132 11 3MB
English, German Pages 333 [340] Year 2006
Springer-Lehrbuch
Prof. Dr.-Ing. Dietmar Gross studierte Angewandte Mechanik und promovierte an der Universität Rostock. Er habilitierte an der Universität Stuttgart und ist seit 1976 Professor für Mechanik an der TU Darmstadt. Seine Arbeitsgebiete sind unter anderen die Festkörper- und Strukturmechanik sowie die Bruchmechanik. Hierbei ist er auch mit der Modellierung mikromechanischer Prozesse befasst. Er ist Mitherausgeber mehrerer internationaler Fachzeitschriften sowie Autor zahlreicher Lehrund Fachbücher.
Prof. Dr. Werner Hauger studierte Angewandte Mathematik und Mechanik an der Universität Karlsruhe und promovierte an der Northwestern University in Evanston/Illinois. Er war mehrere Jahre in der Industrie tätig, hatte eine Professur an der Universität der Bundeswehr in Hamburg und wurde 1978 an die TU Darmstadt berufen. Sein Arbeitsgebiet ist die Festkörpermechanik mit den Schwerpunkten Stabilitätstheorie, Plastodynamik und Biomechanik. Er ist Autor von Lehrbüchern und Mitherausgeber internationaler Fachzeitschriften. Prof. Dr.-Ing. Jörg Schröder studierte Bauingenieurwesen, promovierte an der Universität Hannover und habilitierte an der Universität Stuttgart. Nach einer Professur für Mechanik an der TU Darmstadt ist er seit 2001 Professor für Mechanik an der Universität Duisburg-Essen. Seine Arbeitsgebiete sind unter anderem die theoretische und die computerorientierte Kontinuumsmechanik sowie die phänomenologische Materialtheorie mit Schwerpunkten auf der Formulierung anisotroper Materialgleichungen und der Weiterentwicklung der Finite-Elemente-Methode. Prof. Dr.-Ing. Wolfgang A. Wall studierte Bauingenieurwesen an der Universität Innsbruck und promovierte an der Universität Stuttgart. Seit 2003 leitet er den Lehrstuhl für Numerische Mechanik an der Fakultät Maschinenwesen der TU München. Seine Arbeitsgebiete sind unter anderem die numerische Strömungs- und Strukturmechanik. Schwerpunkte dabei sind gekoppelte Mehrfeld- und Mehrskalenprobleme mit Anwendungen, die sich von der Aeroelastik bis zur Biomechanik erstrecken.
Dietmar Gross · Werner Hauger Jörg Schröder · Wolfgang A. Wall
Technische Mechanik Band 3: Kinetik 9., vollständig neu bearbeitete Auflage
Mit 165 Abbildungen
123
Prof. Dr.-Ing. Dietmar Gross Prof. Dr. Werner Hauger Prof. Dr. rer. nat. Dr.-Ing. E.h. Walter Schnell † Institut für Mechanik Technische Universität Darmstadt Hochschulstraße 1 64289 Darmstadt
Prof. Dr.-Ing. Jörg Schröder
Prof. Dr. Wolfgang A. Wall
Institut für Mechanik Universität Duisburg-Essen Campus Essen Universitätsstraße 15 45117 Essen
Lehrstuhl für Numerische Mechanik Technische Universität München Boltzmannstraße 15 85747 Garching
Vorauflage erschienen unter ,,Gross, Hauger, Schnell, Schröder: Technische Mechanik 3“ Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
ISBN-10 3-540-34084-X Springer Berlin Heidelberg New York ISBN-13 978-3-540-34084-3 Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1983, 1989, 1990, 1993, 1995, 1999, 2002, 2004, 2006 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z.B. DIN, VDI, VDE) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen. Satz: Reproduktionsfertige Vorlagen der Autoren Herstellung: LE-TEX Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, Leipzig Umschlaggestaltung: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier
SPIN: 11596257
7/3100/YL - 5 4 3 2 1 0
Vorwort
Die Kinetik setzt das mehrb¨ andige Lehrbuch der Technischen Mechanik fort. W¨ ahrend in den ersten beiden B¨ anden – der Statik und der Elastostatik – ausschließlich statische Probleme behandelt werden, besch¨ aftigt sich der vorliegende Band mit den Bewegungen von K¨ orpern unter dem Einfluss von Kr¨ aften. Das Buch ist aus Lehrveranstaltungen hervorgegangen, die von den Verfassern f¨ ur Studierende aller Ingenieur-Fachrichtungen gehalten wurden. Sein Ziel ist es, an das Verstehen der wesentlichen Grundgesetze und Methoden der Mechanik heranzuf¨ uhren. Dabei soll ein tragf¨ ahiges Fundament gelegt werden, das in den Ingenieurf¨ achern genutzt werden kann und das ein tieferes Eindringen in weitergehende Gebiete der Mechanik erm¨ oglicht. Der dargestellte Stoff orientiert sich im Umfang an den Mechanik-Kursen deutschsprachiger Hochschulen. Die Erfahrung zeigt, dass die Kinetik sowohl an das mechanische Verst¨ andnis als auch an die mathematischen Kenntnisse h¨ ohere Anforderungen stellt als die Statik. Wir haben uns deshalb um eine ausf¨ uhrliche und m¨ oglichst einfache Darstellung bem¨ uht und uns auf die notwendigen Grundlagen beschr¨ankt. Zu einem echten Verst¨ andnis und zur F¨ ahigkeit, die dargestellten Gesetzm¨ aßigkeiten sachgerecht anzuwenden, kann der Leser allerdings nur dann gelangen, wenn er nicht nur die Theorie nachvollzieht, sondern auch selbst¨ andig Aufgaben l¨ ost. Die durchgerechneten Beispiele am Ende der Abschnitte sollen ihm hierf¨ ur eine Anleitung geben. Die freundliche Aufnahme, welche dieses Buch gefunden hat, macht eine Neuauflage erforderlich. Wir haben sie genutzt, um eine Reihe von Verbesserungen und Erg¨ anzungen vorzunehmen.
