“); BGH vom 24.06.2003, WuW/E DE-R 1144, 1146 („Schülertransporte“); BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1333 („Standard-Spundfass II“); aus der instanzgerichtlichen Rspr. z. B. OLG Düsseldorf vom 19.03.2003, WuW/E DE-R 1184, 1186 („InterCard Tarif“); OLG Stuttgart vom 16.06.2003, WuW/E DE-R 1191, 1193 („Telefonbuch-Inserate“). Ebenso Rixen, in: FK, KartellR., § 20 GWB Rn. 149; Markert, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 20 Rn. 129; Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff (Hrsg.), GWB, § 20 Rn. 69. 127 Vgl. Markert, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 20 Rn. 129; Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff (Hrsg.), GWB, § 20 Rn. 69.

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

Marktbedingungen differenziert zu reagieren.128 Die Grenze ist lediglich dort zu ziehen, wo das Interesse auf einen gesetzwidrigen Zweck gerichtet ist oder gegen rechtliche Wertungen des GWB bzw. des EGV verstößt.129 Auf Seiten der unterschiedlich Behandelten ist der Kreis der abwägungsfähigen Interessen hingegen grundsätzlich enger zu ziehen, da § 20 Abs. 1 GWB nur das Interesse der Betroffenen schützt, in ihren wettbewerblichen Betätigungsmöglichkeiten nicht durch machtbedingtes Verhalten des Normadressaten beeinträchtigt zu werden.130 Hierzu gehören in erster Linie das Interesse an der Freiheit des Marktzugangs sowie das Interesse, bei offenem Marktzugang nicht in ihrer wettbewerblichen Chancengleichheit zu anderen, gleichartigen Unternehmen beeinträchtigt zu werden.131 Im Einzelfall können in die Abwägung auch Interessen Dritter bzw. der Allgemeinheit einfließen; dies gilt jedoch nur insoweit, als sie sich auf die Gewichtung der gegeneinander abzuwägenden Interessen der Normadressaten und der Betroffenen auswirken oder das Drittinteresse vom Schutzbereich der Norm umfasst ist.132 In die letztgenannte Kategorie kann beispielsweise das Interesse der Verbraucher an dauerhaft günstigen Preisen fallen.133 Die Abwägung der so ermittelten Interessen der Beteiligten erfolgt unter maßgeblicher Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB. Konkret bedeutet dies, dass an das Vorliegen eines sachlich gerechtfertigten Grundes für die Ungleichbehandlung grundsätzlich keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden dürfen, die unternehmerische Handlungsfreiheit des Marktbeherrschers also durch die Anwendung des Diskriminierungsverbotes nicht über Gebühr eingeschränkt werden darf. Denn primäres rechtspolitisches Ziel des GWB ist es, allgemein ein möglichst hohes Maß an Betätigungsfreiheit im Wettbewerb zu sichern.134 Dies gilt nicht nur im Hinblick auf kleine und mittelständische Unternehmen, sondern ebenso in Bezug auf große, marktmächtige Wettbewerber. Deren Hand128

BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1333 („Standard-Spundfass II“); Markert, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 20 Rn. 131; Loewenheim, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff (Hrsg.), GWB, § 20 Rn. 71. 129 BGH vom 19.03.1996, WuW/E BGH 3058; 3065 f. („Pay-TV-Durchleitung“); Markert, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 20 Rn. 131; Rixen, in: FK, KartellR., § 20 GWB Rn. 155 ff. 130 BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1333 („Standard-Spundfass II“); Markert, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 20 Rn. 132; Rixen, in: FK, KartellR., § 20 GWB Rn. 157. 131 BGH vom 03.03.1969, WuW/E BGH 1027, 1031 („Sportartikelmesse II“); BGH vom 12.03.1991, WuW/E BGH 2707, 2716 („Krankentransportunternehmen II“); Markert, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 20 Rn. 132. 132 Rixen, in: FK, KartellR., § 20 GWB Rn. 158 ff.; Markert, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 20 Rn. 130, 145. 133 Vgl. BGH vom 22.09.1981, WuW/E BGH 1829, 1838 („Original-VW-Ersatzteile II“). 134 Markert, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 20 Rn. 129; BGH vom 22.09.1981, WuW/E BGH 1829, 1837 f. („Original-VW-Ersatzteile II“).

C. FRAND – Auslegung und kritische Würdigung

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lungsfreiheit soll nur dort eingeschränkt werden, wo sie zu einer Beeinträchtigung der Betätigungsmöglichkeiten der Konkurrenz dergestalt führt, dass hierdurch der Wettbewerb auf dem betreffenden Markt insgesamt geschwächt oder zum Erliegen gebracht wird.135 Die vorstehenden Ausführungen zu § 20 Abs. 1 GWB136 gelten grundsätzlich auch für das Diskriminierungsverbot des Art. 82 S. 2 lit. c) EGV, so dass sich eine detaillierte Erörterung dieser Vorschrift erübrigt. Auch hier ist entscheidend, ob die Ungleichbehandlung auf einem sachlich gerechtfertigten Grund beruht; hierzu bedarf es einer umfassenden Abwägung aller Interessen der Betroffenen unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Art. 82 EGV, wobei der Europäische Gerichtshof (EuGH) insbesondere darauf abstellt, ob das marktbeherrschende Unternehmen sich im Wettbewerb mit seinen Konkurrenten leistungsfremder Mittel bedient.137 b) Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf die FRAND-Verpflichtung Es stellt sie die Frage, ob bzw. inwieweit diese im Rahmen des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots geltenden Grundsätze auf die Nicht-Diskriminierungs-Komponente von FRAND übertragen werden können.

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Markert, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 20 Rn. 136, 141. Die wesentlichen Anwendungsgrundsätze dieser Vorschrift fasst der BGH wie folgt zusammen: „Da das Streben eines Marktteilnehmers nach möglichst günstigen Bedingungen und Preisen ebenso wie das seiner Marktgegenseite grundsätzlich wettbewerbskonform ist, kann allein daraus, daß dieses Streben nicht in jedem Fall zu einem gleichen wirtschaftlichen Ergebnis in Form eines übereinstimmenden Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung führt, noch keine negative Bewertung im Rahmen der Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 GWB gefolgert werden. Entscheidend ist vielmehr, ob eine unterschiedliche Konditionengestaltung auf Willkür oder wirtschaftlichem Handeln fremden unternehmerischen Entscheidungen beruht. § 20 GWB will dem Missbrauch von Marktmacht entgegenwirken; die Vorschrift enthält keine allgemeine Meistbegünstigungsklausel, die das marktbeherrschende Unternehmen generell zwingen soll, allen die gleichen – günstigsten – Bedingungen, insbesondere Preise, einzuräumen. Auch dem marktbeherrschenden Unternehmen soll insbesondere nicht verwehrt werden, auf unterschiedliche Marktbedingungen auch differenziert reagieren zu können. Für die sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung sind deshalb Art und Ausmaß der unterschiedlichen Behandlung entscheidend. Deren Zulässigkeit richtet sich insbesondere danach, ob die relative Schlechterbehandlung der betroffenen Unternehmen als wettbewerbskonformer, durch das jeweilige Angebot im Einzelfall bestimmter Interessenausgleich erscheint oder auf Willkür oder Überlegungen und Absichten beruht, die wirtschaftlich oder unternehmerisch vernünftigem Handeln fremd sind. Daneben ist im Auge zu behalten, daß die durch die Ungleichbehandlung betroffenen Unternehmen nicht durch die Ausübung der Macht des marktbeherrschenden Unternehmens in ihrer Wettbewerbsfähigkeit untereinander beeinträchtigt werden sollen.“ (BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1333 („StandardSpundfass II“).) 137 Vgl. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., Art. 82 EGV Rn. 163, 255, 258, 260 mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen. 136

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

Bedingung für eine solche Übertragbarkeit ist zunächst, dass die dem vertraglichen Diskriminierungsverbot der FRAND-Verpflichtung zugrundeliegende Sachverhaltskonstellation mit derjenigen des gesetzlichen Diskriminierungsverbots in § 20 Abs. 1 GWB bzw. Art. 82 S. 2 lit. c) EGV vergleichbar ist und im Wesentlichen übereinstimmt (dazu sogleich aa)). Denn nur wenn die tatbestandlichen Ausgangspositionen parallel zueinander verlaufen, kann der materiell-rechtliche Inhalt des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots auch zur Konkretisierung von FRAND herangezogen werden. Darüber hinaus ist erforderlich, dass beide Regelungen ähnliche Schutzzwecke verfolgen (dazu unten bb)). Schließlich müssen sich der materiell-rechtliche Norminhalt des in § 20 Abs. 1 GWB bzw. Art. 82 S. 2 lit. c) EGV enthaltenen allgemeinen kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots sowie dessen Konkretisierung durch Rechtsprechung und Lehre sinnvollerweise auf die Nicht-Diskriminierungs-Komponente von FRAND übertragen lassen, obwohl diese in den doch sehr speziellen Kontext der Lizenzierung von Patenten im Rahmen der kollektiven Festlegung von Technologiestandards eingebettet ist (dazu unten cc)). aa) Vergleichbarkeit der zugrundeliegenden Sachverhaltskonstellationen (1) (Norm-)Adressat Die Anwendbarkeit des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots setzt auf Seiten des Normadressaten das Vorliegen der beherrschenden Stellung auf einem konkreten sachlich und räumlich relevanten Markt voraus. Adressat der FRAND-Verpflichtung ist demgegenüber der Inhaber des für die Anwendung eines konkreten Standards essentiellen Patents.138 Es stellt sich die Frage, ob die Inhaberschaft eines solchen standard-essentiellen Patents mit dem Innehaben einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne des Kartellrechts identisch oder jedenfalls vergleichbar ist. Das Problem, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen der Inhaber eines standardessentiellen Schutzrechts zugleich marktbeherrschend im kartellrechtlichen Sinne ist, soll an dieser Stelle nicht näher vertieft werden, da hierauf im 4. Teil detailliert einzugehen sein wird. Zu beachten ist jedoch, dass ein solcher Patentinhaber jedenfalls innerhalb der jeweiligen Standardisierungsorganisation über eine überragende Machtposition verfügt. Denn das bestimmende Wesensmerkmal eines standard-essentiellen Patents liegt gerade darin, dass es technisch nicht möglich ist, den Standard anzuwenden, ohne dabei von der betreffenden patentgeschützten Lehre Gebrauch zu machen.139 Ein potentieller Anwender des Standards kommt also – will er sich rechts138 139

Siehe oben Teil 3, B.II. Zur Definition eines essentiellen bzw. normnotwendigen Patents vgl. oben Teil 2, D.IV.

C. FRAND – Auslegung und kritische Würdigung

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konform verhalten140 – nicht umhin, bei dem Patentinhaber um eine Lizenz nachzusuchen. Der Patentinhaber hat es also in der Hand, die Anwendung und Verbreitung des Standards nach Belieben zu steuern oder zu verhindern. Der Schuldner der FRAND-Verpflichtung ist als Inhaber eines standard-essentiellen Patents damit jedenfalls im Hinblick auf die Kontrolle des Zugangs zu diesem konkreten Standard ohne Wettbewerber und verfügt daher im Hinblick auf die Anwendung des betreffenden Standards über eine wirtschaftliche Machtposition, die mit derjenigen eines – auf einem ganz bestimmten Markt – beherrschenden Unternehmens i.S.d. § 20 Abs. 1 GWB bzw. Art. 82 S. 2 lit. c) EGV vergleichbar und dieser sehr ähnlich ist. Denn auch die Frage der Marktbeherrschung im Sinne des Kartellrechts wird nicht allgemein, sondern stets in Bezug auf einen konkreten, nach sachlichen, räumlichen und zeitlichen Kriterien klar abgegrenzten Markt geprüft. (2) Gleichartige Unternehmen und üblicherweise zugänglicher Geschäftsverkehr Das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot gilt darüber hinaus nur gegenüber gleichartigen Unternehmen in einem diesen üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr. Auch insoweit ist die erforderliche Vergleichbarkeit mit der im Rahmen privatwirtschaftlicher Standardisierungsbestrebungen geltenden FRAND-Verpflichtung zu bejahen. Das Versprechen des Patentinhabers zur FRAND-Lizenzvergabe richtet sich an alle interessierten Anwender des betreffenden Standards. Diese treten im Verhältnis zum Schutzrechtsinhaber als Nachfrager der patentierten Technologie auf und stehen damit auf derselben Wirtschaftsstufe. Das gilt unabhängig davon, zu welchem Zwecke sie Zugang zu dem Standard verlangen und in welcher Eigenschaft sie auf dem Markt auftreten; entscheidend ist allein ihre Gleichartigkeit im Verhältnis zum „Normadressaten“. Dass der betreffende Geschäftsverkehr, also die vertragliche Einräumung von Patentlizenzen, diesen Unternehmen auch üblicherweise zugänglich ist, ergibt sich unmittelbar aus dem FRAND-Versprechen des Patentinhabers selbst, das einen entsprechenden Anspruch auf Lizenzerteilung ja gerade begründet. (3) Zusammenfassung Die der FRAND-Verpflichtung zugrundeliegende Sachverhaltskonstellation ist derjenigen des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots sehr ähnlich. Beide „Regelungen“ gehen von im Wesentlichen parallel verlaufenden tatsächlichen Anwendungsvoraussetzungen aus, so dass die erste Bedingung für die Heranziehung der Grundsätze des § 20 Abs. 1 GWB bzw. des Art. 82 S. 2 lit. c) EGV im Rahmen der Auslegung der Nicht-Diskriminierungs-Komponente von FRAND erfüllt ist. 140

Die unberechtigte gewerbliche Nutzung eines Patents verstößt gegen § 9 S. 2 PatG.

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

bb) Vergleichbarkeit der Schutzzwecke Erforderlich ist weiterhin, dass die zugrundeliegenden Schutzzwecke in ihren wesentlichen Grundzügen übereinstimmen. (1) § 20 Abs. 1 GWB, Art. 82 S. 2 lit. c) EGV Das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot richtet sich gegen die Ausnutzung der vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierten Handlungsspielräume marktbeherrschender Unternehmen zulasten Dritter und die damit verbundene Störung des Marktgeschehens.141 Vor diesem Hintergrund schränkt es die grundgesetzlich gewährleistete Handlungs- und Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) der Normadressaten ein.142 Schutzobjekt ist neben dem Wettbewerb als solchem insbesondere die Gesamtheit der auf dem jeweiligen Markt aktuell sowie potentiell tätigen Wettbewerber.143 Sinn und Zweck ist es, die Konkurrenzfähigkeit der Marktteilnehmer und dadurch den Wettbewerb auf einem konkreten Markt zu gewährleisten. Ein marktbeherrschendes Unternehmen, das seine besondere Machtposition auf dem Markt dadurch ausnutzt, dass es seine Geschäftspartner in vergleichbaren Situationen ohne sachliche Rechtfertigung unterschiedlich behandelt, greift in die Wettbewerbsverhältnisse zwischen diesen ein. Die benachteiligten Unternehmen werden in ihrer Konkurrenzfähigkeit auf eine dem Leistungswettbewerb zuwiderlaufende Art und Weise beschränkt oder im Extremfall sogar vom Markt verdrängt. Ziel des § 20 Abs. 1 GWB bzw. des Art. 82 S. 2 lit. c) EGV ist es, derartige Wettbewerbsbeeinträchtigungen dadurch zu verhindern, dass es marktbeherrschenden Unternehmen untersagt wird, auf gleichartige Sachverhalte ungleich zu reagieren, ohne dass dies sachlich gerechtfertigt ist. Die Geschäftspartner des Marktbeherrschers sollen also vor allem vor dessen Willkür bewahrt werden. (2) FRAND Der der FRAND-Verpflichtung zugrundeliegende Schutzzweck ist bereits oben ausführlich dargelegt worden:144 Durch die Verpflichtung des Inhabers eines standard-essentiellen Patents, dieses Dritten zu angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen zur Verfügung zu stellen, soll die Allgemeinzugänglichkeit des gemeinsamen Standards gewährleistet werden. Diese Allgemeinzugänglichkeit entspricht zum einen dem Selbstverständnis der Standardisierungsorganisation;145 sie ist zum anderen kartellrechtlichen Vorgaben geschuldet.146 141

Markert, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 20 Rn 17. BGH vom 09.11.1967, WuW/E BGH 886, 890 („Jägermeister“); BGH vom 24.09.1979, WuW/E BGH 1629, 1630 („Modellbauartikel II“). 143 Markert, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 20 Rn 17. 144 Siehe oben Teil 3, A. 145 Vgl. E DIN 820-1: 2007-11, Art. 4 Abs. 1: „Normung ist die planmäßige, durch die interessierten Kreise gemeinschaftlich durchgeführte Vereinheitlichung von materiellen und 142

C. FRAND – Auslegung und kritische Würdigung

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Mit Hilfe der FRAND-Verpflichtung soll weiterhin vermieden werden, dass ein einziger Patentinhaber es in der Hand hat, durch die Verweigerung der Lizenzvergabe die Anwendung des Standards zu blockieren (Problem des Hold-Up). Auch hierzu wurde bereits an anderer Stelle ausführlich Stellung genommen.147 (3) Gegenüberstellung Eine Gegenüberstellung der jeweiligen Schutzzwecke zeigt, dass deutliche Parallelen bestehen. Sowohl dem kartellrechtlichen Diskriminierungsverbot als auch der FRAND-Verpflichtung liegt die Überlegung zugrunde, dass es einem Unternehmen, das sich gegenüber anderen Unternehmen in einer besonderen Machtposition befindet, verboten sein soll, diese anderen Unternehmen in sachlich ungerechtfertigter Weise ungleich zu behandeln. Im Hinblick auf die Erteilung von Lizenzen wird sowohl dem marktbeherrschenden Unternehmen als auch dem Inhaber eines standardessentiellen Patents untersagt, durch die Anwendung einer diskriminierenden Lizenzierungspolitik in die Wettbewerbsposition der (potentiellen) Lizenznehmer einzugreifen. Die Vergleichbarkeit der Schutzzwecke ergibt sich weiterhin daraus, dass auch FRAND letztlich der Vermeidung von Verstößen gegen das Kartellrecht dient. Dies macht deutlich, dass beide Regelwerke nicht beziehungslos nebeneinanderstehen, sondern vielmehr miteinander korrelieren. cc) Übertragbarkeit des materiell-rechtlichen Norminhalts Nachdem also die Vergleichbarkeit der zugrundeliegenden Sachverhaltskonstellationen sowie der Schutzrichtungen von FRAND-Verpflichtung und kartellrechtlichem Diskriminierungsverbot bereits festgestellt wurde und damit die Grundvoraussetzungen für eine Heranziehung des materiell-rechtlichen Norminhalts des § 20 Abs. 1 GWB bzw. Art. 82 S. 2 lit. c) EGV im Rahmen der Nicht-Diskriminierungs-Komponente von FRAND gegeben sind, bleibt die Frage zu klären, inwieweit eine solche Übertragung sich auch tatsächlich sinnvoll durchführen lässt. (1) Grundsätzliches FRAND verbietet die diskriminierende Behandlung (potentieller) Lizenznehmer. Genau wie im Rahmen des § 20 Abs. 1 GWB bzw. Art. 82 S. 2 lit. c) EGV kann sich die Ungleichbehandlung ebenso gut auf die Frage des „Ob“ wie auf diejenige des „Wie“ der Lizenzvergabe beziehen. immateriellen Gegenständen z u m N u t z e n d e r A l l g e m e i n h e i t . S i e d a r f n i c h t z u e i n e m S o n d e r v o r t e i l e i n z e l n e r f ü h r e n .“ Lesenswert außerdem Calderini/Giannaccari, S. 10; Verbruggen/Lorincz, GRUR Int. 2002, S. 815, 818. 146 Siehe oben Teil 2, D.II. 147 Siehe oben Teil 3, A.

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

Kartellrechtlich ist die Ungleichbehandlung nur in Bezug auf im Wesentlichen gleiche Sachverhalte verboten und darüber hinaus nur dann, wenn kein sachlich gerechtfertigter Grund für die Ungleichbehandlung besteht. Das Diskriminierungsverbot bedeutet gerade nicht, dass der Marktbeherrscher zur identischen Behandlung aller (potentiellen) Vertragspartner verpflichtet ist. Vielmehr bleibt es ihm überlassen, seine Vertragsbedingungen an die jeweilige Situation anzupassen und auf unterschiedliche tatsächliche, wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen differenziert zu reagieren.148 Die Anwendung dieser Vorgaben erscheint auch im Rahmen der FRAND-Verpflichtung sinnvoll. Die Auslegung der Nicht-Diskriminierungs-Komponente von FRAND in der Weise, dass der Inhaber eines standard-essentiellen Patents identische Lizenzbedingungen gegenüber jedem Lizenznehmer anwenden muss, wie dies in der Literatur zum Teil gefordert wird,149 wäre wirtschaftlich betrachtet wenig zielführend. Eine solche Interpretation von FRAND würde des Weiteren dem im Gedanken der freien Marktwirtschaft wurzelnden Grundsatz der Privatautonomie zuwiderlaufen, der besagt, dass es einem jedem Marktteilnehmer möglich sein muss, mit seinem jeweiligen Handelspartner individuell diejenigen Geschäftsbedingungen auszuhandeln, die der konkreten Geschäftsbeziehung und dem jeweiligen Sachverhalt am besten gerecht werden. Die Bedingungen der Lizenzvergabe können im Einzelfall durch eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren entscheidend beeinflusst werden; ins Gewicht fallen zum Beispiel der Umfang der Inanspruchnahme eines Patents durch den konkreten Lizenznehmer, die Möglichkeit der Kreuzlizenzierung, Art und Umfang der darüber hinaus zwischen den Parteien bestehenden Geschäftsbeziehungen sowie die Marktverhältnisse zum Zeitpunkt der Lizenzvergabe. All dies sind Gründe, die eine Preis- bzw. Konditionendifferenzierung im Rahmen der Lizenzvergabe nachvollziehbar erscheinen lassen.150 Auf das im Rahmen von § 20 Abs. 1 GWB bzw. Art. 82 S. 2 lit. c) EGV geltende Prinzip der sachlichen Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung kann somit sinnvollerweise auch im Rahmen der Interpretation von FRAND zurückgegriffen werden. (2) Im Standardisierungskontext zu beachtende Besonderheiten Im Hinblick auf die an die sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung zu stellenden Anforderungen ist vorliegend auf das bereits erwähnte Standard-Spund148 Vgl. nur BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1333 („Standard-Spundfass II“): „§ 20 GWB will dem Missbrauch von Marktmacht entgegenwirken; die Vorschrift enthält keine allgemeine Meistbegünstigungsklausel, die das marktbeherrschende Unternehmen generell zwingen soll, allen die gleichen – günstigen – Bedingungen, insbesondere Preise, einzuräumen. Auch dem marktbeherrschenden Unternehmen soll nicht verwehrt werden, auf unterschiedliche Marktbedingungen auch differenziert reagieren zu können.“ Lesenswert auch EuG vom 17.09.2007, Rs. T-201/04, Rn. 811 (Microsoft/Kommission). 149 Siehe Nachweise oben Fn. 114. 150 Vgl. etwa Feldman/Rees, 38 (7) IEEE Communications Magazine 2000, S. 112, 114 f.

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fass II Urteil des BGH aus dem Jahre 2004 hinzuweisen.151 Hier hatte der BGH erstmals über Frage zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen die Verweigerung der Erteilung von Patentlizenzen für eine technische Lehre, die im Rahmen kollektiver Standardisierungsbestrebungen zum gemeinsamen Standard erhoben worden war, gegen § 20 Abs. 1 GWB verstößt.152 Nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatten sich führende Hersteller von Industriefässern unter dem Dach des Verbands der Chemischen Industrie e.V. (VCI) auf einen gemeinsamen Standard für ein Kunststofffass mit verbesserter Restentleerung (sog. Spundfass) geeinigt. Dieser Standard, der Eingang in die vom VCI abgezeichneten „Rahmenbedingungen für das neue L-RingFass – Stand 31.07.90“ fand, beruhte maßgeblich auf der patentgeschützten technischen Lehre eines der Fasshersteller, so dass es nicht möglich war, ein den Vorgaben der VCI-Rahmenbedingungen entsprechendes Fass herzustellen, ohne von diesem Patent Gebrauch zu machen.153 Während der Patentinhaber einigen Herstellern von Spundfässern bereitwillig Lizenzen erteilte, wurde anderen Herstellern die Lizenzierung verweigert. Ungeachtet der grundsätzlich bestehenden, gesetzlich verbürgten Ausschließungsbefugnis des Patentinhabers (§ 9 PatG) wies das Gericht darauf hin, dass in dieser Situation ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB gerade deshalb besonders naheliegt, weil „der Zugang zu einem nachgelagerten Produktmarkt aufgrund einer Norm oder aufgrund normähnlicher einheitlicher Vorgaben der Produktnachfrager von der Befolgung der patentgemäßen Lehre abhängig ist. Denn in diesem Fall verhindert oder erschwert die Norm, daß sich die patentgemäße Lösung, wie es Sinn und Zweck des Patentschutzes entspricht, im Wettbewerb mit abweichenden technischen Lösungen bewähren muss.“154

Die an die sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung zu stellenden Anforderungen sind nach Ansicht des BGH in einer solchen Konstellation daher besonders hoch. „Nutzt der Patentinhaber den Umstand, daß der Zugang zu einem nachgelagerten Markt aufgrund einer Norm oder normähnlicher Rahmenbedingungen von der Befolgung der patent151

BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329 („Standard-Spundfass II“). Zur Vorinstanz: OLG Düsseldorf vom 28.06.2002 InstGE 2, S. 168. 152 Es ist darauf hinzuweisen, dass es in dem der zitierten BGH-Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt streng genommen nicht um die Arbeit einer Standardisierungsorganisation im eingangs beschriebenen Sinne ging; es handelte sich vielmehr um eine lose Zusammenarbeit der beteiligten Fasshersteller, die keinen klar strukturierten Verfahrensregeln unterlag und dem auf einen konkreten Einzelfall beschränkten Bestreben geschuldet war, sich zu einem ganz bestimmten Zweck auf einen gemeinsamen technischen Standard zu einigen. Dies ändert jedoch nichts an dem Bedeutungsgehalt dieses Urteils für den hier zu besprechenden Zusammenhang, da die dort vom Gericht als entscheidungsrelevant hervorgehobenen Sachverhaltsmerkmale auch in der hier untersuchten Konstellation eine wesentliche Rolle spielen. 153 Es handelte sich mithin um ein standard-essentielles Patent im oben (Teil 2, D.IV.) beschriebenen Sinne. 154 BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1332 („Standard-Spundfass II“).

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gemäßen Lehre abhängig ist, um den Zutritt zu diesem Markt nach Kriterien zu beschränken, die der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes widersprechen, mißbraucht er seine marktbeherrschende Stellung.“155

Mangels entsprechender Feststellungen der Vorinstanz zu den genauen Hintergründen der teilweisen Lizenzverweigerung des Patentinhabers war es dem BGH nicht möglich, abschließend über den Verstoß gegen das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot zu entscheiden. Das Urteil zeigt aber jedenfalls, dass gerade im Rahmen der Anwendung des § 20 Abs. 1 GWB auf Fälle mit Bezug zur kollektiven Standardfestlegung an das Vorliegen einer sachlichen Rechtfertigung besonders hohe Anforderungen zu stellen sind. Den Grund hierfür erkennt das Gericht in den Besonderheiten des Standardisierungskontextes, die namentlich in der Abhängigkeit der Anwender des Standards vom Zugang zu der erfindungsgemäßen Lehre sowie darin liegen, dass der Patentinhaber den Wert seiner Erfindung nicht (allein) der darin enthaltenen technischen Neuerung zu verdanken hat, sondern (zumindest auch) der Erhebung dieser Erfindung zum marktweiten Standard.156 Dieselbe Wertung muss aufgrund der identischen Sachlage sowie der weitgehend übereinstimmenden Schutzrichtung des FRAND-Versprechens auch für die Anwendung der Nicht-Diskriminierungs-Komponente von FRAND gelten. 155

BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1332 f. („Standard-Spundfass II“). Unklar bleibt allerdings, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen der Patentinhaber im Rahmen der Lizenzvergabe bzw. der Gestaltung seiner Lizenzbedingungen danach differenzieren darf, ob der jeweilige Lizenznehmer seinerseits an der Festlegung des gemeinsamen Standards mitgewirkt hat oder nicht. In dem dem Standard-Spundfass II-Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt hatte der Inhaber des standard-essentiellen Patents den anderen Standardisierungsbeteiligten Freilizenzen eingeräumt, während er von einigen außenstehenden Lizenznehmern im Einzelnen nicht bezifferte Nutzungsgebühren verlangte. Diese Praxis wurde vom LG Düsseldorf im Hinblick auf das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot nicht beanstandet und dies damit begründet, dass die an dem Standardisierungsverfahren Beteiligten durch eben diese Beteiligung und durch die Einbringung eigener Vorschläge für die konkrete Fassung des Standards gewisse Aufwendungen gemacht hätten, die sich in dem Moment als nutzlos herausstellten, als die Wahl nicht auf ihre, sondern auf die vom Patentinhaber entwickelte Lösung fiel. Die Einräumung einer Freilizenz an diese Unternehmen sei daher eine Frage der Gerechtigkeit und verstehe sich „von selbst“ (OLG Düsseldorf vom 28.06.2002 InstGE 2, S. 168, Rn. 49). Einer solchen Begründung erteilte der BGH in dem sich anschließenden Revisionsverfahren jedoch eine klare Absage. Nach dessen Ausführungen gebietet das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot zwar keine strikte Gleichbehandlung von Lizenznehmern, die sich ihrerseits an der Festlegung des gemeinsamen Standards beteiligt, und solchen, die hieran eben nicht mitgewirkt haben. Für den Fall der Ungleichbehandlung verlangt das Gericht aber gleichwohl die eindeutige Feststellung einer sachlichen Rechtfertigung. Die vom OLG gebotene Begründung genügte dem BGH insoweit nicht. Es verstehe sich nämlich gerade nicht von selbst, warum der Patentinhaber durch die Vergabe von Freilizenzen (nur) an die anderen Beteiligten des Standardisierungsprozesses deren insoweit getätigten Aufwendungen Rechnung tragen müsse. Darüber hinaus müssten diese angeblich getätigten Aufwendungen im jedem Einzelfall konkret beziffert und dem Wert der vom Patentinhaber gewährten Nutzungserlaubnis gegenübergestellt werden. Umfassend BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1333 f. („Standard-Spundfass II“). 156

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Der Kreis der berücksichtigungsfähigen Interessen des Patentinhabers dürfte hier darüber hinaus sogar noch enger zu ziehen sein als vom BGH in dem zitierten Urteil dargelegt. Dies folgt daraus, dass der Patentinhaber durch seine Beteiligung an dem Standardisierungsvorhaben und durch die Abgabe des üblichen FRAND-Versprechens der Verpflichtung zur nicht-diskriminierenden Lizenzvergabe aus freien Stücken zugestimmt hat. Um des Vorteils der Teilnahme am Standardisierungsprozess willen hat er sich den Lizenzierungsgrundsätzen der jeweiligen Organisation ohne Zwang unterworfen. Wer eine solche FRAND-Verpflichtung freiwillig eingeht, kann später nicht verlangen, im Hinblick auf die Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Interessen bei der Lizenzvergabe so gestellt zu werden wie jemand, der allein aufgrund seiner Marktstärke dem allgemeinen kartellrechtlichen Diskriminierungsverbot unterfällt. Aus der Tatsache, dass der Patentinhaber sich im Standardisierungskontext freiwillig zu einer nicht-diskriminierenden Lizenzvergabe an jedermann verpflichtet hat, folgt eine weitere Besonderheit im Hinblick auf die Beurteilung einer bestimmten Lizenzierungspolitik als diskriminierend bzw. nicht-diskriminierend: Wenngleich dem freiwilligen FRAND-Versprechen des Schutzrechtsinhabers, wie dargelegt, weder ein allgemeines Gleichbehandlungs- noch ein Meistbegünstigungsgebot entnommen werden kann, ist hierdurch auf Seiten der Anwender des Standards gleichwohl ein gewisser Vertrauenstatbestand dergestalt geschaffen worden, dass an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung von Seiten des Patentinhabers im Vergleich zum besprochenen kartellrechtlichen Diskriminierungsverbot erhöhte Anforderungen zu stellen sind. . dd) Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass der materiell-rechtliche Norminhalt des § 20 Abs. 1 GWB bzw. Art. 82 S. 2 lit. c) EGV sowie dessen Konkretisierung durch Rechtsprechung und Lehre sinnvollerweise auch zur Konkretisierung der Nicht-Diskriminierungs-Komponente der FRAND-Verpflichtung herangezogen werden können. Allerdings sind an das Vorliegen einer sachlichen Rechtfertigung für eine etwaige Ungleichbehandlung (potentieller) Lizenznehmer im Hinblick auf die Freiwilligkeit des FRAND-Versprechens in aller Regel (deutlich) strengere Anforderungen zu stellen als im Rahmen des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots. 2. Fair und angemessen Über die Verpflichtung zur nicht-diskriminierenden Lizenzvergabe hinaus verpflichtet sich ein Inhaber standard-essentieller Patente im Rahmen seines FRANDVersprechens, seine Lizenzbedingungen fair und angemessen zu gestalten. Auch insoweit sind in den IPR-Policies der Standardisierungsorganisationen aber regelmäßig

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keine Hinweise zu den Voraussetzungen zu finden, die erfüllt sein müssen, damit die Lizenzvergabe im Einzelfall fair und angemessen ist.157 Im Folgenden wird daher der Frage nachgegangen, wie der „fair and reasonable“Teil der FRAND-Verpflichtung in der Praxis konkretisiert werden kann. Auf die hierzu ergangenen, umfangreichen Stellungnahmen, die aus der (vornehmlich anglophonen) wirtschafts- wie rechtswissenschaftlichen Literatur gleichermaßen stammen,158 wird dabei nicht umfassend, sondern nur punktuell dort eingegangen, wo dies im Hinblick auf die Zielsetzung dieser Arbeit sinnvoll erscheint.159 Zudem wird mit der überwiegenden Meinung160 von einer Unterscheidung zwischen den Begriffen „fair“ und „angemessen“ weitgehend abgesehen und der Schwerpunkt der Beurteilung auf das Merkmal der Angemessenheit gelegt. Dies rechtfertigt sich nicht zuletzt aus einem Blick auf die IP-Regeln gerade der US-amerikanischen Standardisierungsorganisationen, die auf das Erfordernis einer „fairen“ Lizenzvergabe meist verzichten,161 ohne dass hiermit eine grundlegend andere Bedeutung des (F)RAND-Versprechens bezweckt wird.162 Wie bereits im Rahmen der Auslegung der Nicht-Diskriminierungs-Komponente von FRAND, sollen als Ansatzpunkt zur Konkretisierung des Merkmals einer „angemessenen“ Lizenzvergabe zunächst ausgewählte gesetzliche Vorschriften dienen, denen (möglicherweise) eine vergleichbare Schutzrichtung zugrunde liegt wie der in den IPR-Policies der Standardisierungsorganisationen enthaltenen FRAND-Verpflichtung. Hierzu werden im Bereich des Kartellrechts die Regelungen über den 157 Vgl. Lemley, 90 Cal. L. Rev. 2002, S. 1889, 1913, 1964 f.; Teece/Sherry, 87 Minn. L. Rev. 2003, S. 1913, 1957; Miller, 40 Ind. L. Rev. 2007, S. 351, 357; Patterson, 17 Berkeley Tech. L. J. 2002, S. 1043, 1052 f. 158 Siehe etwa Miller, 40 Ind. L. Rev. 2007, S. 351, 355 ff.; Farrell/Hayes/Shapiro/Sullivan, 74 Ant. L. J. 2007, S. 603, 636 ff.; Swanson/Baumol, 73 Ant. L. J. 2005, S. 1, 10 ff.; L¦vÞque/M¦niÀre, Technology Standards, unter II.3.; Layne-Farrar/Padilla/Schmalensee, 74 Ant. L. J. 2007, S. 671, 675 ff.; Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S. 10 ff.; Geradin, Abusive Pricing in an IP licensing Context, S. 11 ff.; Lemley/ Shapiro, 85 Texas L. Rev. 2007, S. 1991, 2017 ff.; Taffet, S. 10 ff.; jeweils m.w.N. 159 Eine umfassende und detaillierte Auseinandersetzung mit allen der in Fn. 158 zitierten Literaturmeinungen würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. Die meisten der dort unterbreiteten Interpretationsvorschläge lassen zudem eine konkrete, praktisch handhabbare und juristisch greifbare Methode zur einzelfallbezogenen Bestimmung der Angemessenheit von Lizenzbedingungen vermissen. 160 Siehe Nachweise oben Fn. 158. 161 Vgl. etwa TIA IPR-Policy Guidelines, S. 5; JEDEC Manual, Art. 8.3; TCG Bylaws, Sec. 16.4; ECMA Patent-Policy, Art. 1.2. 162 Vgl. Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S. 11. Auch die Europäische Kommission scheint eine signifikante Unterscheidung zwischen den von ihr selbst aufgestellten Kriterien der Fairness und Angemessenheit von Lizenzgebühren nicht ausmachen zu können. Vgl. etwa Europäische Kommission, Mitt. Gewerbliche Schutzrechte und Normen, KOM (92) 445 endg., vom 27.10.1992, Rn. 4.3.3., 4.3.7. Für eine mögliche Interpretation der Fairness-Komponente von FRAND in Anlehnung an die Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 BGB s.u. Teil 3, C.II.2.c)bb), Fn. 218.

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Ausbeutungsmissbrauch (§ 19 GWB, Art. 82 EGV) sowie deren Auslegung durch Rechtsprechung und Literatur näher beleuchtet, während patentrechtlich neben der Lizenzbereitschaftserklärung zum Zwecke der Gebührenermäßigung (§ 23 PatG) die Regelungen über die dem öffentlichen Interesse dienende Zwangslizenz (24 PatG) sowie die Kriterien der Schadensberechnung im Patentverletzungsverfahren (§ 139 PatG) den Schwerpunkt der Betrachtung bilden werden. a) Das kartellrechtliche Verbot des Ausbeutungsmissbrauchs Einen wesentlichen Bestandteil des Verbots des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung bilden auf deutscher wie auf europäische Ebene die Vorschriften über den Ausbeutungsmissbrauch, namentlich § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2 und Nr. 4 GWB und Art. 82 S. 2 lit. a) EGV. Hiernach ist es einem marktbeherrschenden Unternehmen verboten, von seinen Geschäftspartnern unangemessene Preise oder sonstige Geschäftsbedingungen zu fordern. Im Folgenden wird untersucht, welche Kriterien von den Wettbewerbsbehörden und Gerichten zur Bestimmung der (Un-)Angemessenheit einzelner Preise bzw. Geschäftsbedingungen herangezogen werden und inwieweit diese sich auf die Konkretisierung der Angemessenheits-Komponente von FRAND übertragen lassen. aa) Deutsches Kartellrecht Explizite Erwähnung findet der Begriff der „Angemessenheit“ im deutschen Kartellrecht in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB. Nach dieser Regelung, die einen Unterfall des allgemeinen Missbrauchsverbots des § 19 Abs. 1 GWB darstellt, liegt der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung vor, „wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen sich weigert, einem anderen Unternehmen gegen angemessenes Entgelt Zugang zu den eigenen Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, wenn es dem anderen Unternehmen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ohne die Mitbenutzung nicht möglich ist, auf dem vor- oder nachgelagerten Markt als Wettbewerber des marktbeherrschenden Unternehmens tätig zu werden“.

Patente und andere Immaterialgüterrechte stellen nach allgemeiner Meinung allerdings gerade keine „Infrastruktureinrichtungen“ im Sinne dieser Vorschrift dar, so dass das Fordern unangemessener Lizenzbedingungen nicht unter § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB subsumiert werden kann.163 Stattdessen kommt in diesen Fällen die allgemeine Verbotsnorm des § 19 Abs. 1 GWB zur Anwendung.164 163

So bereits die Regierungsbegründung, vgl. Bundesregierung, BT-Drucks. 13/9720, S. 79 f. Allg. Meinung auch in der Lit., vgl. z. B. Götting, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 90; Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 195, 219; Dreher, DB 1999, S. 833, 837; Weyer, AG 1999, S. 257, 261; Casper, ZHR 166 (2002), S. 685, 692.

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Die Prüfung der Angemessenheit bzw. Unangemessenheit konkreter Geschäftsbedingungen im Rahmen des § 19 Abs. 1 GWB orientiert sich in der Praxis165 an dem in § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB festgeschriebenen sog. Vergleichsmarktkonzept.166 Nach dem Regeltatbestand des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB wird die Missbräuchlichkeit eines Verhaltens gegenüber der Marktgegenseite durch einen Vergleich mit den Preisen und Geschäftsbedingungen bestimmt, die sich bei wirksamem Wettbewerb wahrscheinlich ergäben. Den Maßstab bildet nach dem Wortlaut des Gesetzes also grundsätzlich der hypothetische Wettbewerb (sog. „Als-ob-Wettbewerb“), wobei es ausreicht, dass es sich bei dem zum Vergleich herangezogenen Markt um einen solchen mit gegenüber dem geprüften Markt erhöhter Wettbewerbsintensität handelt.167 In der Praxis wird zur Ermittlung des wettbewerbsanalogen Preises und sonstiger wettbewerbsanaloger Geschäftsbedingungen vorrangig auf das sog. räumliche Vergleichsmarktkonzept zurückgegriffen.168 Dabei werden die zu überprüfenden Preise und Geschäftsbedingungen des marktbeherrschenden Unternehmens mit den auf einem anderen räumlichen Markt für das gleiche Produkt geforderten Konditionen verglichen. Eine solche Vergleichsmarktbetrachtung setzt aber voraus, dass die Marktverhältnisse auf dem zum Vergleich herangezogenen Markt mit denen auf dem beherrschten Markt weitgehend übereinstimmen, denn nur dann ist die erforderliche Vergleichbarkeit gegeben.169 Je beschränkter das herangezogene Vergleichsmaterial ist, desto problematischer ist auch die Vergleichbarkeit der Märkte.170 Neben dem räumlichen findet mitunter auch das sog. sachliche Vergleichsmarktkonzept Anwendung. Hier wird als Vergleichsmarkt nicht ein anderer räumlicher, sondern ein anderer sachlicher Markt herangezogen, d. h. ein solcher, der sich auf

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Vgl. Emmerich, S. 350; Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 219; Götting, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 90; LG Düsseldorf vom 30.11.2006, WuW/E DE-R 2120, 2122 („MPEG 2-Standard“). 165 In der Literatur werden darüber hinaus eine Reihe weiterer Messverfahren vorgeschlagen, die in der Entscheidungspraxis der Kartellbehörden und Gerichte bislang aber keine Rolle gespielt haben und daher auch hier unerörtert bleiben. Vgl. etwa Möschel, in: Immenga/ Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 155 ff. 166 Vgl. etwa Weyer, in: FK, KartellR., § 19 GWB Rn. 946 ff.; Möschel, in: Immenga/ Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 154 ff. 167 Siehe KG vom 22.12.1982, WuW/E OLG 2935, 2939 („BAT Am Biggenkopf-Süd“); Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 163; Weyer, in: FK, KartellR., § 19 GWB Rn. 1216. 168 Götting, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 74; Weyer, in: FK, KartellR., § 19 GWB Rn. 1215 ff.; Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 163 ff. 169 BGH vom 21.10.1986, WuW/E BGH 2309, 2311 („Glockenheide“); KG vom 10.12.1990, WuW/E OLG 4640, 4644 f. („Hamburger Benzinpreise“). 170 Vgl. BGH vom 12.2.1980, WuW/E BGH 1678, 1682 („Valium II“); BGH vom 21.10.1986, WuW/E BGH 2309, 2311 („Glockenheide“); OLG Düsseldorf vom 17.03.2004, WuW/E DE-R 1439, 1443 („Stadtwerke Mainz“).

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ein anderes, aber vergleichbares Produkt bezieht.171 Diese Methode kommt aber nur dann in Betracht, wenn die verglichenen Produkte sich lediglich geringfügig unterscheiden, wobei nicht nur auf die produktionstechnische Vergleichbarkeit, sondern auch auf die Vergleichbarkeit der Lieferanten- und Abnehmerstrukturen der jeweiligen Märkte zu achten ist.172 Da diese Voraussetzungen aber nur äußerst selten vorliegen, kommt das sachliche Vergleichsmarktkonzept in der Praxis nur in sehr beschränktem Umfang zur Anwendung.173 Noch weniger praxisrelevant ist das sog. zeitliche Vergleichsmarktkonzept, das auf ein früheres Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens im relevanten Markt selbst Bezug nimmt.174 Die Schwäche dieses Konzepts liegt darin, dass das zum Maßstab erhobene frühere Verhalten des Marktbeherrschers selbst nicht darauf überprüft wird, ob es – wie von § 19 Abs. 4 Nr. 2 Hs. 2 GWB vorausgesetzt – unter wettbewerblichen Voraussetzungen zustande gekommen ist; die in Bezug genommenen, früheren Geschäftsbedingungen können mit anderen Worten ebenso unangemessen gewesen sein wie die jetzt in Rede stehenden Konditionen selbst.175 Das zeitliche Vergleichsmarktkonzept spielt daher in der Entscheidungspraxis der Wettbewerbsbehörden und Gerichte so gut wie keine Rolle.176 Unabhängig davon, welchen der beschriebenen Vergleichsmärkte man im Einzelfall heranzieht, sieht sich die Vergleichsmarktbetrachtung allerdings mit dem grundsätzlichen Problem konfrontiert, dass eine eindeutige Festlegung des wettbewerbsanalogen Preises und der wettbewerbsanalogen sonstigen Geschäftsbedingungen in der Regel nur schwer möglich ist; aufgrund häufig vorliegender Strukturunterschiede auf den verglichenen Märkten bestehen darüber hinaus hinsichtlich der Einschätzung des herangezogenen Vergleichsmaterials oftmals erhebliche Schwierigkeiten.

171 Vgl. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 167; Götting, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 75. 172 Götting, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 75. 173 Vgl. z. B. BKartAvom 06.08.1982, WuW/E BKartA 1999, 2001 f. – BATam BiggenkopfSüd sowie KG vom 22.12.1982, WuW/E OLG 2935, 2939 f. („BAT Am Biggenkopf-Süd“); KG vom 19.03.1975, WuW/E OLG 1599, 1610 („Vitamin B 12“). 174 Hiervon zu unterscheiden ist das zeitgleiche eigene Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens auf einem vergleichbaren Markt, welches in § 19 Abs. 4 Nr. 3 GWB gesondert erfasst ist. Hierbei handelt es sich indes nicht um einen Fall des Ausbeutungsmissbrauchs durch Fordern von Preisen oder sonstigen Konditionen, die für sich betrachtet unangemessen sind. Das Regelbeispiel der Nr. 3 ist vielmehr Ausprägung des Behinderungsmissbrauchs in Gestalt der Abnehmerdiskriminierung. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um eine legislative Wiederholung des § 20 Abs. 1 GWB, der sachlich keine zusätzliche Bedeutung zukommt und bereits oben (Teil 3, C.II:1.a)) behandelt wurde. Vgl. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 170; a. A. Weyer, in: FK, KartellR., § 19 GWB Rn. 1261. 175 Vgl. Monopolkommission, Sondergutachten 1, Rn. 38, 43 ff.; Möschel, in: Immenga/ Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 168. 176 Weyer, in: FK, KartellR., § 19 GWB Rn. 1225.

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Jedenfalls in Fällen des reinen Preismissbrauchs arbeitet die Praxis daher regelmäßig mit sog. Sicherheitszuschlägen.177 Diese werden auf die auf dem Vergleichsmarkt ermittelten Preise aufgeschlagen, um sicherzustellen, dass eine Abweichung von dem so ermittelten Preis tatsächlich jenseits des bei einem effektiven Wettbewerb voraussichtlich zu erwartenden Preises liegt.178 Der Vorwurf des Marktmachtmissbrauchs kommt weiterhin nur dann in Betracht, wenn die Abweichung der geprüften Preise von denen auf dem in Bezug genommenen Vergleichsmarkt erheblich bzw. spürbar ist.179 Erforderlich ist also, dass der ordnungsgemäß – d. h. unter Einrechnung des erwähnten Sicherheitszuschlages – ermittelte Vergleichspreis erheblich unter demjenigen Preis liegt, den das betroffene Unternehmen fordert.180 Beim Konditionenmissbrauch wird die Bestimmung der (Un-)Angemessenheit der von dem marktbeherrschenden Unternehmen geforderten Geschäftsbedingungen außerdem dadurch erschwert, dass die Art der von den zu vergleichenden Unternehmen verwendeten Konditionen in der Regel mehr oder weniger stark variiert, so dass eine direkte Gegenüberstellung wie beim reinen Preismissbrauch nicht möglich ist und auch eine Anwendung der erwähnten Sicherheits- und Erheblichkeitszuschläge häufig nicht weiterhilft. Hier sind daher nicht einzelne Konditionen unmittelbar einander gegenüberzustellen; in die Vergleichsbetrachtung ist vielmehr die Gesamtheit der von den verglichenen Unternehmen geforderten Geschäftsbedingungen einzubeziehen (sog. Leistungsbündel).181 Wichtiger Bestandteil dieses Leistungsbündels ist allerdings auch hier die Preisgestaltung. bb) Europäisches Kartellrecht Die Rechtslage auf europäischer Ebene verläuft parallel zu derjenigen des GWB. Der Preis- bzw. Konditionenmissbrauch ist in Art. 82 S. 2 lit. a) EGV als Regelbeispiel und Unterfall des in Art. 82 S. 1 EGVenthaltenen allgemeinen Verbots des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung ausgestaltet. Ein Marktmachtmiss177 Siehe etwa BGH vom 16.12.1976, BGHZ 68, S. 23, 33 („Valium“); BGH vom 6.11.1984, WuW/E BGH 2103, 2105 („Favorit“); BGH vom 22.07.1999, WuW/E DE-R 375, 379 („Flugpreisspaltung“); OLG Düsseldorf vom 17.03.2004, WuW/E DE-R 1439, 1443 („Stadtwerke Mainz“). 178 Vgl. Emmerich, S. 345. 179 Das Erfordernis einer erheblichen Überschreitung des Wettbewerbsniveaus ergibt sich bereits aus den Gesetzesmaterialien zur 4. GWB-Novelle, siehe den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft in WuW 1980, S. 366, 370 sowie die Stellungnahme des Rechtsausschusses in WuW 1980, S. 381. Vgl. auch Emmerich, S. 345. 180 Siehe Götting, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 77; Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 160. 181 Vgl. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 173; Weyer, in: FK, KartellR., § 19 GWB Rn. 1255 f.; KG vom 13.07.1983, WuW/E OLG 3091, 3096 ff. („Favorit“).

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brauch kann hiernach insbesondere in „der unmittelbaren oder mittelbaren Erzwingung von u n a n g e m e s s e n e n Einkaufs- oder Verkaufspreisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen“ bestehen. Auch hier taucht also der Begriff der Unangemessenheit von Geschäftsbedingungen unmittelbar im Gesetzestext selbst auf. Die Methodik zur Bestimmung der Angemessenheit oder Unangemessenheit bestimmter Preise bzw. Geschäftsbedingungen folgt im Wesentlichen der dargestellten, auch von den deutschen Kartellbehörden und Gerichten regelmäßig zu Rate gezogenen Vergleichsmarktmethode,182 wobei auch hier dem sog. räumlichen Vergleichsmarktkonzept in der Praxis die größte Bedeutung zukommt.183 Als räumlicher Vergleichsmarkt wird dabei in aller Regel ein anderer Teilmarkt innerhalb der Gemeinschaft herangezogen.184 Genau wie in der deutschen Praxis muss auch hier auf dem in Bezug genommenen Vergleichsmarkt nicht zwingend ein wirksamer Wettbewerb herrschen; es reicht vielmehr aus, wenn dort eine höhere Wettbewerbsintensität zu beobachten ist als auf dem geprüften Markt selbst.185 Zum Ausgleich der auf den zu vergleichenden Märkten mitunter bestehenden strukturellen Unterschiede wird wiederum mit entsprechenden Zu- bzw. Abschlägen gearbeitet.186 Darüber hinaus muss die Abweichung auch hier erheblich sein.187 cc) Kritische Würdigung Unabhängig von der Frage, ob die übrigen der oben genannten Voraussetzungen188 für die Übertragbarkeit dieses kartellrechtlichen Beurteilungsmaßstabs der Angemessenheit von Preisen und Geschäftsbedingungen auf die Angemessenheits-Kom182

Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Lizenzvergabe an gewerblichen Schutzrechten. Lesenswert (obgleich im Zusammenhang mit Art. 81 EGV) – Europäische Kommission, Technologietransferleitlinien, Abl. C 101 vom 27.04.2004, S. 2, Rn. 158: „Bei der Beurteilung, ob Lizenzgebühren unverhältnismäßig sind, ist es sinnvoll, die Lizenzgebühren heranzuziehen, die andere Lizenznehmer auf dem Produktmarkt für dieselbe Technologie oder für eine Ersatztechnologie entrichten.“ Vgl. darüber hinaus Geradin, Abusive Pricing in an IP licensing Context, S. 16 f. 183 Siehe etwa EuGH vom 13.07.1989, Slg. 1989, S. 2521, 2581 („Tournier“); EuGH vom 29.02.1968, Slg. 1968, S. 85, 113 („Parke-Davis“); EuGH vom 08.06.1971, S. 487, 501 („Metro“); vgl. auch Europäische Kommission vom 17.12.1975, Abl. L 95 vom 09.04.1976, S. 1, 8 ff., 15 ff. („Chiquita“) (aus rein tatsächlichen Gründen aufgehoben durch EuGH vom 14.02.1978, Slg. 1978, S. 207 (United Brands/Kommission)). 184 In Einzelfällen kommt allerdings auch ein Vergleichsmarkt außerhalb der Gemeinschaft in Betracht. Vgl. EuG vom 16.12.1999, Slg. 1999 II, S. 3989 Tz. 51 f. („Micro Leader“). 185 Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., Art. 82 EGV Rn. 144. 186 Sieh etwa EuGH vom 13.07.1989, Slg. 1989, S. 2521, 2581 („Tournier“); EuGH vom 13.07.1989, Slg. 1989, S. 2811, 2834 f. (Lucazeau/SACEM). 187 Siehe EuGH vom 13.11.1975, Slg. 1975, S. 1367, 1380 (General Motors/Continental); Europäische Kommission vom 02.07.1984, Abl. L 207 vom 02.08.1984, S. 11, 15 („British Leyland“). 188 Gemeint sind die Vergleichbarkeit der zugrundeliegenden Sachverhaltskonstellationen sowie die Vergleichbarkeit der Schutzzwecke, vgl. oben Teil 3, C.II.1.b).

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ponente der FRAND-Verpflichtung erfüllt sind, begegnet die Heranziehung des Vergleichsmarktkonzepts im Kontext der Festlegung technischer Standards nicht unerheblichen praktischen Schwierigkeiten, da es hier in aller Regel an der stets erforderlichen Vergleichbarkeit der Marktsituationen fehlt.189 In diesem Zusammenhang ist zunächst von Bedeutung, dass als Vergleichsmaßstab ganz allgemein nur solche Lizenzbedingungen herangezogen werden können, die entweder der Inhaber eines anderen, ebenfalls standard-essentiellen Patents von seinen Lizenznehmern verlangt, oder die der in Rede stehende Patentinhaber selbst in anderen Fällen von seinen Lizenznehmern fordert. Ein Rückgriff auf die Lizenzbedingungen eines Inhabers nicht-essentieller Patente kommt demgegenüber nicht in Betracht, da hier die Vergleichbarkeit der Marktsituationen von vornherein immer fehlen wird.190 Das ergibt sich aus Folgendem: Die dem Inhaber eines standard-essentiellen Patents aufgrund seiner „Herrschaft“ über den Standard zukommende wirtschaftliche Machtposition wird sich in den von diesem verlangten (und von den Anwendern des Standards akzeptierten) Lizenzbedingungen regelmäßig widerspiegeln. Hierbei handelt es sich aber um eine normale Folge des marktwirtschaftlichen Wettbewerbsprinzips und führt dazu, dass die Bedingungen für die Nutzung eines standard-essentiellen Patents nicht allein deshalb als unangemessen betrachtet werden können, weil sie (deutlich) von denjenigen abweichen, die von Inhabern nicht-essentieller Patente verlangt werden. Die Vergleichbarkeit dürfte aber auch dann fehlen, wenn man als Vergleichsmaßstab diejenigen Lizenzbedingungen heranzieht, die der bzw. die Inhaber anderer, ebenfalls standard-essentieller Patente desselben oder eines anderen Standards von ihren Lizenznehmern verlangen. Dies ergibt sich daraus, dass ein jedes Patent in seiner konkreten Bedeutung für den jeweiligen Standard zum Teil erheblich variiert.191 Das gilt nicht nur im Verhältnis von standard-essentiellen Patenten zu nicht essentiellen Patenten, sondern auch im Verhältnis der standard-essentiellen Patente untereinander.192 Denn während sich zum Beispiel eines dieser essentiellen Patente auf das Herzstück des Standards beziehen und die zugrundeliegende Erfindung den Hauptbestandteil des entwickelten Standards darstellen kann, mag ein anderes, eben189 Vgl. zur generellen Kritik an der Heranziehung des Vergleichsmarktkonzepts im Hinblick auf die Lizenzvergabe an gewerblichen Schutzrechten Beckmerhagen, S. 360 f. Lesenswert auch Geradin, Pricing Abuses by Essential Patent Holders in a Standard-Setting Context, S. 16 ff. 190 Mit nicht-essentiellen Patenten sind solche gemeint, denen eine technische Lehre zugrunde liegt, die von dem Standard zwar ebenfalls berührt wird, für dessen Anwendung aber gerade nicht zwingend erforderlich ist. 191 Siehe Geradin, Pricing Abuses by Essential Patent Holders in a Standard-Setting Context, S. 17. 192 Es bedarf keiner besonderen Erwähnung, dass es auch innerhalb ein- und desselben Standards durchaus mehrere essentielle Patente geben kann. Vgl. etwa Geradin, Pricing Abuses by Essential Patent Holders in a Standard-Setting Context, S. 6; Nagoka/Shimbo/Tsukada, S. 4 ff.

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falls essentielles Patent lediglich für eine unterstützende Komponente von Bedeutung sein, ohne die der Standard in seiner gegebenen Form zwar ebenfalls nicht voll funktionsfähig ist, für die die Anwender des Standards aber gleichwohl nicht bereit sind, denselben Preis zu zahlen.193 Die in einer solchen Situation von den jeweiligen Patentinhabern verlangten Lizenzgebühren und sonstigen Lizenzbedingungen werden sich daher mehr oder weniger deutlich unterscheiden, so dass es an der erforderlichen Vergleichbarkeit fehlt. Die Vergleichbarkeit der Marktsituationen dürfte darüber hinaus regelmäßig auch deshalb nicht vorliegen, weil nicht jeder Inhaber eines standard-essentiellen Patents mit der Vergabe von Lizenzen dieselbe Strategie verfolgt. Für einen Patentinhaber, der reiner Erfinder ist, stellt die Lizenzierung seiner Schutzrechte die einzige Einnahmequelle dar; entsprechend hoch werden die von ihm verlangten Lizenzgebühren sein. Ein Patentinhaber, der zugleich auf dem nachgelagerten Produktmarkt tätig ist, kann demgegenüber erheblich geringere Lizenzgebühren verlangen und seine Haupteinnahmen stattdessen durch den Verkauf standardkonformer Produkte bzw. Verfahren erzielen.194 Als Vergleichsmaßstab können schließlich auch nicht diejenigen Lizenzverträge herangezogen werden, die derselbe Patentinhaber mit anderen Lizenznehmern in Bezug auf das konkrete Patent geschlossen hat. Dies würde nämlich zum einen die Gewissheit voraussetzen, dass jedenfalls die dort verlangten Konditionen angemessen sind, was sich aus den genannten Gründen jedenfalls mit Hilfe des Vergleichsmarktkonzepts aber gerade nicht ermitteln lässt. Wie oben ausgeführt,195 ist es zudem durchaus möglich, dass ein Patentinhaber in sachlich gerechtfertigter Weise gegenüber verschiedenen Lizenznehmern unterschiedliche Vertragsbedingungen zur Anwendung bringt. Hier spielt zum Beispiel eine Rolle, ob entsprechende Vereinbarungen über Kreuzlizenzen bestehen und/ oder ob die Unternehmen sich im Vorfeld an gemeinsamen Forschungs- und Entwicklungsprojekten beteiligt haben. Von Bedeutung ist außerdem, ob es sich im Einzelfall um ausschließliche oder nicht ausschließliche Lizenzen handelt, wie lange die Laufzeiten der jeweiligen Lizenzverträge sind und welchen Umfang die einzelnen Nutzungserlaubnisse haben.196 Die Anwendung unterschiedlicher Lizenzbedingungen gegenüber verschiedenen Vertragspartnern ist zudem im Kern kein Problem der Angemessenheit der jeweiligen Lizenzgebühren, sondern vielmehr ein Anwendungsfall der bereits besprochenen 193

Vgl. Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S. 35. Zu den unterschiedlichen wirtschaftlichen Ausgangspunkten von reinen Erfindern und vertikal integrierten Unternehmen vgl. Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S. 5 f.; L¦vÞque/M¦niÀre, Technology Standards, unter I.1; Ohana/Hansen/Shah, ECLR 2003, S. 644, 649. 195 Teil 3, C.II.1. 196 Lesenswert Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S. 13 f.; Geradin, Standardization and Technological Innovation, S. 9. 194

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Nicht-Diskriminierungs-Komponente des FRAND-Versprechens.197 Hier stellt sich daher in erster Linie die Frage nach einer sachlichen Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung und nicht diejenige nach der Angemessenheit von Lizenzbedingungen. Diese strukturellen Probleme lassen sich im hier zu untersuchenden Standardisierungskontext auch nicht mit Hilfe der oben erwähnten Sicherheits- und Erheblichkeitszuschläge auffangen. Unabhängig davon, dass das in der Praxis übliche Aufschlagen von mehr oder weniger großen Zuschlägen wegen des darin enthaltenen subjektiven Elements ohnehin die Gefahr einer willkürlichen Beurteilung birgt und daher rechtsstaatlich nicht unbedenklich erscheint, ist es jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang nicht geeignet, die bestehenden strukturellen Besonderheiten der möglichen Vergleichsmärkte auszugleichen, da diese zu ausgeprägt sind. Auch das Prinzip der Anwendung von Sicherheits- und Erheblichkeitszuschlägen gerät dort an seine Grenzen, wo die Unterschiede der möglichen Vergleichsmärkte so erheblich sind, dass bereits die Vergleichbarkeit als solche in Frage steht. Denn wo es an der Vergleichbarkeit der Märkte fehlt, ist dem Vergleichsmarktkonzept insgesamt die Grundlage entzogen, so dass sich die Frage nach der Erforderlichkeit eines Sicherheitszuschlags gar nicht erst stellt. b) Die patentrechtlichen Bestimmungen über die Lizenzbereitschaftserklärung, die Zwangslizenz und den Schadensersatz wegen Patentrechtsverletzung Im Patentrecht spielt der Begriff der Angemessenheit von Lizenzbedingungen an drei Stellen eine Rolle, die für die vorliegende Untersuchung von Bedeutung sein können. aa) Die einzelnen gesetzlichen Vorschriften Die in § 23 PatG enthaltenen Bestimmunen über die Lizenzbereitschaftserklärung sehen eine Ermäßigung der jährlich für das Patent von seinem Inhaber an das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) zu entrichtenden Gebühren (§ 17 Abs. 1 PatG) um 50 % für den Fall vor, dass der Patentanmelder bzw. -inhaber sich dem Patentamt gegenüber schriftlich bereit erklärt, „jedermann die Benutzung der Erfindung gegen a n g e m e s s e n e Ve rg ü t u n g“ zu gestatten (§ 23 Abs. 1 S. 1 PatG). Die konkrete Höhe der in diesem Sinne „angemessenen“ Vergütung wird gem. § 23 Abs. 4 S. 1 PatG auf Antrag durch das Patentamt festgesetzt. § 24 PatG enthält eine Regelung über die zwangsweise Erteilung einer Patentlizenz durch das Bundespatentgericht, sofern dies im öffentlichen Interesse geboten ist und der Lizenzsucher sich zuvor erfolglos bemüht hat, „vom Patentinhaber die Zustimmung zu erhalten, die Erfindung zu a n g e m e s s e n e n g e s c h ä f t s ü b l i c h e n B e d i n g u n g e n zu benutzen“ (§ 24 Abs. 1 PatG). Mit Erteilung der Zwangslizenz hat der Patentinhaber gegen den Inhaber dieser Lizenz gem. § 24 Abs. 6 S. 4 PatG 197

Dazu oben Teil 3, C.II.1.

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einen „Anspruch auf eine Vergütung, die nach den Umständen des Falles a n g e m e s s e n ist und den wirtschaftlichen Wert der Zwangslizenz in Betracht zieht.“ Gem. § 139 Abs. 1, 2 PatG ist derjenige zum Schadensersatz verpflichtet, der vorsätzlich oder fahrlässig das Patent eines anderen verletzt. Im Rahmen der Schadensberechnung ist gewohnheitsrechtlich anerkannt, dass der Patentinhaber zwischen drei verschiedenen Methoden wählen kann. Er hat die Möglichkeit, entweder Ersatz des ihm entgangenen Gewinns (§§ 249, 252 BGB) oder Herausgabe des vom Verletzer erzielten Gewinns oder Zahlung einer Lizenzgebühr in a n g e m e s s e n e r H ö h e zu verlangen, wobei der zuletzt genannten Variante in der Praxis die mit Abstand größte Bedeutung zukommt.198 bb) Angewandte Bewertungsmethode Ungeachtet der unterschiedlichen dogmatischen Einordnung der drei genannten Vorschriften erfolgt die Bestimmung der Angemessenheit der entsprechenden Lizenzgebühr in allen drei Fällen nach im Wesentlichen übereinstimmenden Kriterien.199 Sie bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Wert der Benutzungserlaubnis, der sich aus der Bedeutung des Patents sowie dem Umfang der Benutzung ergibt und nicht pauschal zu bestimmen ist, sondern unter Berücksichtigung der Besonderheiten des konkreten Einzelfalles ermittelt werden muss.200 Maßgebend ist jeweils, was im Falle einer vertraglichen Einigung ein vernünftiger Patentinhaber fordern und ein vernünftiger Lizenznehmer gewähren würde (sog. Prinzip der Lizenzanalogie).201 In Ermangelung anderweitiger Anhaltspunkte ist in der Regel maßgeblich darauf abzustellen, welche Gebühren für vergleichbare Erfindungen in vergleichbaren Fällen von einem vertraglichen Lizenznehmer tatsächlich gezahlt worden sind; entscheidend ist also der verkehrsmäßig übliche Wert der Benutzungsberechtigung.202 198 Vgl. etwa BGH vom 08.09.1971, GRUR 1972, S. 189, 190 („Wandsteckdose II“); BGH vom 13.07.1973, GRUR 1974, S. 53 („Nebelscheinwerfer“); Kühnen, in: Schulte (Hrsg.), PatG, § 139 Rn. 60; Keukenschrijver, in: Busse, PatG, § 139 Rn. 125; Rogge, in: FS Nirk, S. 929. 199 Vgl. nur Benkard, PatG/GebrMG, wo in § 23 PatG Rn. 16 auf die zu § 24 PatG und § 139 gemachten Ausführungen, in § 24 PatG Rn. 33, 34 wiederum auf die zu § 139 PatG gemachten Erläuterungen und in § 139 PatG Rn. 65 schließlich zurück auf die Darstellung in § 23 PatG und § 24 PatG verwiesen wird. 200 Vgl. zu § 23 PatG: Schwendy, in: Busse, PatG, § 23 Rn. 72; Rogge, in: Benkard, PatG/ GebrMG, § 23 PatG Rn. 16. Zu § 24 PatG: Schwendy, in: Busse, PatG, § 24 Rn. 84 ff.; Rogge, in: Benkard, PatG/GebrMG, § 24 PatG Rn. 33 f. Zu § 139 PatG: Keukenschrijver, in: Busse, PatG, § 139 Rn. 144 ff.; Rogge/Grabinski, in: Benkard, PatG/GebrMG, § 139 PatG Rn. 63 ff. Ausführlich zum Ganzen außerdem Groß, BB 1995, S. 885 ff.; Rogge, in: FS Nirk, S. 929, 933 ff. 201 Nachweise wie Fn. 200. In diesem Sinne bereits RG vom 29.06.1943, RGZ 171, S. 227, 239; ebenso BGH vom 30.05.1995, GRUR 1995, 578, 581 („Steuereinrichtung II“); kritisch dagegen Pietzcker, GRUR 1975, S. 55 ff. 202 Vgl. Lindemaier, GRUR 1955, S. 359; Rings, GRUR 2000, S. 839, 844; Mes, PatG/ GebrMG, § 139 PatG Rn. 80; Rogge/Grabinski, in: Benkard, PatG/GebrMG, § 139 PatG Rn. 66.

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In der Praxis erfolgt die Festsetzung der Vergütung regelmäßig in Prozentsätzen desjenigen Preises, den der Lizenznehmer mit dem Verkauf von Produkten auf Basis des jeweiligen Patents erzielt, wobei überwiegend auf die in der jeweiligen Branche üblichen Lizenzgebühren abgestellt wird.203 cc) Kritische Würdigung Die Heranziehung dieses Prinzips der Lizenzanalogie zur Bestimmung der Angemessenheit von Preisen und Geschäftsbedingungen im Rahmen von FRAND begegnet erheblichen Bedenken. Auch hierbei kommt es nämlich wiederum maßgeblich auf den Vergleich mit Lizenzbedingungen an, die in ähnlichen Fällen vertraglich tatsächlich vereinbart worden sind, so dass dieselben praktischen Schwierigkeiten bestehen wie bei der Heranziehung des soeben besprochenen, kartellrechtlichen Vergleichsmarktkonzepts.204 Wegen der Besonderheiten des Standardisierungskontextes fehlt es wiederum an geeigneten Vergleichsmöglichkeiten.205 Diese praktischen Schwierigkeiten bei der Anwendung des Prinzips der Lizenzanalogie werden auch nicht dadurch beseitigt oder abgemildert, dass in der Praxis auf die Branchenüblichkeit bestimmter Lizenzgebühren und auf die in vergleichbaren Fällen vertraglich vereinbarten Lizenzgebühren nur dann maßgeblich abgestellt wird, wenn andere Anhaltspunkte zur Wertermittlung der Patentlizenz nicht ergiebig sind.206 Als solche wertbestimmenden Faktoren werden z. B. angesehen: Art und Umfang der Lizenz, das etwaige Bestehen von Kreuzlizenzvereinbarungen, Art und Umfang der sonstigen zwischen den Betroffenen bestehenden Geschäftsbeziehungen, 203 Siehe etwa BPatG vom 07.06.1991, GRUR 1994, S. 98, 103 („Zwangslizenz“); LG Düsseldorf vom 01.06.1999, GRUR 2000, S. 690, 691 f. („Reaktanzschleife“); Hellebrand/ Kaube/Falckenstein; Mes, PatG/GebrMG, § 139 PatG Rn. 81; Rogge, in: Benkard, PatG/ GebrMG, § 24 PatG Rn. 34; Rogge/Grabinski, in: Benkard, PatG/GebrMG, § 139 PatG Rn. 65b; Schwendy, in: Busse, PatG, § 24 Rn. 87. Vgl. auch Nr. 10 der Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst (abgedruckt in Busse, PatG, Anhang 3), nach der „z. B. im Allgemeinen in der Elektroindustrie ein Lizenzsatz von1/2 – 5 %, in der Maschinen- und Werkzeugindustrie ein Lizenzsatz von 1/3 – 10 %, in der chemischen Industrie ein Lizenzsatz von 2 – 5 %, auf pharmazeutischem Gebiet ein Lizenzsatz von 2 – 10 % vom Umsatz üblich ist“. 204 Siehe hierzu oben Teil 3, C.II.2.a)cc). 205 Vgl. zu den allgemeinen Problemen bei der Anwendung des Prinzips der Lizenzanalogie Rings, GRUR 2000, S. 839, 844. Lesenswert auch Bußmann, GRUR 1977, S. 121, 131, der – freilich in leicht anderem Zusammenhang – argumentiert, dass die Bestimmung der Angemessenheit einer Lizenzgebühr praktisch überhaupt nicht möglich ist: „Es gibt keinen Maßstab dafür, was ,angemessenÐ ist. Wegen der Individualität einer jeden Erfindung fehlen Bezugsgrößen selbst dann, wenn […] ein freier Erfindungsmarkt (Lizenzverkehr) mit echten Marktpreisen besteht.“ Speziell zur Heranziehung des Prinzips der Lizenzanalogie im Standardisierungskontext Lemley/Shapiro, 85 Texas L. Rev. 2007, S. 1991, 2017 ff. 206 Vgl. etwa Groß, BB 1995, S. 885 ff.; Rings, GRUR 2000, S. 839, 844; Keukenschrijver, in: Busse, PatG, § 139 Rn. 144 ff.; Rogge, in: Benkard, PatG/GebrMG, § 24 PatG Rn. 33 f.; Rogge/Grabinski, in: Benkard, PatG/GebrMG, § 139 PatG Rn. 63 ff.

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Laufzeit des Patents, Möglichkeit des Lizenznehmers, auf alternative technische Lehren auszuweichen, sowie kommerzieller Erfolg und marktweite Akzeptanz des auf dem Patent basierenden Produkts.207 In der Rechtsprechung wird regelmäßig gefordert, dass im Rahmen der Bemessung sämtlichen Umständen des Einzelfalles gebührend Rechnung getragen werden muss.208 Mit dem Hinweis auf die Berücksichtigung der jeweiligen fallbezogenen Besonderheiten ist vorliegend aber nichts gewonnen. Zwar wird hierdurch verhindert, dass einer speziellen Fallgestaltung das unpassende Kleid eines nur scheinbar verwandten Sachverhalts aufgezwängt wird; eine Richtschnur für den Patentinhaber, wie er seine Lizenzbedingungen im konkreten Fall zu gestalten hat, um seiner FRAND-Verpflichtung zu genügen, ist dem jedoch nicht zu entnehmen. c) Eigener Ansatz Wie gesehen, lassen sich aus keiner der besprochenen Vorschriften des Kartelloder Patentrechts praxistaugliche Kriterien zur Konkretisierung der Angemessenheits-Komponente von FRAND herleiten. Es stellt sich daher nach wie vor die Frage, an welchen Gesichtspunkten sich der Patentinhaber bei der Gestaltung seiner Lizenzbedingungen konkret zu orientieren hat, um den Vorwurf unangemessener Vertragskonditionen zu vermeiden. aa) Sinn und Zweck des Patentschutzes Der Ausgangspunkt muss in Sinn und Zweck des Patentschutzes gesucht werden, wie er in den herkömmlichen Patentrechtstheorien seinen Ausdruck gefunden hat.209 In diesem Zusammenhang erweisen sich insbesondere die Anspornungs- und die Belohnungstheorie als wertvolle Stütze. Hiernach soll der Erfinder durch die Aussicht auf ein zeitlich befristetes, ausschließliches Verwertungsrecht an seiner Erfindung, das ihm einen der Nützlichkeit seiner technischen Neuerung entsprechenden Lohn garantiert, zu Ideenreichtum und erfinderischer Tätigkeit angespornt werden, um auf diese Weise die technische Fortentwicklung voranzutreiben. Entsprechend diesem Ansatz der Anspornungs- und Belohnungstheorie ist der Patentinhaber als „Urheber“ einer technischen Neuerung für seine Erfindungstätig207 Nachweise wie Fn. 206. Interessant sind auch die sog. „Georgia Pacific Factors“. Hierbei handelt es sich um insgesamt 15 Kriterien, die von den US-amerikanischen Gerichten zur Bestimmung des Schadensersatzes bei Patentrechtsverletzungen herangezogen werden. Sie beruhen auf der Entscheidung „Georgia Pacific Corp. V. United States Plywood Corp., 318 F. Supp. 1116 (D.N.Y. 1970). Zur Anwendung der Georgia Pacific Factors auf die Bestimmung angemessener Lizenzgebühren im Rahmen von FRAND vgl. Layne-Farrar/Padilla/Schmalensee, 74 Ant. L. J. 2007, S. 671, 679 ff.; Lemley/Shapiro, 85 Texas L. Rev. 2007, S. 1991, 2017 ff.; Taffet, S. 10 ff., jeweils m.w.N. 208 Vgl. etwa BPatG vom 07.06.1991, GRUR 1994, S. 98, 103 („Zwangslizenz“); BGH vom 30.05.1995, GRUR 1995, 578, 579 („Steuereinrichtung II“). 209 Siehe hierzu oben Teil 2, B.II.

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keit marktmäßig, d. h. entsprechend dem Leistungs- und Erfolgsprinzip zu entlohnen.210 Diesen Lohn kann der Patentinhaber wahlweise dadurch realisieren, dass er seine Erfindung unter Berufung auf sein Ausschließlichkeitsrecht selbst verwertet oder Dritten sein Recht in Lizenz vergibt und für die Fremdverwertung entsprechende Gebühren verlangt.211 In beiden Fällen gebührt dem Schutzrechtsinhaber aber nur derjenige Lohn, der dem tatsächlichen Marktwert seiner Erfindung entspricht.212 Nicht Sinn und Zweck des Patentschutzes ist es demgegenüber, dem Schutzrechtsinhaber darüber hinaus auch denjenigen Lohn zu garantieren, der sich aus dem Zusammenspiel des Patents mit anderen (wirtschaftlichen) Umständen ergibt.213 bb) Abgrenzung Patentlohn – Standardisierungslohn Im vorliegenden Zusammenhang ist ein solcher anderer Umstand in der Aufnahme der patentierten Erfindung in einen kooperativ festgelegten Standard zu sehen. Denn durch die Einstellung eines essentiellen Patents in einen gemeinsamen Standard kann sich der Schutzrechtsinhaber vielfach ohne besondere Anstrengungen gesteigerter Verwertungsmöglichkeiten für seine Erfindung erfreuen. Diese ergeben sich daraus, dass eine weite Verbreitung und Akzeptanz einer technischen Lehre am Markt regelmäßig dann größer ist, wenn bestimmte Wettbewerber und/oder sonstige Interessengruppen sich hierauf im Rahmen gemeinsamer Verhandlungen geeinigt haben. Häufig richten in der Folgezeit auch solche Anbieter die technischen Merkmale ihrer Produkte bzw. Verfahren an dem Standard aus, die an dem Standardisierungsverfahren zunächst nicht beteiligt waren. Je nach Marktdurchsetzung des Standards, die insbesondere im Falle von Kompatibilitätsstandards durch die beschriebenen Netzwerkeffekte erleichtert wird214 und darüber hinaus Folge einer ganz allgemein zu beobachtenden Verbraucherpräferenz für standardkonforme Produkte ist,215 eröffnen sich dem Inhaber eines zur Anwendung dieses Standards wesentlichen Patents daher häufig vormals verschlossene Einnahmequellen. Eine patentierte Erfindung erfährt also aufgrund ihrer Einstellung in einen gemeinsam festgelegten Standard eine je nach Umständen des Einzelfalls zum Teil erhebliche Wertsteigerung, ohne dass diese durch die von ihr selbst ausgehende Bereicherung für den Stand der Technik in vollem Umfang gerechtfertigt ist.216 Denn zwar 210 Vgl. Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S. 12; Bußmann, GRUR 1977, S. 121, 128. 211 Beckmerhagen, S. 342. 212 In diesem Sinne Europäische Kommission, Mitt. Gewerbliche Schutzrechte und Normen, KOM (92) 445 endg. vom 27.10.1992, Rn. 4.3.3. 213 Hierzu Patterson, 17 Berkeley Tech. L. J. 2002, S. 1043, 1047 ff. 214 Vgl. etwa Ullrich, GRUR 2007, 817, 822 f. 215 Hierzu bereits oben Teil 2, A.IV.2. Vgl. auch Conde Gallego, GRUR Int. 2006, S. 16, 22; Maaßen, S. 48; Zorn, S. 64. 216 Zur Bestimmung des „Wertes“ eines Patents durch Ermittlung der von ihm ausgehenden Bereicherung für den Stand der Technik vgl. Pohl, S. 236 ff.

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darf nicht verkannt werden, dass die Wahl der für den Standard maßgeblichen technischen Lehre in den seltensten Fällen rein zufällig erfolgt. Vielmehr finden regelmäßig nur diejenigen technischen Lehren Eingang in einen technischen Standard, die konkurrierenden Lösungen in qualitativer Hinsicht überlegen sind. Gleichwohl kann die Einbeziehung gerade seiner Lehre in einen kollektiv festgelegten Standard dem Patentinhaber zu einer besonderen Nachfrage nach Lizenzen für sein Schutzrecht verhelfen, deren konkreter Umfang nicht auf einer erfinderisch und/oder unternehmerisch entsprechend überlegenen Leistung beruht, sondern den beschriebenen Besonderheiten der überbetrieblichen Einigung auf eine gemeinsame technische Lösung geschuldet ist.217 Dem Patentinhaber in einem solchen Fall auch diesen Zusatzwert – den sog. Standardisierungslohn – zukommen zu lassen, entspricht weder dem marktwirtschaftlich orientierten Sinn und Zweck des Patentschutzes, noch ist es mit dem Gerechtigkeitsgefühl aller billig und gerecht Denkenden (§ 242 BGB) vereinbar,218 erweist sich die Einstellung gerade seiner Erfindung in den Standard für den Patentinhaber doch häufig als „Geschenk des Himmels“.219 Zur Bestimmung der Angemessenheit der Lizenzbedingungen im Rahmen von FRAND gilt es mithin, den dem Schutzrechtsinhaber nach dem Gesagten allein zustehenden Patentlohn von dem darüber hinausgehenden Standardisierungslohn zu abstrahieren. (1) Kostenorientierte Patentbewertung Dies könnte etwa dadurch geschehen, dass die dem Patentinhaber im Zusammenhang mit der Entwicklung, Anmeldung und Vermarktung der technischen Neuerung entstandenen Kosten berechnet und als Bezugsgröße für die Bestimmung einer angemessenen Vergütung herangezogen werden.220 Diese sog. Methode der kostenorientierten Patentbewertung221 erscheint indes bereits vom Ansatzpunkt her verfehlt. Das ergibt sich zum einen daraus, dass es in einem Unternehmen in aller Regel so gut wie unmöglich ist, die Kosten einzelner Erfindungen konkret zu beziffern.222 Dem widerspricht es nicht, dass jeder in Forschung und 217

Hierzu ausführlich auch unten Teil 4, C.III.2.c)bb)(3). Der Hinweis auf das Gerechtigkeitsgefühl mag nicht zuletzt aus dem in FRAND enthaltenen Erfordernis einer „fairen“ Lizenzvergabe gefolgert werden. Lesenswert hierzu Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S. 11. 219 Vgl. Weber, MuW 1940, S. 85. In diesem Sinne wohl auch Europäische Kommission, Mitt. Gewerbliche Schutzrechte und Normen, KOM (92) 445 endg. vom 27.10.1992, Rn. 4.3.3. Lesenswert außerdem Jenkins, 11 GCR 2008, S. 25, 26; Ullrich, GRUR 2007, 817, 822 f.; Patterson, 17 Berkeley Tech. L. J. 2002, S. 1043, 1047 ff.; ders., 87 Minn. L. Rev. 2003, S. 1995, 1997; Miller, 40 Ind. L. Rev. 2007, S. 351, 366; Farrell/Hayes/Shapiro/Sullivan, 74 Ant. L. J. 2007, S. 603, 610 f. 220 In diese Richtung Loest/Bartlik, ZWeR 2008, S. 41, 54. Vgl. auch EuGH vom 14.02.1978, Slg. 1978, S. 207, Rn. 248/257 (United Brands/Kommission). 221 Hierzu ausführlich Rings, GRUR 2000, S. 839, 842. 222 Siehe Bußmann, GRUR 1977, S. 121, 132. 218

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

Entwicklung investierende Anbieter von Produkten und/oder Dienstleistung im Rahmen der Preisfestlegung für seine Angebote auch die von ihm aufgewendeten Forschungs- und Entwicklungskosten berechnen und sicherstellen muss, dass diese sich amortisieren. Denn bei dieser Preiskalkulation finden regelmäßig auch die Kosten für solche Forschungs- und Entwicklungsprojekte Berücksichtigung, die zu keinem verwertbaren Ergebnis geführt haben. Wenngleich also die von einem bestimmten Unternehmen insgesamt für die Forschung und Entwicklung aufgewendeten Kosten einer Bezifferung in aller Regel zugänglich sind, ist eine Abstrahierung der gerade in die Entwicklung einer ganz konkreten Erfindung getätigten Investitionen häufig nicht möglich.223 Selbst wenn dies anders wäre, entsprächen die errechneten Kosten zum anderen aber nur in den seltensten Fällen dem wirklichen „Wert“ eines Patents. Denn während in einem Fall ein kostspieliges Forschungsvorhaben eine nahezu nutzlose Erfindung hervorbringen kann, mag in einem anderen Fall mit geringem finanziellem Aufwand eine wegweisende technische Neuerung hervorgebracht werden. Die Wahl der Erfindungskosten als Maßstab für die Angemessenheit der dem Erfinder zustehenden Lizenzgebühren hätte daher nicht selten zur Folge, dass (gesellschaftlich und wirtschaftlich) wertvolle Erfindungen schlecht, und wertlose Erfindungen gut vergütet würden.224 Ein solches Ergebnis wäre jedoch weder unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten angemessen noch entspräche es der bereits mehrfach erwähnten patentrechtlichen Belohnungstheorie; denn von einer „Belohnung“ des Erfinders kann im Falle einer reinen Kostenerstattung wohl kaum die Rede sein. Die Methode der kostenorientierten Patentbewertung widerspricht darüber hinaus dem marktwirtschaftlichen Wettbewerbsprinzip. Hierzu gehört es, dass der Preis für ein Wirtschaftsgut sich aufgrund von Angebot und Nachfrage sowie der jeweiligen Wettbewerbssituation auf dem entsprechenden Markt bestimmt. Es ist nicht ersichtlich, warum im Rahmen von FRAND etwas anderes gelten und eine reine Kostenerstattung erfolgen sollte.225 In Anbetracht der Tatsache, dass die Teilnahme an privatwirtschaftlichen Standardisierungsbestrebungen freiwillig erfolgt, muss schließlich Sorge dafür getragen werden, dass für die beteiligten Patentinhaber hinreichende wirtschaftliche Anreize geschaffen werden, ihre Schutzrechte zur Einbeziehung in den Standard auch tatsächlich zur Verfügung zu stellen.226 Da ein solcher Anreiz von einer bloßen Erstattung der Erfindungskosten sicherlich nicht ausgeht, bestünde in diesem Fall die Gefahr, dass 223

I. E. ebenso Bußmann, GRUR 1977, S. 121, 132. Zu diesen und anderen Kritikpunkten vgl. Bußmann, GRUR 1977, S. 121, 132; Rings, GRUR 2000, S. 839, 843. Lesenswert darüber hinaus Geradin, Abusive Pricing in an IP licensing Context, S. 13 ff. 225 Ebenso Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S. 9 ff.; Teece/ Sherry, 87 Minn. L. Rev. 2003, S. 1913, 1957 f. 226 Vgl. ETSI IPR-Policy, Art. 3.2: „IPR holders […] should be adequately and fairly rewarded for the use of their IPRs […].“ 224

C. FRAND – Auslegung und kritische Würdigung

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sie versuchen, ihre patentgeschützten technischen Lehren auf anderem Wege zu verwerten, was zur Folge hätte, dass der Standard nicht dem neuesten Stand der Technik entspräche und vom Markt aus diesem Grunde möglicherweise nicht angenommen würde. (2) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist bisher zweierlei festzuhalten. Erstens: Zur Bestimmung der Angemessenheit der von dem Inhaber eines standard-essentiellen Patents zu fordernden Lizenzgebühren im Rahmen von FRAND ist eine Abstrahierung des Patentlohns vom sog. Standardisierungslohn erforderlich. Das bedeutet, dass sich in den Lizenzgebühren nur derjenige Wert widerspiegeln darf, welcher der Erfindung selbst zukommt, nicht aber der darüber hinausgehende Wert, der sich aus der Aufnahme des Patents in einen Standard ergibt. Zweitens: Der so verstandene Patentlohn ist nicht nach den dem Erfinder entstandenen Erfindungskosten zu ermitteln, sondern, den Grundregeln der Marktwirtschaft folgend, unter Berücksichtigung von Angebot und Nachfrage in einem wettbewerblichen Marktumfeld. (3) Ex-ante Betrachtung Die in diesem Sinne „angemessene“ Lizenzgebühr kann in zeitlicher Hinsicht sinnvollerweise nur ex-ante bestimmt werden, also zu einem Zeitpunkt, bevor die patentierte Erfindung in den entsprechenden Standard aufgenommen und dieser von den Beteiligten kollektiv verabschiedet worden ist. Denn ex-post, also nach Festlegung des Standards, verändert sich die Verhandlungsposition des Patentinhabers regelmäßig einseitig zu dessen Gunsten. Der Grund hierfür liegt darin, dass eine Umstellung des Standards auf eine alternative technische Lösung in aller Regel mit derart hohen Kosten verbunden wäre, dass ein solches Vorgehen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausscheidet. Dies führt im Ergebnis zu einem sog. Einsperrungseffekt (lockin), so dass die Standardisierungsbeteiligten auf den einmal verabschiedeten Standard einschließlich der darin enthaltenden patentierten Lehren festgelegt sind. Ex-post verfügt der Patentinhaber daher über eine einseitig zu seinen Gunsten veränderte Verhandlungsposition, die die Bestimmung „angemessener“ Lizenzgebühren im hier verstandenen Sinne deutlich erschwert.227

227 Vgl. zum Ganzen Shapiro/Varian, S. 241; Swanson/Baumol, 73 Ant. L. J. 2005, S.1, 7 ff., 10 ff.; Weiser, S. 24 ff.; Jenkings/Cary, 11 GCR 2008, S. 26, 26; Ohana/Hansen/Shah, ECLR 2003, S. 644, 647 ff.; Teece/Sherry, 87 Minn. L. Rev. 2003, S. 1913, 1937; Farrell/ Hayes/Shapiro/Sullivan, 74 Ant. L. J. 2007, S. 603, 607 f., 611 ff.; Lemley/Shapiro, 85 Texas L. Rev. 2007, S. 1991, 1992 f.; ähnlich auch – freilich in leicht anderem Zusammenhang – Europäische Kommission, Technologietransferleitlinien, Abl. C 101 vom 27.04.2004, S. 2, Rn. 225; a.A. Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S. 12, 26 ff.

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

(4) Ex-ante Bieterverfahren Zur Bestimmung angemessener Lizenzgebühren wird daher teilweise vorgeschlagen, vor Festlegung eines Standards und Auswahl der entsprechend(en) technischen Lösung(en) unter dem Dach der Standardisierungsorganisation ein Bieterverfahren durchzuführen, in dem die einzelnen Inhaber patentrechtlich geschützter, technischer Lehren um die Aufnahme gerade ihrer Erfindung in den gemeinsamen Standard wetteifern (sog. „ex-ante auction model“).228 Dabei werden die teilnehmenden Patentinhaber dazu aufgefordert, die von ihnen im Falle des „Zuschlags“ verlangten Lizenzbedingungen offenzulegen.229 Die Aufgabe der übrigen Standardisierungsbeteiligten bzw. späteren Anwender des Standards ist es sodann, diejenige(n) technischen Lösung(en) zur Einbeziehung in den Standard zu wählen, die ihrer Ansicht nach das beste „Preis-Leistungs-Verhältnis“ aufweist (aufweisen).230 In der theoretischen Darstellung dieses Modells werden allerdings eine Reihe vereinfachender Prämissen zugrunde gelegt. So wird unter anderem davon ausgegangen, dass weder zwischen den die Angebote abgebenden Patentinhabern noch unter den abstimmungsberechtigten Standardisierungsbeteiligten interne Absprachen zur Koordinierung ihres Verhaltens stattfinden und auch eine Manipulation des Abstimmungsprozesses durch einzelne Beteiligte von vornherein vermieden wird. Des Weiteren wird vorausgesetzt, dass die Wahl der konkreten technischen Lehre keine Auswirkungen auf die Qualität nachgelagerter, standardkonformer Produkte hat, sondern allein deren Produktionskosten berührt und sämtliche Hersteller dieser Produkte gleichermaßen betrifft. Dem Modell liegt darüber hinaus die Annahme zugrunde, dass keiner der an dem Verfahren teilnehmenden Patentinhaber auf dem nachgelagerten Produktmarkt tätig ist; alle Bieter haben ihre Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen zudem bereits vollständig abgeschlossen und es entstehen ihnen im Zusammenhang mit der Lizenzvergabe keine weiteren Kosten.231 Ein Blick auf diese Prämissen lässt erkennen, dass das dargestellte Bieterverfahren zwar in der Theorie funktionieren mag, mit der Realität indes wenig gemein hat. So wird es beispielsweise nur selten vorkommen, dass keiner der an dem Verfahren beteiligten Patentinhaber zugleich auf dem nachgelagerten Produktmarkt für standardkonforme Produkte tätig ist (sog. vertikale Integration).232 Denn häufig ist es gerade für den Schutzrechtsinhaber selbst sehr lukrativ, auch die Gewinnmöglichkeiten auf dem nachgelagerten Produktmarkt auszuschöpfen, weil er dort durch die Ersparnis der Kosten für die Erlangung entsprechender Nutzungsrechte gegenüber seinen Wett-

228

Siehe Swanson/Baumol, 73 Ant. L. J. 2005, S.1, 15 ff. Swanson/Baumol, 73 Ant. L. J. 2005, S.1, 16. 230 Swanson/Baumol, 73 Ant. L. J. 2005, S.1, 16 f. 231 Siehe zum Ganzen Swanson/Baumol, 73 Ant. L. J. 2005, S.1, 17 ff. 232 Vgl. Geradin/Layne-Farrar/Padilla, Standard Setting, Rand Licensing and ex-ante Auctions, S. 10 f. 229

C. FRAND – Auslegung und kritische Würdigung

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bewerbern einen Vorteil genießt.233 Die Frage, ob ein an dem Bieterverfahren beteiligter Schutzrechtsinhaber reiner Erfinder ist und in der Vermarktung seines Patents die einzige Einnahmequelle sieht, oder ob er stattdessen auch auf dem nachgelagerten Produktmarkt gewinnorientiert tätig ist, ist für die Kalkulation der von ihm verlangten Lizenzgebühren aber von entscheidender Bedeutung;234 die Lizenzgebühren, die ein reiner Erfinder im Rahmen des Bieterverfahrens in die Waagschale wirft, werden naturgemäß höher sein als diejenigen eines vertikal integrierten Konkurrenten. Auch die Prämisse, dass die Wahl der zum Standard erhobenen technischen Lösung ohne jeden Einfluss auf die Qualität nachgelagerter, standardkonformer Produkte bleibt, sondern sich allein auf deren Produktionskosten auswirkt, erscheint realitätsfern. Tatsächlich werden die von verschiedenen Entwicklern unabhängig voneinander hervorgebrachten technischen Lehren im Hinblick auf ihre Qualität und Zuverlässigkeit nicht unerheblichen Schwankungen unterliegen.235 Schließlich begegnet auch die dem Modell zugrundeliegende Annahme eines Bieterverfahrens, das den Ausschluss jeglicher Art von Absprachen auf beiden Seiten des Prozesses garantiert, im Hinblick auf ihre praktische Umsetzung nicht unerheblichen Bedenken.236 Ungeachtet der vorstehend geäußerten Bedenken ist außerdem ganz grundsätzlich fraglich, ob die Durchführung eines solchen Bieterverfahrens zur Ermittlung der Angemessenheit konkreter Lizenzgebühren vorliegend geeignet ist. Zweifel bestehen hier deshalb, weil die Zusammenhänge im Standardisierungskontext vielfach zu komplex sind, als dass ihnen in einem einfachen Bieterverfahren hinreichend Rechnung getragen werden könnte.237 Diese Komplexität ergibt sich etwa daraus, dass die einzelnen, in einem Standard enthaltenen technischen Lösungen teilweise stark voneinander abhängig sind. So kann es beispielsweise vorkommen, dass der Wert einer patentierten Lehre („Lehre A“), die zur Unterstützung einer bestimmten Funktion innerhalb des Standards benötigt wird, sich unter anderem danach richtet, ob eine andere Lehre („Lehre B“), die eine verwandte Funktion erfüllt, ebenfalls Eingang in den Standard findet oder nicht.238 Hervorzuheben ist darüber hinaus, dass in dem vorgeschlagenen Bieterverfahren allein die Lizenzgebühren als solche „ersteigert“ werden können; praktisch unmög233

Im Gegensatz zu seinen Konkurrenten muss er für die Nutzung seiner eigenen Erfindung ja gerade keine Lizenzgebühren entrichten. 234 Vgl. oben Teil 3,C.II.2.a)cc) m.w.N.; eingehend Geradin/Layne-Farrar/Padilla, Standard Setting, Rand Licensing and ex-ante Auctions, S. 10 ff.; Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S. 5. 235 Hierzu ausführlich Geradin/Layne-Farrar/Padilla, Standard Setting, Rand Licensing and ex-ante Auctions, S. 18 ff. 236 Siehe hierzu L¦vÞque/M¦niÀre, Technology Standards, unter II.3.; Geradin/LayneFarrar/Padilla, Standard Setting, Rand Licensing and ex-ante Auctions, S. 8. 237 Vgl. zu diesem Kritikpunkt auch Geradin/Layne-Farrar, 3 (1) CPI 2007, S. 78, 96 f. 238 L¦vÞque/M¦niÀre, Technology Standards, unter II.3.

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

lich ist aber die Beachtung aller übrigen Bedingungen der Lizenzvergabe, die in der Praxis oftmals eine weitaus größere Rolle spielen als die reine – in Geld zu zahlende – Lizenzgebühr. Hierzu gehören beispielsweise die Möglichkeit der Vereinbarung von Kreuzlizenzen, Art, Umfang und Dauer der gestatteten Inanspruchnahme des Patents, die Exklusivität der Nutzungserlaubnis sowie die (Un-)Widerruflichkeit der Lizenz.239 Die Durchführung eines Bieterverfahrens wird schließlich dadurch erheblich erschwert, dass komplexe Standards oft eine unüberschaubare Vielzahl patentierter Lehren beinhalten. So beruht allein der von ETSI festgelegte Standard zum Betrieb des GSM-Mobilfunknetzes auf nicht weniger als 132 verschiedenen Patenten.240 Bechthold spricht sogar von mehr als tausend Patenten, die ein einzelner Standard im Extremfall enthalten kann.241 Ein übersichtliches und geordnetes Verfahren erscheint vor diesem Hintergrund nicht möglich. Im Ergebnis ist das dargestellte Modell eines ex-ante Bieterverfahrens als Methode zur Ermittlung angemessener Lizenzgebühren im Rahmen der Entwicklung technischer Standards daher abzulehnen.242 (5) „Angemessen“ als Ergebnis bilateraler Lizenzverhandlungen Aufgrund der dargelegten Komplexität der Faktoren, die den tatsächlichen Wert eines standard-essentiellen Patents im Einzelfall beeinflussen können, und wegen der Individualität einer jeden Geschäftsbeziehung zwischen einem Schutzrechtsinhaber und seinem (potentiellen) Lizenznehmer erscheint es aus Sicht des Verfassers nicht möglich, abstrakte Kriterien festzulegen, die zur Bestimmung der „Angemessenheit“ von Lizenzbedingungen im Sinne von FRAND herangezogen werden können. Die konkrete Bedeutung der Angemessenheits-Komponente von FRAND muss daher in jedem Einzelfall individuell ermittelt werden. Hierbei ist den Besonderheiten des konkreten Verhältnisses zwischen dem jeweiligen Patentinhaber und seinem Lizenznehmer sowie der jeweiligen Marktsituation Rechnung zu tragen. Zu beachten ist auch, dass die in Geld zu zahlenden Lizenzgebühren als solche häufig nur einen einzelnen Bestandteil eines regelmäßig anzutreffenden, weitaus größeren Bündels an Konditionen und Vereinbarungen darstellen.243 239 Zur Bedeutung dieser anderen Faktoren für die Bewertung von Lizenzverträgen vgl. Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S. 13 f. m.w.N., sowie oben Teil 3, C.II.2.a)cc). 240 Bekkers/Liotard, EIPR 1999, S. 110, 123. 241 Bechthold, GRUR Int. 2008, S. 484, 486. Vgl. auch Dolmans, Rede vom 22.06.2007. 242 Für weitere Kritikpunkte an dem ex-ante Bieterverfahren vgl. Geradin/Layne-Farrar, 3 (1) CPI 2007, S. 78, 96 ff. 243 Außer den Lizenzgebühren spielen etwa bestehende Kreuzlizenzvereinbarungen, Art und Umfang der Inanspruchnahme des Patents durch den Lizenznehmer, die Frage der Widerruflichkeit der Lizenz oder das Bestehen sonstiger Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien eine entscheidende Rolle. Siehe hierzu bereits oben Teil 3, C.II.2.a)cc).

C. FRAND – Auslegung und kritische Würdigung

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Im Hinblick auf die Grundregeln der freien Marktwirtschaft und das darin enthaltene Wettbewerbsprinzip müssen stets diejenigen Lizenzbedingungen als angemessen angesehen werden, die sich im Einzelfall als das Ergebnis bilateraler Verhandlungen zwischen Patentinhaber und Lizenznehmer darstellen,244 die auf dem Markt unter „normalen“, wettbewerblichen Bedingungen stattgefunden haben. Das von Adam Smith geprägte „Prinzip der unsichtbaren Hand“245 gilt auch hier; der Markt reguliert sich von selbst und findet aus eigener Kraft zu vernünftigen Ergebnissen.246 Die hier vertretene Ansicht, die Bestimmung angemessener Lizenzbedingungen der Eigendynamik des Marktes und den jeweils sich gegenüberstehenden Vertragsparteien zu überlassen, entspricht nicht nur dem Grundgedanken der freien Marktwirtschaft, sondern dient darüber hinaus der Aufrechterhaltung der zur wirtschaftlichen Fortentwicklung dringend erforderlichen Innovationsanreize, die sich für den Erfinder technischer Neuerungen gerade daraus ergeben, auf dem freien Markt entsprechend dem Wert seiner Erfindung für seine Erfindungstätigkeit entlohnt zu werden.247 Sie rechtfertigt sich weiterhin aus einem Vergleich zu den Patentrechtsregimen der ehemaligen sozialistischen Staaten Osteuropas. Nach dem Vorbild der Sowjetunion sahen die meisten dieser Staaten im Gegensatz zur Verleihung eines Patents als ausschließliches Verwertungsrecht die bloße Erteilung eines sog. Erfinderscheins vor, durch welchen der Erfinder das Recht erhielt, dass die Erfindung nach ihm benannt werde. Sämtliche Verwertungsrechte standen jedoch dem Staat zu und der Erfinder erhielt lediglich eine im Gesetz geregelte, nach Art und Höhe genau festgelegte und von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles unabhängige Vergütung, die bei jeder Nutzung der Erfindung fällig wurde.248 Unser, auf den Grundsätzen der Marktwirtschaft aufbauendes Patentrecht gewährt dem Erfinder demgegenüber das Recht, seine Erfindung nach Belieben selbst zu verwerten (§ 9 PatG); hierzu gehört auch die Erteilung von Lizenzen (§ 15 Abs. 2 PatG), deren Art, Inhalt und Umfang der Patentinhaber mit dem jeweiligen Lizenznehmer

244 Lesenswert Europäische Kommission, Mitt. Gewerbliche Schutzrechte und Normen, KOM (92) 445 endg. vom 27.10.1992, Rn. 4.3.3, wo es heißt: „Was ,fairÐ und ,angemessenÐ ist, läßt sich nicht näher sagen, da hier sehr viel Subjektives a u s d e n Ve r h a n d l u n g e n mit hineinspielt.“ Vgl. auch Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S. 9 ff. 245 Siehe oben Teil 2, C.II. 246 Wie hier Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S. 9, 13. Lesenswert auch Rahnasto, S. 196 ff., der darauf hinweist, dass Maßstab für die Bestimmung der Angemessenheit von Lizenzbedingungen stets sein müsse, ob die konkret in Rede stehenden Bedingungen in Verhandlungen mit unabhängigen Dritten akzeptabel seien. 247 Vgl. Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S. 9; Geradin, Standardization and Technological Innovation, S. 4. 248 Hierzu ausführlich Lebedeva, GRUR Int. 1982, S. 699 ff.; Dietz, GRUR Int. 1976, S. 139 ff., 265 ff.

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

ebenso frei aushandeln kann wie die von letzterem zu erbringende Gegenleistung.249 Es ist nicht ersichtlich, warum der Patentinhaber in Folge der im Standardisierungskontext üblichen FRAND-Verpflichtung insoweit einen Teil seiner Verhandlungsfreiheit einbüßen sollte.250 Die einzige Freiheit, welcher sich der Patentinhaber durch die Abgabe seines FRAND-Versprechens begibt, ist die grundsätzliche Entscheidung darüber, überhaupt in Verhandlungen mit Dritten über die Vergabe von Lizenzen einzutreten oder sich die Nutzung seiner Erfindung ausschließlich selbst vorzubehalten. Denn die Verpflichtung, Lizenzen zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen zu erteilen, ist, wie bereits oben ausführlich erläutert,251 dogmatisch als Vorvertrag zugunsten aller interessierten Anwender des Standards auszulegen, durch den diese einen Anspruch auf Abschluss eines Lizenzvertrages mit dem Schutzrechtsinhaber erhalten. Im hier zu behandelnden Zusammenhang erschöpft sich die Bedeutung von FRAND demnach in der Verpflichtung des Patentinhabers zum Abschluss eines solchen Lizenzvertrages zu Bedingungen, die einerseits zwar nicht diskriminierend im oben beschriebenen Sinne sein dürfen, andererseits aber in jedem Einzelfall individuell aushandelbar sind.252 Im Hinblick auf Sinn und Zweck des Patentschutzes ist hier lediglich die Einschränkung zu machen, dass die entsprechenden Verhandlungen nach Möglichkeit ex-ante, also vor endgültiger Festlegung des Standards stattfinden, da ex-post ein wettbewerbliches Marktumfeld häufig nicht mehr besteht.253 Konkret sind also die 249

S. 1. 250

Vgl. Geradin, Pricing Abuses by Essential Patent Holders in a Standard-Setting Context,

Diese Auslegung wird auch durch folgende Passage aus den offiziellen Richtlinien von ETSI zum Umgang mit geistigen Eigentumsrechten bestätigt. Im ETSI Guide on IPRs, Art. 4.1 heißt es wörtlich: „Specific licensing terms and negotiations are commercial issues between the companies and shall not be addressed within ETSI.“ Hieraus ergibt sich, dass ETSI sich bewusst aus der Festlegung der konkreten Lizenzbedingungen heraushalten und diese allein dem Koordinierungsmechanismus des Marktes und dem jeweiligen Verhandlungsgeschick der Vertragspartner überlassen will. Ähnlich auch ISO/IEC Directives Part 1, Art. 2.14.2: „If the proposal is accepted on technical grounds, the originator shall ask any holder of such identified patent rights for a statement that the holder would be willing to negotiate worldwide licences under his rights with applicants throughout the world on reasonable and non-discriminatory terms and conditions. S u c h n e g o t i a t i o n s a r e l e f t t o t h e p a r t i e s c o n c e r n e d and are performed outside ISO and/or IEC.“ 251 Siehe Teil 3, C.I. 252 Im Ergebnis ähnlich Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S. 11. Vgl. auch Geradin, Abusive Pricing in an IP licensing Context, S. 18 f., sowie ders., Standardization and Technological Innovation, S. 4. 253 Siehe oben Teil 3, C.II.2.c)bb)(3). I. E. wohl ebenso Europäische Kommission, Mitt. „Gewerbliche Schutzrechte und Normen“, KOM (92) 445 endg. vom 27.10.1992, Rn. 4.3.3. A. A. Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S. 12 ff.;

C. FRAND – Auslegung und kritische Würdigung

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übrigen Standardisierungsbeteiligten gehalten, bereits im Rahmen der Vorbereitungsphase eines bestimmten Standards bei den jeweiligen Inhabern (möglicherweise) standard-essentieller Patente um entsprechende Lizenzen nachzusuchen und sich mit diesen auf konkrete Lizenzbedingungen zu einigen. Damit bleibt die Frage zu klären, welche Bedeutung dem FRAND-Versprechen in Konstellationen zukommt, in denen ein potentieller Lizenznehmer erst nach Verabschiedung eines bestimmten Standards bei dem Inhaber essentieller Schutzrechte um eine entsprechende Lizenz nachsucht. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn es sich bei dem Zugangspetenten um einen solchen Anwender des Standards handelt, der an dem vorausgehenden Standardisierungsverfahren selbst nicht beteiligt war und infolge fehlender Kenntnis von den Standardisierungsbestrebungen auch nicht in der Lage war, bereits im Vorfeld in entsprechende Lizenzverhandlungen mit dem Schutzrechtsinhaber einzutreten. Wenn und soweit der aus dem FRAND-Versprechen folgende Anspruch auf Lizenzerteilung auch Nicht-Mitgliedern der Standardisierungsorganisation zugutekommt, was jedenfalls im Anwendungsbereich des Art. 81 EGV regelmäßig der Fall ist,254 muss sichergestellt sein, dass sich auch für einen solchen Lizenzsucher die FRAND-Verpflichtung des Patentinhabers nicht als Leerformel erweist. Nach der hier vertretenen Ansicht besteht die Hauptbedeutung von FRAND auch in diesen Fällen in seiner Rechtsnatur als echter (Vor-)Vertrag zugunsten Dritter und der daraus folgenden Verpflichtung des Patentinhabers, dem entsprechenden Zugangspetenten die Lizenzerteilung nicht grundsätzlich zu verweigern, sondern auch insoweit entsprechende Vertragsverhandlungen aufzunehmen.255 Darüber hinaus kann hier auf das „F“, also die Fairness-Komponente von FRAND zurückgegriffen werden, aus der sich in diesem Zusammenhang die Verpflichtung des Schutzrechtsinhabers ergibt, entsprechende Vertragsverhandlungen unter Beachtung der Gebote von Fairness und gegenseitigem Respekt zu führen. Konkret bedeutet dies, dass er im Rahmen der Aushandlung der Einzelheiten des Lizenzvertrages davon abzusehen hat, die ihm durch die Aufnahme gerade seiner technischen Lehre in den Standard entstandene wirtschaftliche Machtposition zum Nachteil seines bzw. seiner Vertragspartner auszunutzen. Stattdessen hat er zu jeder Zeit das Hauptanliegen der gemeinsamen Standardisierungsbemühungen im Auge zu behalten, das regelmäßig in der möglichst umfassenden Akzeptanz und Verbreitung des Standards auf dem Geradin/Layne-Farrar/Padilla, Standard Setting, Rand Licensing and ex-ante Auctions, S. 22 ff. 254 Nach den bereits erwähnten Anforderungen der Europäischen Kommission in Europäische Kommission, Horizontalleitlinien, Abl. C 3 vom 06.01.2001, S. 2, Rn. 168, 174 f. muss ein Standard jedenfalls bei entsprechender Marktstellung der Beteiligten auch für diejenigen zugänglich sein, die an dem Standardisierungsverfahren selbst nicht beteiligt waren. Ist dies in der jeweiligen IPR-Policy nicht ausdrücklich vorgesehen, so ist die FRAND-Verpflichtung durch Auslegung entsprechend anzupassen. 255 Ähnlich wiederum Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S. 11; Geradin, Abusive Pricing in an IP licensing Context, S. 18 f.

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

Markt zu sehen ist und nur durch eine ungehinderte Zugänglichkeit für jedermann erreicht werden kann. 3. Zusammenfassung Im Hinblick auf die Bedeutung des Versprechens eines Inhabers standard-essentieller Patente, jedem interessierten Anwender des Standards Lizenzen zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen zu erteilen, kann zusammenfassend Folgendes festgehalten werden: Die seitens des Schutzrechtsinhabers von den einzelnen Lizenznehmern geforderten Lizenzbedingungen dürfen nicht diskriminierend sein. Zur Auslegung dieser Nicht-Diskriminierungs-Komponente von FRAND kann auf die im Rahmen des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots (§ 20 Abs. 1 GWB, Art. 82 S. 2 lit. c) EGV) geltenden Grundsätze zurückgegriffen werden. Danach ist der Patentinhaber nicht etwa zur strikten Gleichbehandlung aller Lizenznehmer verpflichtet, sondern darf auf unterschiedliche wirtschaftliche Situationen unterschiedlich reagieren. Bei im Wesentlichen gleichen Sachverhalten hat er jedoch zu beachten, dass eine Ungleichbehandlung nur dann in Betracht kommt, wenn ihm ein sachlich gerechtfertigter Grund zur Seite steht. Insbesondere ist es ihm aber verwehrt, einzelnen Zugangspetenten die Lizenzerteilung von vornherein und grundlos zu verweigern. Die Lizenzbedingungen müssen darüber hinaus fair und angemessen sein. Eine abstrakte Bestimmung dessen, was unter „Angemessenheit“ in diesem Sinne zu verstehen ist, erscheint wegen der Besonderheiten des Standardisierungskontextes allerdings nicht möglich. Nach Ansicht des Verfassers sind im Rahmen von FRAND stets diejenigen Lizenzbedingungen als angemessen anzusehen, die der Patentinhaber im konkreten Einzelfall aufgrund bilateraler Verhandlungen, die grundsätzlich vor Festlegung des Standards stattzufinden haben, mit jedem einzelnen Lizenznehmer vereinbart. Ist die Durchführung derartiger ex-ante Verhandlungen nicht möglich oder aus anderen Gründen unterblieben, so ist der Schutzrechtsinhaber aufgrund der FairnessKomponente von FRAND verpflichtet, bei den Vertragsverhandlungen die ihm durch die Aufnahme gerade seiner technischen Lehre in den Standard entstandene wirtschaftliche Machtposition nicht zum Nachteil des Lizenznehmers auszunutzen. Die so verstandene Interpretation der Angemessenheits-Komponente von FRAND entspricht zum einen dem Sinn und Zweck des Patentschutzes und ist zum anderen auch mit den Grundsätzen der freien Marktwirtschaft und dem darin enthaltenen Wettbewerbsprinzip vereinbar. Das FRAND-Versprechen bleibt damit für die an der Standardisierung Beteiligten letztlich eine mehr oder weniger vage Formel, aus der sich für die betroffenen Inhaber standard-essentieller Patente konkrete Vorgaben für die Gestaltung ihrer Lizenzbedingungen im Einzelfall gerade nicht entnehmen lassen. Ihre grundlegende Bedeutung liegt nach der hier vertretenen Auffassung vielmehr in der Natur des FRAND-Versprechens als rechtlich verbindlicher Vorvertrag, durch

C. FRAND – Auslegung und kritische Würdigung

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den zugunsten eines jeden interessierten Anwenders des Standards ein eigener Anspruch auf Lizenzerteilung begründet wird.256

III. „Verzicht“ auf patentrechtlichen Unterlassungsanspruch durch Eingehung einer FRAND-Verpflichtung? In der Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, dass mit dem FRAND-Versprechen des Patentinhabers zugleich der „Verzicht“257 auf sein patentrechtliches Verbietungsrecht verbunden sei. Erkläre der Patentinhaber, jedem interessierten Anwender des Standards die Nutzung seiner Erfindung zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen gestatten zu wollen, dann verzichte er zugleich auf sein Recht, im Falle der Verletzung seines Patents in Form der nicht autorisierten Nutzung entsprechende Unterlassungsansprüche (§ 139 Abs. 1 PatG) geltend zu machen. Derartige Ansichten finden sich insbesondere in der US-amerikanischen Literatur.258 Zur Begründung wird angeführt, dass der Patentinhaber gerade im Standardi256

Die Frage der Praktikabilität einer solchen Regelung soll im Rahmen dieser Arbeit ebenso wenig behandelt werden wie die in der Literatur und in Standardisierungskreisen teilweise erhobene Forderungen nach einer Umgestaltung bzw. Verbesserung der IPR-Policies. So wird mitunter der Vorschlag gemacht, alle Standardisierungsbeteiligten sollten (vorab) gemeinsam feste Lizenzgebühren für standard-essentielle Patente vereinbaren, die für jeden Interessierten gleichermaßen gelten. (So Ohana/Hansen/Shah, ECLR 2003, S. 644, 648 ff.; Weiser, S. 27 ff.; Rubin, 38 Rutgers L. J. 2007, S. 509, 536 f.; Patterson, 17 Berkley Tech. L. J. 2002, S. 1043, 1078 ff.) Darüber hinaus wird häufig auf die Möglichkeit der Bildung eines Patentpools hingewiesen, in den alle (wesentlichen) Patente eingestellt werden und entsprechende Lizenzen sodann zu einem „Paketpreis“ an die Anwender des Standards vergeben werden. (Hierzu ausführlich Bekkers/Iversen/Blind; Europäische Kommission, Technologietransferleitlinien, Abl. C 101 vom 27.04.2004, S. 2, Rn. 210 ff. (insbes. Rn. 225); Loest/Bartlik, ZWeR 2008, S. 41, 55 f.) Über Sinn und Unsinn sowie über die kartellrechtliche Zu- bzw. Unzulässigkeit derartiger Praktiken wird seit Jahren heftig debattiert. (Vgl. etwa Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S. 30 ff.; Taffet, S. 12 ff.; Ohana/Hansen/ Shah, ECLR 2003, S. 644 ff.; Rubin, 38 Rutgers L. J. 2007, S. 509, 531 f., 536 f.; Farrell/ Hayes/Shapiro/Sullivan, 74 Ant. L. J. 2007, S. 603, 630 ff.; Weiser, S. 27 ff.; L¦vÞque/M¦niÀre, Technology Standards, unter II.1, II.2; Lemley, 48 Boston Cal. L. Rev. 2007, 149 ff.; Loest/ Bartlik, ZWeR 2008, S. 41, 55 f.; Bekkers/Iversen/Blind; Patterson, 17 Berkley Tech. L. J. 2002, S. 1043 ff.; Teece/Sherry, 87 Minn. L. Rev. 2003, S. 1913, 1941 ff., 1053 ff.) Der interessierte Leser sei auf die entsprechenden Fundstellen verwiesen. 257 Der Begriff „Verzicht“ ist hier im untechnischen Sinne gemeint und ist gewählt in Anlehnung an den in der englischsprachigen Literatur verwendeten Begriff „waiver“. Vgl. die entsprechenden Nachweise in Fn. 258. 258 Statt aller Miller, 40 Ind. L. Rev. 2007, S. 351, 358 ff., 374 ff. m.w.N. Dort heißt es auf S. 358 wörtlich: „[…] the core meaning of the [F]RAND promise [is] an irrevocable waiver of injunctive relief and other extraordinary remedies […].“ Vgl. auch Rubin, 38 Rutgers L. J. 2007, S. 509, 531 f.; Farrell/Hayes/Shapiro/Sullivan, 74 Ant. L. J. 2007, S. 603, 638; Weiser, S. 24 ff.; Dolmans, 26 Fordham Int. L. J. 2002, S. 163, 185. Lesenswert auch Lemley/Shapiro, 85 Texas L. Rev. 2007, S. 1991, 2035 ff.

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sierungskontext259 geneigt sein könnte, die Möglichkeit der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen als Drohmittel zu missbrauchen, um seine Vertragspartner im Rahmen der Lizenzverhandlungen zur Zahlung überhöhter Gebühren zu veranlassen.260 Darüber hinaus sei die Möglichkeit, mit der Unterlassungsklage gegen (mutmaßliche) Patentverletzer vorzugehen, ohnehin überflüssig, wenn und weil der Patentinhaber sich vorab bereits zur Lizenzerteilung verpflichtet hat. Die FRANDVerpflichtung müsse daher dahingehend ausgelegt werden, dass sie eine vertragliche Abbedingung des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs enthalte, an dessen Stelle die Verpflichtung zur Lizenzvergabe zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen trete.261 So plausibel diese Sichtweise auf den ersten Blick erscheinen mag, so wenig fundiert ist sie jedoch im Hinblick auf ihre rechtstechnische Einordnung und dogmatische Begründung. Ziel der nachfolgenden Darstellung ist es, die dargestellte „Verzichtstheorie“262 einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen. Aufgrund der bestehenden Unterschiede in den verschiedenen Rechtsordnungen verbietet sich freilich eine universelle Betrachtung; vielmehr wird wiederum die Anwendbarkeit des deutschen Rechts unterstellt und auf dieser Grundlage geprüft, ob die Annahme eines „Verzichts“ auf den patentrechtlichen Unterlassungsanspruch infolge der FRANDVerpflichtung dogmatisch begründbar ist. Möglich erscheint zum einen die Einordnung als unmittelbar wirkender, verfügender „Verzicht“ auf den materiell-rechtlichen Anspruch in Form eines Erlasses nach 259 Die grundsätzliche Gefahr, dass der Inhaber einer patentierten Erfindung sich das ihm zustehende patentrechtliche Verbietungsrecht im Rahmen von Lizenzverhandlungen zunutze macht, um die von seinem Vertragspartner zu zahlenden Lizenzgebühren in die Höhe zu treiben, besteht selbstverständlich bei jedem Patent und ist keine Besonderheit des Standardisierungskontextes. Allerdings steigt die Bedeutung dieses Druckmittels mit der wirtschaftlichen Abhängigkeit des potentiellen Lizenznehmers von der Erteilung einer entsprechenden Nutzungserlaubnis an der patentierten Erfindung. Im Falle der Entwicklung von (erfolgreichen) Industriestandards ist es aufgrund der eingangs beschriebenen Netzwerkeffekte und der grundsätzlich zu beobachtenden Verbraucherpräferenz für standardkonforme Produkte für die betroffenen Unternehmen zur Erhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit von besonderer Wichtigkeit, Zugang zu dem Standard und den darin enthaltenen technischen Lehren zu erlangen. Die Angst, durch entsprechende Unterlassungsansprüche des Patentinhabers von der Anwendung des Standards ausgeschlossen zu werden, schwächt daher in einer solchen Situation ihre Verhandlungsposition in besonderem Maße, so dass gerade hier ein überdurchschnittliches Missbrauchspotential auf Seiten des Patentinhabers besteht. 260 Vgl. etwa Lemley/Shapiro, 85 Texas L. Rev. 2007, S. 1991: „[…] we show using bargaining theory that the threat to obtain a permanent injunction greatly enhances the patent holderÏs negotiating power, leading to royalty rates that exceed a natural benchmark range based on the value of the patented technology and the strength of the patent.“ Siehe auch Miller, 40 Ind. L. Rev. 2007, S. 351, 358 ff. 261 Miller, 40 Ind. L. Rev. 2007, S. 351, 362: „Put another way, they contract out of an injunction-backed property rule, and into a reasonable-royalty liability rule.“ Vgl. i. Ü. die Nachweise bei Fn. 258. 262 Vgl. zu diesem Begriff Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S. 15 („waiver theory“).

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§ 397 Abs. 1 BGB. Denkbar wäre andererseits der bloß obligatorische Abschluss eines sog. Stillhalteabkommens (pactum de non petendo) auf Grundlage des § 311 Abs. 1 BGB, durch das sich der Patentinhaber als Gläubiger verpflichtet, ihm in Zukunft etwa zustehende Unterlassungsansprüche aus § 139 Abs. 1 PatG nicht geltend zu machen. Zu prüfen ist darüber hinaus ein bloßer Ausschluss der Durchsetzbarkeit des Unterlassungsanspruchs aufgrund widersprüchlichen Verhaltens nach § 242 BGB. Während es sich in den ersten beiden Fällen um einen rechtsgeschäftlichen „Verzicht“ auf den materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruch bzw. dessen (prozessuale) Geltendmachung handelt (hierzu sogleich 1.), ist im letzten Fall die Durchsetzbarkeit aufgrund allgemeiner Rechtsprinzipien (Treu und Glauben, § 242 BGB) ausgeschlossen (hierzu unten 2.). 1. Rechtsgeschäftlicher „Verzicht“ a) Grundsatz: Vertragsprinzip Genau wie es zur rechtsgeschäftlichen Begründung und inhaltlichen Änderung von Schuldverhältnissen gem. § 311 Abs. 1 BGB eines Vertrages zwischen den Parteien in Gemäßheit der §§ 145 ff. BGB bedarf,263 ist auch ein einseitiger rechtsgeschäftlicher Verzicht auf einzelne Ansprüche dem deutschen Privatrecht grundsätzlich fremd. Das gilt sowohl für den „Verzicht“ im Sinne eines Erlassvertrages (vgl. § 397 Abs. 1 BGB)264 als auch für den „Verzicht“ im Sinne eines bloßen Stillhalteabkommens (vgl. §§ 311 Abs. 1, 145 ff. BGB).265 Ein einseitiger, in der FRAND-Erklärung als solcher zu verortender Verzicht des Schutzrechtsinhabers auf seinen patentrechtlichen Unterlassungsanspruch kommt daher grundsätzlich nicht in Betracht. Ausnahmen sind nach § 311 Abs. 1 Hs. 2 BGB wiederum nur dort möglich, wo das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht.266

263

Siehe hierzu oben Teil 3, C.I.2.b). Hierzu ausführlich Rieble, in: Staudinger, BGB, § 387 Rn. 1 ff. (2005); Schlüter, in: MüKo, BGB, § 397 Rn. 1 ff. 265 Obwohl § 311 Abs. 1 BGB seinem Wortlaut nach lediglich von der Begründung und inhaltlichen Änderung eines Schuldverhältnisses spricht, gilt das dort normierte Vertragsprinzip nach allgemeiner Meinung in gleichem Maße für die rechtsgeschäftliche Aufhebung von Schuldverhältnissen. Vgl. Emmerich, in: MüKo, BGB, § 311 Rn. 3, 33 f.; Löwisch, in: Staudinger, BGB, § 311 Rn. 76 ff. (2005). 266 Zu diesen (tatsächlichen und scheinbaren) Ausnahmen Emmerich, in: MüKo, BGB, § 311 Rn. 35 ff.; Löwisch, in: Staudinger, BGB, § 311 Rn. 15 ff. (2005); Schlüter, in: MüKo, BGB, § 397 Rn. 19; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 387 Rn. 7 ff. (2005). 264

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b) Mögliche Ausnahme: § 20 Abs. 1 Nr. 1 PatG Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 PatG hat der Patentinhaber die Möglichkeit, durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Patentamt auf sein Patent im Ganzen zu verzichten und es dadurch zum Erlöschen zu bringen. Diese Vorschrift kann hier aber schon deshalb keine Anwendung finden, weil ihre Voraussetzungen, namentlich eine schriftliche Erklärung gegenüber dem Patentamt, im zu besprechenden Kontext offensichtlich nicht vorliegen. § 20 Abs. 1 Nr. 1 PatG ist darüber hinaus deshalb nicht einschlägig, weil auch die Vertreter der beschriebenen „Verzichtstheorie“ nicht von einem Verzicht auf das Patent als solches – inklusive aller sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten – ausgehen, sondern lediglich den Verzicht auf einen konkreten Einzelaspekt des Patentschutzes, namentlich das Recht zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs befürworten. Ein so verstandener Verzicht kommt im Rahmen der Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 1 PatG jedoch nicht in Betracht.267 c) Erlassvertrag, § 397 Abs. 1 BGB Der Erlass nach § 397 Abs. 1 BGB ist ein verfügender Vertrag,268 durch welchen nach dem Wortlaut des Gesetzes „das Schuldverhältnis“ unmittelbar zum Erlöschen gebracht wird. Mit dem Begriff „Schuldverhältnis“ ist das Schuldverhältnis im engeren Sinne gemeint, also eine konkrete schuldrechtliche Forderung im Sinne eines Anspruchs des Gläubigers auf eine bestimmte Leistung des Schuldners,269 wobei diese Leistung gem. §§ 194 Abs. 1, 241 Abs. 1 S. 2 BGB auch in einem Unterlassen bestehen kann. aa) Der patentrechtliche Unterlassungsanspruch als tauglicher Gegenstand eines Erlassvertrages Wird eine patentrechtlich geschützte Lehre in einem konkreten Fall entgegen den §§ 9 bis 13 PatG genutzt und kann der Patentinhaber wegen einer solchen Verletzung seines Ausschließlichkeitsrechts gem. § 139 Abs. 1 PatG Unterlassung verlangen, so stellt auch dieser Unterlassungsanspruch grundsätzlich ein Schuldverhältnis im beschriebenen Sinne dar. Gleichwohl ist zweifelhaft, ob der patentrechtliche Unterlassungsanspruch einem Erlass nach § 397 Abs. 1 BGB überhaupt zugänglich ist. Fraglich ist dies im Hinblick auf die Natur des patentrechtlichen Verbietungsrechts und seine grundlegende Bedeutung innerhalb des patentrechtlichen Schutzsystems.

267

Vgl. Mes, PatG/GebrMG, § 20 PatG, Rn. 13. Schlüter, in: MüKo, BGB, § 397 Rn. 6 f.; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 397 Rn. 27 (2005). 269 Vgl. Rieble, in: Staudinger, BGB, § 397 Rn. 55 (2005); Schlüter, in: MüKo, BGB, § 397 Rn. 7. 268

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Denn nach § 9 PatG hat das Patent gerade die Wirkung, dass die Nutzung der zugrundeliegenden technischen Lehre ausschließlich dem Schutzrechtsinhaber selbst vorbehalten und Dritten jegliche (gewerbliche)270 Nutzung ohne dessen Zustimmung verboten ist. Die Beachtung und Durchsetzbarkeit dieses Ausschließlichkeitsrechts wird rechtstechnisch maßgeblich durch den in § 139 Abs. 1 PatG normierten Unterlassungsanspruch sichergestellt. Der Unterlassungsanspruch stellt sich damit nicht als bloße Folgeerscheinung der Patenterteilung dar, sondern ist das Herzstück des gesetzlich gewährleisten Patentschutzes.271 Dem vom Gesetz in § 139 Abs. 2 PatG zusätzlich vorgesehenen, flankierenden Schadensersatzanspruch kommt insoweit lediglich eine unterstützende Funktion zu; das wird bereits daran deutlich, dass diese Schadensersatzhaftung den Patentverletzer nicht stets, sondern nur dann trifft, wenn ihm ein konkreter Verschuldensvorwurf gemacht werden kann.272 Im Hinblick auf die Möglichkeit, den patentrechtlichen Unterlassungsanspruch des § 139 Abs. 1 PatG zum Gegenstand eines Erlassvertrages nach § 397 Abs. 1 BGB zu machen, liegt vor diesem Hintergrund ein Vergleich zum eigentumsrechtlichen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB nahe. Diese Vorschrift dient dem Schutz des Sacheigentümers, indem sie ihm zur Durchsetzung seines in § 903 S. 1 BGB normierten Rechts, „mit der Sache nach Belieben [zu] verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen“, den entsprechenden, ebenfalls verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch zur Seite stellt. Der Anspruch des Sacheigentümers aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB erfüllt damit in Bezug auf den Schutz des Sacheigentums im Wesentlichen die gleiche Funktion wie der Anspruch des Patentinhabers aus § 139 Abs. 1 PatG in Bezug auf dessen Patent als geistiges Eigentum; ein von dem Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB entkleidetes Sacheigentum wäre ebenso wert- und sinnlos wie ein von dem Anspruch aus § 139 Abs. 1 PatG entkleidetes Patentrecht. Vor diesem Hintergrund wird im Rahmen des eigentumsrechtlichen Unterlassungsanspruchs von gewichtigen Literaturstimmen die Ansicht vertreten, dass ein isolierter Erlass dieses Anspruchs nicht möglich ist, da hierdurch das Sacheigentum seines wesentlichen Inhalts beraubt würde.273 Mit der gleichen – m. E. überzeugenden – Argumentation muss daher wohl auch die Anwendbarkeit des § 397 Abs. 1 BGB auf den patentrechtlichen Unterlassungsanspruch verneint werden. Letztlich bedarf diese Fragestellung im Rahmen der vorliegenden Arbeit indes keiner abschließenden Klärung, weil das Vorliegen eines Er-

270

Die nichtgewerbliche Nutzung im privaten Bereich hingegen ist nach § 11 Nr. 1 PatG grundsätzlich auch ohne Zustimmung des Patentinhabers gestattet. Siehe § 11 Nr. 2 – 6 PatG zu weiteren Ausnahmen von § 9 PatG. 271 Vgl. allgemein zur Bedeutung des patentrechtlichen Verbietungsrechts Preu, in: Häußer (Hrsg.), S. 239 ff.; Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S. 16 f. 272 Hierzu ausführlich Keukenschrijver, in: Busse, PatG, § 139 Rn. 91 ff.; Kraßer, S. 873 ff. 273 Siehe etwa Gursky, in: Staudinger, BGB, § 1004 Rn. 170 (2006); Henckel, AcP 174 (1974), S. 97, 126; i. E. ebenso Bassenge, in: Palandt, BGB § 1004 Rn. 2. Zur Gegenansicht R. Schmidt, S. 125; Offtermatt, S. 117, Fn. 5.

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lassvertrages bereits aus anderen Gründen nicht angenommen werden kann (hierzu sogleich).274 bb) Vorliegen eines wirksamen Vertragsschlusses Entsprechend dem beschriebenen Vertragsprinzip bedarf es für das wirksame Zustandekommen eines Erlassvertrages nach § 397 Abs. 1 BGB zweier übereinstimmender Willenserklärungen nach §§ 145 ff. BGB zwischen Gläubiger und Schuldner der zu erlassenden Forderung, wobei insbesondere an das Vorliegen einer wirksamen Verzichtserklärung des Gläubigers strenge Anforderungen zu stellen sind. (1) Angebot und Annahme Unter Zugrundelegung der bereits oben275 beschriebenen tatsächlichen Umstände, unter denen das FRAND-Versprechen im Rahmen der hier untersuchten Standardisierungsorganisationen regelmäßig abgegeben wird, bereitet das Vorliegen von Angebot und Annahme zunächst keine Schwierigkeiten. Zwar kommt die Ausgestaltung als Vertrag zwischen Standardisierungsorganisation und Patentinhaber zugunsten des jeweiligen Patentverletzers (§ 328 BGB)276 wegen des verfügenden Charakters des Erlasses nach § 397 Abs. 1 BGB nicht in Betracht.277 Möglich ist es aber, die Standardisierungsorganisation insoweit als Erklärungsbotin des Patentinhabers zu betrachten, die dessen in dem FRAND-Versprechen vermeintlich enthaltenes Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrages dem jeweiligen Patentverletzer als Vertragspartner durch Veröffentlichung etwa auf ihrer Homepage oder in der technischen Beschreibung des jeweiligen Standards übermittelt.278 Die Annahme könnte stillschweigend entweder durch erstmalige Aufnahme oder durch Fortsetzung der Patentverletzung erfolgen.279

274

Wo schon kein wirksamer Vertragsschluss im Sinne des Vorliegens zweier übereinstimmender Willenserklärungen vorliegt, kommt es auf die Frage nach der Zulässigkeit des (scheinbaren) Vertragsgegenstandes nämlich gar nicht mehr an. 275 Teil 3, C.I.1. 276 Zum Vertrag zugunsten Dritter s. o. Teil 3, C.I.2.f). 277 § 328 BGB findet nur auf Verpflichtungsverträge Anwendung, nicht aber auf Verfügungsverträge. Vgl. Rieble, in: Staudinger, BGB § 397 Rn. 27 ff. (2005); Schlüter, in: MüKo, BGB, § 397 Rn. 9, jeweils m.w.N. 278 Zur Möglichkeit eines Angebots ad incertas personas s. o. Teil 3, C.I.2.d) und Teil 3, C.I.2.f). 279 Die Behandlung der Standardisierungsorganisation als Erklärungsbote des Patentinhabers wurde oben (Fn. 96) im Hinblick auf die Auslegung des Lizenzierungsversprechens als Vorvertrag zugunsten Dritter zwar als in der tatsächlichen Umsetzung wenig praktikabel behandelt; da in Bezug auf die Vorschrift des § 397 Abs. 1 BGB eine Ausgestaltung als Vertrag zugunsten Dritter jedoch nicht in Betracht kommt, handelt es sich insoweit um den einzig gangbaren Weg.