VI
Herzlich gedankt sei an dieser Stelle Frau Veronika Jorisch, die mit großer Sorgfalt die Zeichnungen anfertigte, und Herrn Dr.-Ing. Holger Romanowski sowie Frau Dipl.-Ing. Vera Ebbing f¨ ur ihre gewissenhaften Kontrollrechnungen der numerischen Beipiele in Kapitel 7. Wir danken auch dem Springer-Verlag f¨ ur das Eingehen auf unsere W¨ unsche und f¨ ur die ansprechende Ausstattung des Buches. Darmstadt, Essen und M¨ unchen, im September 2006
D. Gross W. Hauger J. Schr¨oder W.A. Wall
Inhaltsverzeichnis Einf¨ uhrung.................................................................
1
1.1.3 1.1.4 1.1.5 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6 1.2.7 1.2.8 1.3
Bewegung eines Massenpunktes Kinematik ........................................................ Geschwindigkeit und Beschleunigung ....................... Geschwindigkeit und Beschleunigung in kartesischen Koordinaten ...................................................... Geradlinige Bewegung.......................................... Ebene Bewegung, Polarkoordinaten ......................... R¨aumliche Bewegung, nat¨ urliche Koordinaten ............ Kinetik ............................................................ Grundgesetze .................................................... Freie Bewegung, Wurf ......................................... Gef¨ uhrte Bewegung............................................. Widerstandskr¨afte .............................................. Impulssatz, Stoß ................................................ Momentensatz ................................................... Arbeitssatz, potentielle Energie, Energiesatz .............. Gravitationsgesetz, Planeten- und Satellitenbewegung .. Zusammenfassung ..............................................
2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7
Kinetik eines Systems von Massenpunkten Grundlagen ....................................................... 81 Schwerpunktsatz ................................................ 86 Momentensatz ................................................... 89 Arbeitssatz und Energiesatz .................................. 93 Zentrischer Stoß ................................................ 96 K¨ orper mit ver¨anderlicher Masse ............................ 106 Zusammenfassung .............................................. 114
3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3
Bewegung eines starren K¨ orpers Kinematik ........................................................ Translation ....................................................... Rotation .......................................................... Allgemeine Bewegung ..........................................
1 1.1 1.1.1 1.1.2
5 5 7 7 23 30 36 36 38 42 45 52 58 63 72 78
117 117 117 121
VIII
3.1.4 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.5
Momentanpol .................................................... Kinetik der Rotation um eine feste Achse.................. Momentensatz ................................................... Massentr¨agheitsmoment ....................................... Arbeit, Energie, Leistung ...................................... Kinetik der ebenen Bewegung ................................ Kr¨aftesatz und Momentensatz ............................... Impulssatz, Arbeitssatz und Energiesatz ................... Exzentrischer Stoß .............................................. Kinetik der r¨aumlichen Bewegung ........................... Kr¨aftesatz und Momentensatz ............................... Drehimpuls, Tr¨agheitstensor, Eulersche Gleichungen .... Lagerreaktionen bei ebener Bewegung...................... Der momentenfreie Kreisel .................................... Zusammenfassung ..............................................
129 134 135 136 141 146 146 157 162 170 170 173 182 186 188
4 4.1 4.2 4.3 4.4
Prinzipien der Mechanik Formale R¨ uckf¨ uhrung der Kinetik auf die Statik.......... Prinzip von d’Alembert ........................................ Lagrangesche Gleichungen 2. Art ............................ Zusammenfassung ..............................................
191 196 200 211
5 5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.3 5.3.1 5.3.2 5.4 5.4.1 5.4.2 5.5
Schwingungen Grundbegriffe .................................................... Freie Schwingungen ............................................ Unged¨ampfte freie Schwingungen ........................... Federzahlen elastischer Systeme ............................. Ged¨ampfte freie Schwingungen .............................. Erzwungene Schwingungen ................................... Unged¨ampfte Schwingungen.................................. Ged¨ampfte Schwingungen ..................................... Systeme mit zwei Freiheitsgraden ........................... Freie Schwingungen ............................................ Erzwungene Schwingungen ................................... Zusammenfassung ..............................................
215 218 218 224 232 242 242 247 255 255 264 268
IX
6 6.1 6.1.1 6.1.2 6.2 6.3
Relativbewegung des Massenpunktes Kinematik der Relativbewegung.............................. Translation des Bezugssystems ............................... Translation und Rotation des Bezugssystems ............. Kinetik der Relativbewegung ................................. Zusammenfassung ..............................................
271 271 272 277 284
7 7.1 7.2 7.3 7.4
Numerische Simulation Einf¨ uhrung ....................................................... Anfangswertprobleme 1. Ordnung ........................... Anfangswertprobleme 2. Ordnung ........................... Zusammenfassung ..............................................
287 287 297 311
A
Integrationsverfahren ........................................ 314
Englische Fachausdr¨ ucke .............................................. 317 Sachverzeichnis .......................................................... 329
Einf¨ uhrung Die Aufgabe der Mechanik ist die Beschreibung und Vorherbestimmung der Bewegungen von K¨ orpern sowie der Kr¨afte, die mit diesen Bewegungen im Zusammenhang stehen. Man kann die Mechanik in Kinematik und Dynamik unterteilen. Die Kinematik ist dabei die Lehre vom geometrischen und zeitlichen Bewegungsablauf, ohne dass auf Kr¨ afte als Ursache oder Wirkung der Bewegung eingegangen wird. Die Dynamik befasst sich dagegen mit dem Zusammenspiel von Kr¨ aften und Bewegungen. Sie wird wiederum in die Statik und die Kinetik unterteilt. Die Statik besch¨ aftigt sich mit den Kr¨ aften an ruhenden K¨ orpern (Gleichgewicht), w¨ ahrend die Kinetik tats¨ achliche Bewegungen unter der Wirkung von Kr¨ aften untersucht. Der Ursprung der Statik liegt in der Antike. Die Kinetik ist dagegen eine sehr viel j¨ ungere Wissenschaft. Die ersten systematischen Untersuchungen wurden von Galileo Galilei (1564–1642) durchgef¨ uhrt. Er fand mit Hilfe von genialen Experimenten die Fall- und die Wurfgesetze und formulierte 1638 das Tr¨agheitsgesetz. Zur W¨ urdigung der Leistung von Galilei bedenke man, dass Differential- und Integralrechnung damals noch unbekannt waren und es noch kein Ger¨ at zur pr¨ azisen Messung der Zeit gab. Ihre wissenschaftliche Begr¨ undung fand die Kinetik durch Isaac Newton (1643–1727), der 1687 die erste Formulierung der Bewegungsgesetze gab. Die Newtonschen Grundgesetze sind eine Zusammenfassung aller experimentellen Erfahrungen; alle Folgerungen, die aus ihnen gezogen werden, stimmen mit der Erfahrung u ¨ berein. Wir sehen diese Gesetze – ohne sie beweisen zu k¨onnen – als richtig an: sie haben axiomatischen Charakter. Bevor wir uns mit dem Zusammenspiel von Kr¨aften und Bewegungen befassen k¨ onnen, ist es erforderlich, Bewegungen zun¨achst rein geometrisch (kinematisch) darzustellen. Dabei werden die Begriffe Weg, Geschwindigkeit und Beschleunigung behandelt. Je nach Art der Bewegung (z.B. geradlinig, eben, r¨ aumlich) beschreibt man diese Gr¨ oßen in einem geeigneten Koordinatensystem. Aus¨ gangspunkt aller dann folgenden Uberlegungen der Kinetik sind die Newtonschen Grundgleichungen. Wir beschr¨ anken uns hier auf
2
Einf¨ uhrung
die Behandlung der Bewegungen von Massenpunkten bzw. von starren K¨ orpern. Mit Hilfe dieser Idealisierungen lassen sich sehr viele technisch wichtige Probleme beschreiben und einer L¨osung zuf¨ uhren. Die Newtonschen Grundgesetze gelten nur in einem Inertialsystem. Oft ist es jedoch vorteilhaft, die Bewegung eines K¨orpers in Bezug auf ein bewegtes System zu beschreiben. Daher werden wir kurz auf Relativbewegungen eingehen. Den Newtonschen Axiomen gleichwertig sind Grundgesetze, die Prinzipien der Mechanik heißen. Bei der Behandlung von Problemen ist es manchmal zweckm¨ aßig, diese Prinzipien anzuwenden. Wir beschr¨ anken uns hier auf die Darstellung des Prinzips von d’Alembert und der Lagrangeschen Gleichungen 2. Art. In der Kinetik werden viele der in der Statik eingef¨ uhrten Begriffe (z.B. Raum, Masse, Kraft, Moment) und Idealisierungen (z.B. Massenpunkt, starrer K¨ orper, Einzelkraft) weiter verwendet. Dort bereits erl¨auterte Grundgesetze (z.B. Schnittprinzip, Wechselwirkungsgesetz, Satz vom Parallelogramm der Kr¨afte) gelten auch hier. Bei der L¨ osung konkreter Probleme haben Freik¨orperbilder eine gleich große Bedeutung wie in der Statik. Zur Beschreibung von Bewegungen muss nun als neue Grundgr¨oße die Zeit eingef¨ uhrt werden, welche in der Statik nicht ben¨otigt wird. Damit lassen sich weitere Begriffe (z.B. Geschwindigkeit, Beschleunigung, Impuls, kinetische Energie) definieren und neue Gesetzm¨aßigkeiten (z.B. Impulssatz, Energiesatz) angeben, mit denen wir uns im folgenden befassen werden.