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(2) Unmissverständliche Äußerung des Verzichtswillens Zu beachten ist jedoch, dass an das Vorliegen der im Rahmen des § 397 Abs. 1 BGB erforderlichen Verzichtserklärung des Gläubigers nach allgemeiner Meinung sehr hohe Anforderungen zu stellen sind. Da der Erlass den unmittelbaren Verlust des Forderungsrechts des Gläubigers zur Folge hat, muss sein Verzichtswille (genauer: der äußere Erklärungstatbestand) eindeutig festgestellt werden können.280 Der Wille des Anspruchsinhabers zum Abschluss eines Erlassvertrages – und mithin zur „Vernichtung“ einer konkreten Forderung – muss unmissverständlich erklärt und darf niemals unterstellt werden.281 Im Zweifel ist der Verzichtswille abzulehnen.282 Erforderlich ist zwar nicht, dass der Gläubiger seinen Verzichtswillen ausdrücklich erklärt; den Grundregeln der Rechtsgeschäftslehre folgend, bleibt vielmehr auch die konkludente Äußerung dieses Willens möglich. In einem solchen Fall bedarf es jedoch einer ganz besonders gründlichen Prüfung; die Annahme eines Verzichtswillens kommt nur dann in Betracht, wenn für eine derartige Willensrichtung ein triftiger Grund vorliegt.283 Unter Zugrundelegung dieser Kriterien kann dem FRAND-Versprechen eines Inhabers standard-essentieller Patente ein Verzicht auf den Unterlassungsanspruch des § 139 Abs. 1 PatG nicht entnommen werden, da es sowohl an der ausdrücklichen als auch an der konkludenten Äußerung eines entsprechenden Verzichtswillens fehlt. Das FRAND-Versprechen enthält nämlich nur die (positive) Erklärung, jedem Dritten auf Verlangen Lizenzen erteilen zu wollen und damit die Voraussetzungen für eine erlaubte Nutzung seiner Erfindung zu schaffen (§ 15 Abs. 2 PatG); nicht zugleich enthalten ist demgegenüber die (negative) Erklärung, auf sein Recht zu verzichten, diejenigen auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen, die seine Erfindung nutzen, ohne hierzu durch die Erteilung entsprechender Lizenzen vorab ermächtigt worden zu sein. Eine solche Bedeutung kann der Erklärung des Patentinhabers auch nicht etwa durch Auslegung entnommen werden. Denn im Hinblick darauf, dass der Unterlassungsanspruch des § 139 Abs. 1 PatG gerade den wesentlichen Inhalt des Patents ausmacht, dürfte es nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§ 157 BGB) wohl kaum dem wahren Willen des Patentinhabers entsprechen (§ 133 BGB), seiner Lizenzbereitschaftserklärung zugleich einen Verzicht auf diesen Anspruch insgesamt zu entnehmen. 280

Rn. 3.

Rieble, in: Staudinger, BGB, § 397 Rn. 101 (2005); Schlüter, in: MüKo, BGB, § 397

281 BGH vom 10.05.2001, NJW 2001, S. 2325 Leits. und Rn. 10 ff.; Wagner, in: Erman, BGB, § 397 Rn. 6 m.w.N.; speziell zum Verzicht auf das patentrechtliche Ausschlussrecht im Rahmen von Standardisierungsvereinbarungen RG vom 07.07.1939, RGZ 161, S. 385, 387 („Schmiernippel“), sowie, Falke, Rechtliche Aspekte der Normung, S. 395. 282 Vgl. etwa BGH vom 15.01.2002, NJW 2002, S. 1044 Leits. und Rn. 25. 283 Schlüter, in: MüKo, BGB, § 397 Rn. 3; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 397 Rn. 105 ff. (2005).

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Dies gilt vorliegend umso mehr, als an den Erlass künftiger Ansprüche, deren genauer Inhalt und Umfang im Zeitpunkt der (vermeintlichen) Verzichtserklärung des Gläubigers noch unbekannt sind, im Hinblick auf die Feststellung des Verzichtswillens ganz besonders strenge Anforderungen zu stellen sind.284 Die Abgabe des FRAND-Versprechens erfolgt nämlich regelmäßig zu einer Zeit, zu der konkrete Unterlassungsansprüche noch gar nicht bestehen. Es ist auch nicht einmal sicher, ob entsprechende Ansprüche überhaupt jemals entstehen werden, ebenso wenig, gegen wen sie sich im Einzelfall richten. Vor diesem Hintergrund erscheint die Auslegung, der Patentinhaber wolle bereits im Voraus für jede denkbare Konstellation auf seinen ihm gesetzlich zustehenden Unterlassungsanspruch verzichten, als reine Unterstellung. Eine solche Interpretation wäre von den Grenzen der gesetzlichen Auslegungsregeln nicht mehr gedeckt und ist daher abzulehnen. cc) Zusammenfassung Es ist bereits grundsätzlich zweifelhaft, ob der patentrechtliche Unterlassungsanspruch aus § 139 Abs. 1 PatG einem Erlassvertrag im Sinne des § 397 Abs. 1 BGB überhaupt zugänglich ist. Jedenfalls ist aber das Vorliegen zweier übereinstimmender, auf den Abschluss eines entsprechenden Erlassvertrages gerichteter Willenserklärungen mangels (eindeutiger) Äußerung eines Verzichtswillens auf Seiten des Patentinhabers zu verneinen, so dass ein unmittelbares Erlöschen des Unterlassungsanspruchs infolge des FRAND-Versprechens nicht in Betracht kommt. d) Stillhalteabkommen (pactum de non petendo), § 311 Abs. 1 BGB Zu untersuchen ist, ob der FRAND-Verpflichtung zumindest die Vereinbarung eines sog. pactum de non petendo entnommen werden kann. Mit dem pactum de non petendo verpflichtet sich der Gläubiger, das ihm aufgrund eines bestimmten Anspruchs zustehende Forderungsrecht nicht auszuüben.285 Dieser „Verzicht“ auf sein Einforderungsrecht kann sowohl zeitlich befristet (sog. dilatorisches pactum) als auch dauerhaft (sog. peremptorisches pactum) sein,286 wobei im vorliegenden Zusammenhang allein ein dauerhaftes Stillhalteabkommen in Betracht kommt.287 284

Vgl. Rieble, in: Staudinger, BGB, § 397 Rn. 3 (2005); Wagner, in: Erman, BGB, § 397 Rn. 7, jeweils m.w.N. 285 Wagner, S. 418. 286 Vgl. etwa Krüger, in: MüKo, BGB, § 271 Rn. 18; Wagner, S. 418 ff.; a. A. wohl Peters, in: Staudinger, BGB, § 205 Rn. 16, 18 (2003) (pactum nur mit zeitlicher Beschränkung möglich). 287 Andernfalls müsste der Vereinbarung eine klare zeitliche Begrenzung entnommen werden können (vgl. Peters, in: Staudinger, BGB, § 205 Rn. 16 f. (2003)), die im Rahmen des FRAND-Versprechens aber nicht zu erkennen ist.

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Inhaltlich kann das pactum de non petendo derart ausgestaltet sein, dass der Gläubiger generell auf die Geltendmachung seines Anspruchs verzichtet; in diesem Fall steht dem Schuldner ein materiell-rechtliches Leistungsverweigerungsrecht zu, dessen Geltendmachung im Prozess zur Klageabweisung als unbegründet führt.288 Möglich ist aber auch die Vereinbarung, dass der Gläubiger lediglich auf die gerichtliche (prozessuale) Geltendmachung seines Anspruchs verzichtet. Hier bleiben der materielle Anspruch sowie die materielle Forderungsbefugnis des Gläubigers bestehen und es wird nur die Klagbarkeit des Anspruchs vertraglich ausgeschlossen, so dass eine entsprechende Klage289 auf Antrag des Schuldners als unzulässig abzuweisen ist.290 Unabhängig von den bestehenden Unterschieden in der inhaltlichen Ausgestaltung291 des Abkommens handelt es sich in beiden Fällen um einen schuldrechtlichen Vertrag auf der Grundlage des § 311 Abs. 1 BGB.292 Erforderlich sind also wiederum zwei übereinstimmende Willenserklärungen nach §§ 145 ff. BGB.293 Zu beachten ist allerdings, dass mit dem „Verzicht“ des Gläubigers auf die (prozessuale) Geltendmachung seines patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs eine erhebliche Verkürzung seiner Rechte verbunden ist, so dass an dessen Bindungswillen wiederum sehr hohe Anforderungen zu stellen sind.294 Im Hinblick auf die grundlegende Bedeutung des Unterlassungsanspruchs im patentrechtlichen Schutzsystem295 ist zu fordern, dass ein entsprechender Wille des Gläubigers unmissverständlich zum Ausdruck kommt. Es gelten ähnlich strenge Voraussetzungen wie im Rahmen des § 397 BGB.296 Jedenfalls für das im vorliegenden Zusammenhang allein in Rede stehende peremptorische Stillhalteabkommen ergibt sich dies auch daraus, dass in Bezug auf die Rechtsstellung des Gläubigers ein spürbarer Unterschied zum bereits besprochenen Erlass nach § 397 Abs. 1 BGB nicht erkennbar ist, da es für diesen letztlich unerheblich 288

Vgl. Wagner, S. 418 f. – bzw. ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung – 290 Vgl. Peters, in: Staudinger, BGB, § 205 Rn. 14 ff. (2003). 291 Ausführlich zu den verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten Wagner, S. 416; Niedenführ, in: Soergel, BGB, § 202 Rn. 9; Krüger, in: MüKo, BGB, § 271 Rn. 18; Greger, in: Zöller, ZPO, vor § 253 Rn. 19. 292 Auch soweit durch das Stillhalteabkommen die Klagbarkeit des Anspruchs ausgeschlossen werden soll, handelt es sich nicht etwa um einen Prozess-, sondern um einen schuldrechtlichen Vertrag. Das ergibt sich daraus, dass die Vereinbarung sich nicht unmittelbar prozessgestaltend auswirkt, sondern der Gläubiger nur zu einem bestimmten Prozessverhalten verpflichtet wird, nämlich dazu, einen Prozess gerade nicht anzustrengen. Erhebt er unter Verstoß gegen diese Vereinbarung doch Klage, so kann der Schuldner ihm aus dem Stillhalteabkommen eine prozessuale Einrede entgegenhalten. (Vgl. zur Unterscheidung zwischen Prozessverträgen und schuldrechtlichen Verträgen ausführlich Greger, in: Zöller, ZPO, vor § 128 Rn. 26 ff. m.w.N.) 293 Peters, in: Staudinger, BGB, § 205 Rn. 15 a. E. (2003). 294 Vgl. Peters, in: Staudinger, BGB, § 205 Rn. 16 (2003). 295 Hierzu ausführlich oben Teil 3, C.III.1.c)aa). 296 So auch Schlüter, in: MüKo, BGB, § 397 Rn. 3. 289

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ist, ob sein Anspruch insgesamt zum Erlöschen kommt oder nur dauerhaft nicht geltend gemacht werden kann.297 Ein solcher Verzichtswille ist der bloßen Erklärung des Patentinhabers, jederzeit zur Lizenzvergabe zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen bereit zu sein, jedoch nicht zu entnehmen. Insoweit kann auf die soeben zu § 397 Abs. 1 BGB gemachten Ausführungen verwiesen werden,298 die aus den genannten Gründen im Wesentlichen auch hier anwendbar sind. Im Ergebnis ist das Vorliegen eines pactum de non petendo im zu untersuchenden Zusammenhang daher zu verneinen.299 e) Zusammenfassung Die von einigen – insbesondere US-amerikanischen – Autoren geäußerte Auffassung, derzufolge das FRAND-Versprechen des Patentinhabers zugleich dessen rechtsgeschäftlichen „Verzicht“ auf seinen gesetzlichen Unterlassungsanspruch bzw. dessen (gerichtliche) Geltendmachung bedeute, kann auf der Grundlage des deutschen Rechts keine Zustimmung finden. Mangels eindeutig geäußerten „Verzichtswillens“ kommt weder ein Erlass nach § 397 Abs. 1 BGB in Betracht noch der Abschluss eines pactum de non petendo. Auch ein Patentverzicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 PatG liegt nicht vor. 2. Ausschluss des Unterlassungsanspruchs aufgrund widersprüchlichen Verhaltens Im Folgenden soll darüber hinaus begutachtet werden, ob möglicherweise allgemeine Rechtsprinzipien – namentlich die Grundsätze des § 242 BGB – dazu führen, dass die Geltendmachung des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs im vorliegenden Zusammenhang ausgeschlossen ist. § 242 BGB enthält den weit über seinen Wortlaut hinausgehenden, allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jedermann in Ausübung seiner Rechte und Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln hat. Ein Kernbestandteil von § 242 BGB ist das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung. Hiernach bilden die Grundsät297

Vgl. Wagner, S. 419; Rieble, in: Staudinger, BGB, § 397 Rn. 31 (2005). Siehe oben Teil 3, C.III.1.c)bb)(2). 299 Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass das Stillhalteabkommen als Verpflichtungsgeschäft im Unterschied zum Erlass nach § 397 Abs. 1 BGB als Verfügungsgeschäft einer Ausgestaltung als Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 BGB zugänglich ist. Einen entsprechenden „Verzichtswillen“ des Gläubigers unterstellt, könnte mithin der pactum problemlos zwischen dem Patentinhaber und der Standardisierungsorganisation mit Wirkung zugunsten aller potentiellen Patentverletzer als Schuldner geschlossen werden. (Zur Ausgestaltung des Stillhalteabkommens als Vertrag zugunsten Dritter als Alternative zum Erlassvertrag siehe Rieble, in: Staudinger, BGB, § 397 Rn. 31; Wagner, S. 419; Schlüter, in: MüKo, BGB, § 397 Rn. 9.) 298

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ze von Treu und Glauben eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Begrenzung. Eine diesen Grundsätzen zuwiderlaufende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage ist als Rechtsüberschreitung missbräuchlich und unzulässig.300 Folge ist, dass das betreffende Recht in der entsprechenden Situation nicht – oder jedenfalls nicht in der konkreten Art und Weise – ausgeübt werden darf, und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein vertragliches oder um ein gesetzliches Recht handelt. Der Sache nach kann die Anwendung des § 242 BGB so zu einer Aberkennung oder Modifizierung von „an sich“ bestehenden Rechten oder einer „an sich“ geltenden Rechtslage führen.301 Wann eine Rechtsausübung die Grenze zum Rechtsmissbrauch überschreitet, hängt entscheidend von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab und ist einer abstrakten Beurteilung grundsätzlich nicht zugänglich.302 Erforderlich ist stets eine umfassende Abwägung zwischen den Interessen aller an dem konkreten Rechtsverhältnis Beteiligten, die unter maßgeblicher Berücksichtigung der normativen Wertungen der jeweiligen gesetzlichen Vorschriften zu erfolgen hat.303 Ungeachtet dieser Einzelfallbezogenheit des § 242 BGB haben sich in Rechtsprechung und Literatur Fallgruppen herausgebildet, die häufig wiederkehrende Konstellationen beschreiben, in denen ein Verstoß gegen die Gebote von Treu und Glauben in der Regel angenommen werden kann.304 In der vorliegenden Sachverhaltskonstellation sind vor allem die Fallgruppen des widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) sowie diejenige der Pflicht zur alsbaldigen Rückgewähr (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est) von Bedeutung. Beide werden nachfolgend näher beleuchtet. a) Venire contra factum proprium Nach dem aus § 242 BGB folgenden Verbot des widersprüchlichen Verhaltens kann eine bestimmte Rechtsausübung dann unzulässig sein, wenn sie zwar als solche nicht zu missbilligen, mit einem früheren Verhalten des Rechtsinhabers jedoch sachlich unvereinbar ist und die Gegenpartei berechtigterweise darauf vertrauen durfte, dass der Rechtsinhaber sich nicht in Widerspruch zu seinem vorangegangenen Verhalten setzen werde.305 Hauptmerkmale des venire contra factum proprium sind mit300 Vgl. zum Ganzen etwa Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242 Rn. 1 ff., 38 ff.; Roth, in: MüKo, BGB, § 242 Rn. 1 ff., jeweils m.w.N. 301 Vgl. nur Roth, in: MüKo, BGB, § 242 Rn. 338 ff. m.w.N. 302 Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242 Rn. 38; Looschelders/Olzen, in: Staudinger, BGB, § 242 Rn. 291 (2005). 303 Roth, in: MüKo, BGB, § 242 Rn. 45 ff.; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242 Rn. 1 ff., 38 ff. 304 Hierzu ausführlich Looschelders/Olzen, in: Staudinger, BGB, § 242 Rn. 212 ff. (2005); Roth, in: MüKo, BGB, § 242 Rn. 338 ff. 305 Roth, in: MüKo, BGB, § 242 Rn. 423; Looschelders/Olzen, in: Staudinger, BGB, § 242 Rn. 286 ff. (2005).

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hin der Widerspruch zu eigenem früheren Verhalten des Rechtsinhabers einerseits und die dadurch bewirkte Schaffung eines schutzwürdigen Vertrauenstatbestandes auf Seiten der Gegenpartei andererseits.306 aa) Widersprüchliches Verhalten des Patentinhabers Vorliegend ist bereits fraglich, ob der Patentinhaber sich widersprüchlich verhält, wenn er sich einer Verletzung seines Ausschließlichkeitsrechts durch die Geltendmachung seines gesetzlichen Unterlassungsanspruchs aus § 139 Abs. 1 PatG erwehrt, obwohl er sich vorher zur Lizenzvergabe zu FRAND-Bedingungen bereit erklärt hat. Wie bereits ausführlich erläutert, bedeutet das FRAND-Versprechen des Patentinhabers nämlich nichts anderes als dessen Verpflichtung, mit jedem interessierten Anwender des auf seiner Erfindung beruhenden Standards in ernsthafte Verhandlungen über die Erteilung einer Patentlizenz einzutreten und im Falle einer Einigung auf vernünftige Lizenzbedingungen einen Lizenzvertrag abzuschließen.307 Er ist also gerade nicht damit einverstanden, dass die von ihm entwickelte technische Lehre ohne seine Zustimmung von jedermann verwendet wird, sondern verspricht lediglich, bereit zu sein, Dritten nach entsprechenden Verhandlungen die Benutzung seiner Erfindung zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen zu ermöglichen. Ein eigenmächtiger Eingriff in das Ausschließlichkeitsrecht des Erfinders ohne dessen vorherige Zustimmung wird vom Patentinhaber erkennbar nicht gewünscht. Da der Unterlassungsanspruch aus § 139 Abs. 1 PatG sich aber allein auf eine solche Benutzung der patentierten Erfindung erstreckt, welcher der Patentinhaber gerade nicht zugestimmt hat (§ 139 Abs. 1 i.V.m. §§ 9 Abs. 1 S. 2, 10 Abs. 1 PatG), verhält er sich auch nicht widersprüchlich, wenn er insoweit von seinem Unterlassungsanspruch Gebrauch macht. bb) Schutzwürdiges Vertrauen auf Seiten der (potentiellen) Patentverletzer Aus dem Gesagten folgt zugleich, dass durch das FRAND-Versprechen kein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand auf Seiten (potentieller) Schuldner des Unterlassungsanspruchs aus § 139 Abs. 1 PatG geschaffen wird. Wie dargelegt, kann Schuldner nämlich nur derjenige sein, der die patentierte Erfindung unbefugt, also ohne Zustimmung des Patentinhabers, verwendet. Inwieweit 306

Zu beachten ist, dass ein Verschulden des Rechteinhabers hinsichtlich der Widersprüchlichkeit seines Verhaltens nicht erforderlich ist. Allein in Bezug auf die Schaffung eines Vertrauenstatbestandes bei seinem Gegenüber wird gefordert, dass dieser Umstand für den Rechtsinhaber wenigstens erkennbar war und ihm daher zugerechnet werden kann. Vgl. Roth, in: MüKo, BGB, § 242 Rn. 427 m.w.N. 307 Siehe oben Teil 3, C.I.2.

C. FRAND – Auslegung und kritische Würdigung

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ein solcher Schuldner aufgrund des vom Schutzrechtsinhaber abgegebenen FRANDVersprechens zu der begründeten und schutzwürdigen Annahme gelangen könnte, von diesem nicht auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden, ist nicht ersichtlich. Denn eine eigenmächtige Nutzung der patentierten Erfindung ist nach dem in dieser Erklärung sich manifestierenden Willen des Schutzrechtsinhabers selbst dann nicht gestattet, wenn der betreffende Zugangspetent die Zahlung von (aus seiner Sicht) angemessenen Lizenzgebühren angeboten hat und der Patentinhaber die Lizenzierung gleichwohl ablehnt. In einem solchen Fall ist der Lizenzsucher vielmehr auf den Rechtsweg verwiesen und muss seine Ansprüche aus dem zu seinen Gunsten geschlossenen Lizenzvorvertrag vor den Zivilgerichten einklagen oder – im Falle besonderer Dringlichkeit – einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stellen. Nimmt er stattdessen eigenmächtige Nutzungshandlungen vor, so stellt dies in Anlehnung an den Rechtsgedanken der §§ 229, 858 BGB einen Fall der unerlaubten Selbsthilfe bzw. verbotenen Eigenmacht dar, die nach dem Wortlaut des Gesetzes widerrechtlich ist und derer sich der betroffene Patentinhaber durch die Geltendmachung des ihm aus § 139 Abs. 1 PatG zustehenden Unterlassungsanspruchs (selbstverständlich) erwehren darf.308 Sollte der Patentverletzer aufgrund des beschriebenen FRAND-Versprechens also (wider Erwarten) tatsächlich darauf vertraut haben, der Schutzrechtsinhaber sei mit der eigenmächtigen Erfindungsnutzung durch ihn einverstanden oder werde zumindest auf die Geltendmachung entsprechender Unterlassungsansprüche verzichten, so wäre dieses Vertrauen nach der Wertung des Gesetzes jedenfalls nicht schutzwürdig, so dass die Erhebung der Einrede des venire contra factum proprium im Patentverletzungsprozess auch aus diesem Grunde nicht in Betracht kommt.309 b) Dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est Darüber hinaus ist dem Patentinhaber die Geltendmachung seines gesetzlichen Unterlassungsanspruchs auch nicht mit dem Hinweis auf die Grundsätze des dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est verwehrt. 308 Zur Anwendung des Rechtsgedankens der verbotenen Eigenmacht ausführlich unten Teil 4, C.IV.3. 309 Dieses Ergebnis (kein Anspruchsausschluss wegen widersprüchlichen Verhaltens) steht auch in Einklang mit der grundsätzlichen Wertung, dass in Situationen, in denen mangels (eindeutig) geäußerten Verzichtswillens des Gläubigers ein rechtsgeschäftlicher „Verzicht“ gerade nicht zustande gekommen ist, im Hinblick auf die Anwendung der Grundsätze des widersprüchlichen Verhaltens ganz besonders strenge Anforderungen zu stellen sind; denn andernfalls bestünde die Gefahr, dass auf dem Umweg des § 242 BGB die grundlegenden Vorschriften über das Zustandekommen von Rechtsgeschäften umgangen werden und eine Bindungswirkung „durch die Hintertür“ dort eingeführt wird, wo dies dem Willen des bzw. der Parteien gerade nicht entspricht. Hierzu ausführlich Singer, NZA 1998, S. 1309, 1310 ff. Vgl. auch Looschelders/Olzen, in: Staudinger, BGB, § 242 Rn. 290 (2005).

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

Hiernach ist die Forderung einer Leistung immer dann unzulässig, wenn sie aus einem anderen Rechtsgrund dem Schuldner alsbald zurückgewährt werden muss.310 Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass in diesen Fällen ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Beanspruchung der ihm grundsätzlich zustehenden Leistung (hier: Unterlassung) fehlt und die Geltendmachung seines Anspruchs daher keinem anderen Zweck dient, als dem Schuldner unnötige Erschwernisse aufzubürden.311 Bezogen auf den vorliegenden Zusammenhang bedeutet dies, dass dem Schutzrechtsinhaber die Geltendmachung seines Unterlassungsanspruchs gegenüber dem Patentverletzer nur dann nach den Grundsätzen der dolo agit-Einrede verboten ist, wenn er aufgrund des von ihm abgegebenen FRAND-Versprechens ohnehin verpflichtet ist, dem Unterlassungsschuldner die Nutzung seiner Erfindung alsbald wieder zu gestatten. Dies ist aber nur vordergründig der Fall. Denn zwar verpflichtet sich der Patentinhaber durch sein FRAND-Versprechen dazu, mit jedem interessierten Anwender des betreffenden Standards in Lizenzverhandlungen einzutreten und Lizenzen zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen zu erteilen; diese Verpflichtung zum Eintritt in Lizenzverhandlungen bedeutet jedoch keine Verpflichtung zur alsbaldigen Rückgewähr im Sinne der dolo agit-Einrede. Der Arglisteinwand greift nämlich nur dann, wenn eine Pflicht zur alsbaldigen Rückgewähr der geforderten Leistung besteht. Der Grundsatz lautet gerade nicht: dolo agit, qui petit, quod redditurus est, sondern vielmehr: dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est. Nur wenn eine solche Pflicht zur sofortigen bzw. alsbaldigen Rückgewähr besteht, kann dem Anspruchsgläubiger das eigene Interesse an der Beanspruchung der ihm grundsätzlich zustehenden Leistung ab- und dem Arglisteinwand seine Existenzberechtigung zugesprochen werden. Die Annahme einer sofortigen Rückgewährpflicht setzt zudem voraus, dass der Inhalt dieser Pflicht bereits konkret bestimmt ist; im Falle eines vertraglichen Anspruchs darf die Rückgewährpflicht daher insbesondere nicht mehr von entsprechenden Verhandlungen der Parteien abhängen, deren Ausgang noch ungewiss ist. Nach diesen Grundsätzen kann eine Verpflichtung des Patentinhabers zur sofortigen Lizenzerteilung vorliegend nicht angenommen werden. Insoweit sei auf die Ausführungen Bezug genommen, die bereits im Rahmen der Auslegung des FRAND-Versprechens als bloßer Antrag auf Abschluss eines Vorvertrages gemacht wurden.312 Dort wurde dargelegt, dass ein auf den unmittelbaren Abschluss eines endgültigen Lizenzvertrages gerichtetes Angebot des Schutzrechtsinhabers gerade deshalb nicht vorliegt, weil es an einer Festlegung der konkreten Vertragsbedingun310 Vgl. Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242 Rn. 52; Roth, in: MüKo, BGB, § 242 Rn. 373, jeweils m.w.N. 311 Nachweise wie Fn. 310. 312 Vgl. oben Teil 3, C.I.2.d).

C. FRAND – Auslegung und kritische Würdigung

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gen noch fehlt. Der Patentinhaber will die zur Nutzung seiner Erfindung erforderliche Lizenz erst dann endgültig erteilen, wenn er mit dem jeweiligen Lizenznehmer eine Einigung über alle für ihn wesentlichen Punkte der Patentlizenz einschließlich der zu erbringenden Gegenleistung erzielt hat. Die konkrete Ausgestaltung dieser Lizenzbedingungen ist nach den oben313 gemachten Ausführungen zur unmittelbaren Bedeutung von „fair, angemessen und nicht-diskriminierend“ den Verhandlungen zwischen den jeweiligen Vertragsparteien vorbehalten. Je nach Art und Umfang der vom Lizenznehmer verlangten Lizenz sowie der grundsätzlichen Vorstellungen beider Parteien über die Bedeutung eines „angemessenen“ Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung können diese Verhandlungen mitunter sehr zeitintensiv sein.314 Unter Umständen bedarf es sogar der Inanspruchnahme eines Schlichtungsverfahrens, um die Parteien zu einer vertraglichen Übereinkunft zu führen. Von Bedeutung ist darüber hinaus, dass sich aus der FRAND-Verpflichtung des Patentinhabers gerade kein bedingungsloser Kontrahierungszwang ergibt; der Schutzrechtsinhaber ist vielmehr nur dann zum Abschluss eines Lizenzvertrages verpflichtet, wenn der Zugangspetent seinerseits zur Erbringung einer nach den Umständen des Einzelfalles angemessenen Gegenleistung bereit und imstande ist.315 Solange dies nicht der Fall ist, kann es daher sogar vorkommen, dass ein endgültiger Vertragsschluss insgesamt scheitert.316 Da mithin sowohl das „Ob“ als auch das „Wie“ eines etwaigen Lizenzvertrages zwischen den Parteien noch ungewiss sind und vom erfolgreichen Abschluss entsprechender Vertragsverhandlungen abhängen, liegt eine Verpflichtung des Patentinhabers zur sofortigen Rückgewähr der geforderten Leistung im Sinne der dolo agit-Einrede hier nicht vor.317 . 313

Teil 3, C.II.2.c). Vgl. auch Maaßen, S. 258, der darüber hinaus darauf hinweist, dass der Patentinhaber im Einzelfall ein schützenswertes Interesse daran haben kann, bestimmte Nebenbestimmungen in den Lizenzvertrag aufzunehmen, wozu etwa Geheimhaltungsvereinbarungen über besonders vorteilhafte Ausführungsformen der patentgeschützten Lehre ebenso zählen können wie eine Nichtangriffsabrede oder besondere Vereinbarungen über die Qualitätssicherung. 315 Eine Verpflichtung zur Lizenzvergabe wird man beispielsweise dann verneinen müssen, wenn der betreffende Zugangspetent nicht zahlungsfähig oder sonst kreditunwürdig ist. 316 Anders könnte allenfalls dann zu urteilen sein, wenn der Unterlassungsschuldner einen Anspruch auf kostenlose Nutzung der patentgemäßen Lehre hätte, da dann sämtliche Verhandlungen über die Angemessenheit der Gegenleistung von vornherein entfielen. Vgl. Maaßen, S. 325, unter Verweis auf OLG Düsseldorf vom 28.06.2002, InstGE 2, 168, 172. 317 Die Unanwendbarkeit der dolo agit-Einrede ergibt sich zudem aus der oben angestellten Überlegung, dass die eigenmächtige Erfindungsnutzung ohne Zustimmung des Patentinhabers einen Verstoß gegen den Rechtsgedanken der §§ 229, 858 BGB darstellt. In Fortführung dieses Gedankens muss auch § 863 BGB entsprechend anwendbar sein, der die Erhebung der dolo agit-Einrede aber gerade ausschließt. Hierzu ausführlich unten Teil 4, C.IV.3. 314

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

c) Abschließende Beurteilung Im Ergebnis ist festzuhalten, dass es in aller Regel keinen Verstoß gegen die Gebote von Treu und Glauben darstellt, wenn der Patentinhaber trotz Abgabe seines FRAND-Versprechens denjenigen gem. § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung auffordert, der die von ihm patentierte technische Lehre ohne seine Zustimmung nutzt.318 Ein solches Verhalten ist weder grundsätzlich widersprüchlich noch fehlt es dem Patentinhaber im Hinblick auf die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs an einem eigenen schützenswerten Interesse, denn er ist nicht seinerseits zur alsbaldigen Lizenzerteilung verpflichtet. Dieses Ergebnis steht auch in Einklang mit der normativen Wertung des in § 139 Abs. 1 PatG festgeschriebenen Unterlassungsanspruchs. Zu der grundlegenden Bedeutung dieser Vorschrift für das gesamte System des Patentrechts ist bereits zuvor umfassend Stellung genommen worden,319 so dass ein erneutes Eingehen hierauf nicht erforderlich ist. Aus der Tatsache, dass es sich bei dem Recht des Patentinhabers, jedermann die unbefugte Benutzung seiner Erfindung zu untersagen und sich zur Durchsetzung dieses Anspruchs im Notfall gerichtlicher Hilfe zu bedienen, um das Herzstück des gesetzlich gewährleisteten Patentschutzes handelt, ergibt sich nur einmal mehr, dass dem Patentinhaber dieses Recht nicht mit dem Hinweis auf Treu und Glauben (leichtfertig) entzogen werden darf.320 Vielmehr sind an das Vorliegen eines Anspruchsausschlusses unter den Gesichtspunkten des widersprüchlichen Verhaltens oder der Pflicht zur sofortigen Rückgewähr ganz besonders strenge Anforderungen zu stellen, die aus den genannten Gründen vorliegend gerade nicht erfüllt sind.321 318 I. E. ebenso LG Mannheim vom 27.02.2009, NJOZ 2009, S. 1458, 1462 („FRANDErklärung“). A. A. – allerdings ohne nähere Begründung – LG Düsseldorf vom 13.02.2007, BeckRS 2008 07732, Ziff. II.4b) („Zeitlagenmultiplexverfahren“). Hierbei handelt es sich indes um eine Einzelfallentscheidung, die in der Literatur zur Recht kritisiert worden ist, vgl. Gärtner/ Vormann, MittdtschPatAnw 2009, S. 440, 443 f.; Fröhlich, GRUR 2008, S. 205, 214. Bezeichnenderweise hat auch das LG Düsseldorf selbst in nachfolgenden Entscheidungen an diese Rechtsprechung nicht wieder angeknüpft, vgl. etwa LG Düsseldorf vom 11.09.2008, NJOZ 2009, S. 930, 939 f. („MPEG2-Standard-Lizenzvertrag“). 319 Siehe oben Teil 3, C.III.1.c)aa). 320 Vgl. allgemein zur Bedeutung des patentrechtlichen Verbietungsrechts (nicht nur in Deutschland) Geradin/Rato, Can Standard Setting lead to Exploitative Abuse?, S.16 f. 321 Zu Zwecken der Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass hier keinesfalls die Ansicht vertreten wird, als sei ein Ausschluss des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs unter Zugrundelegung der Grundsätze des § 242 BGB im Standardisierungskontext niemals möglich. Ziel der vorstehenden Ausführungen war lediglich die Klärung der Frage, ob die bloße Abgabe des in Standardisierungskreisen üblichen FRAND-Versprechens für sich betrachtet nach Treu und Glauben dazu führt, dass es einem Inhaber standard-essentieller Patente versagt ist, sich der eigenmächtigen Erfindungsnutzung durch Dritte unter Geltendmachung seines gesetzlichen Unterlassungsanspruchs zu erwehren. Unabhängig hiervon sind selbstverständlich auch im Standardisierungskontext Konstellationen denkbar, in denen eine Berufung eines Patentinhabers auf sein Ausschließlichkeitsrecht nach Treu und Glauben ausgeschlossen ist. Ein nach § 242 BGB verbotenes rechtsmissbräuchliches – weil arglistiges – Verhalten kommt z. B. dann in Betracht, wenn ein Patentin-

D. Wesentliche Ergebnisse des 3. Teils

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3. Zusammenfassung Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass der Inhaber eines standardessentiellen Patents durch seine Verpflichtung, jedem interessierten Anwender des Standards die Nutzung seiner erfindungsgemäßen Lehre zu FRAND-Bedingungen zu gestatten, nicht das Recht verliert, von demjenigen Unterlassung zu verlangen, der eine solche Nutzung ohne seine Zustimmung vornimmt. Es lässt sich auf der Grundlage des deutschen Rechts weder ein rechtsgeschäftlicher „Verzicht“ begründen, noch ein Ausschluss des Verbietungsrechts aufgrund des allgemeinen Verbots widersprüchlichen oder arglistigen Verhaltens.

D. Wesentliche Ergebnisse des 3. Teils Den IP-Regeln der hier repräsentativ untersuchten Standardisierungsorganisationen ist gemeinsam, dass die an dem jeweiligen Standardisierungsverfahren Beteiligten dazu angehalten sind, bereits im Vorfeld der endgültigen Standardfestlegung etwa von ihnen gehaltene standard-essentielle Patente offenzulegen und sich im Hinblick auf erkannte und für die Anwendung des gemeinsamen Standards wesentliche Patente zur Lizenzvergabe zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden – FRAND – Bedingungen zu verpflichten. Eine Konkretisierung dessen, was unter angemessenen und nicht-diskriminierenden Lizenzbedingungen im Einzelfall zu verstehen ist, erfolgt demgegenüber nicht, so dass der jeweils betroffene Patentinhaber im Hinblick auf die Ausgestaltung seiner Lizenzkonditionen in Gemäßheit mit dieser FRAND-Verpflichtung auf sich allein gestellt ist.

haber im laufenden Standardisierungsverfahren von ihm gehaltene normnotwendige Patente bewusst verschweigt und erst dann offenlegt und durchzusetzen versucht, wenn der gemeinsame Standard bereits festgelegt ist und von der Industrie verwendet wird. In einem solchen Fall des sog. Patenthinterhalts kann es dem Patentinhaber je nach Fallgestaltung und Dauer der von ihm zunächst gebilligten Nutzung seiner Erfindung insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung verwehrt sein, das ihm formell zustehende Ausschließlichkeitsrecht tatsächlich durchzusetzen. Im US-amerikanischen Recht kann in derartigen Fällen die mit der Regelung des § 242 BGB vergleichbare Einrede des sog. „equitable estoppel“ greifen (hierzu Verbruggen/Lorincz, GRUR Int. 2002, S. 815, 826), so z. B. im Fall Wang Laboratories Inc. vs. Mitsubishi America Inc. and Mitsubishi Electric Corp., US CAFC vom 03.01.1997, 103 F.3rd 1571. Dort hatte das Unternehmen Wang im Rahmen der Festlegung eines bestimmten Standards vorgegeben, über keine relevanten Patente zu verfügen, und der Anwendung des Standards durch die anderen Standardisierungsbeteiligten jahrelang unwidersprochen zugesehen. Als Wang später versuchte, seine Patente gegenüber den Anwendern des Standards durchzusetzen, versagte das Gericht dem Unternehmen die Berufung auf seine Ausschließlichkeitsrechte mit der Begründung, dass es aufgrund seines Gesamtverhaltens nach Treu und Glauben sein diesbezügliches Recht verwirkt habe. Ähnliche Fallgestaltungen lagen auch dem im 4. Teil zu besprechenden Dell-Fall und dem Rambus-Fall zugrunde, die ebenfalls in den USA spielten und bei denen ähnliche Erwägungen angestellt wurden. (Dazu unten Teil 4, A.)

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Teil 3: Die IP-Regeln der Standardisierungsorganisationen

Der Verfasser vertritt die Auffassung, dass eine abstrakte Bestimmung der Bedeutung von fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Lizenzbedingungen nicht möglich ist. Den Grundsätzen der freien Marktwirtschaft entsprechend, sind vielmehr stets diejenigen Gebühren und sonstigen Konditionen als angemessen anzusehen, die der Patentinhaber in bilateralen Verhandlungen mit dem jeweils interessierten Anwender als Lizenznehmer vor endgültiger Verabschiedung des Standards aushandelt. Bezüglich der Nicht-Diskriminierungs-Komponente von FRAND ist der Patentinhaber in Anlehnung an die Vorschriften des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots darüber hinaus nicht zur strikten Gleichbehandlung sämtlicher Lizenznehmer verpflichtet; es ist ihm lediglich verboten, im Wesentlichen gleich gelagerte Fälle ohne sachlich gerechtfertigten Grund ungleich zu behandeln. Die Hauptbedeutung der FRAND-Verpflichtung liegt in ihrer Rechtsnatur als rechtlich verbindlicher Vorvertrag, durch den jedem interessierten Anwender des gemeinsamen Standards ein eigener Anspruch gegen den Inhaber standard-essentieller Patente auf Lizenzerteilung eingeräumt wird, wenn und soweit auch der Lizenzsucher seinerseits bereits ist, eine nach den Umständen des Einzelfalls angemessene Gegenleistung zu erbringen. Durch die Abgabe seines FRAND-Versprechens stellt der Patentinhaber die von ihm entwickelte technische Lehre in den Dienst des Standards und begibt sich des Rechts, seine Erfindung ausschließlich alleine zu nutzen. Ein darüber hinausgehender Verzicht auf das Patent als solches ist damit ebenso wenig verbunden wie ein grundsätzlicher Verzicht auf das patentrechtliche Verbietungsrecht oder dessen Geltendmachung im Rahmen von Unterlassungsansprüchen. Auch im Hinblick auf die Grundsätze von Treu und Glauben ist es dem Patentinhaber allein infolge der FRAND-Verpflichtung nicht verwehrt, gem. § 139 Abs. 1 PatG von demjenigen Unterlassung zu verlangen, der seine Erfindung im Rahmen des Standards nutzt, ohne dass ihm die konkrete Art der Nutzung zuvor gestattet wurde.

Teil 4

Zwangslizenzen im Wettbewerbsund Patentrecht Nachdem im vorangehenden Teil untersucht wurde, was die Abgabe des FRANDVersprechens durch den Inhaber eines standard-essentiellen Patents für diesen im Einzelnen bedeutet, wird sich dieser Abschnitt mit der Problematik beschäftigen, dass ein Patentinhaber sich nachträglich weigert, die von ihm gehaltenen und zur Anwendung eines gemeinsam festgelegten Standards wesentlichen Patente Dritten zugänglich zu machen. Insbesondere für den Fall, dass es zu der Abgabe einer FRAND-Erklärung durch den Patentinhaber gerade nicht gekommen ist, soll untersucht werden, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen das Wettbewerbs- und das Patentrecht Regelungen bereithalten, den Inhaber standard-essentieller1 Patente zur Lizenzierung seiner Schutzrechte zu zwingen. In diesem Zusammenhang wird es maßgeblich um die Fälle der sog. echten Lizenzverweigerung gehen, die sich dadurch auszeichnen, dass der betroffene Patentinhaber die Lizenzvergabe ganz grundsätzlich verweigert und nicht lediglich unangemessen hohe oder diskriminierende Lizenzbedingungen verlangt. Der eingehenden Beschäftigung mit den maßgeblichen Vorschriften auf kartellrechtlicher (dazu unten C.) und patentrechtlicher Ebene (dazu unten D.) wird eine kurze Einführung in die zu behandelnde Problematik vorangestellt, verbunden mit der Vorstellung einiger ausgewählter Rechtsstreitigkeiten, die in diesem Bereich in den vergangenen Jahren geführt wurden (dazu sogleich A. und B.).

A. Problemstellung Wie oben dargelegt, verlangen die meisten Standardisierungsorganisationen von ihren Mitgliedern im Rahmen des Standardisierungsverfahrens, alle von ihnen gehaltenen standard-essentiellen Patente – und teilweise sogar (geplante) Patentanmeldungen – offenzulegen. Treten infolge dieser Offenlegung (oder auf andere Weise) Schutzrechte zutage, die für die Anwendung des gemeinsamen Standards wesentlich sein könnten, werden die entsprechenden Patentinhaber darüber hinaus zur Abgabe 1 Genau wie im 2. Teil stehen auch hier wieder allein die standard-essentiellen Patente im Vordergrund. Zur entsprechenden Definition s. o. Teil 3, B.I.

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

eines FRAND-Versprechens aufgefordert. Auf diese Weise soll die Zugänglichkeit des gemeinsamen Standards für jedermann gewährleistet werden. Gleichwohl können Situationen auftreten, in denen diese Maßnahmen nicht ausreichen, um die ungehinderte Anwendbarkeit des Standards für alle Interessierten sicherzustellen. Das ist immer dann der Fall, wenn bestimmte standard-essentielle Schutzrechte im Vorfeld der Standardfestlegung unentdeckt bleiben und erst dann erkannt werden, wenn der Standard endgültig verabschiedet wurde und sich unter Umständen am Markt bereits etabliert hat. Wenn und weil in einer solchen Konstellation regelmäßig auch kein FRAND-Lizenzierungsversprechen des Patentinhabers vorliegt,2 auf dessen Grundlage er zur Erteilung der für die Anwendung des Standards erforderlichen Nutzungserlaubnisse verpflichtet werden könnte, und es auch für eine Umgestaltung des Standards mittlerweile zu spät ist, ist die Frage nach dem Bestehen gesetzlicher Pflichten zur Lizenzerteilung im Hinblick auf die Gewährleistung der allgemeinen Anwendbarkeit des Standards von zentraler Bedeutung. Möglich ist erstens, dass das fragliche Patent im Rahmen des Standardisierungsverfahrens schlicht übersehen wurde, etwa weil der an der Standardisierung beteiligte Schutzrechtsinhaber sein Patentportfolio nicht mit der hinreichenden Sorgfalt auf bestehende Konflikte überprüft hat. Ungleich interessanter sind zweitens jedoch die in der jüngeren Vergangenheit wiederholt aufgetretenen Situationen, in denen einzelne Teilnehmer des Standardisierungsverfahrens entgegen der beschriebenen verbandsinternen Offenlegungspflicht von ihnen gehaltene standard-essentielle Patente bewusst verschweigen und den Standardisierungsprozess zielgerichtet dergestalt manipulieren, dass der zu verabschiedende Standard ohne Wissen der anderen auf den von ihnen gehaltenen Schutzrechten beruht. In diesen Fällen des sog. Patent Ambush oder Patenthinterhalts werden die entsprechenden Schutzrechte erst dann offen gelegt, wenn der Standard bereits verabschiedet und eine Umgestaltung nicht mehr möglich ist. In Ermangelung einer vertraglichen Pflicht zur Lizenzerteilung3 stellt sich auch hier die Frage nach dem Bestehen gesetzlicher Möglichkeiten, um die Zugänglichkeit des Standards zu erzwingen. Die Prüfung gesetzlich niedergeschriebener Zwangslizenzen ist drittens schließlich auch dort interessant, wo ein an der Standardisierung beteiligter Schutzrechtsinhaber ein wesentliches Patent zwar zunächst ordnungsgemäß offenlegt und auch die ihm abverlangte FRAND-Erklärung abgibt, sich nachträglich aber gleichwohl wei2 Die FRAND-Verpflichtung trifft einen Patentinhaber nicht bereits aufgrund seiner bloßen Mitgliedschaft in einer Standardisierungsorganisation. Sie folgt vielmehr aus einer ausdrücklichen Erklärung, zu deren Abgabe er im Rahmen der hier untersuchten IP-Regeln aber erst dann aufgefordert wird, wenn sein Patent erkannt wird und absehbar ist, dass es für die Anwendung eines bestimmten Standards wesentlich wird. Verschweigt er demgegenüber sein Schutzrecht und wird es auch nicht anderweitig bemerkt, kommt es mithin auch nicht zur Abgabe eines FRAND-Versprechens. Hierzu ausführlich oben Teil 3, C.I.1. 3 Siehe oben Fn. 2.

B. Fallbeispiele

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gert, die zur Anwendung des gemeinsamen Standards erforderlichen Lizenzen tatsächlich zu erteilen. Zwar stehen den Zugangspetenten hier aufgrund des FRANDVersprechens bereits vertragliche Ansprüche auf Lizenzerteilung zu. Doch kann beispielsweise die Bejahung einer wettbewerbsrechtlichen Zwangslizenz zu einer vereinfachten verfahrensrechtlichen Durchsetzbarkeit dieser Zugangsansprüche führen, die sich unter anderem daraus ergibt, dass die zuständige Kartellbehörde von Amts wegen oder auf Antrag die Lizenzvergabe an alle Interessierten aussprechen und erforderlichenfalls mit hoheitlichen Mitteln durchsetzen kann.4

B. Fallbeispiele Zur Veranschaulichung und zur Darstellung der praktischen Relevanz der hier aufgeworfenen Frage nach dem Bestehen gesetzlich festgelegter Ansprüche auf zwangsweise Lizenzerteilung werden nachfolgend einige Beispiele aus der Praxis vorgestellt, in denen einzelne Standardisierungsbeteiligte unter Einsatz patentgeschützter Lehren versucht haben, den Standardisierungsprozess bewusst zu ihrem eigenen Vorteil zu missbrauchen.

I. Dell Im Jahre 1992 trat der Computerhersteller Dell in den USA der Video Electronics Standards Association (VESA) bei, um sich im Rahmen dieser Standardisierungsorganisation, der beinahe alle großen amerikanischen Computerhersteller angehör(t)en, an der gemeinsamen Entwicklung und Festlegung eines sog. Computerbusses zu beteiligen.5 In diesem Rahmen unterzeichnete Dell eine schriftliche Erklärung, dass der gemeinsam festzulegende sog. VL-Bus Standard keine Technologien umfasste, an denen Dell Patente oder sonstige gewerbliche Schutzrechte hielt. Diese Erklärung erfolgte indes bewusst wahrheitswidrig, weil Dell bereits im Jahr zuvor ein Patent für genau diesen Computerbus erteilt worden war. Auch im weiteren Verlauf des Standardisierungsprozesses legte Dell sein Patent auf erneute Nachfrage nicht offen, sondern bestätigte wiederum, dass der vorgeschlagene Standard die Patente des Unternehmens nicht verletzte. Erst nachdem der gemeinsame Standard verabschiedet worden war und sich am Markt etabliert hatte,6 begann Dell, andere Hersteller, die Computer mit dem betreffenden Busstandard verkauften, wegen Patentverletzung zu verklagen. Außerdem verweigerte das Unternehmen die Vergabe jeglicher Lizenzen. Daraufhin leitete 4

Hierzu ausführlich unten Teil 4, C.IV. Ein Computerbus ist ein spezielles Element, welches Informationen zwischen der Zentraleinheit des Computers zu peripheren Geräten transportiert. 6 Zu diesem Zeitpunkt waren bereits 1,4 Millionen Computer mit dem betreffenden Standard verkauft worden. 5

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

die US Federal Trade Commission (FTC) auf der Grundlage von Sec. 5 FTC Act ein Missbrauchsverfahren gegen Dell ein, um dem Unternehmen die Geltendmachung patentrechtlicher Unterlassungsansprüche zu untersagen.7 Zu dem Erlass einer offiziellen Missbrauchsverfügung kam es letztlich aber nicht, denn das Verfahren endete in einem Vergleich zwischen Dell und der FTC, indem sich Dell bereit erklärte, seine Rechte aus dem fraglichen Patent nicht durchzusetzen, und damit im Ergebnis einer gebührenfreien Lizenzierung seines Schutzrechts zustimmte.8

II. Rambus Eine ähnliche Fallkonstellation lag (bzw. liegt) auch dem sog. Rambus-Fall zugrunde.9 Rambus Inc. ist ein US-amerikanisches Technologieunternehmen, das sich auf die Entwicklung von Speichertechnologien für digitale Medien spezialisiert hat. Anfang der 1990er Jahre schloss sich Rambus dem Joint Electron Device Engineering Council (JEDEC) an, einer Standardisierungsorganisation, die zu dieser Zeit unter anderem mit der Entwicklung eines neuen technischen Standards für SDRAMSpeicher10 befasst war. In der Folgezeit nahm Rambus an der Standardisierungsarbeit in den entsprechenden Gremien aktiv teil und nutzte die hierdurch gewonnenen Erkenntnisse, um heimlich die Anmeldung von Patenten zu planen, die für den festzulegenden SDRAMStandard aller Voraussicht nach wesentlich sein würden. Kurz vor endgültiger Verabschiedung des Standards innerhalb von JEDEC im Jahre 1996 trat Rambus aus der Standardisierungsorganisation aus und reichte bald darauf maßgeschneiderte Patentanmeldungen ein, welche die SDRAM-Technologie 7 In Sec. 5 FTC Act (15 USC § 15) heißt es wörtlich: „Unfair methods of competition in or affecting commerce, and unfair or deceptive acts or practices in or affecting commerce, are hereby declared unlawful.“ Die Durchsetzung dieses Verbots obliegt der FTC. Abs. 2 der Vorschrift besagt: „The Commission is hereby empowered and directed to prevent persons, partnerships, or corporations […] from using unfair methods of competition in or affecting commerce and unfair or deceptive acts or practices in or affecting commerce.“ 8 Vgl. zum Ganzen Federal Trade Commission, Entscheidung vom 20 Mai 1996, In the Matter of Dell Corp., Docket No. C-3658, 121 FTC Decision, S. 616, abrufbar im Internet unter http://cyber.law.harvard.edu/seminar/internet-client/readings/Week10/ftc_complete.doc (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009); Chiao/Lerner/Tirole, S. 4; Rubin, 38 Rutgers L. J. 2007, S. 509, 533 ff.; Farrell/Hayes/Shapiro/Sullivan, 74 Ant. L. J. 2007, S. 603, 604 ff.; Ohana/ Hansen/Shah, ECLR 2003, S. 644, 646; Verbruggen/Lorincz, GRUR Int. 2002, S. 815, 822; Fröhlich, GRUR 2008, S. 205, 209. 9 Siehe hierzu Federal Trade Commission, In the Matter of Rambus Inc., Docket No. 9302, abrufbar im Internet unter http://www.ftc.gov/os/adjpro/d9302/index.shtm (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). Vgl. auch Stern, EIPR 2001, S. 495 ff.; Rubin, 38 Rutgers L. J. 2007, S. 509, 532 ff.; Chiao/Lerner/Tirole, S. 4 f.; Verbruggen/Lorincz, GRUR Int. 2002, S. 815, 822 f.; Fröhlich, GRUR 2008, S. 205, 209 f. 10 SDRAM steht für Synchronous Dynamic Random Access Memory. Es handelt sich dabei um einen Computerspeicher, der in vielen Desktops und Laptops verwendet wird.

B. Fallbeispiele

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in wesentlichen Teilen abdeckten. Die entsprechenden Patente wurden dem Unternehmen in den Jahren 1999 und 2000 vom US Patent and Trademark Office zuerkannt. Zu diesem Zeitpunkt war der gemeinsame Standard längst verabschiedet und wurde von der Industrie bereits seit einiger Zeit verwendet. Nun begann Rambus, unter Berufung auf seine an der standardisierten Technologie gehaltenen Patente eine Reihe von SDRAM-Herstellern in den USA und Europa wegen Patentverletzung zu verklagen. Daraufhin leitete im Jahre 2002 die FTC in den USA auf der Grundlage von Sec. 5 FTC Act11 und Sec. 2 Sherman Act12 ein Missbrauchsverfahren gegen Rambus ein, das im August 2006 dem Grunde nach entschieden wurde.13 Die FTC kam dabei zu dem Ergebnis, dass Rambus durch das Verschweigen seiner Patente bewusst gegen die internen Regeln der Standardisierungsorganisation verstoßen hatte, da diese eine eindeutige Verpflichtung zur Patentoffenlegung enthalten hätten.14 Hierin lag nach Ansicht der FTC ein Verstoß gegen US-amerikanisches Kartellrecht, weil Rambus die grundsätzlich anerkannten, wettbewerbsfördernden Vorteile der Standardisierung durch sein „täuschendes und ausschließendes“ Verhalten in ihr Gegenteil verkehrt und sich so auf unlautere Weise eine Monopolstellung auf dem betreffenden Markt erschlichen hätte.15 In der Final Order16 vom 02.02.2007 wurde das Unterneh11

Zum Wortlaut von Sec. 5 FTC Act s. o. Fn. 7. Sec. 2 Sherman Act sieht Folgendes vor: „Every person who shall monopolize, or attempt to monopolize, or combine or conspire with any other person or persons, to monopolize any part of the trade or commerce among the several States, or with foreign nations, shall be deemed guilty of a felony, and, on conviction thereof, shall be punished […].“ Die Vorschrift enthält damit ein dem deutschen und europäischen Kartellrecht fremdes Verbot der Monopolisierung eines Marktes. 13 Vgl. Federal Trade Commission, Order Reversing and Vacating Initial Decision and Accompanying Order vom 31.07.2006, abrufbar im Internet unter http://www.ftc.gov/os/adj pro/d9302/060802rambusorder.pdf (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009); Federal Trade Commission, Opinion of the Commission, by Commissioner Pamela Jones Harbour, For A Unanimous Commission (Public Record Version), abrufbar im Internet unter http://www.ftc.gov/ os/adjpro/d9302/060802commissionopinion.pdf (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009); Federal Trade Commission, Concurring Opinion of Commissioner Jon Liebowitz, abrufbar im Internet unter http://www.ftc.gov/os/adjpro/d9302/060802rambusconcurringopinionofcommissioner leibowitz.pdf (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). 14 Vgl. Federal Trade Commission, Opinion of the Commission, by Commissioner Pamela Jones Harbour, For A Unanimous Commission (Public Record Version), abrufbar im Internet unter http://www.ftc.gov/os/adjpro/d9302/060802commissionopinion.pdf (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009), S. 4. 15 Vgl. Federal Trade Commission, Opinion of the Commission, by Commissioner Pamela Jones Harbour, For A Unanimous Commission (Public Record Version), abrufbar im Internet unter http://www.ftc.gov/os/adjpro/d9302/060802commissionopinion.pdf (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009), S. 3, wo es heißt: „The Federal Trade Commission (FTC or Commission) finds that RambusÏs acts of deception constituted exclusionary conduct under Section 2 of the Sherman Act, and that Rambus unlawfully monopolized the markets for four technologies incorporated into the JEDEC standards in violation of Section 5 of the FTC Act.“ 12

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

men daher unter anderem zur Erteilung von Patentlizenzen an seiner geschützten SDRAM-Technologie verpflichtet, wobei im Hinblick auf die von Rambus zu verlangenden Lizenzgebühren von der FTC genaue Obergrenzen festgelegt wurden. Gegen diese Entscheidung legte Rambus in der Folgezeit jedoch Beschwerde ein, die schließlich mit einer Entscheidung des Court of Appeals im April 2008 im Sinne von Rambus entschieden wurde.17 Das Gericht hob die Entscheidung der FTC unter anderem mit der Begründung auf, die internen Regeln der Standardisierungsorganisation hätten keine eindeutige Verpflichtung zur Patentoffenlegung enthalten. Ein täuschendes und unlauteres Verhalten auf Seiten von Rambus sei daher nicht mit der hinreichenden Sicherheit feststellbar. Das Gericht rügte außerdem, die FTC hätte nicht nachvollziehbar dargelegt, dass JEDEC im Falle einer rechtzeitigen Offenlegung der von Rambus gehaltenen Patente eine alternative (nicht immaterialgüterrechtlich geschützte) Technologie als Grundlage des Standards gewählt hätte. Aus diesem Grunde sei der Vorwurf einer Marktmonopolisierung gerade infolge des (angeblich) täuschenden Verhaltens nicht aufrechtzuerhalten.18 Der Rambus-Fall beschäftigt derzeit auch diesseits des Atlantiks die Wettbewerbsbehörden. So leitete die Europäische Kommission Mitte 2007 auf der Grundlage von Art. 82 EGV ein förmliches Missbrauchsverfahren gegen Rambus ein,19 in dem eine 16

Federal Trade Commission, Final Order vom 02.02.2007, abrufbar im Internet unter http://www.ftc.gov/os/adjpro/d9302/070205finalorder.pdf (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). Siehe auch Opinion of the Commission On Remedy, by Chairman Deborah Platt Majoras (Public Record Version), abrufbar im Internet unter http://www.ftc.gov/os/adjpro/d9302/ 070205opinion.pdf (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009); Remedy Statement of Commissioner Pamela Jones Harbour, Concurring in Part and Dissenting in Part, abrufbar im Internet unter http://www.ftc.gov/os/adjpro/d9302/070205harbourstmnt.pdf (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009); Statement of Commissioner J. Thomas Rosch, Concurring in Part and Dissenting in Part, abrufbar im Internet unter http://www.ftc.gov/os/adjpro/d9302/070205roschstmnt.pdf (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). 17 Vgl. United States Court of Appeals for the District of Columbia Circuit vom 22.04.2008, Rambus Inc. vs. Federal Trade Commission, abrufbar im Internet unter http://online.wsj.com/ public/resources/documents/Rambus-20080422.pdf (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009). 18 Zu beachten ist, dass im US-amerikanischen Kartellrecht – ebenso im deutschen und europäischen Kartellrecht – die Erlangung von Monopolmacht auf einem bestimmten Markt nicht grundsätzlich verboten ist. Sec. 2 Sherman Act verbietet nur die vorsätzliche Monopolisierung eines Marktes durch Verhaltensweisen, die den Grundsätzen des Leistungswettbewerbs widersprechen. Ein Beispiel für eine solche Verhaltensweise ist die Täuschung im Sinne von Sec. 5 FTC Act. Vgl. United States Court of Appeals for the District of Columbia Circuit vom 22.04.2008, Rambus Inc. vs. Federal Trade Commission, abrufbar im Internet unter http:// online.wsj.com/public/resources/documents/Rambus-20080422.pdf (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009), wo es auf S. 11 f. heißt: „It is settled law that the mere existence of monopoly does not violate the Sherman Act. […] In addition to the possession of monopoly power in the relevant market, the offense of monopolization [pursuant to Sec. 2 Sherman Act] requires the willful acquisition or maintenance of that power as distinguished from growth or development as a consequence of a superior product, business acumen, or historical accident. […] The critical question is whether Rambus engaged in exclusionary conduct, and thereby acquired its monopoly power in the relevant markets unlawfully.“ 19 Vgl. Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 23.08.2007, MEMO/07/330.

B. Fallbeispiele

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förmliche Entscheidung indes noch aussteht.20 Es handelt sich hierbei um den ersten Fall, in dem die Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf die Konstellation eines sog. Patenthinterhalts von offizieller Seite untersucht wird.

III. Qualcomm Etwas anders gelagert ist der Fall Qualcomm.21 Qualcomm ist Mitglied von ETSI und hat sich in den 1990er Jahren unter dem Dach dieser Standardisierungsorganisation an der Festlegung des 3G-Standards für die europäische Mobilfunktechnologie, auch bekannt als UMTS, beteiligt. Bereits damals verpflichtete ETSI seine Mitglieder, sich zur Lizenzvergabe zu FRAND-Bedingungen für den Fall bereit zu erklären, dass der gemeinsam entwickelte Standard von ihnen gehaltene, standard-essentielle Patente umfasst. Einer solchen Verpflichtung unterlag auch Qualcomm. Nachdem der gemeinsame Standard verabschiedet worden war und feststand, dass dieser wesentlich auf einer patentgeschützten Technologie Qualcomms beruhte,22 verweigerte das Unternehmen zwar nicht die Lizenzvergabe insgesamt, doch kam es nach Angaben einer Reihe von Mobiltelefon- und Chipherstellern – zu denen unter anderen Ericsson, Nokia, Texas Instruments, Broadcom, NEC und Panasonic zählen – nicht seiner Verpflichtung nach, von den Anwendern des Standards insoweit nur angemessene Lizenzbedingungen zu verlangen. Nach entsprechenden Verfahren in den USA nahm sich im Herbst 2007 schließlich auch die Europäische Kommission des Falles an und untersucht aktuell auf der Grundlage von Art. 82 EGV, ob Qualcomm durch das Fordern unangemessener Lizenzgebühren gegen das Verbot der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung verstoßen hat.23

20 Die Europäische Kommission prüft aktuell, ob es bestimmte, von Rambus eingegangene Verpflichtungszusagen für bindend erklären und damit das Missbrauchsverfahren offiziell beenden kann, ohne eine abschließende Entscheidung über das Vorliegen eines Missbrauchs treffen zu müssen. Siehe hierzu Europäische Kommission, Bekanntmachung vom 12.06.2009, Abl. C 133 vom 12.06.2009, S. 16. 21 Vgl. Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 01.10.2007 (MEMO/07/398), abrufbar im Internet unter http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=MEMO/07/ 389&format=HTML&aged=0&language=EN&guiLanguage=en (zuletzt aufgerufen am 11.04.2009); Farrell/Hayes/Shapiro/Sullivan, 74 Ant. L. J. 2007, S. 603, 605 ff.; Verbruggen/ Lorincz, GRUR Int. 2002, S. 815, 821 f.; Loest/Bartlik, ZWeR 2008, S. 41, 52. 22 Qualcomm hält das Patent an der sog. der sog. WCDMA-Technologie, einer Übertragungsmethode, die in sog. 3G-Handys verwendet wird, etwa im iPhone von Apple. 23 Vgl. Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 01.10.2007 (oben Fn. 21) sowie Financial Times Deutschland vom 09.10.2008, S. 4 („Qualcomm-Rivalen attackieren UMTSPatent“).

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

Der Fall weicht insoweit von den zuvor dargelegten ab, als Qualcomm – jedenfalls auf europäischer Ebene – nicht vorgeworfen wird, sich bereits im Rahmen des laufenden Standardisierungsverfahrens missbräuchlich verhalten zu haben. Außerdem verweigert Qualcomm nicht die Lizenzvergabe insgesamt, sondern nur die Lizenzierung zu angemessenen Bedingungen, so dass es streng genommen nicht um die Anordnung einer kartellrechtlichen Zwangslizenz geht, sondern vielmehr um eine Art wettbewerbsrechtliche Preiskontrolle nach Art. 82 S. 2 lit. a) EGV.24

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht Der eingehenden Untersuchung der Möglichkeiten und Voraussetzungen einer zwangsweisen Erteilung von Patentlizenzen aufgrund der einschlägigen Vorschriften des Kartellrechts – namentlich das in Art. 82 EGV bzw. §§ 19, 20 GWB festgeschriebene Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung – wird nachfolgend ein kurzer Überblick über die grundsätzliche Problematik sowie die dogmatische Herleitung des Rechtsinstituts der kartellrechtlichen Zwangslizenz vorangestellt (dazu sogleich I.). Im Anschluss daran werden die gesetzlichen und rechtspolitischen Grundlagen des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots erklärt (dazu unten II.), bevor die eigentliche materiell-rechtliche Prüfung der auf europäischer wie deutscher Ebene bestehenden Regelungen vorgenommen wird (dazu unten III.). Abschließend wird außerdem ein Blick auf die verfahrensrechtliche Durchsetzung der wettbewerbsrechtlichen Zwangslizenz geworfen (dazu unten IV.).

I. Einführung 1. Normative Einordnung Die Untersuchung der Möglichkeiten einer zwangsweisen Erteilung von Patentlizenzen aufgrund kartellrechtlicher Vorschriften ist insbesondere deshalb interessant, weil hier das bereits zu Beginn der Arbeit25 beschriebene Spannungsfeld zwischen der durch das Patentrecht gewährten Ausschließlichkeitsstellung des Patentinhabers einerseits und der auf möglichst umfassende Sicherung wirksamen Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Kartellrechts andererseits offen zutage tritt. Dieser Konflikt muss in jedem Einzelfall einem angemessenen, an Sinn und Zweck der beiden Rechtsgebiete orientierten Ausgleich zugeführt werden. Wie dargelegt, findet das Patentrecht seine Rechtfertigung in der Annahme, dass die hoheitliche Verleihung eines Ausschließlichkeitsrechts und die damit verbundene Aussicht auf Pioniergewinne das am besten geeignete Mittel ist, um potentielle Er24 25

Zu den verschiedenen Arten der Lizenzverweigerung s.u. Teil 4, C.II.5. Siehe oben Teil 2, D.I.

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

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finder zu Ideenreichtum und der Entwicklung neuer technischer Lösungen anzuspornen.26 Diese gesetzgeberische Intention ist auch bei der Anwendung der Vorschriften des Kartellrechts zu beachten. Es ist Sorge dafür zu tragen, dass der Schutzrechtsinhaber nicht durch eine allzu leichtfertige Berufung auf Gesichtspunkte des Wettbewerbsschutzes um die Früchte seiner (Entwicklungs-)Arbeit gebracht und dadurch letztlich die Anreizfunktion des Patentschutzes insgesamt in Frage gestellt wird.27 Andererseits bedeutet die Verleihung des patentrechtlichen Ausschließlichkeitsrechts für seinen Inhaber keine Freistellung von den für jedermann geltenden Vorschriften des Kartellrechts. Ein genereller Vorrang des Patentrechts vor dem Kartellrecht dergestalt, dass der Patentinhaber sich in einem kartellrechtsfreien Raum bewegt und mit seinem geistigen Eigentum nach Belieben verfahren und (Monopol-) Gewinne realisieren kann, besteht nach allgemeiner Meinung nicht;28 die patentrechtliche Ausschließlichkeitsstellung gewährt nämlich gerade kein „Monopolrecht“ im kartellrechtlichen Sinne, sondern verweist die Wettbewerber lediglich auf substitutiven statt auf imitierenden Wettbewerb.29 Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der Patentinhaber den Vorschriften des Kartellrechts zwar grundsätzlich ebenso unterliegt wie jeder sonstige Marktteilnehmer auch, bei Anwendung dieser Vorschriften aber besondere Rücksicht auf Sinn und Zweck des Patentschutzes zu nehmen ist.30 2. Zwangslizenz als Folge der Anwendung des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots Vor diesem Hintergrund wird zu bewerten sein, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen es den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EGV bzw. §§ 19, 20 GBW bedeutet, wenn der Inhaber eines standard-essentiellen Patents sich nach kollektiver Festlegung eines bestimmten technischen Standards weigert, die zur (gewerblichen)31 Nutzung dieses Standards erforderlichen Patentlizenzen zu erteilen.