Kapitel 1 Bewegung eines Massenpunktes
1
1 Bewegung eines Massenpunktes 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6 1.2.7 1.2.8 1.3
Kinematik ........................................................ Geschwindigkeit und Beschleunigung ....................... Geschwindigkeit und Beschleunigung in kartesischen Koordinaten ...................................................... Geradlinige Bewegung ......................................... Ebene Bewegung, Polarkoordinaten ........................ R¨aumliche Bewegung, nat¨ urliche Koordinaten ........... Kinetik ............................................................ Grundgesetze .................................................... Freie Bewegung, Wurf ......................................... Gef¨ uhrte Bewegung ............................................ Widerstandskr¨afte .............................................. Impulssatz, Stoß ................................................ Momentensatz ................................................... Arbeitssatz, potentielle Energie, Energiesatz.............. Gravitationsgesetz, Planeten- und Satellitenbewegung . Zusammenfassung ..............................................
5 5 7 7 23 30 36 36 38 42 45 52 58 63 72 78
Lernziele: Wir lernen zun¨ achst, wie die Bewegung eines Punktes durch seinen Ort, die Geschwindigkeit und die Beschleunigung in verschiedenen Koordinatensystemen beschrieben wird und wie diese Gr¨ oßen berechnet werden k¨ onnen. Anschließend befassen wir uns mit dem Bewegungsgesetz, welches den Zusammenhang zwischen den Kr¨ aften und der Bewegung herstellt. Eine wichtige Rolle spielt dabei wieder das Freik¨ orperbild, mit dessen Hilfe eine korrekte Aufstellung der Bewegungsgleichungen m¨oglich ist. Im weiteren werden wichtige Gesetzm¨ aßigkeiten wie Impuls-, Drehimpuls- und Arbeitssatz sowie deren Anwendung diskutiert.
1.1
Kinematik
5
1.1
1.1 Kinematik 1.1.1 Geschwindigkeit und Beschleunigung
Die Bewegung eines Punktes im Raum wird durch die Kinematik beschrieben. Die Kinematik kann als Geometrie der Bewegung aufgefasst werden, wobei nach den Ursachen dieser Bewegung nicht gefragt wird. Der Ort eines Punktes P im Raum wird durch den Ortsvektor r eindeutig festgelegt (Abb. 1.1a). Dieser zeigt von einem raum¨ festen Bezugspunkt 0 zur augenblicklichen Lage von P . Andert sich die Lage von P mit der Zeit t, so beschreibt r(t) die Bahn des Punktes P . ∆v v(t+∆t)
v(t+∆t) Bahn
r(t+∆t)
P
r ez ex 0 x
v(t)
∆r
P
P
r(t)
z
z
P
v(t)
P
s
z
ey y
0
y
0 x
x
a
b
y
c
Abb. 1.1
Betrachten wir nun zwei benachbarte Lagen P und P eines Punktes zu zwei Zeitpunkten t und t + ∆t (Abb. 1.1b). Dann ist ¨ die Anderung des Ortsvektors w¨ ahrend der Zeit ∆t durch ∆r = r(t + ∆t) − r(t) gegeben. Die Geschwindigkeit von P ist definiert ¨ als Grenzwert der zeitlichen Anderung des Ortsvektors: dr r(t + ∆t) − r(t) ∆r = lim = = r˙ . ∆t→0 ∆t→0 ∆t ∆t dt
v = lim
(1.1)
Die Geschwindigkeit v ist demnach gleich der zeitlichen Ableitung des Ortsvektors r. Ableitungen nach der Zeit wollen wir meist durch einen u oße gesetzten Punkt kenn¨ber die betreffende Gr¨ zeichnen. ¨ Die Geschwindigkeit ist ein Vektor. Da die Anderung ∆r des
6
1 Bewegung eines Massenpunktes