26

Siehe hierzu umfassend oben Teil 2, B. Ähnlich Beckmerhagen, S. 337 f. 28 Siehe nur Heinemann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., GRUR Teil B, Rn. 42 ff., m.w.N. 29 Hierzu ausführlich oben Teil 2, D.I. 30 Vgl. auch Heinemann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., GRUR Teil B, Rn. 56. 31 Das Patent verbietet nur die gewerbliche Nutzung der Erfindung. Die nicht gewerbliche Nutzung patentierter Erfindungen im privaten Bereich ist demgegenüber gem. § 11 Nr. 1 PatG jederzeit auch ohne entsprechende Lizenz erlaubt. Siehe bereits oben Teil 2, B.I. 27

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

Wird ein solcher Missbrauch bejaht, ist das fragliche Verhalten nach dem Wortlaut des Gesetzes „verboten“ (Art. 82 S. 1 EGV i.V.m. Art. 1 Abs. 3 KartVerfVO32, § 19 Abs. 1 S. 1 GWB). Der betroffene Patentinhaber kann diesem Verbot allein dadurch entgehen, dass er die entsprechenden Lizenzen erteilt. Verweigert er hingegen die freiwillige Lizenzvergabe, so kann er nach Art. 7 Abs. 1 KartVerfVO bzw. § 32 Abs. 1, 2 GWB durch die jeweils zuständige Kartellbehörde zur Abstellung der Zuwiderhandlung verpflichtet werden.33 Das einfachste und effektivste Mittel „zur Abstellung der Zuwiderhandlung“ ist die behördliche, an den Patentinhaber gerichtete Anordnung, dem bzw. den Dritten die Nutzung der geschützten Lehre in dem erforderlichen Umfang zu gestatten.34 Bei einer solchen Anordnung handelt es sich im Ergebnis um nichts anderes als die Verfügung einer Zwangslizenz, deren grundsätzliche Zulässigkeit in Rechtsprechung und Literatur heute allgemein anerkannt ist.35 Neben dieser, in Art. 7 Abs. 1 KartVerfVO bzw. § 32 Abs. 1, 2 GWB enthaltenen Befugnis der Kartellbehörden zum Ausspruch von Zwangslizenzen in Gestalt eines Verwaltungsaktes hat nach § 33 Abs. 1, 3 GWB auch jeder von dem konkreten Missbrauch – d. h. der Lizenzverweigerung – Betroffene36 das Recht, die zwangsweise Lizenzierung vor den ordentlichen Gerichten einzuklagen.37 Auch dieser bürgerlichrechtliche Anspruch auf Lizenzerteilung ist im Grundsatz allgemein anerkannt;38 Unklarheit herrscht hier lediglich im Hinblick auf die dogmatische Einordnung als Anspruch auf Schadensersatz in Form der Naturalrestitution (§ 33 Abs. 3 S. 1 GWB i.V.m. § 249 Abs. 1 S. 1 BGB) oder Beseitigungs- bzw. Unterlassungsanspruch nach § 33 Abs. 1 GWB.39 Meines Erachtens vorzugswürdig erscheint es, den Anspruch auf Lizenzerteilung als Ausprägung des Beseitigungs- bzw. Unterlassungsanspruchs nach § 33 Abs. 1 GWB zu begreifen. Dies hat den Vorteil, dass es eines Verschuldens des marktbeherrschenden Patentinhabers nicht bedarf und damit ein Gleichlauf zur kartellbehördlichen Anordnung einer Zwangslizenz nach Art. 7 Abs. 1 KartVerfVO bzw. § 32 Abs. 1, 2 GWB besteht. Es wäre nicht einzusehen, 32 Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates zur Durchführung der in Artikeln 81 und 82 des Vertrages niedergelegten Wettbewerbsregeln, abgedruckt in Abl. Nr. L 1 vom 04.01.2003, S. 1. 33 Hierzu umfassend Grünberger, S. 164 ff. 34 Vgl. Kübel, S. 177; Käller, S. 48 f. Lesenswert auch Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 43 ff., 213. Zu den Einzelheiten außerdem unten Teil 4, C.IV.1. 35 Siehe nur EuG vom 10.07.1991, Slg. 1991, S. II-575, Rn. 81 (ITP/Kommission) (bestätigt durch EuGH vom 06.04.1995, Slg. 1995, S. I-743, Rn. 90 f. (RTE & ITP/Kommission („Magill“)); BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329 („Standard-Spundfass II“); Heinemann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., GRUR Teil B, Rn. 56 ff. 36 Betroffener in diesem Sinne ist gem. der Legaldefinition des § 33 Abs. 1 S. 3 GWB jeder, der als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist. 37 Zu den prozessrechtlichen Besonderheiten vgl. §§ 87 ff. GWB sowie unten Teil 4, C.IV.2. 38 Siehe nur BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1330 („Standard-Spundfass II“); LG Düsseldorf vom 30.11.2006, WuW/E DE-R 2120, 2122 („MPEG 2-Standard“). Vgl. auch Wirtz/Holzhäuser, WRP 2004, S. 683, 691 ff. 39 Hierzu umfassend Witz/Holzhäuser, WRP 2004, S. 683, 692; Fritzsche, WRP 2006, S. 42, 52 f., jeweils m.w.N.

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

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warum die auf einem privatrechtlichen Anspruch beruhende gerichtliche Anordnung einer Zwangslizenz davon abhängen sollte, dass den Patentinhaber im Hinblick auf die Lizenzverweigerung ein Verschuldensvorwurf trifft, während die behördliche Zwangslizenz unabhängig von einem solchen Verschuldensvorwurf ergehen kann.40

II. Grundlagen Nach diesen einführenden Worten sollen nunmehr die Grundlagen der hier relevanten kartellrechtlichen Vorschriften sowie deren Anwendung auf Patente als Immaterialgüterrechte erläutert werden. 1. Zugrundeliegende Rechtsvorschriften Die sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene bestehenden Vorschriften über das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung wenden sich an Unternehmen, die auf einem bestimmten sachlich, örtlich und zeitlich relevanten Markt über eine beherrschende Stellung verfügen, und unterwerfen diese einer besonderen Verhaltenskontrolle. Marktbeherrschende Unternehmen unterliegen einer besonderen wettbewerblichen Verantwortung dergestalt, dass sie sämtliche Verhaltensweisen zu unterlassen haben, die das System unverfälschten Wettbewerbs und die Wettbewerbsfreiheit der übrigen Marktteilnehmer zu beeinträchtigen geeignet sind.41 Für marktbeherrschende Unternehmen gelten daher besondere Verhaltensregeln im Markt, die für andere Unternehmen, die eine solche wirtschaftliche Stellung nicht innehaben, nicht gelten.42 Diese Verhaltensregeln finden sich auf europäischer Ebene in Art. 82 EGV und im deutschen Recht in §§ 19, 20 GWB. 40 Überzeugend daher BGH vom 13.11.1990, WuW/E BGH 2683, 2687 („Zuckerrübenanlieferungsrecht“) sowie OLG Karlsruhe vom 08.11.1978, WuW/E OLG 2085, Leits. 5. Beide Urteile ziehen als Grundlage für die Kontrahierungspflicht des Beklagten den kartellrechtlichen Unterlassungsanspruch heran und gerade nicht den Anspruch auf Schadensersatz. Zwar lag den jeweiligen Entscheidungen kein Fall der Lizenzverweigerung im Zusammenhang mit Patenten zugrunde, sondern eine „normale“ Geschäftsverweigerung im Hinblick auf die Lieferung körperlicher Gegenstände. Es ist indes nicht einzusehen, warum insoweit unterschiedliche Maßstäbe gelten sollten. Keine explizite Stellung bezieht BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1334 („Standard-Spundfass II“) mit dem bloßen Verweis auf die Möglichkeit eines kartellrechtlichen Lizenzierungsanspruchs gem. „§ 33 i.V.m. § 20 Abs. 1 GWB“. Im Ergebnis wie hier Kilian, ZHR 142 (1978), S. 453, 481; Fritzsche, WRP 2006, S. 42, 44 f.; Markert, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 20 Rn. 23. A. A. Wolff, S. 145 f. 41 Vgl. EuGH vom 09.11.1983, Slg. 1983, S. 3461, Rn. 57 (Michelin/Kommission); Europäische Kommission vom 24.03.2004, Rs. COMP/C-3/37.792, Rn. 542 („Microsoft“); Jones/ Sufrin, S. 435; Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 1; Meinberg, S. 32; Emmerich, S. 130 ff. 42 Vgl. EuG vom 17.07.1998, Slg. 1998, S. II-2937, Rn. 139 (ITT Promedia/Kommission); Jones/Sufrin, S. 435; Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., Art. 82 EGV Rn. 120; Emmerich, S. 148.

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

Art. 82 S.1 EGV erklärt für „mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten […] die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.“ Gemäß Satz 2 der Vorschrift ist das insbesondere dann der Fall, wenn eines der dort genannten Regelbeispiele vorliegt. Hierzu zählen die unmittelbare oder mittelbare Erzwingung unangemessener Einkaufs- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen (Art. 82 S. 2 lit. a) EGV), die Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung zum Schaden der Verbraucher (Art. 82 S. 2 lit. b) EGV), die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden (Art. 82 S. 2 lit. c) EGV), sowie die an den Abschluss von Verträgen geknüpfte Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen abnehmen, die weder sachlich, noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen (Art. 82 S. 2 lit. d) EGV). Die Vorschrift muss im Zusammenhang gesehen werden mit Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV, demzufolge erklärtes Ziel des EGV unter anderem die Errichtung eines Systems unverfälschten Wettbewerbs innerhalb der Gemeinschaft ist.43 Die deutschen Regelungen decken sich – insbesondere nach Umgestaltung des Missbrauchstatbestandes des § 19 GWB in ein gesetzliches Verbot im Jahre 1998 und nach Umsetzung der KartVerfVO durch die 7. GWB Novelle von 2005 – weitgehend mit der auf europäischer Ebene geltenden Rechtslage. Dementsprechend ist gemäß dem Grundtatbestand des § 19 Abs. 1 GWB „die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen […] verboten.“ Die in § 19 Abs. 4 GWB enthaltenen Regelbeispiele sowie das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot des § 20 GWB entsprechen weitgehend den soeben dargestellten, in Art. 82 S. 2 EGV aufgelisteten Regelbeispielen, gehen zum Teil jedoch erheblich darüber hinaus. Hierauf soll an dieser Stelle indes nicht weiter eingegangen werden, denn wie noch zu zeigen sein wird, kommt im vorliegenden Zusammenhang als Grundlage für die Erteilung einer Zwangslizenz ohnehin nur die Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB in Betracht.

2. Sinn und Zweck des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots Die Vorschriften über das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung bilden neben dem Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen44 sowie der Fusionskontrolle45 einen der drei Grundpfeiler der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Kartellrechts.46 Wenn marktbeherrschende Un43 44 45 46

Siehe nur Emmerich, S. 131. Art. 81 EGV bzw. § 1 GWB. FKVO bzw. §§ 35 ff. GWB. Vgl. Wolff, S. 131; Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 5.

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

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ternehmen ihre wirtschaftliche Machtposition dazu verwenden, andere Marktteilnehmer vom Markt zu drängen oder in sonstiger Weise zu behindern, so birgt dies auf lange Sicht die Gefahr einer noch größeren Machtkonzentration bei den ohnehin schon mächtigen Unternehmen und einer damit einhergehenden Einschränkung des Wettbewerbs, die sich letztlich in höheren Preisen und in einer verminderten Innovationsfreudigkeit der Unternehmen zum Nachteil insbesondere der Verbraucher auswirken und darüber hinaus sogar schädlich für die (europäische bzw. deutsche) Volkswirtschaft insgesamt sein kann, die auf diese Weise im internationalen Vergleich an Wettbewerbsfähigkeit verlieren kann.47 3. Anwendungsbereich des europäischen und deutschen Missbrauchsverbots und Verhältnis der Vorschriften zueinander Da sich die Arbeit der hier untersuchten Standardisierungsbestrebungen häufig nicht auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland oder der Europäischen Gemeinschaft beschränkt oder sogar in einem anderen Teil der Welt ihren Ursprung hat, erscheint es sinnvoll, in der gebotenen Kürze auf die Anwendungsbereiche der beschriebenen, auf europäischer wie deutscher Ebene bestehenden Missbrauchsverbote einzugehen. Im Hinblick auf die Anwendbarkeit des europäischen Missbrauchsverbots ist gem. Art. 82 S. 1 EGV zweierlei erforderlich; hierzu gehören zum einen das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes und zum anderen die Eignung des fraglichen Verhaltens zur Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten. Beides setzt nicht voraus, dass das betreffende Unternehmen seinen Verwaltungssitz oder eine Produktionsstätte innerhalb der Europäischen Gemeinschaft hat;48 im hier behandelten Zusammenhang kann vielmehr genügen, dass die fragliche technische Lehre in einem der Mitgliedstaaten Patentschutz genießt und die Anwender des Standards beim Patentinhaber um Lizenzen nachsuchen. In ähnlicher Weise ist auch für die Anwendbarkeit des deutschen Missbrauchsverbots gem. § 130 Abs. 2 GWB lediglich Voraussetzung, dass das fragliche Verhalten sich innerhalb des Bundesgebiets auswirkt, selbst wenn es an einem anderen Ort veranlasst wurde.49 Das ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn es um die Lizenzierung eines in Deutschland angemeldeten Patents geht. 47 Siehe zu Sinn und Zweck des Wettbewerbsrechts ausführlich bereits oben Teil 2, C.III. sowie Jones/Sufrin, S. 3 ff.; vgl. auch Heinemann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EGWettbR., GRUR Teil B, Rn. 50. 48 Umfassend zur Anwendbarkeit des europäischen Missbrauchsverbots Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., Art. 82 Rn. 287 ff. unter Verweis auf Rehbinder, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., Art. 81 EGV Rn. 262 ff. 49 Zum Begriff der Inlandsauswirkung sowie allgemein zur Bedeutung des § 130 Abs. 2 vgl. Emmerich/Rehbinder/Markert, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 130 Rn. 1 ff., ins-

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

Betreffend das Verhältnis zwischen dem europäischen und dem deutschen Missbrauchsverbot gilt gem. Art. 3 Abs. 1 S. 2 KartVerfVO,50 § 22 Abs. 3 GWB der Grundsatz der Parallelanwendbarkeit.51 Demnach haben die deutschen Kartellbehörden neben den deutschen Wettbewerbsvorschriften in Fällen mit gemeinschaftsweiter Bedeutung auch die europäischen Regeln anzuwenden,52 wobei zu beachten ist, dass Art. 82 EGV gem. Art. 3 Abs. 2 S. 2 KartVerfVO einen Mindeststandard dergestalt vorschreibt, dass die Anwendung weniger strenger nationaler Vorschriften ausgeschlossen ist.53 4. Anwendbarkeit des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots auf geistige Eigentumsrechte Die Tatsache, dass der Inhaber eines Patents oder eines anderen geistigen Eigentumsrechts54 im Falle des Innehabens einer marktbeherrschenden Stellung der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle ebenso unterfällt wie jedes andere Unternehmen auch, ist heute allgemein anerkannt und wurde bereits oben erwähnt.55 In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass es bei Anwendung des Art. 82 EGV bzw. der §§ 19, 20 GWB auf den Inhaber solcher Schutzrechte nicht um die Frage nach einem Missbrauch des Immaterialgüterrechts geht. Gegenstand der kartellrechtlichen Beurteilung ist vielmehr allein die Frage nach dem Missbrauch einer bes. 143 ff., 303 ff. Zu den Einzelheiten der räumlichen Marktabgrenzung siehe § 19 Abs. 2 S. 3 GWB sowie Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (GWB), Rn 19 Rn. 35 ff. 50 Art. 3 Abs. 1 S. 2 KartVerfVO lautet wie folgt: „Wenden die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten oder einzelstaatliche Gerichte das einzelstaatliche Wettbewerbsrecht auf nach Artikel 82 des Vertrages verbotene Missbräuche an, so wenden sie auch Artikel 82 des Vertrages an.“ 51 Ausführlich zum Verhältnis von nationalem zu europäischem Kartellrecht Klees, S. 63 ff.; Wolff, S. 149. 52 Zur Zuständigkeitsverteilung zwischen nationalen und europäischen Kartellbehörden s.u. Teil 4, C.IV.1. 53 Siehe hierzu Klees, S. 73, Meinberg, S. 37, 113. 54 Beachte: Bei der Frage der Anwendbarkeit von Art. 82 EGV bzw. §§ 19, 20 GWB auf den Inhaber geistiger Eigentumsrechte wird in der einschlägigen Literatur ebenso wie in der zu diesem Thema ergangenen Entscheidungspraxis der Kartellbehörden und Gerichte nicht zwischen den einzelnen Schutzrechten, zu denen u. a. Patent-, Marken-, Gebrauchsmuster- und Urheberrechte zählen, unterschieden. Es wird vielmehr stets generell von „Immaterialgüterrechten“, „geistigen Eigentumsrechten“ oder – jedenfalls auf europäischer Ebene – „gewerblichen Schutzrechten“ gesprochen (zu einer kritischen Auseinandersetzung mit diesen Begrifflichkeiten s. o. Teil 1, Fn. 152, sowie ausführlich Kaestner, S. 5 ff.; Käller, S. 28 ff.), da all diese Rechte die Besonderheit aufweisen, dass ihr Inhaber über ein – mehr oder weniger umfassendes – rechtlich geschütztes Ausschließlichkeitsrecht verfügt. (Vgl. etwa Wolff, S. 131 ff.; Käller, S. 31; Kaestner, S. 5 ff., 209 ff.; 15; Kübel, S. 175 ff.; Heinemann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., GRUR Teil B, Rn. 42 ff.; BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329 („Standard-Spundfass II“).) 55 Siehe oben Teil 4, C.I.1.

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

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marktbeherrschenden Stellung. Worauf sich diese Stellung gründet, spielt keine Rolle, da insoweit weder das Gesetz eine Unterscheidung trifft noch eine Sonderbehandlung des Inhabers geistiger Eigentumsrechte insbesondere gegenüber dem Sacheigentümer aus anderen Gründen gerechtfertigt ist.56 Anders als beispielsweise die im US-amerikanischen Recht anzutreffende Lehre vom „Patent Misuse“57 handelt es sich bei dem Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung um ein eigenständiges kartellrechtliches Instrument ohne unmittelbaren Bezug zu den einzelnen Rechten des geistigen Eigentums,58 so dass auch ein Vorrang von speziellen Geoder Verboten des Immaterialgüterrechts – wie z. B. § 24 PatG, auf den weiter unten59 noch im Detail eingegangen wird – nicht geboten ist.60 Allein bezüglich der Anwendung des gemeinschaftsrechtlichen Missbrauchsverbots auf den Inhaber geistiger Eigentumsrechte wurde früher diskutiert, ob bzw. inwieweit sich hieraus Einschränkungen der vom nationalen Gesetzgeber unter Schutz gestellten Immaterialgüterrechte rechtfertigen ließen (bzw. lassen). Grund hierfür war (bzw. ist) die Kompetenzverteilung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, namentlich die Vorschrift des Art. 295 EGV61, die eine Bestandsgarantie der nationalen Eigentumsordnungen enthält.62 Wörtlich heißt es dort: „Dieser Vertrag lässt die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt.“ Bestandteil dieser Eigentumsordnung ist nach allgemeiner Meinung das geistige Eigentum ebenso wie das Sacheigentum.63 Insoweit haben die Europäische Kommission sowie die Gemeinschaftsgerichte allerdings schon frühzeitig klargestellt, dass hieraus nicht die generelle Unanwendbarkeit des europäischen Kartellrechts auf die Inhaber nationaler Immaterialgüterrechte folgt.64 Nach der in den 1960er Jahren vom EuGH entwickelten sog. Lehre von Be-

56 Vgl. nur Heinemann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., GRUR Teil B, Rn. 44 m.w.N. 57 Hierzu ausführlich Mangini, GRUR Int. 1985, S. 787 ff.; Riziotis, GRUR Int. 2004, S. 367 ff.; Heinemann, Immaterialgüterschutz, S. 46 ff. 58 Siehe nur Heinemann, Immaterialgüterschutz, S. 456. 59 Siehe Teil 4, D. 60 Diese in Rechtsprechung und Literatur zum Teil streitige Frage hat der BGH vor einiger Zeit ausdrücklich im hier dargestellten Sinne entschieden. Siehe BGH vom 13.07.2004, WuW/ E DE-R 1329 („Standard-Spundfass II“). Ebenso bereits zuvor Heinemann, Immaterialgüterschutz, S. 169. 61 Ex Art. 222 EGV. 62 Kübel, S. 204. Siehe auch Bär-BouyssiÀre, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), EUV/ EGV, Art. 295 EGV Rn. 3. 63 Siehe etwa Hatje, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Komm., Art. 295 EGV Rn. 2; Bär-BouyssiÀre, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 295 EGV Rn. 8; Heinemann, Immaterialgüterschutz, S. 192. 64 Erstmals EuGH vom 13.07.1966, Slg. 1966, S. 322, Leits. 10 sowie S. 394 (Consten S.—.R.L. & Grundig GmbH/Kommission).

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stand und Ausübung der Immaterialgüterrechte65 lässt sich der Vorschrift des Art. 295 EGV lediglich die Aussage entnehmen, „daß der Vertrag zwar den B e s t a n d der durch die nationale Gesetzgebung eines Mitgliedstaates eingeräumten gewerblichen Schutzrechte nicht berührt, daß die A u s ü bu n g dieser Rechte aber unter die Verbote des Vertrages fallen kann.“66 Ungeachtet erheblicher Kritik von Seiten der Literatur, die insbesondere die fehlende Trennschärfe der Begriffe „Bestand“ und „Ausübung“ der Schutzrechte sowie die mangelnde praktische Durchführbarkeit einer Unterscheidung zwischen diesen beiden Kriterien rügt(e),67 besteht heute Einigkeit darüber, dass Art. 295 EGV der grundsätzlichen Anwendbarkeit des gemeinschaftsrechtlichen Missbrauchsverbots auf den Inhaber geistiger Eigentumsrechte nicht entgegensteht.68 Aus Art. 295 EGV ergibt sich nach dessen eindeutigem Wortlaut nur, dass die nationalen Eigentumsordnungen als solche unberührt bleiben. Bezogen auf geistige Eigentumsrechte bedeutet dies, dass die Kompetenz zur Schaffung und Ausgestaltung von Immaterialgüterschutz bei den einzelnen Mitgliedstaaten liegt und eine grundsätzliche Aufhebung oder Nichtanerkennung dieses Schutzes infolge gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften nicht in Betracht kommt.69 65

Hierzu umfassend Mennicke, ZHR 160 (1996), S. 626, 640 ff.; Sprickmann Kerkernick, S. 121 ff.; Käller, S. 128 ff.; Kaestner, S. 102 ff. 66 EuGH vom 08.06.1971, Slg. 1971, S. 487, Leits. 5 (Deutsche Grammophon/Metro). Siehe auch EuGH vom 31.10.1974, Slg. 1974, S. 2247, Leits. 1, sowie Rn. 6/8 (Centrafarm/ Sterling Drug). Zur Bedeutung des Art. 295 EGV als reine Kompetenznorm und zur Entwicklung der Lehre von Bestand und Ausübung der Immaterialgüterrechte als Maßstab zur Konkretisierung dieser Kompetenznorm ausführlich Heinemann, Immaterialgüterschutz, S. 190 ff. Vgl. auch Käller, S. 128 ff.; Meinhardt, S. 45 f.; kritisch Mennicke, ZHR 160 (1996), S. 626, 640 ff. 67 Siehe zu dieser Kritik etwa Götting, JZ 1996, S. 307, 310; Vinje, 11 EIPR 1992, S. 397, 399; Beier, GRUR Int. 1989, S. 603, 609; Chrocziel, S. 62; Sprickmann Kerkernick, S. 126 ff. Weitere Nachweise bei Käller, S. 132, Fn. 488. Bemerkenswert ist, dass auch der EuGH selbst diese Unterscheidung in seiner jüngeren Entscheidungspraxis nicht mehr ausdrücklich erwähnt hat. Ob dies daran liegt, dass der EuGH die Lehre mittlerweile als so fest etabliert ansieht und eine wiederholte Hervorhebung daher für überflüssig hält, oder dass er sie mangels Praxistauglichkeit stillschweigend aufgegeben hat (so Käller, S. 133), mag hier dahinstehen. 68 Siehe nur Heinemann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., GRUR Teil B, Rn. 42 ff. (insbes. Rn 50) m.w.N. Im Einzelnen ist hier allerdings nach wie vor vieles streitig, insbesondere die Frage, ob die Lehre der Unterscheidung zwischen Bestand und Ausübung der Immaterialgüterrechte nicht vielmehr im Rahmen des Art. 30 EGV (ex Art. 36 EGV) entwickelt wurde und daher allein im Hinblick auf die materielle Prüfung der an den Missbrauchsvorwurf im Zusammenhang mit geistigen Eigentumsrechten zu stellenden Anforderungen Anwendung findet. Hierzu ist in der Literatur aber bereits an anderer Stelle umfassend Stellung genommen worden, so dass vorliegend auf eine eingehende Erörterung dieser Thematik verzichtet wird. Der interessierte Leser sei auf die ausführlichen Darstellungen bei Käller, ab S. 118 und Beckmerhagen, ab S. 335; Heinemann, Immaterialgüterschutz, S. 191 ff., 217 ff, 288 ff.; Mennicke, ZHR 160 (1996), S. 626, 640 ff. verwiesen. 69 Grundlegend Bär-BouyssiÀre, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 295 EGV Rn. 9 ff.

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

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Mit der Anwendung des Art. 82 EGV auf den Inhaber derartiger Rechte ist eine solche Aufhebung oder Nichtanerkennung der einzelnen nationalen Schutzrechte allerdings nicht verbunden. Denn dass beispielsweise der Inhaber eines nach deutschem Recht gewährten Patents im Hinblick auf die Ausübung dieses Patents denselben gemeinschaftskartellrechtlichen Vorschriften unterliegt, die auch für jede sonstige wirtschaftliche Betätigung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft gelten, bedeutet keinen Eingriff in die Hoheit des deutschen Gesetzgebers über den Patentschutz. Bei Art. 82 EGV handelt es sich gerade nicht um eine spezielle Vorschrift zur grundsätzlichen Einschränkung der Reichweite mitgliedstaatlicher Immaterialgüterrechte. Die Anwendung des Art. 82 EGVauf den Inhaber nationaler Rechte des geistigen Eigentums bedeutet daher ebenso wenig einen Eingriff in den „Bestand“ dieser Rechte wie bei Gütern des Sacheigentums und stellt mithin keinen Verstoß gegen die Kompetenznorm des Art. 295 EGV dar.70 5. Die Lizenzverweigerung im Spannungsfeld zwischen Patent- und Wettbewerbsschutz Wenn man sich mit der Lizenzverweigerung im Immaterialgüterrecht als Anwendungsfall des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots beschäftigt, sind grundsätzlich drei Konstellationen zu unterscheiden.71 Möglich ist erstens eine Ungleichbehandlung der Lizenzsucher. Diese Ungleichbehandlung kann sowohl darin bestehen, dass der Inhaber eines Immaterialgüterrechts einzelnen Zugangspetenten die Erteilung der begehrten Nutzungserlaubnis verweigert, während er sie anderen (ohne weiteres) gewährt. Sie kann aber auch darin bestehen, dass er von verschiedenen Lizenznehmern unterschiedliche Lizenzgebühren und/oder sonstige Geschäftsbedingungen verlangt.72 Zu erwähnen ist zweitens die generelle Forderung überhöhter Lizenzgebühren oder sonstiger unangemessener Geschäftsbedingungen. Diese Fallgruppe zeichnet sich in Abgrenzung zur erstgenannten dadurch aus, dass der Patentinhaber nicht verschiedene Zugangspetenten unterschiedlich behandelt, sondern insgesamt, d. h. gegenüber jedermann, überzogene Gegenleistungen fordert.73 70 Welche Kriterien auf materiell-rechtlicher Ebene zu beachten sind, welche Anforderungen also inhaltlich an die Lizenzverweigerung zu stellen sind, um diese als missbräuchlich im Sinne des Art. 82 EGV zu qualifizieren, ist keine Frage der hier besprochenen Kompetenznorm des Art. 295 EGV. Hierauf wird daher erst im nächsten Abschnitt (Teil 4, C.III.2.) ausführlich einzugehen sein. 71 Einteilung der Fallgruppen in Anlehnung an LG Düsseldorf vom 30.11.2006, WuW/E DE-R 2120, 2123 („MPEG 2-Standard“). 72 Zur Beurteilung der diskriminierenden Lizenzvergabe im Rahmen von Art. 82 (S. 2 lit. c)) EGV vgl. z. B. Geradin, Abusive Pricing in an IP licensing Context, S. 25 ff.; Beckmerhagen, S. 356 ff. 73 Vgl. wiederum Geradin, Abusive Pricing in an IP licensing Context, S. 8 ff.; Beckmerhagen, S. 359 ff.

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

Denkbar ist drittens der Fall der sog. Komplett- bzw. echten Lizenzverweigerung. Dem liegt die Konstellation zugrunde, dass der Schutzrechtsinhaber sich grundsätzlich und ausnahmslos weigert, Lizenzen zur gewerblichen Nutzung seiner Erfindung zu vergeben. Den nachfolgenden Ausführungen soll maßgeblich allein die letzte Fallgruppe zugrunde gelegt werden. Ziel der weiteren Untersuchung ist es nämlich, das Spannungsverhältnis zu erforschen, das besteht zwischen dem gesetzlich verbürgten Recht des Patentinhabers einerseits, selbst zu entscheiden, ob er seine Erfindung ausschließlich selbst nutzen oder auch Dritten entsprechende Nutzungsrechte einräumen will, und der andererseits durch das Kartellrecht zum Schutze des Wettbewerbs eröffneten Möglichkeit, ihn zur Lizenzierung seines Schutzrechts zum Zwecke der Fremdverwertung seiner Erfindung zu zwingen. Dieses Konfliktpotential offenbart sich aber nur dort in seiner Reinform, wo Anknüpfungspunkt für die kartellrechtliche Zwangslizenz nicht die Unangemessenheit bestimmter Vertragskonditionen oder die ungleiche Behandlung im Wesentlichen gleicher Zugangspetenten ist, sondern die Lizenzverweigerung als solche, die gem. § 9 PatG gerade den wesentlichen Kern des geltenden Patentschutzes ausmacht.74 Für dieses Spannungsverhältnis zwischen Immaterialgüter- und Wettbewerbsschutz spielen die beiden zuerst genannten Fallgruppen eine nur untergeordnete Rolle, weil dort der Patentinhaber die grundsätzliche Entscheidung über die Erteilung von Lizenzen zur Fremdverwertung seines geistigen Eigentums bereits getroffen hat. Das Kartellrecht dient daher dort nicht in erster Linie als Instrument zur Einschränkung des patentrechtlichen Ausschließlichkeitsrechts; maßgebliche Grundlage des Missbrauchsvorwurfs ist vielmehr die Diskriminierung oder Ausbeutung der Lizenzsucher. Es handelt sich mithin um ganz normale Fälle des Diskriminierungs- bzw. Ausbeutungsmissbrauchs nach Art. 82 S. 2 lit. c) EGV, § 20 Abs. 1 GWB bzw. Art. 82 S. 2 lit. a) EGV, § 19 Abs. 4 Nr. 2, 3 GWB, bei deren Prüfung sich im Zusammenhang mit gewerblichen Schutzrechten keine nennenswerten Besonderheiten ergeben.75 Ein Konflikt zwischen Kartellrecht und Immaterialgüterrecht liegt hier – wenn überhaupt – nur ganz am Rande vor, da der Patentinhaber die grundsätzliche und wirtschaftlich wie schutzrechtlich bedeutungsvolle Entscheidung, die gewerbliche Nutzung seiner Erfindung überhaupt mit Dritten teilen zu wollen, bereits getroffen hat.76

74 Zur Bedeutung des Ausschließlichkeitsrechts im System des Patentschutzes ausführlich bereits oben Teil 3, C.III.1.c)aa). 75 Vgl. Wolff, S. 136 f.; Meinberg, S. 39 f., 108 f.; BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329 ff. („Standard-Spundfass II“); LG Düsseldorf vom 30.11.2006, WuW/E DE-R 2120, 2123 („MPEG 2-Standard“). 76 Vgl. Wolff, S. 136.

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

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III. Die einzelnen Voraussetzungen der kartellrechtlichen Zwangslizenz Nach diesen grundsätzlichen Erläuterungen werden im Folgenden die einzelnen Voraussetzungen des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots dargestellt und im Hinblick darauf untersucht, ob sie im hier zu behandelnden Zusammenhang die zwangsweise Lizenzierung zu begründen vermögen. Zentrale Tatbestandsmerkmale sind auf europäischer wie auf deutscher Ebene das Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung einerseits (dazu sogleich 1.) und der Missbrauch dieser Stellung andererseits (dazu unten 2.). Im Rahmen des Art. 82 EGV muss hinzukommen, dass der konkrete Missbrauch geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Auf diese sog. Zwischenstaatlichkeitsklausel soll hier indes nicht weiter eingegangen werden, da ihr Vorliegen in besonderem Maße von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles abhängt und daher einer verallgemeinernden Begutachtung im Rahmen privatwirtschaftlicher Standardisierungsbestrebungen nicht zugänglich ist.77 Im Hinblick auf die supranationale Bedeutung der meisten hier besprochenen technischen Standards und auf das äußerst weite Verständnis der Zwischenstaatlichkeitsklausel78 werden deren Voraussetzungen für die nachfolgende Untersuchung vielmehr als erfüllt unterstellt. 1. Marktbeherrschende Stellung Voraussetzung des Art. 82 S. 1 EGV bzw. der §§ 19, 20 GWB ist zunächst, dass der Patentinhaber über eine marktbeherrschende Stellung verfügt. Eine solche lässt sich jedoch nicht abstrakt ermitteln, sondern nur mit Blick auf einen konkreten, sachlich und örtlich relevanten Markt. Im Folgenden werden zunächst die allgemeinen Grundsätze der Marktabgrenzung und Marktbeherrschung dargestellt (dazu sogleich a)), bevor auf die Besonderheiten im Zusammenhang mit Patenten eingegangen (dazu unten b)) und schließlich eine Begutachtung der hier maßgeblichen, besonderen Situation essentieller Patente im Standardisierungskontext angestrengt wird (dazu unten c)).

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Zu Inhalt und Bedeutung der Zwischenstaatlichkeitsklausel ausführlich Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., Art. 82 EGV Rn. 287 ff. 78 Es genügt bereits eine rein abstrakte Eignung zur Handelsbeeinträchtigung („dazu führen kann“). Siehe Nachweise oben Fn. 77, sowie Käller, S. 45.

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a) Allgemeine Grundsätze zur Marktabgrenzung und Marktbeherrschung Im europäischen Recht ist ein Unternehmen79 nach ständiger Entscheidungspraxis sowohl der Europäischen Kommission als auch der europäischen Gerichte dann marktbeherrschend im Sinne von Art. 82 EGV, wenn es auf einem genau bestimmten, sachlich und örtlich relevanten Markt über eine „wirtschaftliche Machtstellung [verfügt], die dieses in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und schließlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten.“80 Für das deutsche Recht bestimmt § 19 Abs. 2 GWB, dass Marktbeherrschung dann vorliegt, wenn ein Unternehmen auf dem betreffenden Markt „ohne Wettbewerber ist oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat“. Ungeachtet dieser abweichenden Formulierungen ergeben sich in der Sache keine wesentlichen Unterschiede, da die Feststellung der Marktbeherrschung in beiden Fällen in entscheidendem Maße von Umfang und Struktur des zugrundeliegenden Marktes und von der Höhe des Marktanteils abhängt, über den das fragliche Unternehmen auf diesem Markt verfügt.81 Zur Ermittlung der Marktbeherrschung ist dementsprechend zunächst die genaue Ab- und Eingrenzung des relevanten Marktes erforderlich; je enger der zugrundeliegende Markt definiert wird, desto leichter lässt sich das Vorliegen einer beherrschenden Stellung auf diesem Markt begründen.82 Der Bestimmung des sachlich und örtlich relevanten Marktes kommt daher im Rahmen der Marktbeherrschungsprüfung eine maßgebliche Bedeutung zu.83 . . 79 Zum Begriff des Unternehmens umfassend Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., Art. 81 EGVAbs. 1 Rn. 9; Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 1 Rn. 27 ff. 80 So die ständige Formulierung der Europäischen Kommission und der europäischen Gerichte seit EuGH vom 14.02.1978, Slg. 1978, S. 207, Rn. 63/66 (United Brands/Kommission); vgl. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., Art. 82 EGV Rn. 66 m.w.N. 81 Weitere Beurteilungskriterien sind die Finanzkraft der Marktteilnehmer, das Bestehen potentiellen Wettbewerbs sowie das Vorhandensein von Marktzutrittsschranken. Vgl. zum europäischen Recht nur Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., Art. 82 EGV Rn. 63 ff.; Emmerich, S. 133 ff.; zum deutschen Recht § 19 Abs. 2, 3 GWB sowie Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 17 ff.; Emmerich, S. 340 ff., jeweils m.w.N. 82 So ausdrücklich Europäische Kommission, Mitteilung Gewerbliche Schutzrechte und Normen vom 27.10.1992, KOM (92) 445 endg., Rn. 5.1.7. 83 Siehe de Bronett, in: Wiedemann (Hrsg.), § 22, Rn. 18 ff.; Bartl, S. 52 ff. Vgl. auch Käller, S. 38 ff.

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

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Die Ermittlung des sachlich relevanten Marktes erfolgt nach dem sog. Bedarfsmarktkonzept. Danach gehören all diejenigen Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen zu ein- und demselben sachlichen Markt, die aus Sicht der Marktgegenseite austauschbar bzw. substituierbar sind.84 Hierbei kommt es nicht auf eine physikalisch-technische oder chemische Identität an, sondern auf eine funktionelle Austauschbarkeit. Entscheidend ist, ob die fraglichen Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen sich nach ihren Eigenschaften, ihrem wirtschaftlichen Verwendungszweck und ihrer Preislage so nahe stehen, dass der verständige Nachfrager sie als für die Deckung eines bestimmten Bedarfs geeignet und als gegeneinander austauschbar ansieht.85 Die Bestimmung des räumlich relevanten Marktes vollzieht sich grundsätzlich nach denselben Kriterien wie die sachliche Marktabgrenzung. Auch hier kommt es primär auf die Austauschmöglichkeiten aus Sicht der Marktgegenseite an. Daneben können allerdings weitere Merkmale herangezogen werden, wie beispielsweise der Standort des betreffenden Unternehmens, die Höhe etwaiger Transportkosten, regionale Marken-, Kultur- und Sprachunterschiede sowie die Möglichkeit anderer Anbieter, kurzfristig neue Gebiete zu erschließen.86 Beim gemeinschaftsrechtlichen Missbrauchsverbot muss sich die beherrschende Stellung nach dem Wortlaut des Gesetzes auf den Gemeinsamen Markt oder einen wesentlichen Teil desselben beziehen, was allerdings schon bei größeren Mitgliedstaaten der Fall sein kann und insoweit einer großzügigen Interpretation zugänglich ist.87 b) Besonderheiten bei Vorliegen eines Patents Bei Vorliegen eines Patents ergeben sich insbesondere im Hinblick auf die sachliche Marktabgrenzung einige Besonderheiten.

84 Umfassend Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 25 ff.; ders., in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., Art. 82 EGV Rn. 43 ff.; Emmerich, in: Immenga/ Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., Art. 81 Abs. 1 EGV Rn. 204 ff., jeweils m.w.N. 85 Vgl. zum europäischen Recht Europäische Kommission, Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, Abl. C 372 vom 09.12.1997, S. 5, Rn. 7; siehe zum deutschen Recht exemplarisch BGH vom 19.03.1996, WuW/E 3058, 3062 („Pay-TV-Durchleitung“). 86 Siehe nur Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., Art. 82 EGV Rn. 55 ff.; ders., in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 35 ff.; Emmerich, S. 346 ff., jeweils m.w.N. 87 So hat der EuGH insoweit bereits mehrfach das Gebiet der Bundesrepublik für ausreichend erachtet. Vgl. etwa EuGH vom 02.03.1983, Slg. 1983, S. 483, Rn. 44 (GVL/Kommission); EuGH vom 23.04.1991, Slg. 1991, S. I-1979, Rn. 28 (Höfner und Elser/Macrotron). Selbst die Region Süddeutschland hat er bereits genügen lassen, EuGH vom 16.12.1975, Slg. 1975, S. 1663, Rn. 441 ff. (Suiker Unie u. a./Kommission). Vgl. auch Emmerich, S. 136.

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aa) Unterscheidung zwischen Technologieund Produkt- / Verfahrensmarkt Ausgangspunkt ist auch hier das dargestellte Bedarfsmarktkonzept.88 Aus dessen Anwendung folgt zunächst die in Bezug auf das später zu begutachtende Vorliegen einer Missbrauchshandlung wichtige Feststellung, das ganz grundsätzlich zwischen zwei verschiedenen Märkten zu unterscheiden ist, namentlich zwischen dem Technologiemarkt einerseits und dem Produkt- bzw. Verfahrensmarkt andererseits.89 Der Technologiemarkt meint den Markt für den Schutzgegenstand – also die patentgeschützte technische Lehre – selbst. Der Produkt- bzw. Verfahrensmarkt hingegen meint den Markt für Produkte bzw. Verfahren, die unter Verwendung dieser Lehre hergestellt bzw. angewendet werden.90 Diese grundsätzliche Unterteilung in zwei verschiedene Märkte ist alleinige Folge der Anwendung des dargestellten Bedarfsmarktkonzepts. Es ist deutlich, dass die technische Lehre als solche und die Produkte oder Verfahren, die diese Lehre verwenden, funktional nicht austauschbar sind. Vielmehr handelt es sich um einander nachgelagerte Märkte. Hersteller erfindungsgemäßer Produkte bzw. Anwender erfindungsgemäßer Verfahren müssen zunächst Zugang zu dem – vorgelagerten – Technologiemarkt erlangen, was durch die Erteilung entsprechender Lizenzen geschieht, um auf dem – nachgelagerten – Produkt- bzw. Verfahrensmarkt tätig werden zu können.91 Die Annahme zweier unterschiedlicher Märkte ist unabhängig davon geboten, ob es für die Anbieter auf dem Produkt- bzw. Verfahrensmarkt eine Alternative zu der 88 Vgl. Heinemann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., GRUR Teil B, Rn. 42 f., 45; BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1331 („Standard-Spundfass II“). 89 Die Feststellung zweier verschiedener Märkte erlangt im Rahmen der Missbrauchsprüfung deshalb eine besondere Bedeutung, weil in Fällen mit immaterialgüterrechtlichem Bezug die Berechtigung der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht nach h.M. nur in diesem Fall anerkannt ist. Vgl. Conde Gallego, GRUR Int. 2006, S. 16, 17; Hausmann, MMR 2008, S. 381 ff.; Casper, ZHR 166 (2002), S. 685, 698 ff.; Spindler/Apel, JZ 2005, S. 133, 135 f.; Ahlborn/Denicol!/Geradin/Padilla, S. 44 f.; EuG vom 17.09.2007, Rs. T-201/04, Rn. 335 (Microsoft/Kommission); EuGH vom 29.04.2004, Slg. 2004, S. I-5039, Rn. 39 ff. (IMS Health/ NDC Health). Siehe außerdem unten Teil 4, C.III.2.b). 90 Vgl. zu dieser Unterteilung (freilich im Hinblick auf die Anwendung des Art. 81 EGV) Europäische Kommission, Technologietransferleitlinien, Abl. C 101 vom 27.04.2004, S. 2, Rn. 19 ff.; speziell im Hinblick auf das kartellrechtliche Missbrauchsverbot BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1331 („Standard-Spundfass II“). Zustimmend Heinemann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., GRUR Teil B, Rn. 39, 46; ders., ZWeR 2005, S. 198, 202; a.A. wohl Dreher, DB 1999, S. 833, 835; Wirtz/Holzhäuser, WRP 2004, S. 683, 689; kritisch Casper ZHR 166 (2002), S. 685, 700 ff. 91 Vgl. auch Maaßen, S. 223, der darauf hinweist, dass die Nachfrager auf beiden Märkten völlig unterschiedlich sind. Während auf dem vorgelagerten Technologiemarkt die Hersteller der die fragliche Technologie beinhaltenden Produkte als Nachfrager auftreten, sind Nachfrager auf dem Produktmarkt diejenigen Personen, die das spätere Endprodukt selbst erwerben wollen. Beide Gruppen sind von Grund auf verschieden, so dass schon aus diesem Grund die Annahme zweier getrennter Märkte geboten ist.

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

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patentgeschützten Lehre gibt, ob sie also die Möglichkeit hätten, zum Tätigwerden auf ihrem nachgelagerten Markt auf eine andere (ebenfalls geschützte oder auch frei zugängliche) technische Lehre zurückzugreifen. Denn diese Frage bezieht sich auf die Substituierbarkeit der betreffenden Lehre im Horizontalverhältnis zu anderen technischen Lösungen auf dem vorgelagerten Technologiemarkt,92 nicht aber auf die hier allein maßgebliche Austauschbarkeit zwischen der Lehre selbst und der diese Lehre als Input verwendenden Produkte bzw. Verfahren (Vertikalverhältnis), die unter Anwendung des Bedarfsmarktkonzepts niemals bejaht werden kann. Vor diesem Hintergrund ist auch die von der Rechtsprechung wiederholt getätigte Äußerung, ein eigenständiger Technologiemarkt könne (bereits) dann angenommen werden, wenn sich zwei verschiedene Produktionsstufen unterscheiden lassen, die dadurch miteinander verbunden sind, „dass das vorgelagerte Erzeugnis ein für die Lieferung des nachgelagerten Erzeugnisses unerlässliches Element ist“,93 an dieser Stelle irreführend. Denn auf die Unerlässlichkeit des Zugangs zu der geschützten Lehre kommt es für die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Technologieund Produkt- bzw. Verfahrensmarkt, wie dargelegt, überhaupt nicht an. Begrüßenswert wäre demgegenüber die Feststellung, dass sich im Falle einer solchen Unerlässlichkeit der Umfang des vorgelagerten Technologiemarktes in Ermangelung von Substitutionsmöglichkeiten auf diese eine patentgeschützte Lehre beschränkt und der Patentinhaber daher als einziger Anbieter auf dem entsprechenden Markt (sog. Monopolist) zugleich marktbeherrschend ist.94 bb) Marktbeherrschung auf dem Technologiemarkt Im Rahmen der hier zu begutachtenden Frage, ob der Patentinhaber durch die Verweigerung der Lizenzvergabe gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot verstößt, kommt es entscheidend auf das Bestehen einer beherrschenden Stellung auf dem Technologiemarkt an.95 Die Tatsache, dass die Lizenzverweigerung wettbewerb92 Angesprochen ist damit der konkrete Umfang dieses vorgelagerten Marktes (dazu sogleich). 93 EuGH vom 29.04.2004, Slg. 2004, S. I-5039, Rn. 45 (IMS Health/NDC Health); EuG vom 17.09.2007, Rs. T-201/04, Rn. 335 (Microsoft/Kommission); BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1331 („Standard-Spundfass II“). Vgl. auch Conde Gallego, GRUR Int. 2006, S. 16, 19 f.; Heinemann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., GRUR Teil B, Rn. 46. 94 Dazu sogleich im nächsten Abschnitt (unten bb)). 95 Der Umstand, dass der Patentinhaber in dem oben beschriebenen Fall der sog. Komplettverweigerung die Lizenzvergabe insgesamt verweigert und auch alternative Technologien unter Umständen nicht separat vermarktet werden, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle; für die Frage der Marktbeherrschung genügt das Vorliegen eines potentiellen bzw. hypothetischen Angebotsmarktes für die entsprechende(n) Technologie(n). Vgl. etwa EuGH vom 29.04.2004, Slg. 2004, S. I-5039, Rn. 44 (IMS Health/NDC Health); EuG vom 17.09.2007, Rs. T-201/04, Rn. 335 (Microsoft/Kommission); aus der Literatur Heinemann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., GRUR Teil B, Rn. 46; Conde Gallego, GRUR Int. 2006, S. 16, 19 f.; Wielsch, EuZW 2005, S. 391, 393.

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

liche Auswirkungen (insbesondere) auch auf dem nachgelagerten Produkt- bzw. Verfahrensmarkt haben kann, ist an dieser Stelle unerheblich. Denn Anknüpfungspunkt des potentiellen Missbrauchsvorwurfs ist allein das Verhalten des Patentinhabers auf dem vorgelagerten Technologiemarkt, so dass sich die Prüfung der Marktbeherrschung im Folgenden auf diesen Markt beschränkt.96 Der genaue Umfang dieses Marktes richtet sich nach dem Bedarfsmarktkonzept, wird also durch die Austauschbarkeit aus Sicht der Marktgegenseite bestimmt. Im vorliegenden Zusammenhang bedeutet dies, dass es darauf ankommt, ob aus Sicht der Nachfrager, also der Hersteller bzw. Anwender auf dem nachgelagerten Produktbzw. Verfahrensmarkt, andere technische Lösungen existieren, die den gewünschten Zweck gleichermaßen erfüllen.97 Ist es diesen möglich, zur Herstellung der gewünschten Produkte bzw. zur Anwendung der gewünschten Verfahren auf alternative technische Lösungen zurückzugreifen, so umfasst der sachlich relevante Markt neben der konkret in Rede stehenden technischen Lehre sämtliche anderen Lehren, die auf dem nachgelagerten Markt als Substitute einsetzbar sind. Dies können sowohl immaterialgüterrechtlich geschützte als auch ungeschützte, frei zugängliche Lehren sein, solange nur die erforderliche Austauschbarkeit aus Sicht der Marktgegenseite besteht. Im Hinblick auf diese Austauschbarkeit spielen neben der rein technischen Möglichkeit einer Substitution auch wirtschaftliche Fragen eine Rolle, wie zum Beispiel etwa anfallende Umstellungskosten oder bereits vorhandene Einsperrungseffekte auf Seiten der Nutzer.98 Denn wo eine Substitution zwar technisch möglich, unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten aber nicht sinnvoll durchführbar ist, wird die Marktgegenseite sie nicht ernsthaft in Betracht ziehen.99 Das Vorliegen einer beherrschenden Stellung des Patentinhabers auf dem Technologiemarkt hängt unter anderem davon ab, wie weit oder eng dieser Markt definiert wird, wie groß also die Zahl der möglichen Substitute ist.100 Insoweit bedarf es einer genauen Prüfung im konkreten Einzelfall, so dass sich allgemeine Aussagen an dieser Stelle verbieten. Eine generelle und für die weitere Untersuchung besonders bedeutungsvolle Feststellung lässt sich aber gleichwohl treffen und wurde vorstehend auch bereits angesprochen. So verfügt der Patentinhaber insbesondere dann über eine marktbeherr96

Im Hinblick auf Infrastruktureinrichtungen nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ebenso Sprickmann Kerkernick, S. 173 f.; Schwintowski, WuW 1999, S. 842, 851 f.; Eilmansberger, EWS 2003, S. 12, 16. 97 Heinemann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., GRUR Teil B, Rn. 47. 98 Vgl. auch zu diesen Aspekten EuGH vom 26.11.1998, Slg. 1998, S. I-7791, Rn. 43 f. (Bronner/Mediaprint); EuGH vom 29.04.2004, Slg. 2004, S. I-5039, Rn. 28 ff. (IMS Health/ NDC Health) (beide freilich im Rahmen der Missbrauchsprüfung). 99 Vgl. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., Art. 82 EGV Rn. 54; ders., in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 24. Zwar bezieht sich Möschel hier auf die Substitutionsfähigkeit auf Angebotsseite, hinsichtlich der Nachfrageseite gilt aber nichts anderes. 100 Vgl. Heinemann, Immaterialgüterschutz, S. 443.

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

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schende Stellung, wenn es zu seiner patentgeschützten Lehre keine – tatsächlichen oder potentiellen101 – Substitute gibt, wenn diese für die Tätigkeit auf dem nachgelagerten Produkt- bzw. Verfahrensmarkt mit anderen Worten unerlässlich ist. Denn wo sich der sachlich relevante Markt in Ermangelung von Substitutionsmöglichkeiten auf diese eine technische Lehre beschränkt und der Schutzrechtsinhaber aufgrund seiner patentrechtlichen Ausschließlichkeitsstellung im Hinblick auf Art und Umfang der Nutzung dieser Lehre ohne Wettbewerber ist, verfügt er automatisch über eine wirtschaftliche Monopolstellung,102 die es ihm erlaubt, sein Marktverhalten ohne jeden Wettbewerbsdruck nach eigenem Gutdünken zu gestalten, und ist daher zugleich marktbeherrschend im Sinne des Kartellrechts.103 c) Übertragung auf den Fall standard-essentieller Patente im Standardisierungskontext Überträgt man die vorstehend erläuterten Grundsätze zur Bestimmung des sachlich relevanten Marktes sowie zur Ermittlung einer auf diesem Markt bestehenden beherrschenden Stellung des Patentinhabers auf den Fall standard-essentieller Patente im Rahmen der kollektiven Festlegung technischer Standards,104 so ist es entscheidend, sich zu vergegenwärtigen, dass allein die Stellung eines Patents als für die Anwendung des konkreten Standards wesentlich nicht automatisch dazu führt, dass der 101 Zur Bedeutung potentiellen Wettbewerbs sowie der verschiedenen Arten von Marktzutrittsschranken i.R.d. Marktbeherrschungsprüfung vgl. Bartl, S. 86 ff. 102 Vgl. auch die Legaldefinition in § 19 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 GWB, derzufolge eine marktbeherrschende Stellung immer dann vorliegt, wenn das fragliche Unternehmen auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt „ohne Wettbewerber ist“ (sog. Monopol, vgl. Emmerich, S. 350). 103 Vgl. Meinberg, S. 119 f.; Heinemann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., GRUR Teil B, Rn. 43, 49; Conde Gallego, GRUR Int. 2006, S. 16, 19 ff. Lesenswert auch Bartl, S. 67 ff. Zur Klarstellung sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die marktbeherrschende Stellung niemals aus dem patentrechtlichen Ausschließlichkeitsrecht als solchem folgt. Wie bereits oben (Teil 2, D.I.) erläutert, gewährt das Patent als solches nämlich eine bloß rechtliche Monopolstellung. In eine wirtschaftliche Monopolstellung, wie sie im Hinblick auf Art. 82 EGV bzw. §§ 19, 20 GWB von Belang ist, kann diese sich nur im Rahmen der insoweit geltenden, allgemeinen Beurteilungskriterien entwickeln, namentlich dann, wenn jeglicher (Substitutions-)Wettbewerb auf dem relevanten Markt ausgeschlossen ist. Vor diesem Hintergrund ist daher die insbesondere den europäischen Gerichten wiederholt abverlangte Aussage, der Inhaber eines Patents oder eines sonstigen Ausschließlichkeitsrechts nehme nicht schon wegen dieser „Sonderstellung“ eine marktbeherrschende Stellung im Sinne des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots ein, ebenso selbstverständlich wie überflüssig. Siehe Heinemann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., GRUR Teil B, Rn. 42 ff. Zu der in Bezug genommenen Rechtsprechung siehe etwa EuGH vom 29.02.1968, Slg. 1968, S. 86, 112 (Parke Davis/Probel) (zu Patenten); EuGH vom 08.06.1971, Slg. 1971, S. 487, Leits. 7 (Deutsche Grammophon/Metro) (zum Urheberrecht). 104 Lesenswert hierzu auch Europäische Kommission, Mitt. Gewerbliche Schutzrechte und Normen, KOM (92) 445 endg., vom 27.10.1992, Rn. 5.1.7, die sich insoweit allerdings damit begnügt, auf die „allgemeinen Regeln“ zu verweisen.

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

Inhaber dieses Patents auf dem relevanten Technologiemarkt über eine marktbeherrschende oder sogar darüber hinaus gehende Monopolstellung verfügt. Denn zwar ist der Zugang zu der patentgeschützten Lehre in diesem Fall für die Anwendung des konkret in Rede stehenden Standards unerlässlich; ob hieraus zugleich eine marktbeherrschende Stellung des Patentinhabers im oben beschriebenen, kartellrechtlichen Sinne folgt, hängt aber weitergehend davon ab, welche Bedeutung dem Standard seinerseits auf dem nachgelagerten Produkt- bzw. Verfahrensmarkt zukommt. Existieren auf diesem nachgelagerten Markt neben dem fraglichen Standard noch eine Reihe alternativer Standards, die auf anderen technischen Lehren basieren und die Bedürfnisse der Marktgegenseite in vergleichbarer Weise befriedigen, so kann sich dies auch auf die Wettbewerbssituation auf dem vorgelagerten Technologiemarkt auswirken. Der Patentinhaber ist dort jedenfalls dann einem (mehr oder weniger) spürbaren Wettbewerbsdruck ausgesetzt, wenn eine Umstellung der Produkte bzw. Verfahren auf einen alternativen Standard105 technisch und rechtlich möglich sowie unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll ist.106 Die Substituierbarkeit des Standards auf dem nachgelagerten Produkt- bzw. Verfahrensmarkt hat also (un-)mittelbare Auswirkungen auf den vorgelagerten Technologiemarkt und die dort bestehende Wettbewerbsposition des Patentinhabers. Die Wesentlichkeit eines Patents für die Herstellung von auf dem konkreten Standard beruhenden Produkten107 führt auf dem vorgelagerten Technologiemarkt mit anderen Worten nur dann zu einer marktbeherrschenden Stellung des Patentinhabers, wenn 105

Dasselbe gilt natürlich für die Umstellung auf andere, nicht standardisierte technische Lösungen. 106 Als aktuelles Beispiel mögen die zwei konkurrierenden Standards für hochauflösende Videofilme dienen, die aktuell um die Vorherrschaft auf dem Markt wetteifern und als Nachfolger der DVD reüssieren wollen. Hierbei handelt es sich um die sog. Blu-Ray Disc, die von der Blu-Ray Disc Association (für weitere Informationen siehe http://www.blu-raydisc.com/en. html, zuletzt aufgerufen am 11.04.2009) unterstützt wird, und die sog. HD DVD, für die sich das DVD Forum (für weitere Informationen siehe http://www.dvdforum.org/forum.shtml, zuletzt aufgerufen am 11.04.2009) stark macht. Bis heute verfügt keines der beiden Formate über eine beherrschende Stellung auf dem Markt, wenngleich zu erwarten ist, dass sich die Blu-Ray Disc wohl durchsetzen wird. (Zum Kampf der beiden Standards vgl. Spiegel Online vom 09.01.2009, abrufbar im Internet unter http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,527648,00.html, zuletzt aufgerufen am 11.04.2009.) Angenommen, beide Formate enthalten patentgeschützte Erfindungen, auf denen sie wesentlich beruhen, so dass eine Anwendung des jeweiligen Standards nicht möglich ist, ohne auf diese Patente zurückzugreifen, so verfügt gleichwohl keiner der betreffenden Patentinhaber zwingend über eine marktbeherrschende Stellung, wenn und weil er sich im Hinblick auf die Lizenzvergabe an seinen Schutzrechten gerade nicht nach eigenem Belieben und ohne Rücksicht auf die Wettbewerbssituation verhalten kann. Verweigert er beispielsweise die Lizenzvergabe insgesamt oder verlangt er derart überhöhte Lizenzgebühren, dass die Anwendung des auf seiner technischen Lehre basierenden Standards im Verhältnis zu dem konkurrierenden Standard unverhältnismäßig teuer wird, so besteht die Gefahr, dass die Kunden – eine entsprechende Substituierbarkeit zwischen den beiden Formaten vorausgesetzt – auf den anderen Standard umschwenken, was zur Folge hätte, dass seine eigene Marktposition geschwächt würde. 107 – bzw. für die Anwendung von auf dem Standard beruhenden Verfahren –

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auch der betreffende Standard als solcher auf dem nachgelagerten Produkt- bzw. Verfahrensmarkt einem wesentlichen Wettbewerb nicht ausgesetzt ist.108 Das ist immer dann der Fall, wenn es für die Hersteller standardkonformer Produkte bzw. die Anwender standardkonformer Verfahren nicht möglich oder wirtschaftlich nicht sinnvoll ist, sich von dem fraglichen Standard abzuwenden. Eine solche Situation kann beispielsweise dann vorliegen, wenn die Anwendung des fraglichen Standards aufgrund unmittelbarer oder mittelbarer gesetzlicher Inbezugnahme rechtlich verbindlich vorgeschrieben ist.109 Zu den Möglichkeiten einer solchen rechtlichen Verbindlicherklärung kollektiv entwickelter Technologiestandards durch gesetzliche Inbezugnahme wurde bereits zu Beginn der Arbeit umfassend Stellung genommen.110 Sind die Marktteilnehmer in bestimmten Bereichen verpflichtet, im Hinblick auf ihre Produkte oder Verfahren einen konkreten Standard zu befolgen, um den gesetzlichen Vorschriften zu genügen, so verfügt der Inhaber einer patentierten und für die Anwendung dieses Standards wesentlichen technischen Lehre infolge fehlender Substitutionskonkurrenz auf dem maßgeblichen Technologiemarkt zwangsläufig über eine – die einfache Marktbeherrschung übersteigende – Monopolstellung, denn der sachlich relevante Markt beschränkt sich dann auf diese eine, dem Patentinhaber „gehörende“ technische Lehre.111 Dasselbe gilt für den Fall der (bloß) faktischen Verbindlichkeit eines bestimmten Standards. Wie ebenfalls bereits zu Beginn erläutert, ist im Rahmen der kollektiven Entwicklung technischer Standards nicht selten zu beobachten, dass solche Standards aufgrund bestimmter ökonomischer Besonderheiten (z. B. Netzwerk- und Einsperrungseffekte) sowie einer grundsätzlich vorhandenen Verbraucherpräferenz für standardisierte Produkte zu faktischer Verbindlichkeit dergestalt gelangen, dass für die betreffenden Akteure auf dem Produkt- bzw. Verfahrensmarkt die Herstellung nicht standardkonformer Produkte bzw. die Anwendung nicht standardkonformer Verfahren unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht rentabel ist, weil eine entsprechende Abnehmerschaft nicht existiert.112 Auch in einer solchen Situation – die Rechtsprechung spricht hier von der Entwicklung des Standards zur sog. „Industrienorm“113 – kommt dem Inhaber eines standard-essentiellen Patents in gleichem 108 Ähnlich Geradin, Pricing Abuses by Essential Patent Holders in a Standard-Setting Context, S. 5 ff. Lesenswert auch ders., Abusive Pricing in an IP licensing Context, S. 3 ff. 109 Vgl. Conde Gallego, GRUR Int. 2006, S. 16, 22. 110 Siehe oben Teil 2, A.IV.1.a) mit entsprechenden Beispielen. 111 Vgl. Heinemann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., GRUR Teil B, Rn. 49. Ähnlich Kübel, S. 268, die allerdings nicht zwischen Technologie- und Produktmarkt unterscheidet und daher zu dem zweifelhaften Schluss gelangt, der Patentinhaber verfüge im Falle der rechtlichen Verbindlichkeit eines Standards nur dann über eine Monopolstellung, „wenn er keine Lizenzen vergibt“. 112 Siehe oben Teil 2, A.IV.2. mit entsprechenden Beispielen. 113 BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, Leits. 2 („Standard-Spundfass II“). Vgl. auch EuGH vom 11.04.2002, Slg. 2002, S. I-3401, Rn. 3 (NDC Health/Kommission) (freilich im Hinblick auf eine einseitig entwickelte, sog. „de-facto-Industrienorm“).

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

Maße eine Monopolstellung zu wie im soeben beschriebenen Fall der rechtlichen Verbindlichkeit, weil auch hier der Zugang zu der entsprechenden Technologie für die Geschäftstätigkeit auf dem nachgelagerten Produkt- bzw. Verfahrensmarkt insgesamt unerlässlich ist.114 Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der Inhaber eines standard-essentiellen Patents nicht automatisch marktbeherrschend im Sinne des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots ist. Die Wesentlichkeit seines Patents für die Anwendung des konkreten Standards verleiht ihm gerade keine wirtschaftliche Monopolstellung im oben beschriebenen Sinne. Eine solche kommt ihm vielmehr nur dann zu, wenn der Zugang zu seiner Erfindung darüber hinaus für die Geschäftstätigkeit auf dem nachgelagerten Produkt- bzw. Verfahrensmarkt insgesamt unerlässlich ist. 2. Missbrauch Das Innehaben einer marktbeherrschenden Stellung allein ist weder im europäischen noch im deutschen Kartellrecht verboten. Gegen Art. 82 EGV bzw. §§ 19, 20 GWB verstößt ein marktbeherrschendes Unternehmen vielmehr nur, wenn es die ihm zukommende Machtposition in nicht gerechtfertigter Art und Weise missbraucht. Unter welchen Voraussetzungen ein solcher Missbrauch angenommen werden kann, ist Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung. Dabei werden wiederum zunächst die allgemeinen Grundsätze des Marktmachtmissbrauchs dargestellt (dazu sogleich a)). In der Folge wird die Problematik des Missbrauchs durch Patentlizenzverweigerung erörtert (dazu unten b)), bevor schließlich auf die Besonderheiten eingegangen wird, die sich gerade im Rahmen der kollektiven Festlegung technischer Standards ergeben (können) (dazu unten c)). a) Allgemeine Grundsätze zum Marktmachtmissbrauch Sowohl Art. 82 S. 1 EGV als auch § 19 Abs. 1 GWB sprechen lediglich von dem Verbot der „missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden“ Stellung, ohne aber den Begriff des Missbrauchs allgemein zu definieren. Stattdessen behilft sich das Gesetz auf europäischer wie auf deutscher Ebene mit der Auflistung einer (nicht abschließenden) Reihe von Regelbeispielen,115 die einen Rückschluss darauf zulassen, was generell unter einem Missbrauch im Sinne dieser Vorschriften zu verstehen ist.

114 Vgl. BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1331 („Standard-Spundfass II“); EuGH vom 29.04.2004, Slg. 2004, S. I-5039, Rn. 28 f. (IMS Health/NDC Health); Heinemann, ZWeR 2005, S. 198, 202. Vgl. auch Conde Gallego, GRUR Int. 2006, S. 16, 22 f., die insoweit freilich von „de facto Standards“ spricht. 115 Siehe hierzu bereits oben Teil 4, C.II.1.