Ortsvektors im Grenzfall ∆t → 0 in Richtung der Tangente an die Bahn im Punkt P zeigt, ist auch die Geschwindigkeit stets tangential zur Bahn gerichtet. Der Richtungssinn der Geschwindigkeit stimmt mit dem Durchlaufsinn der Bahn u ¨ berein. Um den Betrag des Geschwindigkeitsvektors angeben zu k¨onnen, f¨ uhren wir als Maß f¨ ur den zur¨ uckgelegten Weg die von einem beliebigen Punkt auf der Bahn aus gez¨ ahlte Bogenl¨ange s ein. Der Punkt hat uckgebis zur Lage P einen Weg s und bis P einen Weg s+∆s zur¨ legt. Mit |∆r| = ∆s erh¨ alt man aus (1.1) die Bahngeschwindigkeit ds ∆s = = s˙ . (1.2) |v| = v = lim ∆t→0 ∆t dt Die Geschwindigkeit hat die Dimension L¨ ange/Zeit und wird in Vielfachen der Einheit m/s gemessen. Mit der Einheit km/h, die z.B. im Straßenverkehr verwendet wird, besteht der Zusammen1 hang 1 km/h = 1000 3600 m/s = 3,6 m/s oder 1 m/s = 3,6 km/h. Im allgemeinen h¨ angt auch die Geschwindigkeit von der Zeit ab. In den benachbarten Lagen P und P (Abb. 1.1c) hat der betrachtete Punkt die Geschwindigkeiten v(t) und v(t + ∆t). Dann ist ¨ die Anderung des Geschwindigkeitsvektors durch ∆v = v(t + ∆t) − v(t) gegeben. Die Beschleunigung ist definiert als Grenzwert der Geschwindigkeits¨ anderung: a = lim
∆t→0
dv v(t + ∆t) − v(t) ∆v = lim = = v˙ = r¨ . (1.3) ∆t→0 ∆t ∆t dt
Die Beschleunigung a ist somit gleich der ersten Ableitung von v bzw. der zweiten Ableitung von r. Auch die Beschleunigung ist ein Vektor. Da aber ∆v nach Abb. 1.1c in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Bahn steht, k¨ onnen wir u ¨ ber Richtung und Gr¨ oße der Beschleunigung zun¨ achst keine weiteren Aussagen machen. Die Beschleunigung hat die Dimension L¨ange/Zeit2 und wird in Vielfachen der Einheit m/s2 gemessen. Geschwindigkeit und Beschleunigung wurden zun¨achst ohne Verwendung spezieller Koordinaten eingef¨ uhrt. Zur L¨osung konkreter Aufgaben ist es jedoch zweckm¨ aßig, sich eines geeigneten Koordinatensystems zu bedienen. Im folgenden wollen wir die drei wichtigsten F¨ alle betrachten.
1.1
Kinematik
7
1.1.2 Geschwindigkeit und Beschleunigung in kartesischen Koordinaten
Wenn wir eine Bewegung speziell in kartesischen Koordinaten beschreiben wollen, so w¨ ahlen wir 0 als Ursprung eines raumfesten Systems x, y, z. Mit den Einheitsvektoren (= Basisvektoren) ex , ey , ez in den drei Koordinatenrichtungen (Abb. 1.1a) lautet der Ortsvektor r(t) = x(t) ex + y(t) ey + z(t) ez .
(1.4)
Dies ist eine Parameterdarstellung der Bahn mit t als Parameter. Wenn man aus den drei Komponentengleichungen von (1.4) die Zeit t eliminieren kann, erh¨ alt man die zeitfreie geometrische Beschreibung der r¨ aumlichen Bahnkurve (vgl. z.B. Abschnitt 1.2.2). Nach (1.1) ergibt sich die Geschwindigkeit durch Differenzieren (die Basisvektoren h¨ angen nicht von der Zeit ab) zu v = r˙ = x˙ ex + y˙ ey + z˙ ez .
(1.5)
Nochmaliges Differenzieren liefert die Beschleunigung a = v˙ = r¨ = x¨ ex + y¨ ey + z¨ ez .
(1.6)
Die Komponenten von Geschwindigkeit und Beschleunigung in kartesischen Koordinaten lauten daher ˙ vx = x,
vy = y, ˙
vz = z, ˙
ax = v˙ x = x ¨,
ay = v˙ y = y¨,
az = v˙ z = z¨.
Die Betr¨ age folgen zu ¨2 + y¨2 + z¨2 . v = x˙ 2 + y˙ 2 + z˙ 2 und a = x
(1.7)
(1.8)
1.1.3 Geradlinige Bewegung
Die geradlinige Bewegung ist die einfachste Form einer Bewegung.
8
1 Bewegung eines Massenpunktes
Sie hat zugleich große praktische Bedeutung. So sind z.B. der freie Fall eines K¨ orpers im Erdschwerefeld oder die Fahrt einer Eisenbahn u ucke geradlinige Bewegungen. ¨ ber eine Br¨ Bewegt sich ein Punkt P auf einer Geraden, so k¨onnen wir die xAchse mit dieser Geraden zusammenfallen lassen (Abb. 1.2). Dann hat nach (1.4) der Ortsvektor r nur eine x-Komponente, und die Geschwindigkeit v und die Beschleunigung a zeigen nach (1.5) und (1.6) ebenfalls in x-Richtung. Daher k¨ onnen wir auf den Vektorcharakter von Geschwindigkeit und Beschleunigung verzichten und erhalten aus (1.7) v = x, ˙
a = v˙ = x ¨.
(1.9)
Falls v bzw. a negativ sind, bedeutet dies, dass die Geschwindigkeit bzw. die Beschleunigung gegen die positive x-Richtung zeigen. Eine Beschleunigung, die eine Verringerung der Geschwindigkeit zur Folge hat, nennt man im technischen Sprachgebrauch eine Verz¨ ogerung “. ” P 0
x
x
Abb. 1.2
Wenn bei einer geradlinigen Bewegung der Ort x in Abh¨angigkeit von der Zeit t bekannt ist, k¨ onnen Geschwindigkeit und Beschleunigung nach (1.9) durch Differenzieren berechnet werden. H¨aufig gibt es jedoch Problemstellungen, bei denen die Beschleunigung gegeben ist und Geschwindigkeit und Weg gesucht sind. Dann sind Integrationen auszuf¨ uhren, die im allgemeinen mathematisch schwieriger sind als Differentiationen. Die Bestimmung kinematischer Gr¨ oßen aus anderen, gegebenen kinematischen Gr¨oßen nennt man kinematische Grundaufgaben. Wir wollen uns im weiteren mit diesen Aufgaben besch¨ aftigen, wobei wir uns auf den wichtigen Sonderfall beschr¨ anken, dass die gegebene Gr¨oße jeweils nur von einer anderen kinematischen Gr¨ oße abh¨angt. Wenn wir die Beschleunigung als die gegebene Gr¨ oße betrachten, gibt es f¨ unf Grundaufgaben, die wir alle vorstellen wollen. 1. a = 0 Ist die Beschleunigung gleich Null, so gilt nach (1.9) a = v˙ = dv/dt = 0. Integration liefert die konstante Geschwindig-
1.1
Kinematik
9
keit v = const = v0 . Man nennt eine Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit eine gleichf¨ormige Bewegung. Den Ort x erh¨ alt man aus v = v0 = dx/dt durch Integration. Dabei muss eine Aussage u ¨ ber den Anfang der Bewegung, eine Anfangsbedingung, eingearbeitet werden. Kennzeichnen wir Anfangswerte durch einen Index 0, so ist zur Zeit t = t0 der Ort durch x = x0 festgelegt. Bei der Integration kann man zwei Wege beschreiten: a) Unbestimmte Integration. Nach Trennung der Ver¨anderlichen uhrt eine unbestimmte Integration auf dx = v0 dt f¨ dx = v0 dt → x = v0 t + C1 . Die Integrationskonstante C1 folgt durch Einsetzen der Anfangswerte: x0 = v0 t0 + C1
→
C1 = x0 − v0 t0 .
Damit erhalten wir den gesuchten Ort x = x0 + v0 (t − t0 ) . b) Bestimmte Integration. Nach Trennung der Ver¨anderlichen uhrt eine bestimmte Integration (die unteren Grenzen dx = v0 dt f¨ der Integrale entsprechen den Anfangswerten t0 , x0 ) auf x
t v0 dt¯
d¯ x= x0
→
x − x0 = v0 (t − t0 )
t0
oder x = x0 + v0 (t − t0 ) . Dabei wurden die Variablen unter den Integralen jeweils mit einem Querstrich versehen, damit keine Verwechslung mit den oberen Grenzen der Integrale auftreten kann.
10
1 Bewegung eines Massenpunktes
Im folgenden werden wir abwechselnd die eine oder die andere M¨ oglichkeit der Integration verwenden. Die Anfangsbedingungen gehen dabei entweder u ¨ ber die Integrationskonstanten oder u ¨ ber die dem Anfang der Bewegung zugeordneten unteren Integrationsgrenzen in die Rechnung ein. 2. a = a0 Eine Bewegung mit konstanter Beschleunigung heißt gleichm¨aßig beschleunigte Bewegung. Wir beginnen die Zeitz¨ahlung ur die Geschwinmit t0 = 0 und geben je eine Anfangsbedingung f¨ digkeit und f¨ ur den Weg vor: x(0) ˙ = v0 ,
x(0) = x0 .
Dann folgen aus (1.9) durch Integration die Geschwindigkeit v dv = a0 dt
→
t a0 dt¯
d¯ v= v0
0
x
t
→
v = v0 + a0 t
und der Weg dx = v dt
→ x0
→
(v0 + a0 t¯) dt¯
d¯ x= 0
x = x0 + v0 t + a0
t2 . 2
In Abb. 1.3 sind Beschleunigung a, Geschwindigkeit v und Weg x in Abh¨ angigkeit von der Zeit aufgetragen. Man erkennt anschaulich aus den einzelnen Anteilen der Funktionsverl¨aufe, dass eine konstante Beschleunigung a0 auf eine lineare Geschwindigkeit a0 t uhrt. und auf eine quadratische Weg-Zeit-Abh¨ angigkeit a0 t2 /2 f¨ Gleichm¨ aßig beschleunigte Bewegungen treten in der Natur z.B. beim freien Fall und beim senkrechten Wurf im Erdschwerefeld auf. Galilei (1564–1642) hat 1638 erkannt, dass alle K¨orper (bei Vernachl¨ assigung des Luftwiderstandes) mit der gleichen konstanten Beschleunigung fallen. Diese Beschleunigung nennt man Erdagt an der Erdoberfl¨ ache g = 9, 81 m/s2 . beschleunigung g. Sie betr¨ Ihre geringe Abh¨ angigkeit von der geographischen Breite wollen wir vernachl¨ assigen.