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

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Die zentrale Aufgabe der Missbrauchsaufsicht liegt in dem Schutz sowie der Bewahrung des (Rest-)Wettbewerbs.116 In Anlehnung an Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV bezeichnet daher insbesondere der EuGH in ständiger Rechtsprechung solche Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung als missbräuchlich, die die Struktur des Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, die von denjenigen des normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen.117 Aufgrund des identischen Wortlauts des Missbrauchsverbots im nationalen Recht sowie der parallel verlaufenden normativen Wertungen kann diese Definition gleichsam auch im Rahmen des § 19 Abs. 1118 herangezogen werden.119 Zu beachten ist, dass sich das Missbrauchsverbot trotz der insoweit missverständlichen Formulierungen des EuGH nicht allein auf solche Verhaltensweisen erstreckt, die durch den Einsatz leistungsfremder Mittel gekennzeichnet sind. Verboten sind vielmehr all diejenigen Verhaltensweisen, die – wenn sie von einem marktbeherrschenden Unternehmen ausgehen – zu einem Verstoß gegen das in Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV festgelegte System unverfälschten Wettbewerbs führen, für dessen Aufrechterhaltung diese Unternehmen, wie oben dargelegt,120 eine besondere Verantwortung tragen.121 Diese besondere wettbewerbliche Verantwortung kann bei marktbeherrschenden Unternehmen dazu führen, dass grundsätzlich jedwedes Marktverhalten, das bei einem „normalen“ Unternehmen und in einem „normalen“ wettbewerblichen Umfeld nicht zu beanstanden wäre, immer dann dem kartellrechtlichen Missbrauchsverbot unterfällt, wenn und soweit es eine Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs nach sich zieht.122 116 Vgl. etwa Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., Art. 82 EGV Rn. 118; Emmerich, S. 144 ff. 117 Siehe exemplarisch EuGH vom 13.02.1979, Slg. 1979, S. 461, Rn. 91 (Hoffmann-LaRoche/Kommission); EuGH vom 09.11.1983, Slg. 1983, S. 3461, Rn. 70 („Michelin“). Vgl. auch Emmerich, S. 147, m.w.N. 118 § 19 Abs. 1 GWB ist die Grundnorm des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots im deutschen Recht. 119 Vgl. zum deutschen Recht Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 5 ff., 99 ff.; Emmerich, S. 337 ff., 360. 120 s. o. Teil 4, C.II.1. 121 Vgl. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., Art. 82 EGV Rn. 120; Emmerich, S. 148; Käller, S. 43. Vgl. auch EuG vom 17.07.1998, Slg. 1998, S. II-2937, Rn. 139 (ITT Promedia/Kommission); EuGH vom 09.11.1983, Slg. 1983, S. 3461, Rn. 57 (Michelin/Kommission); Europäische Kommission vom 24.03.2004, COMP/C-3/37.792, Rn. 542 („Microsoft“). 122 Siehe Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., Art. 82 EGV Rn. 123; Dirksen, in: Langen/Bunte, EG-KartellR., Art. 82 EGV Rn. 85; Jung, in: Grabitz/Hilf, Recht der EU, Art. 82 Rn. 117 ff. Vgl. auch Mestmäcker, in: FS Raisch, S. 441, 443 f.

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

Hervorgehoben sei darüber hinaus, dass das Konzept des Marktmachtmissbrauchs ein rein objektives ist; die Beurteilung eines bestimmten Verhaltens als missbräuchlich ist daher unabhängig von den Motiven und Zielsetzungen des Normadressaten sowie davon, ob diesem ein Schuld- oder Sittenwidrigkeitsvorwurf gemacht werden kann.123 Entscheidend ist vielmehr nur, dass das fragliche Verhalten mit den Leitvorstellungen des Kartellrechts im Allgemeinen und denen des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots im Besonderen (Schutz des Wettbewerbs vor Verfälschungen sowie Bewahrung des Restwettbewerbs) unvereinbar ist.124 Für die vorliegende Arbeit bedeutsam125 ist schließlich die Korrelation zwischen marktbeherrschender Stellung und Missbrauchshandlung. In Anlehnung an den Wortlaut des Gesetzes, der die „missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung“ verbietet, sowie im Hinblick auf die Tatsache, dass die in Art. 82 EGV bzw. §§ 19, 20 GWB zum Ausdruck kommende, besondere wettbewerbliche Verantwortung nach dem Willen des Gesetzgebers nur marktbeherrschende Unternehmen trifft und nur während der Dauer ihrer Marktbeherrschung besteht, ist erforderlich, dass die konkret in Rede stehende Missbrauchshandlung und die Marktbeherrschung zeitlich zusammenfallen.126 Ein Missbrauch ohne zeitgleiche Marktbeherrschung ist kartellrechtlich nicht denkbar.127

123 Vgl. Klees, EWS 2008, S. 449, 453; Käller, S. 43; Loest/Bartlik, ZWeR 2008, S. 41, 51; Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., Art. 82 EGV Rn. 126; Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 10; BGH vom 09.11.1982, WuW/E BGH 1965, 1966 („gemeinsamer Anzeigenteil“); EuG vom 30.09.2003, Slg. 2003, S. II-4071, Rn. 54 (Michelin/Kommission); EuGH vom 13.02.1979, Slg. 1979, S. 461, Rn. 91 (Hoffmann-LaRoche/Kommission). Siehe auch OLG Frankfurt vom 21.07.1970, WuW/E OLG 1194, 1195 („Stromversorgung für US-Streitkräfte“), das explizit darauf hinweist, dass mit der Feststellung eines Missbrauchs für das betreffende Unternehmen nicht automatisch das Urteil der Sittenwidrigkeit verbunden ist. 124 Von der Feststellung eines Missbrauchs zu unterscheiden ist die Rechtsfolgenseite. Für die Verhängung eines Bußgeldes nach Art. 23 Abs. 2 lit a) KartVerfVO bzw. § 81 Abs.1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 GWB ist der Nachweis eines vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstoßes erforderlich. 125 Siehe dazu unten Teil 4, C.III.2.c)bb)(1). 126 Siehe nur Jung, in: Grabitz/Hilf, Recht der EU, Art. 82 EGV Rn. 113. Vgl. auch Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., Art. 82 EGV Rn. 122; Emmerich, S. 146, 148. 127 Das verdeutlicht auch die vom EuGH regelmäßig verwendete und oben wiedergegebene Definition des Missbrauchsbegriffs, derzufolge solche Verhaltensweisen eines Unternehmens in marktbeherrschender Stellung missbräuchlich sind, die die Struktur des Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist. Siehe EuGH vom 13.02.1979, Slg. 1979, S. 461, Rn. 91 (Hoffmann-LaRoche/Kommission); EuGH vom 09.11.1983, Slg. 1983, S. 3461, Rn. 70 („Michelin“).

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b) Missbrauch durch Patentlizenzverweigerung Im Rahmen der Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die echte128 Lizenzverweigerung durch einen marktbeherrschenden Patentinhaber einen Missbrauch im Sinne der kartellrechtlichen Vorschriften bedeutet, sind einige Besonderheiten zu beachten. Diese ergeben sich daraus, dass es gerade zum Wesen des Patents als geistiges Eigentumsrecht gehört, jedem Dritten die gewerbliche Nutzung der geschützten Lehre untersagen und die Erfindung ausschließlich selbst nutzen zu dürfen, ohne dass hierfür eine besondere Begründung von Seiten des Patentinhabers erforderlich ist.129 Vor diesem Hintergrund ist anerkannt, dass die bloße Berufung des Schutzrechtsinhabers auf sein Ausschließlichkeitsrecht und die Verweigerung der Lizenzvergabe grundsätzlich keinen Verstoß gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot darstellen. Erforderlich ist vielmehr das Hinzutreten sog. „außergewöhnlicher Umstände“, die die Lizenzverweigerung durch einen marktbeherrschenden Patentinhaber im konkreten Einzelfall ausnahmsweise als missbräuchlich erscheinen lassen und infolgedessen die Erteilung einer Zwangslizenz zum Zwecke des Schutzes der Wettbewerbsordnung gebieten.130 Zur Ermittlung, ob derartige außergewöhnliche Umstände vorliegen, bedarf es einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung sowie der Betrachtung aller Besonderheiten des konkreten Einzelfalles.131 aa) Die Zwangslizenz im europäischen Kartellrecht Hierzu hat sich im Laufe der Jahre insbesondere auf europäischer Ebene eine bedeutende Entscheidungspraxis entwickelt, die nachfolgend auszugsweise dargestellt wird. Wenngleich die zugrundeliegenden Sachverhalte nicht den speziellen Fall der 128

Hierzu oben Teil 4, C.II.5. Das ergibt sich einfachgesetzlich aus § 9 PatG und ist auf verfassungsrechtlicher Ebene zudem durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG sowie die aus Art. 2 Abs. 1 GG folgende, allgemeine Handlungs- und Vertragsabschlussfreiheit gewährleistet. Vgl. darüber hinaus Europäische Kommission, Article 82 Discussion Paper, Rn. 238. 130 So die allgemeine Meinung in Literatur und Rechtsprechung, vgl. etwa Hausmann, MMR 2008, S. 381 f.; Conde Gallego, GRUR Int. 2006, S. 16, 27 f.; Loest/Bartlik, ZWeR 2008, S. 41, 50; LG Düsseldorf vom 30.11.2006, WuW/E DE-R 2120, 2122 („MPEG 2-Standard“); BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1332 („Standard-Spundfass II“); EuGH vom 29.04.2004, Slg. 2004, S. I-5039, Rn. 34 f. (IMS Health/NDC Health); EuGH vom 06.04.1995, Slg. 1995, S. I-743, Rn. 49 f. (RTE & ITP/Kommission („Magill“)); EuG vom 17.09.2007, Rs T-201/04, Rn. 331 (Microsoft/Kommission). 131 Siehe EuGH vom 10.07.1991, Slg. 1991 II, S. 575, Rn. 50 ff. (insbes. Rn. 56) (Independent Television/Kommission („Magill“)); Europäische Kommission vom 03.07.2001, Abl. L 59 vom 28.02.2002, S. 18, Rn. 67 ff. (NDC Health/IMS Health); Kübel, S. 211; Heinemann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., GRUR Teil B, Rn. 50; ders., Immaterialgüterrecht, S. 168; Kaestner, S. 45. 129

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

Patentlizenzverweigerung zum Gegenstand hatten, sondern sich gleichsam auf die Lizenzverweigerung bei Geschmacksmustern, Urheberrechten und anderen geistigen Eigentumsrechten bezogen, stimmen die maßgeblichen Beurteilungskriterien in all diesen Fällen überein, so dass die entsprechenden Entscheidungen auch für die vorliegende Untersuchung von Bedeutung sind.132 (1) Volvo / Veng Die erste wegweisende Stellungnahme zu der Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Verweigerung der Lizenzerteilung an einem geistigen Eigentumsrecht den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne des Art. 82 EGV bedeuten kann, findet sich in dem Urteil des EuGH vom 05.10.1988133 in der Rechtssache Volvo/Veng, das aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 234 EGV erging. Der High Court of Justice of England and Wales hatte dem EuGH die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob es den Missbrauch einer beherrschenden Stellung nach Art. 82 EGV bedeutet, wenn ein Kraftfahrzeughersteller, der eingetragene Geschmacksmusterrechte besitzt, die ihm nach dem Recht eines Mitgliedstaates das ausschließliche Recht zur Herstellung und Einfuhr von Karosserieersatzteilen verleihen, die zur Durchführung von Karosseriereparaturen an von ihm hergestellten Kraftfahrzeugen zwingend benötigt werden, es ablehnt, Dritten eine Lizenz für die Lieferung solcher Ersatzteile zu gewähren, wenn diese Dritten ihrerseits zur Zahlung angemessener Lizenzgebühren bereit sind. Im Rahmen seiner Antwort hob der EuGH zunächst ausdrücklich hervor, dass „die Befugnis des Inhabers eines geschützten Musters, Dritte an der Herstellung und dem Verkauf oder der Einfuhr der das Muster verkörpernden Erzeugnisse ohne seine Zustimmung zu hindern, gerade die Substanz seines ausschließlichen Rechts darstellt.“134 Daraus folgt nach Ansicht des Gerichts, dass eine dem Inhaber eines Geschmacksmusters auferlegte Lizenzierungspflicht selbst dann in den Kernbereich seines Ausschließlichkeitsrechts eingreift, wenn dies gegen angemessene Vergütung erfolgt, und dass daher die Verweigerung der Lizenzerteilung grundsätzlich nicht als Missbrauch einer beherrschenden Stellung qualifiziert werden kann. Dies vorangestellt, fuhr der EuGH fort: „Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß die Ausübung des ausschließlichen Rechts durch den Inhaber eines Musters für Kraftfahrzeugkarosserieteile gemäß Artikel 86 [jetzt Art. 82 EGV] verboten sein kann, wenn sie bei einem Unternehmen, das eine beherrschende Stellung einnimmt, zu bestimmten mißbräuchlichen Verhaltensweisen führt, etwa der willkürlichen Weigerung, unabhängige Reparaturwerkstätten mit Ersatzteilen zu beliefern, der Festsetzung unangemessener Ersatzteilpreise oder der Entscheidung, für ein bestimmtes Modell keine Ersatzteile mehr herzustellen, obwohl noch viele Fahrzeuge dieses Modells

132 133 134

Vgl. nur Sprickmann Kerkernick, S. 150 f. EuGH vom 05.10.1988, Slg. 1988, S. 6211 (AB Volvo/Erik Veng). EuGH, a. a. O., Rn. 8.

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

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verkehren, sofern diese Verhaltensweisen geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.“

Wenngleich der EuGH in diesem Vorabentscheidungsverfahren letztlich nicht zur Entscheidung über das Vorliegen eines Missbrauchs berufen war, so stellte er mit dieser Aussage dennoch unmissverständlich klar, dass die grundsätzliche Verweigerung der Lizenzvergabe an gewerblichen Schutzrechten zwar nicht grundsätzlich, wohl aber bei Vorliegen besonderer Umstände als missbräuchliches Verhalten im Sinne des Art. 82 EGV qualifiziert werden kann. (2) Magill In dem am 06. 04. 1995 ergangenen Magill-Urteil135 hatte der EuGH im Rechtsmittelverfahren erneut über die Frage zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen die Weigerung eines marktbeherrschenden Immaterialgüterrechtsinhabers, Dritten eine Lizenz für die Nutzung seines Rechts zu erteilen, einen Verstoß gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot darstellt. Anders als in dem Verfahren Volvo/Veng ging es diesmal anstelle eines Geschmacksmusterrechts um ein Urheberrecht; zudem hatte der EuGH in diesem Fall tatsächlich über die Erteilung einer entsprechenden Zwangslizenz zu entscheiden. Den Gegenstand des Verfahrens bildete eine Entscheidung der Europäischen Kommission, in der sie die Ansicht vertreten hatte, dass drei Fernsehgesellschaften ihre beherrschende Stellung auf dem Markt ihrer jeweiligen wöchentlichen Programmvorschauen und auf dem Markt der Fernsehprogrammführer, in denen diese Vorschauen jeweils isoliert veröffentlicht wurden, dadurch missbraucht hatten, dass sie sich auf ihr Urheberrecht an den Vorschauen berufen hatten, um Dritte daran zu hindern, vollständige wöchentliche Führer unter Einschluss der Programme sämtlicher Fernsehsender zu veröffentlichen. Die Kommission hatte diese Fernsehgesellschaften verpflichtet, sich gegenseitig sowie dritten Parteien auf Anfrage ihre im Voraus erstellten wöchentlichen Programmlisten auf nicht-diskriminierender Basis und zu angemessenen Bedingungen zur Verfügung zu stellen und ihnen die Veröffentlichung dieser Programme zu gestatten.136 Unter Bezugnahme auf sein Urteil in der Rechtssache Volvo/Veng wies der EuGH wiederum zunächst darauf hin, dass das ausschließliche Recht der Vervielfältigung zu den Vorrechten eines Urhebers gehört, so dass die Lizenzverweigerung als solche nicht als missbräuchlich qualifiziert werden kann, selbst wenn sie von einem Unternehmen in beherrschender Stellung ausgeht.137 Sodann stellte der EuGH klar, dass die Ausübung dieses ausschließlichen Rechts durch seinen Inhaber aber ausnahmsweise 135

EuGH vom 06.04.1995, Slg. 1995, S. I-743 (RTE & ITP/Kommission („Magill“)). Europäische Kommission vom 21.12.1988, Abl. L 78 vom 21.03.1989, S. 43 (Magill TV Guide/ITP, BBC & RTE). 137 EuGH vom 06.04.1995, Slg. 1995, S. I-743, Rn. 49 (RTE & ITP/Kommission („Magill“)). 136

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

dann missbräuchlich sein kann, wenn „außergewöhnliche Umstände“ vorliegen.138 Im zur Entscheidung stehenden Sachverhalt identifizierte der EuGH insgesamt vier Kriterien, die er in ihrer Zusammenschau als „außergewöhnliche Umstände“ betrachtete und die daher als Grundlage für die Qualifizierung des den Fernsehgesellschaften zur Last gelegten Verhaltens als missbräuchlich im Sinne des Art. 82 EGV dienten. Erstens betraf die ihnen zur Last gelegte Weigerung ein Produkt (Informationen über die wöchentlichen Programme der entsprechenden Fernsehsender), dessen Lieferung für die Ausübung der betreffenden Tätigkeit (Herausgabe eines umfassenden Fernsehprogrammführers) unentbehrlich war.139 Zweitens verhinderte diese Weigerung das Auftreten eines neuen Produkts, namentlich eines umfassenden wöchentlichen Fernsehprogrammführers, den die betreffenden Fernsehgesellschaften selbst nicht anboten und nach dem eine potentielle Nachfrage der Verbraucher bestand.140 Drittens war die Weigerung nicht gerechtfertigt.141 Viertens schließlich behielten sich die Fernsehgesellschaften durch ihr Verhalten einen abgeleiteten Markt, namentlich den Markt der wöchentlichen Fernsehprogrammführer, vor, indem sie jeden Wettbewerb auf diesem Markt ausschlossen.142 Allerdings begnügte sich der EuGH in seinem Urteil damit, diese vier Kriterien der Reihe nach zu benennen und darauf hinzuweisen, dass die Lizenzverweigerung „unter Berücksichtigung aller dieser Umstände“ als Missbrauch im Sinne des Art. 82 EGV qualifiziert werden konnte.143 Nähere Aussagen zur Gewichtung der einzelnen Kriterien und zu deren Verhältnis untereinander144 ließ die Entscheidung ebenso vermissen wie einen Hinweis auf die Frage, ob auch andere – in diesem Urteil nicht erwähnte – Umstände als „außergewöhnlich“ qualifiziert und mithin zur Begründung eines Missbrauchs herangezogen werden können. (3) IMS Health In dem am 29.04.2004 ergangenen Urteil IMS Health145 war der EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens146 ein weiteres Mal dazu berufen, zu den Voraussetzungen Stellung zu nehmen, unter denen die Lizenzverweigerung durch

138

EuGH a. a. O., Rn. 50. EuGH a. a. O., Rn. 52 f. 140 EuGH a. a. O., Rn. 54. 141 EuGH a. a. O., Rn. 55. 142 EuGH a. a. O., Rn. 56. 143 EuGH a. a. O., Rn. 57. 144 Es stellte sich insbesondere die Frage, ob nur das kumulative Vorliegen der genannten Kriterien zur Annahme des Missbrauchs führte oder ob auch das alternative Vorliegen einzelner Merkmale ausgereicht hätte. 145 EuGH vom 29.04.2004, Slg. 2004, S. I-5039 (IMS Health/NDC Health). 146 Vorlegendes Gericht war diesmal das LG Frankfurt a.M. 139

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

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einen marktbeherrschenden Schutzrechtsinhaber missbräuchlich im Sinne von Art. 82 EGV sein kann. Gegenstand des Verfahrens war ein urheberrechtlich geschütztes Informationssystem der Firma IMS Health über den Absatz und die Verschreibung von Arzneimitteln in Deutschland. Aufgrund der allgemeinen Verbreitung dieses Systems im Markt waren konkurrierende Informationssysteme nicht marktfähig. Als einige Wettbewerber aus diesem Grunde bei IMS Health um Lizenzen zur Nutzung der urheberrechtlich geschützten Struktur des betreffenden Informationssystems nachsuchten, verweigerte das Unternehmen die Lizenzerteilung, was die Zugangspetenten wiederum als Verstoß gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot betrachteten. Unter Bezugnahme auf die Urteile Volvo/Veng und Magill wies der EuGH zunächst erneut darauf hin, dass nach gefestigter Rechtsprechung das ausschließliche Recht der Vervielfältigung zu den Vorrechten des Inhabers eines geistigen Eigentumsrechts gehört, so dass die Verweigerung einer Lizenz als solche keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann.147 Wiederum unter Bezugnahme auf die zitierten Urteile führte der EuGH weiter aus, dass die Berufung auf das Ausschließlichkeitsrecht aber dann missbräuchlich sein kann, wenn „außergewöhnliche Umstände“ vorliegen.148 Nach Wiedergabe der im Urteil Magill herangezogenen außergewöhnlichen Umstände erklärte der EuGH, dass ein Unternehmen, „das über ein Recht des geistigen Eigentums verfügt, und den Zugang zu Erzeugnissen oder Dienstleistungen verweigert, die für eine bestimmte Tätigkeit unerlässlich sind, b e r e i t s dann missbräuchlich [handelt], wenn drei Bedingungen k u m u l a t iv erfüllt sind: Die Weigerung muss das Auftreten eines neuen Erzeugnisses verhindern, nach dem eine potentielle Nachfrage der Verbraucher besteht, sie darf nicht gerechtfertigt sein, und sie muss geeignet sein, jeglichen Wettbewerb auf einem abgeleiteten Markt auszuschließen.“149 Obgleich der EuGH damit zur Bestimmung eines missbräuchlichen Verhaltens dieselben Kriterien heranzieht wie in den vorangegangenen Entscheidungen auch, enthält das Urteil im Verfahren IMS Health dennoch zwei weiterführende Aussagen: Durch die Verwendung des Wortes „bereits“ wird zum einen deutlich, dass die genannten (vier)150 Kriterien nicht die einzigen sind, die zur Annahme „außergewöhnlicher Umstände“ – und damit zur Begründung eines Missbrauchs im Sinne von Art. 82 EGV – herangezogen werden können. Zum anderen sind diese Kriterien zur Annahme „außergewöhnlicher Umstände“ nur dann ausreichend, wenn sie ku147

EuGH a. a. O., Rn. 34. EuGH a. a. O., Rn. 35. 149 EuGH a. a. O., Rn. 38, siehe auch Rn. 52. 150 Zwar spricht EuGH a. a. O., Rn. 38 nur von drei Bedingungen (Verhinderung eines neuen Produktes, potentieller Ausschluss jeglichen Wettbewerbs, keine Rechtfertigung). Dabei setzt er jedoch die Unerlässlichkeit des Zugangs zu dem geistigen Eigentumsrecht, die im Urteil Magill noch als eigenes Kriterium angesehen wurde, wie selbstverständlich voraus. Letztlich geht der EuGH daher auch im Urteil IMS Health, wie bereits zuvor, von vier Bedingungen aus. 148

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

mulativ vorliegen; die alternative Bejahung einzelner dieser Kriterien genügt mithin nicht, um die Lizenzverweigerung eines marktbeherrschenden Immaterialgüterrechtsinhabers als Verstoß gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot zu qualifizieren. (4) Microsoft Die jüngste zu dieser Fragestellung ergangene Entscheidung ist das Microsoft-Urteil des Gerichts Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (EuG) vom 17.09.2007.151 In dem zugrundeliegenden Verfahren hatte sich Microsoft geweigert, bestimmte Schnittstelleninformationen seines Betriebssystems Windows offenzulegen, die erforderlich waren (und nach wie vor erforderlich sind), um eine Kompatibilität von Windows mit anderen Betriebssystemen von PCs und Servern herzustellen. Durch diese Weigerung verhinderte Microsoft, dass Anbieter konkurrierender Betriebssysteme auf dem Markt Fuß fassen konnten, denn aufgrund der außergewöhnlichen Marktdurchsetzung von Windows152 fanden Konkurrenzprodukte nur dann (hinreichend viele) Abnehmer, wenn deren Kompatibilität mit Windows gewährleistet war.153 Die Hersteller der Konkurrenzprodukte sahen in dem Verhalten von Microsoft den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung und reichten daher Beschwerde bei der Europäischen Kommission ein. Microsoft hingegen berief sich darauf, dass die verlangten Schnittstelleninformationen urheberrechtlich geschützt seien und eine Offenlegung daher nicht erzwungen werden könne. Die Europäische Kommission ließ in ihrer Entscheidung vom 24.03.2004154 die Frage des Immaterialgüterschutzes allerdings ungeprüft. Stattdessen unterstellte sie das Vorliegen eines solchen Schutzes und ordnete (gleichwohl) die zwangsweise Offenlegung der zur Herstellung der Kompatibilität erforderlichen Schnittstelleninformationen an, da selbst unter Zugrundelegung des Bestehens eines geistigen Eigentumsrechts die Voraussetzungen des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots erfüllt seien. Das daraufhin von Microsoft angerufene EuG schloss sich dieser Beurteilung durch die Europäische Kommission im Ergebnis an.155 Genau wie der EuGH es in den zuvor besprochenen Urteilen getan hatte, leitete auch das EuG seine Prüfung mit dem Hinweis ein, dass die Lizenzverweigerung als solche grundsätzlich keinen 151

EuG vom 17.09.2007, T-201/04 (Microsoft/Kommission). Die Europäische Kommission ging von einem Marktanteil von Windows auf dem Markt für PC Betriebssysteme von mindestens 90 % und auf dem Markt für Server Betriebssysteme von mindestens 60 % aus. Siehe Europäische Kommission vom 24.03.2004, COMP/C-3/ 37.792, Rn. 430 ff., 491 ff. („Microsoft“). Dieser Bewertung widersetzte sich Microsoft weder während des Verfahrens vor der Kommission noch in dem späteren Gerichtsverfahren vor dem EuG. 153 EuG vom 17.09.2007, T-201/04, Rn. 371 bis 422 (Microsoft/Kommission). 154 Europäische Kommission vom 24.03.2004, COMP/C-3/37.792 („Microsoft“). 155 EuG vom 17.09.2007, T-201/04, Rn. 332 bis 711, 712 (Microsoft/Kommission). 152

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

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Missbrauch im Sinne des Art. 82 EGV darstellt, sondern nur dann missbräuchlich sein kann, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen.156 In Fortführung der Rechtsprechung des EuGH im Urteil IMS Health stellt das Gericht sodann fest, dass solche außergewöhnlichen Umstände insbesondere dann vorliegen, wenn erstens der Zugang zu dem fraglichen Immaterialgüterrecht für eine bestimmte Tätigkeit auf einem benachbarten Markt unerlässlich ist, zweitens die Lizenzverweigerung geeignet ist, jeglichen Wettbewerb auf diesem benachbarten Markt auszuschließen, drittens die Weigerung das Auftreten eines neuen Produkts verhindert, nach dem eine potentielle Nachfrage besteht, und viertens keine objektive Rechtfertigung vorliegt.157 Im Hinblick auf die Auslegung der dritten Voraussetzung, namentlich die Verhinderung eines neuen Produktes, betritt das EuG allerdings bisher unbekanntes Terrain. Nach seiner Auffassung ist dieses Merkmal nicht wörtlich zu verstehen, sondern in Anlehnung an Art. 82 S. 2 lit. b) EGV zu interpretieren. Geboten sei daher eine am Wohl der Verbraucher orientierte Auslegung, die insbesondere die Auswirkungen der Lizenzverweigerung auf die technische Fortentwicklung berücksichtigt. Auf der Grundlage einer Exegese der Urteilsgründe des EuGH in Magill und IMS Health kommt das EuG zu folgendem Schluss: „Die Tatsache, dass das gerügte Verhalten das Auftreten eines neuen Produkts auf dem Markt verhindert, ist im Kontext von [Art. 82 S. 2 lit. b) EGV] zu berücksichtigen, der Missbräuche verbietet, die in ,der Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung zum Schaden der VerbraucherÐ bestehen.“158 Kurz darauf heißt es: „Das Auftreten eines neuen Produkts […] kann [daher] nicht der einzige Parameter sein, anhand dessen geklärt werden kann, ob eine Weigerung, für ein Recht des geistigen Eigentums eine Lizenz zu erteilen, den Verbrauchern im Sinne von [Art. 82 S. 2 lit. b) EGV] schaden kann. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift kann ein solcher Schaden nicht nur bei einer Einschränkung der Erzeugung oder des Absatzes eintreten, sondern auch dann, wenn die technische Entwicklung eingeschränkt wird.“159

(5) Zusammenfassung Nach alledem ist festzuhalten, dass die Weigerung eines marktbeherrschenden Patentinhabers, Dritten Lizenzen zur gewerblichen Nutzung seiner Erfindung zu erteilen, grundsätzlich nicht missbräuchlich im Sinne von Art. 82 EGV ist.160 Ein kartell156

EuG, a. a. O., Rn. 331. EuG, a. a. O., Rn. 332 f. 158 EuG, a. a. O., Rn. 643. 159 EuG, a. a. O., Rn. 647. 160 Zur Entwicklung der europäischen Entscheidungspraxis (auch über die hier besprochenen Fälle hinaus) vgl. Ebenroth/Bohne, EWS 1995, S. 397 ff.; Schwarze, EuZW 2002, S. 75 ff.; Casper, ZHR 166 (2002), S. 685 ff; Eilmansberger, EWS 2003, S. 12 ff.; Heinemann, in: Hilty/Peukert (Hrsg.), S. 207 ff.; ders., in: Behrens (Hrsg.), S. 105 ff.; Wirtz/Holzhäuser, WRP 2004, S. 683 ff.; Leistner, ZWeR 2005, S. 138 ff.; Spindler/Apel, JZ 2005, S. 133 ff.; Höppner, GRUR Int. 2005, S. 457 ff.; Stopper, ZWeR 2005, S. 87 ff.; Kaestner, ab S. 47; Käller, ab S. 61; Conde Gallego, GRUR Int. 2006, S. 16 ff.; Heinemann, GRUR 2006, 157

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

rechtswidriger Missbrauch liegt vielmehr nur dann vor, wenn sog. außergewöhnliche Umstände feststellbar sind.161 Das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände stellt mithin das maßgebliche Beurteilungskriterium dar. Eine allgemeingültige Definition des Begriffs der außergewöhnlichen Umstände ist in Rechtsprechung und Literatur allerdings nicht zu finden. Erforderlich ist vielmehr eine umfassende Güter- und Interessenabwägung unter Würdigung sämtlicher Besonderheiten des konkreten Einzelfalls.162 Trotz dieser Einzelfallbezogenheit der kartellrechtlichen Beurteilung können nach der mittlerweile als gefestigt anzusehenden Rechtsprechung der europäischen Gerichte außergewöhnliche Umstände nicht nur, aber insbesondere dann angenommen werden, wenn kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sind:163 1. Der Zugang zu der patentrechtlich geschützten Erfindung ist unerlässlich, um auf einem abgeleiteten Markt wirtschaftlich tätig zu sein. Nach den Ausführungen des EuGH im Urteil IMS Health ist für die Frage der Unerlässlichkeit zu untersuchen, ob es Produkte oder Verfahren gibt, die Alternativlösungen darstellen, auch wenn sie weniger günstig sind, und ob technische, rechtliche oder wirtschaftliche Hindernisse bestehen, die geeignet sind, jedem Unternehmen, das auf diesem Markt tätig zu werden beabsichtigt, die Entwicklung von Alternativprodukten oder -verfahren unmöglich zu machen oder zumindest unzumutbar zu erschweren.164 2. Die Verweigerung der Lizenzerteilung ist geeignet, jeglichen Wettbewerb auf dem abgeleiteten Markt auszuschließen. 3. Die Lizenzverweigerung verhindert das Auftreten eines neuen Produktes, nach dem eine potentielle Nachfrage der Verbraucher besteht. Seit dem Microsoft-Urteil des EuG kann dieses Kriterium in Anlehnung an Art. 82 S. 2 lit. b) EGV interpretiert werden. Danach kommt es nicht in erster Linie auf die Verhinderung eines neuen Produktes im wörtlichen Sinne an, sondern darauf, dass durch die LiS. 705 ff.; Bartosch, RIW 2007, S. 908 ff.; Hoeren/Müller, MMR Beil. 2008 Heft 7, S. 1, 7 f.; Hausmann, MMR 2008, S. 381 ff., jeweils m.w.N. 161 Unter Verweis auf die oben besprochenen Urteile ebenso Europäische Kommission, Article 82 Discussion Paper, Rn. 239. 162 Siehe Heinemann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., GRUR Teil B, Rn. 56, 59; Meinhardt, S. 169. 163 Zu der Frage, ob die von der europäischen Entscheidungspraxis entwickelten Kriterien mit der im US-amerikanischen Recht verwurzelten sog. „essential facilities doctrine“ vergleichbar oder sogar identisch sind, und ob es überhaupt grundsätzlich möglich ist, die Lizenzverweigerung als Anwendungsfall dieser Lehre zu begreifen, soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht näher Stellung genommen werden. Der interessierte Leser sei auf die insoweit bereits bestehende, umfassende Literatur verwiesen. Vgl. etwa Beckmerhagen, ab S. 207, insbes. S. 352 ff., 391 ff.; Bartl, ab S. 131; Kaestner, S. 211 ff.; Käller, ab S. 168; Kübel, S. 224 ff.; Meinhardt, ab. S. 117; Sprickmann Kerkernick, S. 151 ff.; Müller, EuZW 1998, S. 232; Mennicke, ZHR 160 (1996), S. 626, 649 ff. 164 EuGH vom 29.04.2004, Slg. 2004, S. I-5039, Rn. 28 (IMS Health/NDC Health); siehe auch Europäische Kommission, Article 82 Discussion Paper, Rn. 229.

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

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zenzverweigerung die technische Fortentwicklung zum Nachteil der Verbraucher eingeschränkt wird.165 4. Die Lizenzverweigerung ist objektiv nicht gerechtfertigt.166 Diese vier Kriterien bedeuten aber keine abschließende Konkretisierung der beschriebenen „außergewöhnlichen Umstände“.167 Die Beurteilung einer Lizenzverweigerung als missbräuchlich im Sinne des Art. 82 EGV kann darüber hinaus in jedem Einzelfall anhand einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Besonderheiten der konkreten Fallkonstellation erfolgen. Eine solche Interessenabwägung hat sich an der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Kartellrechts ebenso maßgeblich zu orientieren wie an der gesetzgeberischen Motivation zur Gewährung einer patentrechtlichen Ausschließlichkeitsstellung und dem Sinn und Zweck des Patentschutzes insgesamt. Mit Blick auf das generelle wirtschafts- und wettbewerbspolitische Ziel der Schaffung bzw. Aufrechterhaltung eines gleichermaßen erfinderfreundlichen wie wettbewerbsfördernden Rechtsrahmens sind außerdem die Auswirkungen einer mehr oder weniger ausgeprägten Zwangslizenzpraxis auf die (langfristigen) Innovationsanreize der Marktteilnehmer mit in die Betrachtung einzubeziehen.168

165

Hierzu ausführlich Bartosch, RIW 2007, S. 908, 914 f., m.w.N. Das Kriterium der objektiven Rechtfertigung einer Lizenzverweigerung ist in der bisherigen Entscheidungspraxis nicht näher beleuchtet worden. Soweit ersichtlich, hat sich bisher allein das EuG in seinem Microsoft-Urteil zu der Feststellung bewegen lassen, eine Rechtfertigung käme (allenfalls) dann in Betracht, wenn der Patentinhaber darlegen könne, dass die mit der Vergabe von Lizenzen einhergehende Offenlegung der geschützten technischen Lehre negative Auswirkungen auf seine künftige Innovationstätigkeit hätte, und dass diese Auswirkungen schwerer wiegen als die Einschränkung des Wettbewerbs infolge der Lizenzverweigerung (EuG vom 17.09.2007, T-201/04, Rn. 680 (Microsoft/Kommission)). Einen darüber hinaus gehenden Konkretisierungsversuch unternimmt allerdings Bartl, S. 289 ff., der darauf hinweist, dass die Lizenzverweigerung immer dann gerechtfertigt sei, „wenn durch die so herbeigeführte Wettbewerbsfreistellung dem Immaterialgüterrechtsinhaber allein die seiner Leistung entsprechende wirtschaftliche Alleinverwertungsbefugnis vorbehalten wird.“ (Bartl, S. 290) Angesprochen ist hiermit letztlich die Frage nach der sog. „Belohnungsreichweite“ des jeweiligen Ausschließlichkeitsrechts (dazu ausführlich unten Teil 4, C.III.2.c)bb)(2)). 167 Für eine umfassende Darstellung und kritische Würdigung der einzelnen Kriterien vgl. Bartl, S. 275 ff. Lesenswert – wenngleich nur schwer nachvollziehbar – auch Käller, S. 284 ff., die anstelle des Kriteriums der Verhinderung eines neuen Produktes, für das eine potentielle Verbrauchernachfrage bestehen muss, darauf abstellt, dass der Schutzrechtsinhaber auf einem weiteren, seinem Immaterialgüterrecht vorgelagerten Markt über eine beherrschende Stellung verfügt. Dieser vorgelagerte Markt müsse mit dem Immaterialgüterrecht dergestalt verbunden sein, dass das Schutzgut im Zusammenhang mit der Tätigkeit auf diesem vorgelagerten Markt entstanden ist. 168 Siehe zum Ganzen Heinemann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., GRUR Teil B, Rn. 56, 59 f., Kaestner, S. 45, jeweils m.w.N. Vgl. auch Europäische Kommission, Article 82 Discussion Paper, Rn. 207 ff. 166

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

bb) Die Zwangslizenz im deutschen Kartellrecht Im deutschen Kartellrecht hat die Problematik der zwangsweisen Erteilung von Patentlizenzen als Folge eines Verstoßes gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot bisher deutlich weniger Beachtung gefunden als auf europäischer Ebene. Einigkeit besteht allerdings darüber, dass die Lizenzverweigerung nicht unter § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB subsumiert werden kann, da Patente und andere Immaterialgüterrechte keine Infrastruktureinrichtungen im Sinne dieser Vorschrift darstellen.169 In Ermangelung eines Elements der Ungleichbehandlung oder Ausbeutung170 können die hier im Vordergrund stehenden Fälle der echten Lizenzverweigerung171 allein unter die Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB fallen.172 In der Literatur wird mitunter allerdings die Ansicht vertreten, ein Rückgriff auf diese Vorschrift komme nicht in Betracht.173 Begründet wird dies damit, dass der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren zu § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB den zunächst vorgesehenen Begriff der „wesentlichen Einrichtung“ durch denjenigen der „Infrastruktureinrichtung“ gerade mit dem Ziel ersetzt hat, dass aus der Einführung dieser Vorschrift keine Ansprüche auf Nutzung fremder gewerblicher Schutzrechte hergeleitet werden.174 Hierdurch habe der Gesetzgeber eine grundsätzliche wettbewerbspolitische Wertung vorgenommen, die umgangen werde, wenn man die echte Lizenzverweigerung zwar als Unterfall des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ablehne, sie dann aber unter die Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB subsumiere.175 Dieser Ansatz überzeugt jedoch nicht. Aus der angeführten Gesetzesbegründung zu dem Spezialtatbestand des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB kann nicht der Schluss gezogen werden, dass auch die Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB auf geistige Eigentumsrechte unanwendbar ist. Denn zum einen entfaltet der in Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers bereits grundsätzlich keine normative Kraft, sondern kann

169

So bereits die Regierungsbegründung, vgl. Bundesregierung, BT-Drucks. 13/9720, S. 79 f. Ganz h.M. auch in der Literatur, vgl. z. B. Götting, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 90; Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 195, 219; Dreher, DB 1999, S. 833, 837; Weyer, AG 1999, S. 257, 261; Casper, ZHR 166 (2002), S. 685, 692.; a.A. allerdings Maaßen, S. 235 ff. Aus der Rspr. LG Düsseldorf vom 30.11.2006, WuW/E DE-R 2120, 2122 („MPEG 2-Standard“). Siehe auch bereits oben Teil 3, C.II.2.a)aa). 170 Dann wäre § 20 Abs. 1 bzw. § 19 Abs. 4 Nr. 2, 3 GWB zu prüfen. 171 Zur Abgrenzung zu anderen Formen der Lizenzverweigerung s. o. Teil 4, C.II.5. 172 Vgl. Wolff, S. 135; von Bechtolsheim/Bruder, WRP 2002, S. 55, 61 f.; Casper, ZHR 166 (2002), S. 685, 704 ff. 173 Siehe etwa Kübel, S. 257 f.; Wolff, S. 135 f. 174 Siehe Bundesregierung, BT-Drucks. 13/9720, S. 79 ff. Vgl. auch Götting, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 90. 175 So ausdrücklich Kübel, S. 258. Siehe auch Wolff, S. 135 f.

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

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allenfalls im Rahmen der Auslegung bestimmter Vorschriften herangezogen werden.176 Zum anderen ist nicht ersichtlich, warum sich aus der Gesetzesbegründung zur Spezialvorschrift des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB eine über deren unmittelbaren Anwendungsbereich hinausgehende, allgemeine wettbewerbspolitische Wertung entnehmen lassen sollte, die sich gleichermaßen auf die Grundnorm des § 19 Abs. 1 GWB bezieht.177 Hätte der Gesetzgeber eine solche grundsätzliche Aussage treffen wollen, hätte er sie wohl „vor die Klammer gezogen“ im Rahmen der allgemeinen Überlegungen zu § 19 GWB zum Ausdruck gebracht und nicht in der „Schublade“ des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB „versteckt“. Eine im Wortlaut nicht angelegte Beschränkung des Anwendungsbereichs einer Grundnorm unter Hinweis auf den (ebenfalls) beschränkten Anwendungsbereich einer bestimmten Spezialnorm erscheint darüber hinaus gesetzessystematisch bedenklich. Hinzuweisen ist schließlich darauf, dass der Gesetzgeber mit der 6. GWB-Novelle von 1999 nicht zuletzt eine Harmonisierung des nationalen Missbrauchsrechts mit den auf europäischer Ebene bestehenden Vorschriften bezweckte.178 Außerdem ergibt sich aus den bereits erwähnten179 Vorschriften des Art. 3 Abs. 2 S. 2 KartVerfVO und des § 22 Abs. 3 S. 3 GWB, dass Art. 82 EGV im Hinblick auf die Strenge der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle einen bestimmten Mindeststandard festlegt, der durch die Gesetzgebung der Mitgliedstaaten nicht unterschritten werden darf.180 Vor diesem Hintergrund erscheint die Anwendung des § 19 Abs. 1 GWB auf die Fälle der echten Lizenzverweigerung nicht nur legitim, sondern sogar geboten.181 Im Hinblick auf die Harmonisierung des deutschen Missbrauchsverbots mit den entsprechenden europäischen Vorschriften kann darüber hinaus auch bezüglich der Auslegung und Konkretisierung des § 19 Abs. 1 GWB im Rahmen von Fällen der echten Lizenzverweigerung auf die vorstehend erläuterten, von der europäischen Kartellrechtspraxis entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden, da im deutschen Recht eine eigene Entscheidungspraxis (bisher) nicht zu erkennen ist.182

176

von Bechtolsheim/Bruder, WRP 2002, S. 55, 61 f. Ähnlich von Bechtolsheim/Bruder, WRP 2002, S. 55, 61 f. 178 Siehe Bundesregierung, BT-Drucks. 13/9720, S. 36 ff. 179 s. o. Teil 4, C.II.3. 180 Vgl. Klees, S. 73; Meinberg, S. 37, 113. 181 Ebenfalls für die Anwendbarkeit des § 19 Abs. 1 GWB plädieren (allerdings ohne nähere Begründung) Casper, ZHR 166 (2002), S. 685, 705 f.; Meinberg, S. 109 ff.; Busche, Vortrag vom 11.06.2002, S. 12; i.E. wohl ebenso Götting, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 90. Die Frage diskutierend, aber letztlich offenlassend, auch LG Düsseldorf vom 30.11.2006, WuW/E DE-R 2120, 2122 („MPEG 2-Standard“). 182 Ebenso Heinemann, Immaterialgüterschutz, S. 178. Ähnlich auch Meinberg, S. 113. Lesenswert darüber hinaus Witz/Holzhäuser, WRP 2004, S. 683, 690 f. 177

220

Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

Auch in Bezug auf § 19 Abs. 1 GWB ist mithin davon auszugehen, dass die Weigerung der Lizenzvergabe durch einen marktbeherrschenden Patentinhaber nicht grundsätzlich, sondern nur bei Vorliegen ganz spezieller, außergewöhnlicher Umstände missbräuchlich ist.183 c) Die echte Lizenzverweigerung im Standardisierungskontext Nach dieser grundsätzlichen Behandlung der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Lizenzverweigerung durch einen marktbeherrschenden Patentinhaber als Verstoß gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot zu qualifizieren ist, wird nachfolgend der spezielle Fall untersucht, dass sich der Inhaber eines standard-essentiellen Patents nach endgültiger Verabschiedung eines gemeinsam festgelegten Standards weigert, sein zur Anwendung dieses Standards wesentliches Patent Dritten zu lizenzieren. Die Prüfung dieser besonderen Sachverhaltskonstellation vollzieht sich wie folgt: Die kartellrechtliche Zulässigkeit der fraglichen Lizenzverweigerung wird zunächst allein vor dem Hintergrund der dargestellten vier Merkmale untersucht, die von den europäischen Gerichten zur Konkretisierung der im Rahmen des Missbrauchsverbots erforderlichen „außergewöhnlichen Umständen“ entwickelt wurden (dazu sogleich aa)). In einem zweiten Schritt wird der Versuch unternommen, sich für den konkreten Fall von diesen allgemeinen Kriterien zu lösen und die „Außergewöhnlichkeit“ der zu besprechenden Sachverhaltskonstellation anhand anderer, speziell hierauf zugeschnittener Merkmale zu begründen (dazu unten b)). aa) Anwendung der von EuGH und EuG entwickelten Kriterien Bei Anwendung der von EuGH und EuG entwickelten vier Kriterien zur Bestimmung außergewöhnlicher Umstände sind bei der Verweigerung der Lizenzierung standard-essentieller Patente im Standardisierungskontext einige Besonderheiten zu beachten.

183 Lesenswert – wenngleich mangels Entscheidungserheblichkeit ohne endgültige Stellungnahme – LG Düsseldorf vom 30.11.2006, WuW/E DE-R 2120, 2122 („MPEG 2-Standard“). Vgl. auch BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1331 f. („Standard-Spundfass II“), wobei zu beachten ist, dass diesem Urteil letztlich ein Diskriminierungssachverhalt zugrunde lag. Allerdings hätte der BGH nach Heinemann, ZWeR 2005, S. 198, 203 f. zum gleichen Ergebnis (erst recht) auch dann kommen müssen, wenn es sich um einen Fall der echten Lizenzverweigerung gehandelt hätte. Durch das Erfordernis außergewöhnlicher Umstände steht die hier vertretene Auffassung auch im Einklang mit dem von der Bundesregierung in der Gesetzesbegründung zur 6. GWBNovelle von 1999 erwähnten „wettbewerbspolitische[n] Grundsatz, Pioniergewinne als Innovationsanreize zu akzeptieren“ (Bundesregierung, BT-Drucks. 13/9720, S. 37) und die grundsätzliche Unantastbarkeit immaterialgüterrechtlicher Ausschließlichkeitsrechte nicht in Frage zu stellen.

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

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(1) Unerlässlichkeit Bei der Frage, ob der Zugang zu der fraglichen Erfindung unerlässlich ist, um auf einem abgeleiteten Markt wirtschaftlich tätig zu sein, ist zunächst zu beachten, dass ein standard-essentielles Patent schon definitionsgemäß jedenfalls in Bezug auf die Anwendung des konkret in Rede stehenden Standards unerlässlich ist.184 Ob es darüber hinaus unerlässlich ist, um auf einem abgeleiteten Markt insgesamt gewerblich tätig zu sein, hängt von den Umständen des Einzelfalles und insbesondere davon ab, welche Bedeutung dem fraglichen Standard auf diesem abgeleiteten Markt zukommt.185 Spielt der Standard als solcher auf diesem Markt eine bloß untergeordnete Rolle, so vermag allein die Unerlässlichkeit des Patents für die Anwendung des konkreten Standards nicht die hier in Rede stehende Unerlässlichkeit für ein Tätigwerden auf dem abgeleiteten Markt insgesamt zu begründen. Die Unerlässlichkeit im letztgenannten Sinne liegt vielmehr nur dann vor, wenn auch der fragliche Standard seinerseits unerlässlich ist, wenn es also ganz generell technisch, rechtlich oder wirtschaftlich nicht möglich ist, auf dem abgeleiteten Markt Produkte herzustellen bzw. Verfahren anzuwenden, die nicht auf diesem Standard beruhen. Eine solche Situation lag etwa dem Standard-Spundfass II Urteil des BGH vom 13.07.2004186 zugrunde. Dort hatten sich einige führende Unternehmen der chemischen Industrie zusammengeschlossen, um Rahmenbedingungen für ein Kunststoffindustriefass mit verbesserter Restentleerung (sog. Spundfass) festzulegen. Nachdem verschiedene Fasshersteller Vorschläge eingereicht hatten, wurde schließlich eine von der Klägerin entwickelte technische Lehre zum gemeinsamen Standard erhoben. Die zugrundeliegende Fasstechnik, an der die Klägerin ein entsprechendes Patent hielt, fand daraufhin Eingang in die vom Verband der Chemischen Industrie e.V. herausgegebenen „VCI-Rahmenbedingungen für das neue L-Ring-Fass – Stand 31.7.90“, was dazu führte, dass in der Folgezeit Spundfässer, die diesem Standard nicht entsprachen, praktisch unverkäuflich waren. Zwar wäre die Herstellung nicht standardkonformer Spundfässer technisch und rechtlich nach wie vor möglich gewesen, wirtschaftlich war sie indes nicht tragbar, so dass die Einhaltung des fraglichen Standards und infolgedessen auch der Zugang zu dem entsprechenden Patent der Klägerin für die Hersteller von Spundfässern insgesamt unerlässlich im oben beschriebenen Sinne war. (2) Ausschluss jeglichen Wettbewerbs Auch das Kriterium des möglichen Ausschlusses jeglichen Wettbewerbs auf einem abgeleiteten Markt weist jedenfalls in den hier besprochenen Fällen der imma-

184

Gemäß der oben (Teil 3, B.I. m.w.N.) gegeben Definition liegt ein standard-essentielles Patent ja gerade dann vor, wenn es technisch nicht möglich ist, den Standard anzuwenden, ohne dabei das betreffende Patent zu verletzen. 185 Hierzu ausführlich bereits oben Teil 4, C.III.1.c). 186 BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329 („Standard-Spundfass II“).

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

terialgüterrechtlichen Komplettverweigerung187 eine Besonderheit auf. Diese ist darin zu sehen, dass das angesprochene Merkmal in einem (zwingenden) Zusammenhang mit dem ersten Kriterium – Unerlässlichkeit einer konkreten Erfindung für die Tätigkeit auf einem abgeleiteten Markt – steht. Denn die Bejahung des ersten Kriteriums hat in einer solchen Konstellation zugleich die positive Entscheidung über das zweite Kriterium zur Folge: Wo der Patentinhaber die Erteilung von Lizenzen an seinem Schutzrecht generell und gegenüber jedermann verweigert (sog. Komplettverweigerung), eine Tätigkeit auf dem abgeleiteten Markt ohne Zugang zu diesem Schutzrecht aber technisch, rechtlich oder wirtschaftlich nicht möglich ist (Unerlässlichkeit), kann es auf diesem Markt einen (wirksamen)188 Wettbewerb konsequenterweise von vornherein nicht geben. Dieser Zusammenhang zwischen dem ersten und dem zweiten Kriterium ist jedoch kein Sonderproblem der kollektiven Festlegung technischer Standards, sondern taucht in anderen Fällen der immaterialgüterrechtlichen Komplettverweigerung bei gleichzeitiger Unerlässlichkeit des fraglichen Schutzrechts für die Tätigkeit auf einem abgeleiteten Markt gleichermaßen auf. (3) Verhinderung eines neuen Produkts Gerade im Standardisierungskontext besondere Bedeutung erlangt demgegenüber die Frage, ob durch die Lizenzverweigerung das Auftreten eines neuen Produktes verhindert wird. Wenngleich in „normalen“ Lizenzverweigerungsfällen durchaus Sachverhaltskonstellationen denkbar sind, in denen der die Lizenz verweigernde Schutzrechtsinhaber nicht selbst alle denkbaren schutzrechtsbehafteten Produkte, nach denen eine (potentielle) Nachfrage der Verbraucher besteht, auf dem Markt anbietet,189 scheinen derartige Fälle im hier zu besprechenden Zusammenhang der kollektiven Festlegung technischer Standards eher die Ausnahme zu bilden. Der Grund hierfür ist, dass die Motivation für die freiwillige Beteiligung an einem gemeinsamen Standardisierungsvorhaben gerade darin besteht, die auf dem späteren Standard beruhenden Produkte bzw. Verfahren auch selbst herstellen bzw. anwenden zu können. Der Inhaber eines standard-essentiellen Patents, der neben den For187

Hierzu oben Teil 4, C.II.5. Im Hinblick auf das Kriterium des Ausschlusses jeglichen Wettbewerbs hat das EuG in seiner Microsoft-Entscheidung explizit darauf hingewiesen, dass es nicht um eine radikale Ausschaltung sämtlichen Wettbewerbs geht. Ausreichend ist vielmehr, dass die fragliche Lizenzverweigerung jeglichen „wirksamen“ Wettbewerb auf dem Markt auszuschalten droht oder jedenfalls dazu geeignet ist. Siehe EuG vom 17.09.2007, T-201/04, Rn. 561, 563 (Microsoft/Kommission). Vgl. außerdem Bartosch, RIW 2007, S. 908, 914. 189 Das beste Beispiel hierfür ist der oben dargestellte Fall IMS Health (EuGH vom 29.04.2004, Slg. 2004, S. I-5039 (IMS Health/NDC Health)). Dort wurde „das neue Produkt“, namentlich die von den Verbrauchern nachgefragten, senderübergreifenden wöchentlichen Programmvorschauen, von den Fernsehanstalten selbst, die Inhaber der urheberrechtlich geschützten Programminformationen waren, gerade nicht angeboten. 188

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

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schungs- und Entwicklungsanstrengungen für seine Erfindung auch die Kosten und Mühen der Mitarbeit in einer Standardisierungsorganisation auf sich genommen hat, wird regelmäßig daran interessiert sein, sämtliche Ertragsmöglichkeiten auf dem Markt für standardgemäße Produkte bzw. Verfahren in vollem Umfang auszuschöpfen. Es liegt daher nahe, dass er sämtliche Arten von mit dem Standard konformen Produkten bzw. Verfahren auch tatsächlich selbst anbietet. Ungeachtet der auch im Standardisierungskontext im Einzelfall möglichen Konstellationen, in denen der fragliche Patentinhaber nicht alle denkbaren, auf dem Standard basierenden Produkte bzw. Verfahren selbst anbieten kann oder will, scheint das Kriterium der Verhinderung eines neuen Produktes hier insbesondere dann sinnvoll anwendbar zu sein, wenn es mit der oben190 dargelegten Rechtsprechung des EuG191 in Anlehnung an Art. 82 S. 2 lit. b) EGV interpretiert wird, so dass die Lizenzverweigerung entscheidend auf ihre Eignung zu überprüfen ist, die technische Fortentwicklung zum Nachteil der Verbraucher einzuschränken.192 Eine solche Eignung der Lizenzverweigerung zur Einschränkung der technischen Fortentwicklung ist vorliegend auch nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil der Standardisierung im hier verstandenen Sinne die kollektive Vereinheitlichung der technischen Merkmale bestimmter Produkte bzw. Verfahren zu eigen ist. Denn diese Festlegung bezieht sich in aller Regel nur auf einige ausgewählte technische Details dieser Produkte bzw. Verfahren und bedeutet nicht, dass alle technischen Daten vereinheitlicht werden. Es besteht daher für die Anwender eines konkreten Standards im Rahmen der Herstellung standardgemäßer Produkte auch weiterhin hinreichend Spielraum für technische Differenzierungen und Fortentwicklungen, die dem Verbraucher im Falle der Lizenzverweigerung durch den Inhaber standard-essentieller Patente vorenthalten werden. (4) Fehlen von Rechtfertigungsgründen Auch das Kriterium des Fehlens von Rechtfertigungsgründen erlangt im Standardisierungskontext eine besondere Bedeutung. Zwar besteht auch hier für den Patentinhaber die grundsätzliche Möglichkeit, sachliche Gründe vorzutragen und zu beweisen,193 die seine Lizenzverweigerung im konkreten Fall als objektiv gerechtfertigt erscheinen lassen. In der Praxis dürfte dieser Nachweis aber regelmäßig dann nicht gelingen, wenn der betreffende Schutzrechtsinhaber sich an dem Standardisierungsverfahren beteiligt und die Aufnahme seiner geschützten Lehre in den gemeinsamen Standard gebilligt hat.

190

Teil 4, C.III.2.b)aa)(4). EuG vom 17.09.2007, T-201/04 (Microsoft/Kommission). 192 Hierzu auch lesenswert Beckmerhagen, S. 354 ff. 193 Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen trägt der marktbeherrschende und die Lizenzvergabe verweigernde Patentinhaber. So ausdrücklich EuG vom 17.09.2007, T-201/04, Rn. 688 (Microsoft/Kommission). 191

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

Hierauf soll zur Vermeidung von Wiederholungen an dieser Stelle jedoch nicht weiter eingegangen werden; eine ausführliche Untersuchung der potentiellen Möglichkeiten einer objektiven Rechtfertigung der Lizenzverweigerung im Standardisierungskontext wird weiter unten194 in diesem Abschnitt erfolgen. (5) Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die von den europäischen Gerichten beispielhaft entwickelten Kriterien zur Bestimmung außergewöhnlicher Umstände, die die Lizenzverweigerung durch den Inhaber eines geistigen Eigentumsrechts als missbräuchlich im Sinne von Art. 82 EGV bzw. § 19 Abs. 1 GWB erscheinen lassen, auch im hier behandelten Standardisierungskontext sinnvoll zur Anwendung gebracht werden können. Die vier Merkmale dürfen in diesem Zusammenhang allerdings nicht schematisch übernommen und angewendet werden, sondern müssen den spezifischen Besonderheiten der kollektiven Standardsetzung angepasst werden. bb) Anderweitige Begründung außergewöhnlicher Umstände Es stellt sich jedoch die Frage, ob sich das zur Anordnung einer Zwangslizenz erforderliche Vorliegen außergewöhnlicher Umstände im Standardisierungskontext nicht auch auf andere Art und Weise, also ohne Rückgriff auf die behandelten vier Kriterien, begründen lässt. Denn wie erwähnt, sind diese Kriterien von EuGH und EuG nur beispielhaft entwickelt worden. Zur kartellrechtlichen Beurteilung einer Lizenzverweigerung durch den Inhaber geistiger Eigentumsrechte bedarf es letztlich einer in jedem Einzelfall durchzuführenden, umfassenden Interessenabwägung, die sich maßgeblich sowohl an der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Kartellrechts zu orientieren hat als auch an der gesetzgeberischen Motivation zur Gewährung patentrechtlicher Ausschließlichkeitsstellungen sowie an Sinn und Zweck des Patentschutzes insgesamt.195 (1) Literaturmeinung: vorwerfbare Ausnutzung des Standardisierungsverfahrens (a) Darstellung der Literaturmeinung In der Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, die Lizenzverweigerung durch den Inhaber eines standard-essentiellen Patents stelle (bereits) dann einen Verstoß gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot dar, wenn der Patentinhaber als Beteiligter am Standardisierungsverfahren seine ihm nach den internen Regeln der Standardisierungsorganisation obliegenden Pflichten in vorwerfbarer bzw. sittenwid194 195

Siehe Teil 4, C.III.2.c)bb)(2). Siehe oben Teil 4, C.III.2.c)aa)(5). Vgl. auch Bartl, S. 274.

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

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riger Art und Weise verletzt habe, um so die Abhängigkeit des gemeinsamen Standards von seiner patentgeschützten technischen Lehre zu erreichen.196 Entsprechend der eingangs beschriebenen Fälle Dell und Rambus kann dies nach Ansicht der zitierten Autoren etwa dann der Fall sein, wenn der Schutzrechtsinhaber von ihm gehaltene, standard-essentielle Patente im Vorfeld der Standardfestlegung bewusst verschwiegen oder gar aktiv darauf hingewirkt hat, dass der spätere Standard maßgeblich auf einer von ihm patentierten technischen Lehre beruhte. Im Falle einer solchen „Perversion der Normungsarbeit“197, durch die der Pateninhaber mithilfe leistungsfremder Mittel und unter Ausnutzung der kollektiven Standardisierungsarbeit künstlich eine besondere Nachfrage für seine Erfindung geschaffen habe, die ohne die gemeinsame Standardfestlegung wahrscheinlich nicht vorhanden wäre, müsse er sich dieser Nachfrage auch stellen und die zur gewerblichen Nutzung der geschützten Lehre erforderlichen Lizenzen erteilen. Verweigere er hingegen die Lizenzvergabe, so könne sein „vorwerfbares Verhalten“198 während des Standardisierungsprozesses zur Begründung eines Verstoßes gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot herangezogen werden.199 Nach dieser Ansicht wird die Bejahung des Missbrauchs im Rahmen von Art. 82 EGV bzw. § 19 Abs. 1 GWB also letztlich maßgeblich auf die pflichtwidrige und vorwerfbare Ausnutzung des Standardisierungsverfahrens durch den Patentinhaber gestützt, wodurch dieser es ermöglicht habe, „sich mit Mitteln, die dem Leistungswettbewerb fremd sind, eine marktbeherrschende Stellung zu verschaffen.“200 (b) Kritik Die vorwerfbare Ausnutzung des Standardisierungsverfahrens kann nach richtiger Ansicht aber gerade nicht zur Begründung eines Verstoßes gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot herangezogen werden. Das ergibt sich aus Folgendem: *

Missbrauch ist objektiv zu bestimmen

Zu bedenken ist zum einen, dass das dem Art. 82 EGV bzw. § 19 Abs. 1 GWB zugrundeliegende Missbrauchskonzept ein rein objektives ist.201 Die Beurteilung eines bestimmten Verhaltens als missbräuchlich erfolgt unabhängig von den Motiven und Zielsetzungen des Normadressaten sowie davon, ob diesem ein (Schuld-)Vorwurf gemacht werden kann oder nicht.202 196

Siehe Kübel, S. 272 f.; Loest/Bartlik, ZWeR 2008, S. 41, 51 f. Kübel, S. 272. 198 Kübel, S. 272. 199 Siehe Kübel, S. 272 f. 200 Kübel, S. 272. 201 Siehe oben Teil 4, C.III.2.a). 202 Vgl. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., Art. 82 EGV Rn. 126; Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 10; BGH vom 09.11.1982, WuW/ E BGH 1965, 1966 („gemeinsamer Anzeigenteil“); EuG vom 30.09.2003, Slg. 2003, S. II197

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

Für die kartellrechtliche Beurteilung der Lizenzverweigerung durch den Inhaber eines standard-essentiellen Patents ist daher unerheblich, ob der Schutzrechtsinhaber den Standardisierungsprozess in vorwerfbarer Weise ausgenutzt und ihn mit anderen Worten zur Erlangung eigener Vorteile „pervertiert“ hat. Andernfalls würden in Art. 81 EGV bzw. § 19 Abs. 1 GWB Elemente eines „Gesinnungskartellrechts“ eingeführt, die von Sinn und Zweck des Gesetzes nicht gedeckt sind. *

Korrelation zwischen Marktbeherrschung und Missbrauchshandlung

Hinzuweisen ist zum anderen darauf, dass Anknüpfungspunkt des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots allein das Verhalten von Unternehmen in marktbeherrschender Stellung sein kann.203 Insoweit ist zwingend erforderlich, dass die konkret in Rede stehende Missbrauchshandlung und die Marktbeherrschung zeitlich zusammenfallen; ein Missbrauch ohne zeitgleiche Marktbeherrschung ist kartellrechtlich nicht denkbar.204 Diese zwingend erforderliche Korrelation zwischen Missbrauchshandlung und Marktbeherrschung verbietet es, für die Begründung des Missbrauchs auf das Verhalten des Patentinhabers während des laufenden Standardisierungsverfahrens abzustellen, da zu diesem Zeitpunkt eine marktbeherrschende Stellung in aller Regel noch nicht vorliegt. Zum Marktbeherrscher wird der Inhaber eines standard-essentiellen Patents für gewöhnlich erst, nachdem der fragliche Standard verabschiedet wurde und sich am Markt durchgesetzt hat. Mit dem Hinweis auf den Einsatz leistungsfremder Mittel im Rahmen des laufenden Standardisierungsverfahrens wird das Vorliegen der missbrauchsbegründenden, außergewöhnlichen Umstände somit in unzulässiger Weise an ein im Vorfeld der Marktbeherrschung liegendes Verhalten geknüpft.205 Im Hinblick darauf, dass das europäische und das deutsche Kartellrecht, im Unterschied etwa zum US-amerikanischen Kartellrecht, der vorsätzlichen Erlangung einer marktbeherrschenden Stellung aber grundsätzlich neutral gegenüberstehen,206 kann eine solche Verknüpfung zwischen Ausnutzung des Standardisierungsprozesses und späterer Lizenzverweigerung 4071, Rn. 54 (Michelin/Kommission); EuGH vom 13.02.1979, Slg. 1979, S. 461, Rn. 91 (Hoffmann-LaRoche/Kommission). 203 Siehe oben Teil 4, C.III.2.a). 204 Siehe nur Jung, in: Grabitz/Hilf, Recht der EU, Art. 82 EGV Rn. 113. Vgl. auch Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., Art. 82 EGV Rn. 122; Emmerich, S. 146, 148. 205 So ausdrücklich Kübel, S. 272: „Der Patentinhaber versucht hierbei auch, sich mit Mitteln, die dem Leistungswettbewerb fremd sind, eine marktbeherrschende Stellung z u v e r s c h a ff e n .“ Ebenso Loest/Bartlik, ZWeR 2008, S. 41, 51: „Konstruktiv darstellbar wäre auch, in der Nichtoffenlegung wesentlicher Patente im Standardisierungsprozess eine Missbrauchshandlung zu sehen. Zwar hatte das Unternehmen im Regelfall zu diesem Zeitpunkt noch keine marktbeherrschende Stellung. […]“ 206 Siehe oben Teil 4, C.II.1.

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

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zur Begründung eines „insgesamt“ kartellrechtswidrigen Verhaltens von vornherein nicht in Betracht kommen.207 Dies gilt umso mehr, als es für die Anwendung des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots nach der ausdrücklichen Rechtsprechung des EuGH unerheblich ist, auf welche Art und Weise der Normadressat seine marktbeherrschende Stellung erlangt hat.208 *

Unanwendbarkeit der Rechtsfigur der komplexen und fortdauernden Zuwiderhandlung

Nach dem Gesagten kann auch der in der Literatur jüngst unternommene Versuch keine Zustimmung finden, das Verhalten des Patentinhabers im Vorfeld der endgültigen Standardfestlegung einerseits und die spätere Lizenzverweigerung andererseits als einheitliche Handlung zu betrachten, „die durch das subjektive Element eines ,GesamtplansÐ verklammert ist.“209 Dieser Literaturmeinung zufolge kann im Einzelfall beispielsweise das absichtliche Verschweigen eines Patents während des Standardisierungsverfahrens als erster Teilabschnitt einer einheitlichen Missbrauchshandlung angesehen werden. Zur dogmatischen Begründung wird auf die im Rahmen des kartellrechtlichen Bußgeldverfahrens von der Europäischen Kommission entwickelte Rechtsfigur der komplexen und fortdauernden Zuwiderhandlung verwiesen, wonach verschiedene Handlungsabschnitte eine einzige normative Zuwiderhandlung bilden, wenn sie von einem Gesamtplan getragen sind und auf ein einheitliches Unwertziel abstellen.210 Die Rechtsfigur der komplexen und fortdauernden Zuwiderhandlung ist ein Instrument zur kartellrechtlichen Behandlung von klassischen Kartellfällen nach Art. 81 EGV, denen als „komplexe Kartelle“ oder „Multiformkartelle“ bezeichnete Sachverhalte zugrunde liegen. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich aus einer Vielzahl von Elementen zusammensetzen, die entweder als Vereinbarung oder als abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EGV zu qualifizieren sind und/oder bei denen Handlungen einzelner Beteiligter anderen Beteilig207

Im Ergebnis ebenso Klees, EWS 2008, S. 449, 453; wohl auch Immenga, GRUR 2007, S. 302, 303. 208 Siehe EuGH vom 21.02.1973, Slg. 1973, S. 215, Rn. 27 (Europemballage und Continental Can/Kommission). Ebenso Europäische Kommission vom 14.12.1985, Abl. L 374 vom 31.12.1985, S. 1, Rn. 85 (ECS/AKZO). Vgl. auch Conde Gallego, GRUR Int. 2006, S. 16, 27; Heinemann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., GRUR Teil B, Rn. 50. Lesenswert de Bronett, in: Wiedemann (Hrsg.), § 22, Rn. 17, der darauf hinweist, dass ein Unternehmen der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle selbst dann unterliegt, wenn es gegen seinen Willen in die marktbeherrschende Stellung geraten ist. 209 So ausdrücklich Loest/Bartlik, ZWeR 2008, S. 41, 52. Dort geht es zwar um den Fall der Forderung unangemessener Lizenzgebühren, es ist jedoch nicht ersichtlich, warum die Autoren im vorliegend zu behandelnden Fall der echten Lizenzverweigerung von ihrer Argumentation abweichen sollten. 210 Loest/Bartlik, ZWeR 2008, S. 41, 52.