1.1 a
v
a0
v0
x a0 t
t BeschleunigungsZeit-Diagramm
x0
Kinematik a0 t2 /2 v0 t
v0
x0
t
t
GeschwindigkeitsZeit-Diagramm
11
Weg-Zeit-Diagramm
Abb. 1.3
Im folgenden sollen der freie Fall und der senkrechte Wurf eines K¨ orpers K untersucht werden. Z¨ ahlen wir nach Abb. 1.4a eine Koordinate z von der Erdoberfl¨ ache senkrecht nach oben, so folgen bei zun¨ achst beliebigen Anfangsbedingungen z(0) ˙ = v0 ,
z(0) = z0
unter Beachtung des Vorzeichens der Erdbeschleunigung (gegen die positive z-Richtung) z¨ = a = − g, z˙ = v = − g t + v0 , g t2 + v0 t + z0 . z=− 2
(1.10)
Wir betrachten zun¨ achst den freien Fall. Der K¨orper werde aus einer H¨ ohe z0 = H ohne Anfangsgeschwindigkeit (v0 = 0) fallen gelassen. Dann folgen aus (1.10) g t2 +H. a = − g, v = − g t, z=− 2 Wenn wir die Zeit T berechnen wollen, die der K¨ orper zum Durchfallen der H¨ ohe H ben¨ otigt (Fallzeit), m¨ ussen wir den Ort z = 0 des Auftreffens einsetzen: 2H g T2 +H → T = . z=0=− 2 g Setzen wir diese Zeit in die Gleichung f¨ ur die Geschwindigkeit ein, so finden wir die Auftreffgeschwindigkeit 2H = − 2 gH . vA = v(T ) = − g T = − g g
12
1 Bewegung eines Massenpunktes
Das Minuszeichen deutet an, dass die Geschwindigkeit gegen die Koordinate z gerichtet ist. In Abb. 1.4b ist die Abh¨angigkeit des Ortes von der Zeit aufgetragen. z
z K
K
H
H
g H
H
11111 00000 00000 11111 z
a
T
t
b
v0
11111 00000 00000 11111 c
T d
t Abb. 1.4
Wir untersuchen nun einen senkrechten Wurf, bei dem ein K¨orper (Abb. 1.4c) zur Zeit t = 0 von der Erdoberfl¨ache (z0 = 0) mit der Anfangsgeschwindigkeit v0 abgeworfen wird. Aus (1.10) folgen dann a = − g,
v = − g t + v0 ,
z=−
g t2 + v0 t . 2
Der K¨ orper erreicht seinen h¨ ochsten Punkt (Steigh¨ohe H), wenn die Geschwindigkeit gleich Null wird. Die hierzu erforderliche Zeit (Steigzeit T ) folgt daher aus v = 0 = − g T + v0
→
T =
v0 . g
Setzt man diese Zeit in die Gleichung f¨ ur den Weg ein, so erh¨alt man die Steigh¨ ohe H = z(T ) = −
g T2 v2 v0 g v02 + v0 T = − = 0 . + v0 2 2 2 g g 2g
In Abb. 1.4d ist das Weg-Zeit-Diagramm des senkrechten Wurfes dargestellt. Ein Vergleich der Ergebnisse von freiem Fall und senkrechtem Wurf zeigt die enge Verwandtschaft beider Bewegungen: ein K¨ orper, der aus einer H¨ ohe H f¨allt, trifft mit einer √ Geschwindigkeit |vA | = 2 g H auf den Boden auf, w¨ahrend ein K¨ orper, der mit einer Geschwindigkeit v0 abgeworfen wird, eine H¨ohe H = v02 /2 g erreicht.
1.1
Kinematik
13
3. a = a(t) In diesem Fall k¨ onnen die Geschwindigkeit v und der Weg x durch zwei aufeinanderfolgende Integrationen von (1.9) u ¨ ber die Zeit unmittelbar ermittelt werden. Mit den Anfangsbedingungen v(t0 ) = v0 , x(t0 ) = x0 erh¨ alt man t dv = a(t) dt
→
v = v0 +
a(t¯) dt¯,
(1.11)
v(t¯) dt¯.