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

ten zuzurechnen sind. Ziel ist die erleichterte verfahrensrechtliche Behandlung solcher komplexen und fortgesetzten Kartellverstöße,211 ohne dass eine individuelle Verfolgung bzw. Bebußung der verschiedenen Einzelelemente des jeweiligen Verstoßes erforderlich ist, wenn und soweit sich diese aufgrund eines Gesamtplans und eines fortdauernden Verhaltens dergestalt als einheitlicher Kartellverstoß darstellen, dass eine Zerlegung in mehrere Einzelakte gekünstelt erschiene.212 *

Entwicklung der Rechtsfigur im Rahmen von Art. 81 EGV

Die Rechtsfigur der komplexen und fortdauernden Zuwiderhandlung lässt sich jedoch zur Begründung eines Verstoßes gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot im vorliegenden Zusammenhang nicht heranziehen. Zusätzlich zu den vorstehend bereits genannten Argumenten ergibt sich dies erstens daraus, dass es sich bei dem dargestellten Instrument um ein solches handelt, das ausschließlich zur Behandlung von Kartellfällen, d. h. von Verstößen gegen Art. 81 EGVentwickelt worden ist. Eine Anwendung im Rahmen von Missbrauchsfällen nach Art. 82 EGV verbietet sich, da insoweit erhebliche strukturelle Unterschied bestehen, die sich nicht zuletzt daraus ergeben, dass Art. 82 EGV – genau wie § 19 Abs. 1 GWB – eben nur anwendbar ist, wenn und soweit tatsächlich eine marktbeherrschende Stellung besteht.213 *

Verknüpfung mehrerer tatbestandsmäßiger Einzelakte

Zweitens zeichnen sich die Sachverhalte, in denen eine komplexe und fortdauernde Zuwiderhandlung angenommen werden kann, dadurch aus, dass eine Reihe von Einzelakten festgestellt wird, von denen jeder für sich betrachtet tatbestandsmäßig ist. Auf den Nachweis und die exakte rechtliche Einordnung eines jeden Einzelaktes wird auch insoweit nicht verzichtet; Ziel ist allein die erleichterte verfahrensrechtliche Behandlung komplexer Kartellverstöße.214 Im vorliegenden Zusammenhang wird von der dargestellten Literaturmeinung jedoch auf materieller Ebene versucht, durch Verweis auf das (mutmaßliche) Vorliegen eines Gesamtplans zwei Verhaltensweisen zu einer komplexen und fortdauernden Zuwiderhandlung zu verbinden, von denen jedenfalls die erste – nämlich das vorwerfbare Verhalten des Patentinhabers im laufenden Standardisierungsverfahren, z. B. durch Verschweigen eigener Patente – für sich genommen gerade keinen Verstoß gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot darstellt und daher gerade nicht tatbe211 Siehe hierzu GA Cosmas, Schlussantrag vom 15.07.1997 zu EuGH vom 08.07.1999, Slg. 1999, S. I-4125, Rn. 80 (Kommission/Anic). 212 Ausführlich zum Konzept der komplexen und fortdauernden Zuwiderhandlung (mit umfangreichen Nachweisen aus der europäischen Kartellrechtspraxis) Dreher, ZWeR 2007, S. 276 ff. 213 Vgl. Dreher, ZWeR 2007, S. 276, 282. 214 Siehe nur GA Cosmas, Schlussantrag vom 15.07.1997 zu EuGH vom 08.07.1999, Slg. 1999, S. I-4125, Rn. 81 f. (Kommission/Anic). Vgl. auch Europäische Kommission vom 18.07.2001, Abl. L 100 vom 16.04.2002, S. 1, Rn. 101 ff. („Graphitelektroden“). Ausführlich auch Dreher, ZWeR 2007, S. 276, 278 ff.

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

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standsmäßig ist, wenn und weil es zu diesem Zeitpunkt am Vorhandensein einer marktbeherrschenden Stellung fehlt. Aus diesem Grund käme eine Heranziehung der Rechtsfigur der komplexen und fortdauernden Zuwiderhandlung in der hier behandelten Konstellation selbst dann nicht in Betracht, wenn man die Anwendung dieses Instruments im Rahmen von Missbrauchsfällen nach Art. 82 EGV bzw. § 19 Abs. 1 GWB ansonsten bejahte. *

Missbrauch ist objektiv zu bestimmen

Drittens ist schließlich erneut daran zu erinnern, dass das dem Art. 82 EGV bzw. § 19 Abs. 1 GWB zugrundeliegende Missbrauchskonzept ein rein objektives ist, dem subjektive Vorstellungen und Zielsetzungen des Marktbeherrschers grundsätzlich fremd sind. Es mutet als Verkennung dieses rein objektiven Charakters des Missbrauchsverbots an, mehrere Verhaltensweisen durch das „subjektive Element eines Gesamtplans“215 zu einer einheitlichen Handlung verklammern zu wollen.216 *

Zusammenfassung

Abschließend lässt sich somit festhalten, dass die Lizenzverweigerung durch den Inhaber eines standard-essentiellen Patents aus einer Vielzahl von Gründen nicht mit dem Argument als missbräuchlich im kartellrechtlichen Sinne qualifiziert werden kann, der Schutzrechtsinhaber habe das zur Festlegung des fraglichen Standards führende Verfahren in vorwerfbarer Art und Weise zur Erlangung eigener Vorteile ausgenutzt. (2) Eigener Ansatz: Ausschluss des Substitutionswettbewerbs Richtigerweise ist die Erteilung einer auf das kartellrechtliche Missbrauchsverbot gestützten Zwangslizenz in den hier behandelten Fällen der kollektiven Festlegung technischer Standards aber bereits dann möglich, wenn die Verwendung eines konkreten Standards unerlässlich ist, um auf einem bestimmten Markt wirtschaftlich tätig zu sein; verweigert in einem solchen Fall der Inhaber eines zur Nutzung dieses Standards zwingend erforderlichen – also standard-essentiellen – Patents die Erteilung von Lizenzen, so stellt dies in aller Regel jedenfalls dann den Missbrauch 215

Loest/Bartlik, ZWeR 2008, S. 41, 52. Eine solche Verklammerung mehrerer – jeweils für sich betrachtet missbräuchlicher – Verhaltensweisen zu einem einheitlichen Verstoß gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot wäre allenfalls zu Zwecken der Bußgeldbemessung, also auf der Rechtsfolgenseite, möglich. Denn da die Verhängung eines Bußgeldes gem. Art. 23 Abs. 2 lit. a) KartVerfVO bzw. § 81 Abs. 1 Nr. 2 GWB voraussetzt, dass der jeweilige Verstoß vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde, sind subjektive Vorstellungen des Normadressaten insoweit ohnehin von (entscheidender) Bedeutung. Zur Zulässigkeit einer einheitlichen Geldbuße für mehrere Zuwiderhandlungen gegen Art. 82 EGV vgl. EuG vom 30.09.2003, Slg. 2003, S. II-4071, Rn. 265 (Michelin/Kommission) (auch mit Hinweis darauf, dass auf der Tatbestandsseite jede einzelne Zuwiderhandlung für sich betrachtet missbräuchlich i.S.d. Art. 82 sein muss, woran es vorliegend, wie dargelegt, gerade fehlt). 216

230

Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

einer marktbeherrschenden Stellung dar, wenn er selbst an dem Standardisierungsverfahren beteiligt war. Bei dieser Sachlage wird auch eine auf objektiven Gründen beruhende, sachliche Rechtfertigung der Lizenzverweigerung für gewöhnlich nicht in Betracht kommen. Zur Bejahung eines Missbrauchs bedarf es weder des kumulativen Vorliegens der oben dargestellten, von den europäischen Gerichten (beispielhaft) entwickelten Kriterien217 noch eines Rückgriffs auf das (vorwerfbare) Verhalten des Patentinhabers im Vorfeld der Standardfestlegung.218 Denn eine Situation, in welcher aufgrund der Unerlässlichkeit der fraglichen technischen Lehre jeglicher Substitutionswettbewerb ausgeschlossen und ein Imitationswettbewerb wegen des Bestehens von Immaterialgüterschutz unmöglich ist, ist bereits für sich betrachtet „außergewöhnlich“ im oben beschriebenen Sinne.219 Jedenfalls dann, wenn der Patentinhaber sich freiwillig an der Standardisierungsarbeit beteiligt und die Einbeziehung seiner geschützten Lehre in den gemeinsamen Standard gebilligt oder hierauf sogar aktiv hingewirkt hat, wird die im Rahmen von Art. 82 EGV bzw. § 19 Abs. 1 GWB stets durchzuführende, umfassende Güter- und Interessenabwägung regelmäßig zu dem Ergebnis gelangen, dass die zwangsweise Lizenzerteilung aus kartellrechtlicher Sicht geboten ist. Hierzu im Einzelnen: *

Unerlässlichkeit eines konkreten technischen Standards

Ziel der kollektiven Festlegung technischer Standards durch privatwirtschaftliche Standardisierungsorganisationen ist die möglichst breite Akzeptanz und Anwendung des gemeinsam entwickelten Standards auf dem Markt. In vielen Fällen wird sich der betreffende Standard aufgrund der umfassenden Beteiligung sämtlicher von der Standardisierung betroffener Marktteilnehmer oder infolge der ökonomischen Gegebenheiten auf dem entsprechenden Markt – hierzu zählen insbesondere die beschriebenen Netzwerk- und Einsperrungseffekte – zum einzig brauchbaren und allseits verwendeten Standard entwickeln. Folge ist, dass die Herstellung nicht standardkonformer Produkte oder die Anwendung nicht standardkonformer Verfahren faktisch, d. h. wirtschaftlich, unmöglich ist.220 Wie zu Beginn dieser Arbeit dargelegt, kann ein bestimmter Standard durch unmittelbare oder mittelbare gesetzliche Inbezugnahme im Einzelfall sogar zu rechtlicher Verbindlichkeit gelangen.221 217

Siehe oben Teil 4, C.III.2.b). Siehe dazu soeben Teil 4, C.III.2.c)bb)(1). 219 Ebenso Conde Gallego, GRUR Int. 2006, S. 16, 27. Vgl. auch Heinemann, in: Immenga/ Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., GRUR Teil B, Rn. 43 a. E., 52, 56 ff. Lesenswert darüber hinaus Wielsch, EuZW 2005, S. 391, 393, der aufgrund einer eingehenden Analyse der europäischen Entscheidungspraxis zu dem Schluss kommt, dass die „Unerlässlichkeit des Inputs für die Tätigkeit auf dem relevanten Markt zum zentralen Prüfungspunkt“ wird. 220 Siehe hierzu ausführlich oben Teil 2, A.IV.2. 221 Siehe oben Teil 2, A.IV.1.a). 218

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

231

In all diesen Fällen ist der fragliche Standard – und infolgedessen auch die zur Anwendung dieses Standards zwingend erforderliche technische Lehre – zur wirtschaftlichen Betätigung auf dem konkreten Markt unerlässlich.222 *

Ausschluss des Substitutionswettbewerbs infolge der Unerlässlichkeit

Liegt Unerlässlichkeit in diesem Sinne vor, so bedeutet dies, dass es zu dem fraglichen Standard und der fraglichen technischen Lehre keine Substitute gibt, jeglicher Substitutionswettbewerb mit anderen Worten ausgeschlossen ist. Ein solcher Ausschluss des Substitutionswettbewerbs begegnet bei abstrakter Betrachtung keinen kartellrechtlichen Bedenken, bleibt der wettbewerbspolitisch gleichfalls bedeutsame Imitationswettbewerb in aller Regel doch nach wie vor bestehen.223 *

Fehlender Imitationswettbewerb durch Patentschutz

Bei Patenten besteht ebenso wie bei anderen geistigen Eigentumsrechten jedoch die Besonderheit, dass sie ihrem Inhaber von Gesetzes wegen eine Ausschließlichkeitsstellung verschaffen, die ihm das alleinige Verwertungsrecht in Bezug auf die zugrundeliegende technische Lehre gewährt; eine Verwendung, d. h. Imitation, der patentgemäßen Lehre ist ohne seine Zustimmung nicht möglich. Im Hinblick auf unter Patentschutz stehende technische Lehren hängt die Möglichkeit eines Imitationswettbewerbs mithin von der Zustimmung des Schutzrechtsinhabers ab. Ohne diese kann es einen Imitationswettbewerb von vornherein nicht geben. *

Außergewöhnlichkeit der vorliegenden Konstellation

Diesem Ausschluss des Imitationswettbewerbs durch die Verleihung von Patentschutz liegt das gesetzgeberische Motiv zugrunde, die Innovationstätigkeit der Wettbewerber anzuregen und somit den Substitutionswettbewerb zu fördern.224 Die staatliche Gewährung von Patentschutz ist demnach kein Selbstzweck, sondern wesentliches Mittel zur Förderung des (Substitutions-)Wettbewerbs. Daraus folgt, dass Situationen, in denen es zu der patentgemäßen Lehre – aus welchen Gründen auch immer225 – keine Alternative gibt, in denen also für einen Wettbewerb um die Hervorbringung neuer technischer Lehren kein Raum besteht, als systemfremd einzustufen sind.226 Ein Sachverhalt, in dem wegen der Unerlässlichkeit eines bestimmten Patents jeglicher Substitutionswettbewerb auf einem konkreten Markt ausgeschlossen ist, ist aus Sicht dieses Schutzrechtssystems „außergewöhnlich“. 222 Zur Unerlässlichkeit eines bestimmten Patents siehe bereits oben Teil 4, C.III.1.c) sowie Teil 4, C.III.2.c)aa)(1). 223 Siehe oben Teil 2, D.I. 224 Hierzu ausführlich oben Teil 2, B.III. sowie Teil 2, D.I. 225 In Betracht kommen vor allem rechtliche, technische oder wirtschaftliche Gründe. 226 Siehe Conde Gallego, GRUR Int. 2006, S. 16, 27.

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

Beruft sich der betroffene Patentinhaber in einer solchen Situation auf sein Ausschließlichkeitsrecht und verweigert die Erteilung von Lizenzen, liegt die Annahme eines missbräuchlichen Verhaltens im Sinne von Art. 82 EGV bzw. § 19 Abs. 1 GWB daher nahe.227 *

Wettbewerbliche Verantwortung des Marktbeherrschers

Zwar gehört das Recht zur ausschließlichen Nutzung der geschützten technischen Lehre gerade zum Wesen des Patentschutzes, doch kann dieses Recht, genau wie jede andere Rechtsposition auch, durch das Kartellrecht eben dann gewisse Einschränkungen erfahren, wenn sein Inhaber über eine marktbeherrschende Stellung verfügt. Diese Einschränkungen bedeuten, dass der Patentinhaber im Falle der Marktbeherrschung einer besonderen wettbewerblichen Verantwortung unterliegt,228 die dazu führt, dass er sich aller Handlungen zu enthalten hat, die den verbleibenden Restwettbewerb weiter einschränken oder gefährden könnten.229 Da eine ebensolche Einschränkung des Restwettbewerbs im Falle der Unerlässlichkeit eines Patents aber gerade dadurch bewirkt würde, dass der Schutzrechtsinhaber die Lizenzerteilung insgesamt verweigert, ist er in dieser Situation kartellrechtlich zur Lizenzerteilung verpflichtet. Denn wo der Substitutionswettbewerb aufgrund besonderer Umstände ausgeschlossen ist, der Patentinhaber es aber in der Hand hat, durch die Vergabe von Lizenzen wenigstens den Imitationswettbewerb aufrechtzuerhalten, gebietet es seine besondere wettbewerbliche Verantwortung als Marktbeherrscher, Dritten durch Lizenzvergabe die gewerbliche Nutzung seiner Erfindung zu gestatten. Im vorliegenden Zusammenhang gilt dies in ganz besonderem Maße, wenn der Patentinhaber sich an der gemeinsamen Standardfestlegung beteiligt und/oder auf die Einbeziehung seiner geschützten Lehre in den gemeinsamen Standard sogar aktiv hingewirkt hat. Denn wer sich an dem Standardisierungsverfahren beteiligt, weiß, dass die kollektiven Standardisierungsbemühungen gerade vor dem Hintergrund erfolgen, dass möglichst viele Marktteilnehmer ihre Produkte bzw. Verfahren an diesem einen Standard ausrichten. Gerade zur Sicherung dieser Allgemeinzugänglichkeit kollektiv festgelegter technischer Standards ist jeder Inhaber standard-essentieller Patente aufgrund der beschriebenen IPR-Policies ja auch gehalten, sich zur Lizenzvergabe zu FRAND-Bedingungen zu verpflichten. Fehlen entsprechende verbandsrechtliche Vorkehrungen 227 Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass es im Rahmen der Missbrauchsprüfung auf die subjektiven Absichten und Zielvorstellungen des Normadressaten gerade nicht ankommt. Siehe oben Teil 4, C.III.2.a). 228 Siehe oben Teil 4, C.II.1. sowie Teil 4, C.III.2.a). 229 Vgl. EuGH vom 09.11.1983, Slg. 1983, S. 3461, Rn. 57 (Michelin/Kommission); Europäische Kommission vom 24.03.2004, Rs. COMP/C-3/37.792, Rn. 542 („Microsoft“); Jones/ Sufrin, S. 435; Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-WettbR., Art. 82 EGV Rn. 120; ders., in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 1; Meinberg, S. 32; Emmerich, S. 148.

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

233

zur Sicherung der Allgemeinzugänglichkeit des jeweiligen Standards, so läuft das gesamte Standardisierungsvorhaben Gefahr, gegen das Kartellverbot des Art. 81 EGV bzw. der §§ 1, 2 GWB zu verstoßen.230 Wenngleich die Voraussetzungen der kartellrechtlichen Zwangslizenz hier gerade für diejenigen Fälle untersucht werden, in denen es an einem solchen FRAND-Versprechen des Schutzrechtsinhabers fehlt,231 ergibt sich aus diesem Zusammenhang mit Art. 81 EGV bzw. §§ 1, 2 GWB aber einmal mehr die gesteigerte wettbewerbliche Verantwortung desjenigen, der sich an derartigen Standardisierungsbestrebungen beteiligt. *

Belohnungsreichweite des Patentschutzes

Ein weiteres Argument für die dogmatische sowie rechtspolitische Rechtfertigung der kartellrechtlichen Pflicht zur Lizenzerteilung in Fällen, in denen die Anwendbarkeit einer geschützten technischen Lehre infolge ihrer Aufnahme in einen rechtlich oder wirtschaftlich verbindlichen Standard unerlässliche Voraussetzung für die wirtschaftliche Betätigung auf einem bestimmten Produkt- oder Verfahrensmarkt ist, findet sich in den zu Beginn der Arbeit ausführlich besprochenen Patentrechtstheorien und der daraus abgeleiteten Abgrenzung zwischen Patent- und Standardisierungslohn.232 Nach Sinn und Zweck des Patentschutzes soll dem Schutzrechtsinhaber allein der Patentlohn zukommen, also derjenige Lohn, der sich nach dem Wert der durch die Erfindung hervorgebrachten technischen Neuerung und der daraus resultierenden Bereicherung für den Stand der Technik bemisst; nicht zukommen soll ihm aber der darüber hinausgehende Standardisierungslohn, der denjenigen Wert bezeichnet, welcher sich aus der Aufnahme der erfindungsgemäßen Lehre in einen bestimmten, kollektiv festgelegten Standard und der dadurch geschaffenen, besonderen Nachfrage ergibt. Dem Patentinhaber auch diesen Standardisierungslohn zukommen zu lassen, bedeutete für ihn ein „Geschenk des Himmels“, das von der Belohnungsreichweite des Patentschutzes nicht umfasst ist.233 Bei der Frage nach dieser „Belohnungsreichweite“234 des Patentschutzes handelt es sich nur auf den ersten Blick um einen rein patentrechtlichen Aspekt; bei näherer Betrachtung wird aber deutlich, dass es sich um allgemeine rechtsdogmatische und rechtspolitische Überlegungen zu den Grenzen des Patentschutzes handelt, die insbesondere an der hier zu behandelnden Schnittstelle von Patentrecht und Kartellrecht auch zur Auslegung des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots herangezogen werden

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Siehe oben Teil 2, D.IV.1. Siehe oben Teil 4, A. 232 Zu den Patentrechtstheorien s. o. Teil 2, B.II. Zur Abgrenzung von Patent- und Standardisierungslohn s. o. Teil 3, C.II.2.c)bb). 233 Hierzu ausführlich oben Teil 3, C.II.2.c)bb). 234 Siehe zu diesem Begriff Heinemann, ZWeR 2005, S. 198, 204; ders., in: Hilty/Peukert (Hrsg.), S. 207, 217. 231

234

Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

können.235 Verweigert ein Patentinhaber, der die Unerlässlichkeit seiner Erfindung für die wirtschaftliche Betätigung auf einem bestimmten Produkt- oder Verfahrensmarkt den Besonderheiten der kollektiven Festlegung eines gerade auf dieser Erfindung basierenden Standards zu verdanken hat, die Erteilung entsprechender Lizenzen, um Gewinne zu erzielen, die den Wert der von ihm hervorgebrachten technischen Neuerung übersteigen, so ist dieses Verhalten von Sinn und Zweck des Patentschutzes, wie er in den herkömmlichen Patentrechtstheorien – insbesondere der Belohnungstheorie – seinen Ausdruck gefunden hat, nicht gedeckt.236 Daraus folgt zugleich, dass die kartellrechtliche Anordnung einer Zwangslizenz in diesen Fällen zu dem Wesen des Patentschutzes nicht etwa im Widerspruch steht, sondern sich mit den zugrundeliegenden Vorstellungen des Gesetzgebers zu Zweckmäßigkeit und Reichweite dieses Ausschließlichkeitsrechts in harmonischen Einklang bringen lässt. *

Patentschutz als Mittel der Wirtschafts- und Innovationsförderung zum Wohle der Allgemeinheit

Schließlich ist zu beachten, dass die in der Gewährung des patentrechtlichen Ausschließlichkeitsrechts angelegte Belohnung des Erfinders für seinen Beitrag zur Innovationsförderung nicht nur dazu bestimmt ist, das Individualinteresse des Patentinhabers zu befriedigen. Dessen Belohnung soll vielmehr auch Dritten als Anreiz dienen, ihrerseits erfinderisch tätig zu werden. Von der Belohnung des einzelnen Erfinders soll mit anderen Worten eine Signalwirkung dergestalt ausgehen, dass Dritte durch die Aussicht auf eine ebensolche Belohnung gleichfalls zur Entfaltung von Innovationsbemühungen angetrieben werden. Damit dient die Gewährung von Patentschutz im Kern von jeher der Technologie- und Wirtschaftsförderung im Interesse der Allgemeinheit.237 Aus diesem übergeordneten wirtschaftspolitischen Ziel des Patentschutzes folgt zugleich, dass die Ausschließlichkeitsstellung des Schutzrechtsinhabers dort auf Grenzen stößt, wo die im Interesse der Allgemeinheit liegende wirtschaftliche und technologische Weiterentwicklung gerade hierdurch behindert wird.238 Da das Ziel der wirtschaftlichen Fortentwicklung nach heutigem marktwirtschaftlichem Verständnis aber nur in einem Umfeld wirksamen Wettbewerbs erreicht werden kann, hat der Patentschutz dann zurückzutreten, wenn infolge der gegebenen Besonderhei235

Zur Berücksichtigung immaterialgüterrechtlicher Wertungen im Kartellrecht vgl. Heinemann, in: Behrens (Hrsg.), S. 105, 121. Lesenswert auch Wielsch, EuZW 2005, S. 391, 396, der insoweit von einer Art „Wechselwirkungstheorie“ bzw. „immaterialgüterrechtlicher Rückbezüglichkeitsprüfung“ spricht. 236 In diesem Sinne wohl auch BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1332 f. („Standard-Spundfass II“). Vgl. auch Conde Gallego, GRUR Int. 2006, S. 16, 27; Heinemann, ZWeR 2005, S. 198, 203 f. 237 Siehe bereits oben Teil 2, B.III. und Teil 2, B.IV. Vgl. auch Busche, in: Jahrbuch der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 2001, S. 345, 347 ff. 238 Ähnlich Busche, in: Jahrbuch der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 2001, S. 345, 346.

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

235

ten der jeweiligen Marktsituation gerade dieser dazu führt, dass jeglicher Wettbewerb zum Erliegen kommt. Insoweit hat sich der patentrechtliche Ausschließlichkeitsschutz den auf die Sicherung des Wettbewerbs dienenden Vorschriften des Kartellrechts unterzuordnen.239 (3) Fehlen sachlicher Rechtfertigungsgründe Wie bei jeder Anwendung des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots, muss auch in der vorliegend besprochenen Sachverhaltskonstellation dem betreffenden Patentinhaber die grundsätzliche Möglichkeit zugesprochen werden, objektiv nachvollziehbare Gründe vorzutragen und zu beweisen,240 welche die Lizenzverweigerung im konkreten Fall als sachlich gerechtfertigt erscheinen lassen, so dass im Ergebnis ein Verstoß gegen Art. 82 EGV bzw. § 19 Abs. 1 GWB nicht vorliegt. In der Praxis wird regelmäßig geprüft, ob das fragliche Verhalten durch sachliche Gründe, etwa zur Wahrung geschäftlicher Eigeninteressen, gerechtfertigt ist oder über dasjenige Maß hinausgeht, das unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten angemessen ist.241 Hierbei handelt es sich freilich um eine sehr allgemein gehaltene Prüfungsformel, die im konkreten Einzelfall ausfüllungsbedürftig ist und letztlich in einer umfassenden Abwägung der beteiligten Interessen unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten des konkreten Sachverhalts mündet.242 *

Technische Überlegenheit

In einer marktwirtschaftlichen, auf dem Leistungsprinzip basierenden Wirtschaftsordnung bietet es sich im gegebenen Zusammenhang an, als sachlichen Anknüpfungspunkt für das Vorliegen eines Rechtfertigungstatbestandes auf das Merkmal der technischen – d. h. qualitativen – Überlegenheit zu rekurrieren.243 Die Lizenzverweigerung durch den Patentinhaber könnte stets dann als gerechtfertigt anzusehen sein, wenn er darlegen und beweisen kann, dass die von ihm entwickelte technische Lehre nur deshalb Eingang in einen bestimmten Standard gefunden hat, weil gerade sie im Vergleich zu alternativen Lösungen qualitativ höherwertig war. Das Argument könnte lauten, dass demjenigen, der aufgrund seiner eigenen geistigen Leistung die (unbestritten) beste technische Lösung für ein bestimmtes Problem entwickelt hat, 239 Vgl. zum Vorrang des GWB Kraft, S. 66 ff.; Bußmann, Patentrechtliche Zwangslizenz, S. 208 ff. 240 Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen trägt der marktbeherrschende und die Lizenzvergabe verweigernde Patentinhaber. So ausdrücklich EuG vom 17.09.2007, T-201/04, Rn. 688 (Microsoft/Kommission). 241 Siehe Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EGB, Art. 82 Rn. 120 a. E., m.w.N. Zur Bedeutung der Rechtfertigungsgründe vgl. auch Beckmerhagen, S. 343 f.; Kaestner, S. 129 ff.; Heinemann, in: Behrens (Hrsg.), S. 105, 121; Höppner, GRUR Int. 2005, S. 457, 458. 242 Vgl. Kühnen, in: FS Tilmann, S. 513, 522; Bartl, S. 291. 243 Lesenswert hierzu Maaßen, S. 252 ff. Weniger deutlich hingegen Bartl, S. 289 ff.

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

auch die alleinige Verwertungsbefugnis bezüglich seiner Erfindung zukommen soll. Es läge der Schluss nahe, dass sich diese Technologie aufgrund ihrer qualitativen Überlegenheit ohnehin auf dem Markt durchgesetzt hätte und dass deshalb ein über den Patentlohn – dieser gebührt nach Sinn und Zweck des Patentschutzes ohnehin stets allein dem Schutzrechtsinhaber – hinausgehender Standardisierungslohn überhaupt nicht existiert. Eine solche Sichtweise würde jedoch die Besonderheiten kollektiver Standardisierungsbestrebungen und insbesondere auch die insoweit bestehenden strukturellen Unterschiede zur Entwicklung unilateraler de facto Standards verkennen. Derartige de facto Standards zeichnen sich im Unterschied zu den hier behandelten, kollektiv festgelegten Standards regelmäßig dadurch aus, dass eine bestimmte technische Lehre sich am freien Markt im Laufe der Zeit gegenüber konkurrierenden Lösungen durchsetzt und sich allmählich in einem Maße von diesen abhebt, dass von einem allgemein akzeptierten Standard gesprochen werden kann. Bis zur endgültigen Akzeptanz dieser technischen Lehre als Standard ist der betreffende Patentinhaber allerdings einem mehr oder weniger erheblichen Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Die unilaterale Durchsetzung von Standards ist außerdem in aller Regel mit hohen unternehmerischen Risiken und erheblichen wirtschaftlichen Unwägbarkeiten verbunden. Die Akzeptanz der fraglichen Erfindung auf dem Markt ist keinesfalls garantiert und wird sich in den seltensten Fällen allein aus ihrer qualitativen Überlegenheit ergeben. Hierzu bedarf es vielmehr unter anderem einer ausdifferenzierten Marketingstrategie, detaillierter Marktanalysen sowie der Durchführung von Kundenumfragen und Werbemaßnahmen. Hat der Patentinhaber in einem solchen Fall schließlich die Durchsetzung seiner Lehre als de facto Standard erreicht, so beruht dies auf seiner eigenen unternehmerischen Leistung und ist das Ergebnis seiner unternehmerischen Risikobereitschaft. In einem solchen Fall entspricht die alleinige und ausschließliche Verwertungsbefugnis des Patentinhabers daher gerade der Belohnungsfunktion des Patentschutzes, so dass die Verweigerung der Lizenzvergabe dort in aller Regel von Sinn und Zweck des Immaterialgüterschutzes gedeckt und unter Zugrundelegung des Leistungsprinzips auch kartellrechtlich regelmäßig nicht zu beanstanden ist. Ganz anders stellt sich die Situation hingegen in dem vorliegend behandelten Fall der planmäßigen und kollektiven Standardfestlegung dar. Auch hier wird für gewöhnlich zwar nur diejenige technische Lösung zum gemeinsamen Standard erhoben, die konkurrierenden Lösungen in qualitativer Hinsicht überlegen ist. Anders als bei der Entwicklung eines de facto Standards ist der Patentinhaber aber keinem oder einem nur sehr geringen unternehmerischen Risiko ausgesetzt. Der Patentinhaber kann darüber hinaus darauf vertrauen, dass die Mehrheit der beteiligten Hersteller ihre Produkte bzw. Verfahren an dem gemeinsamen Standard ausrichten wird, so dass eine entsprechend hohe Nachfrage nach seiner Erfindung gesichert ist. Je größer die Anzahl der an dem Standardisierungsvorhaben Beteiligten, desto wahrscheinlicher ist außerdem die marktweite Etablierung der zum Standard erhobenen technischen

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

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Lehre. Ab dem Zeitpunkt der endgültigen Verabschiedung des gemeinsamen Standards unterliegt der Schutzrechtsinhaber schließlich auch keinerlei Wettbewerbsdruck mehr.244 Die breite Akzeptanz seiner Erfindung auf dem Markt ist mithin hier nicht der Inkaufnahme wirtschaftlicher Risiken und unternehmerischem Können geschuldet, sondern ist (jedenfalls auch) Folge gemeinsamer Koordinierungsbemühungen der beteiligten Unternehmen. Selbst unter Zugrundelegung der qualitativen Überlegenheit der zum Standard erhobenen technischen Lehre gegenüber konkurrierenden Lösungen ist deren Marktdurchsetzung mithin nicht (allein) der Verdienst des betreffenden Patentinhabers, sondern großteils das Ergebnis der zielgerichteten Zusammenarbeit aller Standardisierungsbeteiligten.245 Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass eine Rechtfertigung der Lizenzverweigerung mit dem bloßen Hinweis darauf, die zum Standard erhobene technische Lehre sei gegenüber alternativen Lösungen qualitativ höherwertig, nicht in Betracht kommt. Das marktwirtschaftliche Leistungsprinzip verlangt, dass sich die fragliche Lehre gerade im Wettbewerb mit anderen am Markt bewährt und deren Marktdurchsetzung nicht bloß Folge ihrer Einbeziehung in einen kollektiv beschlossenen Standard ist. Hier genau liegt der entscheidende Unterschied zu der einseitigen Entwicklung und Etablierung von de facto Standards. *

Schwächung der Innovationsanreize

Das EuG hat in seinem Microsoft-Urteil die Auffassung vertreten, Microsoft könne der zwangsweisen Lizenzierung seiner mutmaßlich immaterialgüterrechtlich geschützten Schnittstelleninformationen (allenfalls) dadurch entgehen, dass das Unternehmen darlegt und beweist, dass die mit der Erteilung von Lizenzen einhergehende Offenlegung der geschützten Informationen derart negative Auswirkungen auf seine künftige Innovationstätigkeit hätte, dass diese schwerer wiegen als die Einschränkung des Wettbewerbs infolge der Lizenzverweigerung.246 Unabhängig davon, dass unklar bleibt, wie der Schutzrechtsinhaber im konkreten Einzelfall einen solchen Beweis soll führen können und welche Kriterien insoweit ausschlaggebend sind, erscheint die Übertragung dieses Maßstabs auf den vorliegend zu untersuchenden Fall der kollektiven Standardfestlegung wenig geeignet. Es ist nämlich zu beachten, dass die Teilnahme an dem jeweiligen Standardisierungsverfahren auf rein freiwilliger Basis erfolgt. Wer sich an der Festlegung eines bestimmten Standards beteiligt, weiß, dass er Dritten die Nutzung der von ihm patentierten und zur Anwendung des gemeinsamen Standards erforderlichen technischen Lehren gestatten muss. Eine Berufung auf möglicherweise bestehende negative Aus244 Diesen Umstand hebt auch der BGH in seiner Standard-Spundfass II Entscheidung ausdrücklich hervor, BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1332 f. („Standard-Spundfass II“). 245 Lesenswert in diesem Zusammenhang Maaßen, S. 253 f.; Weber, MuW 1940, S. 85. Siehe außerdem bereits oben Teil 3, C.II.2.c)bb). 246 Siehe EuG vom 17.09.2007, T-201/04, Rn. 680 (Microsoft/Kommission).

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

wirkungen der Zwangslizenzierung auf seine künftige Innovationsfreudigkeit kommt daher nicht in Betracht. Das gilt jedenfalls dann, wenn der betreffende Patentinhaber sich gemäß den internen Regeln der Standardisierungsorganisation dazu verpflichtet hat, etwa von ihm gehaltene, standard-essentielle Patente Dritten zu fairen, angemessenen und nichtdiskriminierenden – FRAND – Bedingungen zur Nutzung zur Verfügung zu stellen.247 Hier wäre es widersprüchlich, sich der Lizenzvergabe zu angemessenen Bedingungen – nur um eine solche geht es im Rahmen des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots248 – mit dem Hinweis auf etwa zu erwartende, negative Auswirkungen der (zwangsweisen) Lizenzerteilung auf seine künftige Innovationstätigkeit entziehen zu wollen. Dasselbe dürfte aber auch dann gelten, wenn es zur Abgabe eines FRAND-Versprechens des am Standardisierungsverfahren beteiligten Patentinhabers zu keinem Zeitpunkt gekommen ist, etwa weil das betreffende Schutzrecht im Vorfeld der Standardfestlegung übersehen wurde.249 Denn an die Rechtmäßigkeit einer Lizenzverweigerung sind dort ganz besonders hohe Anforderungen zu stellen, wo es die ständige Übung der Wirtschaftsteilnehmer in der fraglichen Branche ist, entsprechende Lizenzen zu erteilen.250 Von einer solchen Branchenübung muss im Zusammenhang der kollektiven Festlegung technischer Standards ausgegangen werden. Denn es darf nicht übersehen werden, dass die hier behandelten Fälle der Lizenzverweigerung eine Ausnahme darstellen und die überwiegende Mehrheit der Standardisierungsbeteiligten ihrer Verpflichtung zur Gewährleistung der Zugänglichkeit eines gemeinsamen Standards für jedermann tatsächlich nachkommt.251 Unter Wertungsgesichtspunkten kommt die Geltendmachung etwa bestehender negativer Auswirkungen der Zwangslizenzierung auf die künftigen Innovationsanreize des betroffenen Patentinhabers erst recht dann nicht in Betracht, wenn dieser das 247

Hierzu ausführlich oben Teil 3, B.II. Auch im Rahmen des hier relevanten kartellrechtlichen Missbrauchsverbots geht es (selbstverständlich) nur um die Frage der Lizenzierung zu angemessenen Bedingungen. Keinesfalls ist der Patentinhaber im vorliegend behandelten Zusammenhang zur Erteilung von Freilizenzen verpflichtet. Siehe Kühnen, in: FS Tilmann, S. 513, 517; ausführlich außerdem unten Teil 4, C.IV. 249 Wie oben (Teil 3, C.I.1.) erläutert, trifft die FRAND-Lizenzvergabeverpflichtung den Patentinhaber nicht bereits aufgrund seiner Beteiligung an dem Standardisierungsverfahren. Zur Abgabe einer FRAND-Erklärung wird er vielmehr erst dann aufgefordert, wenn bekannt wird, dass eine von ihm patentierte technische Lehre für die Anwendung des gemeinsamen Standards wesentlich werden könnte. 250 Vgl. zu diesem Aspekt EuG vom 17.09.2007, T-201/04, Rn. 702 (Microsoft/Kommission). 251 Die kollektive Festlegung technischer Standards erfolgt ja gerade mit dem Ziel, dass möglichst viele Marktteilnehmer ihre Produkte bzw. Verfahren an einem ganz bestimmten Standard ausrichten. Die Gewährleistung der Allgemeinzugänglichkeit gemeinsamer technischer Standards entspricht daher dem Selbstverständnis der betreffenden Standardisierungsorganisationen. Hierzu oben Teil 1, A. sowie Teil 2, D.II. 248

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

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Standardisierungsverfahren – entsprechend den oben einleitend dargestellten Fällen Dell und Rambus – bewusst zu seinem eigenen Vorteil ausgenutzt und eigene Patente oder Patentanmeldungen im Vorfeld der Standardfestlegung vorsätzlich verschwiegen hat.252 Auch in dieser Situation würde sich die Erhebung eines solchen Rechtfertigungseinwandes als Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen.253 cc) Zusammenfassung und abschließende Beurteilung Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es für die Beurteilung der echten Lizenzverweigerung als missbräuchlich im Sinne von Art. 82 EGV bzw. § 19 Abs. 1 GWB auf die dargestellten, von den europäischen Gerichten (beispielhaft) entwickelten Kriterien im vorliegend zu behandelnden, speziellen Kontext der planmäßigen und überbetrieblichen Festlegung technischer Standards letztlich nicht ankommt. Zwar behalten diese Kriterien im Standardisierungskontext in gleichem Maße Gültigkeit wie in allen anderen Fällen der Lizenzverweigerung auch. Aufgrund der dargelegten Besonderheiten der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation kann das Bestehen sog. „außergewöhnlicher Umstände“, die die Lizenzverweigerung ausnahmsweise als missbräuchlich erscheinen lassen, aber bereits dann angenommen werden, wenn der betreffende Standard – und damit die in diesem Standard enthaltenen essentiellen Patente – für die wirtschaftliche Tätigkeit auf einem bestimmten Markt unerlässlich sind. Hierbei ist unerheblich, ob diese Unerlässlichkeit auf rechtlichen, technischen oder wirtschaftlichen Faktoren beruht. Wie in allen Fällen des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots üblich, steht dem Patentinhaber als Normadressaten zwar auch hier die grundsätzliche Möglichkeit offen, objektive Gründe darzulegen (und zu beweisen), die seine Lizenzverweigerung sachlich rechtfertigen. Aufgrund der dargelegten Eigentümlichkeiten der kollektiven Standardfestlegung ist allerdings zu bemerken, dass eine Rechtfertigung in den meisten Fällen ausscheidet, wenn und weil der Patentinhaber sich freiwillig an dem Standardisierungsverfahren beteiligt und die Aufnahme seiner technischen Lehre in den gemeinsamen Standard gebilligt oder hierauf sogar aktiv hingewirkt hat. Die hier vertretene Sichtweise lässt auch nicht befürchten, dass es zu einer spürbaren Vermehrung kartellrechtlicher Zwangslizenzen dergestalt kommt, dass hiervon negative Auswirkungen auf die Innovationsfreude der maßgeblichen Marktteilnehmer ausgehen und so die technische Fortentwicklung insgesamt gebremst wird. . . 252 Maaßen, S. 254 spricht insoweit von einem „Einschmuggeln“ des Patents in den Standard. 253 Ähnlich bereits Weber, MuW 1940, S. 85, 86. Vgl. zur ganz ähnlichen Bedeutung der hier dargestellten Fälle im Rahmen des Zwangslizenztatbestandes des § 24 Abs. 1 PatG ausführlich unten Teil 4, D.II.1.b).

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

Denn zum einen ist zu beachten, dass der Patentinhaber auch im Falle der Anordnung von Zwangslizenzen seine Forschungs- und Entwicklungskosten durch die Erhebung (angemessener) Lizenzgebühren amortisieren kann.254 Die infolge der Aufnahme seiner geschützten Lehre in den kollektiv verabschiedeten Standard gesteigerte Nachfrage nach entsprechenden Patentlizenzen kann ihm darüber hinaus häufig sogar zu Gewinnen verhelfen, die er ohne die Beteiligung an dem Standardisierungsverfahren wahrscheinlich nicht hätte erzielen können.255 Zum anderen muss berücksichtigt werden, dass die Lizenznehmer durch den Zugang zu der patentierten technischen Lehre ihrerseits in die Lage versetzt werden, diese weiterzuentwickeln und zu verbessern. Auch die hierdurch entstehenden Anreize zu Folgeinnovationen sorgen dementsprechend für eine fortschreitende technologische Weiterentwicklung. Soweit als Argument gegen die Einschränkung des patentrechtlichen Ausschließlichkeitsschutzes durch die zwangsweise Lizenzerteilung darauf hingewiesen wird, es sei eine generelle Verringerung des Ansporns der Marktteilnehmer zur Entfaltung von Innovationsanstrengungen zu befürchten, ist dem darüber hinaus entgegenzuhalten, dass die Abschottung ganzer Märkte durch den Immaterialgüterrechtsinhaber den technischen Fortschritt wenigstens ebenso negativ beeinflussen kann wie eine im Einzelfall angeordnete Einschränkung des immaterialgüterrechtlichen Schutzumfangs.256

IV. Verfahrensrechtliche Durchsetzung der kartellrechtlichen Zwangslizenz Wird nach den vorstehend entwickelten Grundsätzen ein Verstoß gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot festgestellt, so kann eine entsprechende Zwangslizenz sowohl im Wege eines wettbewerbsbehördlichen als auch im Wege eines gerichtlichen Verfahrens erteilt werden.

254 Siehe hierzu unten Teil 4, C.IV. Vgl. außerdem Maaßen, S. 347, der in anderem Zusammenhang ebenfalls darauf hinweist, dass die Belohnung des Schutzrechtsinhabers durch eine entsprechende Vergütung sichergestellt werden könne, ohne dass ihm zwingend das Recht zustehen müsse, Dritte vom Zugang zu nachgelagerten Märkten auszuschließen. Kritisch dagegen Beckmerhagen, S. 342. 255 Vgl. Maaßen, S. 272, der unter Verweis auf eine Werbeaussage von Siemens von einer „Lizenz zum Gelddrucken“ spricht. Lesenswert auch Weber, MuW 1940, S. 85, 86, der auf die „Ungerechtigkeit“ hinweist, dass der Immaterialgüterrechtsinhaber aufgrund der gestiegenen Bedeutung seines Schutzrechts infolge der Standardisierung „auf Kosten seiner schuldlos benachteiligten Konkurrenten zu einem Nutzen aus seinen Schutzrechten [komme], den er alleine niemals hätte erreichen können.“ 256 Siehe Maaßen, S. 345.

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

241

1. Anordnung der Zwangslizenz durch die Wettbewerbsbehörden Im Hinblick auf die Anwendung des Art. 82 EGV ist zuständige Wettbewerbsbehörde gemäß Art. 4 KartVerfVO grundsätzlich die Europäische Kommission. Diese prüft Verletzungen des Art. 82 EGV entweder von Amts wegen oder auf Antrag und ist gem. Art. 7 Abs. 1 S. 1 KartVerfVO im Falle eines Verstoßes berechtigt257, das betreffende Unternehmen durch Entscheidung zur Abstellung der Zuwiderhandlung zu verpflichten. Im Falle der missbräuchlichen Lizenzverweigerung ergeht diese Entscheidung in Gestalt einer Verpflichtung des marktbeherrschenden Unternehmens zur zwangsweisen Erteilung der entsprechenden Lizenz(en).258 Sofern gem. Art. 5 S. 1 KartVerfVO im Einzelfall die nationalen Wettbewerbsbehörden – in Deutschland insbesondere das Bundeskartellamt (§ 48 Abs. 2 GWB) – zur Anwendung des Art. 82 EGV zuständig sind,259 haben diese grundsätzlich die gleichen Befugnisse wie die Europäische Kommission, was sich aus § 54 Abs. 1 und § 32 Abs. 1, 2 GWB ergibt.260 Dasselbe gilt gemäß den zitierten Vorschriften für die Anwendung des nationalen Missbrauchsverbots. Gemäß Art. 8 Abs. 1 KartVerfVO bzw. § 32 a Abs. 1 GWB besteht im Falle der Gefahr eines ernsten, nicht wiedergutzumachenden Schadens für den Wettbewerb darüber hinaus die Befugnis zum Erlass einstweiliger Maßnahmen, wozu im gegebenen Zusammenhang insbesondere die vorläufige Erteilung von Zwangslizenzen gehört.261 Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass die Lizenzerteilung in all diesen Fällen nicht unmittelbar durch die Verwaltungsentscheidung selbst erfolgt. Vielmehr wird der Patentinhaber durch Verwaltungsakt verpflichtet, dem Beschwerdeführer bzw. allen von dem Missbrauch betroffenen Lizenzsuchern auf Antrag in nicht-diskriminierender Weise eine entsprechende Nutzungserlaubnis zu erteilen. Der Schutz257 Beachte: Ein Anspruch der von einem Missbrauch Betroffenen auf Einschreiten der Kartellbehörden besteht demgegenüber grundsätzlich nicht. Siehe nur Möschel, in: Immenga/ Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 19 Rn. 240 ff., m.w.N. 258 Siehe hierzu bereits oben Teil 4, C.I.2. 259 Gem. Art. 11 Abs. 6 S. 1 KartVerfVO entfällt die Zuständigkeit der nationalen Wettbewerbsbehörde, sobald die Europäische Kommission ihrerseits ein entsprechendes Verfahren einleitet. 260 Beachte: Art. 5 KartVerfVO ist trotz des insoweit missverständlichen Wortlauts eine reine Kompetenznorm. Eine entsprechende Eingriffsbefugnis verleiht sie den nationalen Wettbewerbsbehörden erst zusammen mit der im jeweiligen nationalen Recht vorgesehenen Ermächtigungsgrundlage, in Deutschland also § 32 GWB. Hierzu umfassend Grünberger, S. 165 ff. 261 Vgl. etwa Europäische Kommission vom 03.07.2001, Abl. L 59 vom 28.02.2002, S. 18 (NDC Health/IMS Health – Einstweilige Anordnung). Zwar war im Zeitpunkt dieser Entscheidung die KartVerfVO noch nicht in Kraft, doch war die Europäische Kommission auch auf Grundlage der damals bestehenden VO 17/62 berechtigt, entsprechende vorläufige Maßnahmen zu ergreifen; vgl. Meinberg, S. 194 f.

242

Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

rechtsinhaber muss darüber hinaus regelmäßig nicht die kostenlose Verwendung seiner Erfindung dulden, sondern ist berechtigt, angemessene Lizenzgebühren zu verlangen und sonstige Lizenzbedingungen zu formulieren, die zum Schutze seines geistigen Eigentums erforderlich sind.262 Es handelt sich bei der kartellbehördlichen Erteilung einer Zwangslizenz also letztlich um nichts anderes als die Verpflichtung des Patentinhabers, mit dem jeweiligen Zugangspetenten einen Lizenzvertrag zu angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen abzuschließen.263 2. Gerichtliche Anordnung der Zwangslizenz Neben der beschriebenen Anordnung der Zwangslizenz durch die Wettbewerbsbehörden besteht für einen von der missbräuchlichen Lizenzverweigerung betroffenen Marktteilnehmer auch die Möglichkeit, eine entsprechende Zwangslizenz im Wege der Leistungsklage vor den ordentlichen Gerichten einzufordern.264 Ein hierauf gerichteter Anspruch ergibt sich unmittelbar aus § 33 Abs. 1 GWB.265 Das gilt sowohl für Verstöße gegen Art. 82 EGV als auch für solche gegen §§ 19, 20 Abs. 1 GWB. Der entsprechende Klageantrag muss nach der Rechtsprechung des BGH entweder auf Annahme eines bereits ausformulierten Vertragsangebots, auf Annahme eines vom Kläger noch abzugebenden Angebots oder auf Abgabe eines Vertragsangebots durch den Beklagten lauten.266 In jedem Fall aber muss der Kläger von vornherein die Bedingungen konkretisieren, unter denen er zum Vertragsschluss bereit ist; auf etwaige Bedenken gegen den Vertragsinhalt muss das Gericht hinweisen und gegebenenfalls Gelegenheit zu einer Antragskorrektur geben (§§ 139, 278 ZPO).267 Auch hier gilt wiederum, dass die unentgeltliche Lizenzerteilung grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Die Bestimmung angemessener Vertragsbedingungen ist allerdings 262 Hier können etwa Geheimhaltungsvereinbarungen oder Maßnahmen zur Qualitätssicherung eine Rolle spielen. 263 Vgl. etwa Europäische Kommission vom 21.12.1988, Abl. L 78 vom 21.03.1989, S. 43, Tenor Art. 2 (Magill TV Guide/ITP, BBC & RTE); Europäische Kommission vom 03.07.2001, Abl. L 59 vom 28.02.2002, S. 18, Tenor Art. 1, 2 (NDC Health/IMS Health). Umfassend Kaestner, S. 134 ff.; Beckmerhagen, S. 341 ff.; Käller, S. 293 ff. 264 Beide Möglichkeiten stehen parallel nebeneinander. Ein Vorrang des Verfahrens vor den Kartellbehörden kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil ein subjektives Recht des von dem Missbrauch Betroffenen auf Einschreiten der Kartellbehörden, wie erwähnt (oben Fn. 257), gerade nicht besteht. Vgl. Wirtz/Holzhäuser, WRP 2004, S. 683, 694. 265 Wie oben (Teil 4, C.I.2.) dargelegt, handelt es sich nach der hier vertretenen Auffassung um einen Beseitigungs- bzw. Unterlassungsanspruch und gerade nicht um einen Schadensersatzanspruch nach § 33 Abs. 3 GWB. Hierzu umfassend Grünberg, S. 177 ff. 266 Siehe nur BGH vom 17.06.1994, NJW-RR 1994, S. 1272 m.w.N. Vgl. außerdem Wirtz/ Holzhäuser, WRP 2004, S. 683, 692. Demgegenüber kommt eine bloße Klage auf gerichtliche Feststellung der Pflicht zur Lizenzerteilung mangels Feststellungsinteresses auf Klägerseite regelmäßig nicht in Betracht (BGH a. a. O.). 267 BGH vom 17.06.1994, NJW-RR 1994, S. 1272.

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

243

nicht Aufgabe des Gerichts, sondern bleibt wie bei der kartellbehördlichen Zwangslizenz regelmäßig den Parteien selbst überlassen.268 Die sachliche Zuständigkeit liegt gem. §§ 87, 95 GWB ausschließlich bei den Landgerichten, die insoweit als Kartellgerichte fungieren.269 3. Einwand des kartellrechtlichen Anspruchs auf Lizenzerteilung im Patentverletzungsprozess? An dieser Stelle bleibt die Frage zu klären, ob sich der Beklagte einer auf § 139 Abs. 1 PatG gestützten Patentverletzungsklage des marktbeherrschenden Schutzrechtsinhabers erfolgreich mit dem Einwand wehren kann, der Kläger sei nach den kartellrechtlichen Vorschriften ohnehin zur Lizenzierung seines Schutzrechts verpflichtet. *

Zuständigkeit des Gerichts

Einer solchen Berücksichtigung des kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwandes im Patentverletzungsprozess steht jedenfalls nicht entgegen, dass die zur Entscheidung über Klagen nach § 139 Abs. 1 PatG berufenen Gerichte nicht das richtige Forum seien, um komplexe kartellrechtliche Fragestellungen zu klären.270 Es ist darauf hinzuweisen, dass sowohl für den patentrechtlichen Unterlassungsanspruch als auch für den einredeweise geltend gemachten kartellrechtlichen Anspruch auf Lizenzerteilung sachlich jeweils ausschließlich die Landgerichte zuständig sind (vgl. § 143 Abs. 1 PatG einerseits sowie § 87 GWB andererseits). Zwar sieht das Gesetz in beiden Fällen die Möglichkeit der Errichtung gerichtsbezirksübergreifender Patent- bzw. Kartellspezialgerichte vor (§ 143 Abs. 2 PatG, § 89 Abs. 1 GWB), von der die Landesregierungen auch in erheblichem Umfang Gebrauch gemacht haben. Insoweit weisen jedoch Wirtz/Holzhäuser zu Recht darauf hin, dass die entsprechenden Spezialgerichte für Patent- und diejenigen für Kartellstreitigkeiten infolge der jeweiligen landesrechtlichen Zuständigkeitsverteilung häufig identisch sind, wie z. B. das LG Düsseldorf, das LG Rostock und das LG München I.271 Dort, wo dies nicht der Fall ist, führt die Erhebung des kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwandes des Beklagten gem. § 87 S. 2 GWB zur Unzuständigkeit des zunächst angerufenen Patentgerichts. Auf Antrag des Klägers wird der gesamte Rechts-

268

Vgl. etwa Merveldt, WuW 2004, S. 19, 23. Umfassend zu sämtlichen Zuständigkeitsfragen K. Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 87 Rn. 39 ff. 270 So aber Merveldt, WuW 2004, S. 19, 20. 271 Siehe Wirtz/Holzhäuser, WRP 2004, S. 683, 693 sowie die Anmerkungen im Schönfelder zu § 143 PatG und § 89 GWB. 269

244

Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

streit gemäß § 281 Abs. 1 ZPO an das zuständige Kartellgericht verwiesen, anderenfalls die Klage als unzulässig abgewiesen.272 *

Orange Book Entscheidung des BGH

Während die Frage der Zulässigkeit des kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwandes im Patentverletzungsprozess in Literatur und instanzgerichtlicher Rechtsprechung in den vergangenen Jahren gleichermaßen kontrovers diskutiert wurde, hat hierzu jüngst auch der BGH ausdrücklich Stellung genommen.273 In seinem Urteil zum sog. Orange Book Standard hat er sich auf Basis der in § 242 BGB wurzelnden dolo agit-Einrede im Grundsatz für die Erheblichkeit eines solchen Einwandes ausgesprochen. Wenn der Patentinhaber aus kartellrechtlichen Gründen zur Lizenzierung seines Schutzrechts verpflichtet ist, dann ist es ihm nach Ansicht des BGH aus Treu und Glauben verwehrt, die Unterlassung der Patentbenutzung von demjenigen zu verlangen, dem er die Benutzung seiner geschützten Lehre kartellrechtlich an sich gestatten müsste. Allerdings formuliert der BGH eine Reihe von Voraussetzungen, die kumulativ erfüllt sein müssen, damit die Lizenzverweigerung des Patentinhabers sich im Einzelfall tatsächlich als kartellrechtswidrig darstellt und die Arglist-Einrede mithin zur Abweisung der angestrengten Unterlassungsklage führt. So ist nach Ansicht des BGH von einem treuwidrigen Verhalten des Patentinhabers nur dann auszugehen, wenn (1) der Lizenzsucher (vor Nutzungsbeginn)274 ein konkretes und unbedingtes Angebot auf Abschluss eines Lizenzvertrages zu angemessenen275 Bedingungen gemacht hat, (2) welches der Patentinhaber in kartellrechtlich zulässiger Weise nicht ablehnen konnte; der Lizenzsucher muss sich außerdem während der gesamten Dauer seiner Patentbenutzung (3) an dieses Angebot gebunden gehalten und (4) in regelmäßigen Abständen gegenüber dem Patentinhaber abgerechnet und an diesen angemessene Lizenzgebühren gezahlt oder solche Lizenzgebühren zu seinen Gunsten gem. § 372 S. 1 BGB unter Verzicht auf das Recht zur Rücknahme hinterlegt 272

Vgl. Wirtz/Holzhäuser, WRP 2004, S. 683, 694. BGH vom 06.05.2009, GRUR 2009, S. 694 („Orange Book“), mit umfassenden Hinweisen auch auf den bisherigen Streitstand. Zu diesem Urteil ausführlich de Bronett, WuW 2009, S. 899 ff.; Gärtner/Vormann, MittdtschPatAnw 2009, S. 440 ff.; Nägele/Jacobs, WRP 2009, S. 1062 ff.; Jestaedt, GRUR 2009, S. 801 ff. 274 Die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt der Lizenzsucher dem Patentinhaber sein Angebot unterbreitet haben muss, wurde vom BGH nicht im Einzelnen diskutiert. Sinnvollerweise kann aber nur auf den Zeitpunkt der ersten Nutzungshandlung abgestellt werden. Keinesfalls in Betracht kommt demgegenüber der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, da ansonsten ein erhebliches Missbrauchspotential bestünde und der Lizenzsucher stets unbesorgt mit der Nutzung der patentgeschützten Lehre beginnen und sein Verhalten in einem gerichtlichen Unterlassungsverfahren der jeweiligen Prozesssituation anpassen, d. h. den Zwangslizenzeinwand quasi als „Notanker“ benutzen könnte. Hierzu Nägele/Jacobs, WRP 2009, S. 1062, 1072. 275 Zur Frage, welche Anforderungen an die „Angemessenheit“ des Angebots zu stellen sind, vgl. Nägele/Jacobs, WRP 2009, S. 1062, 1072 f. 273

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

245

haben.276 Vom BGH wird insbesondere der letztgenannten Voraussetzung besondere Bedeutung beigemessen. Hierdurch soll dem Gegenseitigkeitsverhältnis eines (zukünftigen) Lizenzvertrages Rechnung getragen werden, das den Lizenzsucher nur dann zur Verwendung der geschützten Lehre berechtigt, wenn dieser im Gegenzug entsprechende (angemessene) Lizenzgebühren zahlt. Der Lizenzsucher, der im Vorgriff auf die ihm zu erteilende Lizenz mit der Benutzung der geschützten Lehre beginnt, darf nicht nur seinen vertraglichen Rechten, sondern muss auch seinen vertraglichen Pflichten vorgreifen. Er kann dem Unterlassungsbegehren des Patentinhabers daher nur dann die Arglist-Einrede entgegenhalten, wenn er dem Patentinhaber nicht nur ein Angebot gemacht hat, das dieser in kartellrechtlich zulässiger Weise nicht ablehnen durfte, sondern sich darüber hinaus auch so verhält, als ob dieses Angebot bereits angenommen worden wäre und mithin die einer vertraglichen Lizenz entsprechende Gegenleistung erbringt.277 *

Gegenargumentation

Unabhängig davon, dass die vom BGH formulierten Voraussetzungen in der Praxis wohl nur in den seltensten Fällen tatsächlich vorliegen werden und der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand bereits aus diesem Grunde scheitert,278 ist dem BGH auch in der Sache zu widersprechen. Vielmehr ist die dolo agit-Einrede im Patentverletzungsstreit bereits vom Grundsatz her abzulehnen. Insoweit ist auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf aus dem Jahre 2002 hinzuweisen, in der sich das Gericht in einem anderen Patentverletzungsverfahren auf den Standpunkt gestellt hatte, dass die von der Beklagten erhobenen kartellrechtlichen Einwendungen unberücksichtigt zu bleiben haben.279 In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatte die Beklagte die patentgeschützte Erfindung eigenmächtig genutzt, nachdem ihrer Muttergesellschaft die Erteilung einer Lizenz zuvor ausdrücklich verweigert worden war; sie selbst hatte allerdings zu keinem Zeitpunkt beim Schutzrechtsinhaber um eine Lizenz nachgesucht. In dem daraufhin von dem Schutzrechtsinhaber angestrengten Patentverletzungsverfahren verteidigte sich die Beklagte mit dem Argument, die Lizenzverweigerung stelle einen Verstoß gegen das Verbot des Marktmachtmissbrauchs dar, so dass der Kläger kartellrechtlich ohnehin zur Duldung der beanstandeten Nutzung verpflichtet sei. Dieser Einwand wurde vom Gericht mit folgender Begründung zurückgewiesen: 276 Siehe BGH vom 06.05.2009, GRUR 2009, S. 694, 696 ff. („Orange Book“); zusammenfassend Gärtner/Vormann, MittdtschPatAnw 2009, S. 440, 442; ausführlich zu den einzelnen Voraussetzungen Nägele/Jacobs, WRP 2009, S. 1062, 1071 ff. 277 Siehe BGH vom 06.05.2009, GRUR 2009, S. 696 ff. („Orange Book“). 278 Auch in dem vom BGH konkret entschiedenen Fall waren die Voraussetzungen letztlich nicht erfüllt, so dass der BGH den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand im Ergebnis ablehnte. 279 Siehe OLG Düsseldorf vom 28.06.2002 InstGE 2, S. 168. Es handelt sich hierbei um die Vorinstanz zum bereits besprochenen Standard-Spundfass II Urteil des BGH (BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329 („Standard-Spundfass II“)).

246

Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

„Eine Benutzung des Klagepatents war der Beklagten ungeachtet kartellrechtlicher Vorschriften, welche ihr einen Anspruch auf Gewährung einer Lizenz verleihen könnten, nämlich nur in den Fällen einer Gestattung durch Lizenzerteilung seitens der Klägerin oder dann erlaubt, wenn von der zuständigen Kartellbehörde oder durch ein Kartellgericht ausgesprochen wäre, dass ihr eine Lizenz einzuräumen sei. Dergleichen war im Streitfall jedoch nicht gegeben. Die Beklagte hat die Lehre der patentierten Erfindung vielmehr gebraucht, ohne die Klägerin um die Erteilung einer Lizenz ersucht oder – dieses im Fall einer Ablehnung – ein Verfahren vor einer Kartellbehörde oder einem Kartellgericht beschritten zu haben, in welchem die Einräumung einer Lizenz hätte angeordnet werden können. Die Beklagte hat sich in der Vergangenheit folglich eine Selbsthilfe angemaßt, die nach der durch die Rechtordnung vorgegebenen Wertung, mit der eine Durchsetzung vermeintlicher oder wirklicher Rechtspositionen im Wege einer Selbsthilfe grundsätzlich unvereinbar ist, allenfalls unter den Voraussetzungen gerechtfertigt gewesen wäre, die § 229 BGB für die private Selbsthilfe normiert. Diese Voraussetzungen liegen indessen nicht vor, da die Beklagte die Möglichkeit, staatlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, nicht genutzt hat.“280

Wenngleich diese Ausführungen im konkreten Fall vor dem Hintergrund eines Schadensersatzbegehrens nach § 139 Abs. 2 PatG gemacht wurden, ist ihnen im Ergebnis auch in Bezug auf den hier im Blickpunkt stehenden Unterlassungsanspruch aus § 139 Abs. 1 PatG beizupflichten.281 Hierzu im Einzelnen: *

Verbot der eigenmächtigen Durchsetzung vermeintlicher Kartellrechtsansprüche

Erlaubte man dem Unterlassungsbeklagten, dem eine rechtsgeschäftliche Nutzungserlaubnis nicht erteilt wurde, sich gegen den Unterlassungsanspruch des Patentinhabers mit dem Argument zu wehren, dieser sei kartellrechtlich ohnehin zur Lizenzerteilung verpflichtet (gewesen), so bedeutete dies, unter dem Deckmantel des Kartellrechts ein Faustrecht in das Patentrecht einzuführen, das die Rechtsordnung mit dem Verbot der Selbsthilfe (§ 229 BGB) und den Regeln über die verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) gerade verhindern will.282 Dem in den zitierten Vorschriften zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken ist eine Grundentscheidung des Gesetzgebers zu entnehmen, die über den unmittelbaren Anwendungsbereich dieser Normen hinaus auch im vorliegenden Zusammenhang Gültigkeit beansprucht. Danach kommt eine Selbsthilfe erst dann in Betracht, wenn obrigkeitliche Hilfe nicht oder nicht rechtzeitig zu erlangen ist. In diesem Zusammenhang ist aber auf die jederzeitige Möglichkeit hinzuweisen, sich vor Gericht oder mit Hilfe der Kartellbehörden gegen den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung zur Wehr zu setzen und im Falle der Eilbedürftigkeit auch einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Der Unterlassungsbeklagte 280

OLG Düsseldorf vom 28.06.2002 InstGE 2, S. 168, Rn. 57. Ausdrücklich offengelassen in BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1334 („Standard-Spundfass II“) sowie OLG Karlsruhe vom 13.12.2006, GRUR-RR 2007, S. 177, 179 („Orange Book“). 282 Siehe Merveldt, WuW 2004, S. 19, 21 f. 281

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

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kann sich daher in aller Regel nicht darauf berufen, das Abwarten hoheitlicher Hilfe sei nicht zumutbar gewesen. Hinzu kommt, dass die Selbsthilfe auch bei Gefahr im Verzug nicht über dasjenige Maß hinausgehen darf, welches zur vorläufigen Sicherung des andernfalls bedrohten Anspruchs zwingend erforderlich ist. Die andauernde und ohne Zustimmung des Schutzrechtsinhabers vorgenommene Nutzung der patentierten Erfindung ist hiervon jedenfalls nicht gedeckt, denn hierbei handelt es sich eher um ein Mittel der eigenmächtigen und endgültigen Rechtsdurchsetzung als um ein solches der bloß vorläufigen Anspruchssicherung.283 *

Ausschluss der dolo-agit Einrede

Aus dem oben Gesagten folgt zugleich, dass auch die Erhebung der auf die kartellrechtliche Lizenzierungspflicht des Patentinhabers gestützten dolo agit-Einrede im Patentverletzungsprozess nicht in Betracht kommt. Wenn sich nämlich die eigenmächtige Nutzung der geschützten Erfindung nach dem Rechtsgedanken des § 858 BGB als verbotene Eigenmacht darstellt, muss auch die Vorschrift des § 863 BGB ihrem Rechtsgedanken nach anwendbar sein. Denn § 863 BGB ist eine die §§ 229, 858 BGB unterstützende Regelung, welche dazu dient, die Rechtsdurchsetzung „auf eigene Faust“ zu verhindern und das staatliche Gewaltmonopol zu schützen. Diese Überlegungen treffen auf den hier behandelten Fall der eigenmächtigen Durchsetzung kartellrechtlicher Ansprüche auf Lizenzerteilung ebenso zu wie im direkten Anwendungsbereich der Vorschrift.284 In entsprechender Anwendung des § 863 BGB kann sich der Patentverletzer als Störer und Schuldner des Unterlassungsanspruchs daher nicht einredeweise darauf berufen, gegen den Schutzrechtsinhaber einen (kartellrechtlichen) Anspruch auf Lizenzerteilung zu haben. Dieser Einwand des dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est wird durch § 863 BGB gerade ausgeschlossen.285 Die Geltendmachung einer etwa bestehenden kartellrechtlichen Pflicht des Patentinhabers zur Rückgewähr der eingeklagten Leistung kommt darüber hinaus deshalb nicht in Betracht, weil es an dem Erfordernis der sofortigen Rückgewähr ohne weiteren Verhandlungsspielraum des Rückgewährschuldners fehlt.286 Zwar wird die Frage des „Ob“ der Rückgewährpflicht durch das Gericht verbindlich und ohne Verhandlungsspielraum des Patentinhabers festgelegt.287 Im Hinblick auf das „Wie“ der 283

Siehe zum Ganzen Merveldt, WuW 2004, S. 19, 21 f. Vgl. Merveldt, WuW 2004, S. 19, 22. 285 Zum Umfang der durch § 863 BGB ausgeschlossenen Verteidigungsmittel, insbesondere im Hinblick auf § 242 BGB, Joost, in: MüKo, BGB, § 863 Rn. 7; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 863 Rn. 2. Explizit zum Ausschluss der dolo agit-Einrede KG vom 22.06.1967, NJW 1967, S. 1915, 1916 f. 286 Hierzu bereits oben Teil 3, C.III.2.b). 287 Insoweit besteht ein Unterschied zu der oben besprochenen, auf das FRAND-Versprechen des Patentinhabers gestützten, (vor-)vertraglichen Lizenzierungspflicht des Schutzrechtsinhabers. 284

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

vom Patentinhaber zu erteilenden Nutzungserlaubnis besteht aber weiterhin ein nicht unerheblicher Verhandlungsspielraum auf Seiten des Patentinhabers. Denn wie dargelegt, bleibt die Bestimmung bzw. Verhandlung angemessener Lizenzgebühren auch im Falle der gerichtlichen Anordnung einer Zwangslizenz Sache der Parteien selbst.288 Auf das möglicherweise bestehende schutzwürdige Interesse des Schutzrechtsinhabers an der Aufnahme bestimmter Nebenbestimmungen in den Lizenzvertrag, wie z. B. Geheimhaltungsabreden oder Vereinbarungen zur Qualitätssicherung, wurde ebenfalls bereits eingegangen.289 Daraus folgt, dass es auch an der Pflicht zur sofortigen Rückgewähr ohne wesentlichen Verhandlungsspielraum auf Seiten des Rückgewährschuldners fehlt, so dass die dolo agit-Einrede nicht zuletzt aus diesem Grunde scheitern muss.290 *

Abgrenzung zur gesetzlichen Lizenz

Die Berufung des Unterlassungsbeklagten auf eine sich aus der Anwendung kartellrechtlicher Vorschriften ergebenden Pflicht des Patentinhabers zur Lizenzerteilung kommt darüber hinaus deshalb nicht in Betracht, weil es sich dann der Sache nach nicht mehr um eine Zwangslizenz, sondern um eine gesetzliche Lizenz handelte. Eine gesetzliche Lizenz unterscheidet sich von einer Zwangslizenz dadurch, dass sie jedem Begünstigten die Nutzung des in Rede stehenden geistigen Eigentums ohne vorherige Zustimmung des Schutzrechtsinhabers und ohne eine diese Zustimmung ersetzende Gerichts- oder Behördenentscheidung gestattet und den Schutzrechtsinhaber auf einen reinen Vergütungsanspruch verweist, den dieser erst nach bereits erfolgter Nutzung seines Schutzrechts geltend machen kann.291 Die Zwangslizenz hingegen gewährt dem Begünstigten lediglich einen Anspruch gegen den Schutzrechtsinhaber auf Zustimmung zur Nutzung,292 deren Erteilung dieser von der vorherigen Vereinbarung einer angemessenen Vergütung abhängig machen kann. Die gesetzliche Lizenz versetzt den Schutzrechtsinhaber mithin in eine wesentlich schlechtere Stellung, da ihm die in Fällen der Zwangslizenz zukommende Verhandlungsposition genommen wird.293 Eine gesetzliche Lizenz hält das deutsche Recht im Hinblick auf Patente aber weder aufgrund patentrechtlicher noch aufgrund kartellrechtlicher Regelungen bereit. Dem Unterlassungsbeklagten den Einwand der kartellrechtlichen Pflicht zur Li288

Siehe oben Teil 4, C.IV.2. Siehe oben Teil 3, C.III.2.b). 290 Ebenso Maaßen, S. 257 f. 291 Grundlegend Beier, GRUR 1998, S. 185 ff. Vgl. auch (allerdings zum Urheberrecht) BGH vom 05.07.2001, BGHZ 148, S. 221, Rn. 43 („Spiegel-CD-ROM“). 292 Zur patentrechtlichen Zwangslizenz nach § 24 PatG ausführlich unten Teil 4, D. Siehe außerdem Mes, PatG/GebrMG, § 24 PatG Rn. 1 ff., 24. 293 Vgl. zum Urheberrecht BGH vom 05.07.2001, BGHZ 148, S. 221, Rn. 43 („Spiegel-CDROM“). 289

C. Die Zwangslizenz im Wettbewerbsrecht

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zenzerteilung zu gestatten, bedeutete im Ergebnis daher nichts anderes als die Einführung einer gesetzlichen Lizenz „durch die Hintertür“. Ob dies dem Willen des Gesetzgebers entspricht, erscheint jedoch fraglich. *

Zusammenfassung

Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass sich der Beklagte im Patentverletzungsprozess entgegen der Ansicht des BGH bereits vom Grundsatz her nicht mit dem Einwand verteidigen kann, der Kläger sei wegen Verstoßes gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot ohnehin zur Lizenzerteilung verpflichtet (gewesen). Die eigenmächtige Nutzung der patentgeschützten Erfindung durch den Unterlassungsschuldner stellt sich vielmehr als grundsätzlich verbotene Selbsthilfe dar, weshalb der Einwand einer kartellrechtlichen Pflicht des Schutzrechtsinhabers zur Lizenzerteilung jedenfalls in Gestalt einer auf § 242 BGB gestützten Einwendung nicht in Betracht kommt.294

V. Zusammenfassung zur kartellrechtlichen Zwangslizenz Als abschließendes Ergebnis zu den im Standardisierungskontext bestehenden Möglichkeiten der kartellrechtlichen Anordnung einer Zwangslizenz lässt sich Folgendes hervorheben: Der Inhaber eines standard-essentiellen Patents, der sich weigert, interessierten Zugangspetenten die Nutzung seiner technischen Lehre zum Zwecke der Anwendung eines kollektiv festgelegten Standards zu gestatten, obwohl die Verwendung dieses Standards aufgrund bestimmter gesetzlicher, technischer oder ökonomischer Vorgaben für die wirtschaftliche Betätigung auf einem konkreten Produkt- oder Verfahrensmarkt zwingend erforderlich ist, handelt in der Regel jedenfalls dann missbräuchlich im kartellrechtlichen Sinne, wenn er sich an der zugrundeliegenden Standardisierungsarbeit beteiligt und die Aufnahme seiner patentgemäßen Lehre in den betreffenden Standard gebilligt hat. Die für eine auf das kartellrechtliche Missbrauchsverbot gestützte Zwangslizenz stets erforderliche marktbeherrschende Stellung des Schutzrechtsinhabers folgt hierbei nicht bereits aus der Wesentlichkeit seines Patents für die Anwendung des konkreten Standards, sondern erst aus der Verbindung mit der darüber hinausgehenden Bedeutung dieses Standards für die Tätigkeit auf dem maßgeblichen Produkt- oder Verfahrensmarkt insgesamt. Wegen des Erfordernisses des zeitlichen Zusammentreffens von marktbeherrschender Stellung und Missbrauchshandlung kann der Missbrauchsvorwurf aller294 Zur Gegenansicht vgl. Wirtz/Holzhäuser, WRP 2004, S. 683, 693 f.; Kühnen, in: FS Tilmann, S. 513, 514 f., 523 f. Denkbar wäre allenfalls die Erhebung einer auf Lizenzerteilung gerichteten Widerklage, die aber nach Merveldt, WuW 2004, S. 19, 24 f. ebenfalls nicht zur Abweisung der Patentverletzungsklage führt.

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

dings nicht an ein wie auch immer geartetes, vorwerfbares Verhalten des Patentinhabers im laufenden Standardisierungsverfahren geknüpft werden; da eine marktbeherrschende Stellung des Schutzrechtsinhabers für gewöhnlich frühestens ab dem Zeitpunkt der endgültigen Verabschiedung des fraglichen Standards besteht, kann weder das bewusste Verschweigen des eigenen Patents noch ein hinterlistiges Hinwirken auf die Aufnahme gerade seiner Erfindung in den Standard zur Begründung eines kartellrechtlich missbräuchlichen Verhaltens herangezogen werden. Anknüpfungspunkt für den Missbrauchsvorwurf ist vielmehr die Lizenzverweigerung als solche. Im Hinblick auf das grundsätzliche Recht des Patentinhabers, selbst darüber zu entscheiden, ob bzw. wem er die Nutzung seines geistigen Eigentums gestatten will, verlangt die allgemeine Meinung in Rechtsprechung und Literatur aber das Hinzutreten sog. „außergewöhnlicher Umstände“, die die Lizenzverweigerung im konkreten Fall als missbräuchlich erscheinen lassen. Diese außergewöhnlichen Umstände ergeben sich in der untersuchten Sachverhaltskonstellation aus der Unerlässlichkeit der fraglichen technischen Lehre und dem daraus resultierenden Ausschluss jeglichen Substitutionswettbewerbs bei gleichzeitiger Unterdrückung des Imitationswettbewerbs durch den Schutzrechtsinhaber sowie aus Sinn und Zweck des Patentschutzes insgesamt. Dieser grundsätzlich bestehende Anspruch auf Lizenzerteilung erlaubt es einem konkreten Zugangspetenten indes nicht, mit der Nutzung der geschützten Lehre eigenmächtig zu beginnen, ohne zuvor die Erlaubnis des Patentinhabers oder eine diese Erlaubnis ersetzende behördliche oder gerichtliche Entscheidung eingeholt zu haben. Nach der hier vertretenen Ansicht würde sich ein solches Verhalten vielmehr als unerlaubte Selbsthilfe darstellen, so dass der betreffende Lizenzsucher sich in einem von dem Schutzrechtsinhaber angestrengten Patentverletzungsprozess nicht mit Erfolg auf den Einwand des Bestehens einer kartellrechtlichen Pflicht zur Lizenzerteilung berufen könnte.

D. Die Zwangslizenz im Patentrecht Das deutsche Patentrecht sieht in § 24 PatG unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit der Erteilung von Zwangslizenzen durch das Bundespatentgericht vor, die zur gewerblichen Nutzung einer konkreten Erfindung im Einzelfall erforderlich sind. Im Folgenden wird untersucht, ob neben dem besprochenen kartellrechtlichen Missbrauchsverbot auch diese patentrechtliche Vorschrift ein geeignetes Mittel ist, um die Lizenzierung eines standard-essentiellen Patents gegen den Willen des Schutzrechtsinhabers zu erzwingen und so die Zugänglichkeit eines konkreten Standards für interessierte Anwender sicherzustellen. Dies wird in erster Linie davon abhängen, ob eine solche zwangsweise Lizenzerteilung aus Gründen des öffentlichen Interesses geboten ist (§ 24 Abs. 1 Nr. 2 PatG).

D. Die Zwangslizenz im Patentrecht

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Zum Zwecke dieser Untersuchung wird zunächst auf die allgemeinen Grundlagen der patentrechtlichen Zwangslizenz sowie deren generelle Anwendungsgrundsätze eingegangen (dazu sogleich I.), bevor in einem zweiten Schritt die Anwendbarkeit des § 24 PatG in dem speziellen Kontext der Lizenzverweigerung nach kollektiver Festlegung eines technischen Standards beleuchtet wird (dazu unten II.).

I. Allgemeine Anwendungsgrundsätze des § 24 PatG Nach der Grundnorm des § 24 Abs. 1 PatG wird „die nicht ausschließliche Befugnis zur gewerblichen Benutzung einer Erfindung“ erteilt, wenn der Patentinhaber die Lizenzvergabe zu angemessenen geschäftsüblichen Bedingungen verweigert und zudem das öffentliche Interesse die Erteilung der Zwangslizenz gebietet. Die Lizenzerteilung erfolgt nach entsprechender Leistungsklage des Lizenzsuchers (§ 81 Abs. 1 PatG) unmittelbar durch Gestaltungsurteil, für dessen Erlass gem. § 65 Abs. 1 PatG das Bundespatentgericht zuständig ist.295 Die patentrechtliche Zwangslizenz wird daher definiert als eine dem benutzungswilligen und -fähigen Lizenzsucher auf Antrag durch Gerichtsurteil im öffentlichen Interesse erteilte, nicht ausschließliche Befugnis zur Benutzung der Erfindung, die der Schutzrechtsinhaber trotz angebotener und angemessener Vergütung verweigert hat.296 1. Normzweck Das Patentgesetz gewährt dem Patentinhaber in §§ 9 ff. PatG grundsätzlich umfassenden Schutz für seine Erfindung; ihm allein wird die Entscheidung überlassen, ob und wie er seine Erfindung nutzen und/oder anderen die Nutzung gestatten will. Den herkömmlichen Patentrechtstheorien folgend, soll hierdurch der Erfinder für die Offenbarung der neuen technischen Lehre belohnt und zu weiterer Erfindungstätigkeit angespornt werden;297 auf diese Weise soll der technische Fortschritt zum Vorteil der Allgemeinheit gefördert werden.298 Um aber sicherzustellen, dass der Patentschutz nicht im Einzelfall in sein Gegenteil verkehrt wird und den technischen Fortschritt sogar lähmt, anstatt ihn voranzutreiben, und um die Öffentlichkeit vor einer möglicherweise allgemeinwohlschädli295 Es handelt sich bei der Entscheidung des Gerichts also nicht um die Verurteilung des Patentinhabers zum Abschluss eines Lizenzvertrages und mithin zur Abgabe einer Willenserklärung im Sinne von § 894 ZPO, sondern um die unmittelbare gerichtliche Erteilung einer Benutzungserlaubnis durch Gestaltungsurteil. Vgl. Preu, in: Häußer (Hrsg.), S. 239, 243. 296 Kühnen, in: Schulte (Hrsg.), PatG, § 24 Rn. 5; Wolff, S. 23. 297 Siehe zu den herkömmlichen Patentrechtstheorien oben Teil 2, B.II. 298 Zur Förderung des technischen Fortschritts als langfristiges Ziel des Patentschutzes s. o. Teil 2, B.III.

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

chen Ausnutzung der dem Patentinhaber zukommenden Ausschließlichkeitsstellung zu schützen, setzt das Patentgesetz dem Immaterialgüterschutz gewisse Schranken. Neben der zeitlichen Begrenzung des Ausschließlichkeitsrechts (§ 20 PatG) und der amtlichen Benutzungsanordnung gem. § 13 PatG299 stellt insbesondere die gerichtliche Zwangslizenz nach § 24 PatG das entsprechende rechtliche Handwerkszeug bereit, um die Interessen des Patentinhabers und diejenigen der Allgemeinheit im Einzelfall einem gerechten Ausgleich zuzuführen. Durch diese Vorschrift wird eine Einschränkung der Rechte des Schutzrechtsinhabers ermöglicht, sofern dies aus übergeordneten Gründen – im Gesetz „öffentliches Interesse“ (§ 24 Abs. 1 Nr. 2 PatG) genannt – geboten erscheint. Sinn und Zweck der Zwangslizenzregelung des § 24 PatG ist es daher sicherzustellen, dass patentrechtlich geschützte Erfindungen, die für die Allgemeinheit von grundlegender Bedeutung sind, der Öffentlichkeit nicht vorenthalten werden, sondern für interessierte Anwender zu angemessenen Bedingungen verfügbar sind. Denn der technische Fortschritt, dessen Förderung der Patentschutz zu dienen bestimmt ist, soll nicht um seiner selbst willen, sondern zum allgemeinen Wohle der Gesellschaft vorangetrieben werden. Dieses Ziel kann aber nur dann erreicht werden, wenn die geschützte Erfindung der Öffentlichkeit dort, wo diese ein überragendes Interesse hieran hat, auch in entsprechendem Umfang zugänglich gemacht wird. Die patentrechtliche Zwangslizenz stellt damit die konsequente Weiterführung und Abrundung des dem Patentschutz ganz grundsätzlich zugrundeliegenden Schutzzieles dar.300 2. Historische Entwicklung Hieraus erklärt sich, dass das Rechtsinstitut der Zwangslizenz dem Grunde nach bereits im ersten einheitlichen deutschen Patentgesetz von 1877 enthalten war.301 Zwar gab es damals noch keine dem heutigen § 24 PatG entsprechende Vorschrift über die unmittelbare gerichtliche Erteilung einer patentrechtlichen Zwangslizenz. Vielmehr sah das Gesetz in bestimmten Fällen lediglich die Möglichkeit der gerichtlichen Zurücknahme des Patents vor, durch die auf den Patentinhaber mittelbarer

299 § 13 Abs. 1 ermächtigt die Bundesregierung, die Benutzung einer bestimmten, patentrechtlich geschützten Erfindung „im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt“ anzuordnen. Im Unterschied zu § 24 Abs. 1 PatG wird hier indes nicht einzelnen Privaten die Nutzung des Patents gestattet. Vielmehr ermöglicht die Vorschrift lediglich dem Bund als Hoheitsträger die Nutzung der erfindungsgemäßen Lehre. Die Benutzungsanordnung durch die Bundesregierung stellt dabei einen Verwaltungsakt dar, gegen den der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Vgl. Keukenschrijver, in: Busse, PatG, § 13 Rn. 1 ff.; Meinberg, S. 53. 300 Vgl. zum Ganzen Scheffler, GRUR 2003, S. 97, 98 f.; Meinberg, S. 45; Pohl, S. 1 ff.; Schwendy, in: Busse, PatG, § 24 Rn. 11 ff.; Kübel, S. 97. 301 Scheffler, GRUR 2003, S. 97 bezeichnet das Rechtsinstitut der Zwangslizenz daher als „das Kind des in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland ausgefochtenen Kampfes der Befürworter und der Gegner eines wirksamen Patentsystems“.

D. Die Zwangslizenz im Patentrecht

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Zwang zur vertraglichen Erteilung von Lizenzen ausgeübt werden sollte.302 Die Voraussetzungen, unter denen das Gericht die Rücknahme des Patents anordnen konnte, entsprachen allerdings im Grundsatz denjenigen, die heute gem. § 24 PatG für die Erteilung einer Zwangslizenz erfüllt sein müssen; die Rücknahme war namentlich möglich bei Nichtausübung einer Erfindung im Inland (vergleichbar mit dem heutigen § 24 Abs. 5 PatG) sowie im Falle der Lizenzverweigerung, wenn und soweit die Lizenzerteilung im öffentlichen Interesse geboten erschien (vergleichbar mit dem heutigen § 24 Abs. 1 PatG).303 Die Möglichkeit der unmittelbaren Erteilung von Zwangslizenzen besteht seit der Patentrechtsreform von 1911.304 Die heutige Fassung des 24 PatG geht im Wesentlichen auf die Patentrechtsnovelle von 1998 zurück, durch die eine Anpassung der gesetzlichen Vorschriften an die Vorgaben des TRIPS-Abkommens305 erfolgte.306 Der Grundfall der patentrechtlichen Zwangslizenz, namentlich die Möglichkeit einer zwangsweisen Lizenzerteilung aus Gründen des öffentlichen Interesses, ist in § 24 Abs. 1 PatG enthalten, der folgenden Wortlaut hat: „Die nicht ausschließliche Befugnis zur gewerblichen Benutzung einer Erfindung wird durch das Patentgericht im Einzelfall nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften erteilt (Zwangslizenz), sofern

302

Vgl. Pohl, S. 61 f.; Kübel, S. 96 f.; Meinberg, S. 46; Scheffler, GRUR 2003, S. 97. § 11 PatG von 1877 lautete: „Das Patent kann nach Ablauf von drei Jahren zurückgenommen werden: 1. wenn der Patentinhaber es unterläßt, im Inlande die Erfindung im angemessenen Umfange zur Anwendung zu bringen, oder doch Alles zu thun, was erforderlich ist, um diese Ausführung zu sichern; 2. wenn im öffentlichen Interesse die Ertheilung der Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung an Andere geboten erscheint, der Patentinhaber aber gleichwohl sich weigert, diese Erlaubnis gegen angemessene Vergütung und genügende Sicherheit zu ertheilen.“ (Zitiert nach Pohl, S. 62.) 304 Damals war die maßgebliche Vorschrift § 11 PatG von 1911 und hatte folgenden Wortlaut: „[Abs. 1] Verweigert der Patentinhaber einem anderen die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung auch bei Angebot einer angemessenen Vergütung und Sicherheitsleistung, so kann, wenn die Erlaubnis im öffentlichen Interesse geboten ist, dem anderen die Berechtigung zur Benutzung der Erfindung zugesprochen werden (Zwangslizenz). Die Berechtigung kann eingeschränkt erteilt und von Bedingungen abhängig gemacht werden. [Abs. 2] Das Patent kann, soweit nicht Staatsverträge entgegenstehen, zurückgenommen werden, wenn die Erfindung hauptsächlich ausserhalb des deutschen Reiches oder der Schutzgebiete ausgeübt wird. Die Uebertragung des Patents auf einen anderen ist insofern wirkungslos, als sie nur den Zweck hat, der Zurücknahme zu entgehen.“ (Zitiert nach Pohl, S. 72.) 305 Das TRIPS-Abkommen von 1994 ist ein internationaler Vertrag zwischen den Mitgliedern der Welthandelsorganisation (World Trade Organisation – WTO), der bestimmte Mindestanforderungen festlegt, welche die Vertragsstaaten im Hinblick auf den Schutz von Patenten und anderen geistigen Eigentumsrechten zu erfüllen haben. Für weitere Informationen hierzu s. o. Teil 2, Fn. 141. 306 Ausführlich zur historischen Entwicklung der patentrechtlichen Zwangslizenz Pohl, S. 55 ff.; Böck, S. 19 ff. Vgl. auch Kübel, S. 93 ff.; Meinberg, S. 46 f.; Scheffler, GRUR 2003, S. 97 f. 303

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

1. der Lizenzsucher sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolglos bemüht hat, vom Patentinhaber die Zustimmung zu erhalten, die Erfindung zu angemessenen geschäftsüblichen Bedingungen zu benutzen, und 2. das öffentliche Interesse die Erteilung einer Zwangslizenz gebietet.“

Die Absätze 2 bis 5 enthalten Vorschriften für bestimmte Sonderfälle der abhängigen Patente, Erfindungen auf dem Gebiet der Halbleitertechnologie und die mangelnde Inlandsausübung eines Patents. Die Abs. 6 und 7 regeln die Einzelheiten der Lizenzerteilung selbst sowie der rechtsgeschäftlichen Übertragung von Zwangslizenzen. 3. Bedeutung in der Praxis Die praktische Bedeutung des Instituts der patentrechtlichen Zwangslizenz scheint auf den ersten Blick gering zu sein. Dies gilt jedenfalls im Hinblick auf die Zahl der insoweit bisher durchgeführten Gerichtsverfahren. So verzeichnete das Bundespatentgericht seit seiner Errichtung im Jahre 1961 bis Ende 2004 insgesamt nur 20 Anträge auf Erteilung einer Zwangslizenz;307 nur in einem einzigen Fall wurde eine entsprechende Lizenz zunächst erteilt,308 die in dem sich anschließenden Berufungsverfahren vor dem BGH (§ 110 Abs. 1 PatG) allerdings wieder aufgehoben wurde.309,310 Ungeachtet dessen wird die wirtschaftliche Bedeutung des § 24 PatG vor allem in der von dieser Vorschrift ausgehenden Abschreckungswirkung gesehen. Die patentrechtliche Literatur ist sich einig, dass von der bloßen Möglichkeit der gerichtlichen Erteilung einer Zwangslizenz ein deutlich spürbares Drohpotential ausgeht, das die Bereitschaft von Patentinhabern zur Lizenzvergabe erheblich steigert; auf diese Weise werden Verfahren zur Erteilung von Zwangslizenzen oftmals bereits im Vorfeld dadurch vermieden, dass der Patentinhaber eher freiwillig Lizenzen vergibt, als sich auf ein zeit- und kostenaufwendiges gerichtliches Zwangslizenzverfahren einzulassen, das mit der zusätzlichen Gefahr verbunden ist, dass sich die von ihm getätigten Forschungs- und Entwicklungskosten durch die vom Gericht festzusetzende (und vermeintlich) angemessene Lizenzgebühr nicht amortisieren.311

307 Rogge, in: Benkard, PatG/GebrMG, § 24 PatG Rn. 4, unter Verweis auf die Statistiken des BPatG. 308 Siehe BPatG vom 07.06.1991, GRUR 1994, S. 98 („Zwangslizenz“). 309 Siehe BGH vom 05.12.1995, NJW 1996, S. 1593 („Polyferon“). 310 Ausführliche Statistiken über Anträge und Erteilungen von Zwangslizenzen finden sich bei Greif, GRUR Int. 1981, 731, 733; Pohl, S. 87 ff.; Rogge, in: Benkard, PatG/GebrMG, § 24 PatG Rn. 4 m.w.N. 311 Vgl. etwa Rogge, in: Benkard, PatG/GebrMG, § 24 PatG Rn. 4; Wolff, S. 24; Meinberg, S. 68; Kübel, S. 94.

D. Die Zwangslizenz im Patentrecht

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4. Tatbestandsvoraussetzungen der Grundnorm des § 24 Abs. 1 PatG Nach dem Grundtatbestand des § 24 Abs. 1 PatG wird eine Zwangslizenz unter folgenden Voraussetzungen erteilt: Gem. § 24 Abs. 1 Nr. 1 PatG muss der Lizenzsucher sich zunächst innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolglos bemüht haben, unter dem Angebot einer angemessenen Vergütung eine vertragliche Lizenz vom Patentinhaber zu erlangen. Lizenzsucher kann grundsätzlich jeder sein, der die Absicht hat, die Erfindung gewerbsmäßig und auf eigene Rechnung zu nutzen.312 Hervorzuheben ist, dass die Lizenzverweigerung als solche keine materielle Anspruchsvoraussetzung, sondern bloße Prozessvoraussetzung ist, was zur Folge hat, dass die Lizenzverhandlungen noch im laufenden Prozess nachgeholt werden können.313 Bei dem Ersuchen um eine vertragliche Lizenz muss der Zugangspetent lediglich seine grundsätzliche Bereitschaft zu erkennen geben, eine angemessene Vergütung für die Nutzung zu zahlen, die sich im Rahmen dessen hält, was in der entsprechenden Branche üblich ist; eine konkrete Bezifferung ist nicht erforderlich.314 Über die Verweigerung des Patentinhabers zur Lizenzvergabe zu angemessenen Bedingungen hinaus muss die Zwangslizenz gem. § 24 Abs. 1 Nr. 2 PatG im öffentlichen Interesse geboten sein. Hierbei handelt es sich um die wesentliche materielle Voraussetzung für die Erteilung einer patentrechtlichen Zwangslizenz und mithin um das Kerntatbestandsmerkmal des § 24 Abs. 1 PatG. Während das Vorliegen der in § 24 Abs. 1 Nr. 1 PatG genannten Voraussetzung durch das Gericht in der Regel problemlos feststellbar ist, bedarf es bei der Prüfung des öffentlichen Interesses einer umfassenden Auseinandersetzung mit den Interessen des Patentinhabers und denjenigen der Allgemeinheit. Sämtliche zur patentrechtlichen Zwangslizenz ergangenen Gerichtsentscheidungen hingen daher letztlich von der alles entscheidenden Frage ab, ob im konkreten Fall das öffentliche Interesse eine Durchbrechung des patentrechtlichen Ausschließlichkeitsrechts erforderte oder nicht.315 Dementsprechend soll auch im Rahmen dieser Arbeit das Hauptaugenmerk auf dem Tatbestandsmerkmal des öffentlichen Interesses liegen.

312

Vgl. Schwendy, in: Busse, PatG, § 24 Rn. 23; Rogge, in: Benkard, PatG/GebrMG, § 24 PatG Rn. 10. 313 Siehe Rogge, in: Benkard, PatG/GebrMG, § 24 PatG Rn. 12; Wolff, S. 25. 314 Vgl. Rogge, in: Benkard, PatG/GebrMG, § 24 PatG Rn. 13; Schwendy, in: Busse, PatG, § 24 Rn. 31 f. 315 Hierzu ausführlich sogleich.

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

5. Öffentliches Interesse an der Zwangslizenz Eine gesetzliche Definition des Begriffes des öffentlichen Interesses enthält das PatG nicht. Vielmehr handelt es sich hierbei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, welcher der näheren Konkretisierung durch Rechtsprechung und Literatur bedarf.316 Die Beurteilung des öffentlichen Interesses ist in besonderem Maße einzelfallabhängig; es kommt entscheidend auf die jeweiligen Besonderheiten des konkreten Falles an. Eine entscheidende Rolle spielen unter anderem die jeweils vorherrschenden politischen und gesellschaftlichen Anschauungen im Beurteilungszeitpunkt sowie die entsprechenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.317 Eine allgemeingültige Definition verbietet sich daher ebenso wie die abschließende Aufstellung von Fallgruppen, in denen das öffentliche Interesse regelmäßig zu bejahen oder zu verneinen ist.318 Die Rechtsprechung verwendet zumeist vage Formulierungen, denen zufolge das öffentliche Interesse etwa dann angenommen werden kann, „wenn zu der Ausschließlichkeitsstellung des Patentinhabers besondere Umstände hinzutreten, welche die uneingeschränkte Anerkennung des ausschließlichen Rechts und die Interessen des Patentinhabers zurücktreten lassen, weil die Belange der Allgemeinheit die Ausübung des Patents durch den Lizenzsucher gebieten.“319

a) Rückgriff auf wettbewerbsrechtliche Wertungen Die Formulierung, dass für die Annahme des öffentlichen Interesses besondere Umstände vorliegen müssen, die über die Ausschließlichkeitsstellung des Patentinhabers hinausgehen, weist auf den ersten Blick Ähnlichkeiten zu den Anforderungen auf, die nach allgemeiner Meinung an das Vorliegen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne des Kartellrechts zu stellen sind.320 Dort wie hier genügt das bloße Innehaben einer dem Patentinhaber aufgrund seines Ausschließlichkeitsrechts etwa zukommenden, wirtschaftlichen Machtposition zur Begründung einer Zwangslizenz zunächst nicht.321 Erforderlich ist vielmehr das Vorliegen „außergewöhnlicher“ bzw. „besonderer“ Umstände.322 316 317

S. 53. 318

Vgl. Rogge, in: Benkard, PatG/GebrMG, § 24 PatG Rn. 15; Meinberg, S. 53. Vgl. BPatG vom 07.06.1997, GRUR 1994, S. 98, 100 („Zwangslizenz“); Meinberg,

Vgl. Meinberg, S. 53 f.; Kübel, S. 103 f.; Rogge, in: Benkard, PatG/GebrMG, § 24 PatG Rn. 15 ff.; BPatG vom 07.06.1997, GRUR 1994, S. 98, 100 („Zwangslizenz“). 319 BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1330 („Standard-Spundfass II“). Vgl. auch BPatG vom 07.06.1997, GRUR 1994, S. 98, 100 („Zwangslizenz“); BGH vom 05.12.1995, NJW 1996, S. 1593, 1594 („Polyferon“); RG vom 27.06.1913, RGZ 83, S. 9, 14. Ebenso Scheffler, GRUR 2003, S. 97, 98; Schwendy, in: Busse, PatG, § 24 Rn. 37 f. 320 Hierzu ausführlich oben Teil 4, C.III.2. 321 Dies wird auch im Rahmen von § 24 PatG regelmäßig betont, vgl. etwa Preu, in: Häußer (Hrsg.), S. 239, 250; Wolff, S. 30; Meinberg, S. 55; Scheffler, GRUR 2003, S. 97, 99; Schwendy,

D. Die Zwangslizenz im Patentrecht

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Es stellt sich daher die Frage, ob die im Rahmen des § 24 Abs. 1 PatG erforderlichen „besonderen Umstände“ mit den im Rahmen der kartellrechtlichen Zwangslizenz erwähnten „außergewöhnlichen Umständen“ übereinstimmen oder zumindest dergestalt vergleichbar sind, dass bei Anwendung der hier zu untersuchenden patentrechtlichen Zwangslizenz auf die bereits oben herausgearbeiteten Voraussetzungen der kartellrechtlichen Zwangslizenz zurückgegriffen werden kann.323 In diesem Zusammenhang wird teilweise die Ansicht vertreten, dass die im Rahmen der kartell- wie der patentrechtlichen Zwangslizenz anzustellenden Überlegungen jedenfalls insoweit parallel verlaufen, als im Hinblick auf das in § 24 Abs. 1 PatG vom Gesetzgeber geforderte öffentliche Interesse Gesichtspunkte des Wettbewerbsschutzes mitunter eine entscheidende Rolle spielen können.324 Gelegentlich wird das öffentliche Interesse sogar stets dann bejaht, wenn unter Einsatz des patentrechtlichen Ausschließlichkeitsrechts eine marktbeherrschende Stellung missbraucht wird.325 Hiernach begründet also letztlich jede gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot verstoßende Lizenzverweigerung zugleich auch das Vorliegen des öffentlichen Interesses im Sinne des § 24 Abs. 1 Nr. 2 PatG. Die Bejahung des öffentlichen Interesses (allein) mit dem Hinweis darauf zu begründen, der Patentinhaber missbrauche durch die Lizenzverweigerung seine im Einzelfall bestehende marktbeherrschende Stellung, würde indes die grundlegenden Unterschiede zwischen der patentrechtlichen und der kartellrechtlichen Zwangslizenz verkennen, die zum einen im Wortlaut der jeweiligen Vorschriften326 ihren Niederschlag gefunden haben und sich zum anderen in den unterschiedlichen gesetzgeberischen Wertungen manifestieren. Die kartellrechtliche Zwangslizenz erfordert den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung; die patentrechtliche Zwangslizenz verlangt demgegenüber das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der Benutzung des konkreten Patents in: Busse, PatG, § 24 Rn. 37. Der Hinweis darauf, dass die dem Patentinhaber zukommende rechtliche Monopolstellung (siehe zur Unterscheidung rechtliches – wirtschaftliches Monopol oben Teil 2, D.I.) alleine nicht in der Lage ist, ein öffentliches Interesse an der Nutzung zu begründen, erscheint in diesem Zusammenhang indes überflüssig, denn diese rechtliche Monopolstellung macht unabhängig von ihrer inneren Rechtfertigung ja gerade das Wesen des Patentrechts aus. 322 So für das Patentrecht bereits RG vom 27.06.1913, RGZ 83, S. 9, 14. 323 In der Literatur wird diese Frage unter dem Stichwort der wettbewerbsrechtlichen bzw. -politischen Instrumentalisierbarkeit des § 24 Abs. 1 PatG diskutiert. Vgl. nur Jung, ZWeR 2004, S. 379 ff.; Pohl, S. 254 ff., jeweils m.w.N. 324 Vgl. Pohl, S. 251 ff., der für eine „wettbewerbsrechtliche Auslegung der [patentrechtlichen] Zwangslizenz“ plädiert. 325 So ausdrücklich Jung, ZWeR 2004, S. 379, 408 f.; ähnlich wohl auch (allerdings ohne Begründung) Schwendy, in: Busse, PatG, § 24 Rn. 40; Rogge, in: Benkard, PatG/GebrMG, § 24 PatG Rn. 19. 326 Gemeint sind Art. 82 EGV bzw. § 19 Abs. 1 einerseits und § 24 Abs. 1 PatG andererseits.

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

durch einen bestimmten Lizenzsucher. Bereits begrifflich ist eine Übereinstimmung der Vorschriften daher nicht zu erkennen. Auch Sinn und Zweck der Regelungen vermögen eine parallelverlaufende Auslegung der jeweiligen Tatbestandsmerkmale nicht zu begründen. Während der kartellrechtliche Anspruch auf Lizenzerteilung der Durchsetzung des gegenüber jedem Marktteilnehmer geltenden Verbots dient, eine etwa bestehende marktbeherrschende Stellung nicht zu missbrauchen,327 ist es Sinn und Zweck des § 24 Abs. 1 PatG sicherzustellen, dass patentgeschützte technische Lehren, an deren Anwendung und Verbreitung die Öffentlichkeit ein erhebliches Interesse hat, nicht ungenutzt bleiben und dadurch der Allgemeinheit vorenthalten werden.328 Während die kartellrechtliche Zwangslizenz also der Aufrechterhaltung des Wettbewerbs auf dem Markt dient und damit allein wettbewerbspolitische Zwecke im Blick hat, verfolgt die patentrechtliche Zwangslizenz in erster Linie soziale Ziele, indem sie die Teilhabe der Öffentlichkeit am technischen Fortschritt sicherzustellen versucht.329 Vor diesem Hintergrund weist Bußmann zu Recht darauf hin, dass § 24 Abs. 1 PatG „tendenziell kein Instrument der Wettbewerbspolitik, sondern die Konkretisierung des in Art. 14 GG enthaltenen Gedankens von der Sozialbindung des Eigentums“ ist.330 Soweit durch eine Lizenzverweigerung also allein wettbewerbliche Interessen betroffen sind, zu denen insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung eines Systems wirksamen Wettbewerbs gehört, ist ein Lizenzsucher auf die entsprechenden kartellrechtlichen Vorschriften zu verweisen, die sich im Verhältnis zu § 24 Abs. 1 PatG insoweit als abschließende Sonderregeln darstellen.331 Eine Anwendung des § 24 Abs.1 PatG kommt demgegenüber erst dann in Betracht, wenn solche öffentlichen Interessen betroffen sind, die über das Interesse der Allgemeint am Schutze der Wettbewerbsordnung hinausgehen.332 327

BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1330 („Standard-Spundfass II“). Scheffler, GRUR 2003, S. 97, 98. 329 Vgl. Scheffler, GRUR 2003, S. 97, 98; BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1330 („Standard-Spundfass II“). 330 Bußmann, Patentrechtliche Zwangslizenz, S. 237 (in Bezug auf die Vorgängernorm § 15 PatG a.F.). A. A. Jung, ZWeR 2004, S. 379, 306 f. Kritisch Pohl, S. 258 f. 331 Ähnlich wie hier (unter Verweis auf den Vorrang des GWB) Kraft, S. 66 ff.; Bußmann, Patentrechtliche Zwangslizenz, S. 208 ff. 332 Die Anwendung des § 24 Abs. 1 PatG ist also nicht stets dann ausgeschlossen, wenn (gleichzeitig) ein Verstoß des Patentinhabers gegen das kartellrechtliche Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung vorliegt. Selbstverständlich ist die Erteilung einer patentrechtlichen Zwangslizenz parallel zur Erteilung einer wettbewerbsrechtlichen Zwangslizenz möglich. Allein die zugrundeliegenden Begründungen unterscheiden sich. Der Spezialitätscharakter der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften verbietet m.a.W. nur die Erteilung einer Zwangslizenz nach § 24 Abs. 1 PatG mit dem Hinweis, durch die Lizenzverweigerung werde der wirksame Wettbewerb auf dem Markt ausgeschaltet, eingeschränkt oder verfälscht. Sofern jedoch sonstige Interessen der Allgemeinheit die Lizenzerteilung gebieten, ist § 24 Abs. 1 PatG ohne weiteres neben Art. 82 EGV bzw. §§ 19, 20 GWB anwendbar. Siehe BGH vom 328

D. Die Zwangslizenz im Patentrecht

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Soweit ersichtlich, ist in der bisherigen gerichtlichen Entscheidungspraxis dementsprechend auch kein Fall zu finden, in dem versucht wurde, das öffentliche Interesse unter Verweis auf das Vorliegen eines Verstoßes gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot zu bejahen; ebenso wenig haben sonstige Gesichtspunkte des Wettbewerbsschutzes im Rahmen der patentrechtlichen Beurteilung maßgebliche Berücksichtigung gefunden.333 Stattdessen weisen Rechtsprechung und Literatur regelmäßig darauf hin, dass bei der Prüfung des öffentlichen Interesses im Sinne von § 24 Abs. 1 PatG im Wesentlichen technische, soziale, gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche oder medizinische Gesichtspunkte eine Rolle spielen.334 Der BGH hat in seiner Standard-Spundfass II Entscheidung aus dem Jahre 2004 außerdem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass „der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung für die patentrechtliche Zwangslizenz weder notwendige Voraussetzung noch ohne weiteres hinreichend“ ist.335 In dieser Auffassung sieht sich der BGH nicht zuletzt dadurch bestätigt, dass beispielsweise für patentierte Erfindungen auf dem Gebiet der Halbleitertechnologie eine Zwangslizenz nach § 24 Abs. 3 PatG nur erteilt werden darf, wenn dies zur Behebung einer in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren festgestellten wettbewerbswidrigen Praxis des Patentinhabers erforderlich ist. Durch diese Sonderregelung wird die patentrechtliche Zwangslizenz eben (nur) für einen ganz speziellen Fall von der Feststellung einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung abhängig gemacht (argumentum e contrario).336 Aus alledem folgt, dass das Vorliegen des öffentlichen Interesses im Sinne des § 24 Abs. 1 Nr. 2 PatG nicht im Einzelfall mit dem Hinweis darauf bejaht werden kann, die Lizenzverweigerung des Patentinhabers verstoße zugleich gegen das kartellrechtliche Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung.337 Denn das (öffentliche) Interesse am Schutz des Wettbewerbs wird bereits über die entsprechenden kartellrechtlichen Vorschriften umfassend und abschließend geschützt, so dass diese sich insoweit als leges speciales darstellen.338 . . . 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1330 („Standard-Spundfass II“); Kühnen, in: FS Tilmann, S. 513, 515; Mes, PatG/GebrMG, § 24 PatG Rn. 42. 333 Hierzu ausführlich Meinberg, S. 58 ff.; Jung, ZWeR 2004, S. 379, 406; Pohl, S. 254, 258; Böck, S. 52. 334 Vgl. etwa BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1330 („Standard-Spundfass II“); BPatG vom 07.06.1997, GRUR 1994, S. 98, 100 („Zwangslizenz“); Meinberg, S. 54; Schwendy, in: Busse, PatG, § 24 Rn. 36; Rogge, in: Benkard, PatG/GebrMG, § 24 PatG Rn. 17. 335 BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1330 („Standard-Spundfass II“). 336 BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1330 f. („Standard-Spundfass II“). 337 Im Ergebnis ebenso Böck, S. 59; Casper, ZHR 166 (2002), S. 685, 688. 338 Wie hier Meinberg, S. 60 f. A.A. Heinemann, Immaterialgüterschutz, S. 185 f.

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

b) Umfassende Interessenabwägung Nach ständiger Rechtsprechung sowie ganz herrschender Meinung in der Literatur ist zur Ermittlung der Frage, ob die Erteilung einer Zwangslizenz nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 PatG im öffentlichen Interesse geboten ist, eine umfassende Abwägung der schutzwürdigen Interessen der Allgemeinheit mit denjenigen des Patentinhabers vorzunehmen, wobei sämtlichen Besonderheiten des konkreten Einzelfalles gebührend Rechnung zu tragen ist.339 Das Erfordernis einer solchen Abwägung ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des Gesetzes. Nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 PatG genügt für die Erteilung einer Zwangslizenz nämlich gerade nicht, dass ein (wie auch immer geartetes) öffentliches Interesse lediglich vorliegt, dieses muss die Zwangslizenz vielmehr tatsächlich „gebieten“. Von einem solchen „Gebotensein“ kann aber nur dann ausgegangen werden, wenn festgestellt wird, dass das öffentliche Interesse das Individualinteresse des Patentinhabers (deutlich) überwiegt, wozu wiederum eine Gegenüberstellung und Abwägung der betreffenden Interessen erforderlich ist.340 Systematisch sind zunächst das Interesse der Allgemeinheit bezüglich der Lizenzerteilung an einem konkreten Patent einerseits sowie das Individualinteresse des Patentinhabers an der Verweigerung einer Lizenzvergabe andererseits zu ermitteln. In einem zweiten Schritt sind die so bestimmten Interessen entsprechend zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. Nur wenn die Interessen der Allgemeinheit an der Lizenzerteilung diejenigen des Patentinhabers an der Lizenzverweigerung (deutlich)341 überwiegen, darf das Bundespatentgericht die Lizenz erteilen.342 aa) Öffentliches Interesse Wie bereits dargelegt,343 hat die bisherige Rechtsprechung im Rahmen der Prüfung des öffentlichen Interesses im Wesentlichen auf technische, soziale, gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche und medizinische Gesichtspunkte abgestellt.344 Es 339 Vgl. BPatG vom 07.06.1997, GRUR 1994, S. 98, 100 („Zwangslizenz“); BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1330 („Standard-Spundfass II“); Schwendy, in: Busse, PatG, § 24 Rn. 36; Rogge, in: Benkard, PatG/GebrMG, § 24 PatG Rn. 16; Scheffler, GRUR 2003, S. 97, 99; Kübel, S. 106; Wolff, S. 20. 340 Siehe nur BGH vom 05.12.1995, NJW 1996, S. 1593, 1595 („Polyferon“), der darauf hinweist, dass der Gesetzgeber mit der Formulierung des § 24 Abs. 1 Nr. 2 PatG seine Verpflichtungen aus dem TRIPS-Abkommen erfüllen wollte. Dieses verlangt in Art. 30 als Voraussetzung für staatliche Eingriffe in das Patentrecht nämlich (mittelbar), dass zuvor eine umfassende Abwägung aller beteiligten Interessen stattzufinden hat. 341 Siehe zum Erfordernis eines deutlichen Überwiegens unten Teil 4, D.I.5.b)cc). 342 Kübel, S. 114. 343 Siehe oben Teil 4, D.I.5.a). 344 Vgl. etwa BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1330 („Standard-Spundfass II“); BPatG vom 07.06.1997, GRUR 1994, S. 98, 100 („Zwangslizenz“); Meinberg, S. 54; Schwendy, in: Busse, PatG, § 24 Rn. 36; Rogge, in: Benkard, PatG/GebrMG, § 24 PatG Rn. 17.

D. Die Zwangslizenz im Patentrecht

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ist jedoch zu beachten, dass der Begriff des öffentlichen Interesses einem ständigen Wandel unterliegt und in besonderem Maße von den im Zeitpunkt der konkreten Entscheidung jeweils vorherrschenden politischen und gesellschaftlichen Vorstellungen und Anschauungen abhängig ist.345 Hieraus folgt zum einen, dass ältere Entscheidungen nicht vorbehaltlos auf einen aktuellen Sachverhalt übertragen werden können.346 Zum anderen bedeutet dies aber auch, dass der Heranziehung neuer, bisher wenig beachteter Belange der Allgemeinheit grundsätzlich nichts entgegensteht, wenn und soweit sich hierin etwa aktuelle gesellschaftliche, politische oder wirtschaftliche Entwicklungen manifestieren.347 Dem jeweiligen Zeitgeist entsprechend, kann in bestimmten Bereichen sogar das generelle, vom Patentgesetz quasi vorausgesetzte Interesse der Allgemeinheit an Innovationsförderung insgesamt einem Wandel unterliegen. Zu denken ist beispielsweise an das Interesse der Öffentlichkeit an dem Fortschreiten bestimmter Forschungsentwicklungen im Bereich der Biotechnologie.348 Durch die derzeit geführte Debatte um das „menschliche Klonen“ beispielsweise wird die Erforderlichkeit der technischen und medizinischen Fortentwicklung auf dem Gebiet der Stammzellenforschung erheblich in Zweifel gezogen.349 Während u. U. noch vor einigen Jahren ein erhebliches öffentliches Interesse an der Fortentwicklung in diesem Bereich hätte bejaht werden können, wäre durchaus denkbar, dass die Rechtsprechung heutzutage ein öffentliches Interesse unter Hinweis auf die gewandelten gesellschaftlichen Wertvorstellungen verneinte.350 Im Rahmen der Ermittlung und Bewertung des öffentlichen Interesses ist weiterhin Folgendes zu berücksichtigen: Die Einführung eines grundsätzlich im öffentlichen Interesse liegenden Patentschutzes beruht auf der grundlegenden Überzeugung des Gesetzgebers, dass dem Interesse der Allgemeinheit mit der von der hoheitlichen Gewährung eines zeitlich befristeten Ausschließlichkeitsrechts ausgehenden Anreizund Anspornungswirkung zur Entfaltung erfinderischer Tätigkeiten im Normalfall besser gedient ist als mit der Verweigerung eines solchen Erfindungsschutzes. Das Interesse der Allgemeinheit an freier Verfügbarkeit der Information, an ungehinderter Weiterentwicklung einer Idee, an allgemeiner Benutzung neuer Technologien und an 345 Siehe nur BGH vom 05.12.1995, NJW 1996, S. 1593, 1594 („Polyferon“): „Das öffentliche Interesse läßt sich nicht in allgemeingültiger Weise umschreiben. Vielmehr ist der Rechtsbegriff wie jede Generalklausel dem Wandel unterworfen. Die Bewertung der jeweils gegeneinander abzuwägenden Belange des Patentinhabers und der Allgemeinheit unterliegen wechselnden Anschauungen. Maßgebend für die Beurteilung sind die Umstände des Einzelfalls.“ 346 Vgl. Schwendy, in: Busse, PatG, § 24 Rn. 36; Rogge, in: Benkard, PatG/GebrMG, § 24 PatG Rn. 15. 347 Siehe Kübel, S. 107. 348 Vgl. wiederum Kübel, S. 107. 349 Beachte in diesem Zusammenhang § 2 Abs. 2 PatG. 350 Lesenswert Schulte, GRUR 1985, S. 772, 778, der bemerkt, dass man durchaus Zweifel an dem „Sinn“ des technischen Fortschritts äußern könnte.

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

ungehindertem (Imitations-)351 Wettbewerb hat nach dieser Grundentscheidung des Gesetzgebers daher im „Normalfall“ zurückzutreten. Diese Wertung ist auch bei Anwendung des § 24 Abs. 1 PatG zu beachten. Denn hierbei handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, die nach den allgemeinen Regeln der Gesetzesauslegung auch als solche zu behandeln und dementsprechend eng auszulegen ist. Zur Aufweichung des Ausschließlichkeitsrechts ist daher ein über die genannten Belange hinausgehendes, gesteigertes Allgemeininteresse erforderlich. Ist ein solches nicht erkennbar, braucht eine umfassende Interessenabwägung von vornherein nicht angestrengt zu werden.352 bb) Individualinteresse des Patentinhabers Das Individualinteresse des Patentinhabers ist in aller Regel schnell festgestellt, da es naturgemäß auf einen möglichst umfassenden Schutz seines Ausschließlichkeitsrechts gerichtet ist. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Patentschutz insgesamt – ebenso wie das einzelne Patent – nach allgemeiner Meinung der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG unterfällt.353 Dieser besonderen Stellung des Patents als Eigentumsrecht mit Verfassungsrang ist im Hinblick auf § 24 Abs. 1 Nr. 2 PatG dadurch Rechnung zu tragen, dass den Interessen des Patentinhabers an der Bewahrung seiner Ausschließlichkeitsstellung im Rahmen der Abwägung mit den entgegenstehenden Interessen der Allgemeinheit ein entsprechend hoher Stellenwert eingeräumt wird.354 Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass das Eigentum nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Grundgesetzes zugleich dem Wohle der Allgemeinheit die351

Zur Unterscheidung zwischen Imitations- und Substitutionswettbewerb und der Feststellung, dass im Rahmen patentgeschützter Lehren aufgrund der Ausschließlichkeitsstellung des Patentinhabers grds. nur Substitutionswettbewerb möglich ist, s. o. Teil 2, D.I. 352 Aus genau diesem Grund nimmt BGH vom 05.12.1995, NJW 1996, S. 1593, 1595 („Polyferon“) eine solche Interessenabwägung gar nicht erst vor, sondern lehnt § 24 Abs. 1 PatG bereits auf der Vorstufe der Ermittlung eines die Erteilung einer Zwangslizenz unter Umständen rechtfertigenden öffentlichen Interesses ab. 353 So ausdrücklich BPatG vom 07.06.1997, GRUR 1994, S. 98, 100 („Zwangslizenz“), insoweit bestätigt durch BGH vom 05.12.1995, NJW 1996, S. 1593, 1595 („Polyferon“). Lesenswert auch (zum verfassungsrechtlichen Schutz sog. unfertiger Erfindungen) BVerfG vom 10.06.1964, GRUR 1964, S. 554 („Künstliche Bräunung“). Vgl. außerdem Preu, in: Häußer (Hrsg.), S. 239, 241. Ausführlich auch Schulte, GRUR 1985, S. 772 ff. m.w.N. 354 Vgl. BPatG vom 07.06.1997, GRUR 1994, S. 98, 103 („Zwangslizenz“). Dort wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Erteilung einer jeden Zwangslizenz einen „erheblichen Eingriff“ in die grundrechtlich geschützte Position des Patentinhabers darstellt. (Zwar sah das BPatG in diesem konkreten Verfahren die entgegenstehenden Interessen der Allgemeinheit als (noch) höherwertig an und erteilte dementsprechend die beantragte Zwangslizenz. Zu beachten ist aber, dass diese Entscheidung in der Berufungsinstanz vom BGH aufgehoben und die Zwangslizenz letztlich aufgrund des Fehlens eines überwiegenden öffentlichen Interesses abgelehnt wurde, BGH vom 05.12.1995, NJW 1996, S. 1593 („Polyferon“).) Siehe außerdem Schwendy, in: Busse, PatG, § 24 Rn. 44.

D. Die Zwangslizenz im Patentrecht

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nen soll (Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG). Hieraus folgt, dass sich das Gewicht des in die Abwägung einzustellenden Individualinteresses des Patentinhabers durch ein missbräuchliches Verhalten seinerseits im Einzelfall vermindern kann.355 Dies ergibt sich nicht zuletzt aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz,356 dass derjenige weniger schutzwürdig ist, der eine ihm zukommende Rechtsposition bewusst dazu einsetzt (missbraucht), um auf Kosten anderer eigene Vorteile zu erzielen.357 cc) Abwägung der Interessen Im Rahmen der Abwägung der so ermittelten Belange des Patentinhabers und der Allgemeinheit ist zu berücksichtigen, dass nach dem Wortlaut des § 24 Abs. 1 Nr. 2 PatG das öffentliche Interesse die Erteilung der Zwangslizenz „gebieten“ muss. Aus dieser Formulierung wird gefolgert, dass ein einfaches Überwiegen der Allgemeininteressen nicht ausreichend ist; erforderlich ist vielmehr, dass die Interessen der Allgemeinheit an der Zwangslizenz diejenigen des Patentinhabers an dem Schutz seiner Ausschließlichkeitsstellung deutlich überwiegen.358 Voraussetzung ist demnach ein derart starkes Überwiegen, das sich die Erteilung der Zwangslizenz nach vernünftigen, objektiven Erwägungen als die einzig sachgerechte Maßnahme darstellt, um dem zum Nachteil der Allgemeinheit bestehenden Missstand Abhilfe zu schaffen.359 Im Rahmen der Abwägung ist darüber hinaus der allgemeine Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.360 Dieser besagt zum einen, dass die Erteilung einer Zwangslizenz im jedem Einzelfall das relativ mildeste Mittel sein muss – es darf also mit anderen Worten kein milderes, gleich wirksames Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks zur Verfügung stehen. Zum anderen ergibt sich aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, dass der Patentinhaber eine angemessene Vergütung erhalten muss, was durch § 24 Abs. 6 S. 4 PatG sichergestellt wird. Dogmatisch ist es in diesem Zusammenhang allerdings bedeutsam, streng zwischen der Frage des „Ob“ der Zwangslizenzerteilung und derjenigen des „Wie“ der Zwangslizenzerteilung zu unterscheiden. Die Entscheidung, dass das öffentliche 355 Vgl. Schwendy, in: Busse, PatG, § 24 Rn. 44; Rogge, in: Benkard, PatG/GebrMG, § 24 PatG Rn. 16; Scheffler, GRUR 2003, S. 97, 99; grundlegend auch Schulte, GRUR 1985, S. 772 ff. 356 § 242 BGB! 357 Vgl. Kübel, S. 111 ff. Bereits das Reichsgericht betonte, bei der Entscheidung über die Erteilung der Zwangslizenz sei zu berücksichtigen, „daß der Patentinhaber seine Rechte in einer das billige Maß überschreitenden Weise ausbeutet.“ Siehe RG vom 27.06.1913, RGZ 83, S. 9, 14. 358 Vgl. Wolff, S. 27; Scheffler, GRUR 2003, S. 97, 99. 359 Kübel, S. 114. 360 Siehe z. B. BPatG vom 07.06.1997, GRUR 1994, S. 98, 100 („Zwangslizenz“). Vgl. auch Wolff, S. 29; Meinberg, S. 63; Rogge, in: Benkard, PatG/GebrMG, § 24 PatG Rn. 16; Schwendy, in: Busse, PatG, § 24 Rn. 42.

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

Interesse an der Lizenzierung das Individualinteresse des Patentinhabers im Einzelfall deutlich überwiegt, darf nicht leichtfertig mit dem Hinweis darauf begründet werden, den Interessen des Schutzrechtsinhabers könne ebenso gut durch die Gewährung angemessener Lizenzgebühren Rechnung getragen werden.361 Ein solches Vorgehen würde die Grundprinzipien des Patentrechts verkennen, die gerade auf der Gewährung eines dinglichen Ausschließlichkeitsrechts beruhen und nicht etwa auf der bloßen Anerkennung des „Urhebers“ einer technischen Neuerung als Erfinder, verbunden mit dem Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung, wie es in den früheren Staaten Osteuropas üblich war.362 Wo immer möglich, wäre als milderes Mittel beispielsweise daran zu denken, den Kläger darauf zu verweisen, den Ablauf des Patentschutzes (§ 16 PatG) abzuwarten363 oder sich verstärkt um die Nutzung vergleichbarer Patente zu bemühen, deren Inhaber zur freiwilligen Lizenzvergabe bereit sind.364 Allerdings müssen diese Methoden im konkreten Fall zur Befriedigung des öffentlichen Interesses auch tatsächlich gleich geeignet sein wie die zwangsweise Erteilung der begehrten Lizenz selbst. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Interessenabwägung – wenngleich in besonderem Maße einzelfallbezogen – immer auch mit Blick auf die Auswirkungen der Zwangslizenzerteilung über den konkreten Fall hinaus vorgenommen werden muss. Insoweit ist zu beachten, dass eine extensive Erteilung von Zwangslizenzen durch das Bundespatentgericht die Gefahr mit sich brächte, den Patentschutz seiner Anreiz- und Anspornungsfunktion zu berauben; dies könnte sich nachteilig auf die Innovationsfreudigkeit der Marktteilnehmer auswirken.365 Der Gesetzgeber hat sich aus gutem Grunde für den Patentschutz in Gestalt der Gewährung eines (zeitlich befristeten) Ausschließlichkeitsrechts entschieden;366 wie erwähnt, stellt die Möglichkeit der Erteilung von Zwangslizenzen insoweit eine Ausnahmeregelung dar, die als solche restriktiv ausgelegt werden muss.367

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Siehe zur gleichen Problematik im Rahmen der kartellrechtlichen Zwangslizenz oben Teil 4 C.III.2.c)cc). Außerdem sei auf die Ausführungen von Beckmerhagen, S. 342 hingewiesen, der (freilich im Zusammenhang des Art. 82 EGV) anmerkt, dass die Erteilung einer Zwangslizenz nicht mit dem bloßen Hinweis darauf begründet werden darf, der Patentinhaber könne seine Forschungs- und Entwicklungskosten durch die Geltendmachung entsprechender Lizenzgebühren amortisieren. Eine solche Argumentation würde das Schutzrecht seines wesentlichen Inhalts berauben, der gerade in der Freiheit des Patentinhabers besteht, selbst zu entscheiden, ob er sich die Verwertung seiner Erfindung alleine vorbehalten oder sein Ausschließlichkeitsrecht auch anderen durch Lizenzerteilung zur Verfügung stellen will. 362 Zum sog. Erfinderschein siehe oben Teil 3, C.II.2.c)bb)(5) m.w.N. 363 So ausdrücklich BGH vom 03.06.1970, GRUR 1972, S. 471, 472 („Cafilon“). 364 Vgl. hierzu BGH vom 05.12.1995, NJW 1996, S. 1593, 1596 („Polyferon“). 365 Vgl. Vorwerk, GRUR 1976, S. 64, 74. 366 Hierzu ausführlich oben Teil 2, B. 367 Ähnlich Kübel, S. 109.

D. Die Zwangslizenz im Patentrecht

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II. § 24 PatG im besonderen Zusammenhang privatwirtschaftlicher Standardisierungsbestrebungen Nach dieser Darstellung der allgemeinen Anwendungsgrundsätze des § 24 PatG wird im Folgenden auf etwa bestehende Besonderheiten eingegangen, die sich im Hinblick auf die zwangsweise Lizenzerteilung gerade bei solchen Patenten ergeben können, die Eingang in einen gemeinsam festgelegten technischen Standard gefunden haben und für dessen Implementierung zwingend erforderlich sich.368 1. Gebotensein der Zwangslizenz im öffentlichen Interesse nach § 24 Abs. 1 PatG Hierbei sind zunächst die Möglichkeiten einer zwangsweisen Lizenzerteilung gemäß der Grundnorm des § 24 Abs. 1 PatG zu untersuchen, wobei entscheidendes Tatbestandsmerkmal, wie erläutert, das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der zwangsweisen Lizenzerteilung ist. a) Öffentliches Interesse aa) Öffentliches Interesse an der Verfügbarkeit standard-essentieller Patente im Allgemeinen Zunächst soll der Frage nachgegangen werden, ob im vorliegend zu behandelnden Zusammenhang der kollektiven Festlegung technischer Standards grundsätzlich – d. h. unabhängig von der Bedeutung des jeweiligen Standards im konkreten Einzelfall – stets vom Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der Verfügbarkeit standardessentieller Patente ausgegangen werden kann. Es ist mit anderen Worten zu untersuchen, ob bzw. inwieweit ein generelles öffentliches Interesse an der Standardisierung und an der allgemeinen Zugänglichkeit technischer Standards für gewerbliche Nutzer369 existiert. Ein solches könnte sich aus der erheblichen (volks-)wirtschaftlichen Bedeutung ergeben, die privatwirtschaftlichen Standardisierungsbestrebungen nach ganz überwiegender Meinung zukommt.370 Insbesondere die Europäische Kommission hat 368 Genau wie im Rahmen der bisherigen Arbeit geht es auch hier wiederum allein um die Behandlung der sog. standard-essentiellen Patente. 369 § 24 Abs. 1 PatG ermöglicht die Erteilung von Zwangslizenzen nur zugunsten gewerblicher Nutzer (vgl. den Wortlaut der Vorschrift). 370 Vgl. nur den ehem. Bundesminister für Wirtschaft und Technologie Werner Müller, in: DIN-Geschäftsbericht 2001, S. 5: „Die wirtschaftliche Bedeutung der Normung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.“. Weber, MuW 1940, S. 85 spricht gar von einer „volkswirtschaftlichen Notwendigkeit der Normung“. Auch die deutschen Gerichte erkennen die grundlegende wirtschaftliche Bedeutung der privatwirtschaftlichen Entwicklung technischer

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

wiederholt auf die Wichtigkeit der Standardisierung für die wirtschaftliche Durchdringung des Gemeinsamen Marktes und die Entwicklung neuer Märkte sowie für die Erhaltung und den Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft im internationalen Vergleich hingewiesen.371 Die Erleichterung des zwischenstaatlichen Handels und der Abbau von aufgrund divergierenden nationalen Standards bestehenden „nichttarifären Handelshemmnissen“372 gehören anerkanntermaßen zu den Hauptanliegen privatwirtschaftlicher Standardisierungsbestrebungen.373 Die große Bedeutung technischer Standards für die Förderung des Ex- und Importhandels sowie für den Abbau von Handelshemmnissen wird bestätigt durch eine unabhängige Untersuchung über den Einfluss der Standardisierung auf die Entwicklung des britischen Außenhandels, derzufolge die Standardisierung zu einer deutlichen Belebung zwischenstaatlicher Handelsaktivitäten führen kann.374 Besonders erwähnenswert erscheint zudem eine im Jahre 2002 im Auftrag des DIN veröffentlichte wirtschaftswissenschaftliche Studie über den „gesamtwirtschaftlichen Nutzen der Normung“.375 Die Studie geht dem Nutzen der Standardisierung für den einzelnen Unternehmer ebenso auf den Grund wie dem Nutzen der Standardisierung für die Volkswirtschaft im Ganzen, wobei für die hier in Rede stehende Beurteilung des öffentlichen Interesses nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 PatG vornehmlich der volkswirtschaftliche, zweite Teil der Studie von Interesse ist. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die gemeinsame Festlegung technischer Standards im Hinblick auf die Entwicklung des technischen Fortschritts und die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft eine mindestens ebenso wichtige Rolle einnimmt wie die grundsätzliche Gewährleistung des Patentschutzes.376 Als Begründung wird unter anderem angeführt, dass derartige Standards für ausländische Produzenten, Handelspartner und Konsumenten die Transparenz der Eigenschaften inländischer Investitions- und Konsumgüter erhöhten.377 Durch die Festlegung länderübergreifender Standards – insbesondere Interoperabilitäts- und Kompatibilitätsstandards – steige Standards grundsätzlich an; vgl. etwa LG Düsseldorf vom 30.11.2006, WuW/E DE-R 2120, 2123 („MPEG 2-Standard“), wo es heißt „Außer Frage steht zunächst, dass die Festlegung von Industriestandards auf bestimmten Technologiegebieten nicht nur wirtschaftlich sinnvoll und zweckmäßig ist, sondern eine gesamtgesellschaftliche Notwendigkeit darstellt […].“ 371 Vgl. etwa Europäische Kommission, Mitt. Ausbau der Europäischen Normung, KOM (90) 456 endg., Abl. C 20 vom 28.01.1991, S. 1 ff.; Europäische Kommission, Horizontalleitlinien, Abl. C 3 vom 06.01.2001, S. 2, Rn. 169. 372 Siehe zu diesem Begriff Röhling, S. 1 ff. 373 Vgl. Lamb, S. 73. Lesenswert auch Cecchini, S. 47 ff., 76 ff., der in diesem Zusammenhang auf eine erhebliche Mittelverschwendung nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Behörden und Verbraucher allein aufgrund divergierender technischer Standards im europäischen Binnenmarkt hinweist. 374 Siehe Shurmer/Swann/Temple, DIN-Mitt. 75 (1996), S. 235 ff. 375 DIN, Gesamtwirtschaftlicher Nutzen der Normung. Diese ebenfalls in Bezug nehmend Kübel, S. 119. 376 DIN, Gesamtwirtschaftlicher Nutzen der Normung, S. 26. 377 DIN, Gesamtwirtschaftlicher Nutzen der Normung, S. 27.

D. Die Zwangslizenz im Patentrecht

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darüber hinaus die Verwendbarkeit der entsprechenden Produkte für ausländische Konsumenten, so dass ein direkter Zusammenhang bestehe zwischen privatwirtschaftlicher Standardsetzung und der Erwirtschaftung von Außenhandelsüberschüssen.378 Der Studie zufolge führt die Beteiligung nationaler Unternehmen an der Entwicklung internationaler technischer Standards zu einer erheblichen Verbesserung ihrer Wettbewerbssituation.379 Der volkswirtschaftliche Nutzen der Standardisierung lässt sich hiernach sogar konkret beziffern und beträgt nach den durchgeführten Untersuchungen ca. 1 % des Bruttosozialprodukts.380 Ungeachtet vereinzelt anzutreffender kritischer Stimmen381 und ungeachtet des dem Standardisierungsprozess oftmals anhaftenden Konfliktpotentials mit den Bestimmungen des Kartellrechts382 sowie der Gefahr von Missbräuchen durch einzelne Standardisierungsbeteiligte383, lässt sich nach alledem ein nicht unerheblicher gesamtwirtschaftlicher Nutzen der Standardisierung nicht leugnen.384 Gleichwohl kann hieraus nicht der Schluss gezogen werden, das öffentliche Interesse im Sinne des § 24 Abs. 1 Nr. 2 PatG liege in den Fällen der privatwirtschaftlichen, kollektiven Festlegung technischer Standards eo ipso immer vor und ergebe sich quasi aus der Natur der Sache, so dass eine weitere Prüfung dieses Tatbestandsmerkmals oder gar eine Abwägung mit den entgegenstehenden Individualinteressen des konkreten Patentinhabers nicht mehr erforderlich sei. Es ist nämlich zu beachten, dass auch die staatliche Gewährung von Patentschutz ganz überwiegend öffentlichen Interessen im Sinne der zitierten Vorschrift dient. Wie bereits zu Beginn der Arbeit ausführlich dargelegt,385 soll durch die vom Patentrecht ausgehende Anreiz- und Anspornungswirkung und durch die Aussicht des Schutzrechtsinhabers auf Ausschließlichkeitsgewinne die technische Fortentwicklung gefördert und damit nicht zuletzt die Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Wirtschaft im internationalen Vergleich sichergestellt werden. Eine Aufweichung oder unzureichende Gewährleistung der patentrechtlichen Ausschließlichkeitsstellung des Erfin378

DIN, Gesamtwirtschaftlicher Nutzen der Normung, S. 27 f. DIN, Gesamtwirtschaftlicher Nutzen der Normung, S. 29 f. 380 DIN, Gesamtwirtschaftlicher Nutzen der Normung, S. 33: „[Die] Ergebnisse der makroökonomischen Analyse bestätigen einen volkswirtschaftlichen Nutzen der Normung in Höhe von ca. 1 % des Bruttosozialprodukts.“ 381 Vgl. etwa Sonnenberger, BB Beil. 4/1985, S. 3, der die Gefahr sieht, dass eine allzu rege Standardisierungstätigkeit zu einer unnötigen „Verkrustung und Behinderung freien Wettbewerbs“ und dadurch letztlich zu einer Behinderung der Entwicklung neuer Techniken führen könnte. Derartige Bedenken haben in Literatur und Politik indes wenig Zustimmung gefunden. 382 Hierzu ausführlich oben Teil 2, D.II. 383 Vgl. dazu oben Teil 4, C. 384 DIN Geschäftsbericht 2000, S. 6. Vgl. zum Einfluss der Standardisierung auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung auch Blind, in: Bahke/Blum/Eickhoff (Hrsg.), S. 9, 15 ff., 23 f. Eine grundlegende Diskussion der wirtschaftlichen Bedeutung technischer Standards findet sich bei Marburger, Regeln der Technik, S. 247 ff. 385 Siehe oben Teil 2, B. 379

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ders liefe Gefahr, eine Verminderung der Innovationsfreudigkeit, eine Abwanderung von Technologieentwicklern und infolgedessen langfristig eine Einschränkung der Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Volkswirtschaft nach sich zu ziehen. Es erscheint müßig, darüber zu diskutieren, ob das öffentliche Interesse an konsequenter und lückenloser Gewährleistung von Patentschutz oder dasjenige an bedingungsloser Unterstützung technischer Standardisierung und Zugänglichkeit der betreffenden Standards für gewerbliche Nutzer grundsätzlich schwerer wiegt. Die soeben besprochene Studie kommt insoweit zu dem Ergebnis, dass die (durch den Patentschutz motivierten) Innovationen zwar notwendige, nicht aber auch hinreichende Bedingung für die internationale Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft sind. Erforderlich sei darüber hinaus eine effiziente Verbreitung (Diffusion) der so hervorgebrachten Innovationen, die der Studie zufolge insbesondere durch die Festlegung einheitlicher Standards sichergestellt werden kann. Das Innovationssystem müsse daher nicht nur mittels der Gewährung von Patentschutz Innovationen stimulieren, sondern mindestens in gleichem Maße durch die Förderung von Standardisierungsbestrebungen deren effiziente Diffusion sicherstellen.386 Hieraus aber den Schluss zu ziehen, dass privatwirtschaftlichen, kollektiven Standardisierungsbestrebungen volkswirtschaftlich ein größerer Nutzen zukommt als der konsequenten Gewährleistung von Patentschutz, erscheint verfehlt.387 Richtig ist vielmehr, dass das Patentwesen durch die von ihm ausgehende Anreiz- und Anspornungswirkung als Mittel zur Förderung der technischen und wirtschaftlichen Fortentwicklung zwar von ganz entscheidender Bedeutung, allein aber eben nicht ausreichend ist; erforderlich ist darüber hinaus die wirksame Verbreitung der jeweiligen Technologien auf dem (Welt-)Markt durch private Standardisierungsinitiativen.388 Patentschutz und Standardisierung bedingen sich also gegenseitig und sind nur gemeinsam imstande, einer Volkswirtschaft größtmöglichen Nutzen zu bringen.389 Das öffentliche Interesse an effizienter Diffusion einer Erfindung infolge privater Standardisierungsinitiativen ist also keineswegs generell höher einzustufen als dasjenige an einer strikten Gewährleistung von Patentschutz. Denn die Standardisierung ist lediglich in der Lage, die Verbreitung eines neu hervorgebrachten technischen Wissens zu erleichtern; wo es aber bereits an diesem neuen Wissen und mithin an technischen Innovationen insgesamt fehlt, ist der Standardisierung als Mittel zur Diffusion dieses Wissens der Boden entzogen.390

386

Siehe zum Ganzen DIN, Gesamtwirtschaftlicher Nutzen der Normung, S. 23 ff. Genau dies tut aber das DIN in seinem Geschäftsbericht 2000, wo es auf S. 7 unter Bezugnahme auf diese Studie wörtlich heißt: „Volkswirtschaftlich bedeutend ist der Nachweis, dass Normen zum Wirtschaftswachstum einen größeren Beitrag leisten als Patente“. 388 Vgl. DIN, Gesamtwirtschaftlicher Nutzen der Normung, S. 23. 389 Ausführlich zum Ganzen Blind, in: Bahke/Blum/Eickhoff (Hrsg.), S. 9 ff. 390 Lesenswert hierzu Blind, in: Bahke/Blum/Eickhoff (Hrsg.), S. 9, 21. 387

D. Die Zwangslizenz im Patentrecht

269

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass zwar ein generelles öffentliches – nämlich (volks-)wirtschaftliches – Interesse an der Arbeit privatwirtschaftlicher Standardisierungsorganisationen sowie an der Gewährleistung möglichst ungestörter und weitverbreiteter Anwendung der dort entwickelten technischen Standards besteht. Zur Beantwortung der Frage, ob dieses Interesse unabhängig von den Besonderheiten des konkreten Einzelfalles auch geeignet ist, ein öffentliches Interesse zur Erteilung einer Zwangslizenz gem. § 24 Abs. 1 Nr. 2 PatG zu begründen, ist es allerdings in Bezug zu setzen zu dem ebenso bedeutenden öffentlichen Interesse an einer konsequenten Gewährleistung des Patentschutzes insgesamt. Es stehen sich somit im Ergebnis zwei gleichermaßen wichtige öffentliche Interessen gegenüber, die sich letztlich gegenseitig dergestalt neutralisieren, dass das generelle öffentliche Interesse an der Standardisierung für sich besehen zur Konkretisierung des § 24 Abs. 1 Nr. 2 PatG gerade nicht geeignet ist. Die ungestörte Implementierung technischer Standards ohne Einzelfallprüfung stets als öffentliches Interesse im Sinne des § 24 Abs. 1 Nr. 2 PatG zu betrachten, würde der dargelegten (volks-)wirtschaftlichen Bedeutung des Patentschutzes nicht gerecht. Das generelle Interesse der Allgemeinheit an technischer Standardisierung ist mit anderen Worten in keinem Fall für sich alleine geeignet, die Annahme eines öffentlichen Interesses an der Erteilung einer Zwangslizenz bei standard-essentiellen Patenten zu rechtfertigen.391 Ein solches kann vielmehr nur bei Vorliegen eines speziellen öffentlichen Interesses an einem konkreten Standard bejaht werden. bb) Öffentliches Interesse an der Verfügbarkeit der für einen konkreten Standard erforderlichen Patente Aus dem Vorgesagten folgt, dass sich im Hinblick auf die Bestimmung des öffentlichen Interesses im Sinne von § 24 Abs. 1 Nr. 2 PatG aus der Standardisierung als solcher grundsätzlich keine Besonderheiten ergeben. In Bezug auf die zwangsweise Lizenzerteilung an standard-essentiellen Patenten sind vielmehr dieselben Interessen von Bedeutung wie bei „normalen“ Patenten auch. Hierzu zählen beispielsweise die allgemein unter dem Begriff der „Volksgesundheit“ zusammengefassten Aspekte wie die Hygieneverbesserung oder die Geräte- und Transportsicherheit, aber auch Belange des Umweltschutzes, der IT-Sicherheit oder der Gentechnik.392 Ein öffentliches Interesse kann darüber hinaus beispielsweise dann angenommen werden, wenn ohne die Erteilung der begehrten Lizenz der Untergang ganzer Industriezweige

391

I. E. wohl ebenso Budde, DIN-Mitt. 59 (1980), S. 12, 14, der darauf hinweist, dass der Bestandsschutz der (patentrechtlichen) Schutzrechte dem Allgemeinwohl, dem die vom DIN entwickelten Normen ihrerseits dienen sollen, i. d. R. vorgeht. 392 Zur Identifizierung einzelner öffentlicher Interessen siehe etwa Schwendy, in: Busse, PatG, § 24 Rn. 46; Rogge, in: Benkard, PatG/GebrMG, § 24 PatG Rn. 16 ff; Kühnen, in: Schulte (Hrsg.), PatG, § 24 Rn. 12 ff.; Böck, S. 42 ff.; Kübel, S. 123 ff.; Pohl, S. 102 ff.

270

Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

oder die Vernichtung einer erheblichen Anzahl von Arbeitsplätzen drohte.393 Es ist auf den ersten Blick keine Situation erkennbar, in der das öffentliche Interesse an der Lizenzerteilung aufgrund der Einstellung des fraglichen Patents in einen technischen Standard ein anderes – stärkeres – sein sollte als ohne die gemeinsame Standardfestlegung. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn der Gesetzgeber die Anwendung eines konkreten Standards aufgrund bestimmter Allgemeininteressen verbindlich vorgeschrieben hat. Zu denken ist beispielsweise an den Bereich der Produkt- bzw. Gerätesicherheit. Hat etwa die Bundesregierung das DIN mit der Entwicklung eines allgemeinen Sicherheitsstandards für Röntgengeräte beauftragt und findet der daraufhin von der Standardisierungsorganisation festgelegte Standard Eingang in die maßgeblichen gesetzlichen Sicherheitsvorschriften, so dürfte ein allgemeines öffentliches Interesse an der Anwendung des Standards als solchem wohl zu bejahen sein. Angenommen, der erarbeitete Standard beruht wesentlich auf einer patentgeschützten Technologie eines der standardisierungsbeteiligten Unternehmen. Sofern dieses Unternehmen als Patentinhaber selbst die entsprechenden Röntgengeräte herstellt und noch dazu in der Lage ist, alle radiologischen Arztpraxen in Deutschland mit diesen Geräten zu beliefern, so dass eine flächendeckende Versorgung gewährleistet ist, ist das öffentliche Sicherheitsinteresse vollumfänglich befriedigt. Stellt der Inhaber des standard-essentiellen Patents die Röntgengeräte hingegen nicht selbst her oder ist er nicht in der Lage, die flächendeckende Einführung dieser Geräte sicherzustellen, und verbietet er zudem den (anderen) Herstellern von Röntgengeräten die Verwendung seiner Erfindung, so ist das öffentliche Sicherheitsinteresse gerade nicht zu Genüge befriedigt. Da die Verwendung genau dieses Standards zudem gesetzlich vorgeschrieben und die Nutzung nicht-standardkonformer Röntgengeräte mithin verboten ist, ist es auch den Herstellern anderer Röntgengeräte nicht möglich, diesem Interesse gerecht zu werden. In einem solchen Fall erschiene es gerechtfertigt, ein öffentliches Interesse gem. § 24 Abs. 1 Nr. 2 PatG bezüglich einer Zwangslizenz an dem in Rede stehenden, standard-essentiellen Patent zugunsten der (anderen) Hersteller von Röntgengeräten zu bejahen. Dieses öffentliche Interesse folgte dann zumindest auch aus der Einbeziehung der geschützten Lehre in einen kollektiv festgelegten Standard. Gleichwohl darf nicht übersehen werden, dass auch in dem genannten Beispiel maßgebliches Kriterium zur Bejahung des öffentlichen Interesses nicht die Standardisierung als solche ist, sondern vielmehr das öffentliche Sicherheitsinteresse und die in diesem Interesse erfolgte gesetzliche Verbindlicherklärung des fraglichen Standards. Abschließend ist daher festzuhalten, dass als öffentliche Belange nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 PatG im Standardisierungskontext grundsätzlich genau die gleichen herangezo393 Vgl. etwa RG vom 27.07.1913, RGZ 83, 9, 14; Schwendy, in: Busse, PatG, § 24 Rn. 46; Rogge, in: Benkard, PatG/GebrMG, § 24 PatG Rn. 16.

D. Die Zwangslizenz im Patentrecht

271

gen werden können wie bei der Anwendung dieser Vorschrift in allen sonstigen Fällen auch.394 Allein die Einstellung eines bestimmten Patents in einen technischen Standard vermag für sich betrachtet ein öffentliches Interesse im Sinne der zitierten Vorschrift in aller Regel weder zu begründen, noch wesentlich zu verstärken. b) Individualinteresse des Patentinhabers Wie dargelegt, wird im Rahmen von § 24 Abs. 1 PatG das Interesse des Patentinhabers demjenigen der Allgemeinheit an der zwangsweisen Lizenzerteilung regelmäßig entgegenstehen und auf möglichst umfassenden Schutz seines Ausschließlichkeitsrechts gerichtet sein. Dies liegt in der Natur der Sache und ergibt sich bereits daraus, dass er die freiwillige Lizenzerteilung verweigert hat (vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 1 PatG). Wie ebenfalls bereits erwähnt,395 kann insoweit aber von Bedeutung sein, dass der Patentinhaber sein Ausschließlichkeitsrecht in vorwerfbarer Art und Weise zur Erlangung ungerechtfertigter Vorteile eingesetzt (missbraucht) hat. Im hier zu behandelnden Zusammenhang der kollektiven Festlegung technischer Standards kann ein solcher Missbrauch etwa darin liegen, dass der Patentinhaber das Standardisierungsverfahren ausgenutzt bzw. manipuliert hat, um gerade seine technische Lehre zum gemeinsamen Standard zu erheben und ihr so zu gesteigerter Nachfrage zu verhelfen. Zu denken ist hier etwa an Konstellationen, wie sie den oben beschriebenen Fällen Dell und Rambus zugrundeliegen, also das bewusste und systematische Verschweigen eigener Patente oder geplanter Patentanmeldungen trotz bestehender Offenlegungspflicht. In einer solchen Konstellation stellt die spätere Verweigerung der Lizenzerteilung nach erfolgter Festsetzung des gemeinsamen Standards für sich betrachtet zwar keinen Missbrauch der patentrechtlichen Ausschließlichkeitsstellung dar. Missbräuchlich und vorwerfbar erscheint aber die Art und Weise, in welcher der Patentinhaber das ihm zukommende Ausschließlichkeitsrecht im Rahmen der Standardfestlegung eingesetzt hat, um sich eine Marktstellung und Vorteile zu verschaffen, die ihm seine Erfindung und das Patent allein nicht gewährt hätten.396 Eine solche missbräuchliche 394 Eine detaillierte Diskussion und Auseinandersetzung mit diesen allgemein im Rahmen von § 24 Abs. 1 Nr. 2 PatG berücksichtigungsfähigen öffentlichen Interessen soll an dieser Stelle nicht erfolgen. Hierzu ist in der Literatur bereits an anderer Stelle umfassend Stellung genommen worden, so dass der interessierte Leser auf die entsprechenden Fundstellen verwiesen sei. Siehe die Nachweise in Fn. 392. 395 Siehe hierzu oben Teil 4, D.I.5.b)bb). 396 Vgl. insoweit die oben (Teil 3, C.II.2.c)) geführte Diskussion und die entwickelte Abgrenzung zwischen dem Patentlohn und dem darüberhinausgehenden Standardisierungslohn, der dem Schutzrechtsinhaber von Gesetzes wegen gerade nicht gebührt. Lesenswert auch Pohl S. 32 ff., der das öffentliche Interesse an der zwangsweisen Lizenzerteilung immer dann bejaht, wenn der Patentinhaber sein Ausschließlichkeitsrecht in einer den Zwecken der Patentverleihung zuwiderlaufenden Art und Weise ausnutzt. Hierbei stellt Pohl

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Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

Ausnutzung des Standardisierungsverfahrens durch den manipulativen Einsatz eines gesetzlichen Schutzrechts führt dazu, dass das Individualinteresse des Patentinhabers an einem möglichst umfassenden Schutz seiner Ausschließlichkeitsstellung im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung mit den etwa bestehenden, gegenläufigen Interessen der Allgemeinheit397 weniger schwer zu gewichten ist.398 Anders gelagert ist die Situation, dass sich der Patentinhaber zwar während des laufenden Standardisierungsverfahrens regelkonform verhält, seine standard-essentiellen Patente mithin offenlegt und sich zur späteren Lizenzvergabe zu FRAND-Bedingungen gemäß den internen Regeln der jeweiligen Organisation verpflichtet, nach Verabschiedung und etwaiger Marktdurchsetzung des Standards die Lizenzierung dann aber verweigert. Im Unterschied zu den vorstehend besprochenen Fallgestaltungen ist hier ein vorwerfbares Verhalten des Schutzrechtsinhabers im Vorfeld der Standardfestlegung bzw. eine Manipulation des Standardisierungsprozesses unter Verwendung seines Ausschließlichkeitsrechts nicht zu erkennen. Gleichwohl ist auch insoweit eine negative Auswirkung auf die Schutzwürdigkeit der Individualinteressen des Patentinhabers anzunehmen. Denn durch die Eingehung der FRAND-Verpflichtung hat dieser den Grundstein für die Aufnahme seiner erfindungsgemäßen Lehre in den Standard gelegt; ohne dieses Lizenzierungsversprechen zu angemessenen Bedingungen wäre seine Lehre höchstwahrscheinlich nicht in den gemeinsamen Standard aufgenommen worden.399 Zwar ist dem FRAND-Versprechen kein genereller Verzicht auf das patentrechtliche Verbietungsrecht zu entnehmen,400 doch verpflichtet sich der Patentinhaber hierdurch verbindlich, interessierten Anwendern des Standards die Nutzung seines Schutzrechts zu angemessenen Bedingungen zu gestatten. Da es im Rahmen von § 24 maßgeblich auf das Fehlen eigener schutzwürdiger Interessen des Patentinhabers bei der Rechtsausübung sowie auf den Erwerb „unverdienter“ Vorteile ab. (Kritisch dagegen Wolff, S. 112 ff.) 397 Beachte: Das Interesse der Allgemeinheit, also das öffentliche Interesse i.S.d. § 24 Abs. 1 Nr. 2 PatG, ist nicht (zwingend) gleichzusetzen mit den Interessen der übrigen Standardisierungsbeteiligten. Letztere haben selbstverständlich immer ein ausgeprägtes Interesse an der Erteilung einer Zwangslizenz, da sie ohne Zugangsgewährung um die Früchte der Standardisierungsarbeit gebracht werden. Allein hieraus ergibt sich aber kein öffentliches Interesse i.S.d. Gesetzes. Ein solches kann vielmehr nur dann angenommen werden, wenn die Implementierung gerade dieses konkreten Standards im Interesse etwa der Volksgesund, des Umweltschutzes, der Arbeitsplatzsicherung oder der IT-Sicherheit dringend geboten ist. Siehe oben Teil 4, D.II.1.a). 398 Vgl. die bereits oben (Fn. 357) zitierte Aussage des Reichsgerichts, derzufolge bei der Entscheidung über die Erteilung der Zwangslizenz berücksichtigt werden muss, „daß der Patentinhaber seine Rechte in einer das billige Maß überschreitenden Weise ausbeutet.“ Siehe RG vom 27.06.1913, RGZ 83, S. 9, 14. 399 Aus Sicht der Standardisierungsbeteiligten erschiene es nämlich wenig zielführend, sich um die gemeinsame Festlegung eines allgemein akzeptierten Standards zu bemühen, wenn von vornherein feststeht, dass dieser Standard aufgrund entgegenstehender Patente nicht umfassend implementiert werden kann. 400 Hierzu ausführlich oben Teil 3, C.III.

D. Die Zwangslizenz im Patentrecht

273

Abs. 1 PatG aber gerade um den Fall der Verweigerung einer Lizenzerteilung zu angemessenen Bedingungen trotz vorheriger, hierauf gerichteter Anfrage des Zugangspetenten geht (vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 2 PatG), muss sich der Patentinhaber insoweit den Vorwurf des vertragswidrigen Verhaltens gefallen lassen. Er kann nicht vorab die Lizenzerteilung zu angemessenen Bedingungen versprechen und eine solche im Nachhinein grundlos verweigern. In Abwesenheit nachvollziehbarer, die Lizenzverweigerung objektiv rechtfertigender Gründe ist das Interesse des Schutzrechtsinhabers an möglichst umfassender Gewährleistung seines Ausschließlichkeitsrechts unter Wertungsgesichtspunkten daher auch insoweit als gemindert anzusehen. Dasselbe dürfte nach den oben zum kartellrechtlichen Missbrauchsverbot gemachten Ausführungen grundsätzlich auch dann gelten, wenn sich der Patentinhaber an dem Standardisierungsverfahren zwar beteiligt, ein entsprechendes FRAND-Versprechen aber nicht explizit abgegeben hat. Denn wie dargelegt,401 bedarf die Lizenzverweigerung dort einer besonderen Rechtfertigung, wo es der ständigen Übung der Wirtschaftsteilnehmer in der fraglichen Branche entspricht, entsprechende Lizenzen zu erteilen.402 Von einer solchen Branchenübung muss im vorliegenden Zusammenhang der kollektiven Festlegung technischer Standards ausgegangen werden.403 c) Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen Nach Ermittlung der sich grundsätzlich gegenüberstehenden Interessen der Allgemeinheit mit denjenigen des konkret betroffenen Patentinhabers sind diese in einer umfassenden Abwägung gegeneinander zu gewichten. Hierbei ist sämtlichen Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles Rechnung zu tragen. Es gelten im Standardisierungskontext dieselben Grundsätze wie in allen sonstigen Fällen des § 24 Abs. 1 PatG auch, wobei insbesondere eine nach den vorstehenden Überlegungen festgestellte Minderung des Ausschließlichkeitsinteresses des an der Standardisierung beteiligten Patentinhabers zu berücksichtigen ist. Andererseits darf ein deutliches Überwiegen des öffentlichen Interesses nicht leichtfertig mit dem Hinweis auf die verminderte Schutzwürdigkeit des Individualinteresses des Patentinhabers bejaht werden. Insoweit ist zu beachten, dass die Vorschrift des § 24 Abs. 1 PatG entsprechend ihrem Ausnahmecharakter von der Rechtsprechung sehr restriktiv ausgelegt wird und das Vorliegen ihrer Tatbestandsvoraussetzungen nur im äußersten Ausnahmefall tatsächlich angenommen werden kann.

401

Teil 4, C.III.2.c)bb)(3). Vgl. zu diesem Aspekt EuG vom 17.09.2007, T-201/04, Rn. 702 (Microsoft/Kommission). Einer Übertragung dieser Argumentation auf den vorliegenden Zusammenhang stehen keine grundsätzlichen Bedenken gegenüber. 403 Siehe oben Teil 4, C.III.2.c)bb)(3). 402

274

Teil 4: Zwangslizenzen im Wettbewerbs- und Patentrecht

2. Rückgriff auf den Prüfungsmaßstab des § 24 Abs. 2 PatG Es stellt sich die Frage, ob neben (oder anstelle des) § 24 Abs. 1 PatG unter Umständen auf den Prüfungsmaßstab der bisher unerwähnten Vorschrift des § 24 Abs. 2 PatG zurückgegriffen werden kann. § 24 Abs. 2 PatG enthält eine Sonderregelung für die zwangsweise Lizenzerteilung bei sog. abhängigen Erfindungen, die im vorliegenden Zusammenhang möglicherweise ihrem Rechtsgedanken nach nutzbar gemacht werden kann.404 Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut: „Kann der Lizenzsucher eine ihm durch das Patent mit jüngerem Zeitrang geschützte Erfindung nicht verwerten, ohne das Patent mit älterem Zeitrang zu verletzen, so hat er gegenüber dem Inhaber des Patents mit dem älteren Zeitrang Anspruch auf Einräumung einer Zwangslizenz, sofern 1. die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 1 erfüllt sind und 2. seine eigene Erfindung im Vergleich mit derjenigen des Patents mit dem älteren Zeitrang einen wichtigen technischen Fortschritt von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung aufweist. Der Patentinhaber kann verlangen, dass ihm der Lizenzsucher eine Gegenlizenz zu angemessenen Bedingungen für die Benutzung der patentierten Erfindung mit dem jüngeren Zeitrang einräumt.“

Der Unterschied zur Grundnorm des § 24 Abs. 1 PatG besteht also darin, dass es bei der Erteilung einer Zwangslizenz an einem sog. abhängigen Patent nicht auf ein irgendwie geartetes, die Lizenzerteilung gebietendes, öffentliches Interesse ankommt, sondern stattdessen auf den Grad der durch die Erfindung hervorgebrachten Innovation im Vergleich zu einer konkret in Bezug genommenen älteren Erfindung. Für den Rekurs auf diesen Prüfungsmaßstab könnte im hier zu besprechenden Zusammenhang die auf den ersten Blick vergleichbare Interessenlage sprechen. Eine abhängige Erfindung im Sinne des § 24 Abs. 2 PatG zeichnet sich dadurch aus, dass ihre Verwertung nicht möglich ist, ohne dabei ein anderes – älteres – Patent zu verletzen; der Inhaber des älteren Patents kann mithin dank seines Ausschließlichkeitsrechts dem jüngeren Erfinder ebenso wie jedem anderen die Benutzung seiner Erfindung verbieten. Eine ähnliche Situation ergibt sich auch bei den hier in Rede stehenden standard-essentiellen Patenten. Diese zeichnen sich nämlich per Definition dadurch aus, dass es (technisch) nicht möglich ist, einen bestimmten Standard anzuwenden, ohne dabei auf ein konkretes, standard-essentielles Patent zurückzugreifen. Der Inhaber eines standard-essentiellen Schutzrechts hat es daher – ähnlich dem Inhaber eines älteren Patents – in der Hand, Dritten die gewerbliche Nutzung des auf seinem Patent basierenden Standards zu verbieten. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass ein Rückgriff auf die Vorschrift des § 24 Abs. 2 PatG im vorliegenden Zusammenhang nicht in Betracht kommt. Denn ein bestimmter technischer Standard kann keinen im Vergleich zu den in ihm enthaltenen Patenten „wichtigen technischen Fortschritt“ aufweisen. Das ergibt sich daraus, dass 404

Vgl. hierzu auch Kübel, S. 131 f.

D. Die Zwangslizenz im Patentrecht

275

ein technischer Neuheitswert nicht dem Standard als solchem zukommt, sondern immer nur den darin enthaltenen und dem Standard zugrundeliegenden Erfindungen; der Standard selbst kann daher allenfalls den technischen Fortschritt beschreiben, ihn aber nicht selbst hervorbringen.405 Der Standard ist mit anderen Worten immer nur so neu und innovativ wie die in ihm enthaltenen technischen Lehren. Es fehlt daher an der in § 24 Abs. 2 PatG vorausgesetzten Möglichkeit eines Vergleichs von neuerer und älterer Innovation. Auch ist die der Vorschrift zugrundeliegende gesetzgeberische Wertung auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Der Gesetzgeber wollte bei Einführung dieser Bestimmung einen Ausgleich schaffen zwischen dem privaten Interesse des älteren Patentinhabers an ungehinderter Ausnutzung seiner Ausschließlichkeitsstellung und dem Interesse der Allgemeinheit. Letzteres ist darauf gerichtet, dass innovative, technische Weiterentwicklungen einer ursprünglichen Erfindung der Öffentlichkeit nicht für die Dauer des Patentschutzes dieser Lehre vorenthalten werden (können); denn hierdurch liefe der vom Patentschutz grundsätzlich ausgehende und gesellschaftlich wie wirtschaftlich gerade gewünschte Anreiz zur Vornahme solcher Weiterentwicklungen bzw. Folgeerfindungen Gefahr, ausgehöhlt zu werden.406 Eine derartige Konfliktsituation kann sich in der hier zu behandelnden Konstellation aber deshalb nicht ergeben, weil ein technischer Standard selbst, wie dargelegt, keinen eigenen Neuheitswert besitzt und daher keine Weiterentwicklung der darin enthaltenen, essentiellen Patente darstellt. Schließlich lässt sich auch die in § 24 Abs. 2 S. 2 PatG vorgesehene Möglichkeit einer Gegenlizenz vorliegend nicht sinnvoll zur Anwendung bringen. Da der Standard als solcher nicht immaterialgüterrechtlich geschützt ist, kommt eine Gegenlizenz nicht in Betracht. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass ein Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 24 Abs. 2 PatG im vorliegenden Zusammenhang nicht möglich ist.

III. Verfahrensrechtliche Durchsetzung der patentrechtlichen Zwangslizenz Liegen die beschriebenen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 PatG nach den vorstehend erläuterten Grundsätzen im Einzelfall tatsächlich vor, besteht ein gesetzlicher Anspruch des Lizenzsuchers gegen den Patentinhaber auf Lizenzerteilung.407

405 Grundlegend Blind, in: Bahke/Blum/Eickhoff (Hrsg.), S. 9 ff. Zum Einfluss technischer Standards auf die Neuheit im Patentrecht vgl. Falke, Rechtliche Aspekte der Normung, S. 395 f. 406 Siehe Kübel, S. 132. 407 Siehe Mes, PatG/GebrMG, § 24 PatG Rn. 28.

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Eine entsprechende Klage ist gem. § 81 Abs. 4 PatG beim Bundespatentgericht (§ 65 Abs. 1 PatG) einzureichen und gem. § 81 Abs. 1 S. 2 PatG gegen den in der Patentrolle eingetragenen Patentinhaber zu richten. Im Falle besonderer Eilbedürftigkeit kann dem Lizenzsucher gem. § 85 Abs. 1 PatG auf seinen Antrag die Benutzung der Erfindung auch durch einstweilige Verfügung gestattet werden, wenn er glaubhaft macht, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 PatG vorliegen und zudem die schnellstmögliche Lizenzerteilung im öffentlichen Interesse dringend geboten ist. Hervorzuheben ist, dass es sich bei einem stattgebenden Urteil (§ 84 Abs. 1 S. 1 PatG) um ein echtes Gestaltungsurteil handelt, durch das die begehrte Lizenz unmittelbar erteilt wird.408 Der genaue Inhalt der Zwangslizenz wird gemäß § 24 Abs. 2 S. 2 ff. PatG und unter Berücksichtigung des vom Kläger formulierten Antrags (§ 308 ZPO)409 vom Gericht bestimmt. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Höhe der vom Kläger zu zahlenden „angemessenen“ Vergütung, etwa zu erbringende Sicherheitsleistungen sowie Dauer und Umfang der dem Zugangspetenten erlaubten Erfindungsnutzung.

IV. Einwand des patentrechtlichen Lizenzierungsanspruchs im Patentverletzungsprozess? Zur Beantwortung der Frage, ob der Beklagte im Verfahren nach § 139 Abs. 1 PatG mit Erfolg einwenden kann, der Patentinhaber sei ohnehin gem. § 24 Abs. 1 PatG zur Lizenzierung seines Schutzrechts verpflichtet, kann auf die im Rahmen der kartellrechtlichen Zwangslizenz gemachten Ausführungen verwiesen werden.410 Genau wie dort ist auch im vorliegenden Zusammenhang die Zulässigkeit eines solchen Einwandes mit Blick auf das Verbot der Selbsthilfe nach dem Rechtsgedanken der §§ 229, 858, 863 BGB zu verneinen, da andernfalls dem Faustrecht in Patentsachen Vorschub geleistet und der Vorrang des gesetzlich vorgesehenen, staatlichen Rechtsschutzes untergraben würde.411

408

Vgl. Mes, PatG/GebrMG, § 24 PatG Rn. 31, § 84 PatG Rn. 8. Im Hinblick auf die Vorschrift des § 308 ZPO sollte der Klageantrag möglichst offen gefasst werden, was selbstverständlich nicht zulasten der Bestimmtheit des Antrags gehen darf (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO!). 410 Siehe oben Teil 4, C.IV.3. 411 Wie oben ausgeführt, nimmt allein das Bestehen eines Anspruchs auf Lizenzerteilung – mag dieser vertraglicher, kartellrechtlicher oder patentrechtlicher Natur sein – der nicht vom Willen des Schutzrechtsinhabers gedeckten Patentbenutzung nicht ihre Rechtswidrigkeit. Hierzu bedarf es vielmehr eines die Nutzung unmittelbar gestattenden, rechtskräftigen Titels. Vgl. Mes, PatG/GebrMG, § 24 PatG Rn. 41 unter Verweis auf BGH vom 11.07.1995, GRUR 1996, S. 109, 111 f. („Klinische Versuche“). 409

E. Abschließende Bemerkungen zum 4. Teil

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V. Zusammenfassung zur patentrechtlichen Zwangslizenz Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass die Erteilung einer Zwangslizenz gem. § 24 Abs. 1 PatG im Standardisierungskontext grundsätzlich möglich ist. Wesentliche Voraussetzung hierfür ist das Bestehen eines die zwangsweise Lizenzerteilung gebietenden öffentlichen Interesses. Ein solches kann allerdings nicht schon in dem grundsätzlich bestehenden, generellen (volkswirtschaftlichen) Interesse der Allgemeinheit an der Standardisierung als solcher und der größtmöglichen Verbreitung technischer Standards gesehen werden. Erforderlich ist vielmehr ein darüber hinausgehendes, besonderes Interesse an der Zugänglichkeit eines ganz konkreten technischen Standards einschließlich der darin enthaltenen, essentiellen technischen Lehre(n). Ist hiernach ein öffentliches Interesse erkennbar, so ist dieses einer umfassenden Abwägung mit dem entgegenstehenden Interesse des Inhabers des in Rede stehenden standard-essentiellen Patents zu unterziehen. Eine Zwangslizenz kommt nur dann in Betracht, wenn das öffentliche Interesse an der zwangsweisen Lizenzerteilung das Ausschließlichkeitsinteresse des Patentinhabers deutlich überwiegt. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass das Individualinteresse des Patentinhabers durch seine freiwillige Beteiligung an dem Standardisierungsverfahren oftmals nicht unerheblich gemindert sein kann. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Patentinhaber sich durch die Abgabe eines FRAND-Versprechens vorab zur Lizenzvergabe zu angemessenen Bedingungen verpflichtet hat, sowie dann, wenn er das Standardisierungsverfahren durch gezieltes Verschweigen seines Schutzrechts oder in anderer Weise zu seinem eigenen Vorteil missbraucht hat. Trotz einer solchen Minderung des Ausschließlichkeitsinteresses auf Seiten des Patentinhabers ist allerdings daran zu erinnern, dass die auf § 24 Abs. 1 PatG gestützte, zwangsweise Lizenzerteilung in der Praxis sehr restriktiv gehandhabt wird, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 24 Abs. 1 PatG niemals leichtfertig angenommen werden dürfen.

E. Abschließende Bemerkungen zum 4. Teil Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass der Inhaber eines standardessentiellen Patents je nach Fallgestaltung sowohl auf der Grundlage kartellrechtlicher als auch aufgrund patentrechtlicher Vorschriften zur zwangsweisen Lizenzerteilung an jeden interessierten Anwender eines bestimmten Standards verpflichtet sein kann. Beide Zwangslizenztatbestände stehen gleichberechtigt nebeneinander; weder die patentrechtliche noch die kartellrechtliche Zwangslizenz genießen Vorrang vor

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der jeweils anderen, denn beide Rechtsinstitute dienen unterschiedlichen Zielsetzungen und haben unterschiedliche Voraussetzungen.412 Beide Ansprüche spielen für die Anwender eines konkreten Standards insbesondere dann eine Rolle, wenn es zu der Abgabe eines von den Standardisierungsorganisationen im Vorfeld der endgültigen Standardfestlegung regelmäßig verlangten FRAND-Versprechens durch den entsprechenden Patentinhaber im Einzelfall gerade nicht gekommen ist. Wie im 3. Teil dieser Arbeit dargelegt, steht ihnen anderenfalls bereits ein (vor-)vertraglicher Anspruch auf Lizenzerteilung zu, dessen prozessuale Durchsetzung im Hinblick auf die Komplexität und Einzelfallbezogenheit der kartellrechtlichen und patentrechtlichen Zwangslizenztatbestände regelmäßig einfacher zu realisieren sein wird. Gleichwohl werden die in diesem Teil besprochenen gesetzlichen Lizenzierungsansprüche durch das bloße Bestehen des beschriebenen (vor-)vertraglichen Anspruchs nicht verdrängt, sondern es besteht auch insoweit Anspruchskonkurrenz. Im Hinblick auf die zivilverfahrensrechtliche Behandlung der verschiedenen Ansprüche ist davon auszugehen, dass es sich aufgrund der Unterschiede in den zugrundeliegenden Lebenssachverhalten zudem um jeweils eigene Ansprüche bzw. Streitgegenstände im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO handelt.413 Bezüglich der gemeinsamen Geltendmachung in ein und demselben Verfahren ist zum einen die Klageverbindung nach § 260 ZPO in Betracht zu ziehen. Dies setzt allerdings die Zuständigkeit des angerufenen Prozessgerichts für sämtliche Ansprüche voraus, was in jedem Einzelfall eine sorgfältige Prüfung erfordert.414 Die Möglichkeit einer Klageverbindung kann sich zum anderen aus § 88 GWB ergeben; Voraussetzung hierfür ist das Bestehen eines „rechtlichen oder unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs“ zwischen den gemeinsam geltend gemachten Ansprüchen, was wiederum einer genauen Untersuchung im konkreten Fall bedarf.415 Schließlich sei folgende Anmerkung erlaubt: In Anbetracht der dargestellten, vertraglichen (FRAND) wie gesetzlichen (Art. 82 EGV/§ 19 Abs. 1 GWB; § 24 Abs. 1 PatG) Möglichkeiten, einen die Lizenzierung verweigernden Inhaber standard-essen412

BGH vom 13.07.2004, WuW/E DE-R 1329, 1330 („Standard-Spundfass II“); Kühnen, in: FS Tilmann, S. 513, 515; Mes, PatG/GebrMG, § 24 PatG Rn. 42. 413 Vgl. zum zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff Vollkommer, in: Zöller, ZPO, Einl. Rn. 60 ff. 414 Hier ist wiederum zu beachten, dass die für Kartell- und Patentstreitigkeiten jeweils ausschließlich zuständigen Spezialgerichte (§§ 87 S. 1, 89 Abs. 1, 95 GWB sowie §§ 139, 143 Abs. 1, 2 PatG) infolge der oben (Teil 4, C.IV.3.) beschriebenen landesrechtlichen Besonderheiten im Einzelfall häufig identisch sind. (Die unterschiedliche Geschäftsverteilung innerhalb desselben Gerichts steht der Klageverbindung nach § 260 ZPO nicht entgegen. Siehe Greger, in: Zöller, ZPO, § 260 Rn. 1a.) 415 Zu dem Erfordernis des Zusammenhangs ausführlich K. Schmidt, in: Immenga/ Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 88 Rn. 8. Erforderlich ist hiernach ein innerlich zusammengehöriges Lebensverhältnis, wobei insoweit die im Rahmen des § 33 ZPO entwickelten Grundsätze herangezogen werden können.

E. Abschließende Bemerkungen zum 4. Teil

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tieller Patente zur Erteilung der für die gewerbliche Anwendung eines bestimmten Standards wesentlichen Nutzungserlaubnisse zu zwingen, erscheint die in der Literatur jüngst erhobene Forderung nach Einführung eines neuen, eigens auf den Standardisierungskontext zugeschnittenen gesetzlichen Zwangslizenztatbestandes wenig überzeugend. In einem Beitrag aus dem Jahre 2002 machten Verbruggen und Lorincz folgenden Formulierungsvorschlag für eine Vorschrift über Zwangslizenzen, deren Einführung sie im Hinblick auf die Lösung von Konflikten zwischen standard-essentiellen Patenten und kollektiv festgelegten Standards für dringend geboten halten:416 „1. Sofern ein Normanwender eine formelle technische Norm nicht ausbeuten kann, ohne ein gültiges Patent zu verletzen, kann er die Erteilung einer Zwangslizenz beantragen, die ihm das nicht ausschließliche Recht verschafft, die patentierte Erfindung zu benutzen, sofern die Lizenz erforderlich ist, um die betreffende formelle technische Norm auszubeuten und sie eine angemessene Vergütung des Patentinhabers vorsieht. Wo eine solche Lizenz erteilt wird, ist der Patentinhaber berechtigt, gegenseitige Lizenzverträge zu angemessenen Bedingungen abzuschließen. 2. Antragsteller für eine Lizenz nach Absatz 1müssen beweisen, dass: (a) sie bei dem Patentinhaber erfolglos die Vereinbarung einer vertraglichen Lizenz beantragt haben, (b) die formelle technische Norm im Vergleich zu der im Patent beanspruchten Erfindung einen beträchtlichen technischen Fortschritt von erheblichem wirtschaftlichem Wert bedeutet.“

Über die Tatsache hinaus, dass die Einführung einer solchen gesetzlichen Regelung nach der hier vertretenen Auffassung schlicht überflüssig ist, ist in der Sache darauf hinzuweisen, dass die Voraussetzungen des vorgeschlagenen Abs. 2 lit. (b) in der Praxis so gut wie nicht erfüllbar sein dürften, weil – wie oben417 dargelegt – der Standard als solcher gerade keinen „beträchtlichen Fortschritt“ aufweisen kann, der über die in ihm enthaltenen technischen Lehren hinausgeht. Zudem lassen Verbruggen und Lorincz jegliche Angaben über die Zuständigkeit zur Anwendung dieser Vorschrift sowie die sonstige verfahrensrechtliche Durchsetzbarkeit darauf gegründeter Ansprüche vermissen.

416 417

Verbruggen/Lorincz, GRUR Int. 2002, S. 815, 828. (Teil 4, D.II.2.).

Teil 5

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Standardisierung im hier behandelten Sinne ist die privatwirtschaftlich organisierte, überbetriebliche und im Kollektiv planmäßig und gemeinschaftlich durchgeführte Festlegung technischer Konstruktionsmerkmale, Gütereigenschaften oder Verfahrensweisen, die dazu bestimmt ist, eine einheitliche technische Basis für bestimmte Produkte oder Verfahren bereitzustellen. Entsprechende Organisationen, die mit der planmäßigen Festlegung technischer Standards in den verschiedensten Bereichen des Wirtschaftslebens befasst sind, existieren auf nationaler und europäischer Ebene, ebenso wie auf internationalem Parkett. Dabei wird grundsätzlich unterschieden zwischen staatlich anerkannten, sog. offiziellen Standardisierungsorganisationen und solchen ohne staatliche Anerkennung, sog. inoffizielle Organisationen. Während erstere in der Regel gemeinnützig tätig sind, verfolgen letztere für gewöhnlich wirtschaftliche Motive. Ziel und Arbeitsweise beider Gruppen von Standardisierungsorganisationen stimmen aber im Kern überein, so dass eine gesonderte Behandlung im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht erforderlich war. In beiden Fällen geht es um die Festlegung einer auf umfassendem Konsens beruhenden, standardisierten Lösung für ein bestimmtes technisches Problem, wobei die entsprechenden Standardisierungsbemühungen regelmäßig von dem Streben nach einer möglichst breitflächigen Anwendung des jeweiligen Standards geprägt sind. Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, dass Konflikte insbesondere dort auftreten, wo patentrechtlich geschützte Lehren Eingang in einen gemeinsam entwickelten Standard finden und dieser – oder einzelne Teile desselben – maßgeblich auf einer technischen Lehre beruht, die unter dem gesetzlichen Ausschließlichkeitsschutz des Patentrechts steht. Da Patente ihrem Inhaber das Recht gewähren, jedem Dritten die gewerbliche Nutzung der geschützten Erfindung zu untersagen, stehen sie der auf möglichst ungehinderte Anwendbarkeit des Standards abzielenden Philosophie kollektiver Standardisierungsbestrebungen diametral gegenüber. Denn durch die Berufung auf sein ausschließliches Verwertungsrecht an der zugrundeliegenden Erfindung ist ein Patentinhaber in der Lage, den übrigen Standardisierungsbeteiligten, ebenso wie allen sonstigen Marktteilnehmern, die Nutzung des gemeinsam entwickelten Standards zu untersagen und so die auf Allgemeinzugänglichkeit gerichtete technische Lösung in ein proprietäres System zu verwandeln und die Standardisierungsbeteiligten um die Früchte ihrer Arbeit zu bringen.

Teil 5: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

281

Dieser Gefahr versuchen die meisten Standardisierungsorganisationen mit dem Erlass interner Regelwerke zu begegnen, die den Umgang mit Rechten des geistigen Eigentums im Rahmen der gemeinsamen Standardfestlegung mehr oder weniger detailliert regeln. Ungeachtet der im Einzelnen bestehenden Besonderheiten, verlangen alle der hier untersuchten IP-Regeln von den an dem Standardisierungsprozess Beteiligten, sich bereit zu erklären, alle entdeckten und von ihnen gehaltenen standard-Patente interessierten Anwendern des Standards zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden – FRAND – Bedingungen zugänglich zu machen. Nach dem im Rahmen dieser Arbeit allein maßgeblichen deutschen Privatrecht kommt auf der Grundlage eines solchen FRAND-Versprechens regelmäßig ein Vorvertrag zwischen dem Patentinhaber und der Standardisierungsorganisation zustande, durch den jedem interessierten Anwender das Recht eingeräumt wird, von dem Schutzrechtsinhaber die Erteilung der zur gewerblichen Nutzung des Standards erforderlichen Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu verlangen (Vorvertrag zugunsten Dritter). Eine nähere Bestimmung dessen, was unter fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen im Einzelfall zu verstehen ist, lassen die entsprechenden IPR-Policies jedoch in aller Regel vermissen. Zur Konkretisierung der Nicht-Diskriminierungs-Komponente von FRAND kann nach der hier vertretenen Ansicht auf die Vorschriften über das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot sowie deren Auslegung durch Rechtsprechung und Literatur zurückgegriffen werden. Danach ist der Patentinhaber nicht zur strikten Gleichbehandlung sämtlicher Lizenznehmer verpflichtet, sondern darf auf unterschiedliche wirtschaftliche Situationen grundsätzlich auch unterschiedlich reagieren. Bei im Wesentlichen gleichen Sachverhalten hat er jedoch zu beachten, dass eine Ungleichbehandlung nur dann in Betracht kommt, wenn diese sachlich gerechtfertigt ist. Insoweit ist allerdings hervorzuheben, dass die Verpflichtung zur nicht-diskriminierenden Lizenzvergabe im Standardisierungskontext – anders als im Rahmen des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots – freiwillig erfolgt und daher auf Seiten der potentiellen Anwender des Standards ein gewisser Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen wird, dass der Standard jedem Interessierten zu objektiv vergleichbaren Konditionen gestattet wird. Daraus folgt, dass an das Vorliegen eines die Ungleichbehandlung rechtfertigenden, sachlichen Grundes im Vergleich zum kartellrechtlichen Missbrauchsverbot erhöhte Anforderungen zu stellen sind. Auf den ersten Blick schwieriger gestaltet sich demgegenüber die Auslegung der Angemessenheits-Komponente von FRAND. Im Hinblick auf die Einzigartigkeit einer jeden Lizenzbeziehung im Standardisierungskontext kann zur Konkretisierung eines angemessenen Lizenzvertrages weder auf das im Kartellrecht übliche Vergleichsmarktkonzept noch auf das im Patentrecht regelmäßig herangezogene Prinzip der Lizenzanalogie zurückgegriffen werden. In Anlehnung an die Grundsätze der freien Marktwirtschaft und unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Patentschutzes sind vielmehr stets diejenigen Lizenzbedingungen als angemessen anzuse-

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hen, die der Patentinhaber in bilateralen Verhandlungen mit seinem jeweiligen Vertragspartner vor endgültiger Verabschiedung des Standards aushandelt. Durch den Verweis auf die Festlegung der Vertragsbedingungen vor Festlegung des Standards soll einer zu starken Verhandlungsposition des Schutzrechtsinhabers vorgebeugt sowie sichergestellt werden, dass er tatsächlich nur denjenigen Lohn für sich beanspruchen kann, der sich aus dem Wert der von ihm hervorgebrachten technischen Neuerung ergibt (sog. Patentlohn), nicht aber den darüber hinausgehenden Lohn für die Einbeziehung seines Patents in den kollektiv festgelegten Standard (sog. Standardisierungslohn), denn dieser steht ihm nach dem marktwirtschaftlichen Leistungsprinzip gerade nicht zu. Ist die Durchführung derartiger ex-ante Verhandlungen nicht möglich oder aus anderen Gründen unterblieben, so ist der Inhaber eines für den Standard wesentlichen Patents aufgrund der Fairness-Komponente von FRAND verpflichtet, bei den Vertragsverhandlungen die ihm durch die Aufnahme gerade seiner technischen Lehre in den Standard verliehene Machposition nicht zum Nachteil der Lizenznehmer auszunutzen. Im Zusammenhang mit der (vor-)vertraglichen Verpflichtung zur Lizenzvergabe zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen ist schließlich festzuhalten, dass allein hierdurch dem betreffenden Schutzrechtsinhaber nicht das Recht zur Geltendmachung des ihm gesetzlich zustehenden, patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs (§ 139 Abs. 1 PatG) genommen wird. Denn die Abgabe des FRAND-Versprechens beinhaltet weder einen Verzicht auf das patentrechtliche Verbietungsrecht; noch stellt es einen Verstoß gegen die Gebote von Treu und Glauben (§ 242 BGB) dar, trotz Eingehung einer FRAND-Lizenzvergabeverpflichtung von demjenigen Unterlassung zu verlangen, der die fragliche Erfindung eigenmächtig und ohne Erlaubnis des Patentinhabers gewerblich nutzt. Im weiteren Verlauf der Arbeit wurde untersucht, ob es über den aus dem FRANDVersprechen folgenden, (vor-)vertraglichen Anspruch gegen den Inhaber standardessentieller Patente hinaus weitere – gesetzliche – Möglichkeiten gibt, den Schutzrechtsinhaber gegen seinen Willen zur Erteilung der zur Anwendung eines bestimmten Standards erforderlichen Lizenzen zu zwingen. Die Frage nach dem Bestehen derartiger gesetzlicher Ansprüche wird insbesondere dort relevant, wo es – aus welchen Gründen auch immer – zu der (wirksamen) Eingehung einer FRAND-Lizenzvergabeverpflichtung auf Seiten des Schutzrechtsinhabers nicht gekommen ist. Das kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn die entsprechenden Patente im Vorfeld der Standardfestlegung schlicht übersehen wurden oder der Schutzrechtsinhaber sie bewusst verschwiegen hat, um auf diese Weise die „Herrschaft“ über den gemeinsamen Standard an sich zu ziehen. Entsprechend der thematischen Eingrenzung dieser Arbeit hat sich der Verfasser insoweit auf die Prüfung derjenigen Ansprüche auf zwangsweise Lizenzerteilung beschränkt, die sich aus den Vorschriften des Wettbewerbs- bzw. Kartellrechts einerseits sowie des Patentrechts andererseits ergeben können.

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In kartellrechtlicher Hinsicht können entsprechende Lizenzierungspflichten insbesondere aus dem sowohl auf europäischer wie auf deutscher Ebene bestehenden Verbot über den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung folgen. Voraussetzung für eine solche kartellrechtliche Verpflichtung zur Lizenzvergabe, die sich aus Art. 82 EGV sowie § 19 Abs. 1 GWB gleichermaßen ergeben kann, ist zum einen das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung des betreffenden Schutzrechtsinhabers; zum anderen muss die Lizenzverweigerung als Missbrauch dieser marktbeherrschenden Stellung zu qualifizieren sein. Die marktbeherrschende Stellung des Inhabers eines standard-essentieller Patente ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn der Zugang zu diesem Standard für die wirtschaftliche Betätigung auf einem bestimmten Produkt- oder Verfahrensmarkt zwingend erforderlich ist, wenn es also technisch, wirtschaftlich oder rechtlich nicht möglich ist, auf diesem Markt gewerblich tätig zu sein, ohne von dem entsprechenden Standard Gebrauch zu machen. Da den im Rahmen dieser Arbeit besprochenen, kollektiv festgelegten technischen Standards häufig eine nicht unerhebliche Tendenz zur Marktdurchsetzung immanent ist, wird die Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung oftmals keine großen Schwierigkeiten bereiten. Verweigert der in diesem Sinne marktbeherrschende Patentinhaber die Lizenzierung seiner zur Anwendung des fraglichen Standards wesentlichen Patente, so handelt er nach der hier vertretenen Auffassung in aller Regel missbräuchlich im kartellrechtlichen Sinne. Zwar verliert der Patentinhaber grundsätzlich auch im Falle des Innehabens einer marktbeherrschenden Stellung nicht seine grundsätzliche Entscheidungsfreiheit darüber, ob bzw. wem er die Nutzung seines geistigen Eigentums gestatten will. Doch unterliegt er in diesem Falle einer besonderen wettbewerblichen Verantwortung, aufgrund derer er bei Vorliegen sog. außergewöhnlicher Umstände zur Erteilung von Lizenzen verpflichtet ist. Das Vorliegen von in diesem Sinne außergewöhnlichen Umständen ist vorliegend immer dann zu bejahen, wenn die fragliche technische Lehre aufgrund ihrer Einbeziehung in einen kollektiv festgelegten und für die Tätigkeit auf einem bestimmten Produkt- oder Verfahrensmarkt zwingend erforderlichen Standard für die gewerbliche Betätigung auf diesem Markt ihrerseits unerlässlich ist. In einer solchen Situation, in der aufgrund der beschriebenen Marktsituation jeglicher Substitutionswettbewerb ausgeschlossen ist, gebietet es die besondere wettbewerbliche Verantwortung des Schutzrechtsinhabers, durch die Erteilung von Patentlizenzen wenigstens den Imitationswettbewerb aufrechtzuerhalten. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Patentinhaber sich an der zugrundeliegenden Standardisierungsarbeit freiwillig beteiligt und der Aufnahme seiner Erfindung in den betreffenden Standard zugestimmt hat. Dieses Ergebnis entspricht den Wertungen des Wettbewerbsrechts und steht darüber hinaus in Einklang mit Sinn und Zweck des Patentschutzes, wie er insbesondere in der Belohnungstheorie seinen Niederschlag gefunden hat. Neben dem Kartellrecht hält auch das Patentrecht mit § 24 PatG eine Regelung bereit, aufgrund derer die Erteilung von Patentlizenzen mit hoheitlichen Mitteln er-

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zwungen werden kann. Nach dem hier maßgeblichen § 24 Abs. 1 PatG kommt es entscheidend darauf an, dass die zwangsweise Lizenzerteilung im öffentlichen Interesse geboten ist. Unter welchen Voraussetzungen ein öffentliches Interesse in diesem Sinne angenommen werden kann, ist in besonderem Maße einzelfallabhängig und wesentlich von den jeweils vorherrschenden politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Bedürfnissen im Beurteilungszeitpunkt geprägt. Kein berücksichtigungsfähiges öffentliches Interesse ist allerdings das ganz grundsätzlich bestehende, volkswirtschaftliche Interesse an der Unterstützung überbetrieblicher Standardisierungsbestrebungen sowie an der Gewährleistung einer möglichst ungehinderten Zugänglichkeit technischer Standards. Denn dieses generelle öffentliche Interesse an der Standardisierung wird durch das ebenfalls grundsätzliche und in gleicher Weise bedeutsame öffentliche Interesse an lückenloser und umfassender Gewährleistung des Patentschutzes neutralisiert. Hervorzuheben ist darüber hinaus, dass zur Konkretisierung des öffentlichen Interesses im Sinne des § 24 Abs. 1 PatG ein Rückgriff auf wettbewerbsrechtliche Wertungen nicht in Betracht kommt; denn die Vorschriften des Wettbewerbsrechts stellen sich insoweit als abschließende Sonderregeln dar. Insbesondere ein Automatismus dergestalt, dass das öffentliche Interesse an zwangsweiser Lizenzerteilung immer dann zu bejahen ist, wenn sich die Lizenzverweigerung des Patentinhabers als missbräuchlich im Sinne des Kartellrechts erweist, verbietet sich daher. Konkret bedarf es zur Ermittlung des öffentlichen Interesses einer in jedem Einzelfall anzustellenden, umfassenden Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen der Allgemeinheit mit denen des jeweiligen Schutzrechtsinhabers, wobei zu beachten ist, dass der Tatbestand des § 24 Abs. 1 PatG nur dann erfüllt ist, wenn das öffentliche Interesse die zwangsweise Lizenzerteilung tatsächlich gebietet. Erforderlich ist daher ein deutliches Überwiegen der öffentlichen gegenüber den Interessen des Schutzrechtsinhabers. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass das auf Erhaltung seiner Ausschließlichkeitsstellung gerichtete Individualinteresse des Patentinhabers durch seine freiwillige Beteiligung an dem Standardisierungsverfahren und/oder eine etwaige missbräuchliche Ausnutzung des Standardisierungsprozesses mitunter nicht unerheblich gemindert sein kann. Andererseits darf nicht vergessen werden, dass die Vorschrift des § 24 Abs. 1 PatG aufgrund ihres Ausnahmecharakters nur sehr restriktiv anzuwenden ist und das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen daher keinesfalls leichtfertig bejaht werden darf. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass allein das Bestehen eines der vorstehend besprochenen gesetzlichen Ansprüche auf Lizenzerteilung, ebenso wie der aus einem etwaigen FRAND-Versprechen des Patentinhabers folgende vertragliche Lizenzierungsanspruch, den jeweiligen Zugangspetenten keinesfalls zur eigenmächtigen Nutzungsaufnahme der zugrundeliegenden technischen Lehre legitimiert. Eine

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solche Nutzungsaufnahme ohne Erlaubnis des Schutzrechtsinhabers und ohne eine diese Erlaubnisse ersetzende hoheitliche Gerichts- oder Behördenentscheidung stellte sich vielmehr als grundsätzlich unerlaubte Selbsthilfe dar, derer sich der Schutzrechtsinhaber durch Erhebung einer auf § 139 Abs. 1 PatG gestützten Unterlassungsklage erwehren könnte. Da der Patentinhaber die Nutzung seiner Erfindung darüber hinaus regelmäßig nur gegen angemessene Vergütung dulden muss, die Festlegung angemessener Lizenzbedingungen jedoch ein langwieriger Prozess ist, könnte der Zugangspetent einem solchen Unterlassungsbegehren auch nicht die auf § 242 BGB gestützte dolo agit-Einrede entgegenhalten.

Nachtrag Kurz nach Fertigstellung dieser Arbeit hat das wiederholt zitierte Missbrauchsverfahren der Europäischen Kommission gegen den Computerchiphersteller Rambus seinen Abschluss gefunden. Bedauerlicherweise hat sich die Europäische Kommission indes nicht zu einer Entscheidung über das tatsächliche Vorliegen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung durchringen können, sondern stattdessen von der Möglichkeit Gebraucht gemacht, das Verfahren gem. Art. 9 KartVerfVO dadurch zu beenden, dass sie bestimmte von Rambus eingegangene Verpflichtungszusagen durch Entscheidung für verbindlich erklärt.1 Rambus hat sich Mitte des Jahres 2009 gegenüber der Europäischen Kommission freiwillig bereit erklärt, keine Lizenzgebühren für Patente zu erheben, die JEDEC in demjenigen Zeitraum als Standard angenommen hat, in dem Rambus Mitglied dieser Standardisierungsorganisation war. Für alle nach seinem Austritt aus JEDEC verabschiedeten Standards, die auf einem essentiellen Schutzrecht von Rambus basieren, unterwirft sich das Unternehmen darüber hinaus bestimmten, weltweit geltenden Obergrenzen für Lizenzgebühren.2 Die Europäische Kommission ist nach Anhörung von Wettbewerbern und (potentiellen) Lizenznehmern zu der Überzeugung gelangt, dass die von Rambus eingegangenen Verpflichtungen geeignet sind, „die wettbewerbsrechtlichen Bedenken auszuräumen“3, da hierdurch jedem potentiellen Anwender des fraglichen SDRAM-Standards in angemessener Weise Zugang zu der betreffenden Technologie gewährt wird. Sinn und Zweck des Kartellrechts, also insbesondere die Aufrechterhaltung eines Systems wirksamen Wettbewerbs, rechtfertigen es nach Auffassung der Europäischen Kommission nicht, die Bedeutung des mutmaßlich „betrügerischen Verhaltens“4 des Computerchipherstellers während des Standardisierungsverfahrens im System der Vorschriften über den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung näher zu untersuchen. Dementsprechend weist die Europäische Kommission auch ausdrücklich darauf hin, dass die Frage, ob eine Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften des europäischen Wettbewerbsrechts tatsächlich vorlag, nicht Gegenstand der Entscheidung 1

Europäische Kommission, Entscheidung vom 09.12.2009. Rambus, Proposed Commitment in der Fassung vom 14. 08. 2009, abrufbar im Internet unter http://ec.europa.eu/competition/elojade/isef/case_details.cfm?proc_code=1_38636 (zuletzt aufgerufen am 20.08.2010). 3 Europäische Kommission, Entscheidung vom 09.12.2009, Rn. 69. 4 Europäische Kommission, Entscheidung vom 09.12.2009, Rn. 1. 2

Nachtrag

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ist.5 Und auch Rambus selbst hebt in seiner Verpflichtungszusage explizit hervor, dass hiermit nicht die Anerkennung eines Wettbewerbsverstoßes verbunden ist.6 Mit ihrer Entscheidung vom 09. 12. 2009 hat die Europäische Kommission die oben genannten Verpflichtungen des Computerchipherstellers für verbindlich erklärt und das Missbrauchsverfahren damit beendet. Sollte Rambus seine Verpflichtungszusagen nicht einhalten, hat die Europäische Kommission die Möglichkeit, auch ohne den Nachweis eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsvorschriften eine Geldbuße gegen den Computerchiphersteller zu verhängen, deren Höhe bis zu zehn Prozent seines Jahresumsatzes betragen kann.

5 Europäische Kommission, Entscheidung vom 09.12.2009, Rn. 76; dies., Pressemitteilung vom 09.12.2009, IP/09/1897. 6 Rambus, Proposed Commitment in der Fassung vom 14.08.2009, abrufbar im Internet unter http://ec.europa.eu/competition/elojade/isef/case_details.cfm?proc_code=1_38636 (zuletzt aufgerufen am 20.08.2010).

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Sachwortregister Anspornungstheorie siehe Patentrechtstheorien Ausschließlichkeitsrecht 57 ff., 164 ff. Belohnungsreichweite 233 ff. Belohnungstheorie siehe Patentrechtstheorien Bieterverfahren 154 ff. CEN 27, 35, 51 CENELEC 27, 35, 51 Chicago-Schule siehe Wettbewerbstheorien Dell 181 DIN 35, 50 Diskriminierungsverbot 124, 125 ff., 178, 281 Dolo agit 171, 173 ff., 244 ff. DVB 55 Eigentumstheorie siehe Patentrechtstheorien Einsperrungseffekt siehe Lock-in Erlassvertrag 163 ff. ETSI 27, 35, 51, 156 FRAND 109 ff. Gründungstheorie 109 Handelshemmnisse 26, 27, 266 Harvard-Schule siehe Wettbewerbstheorien Hold-Up 97 ff., 133 IEC 53, 144 Immaterialgüterrechte 28, 91, 96, 139, 189, 193 ff., 218 IMS Health 212 ff. Interesse – Individualinteresse 262

– Interessenabwägung 127, 209, 216, 224, 230, 260 ff. – Öffentliches Interesse 260 Invitatio ad offerendum 116 IP-Regeln 91, 96 ff. IPR-Policy 91, 96 ff. ISO 35, 52, 114 JEDEC 182, 286 Konkurrenz 51, 67 ff., 129, 205, 214 Letter of Intent 115 ff. Lizenz – Gesetzliche Lizenz 248 – Gratislizenz 104 – Kreuzlizenz 114, 134, 145, 148, 156 – Lizenzanalogie 147, 281 – Lizenzbereitschaftserklärung 31, 111, 139, 146, 167 – Lizenzverweigerung 30, 76, 136, 179, 188, 195 ff. – Zwangslizenz – kartellrechtliche 186 ff., 196, 245, 257 ff., 277 ff. – patentrechtliche 250 ff. Lock-in (Einsperrungseffekt) 38, 153, 202, 230 Magill 211 ff. Marktabgrenzung 126, 198 ff. Marktbeherrschung 77, 95, 125, 198 ff, 226 Marktwirtschaft 68, 79, 134, 144, 151 ff., 178, 235 ff., 281 ff. MHP 55 Microsoft 37, 214 ff., 237 Monopol 68, 71, 81 ff., 94 ff., 183 ff., 203 ff. Naturrechtstheorie siehe Patentrechtstheorien Netzwerkeffekt 25, 37 f., 47, 87, 150

Sachwortregister Niederlassungsfreiheit 109 Norm/Normung 32 f. Offenbarungstheorie siehe Patentrechtstheorien Orange Book 244 ff. Pactum de non petendo 163, 168 ff. Patente – Patentbewertung 151 f. – Patenthinterhalt (Patent-Ambush) 89, 94 f., 97, 180 – Patentlohn 150 ff., 233 ff., 282 – Patentoffenlegung 100 ff., 183 f. – Patentrechtstheorien 60 ff., 252 – Patentverletzungsprozess 173, 243 ff., 276 Qualcomm 185 f. Rambus 30, 95, 182 ff., 239, 271, 286 f. SDRAM 182 ff., 286 Selbsthilfe 173, 246 ff., 276, 285 Sitztheorie 109 Skaleneffekte 39 Standard – Bindungswirkung 41 ff. – de facto Standard 36 ff., 47, 236 f. – standard-essentielle Patente 29, 31, 76, 89 ff. – Standardisierung 23 ff. – Standardisierungslohn 150 f., 233 f., 282 – Standardisierungsorganisationen 48 ff. – Standard-Spundfass II 29 f., 135, 221, 259 – Technische Standards 32 ff. Stranden 39 Switching Costs 38

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TCG 55 f. TIA 56 Treu und Glauben 163 ff., 239 ff., 282 Unerlässlichkeit 201 ff., 221 f., 230 ff., 250, 283 VDE 55 Venire contra factum proprium 171 ff. Verbindlichkeit – des FRAND-Versprechens 107 ff. – von Standards 41 ff. Verbotene Eigenmacht 173, 246 ff., 282, 284 Verbraucher 27, 47, 72 ff., 125, 128, 150, 190, 205, 212 ff., 266 Vergleichsmarktkonzept 140 ff., 281 Vertragsprinzip 110 ff., 163 ff. Verzicht 32, 63, 106, 161 ff., 245, 272, 282 VESA 181 Volvo/Veng 210 f. Vorvertrag 117 ff., 158, 160, 173 f., 281 W3C 56 Wechselkosten siehe Switching Costs Wettbewerb – Imitationswettbewerb 82, 230 ff., 250, 262, 283 – Substitutionswettbewerb 82, 84, 201, 229 ff., 250, 283 – wettbewerbliche Verantwortung 189, 207 f., 232 f., 258, 283 – Wettbewerbsrecht 27 ff., 85 ff., 186 ff., 256 ff. – Wettbewerbstheorien 71 ff. Windows 37 f., 214 WSC 54