(1.12)
t0
t
dx = v(t) dt
→
x = x0 + t0
4. a = a(v) Ist die Beschleunigung als Funktion der Geschwindigkeit gegeben, so ergibt sich aus (1.9) durch Trennung der Ver¨anderlichen a(v) =
dv dt
→
dt =
dv . a(v)
Bestimmte Integration (der unteren Zeitgrenze t0 entspricht die Anfangsgeschwindigkeit v0 ) liefert t
v dt¯ =
t0
d¯ v a(¯ v)
v →
t = t0 +
v0
d¯ v = f (v) . a(¯ v)
(1.13)
v0
Damit ist zun¨ achst die Zeit t in Abh¨ angigkeit von der Geschwindigkeit v bekannt. Wenn man diese Gleichung nach v = F (t) aufl¨osen kann (Bilden der Umkehrfunktion F ), so folgt der Weg nach (1.12) zu t F (t¯) dt¯.
x = x0 +
(1.14)
t0
Damit ist der Weg x als Funktion der Zeit t bekannt. Man kann aus a(v) den Weg x in Abh¨ angigkeit von v unmittelbar gewinnen. Unter Anwendung der Kettenregel a=
dv dx dv dv = = v dt dx dt dx
14
1 Bewegung eines Massenpunktes
ergibt die Trennung der Ver¨ anderlichen v dx = dv . a Bestimmte Integration unter Einarbeitung der Anfangswerte v0 und x0 liefert v x = x0 +
v¯ d¯ v. a(¯ v)
(1.15)
v0
Als Anwendungsbeispiel betrachten wir die Bewegung eines Punktes, der eine Beschleunigung a = −kv hat; dabei ist k eine Konstante. Solche Beschleunigungen treten z.B. bei Bewegungen von K¨ orpern in reibungsbehafteten Fl¨ ussigkeiten auf (vgl. Abschnitt 1.2.4). Als Anfangsbedingungen seien x(0) = x0 und v(0) = v0 gegeben. Aus (1.13) folgt dann v t= v0
v d¯ v 1 v 1 = − ln v¯ = − ln = f (v) . −k¯ v k k v0 v0
Aufl¨ osen nach v (Bilden der Umkehrfunktion) ergibt v = v0 e−kt = F (t). Nach (1.14) wird damit t x = x(t) = x0 +
t v ¯ ¯ 0 e−kt v0 e−kt dt¯ = x0 + − k 0
0
= x0 +
v0 (1 − e−kt ) . k
Verwenden wir dagegen (1.15), so folgt v x = x(v) = x0 + v0
v¯ 1 d¯ v = x0 − (v − v0 ) . −k¯ v k
Setzen wir hierin die Geschwindigkeit v = v0 e−kt ein, so erhalten wir wieder die zuvor ermittelte Weg-Zeit-Abh¨ angigkeit:
1.1
x = x0 −
Kinematik
15
1 v0 (v0 e−kt − v0 ) = x0 + (1 − e−kt ) = x(t) . k k x
v
v0 k
v0 x0
x0 t
t
Abb. 1.5
Abb. 1.5 veranschaulicht das Ergebnis: da die Beschleunigung a proportional zu −v ist, wird der Punkt st¨ andig verz¨ogert. Die Geschwindigkeit v nimmt daher st¨ andig ab, wobei mit kleiner wer¨ dendem v die Verz¨ ogerung und damit die Anderung von v immer kleiner werden. Erst im Grenzfall t → ∞ wird die Geschwindigkeit gleich Null. Der Punkt bewegt sich dabei gegen den endlichen ur t → ∞ oder Wert x0 + v0 /k. Dieser Grenzwert folgt aus x(t) f¨ aus x(v) f¨ ur v → 0. 5. a = a(x) Wir verwenden wiederum die Kettenregel a=
dv dx dv dv = = v dt dx dt dx
und trennen die Ver¨ anderlichen: v dv = a dx.
(1.16)
Integration mit den Anfangsbedingungen v(t0 ) = v0 , x(t0 ) = x0 ergibt x 1 2 1 2 v = v0 + a(¯ x) d¯ x = f (x) → v = 2 f (x) . (1.17) 2 2 x0
Damit ist die Geschwindigkeit v in Abh¨ angigkeit vom Weg x bekannt. Aus v = dx/dt findet man nach Trennung der Ver¨anderlichen und Integration x dx d¯ x dx = → t = t0 + = g(x) . (1.18) dt = v 2 f (x) 2 f (¯ x) x0
16
1 Bewegung eines Massenpunktes
Die Zeit t ist hiermit als Funktion des Weges x bekannt. Wenn man zu t = g(x) die Umkehrfunktion x = G(t) bilden kann, so erh¨ alt man den Weg in Abh¨ angigkeit von der Zeit. Als Anwendungsbeispiel untersuchen wir eine Bewegung mit einem Beschleunigungsgesetz a = −ω 2 x. Hierin ist ω 2 eine Konstante. Zur Zeit t0 = 0 seien x(0) = x0 und v(0) = v0 = 0. Einsetzen in (1.17) ergibt 2 x x20 1 2 x ω2 2 2 2 v = (−ω x − (x − x2 ) = f (x) ¯) d¯ x = −ω = 2 2 2 2 0 x0 → v = ± ω x20 − x2 . Nach (1.18) erh¨alt man f¨ ur den Zeitverlauf x x ¯ x d¯ x 1 arcsin = ± t = t(x) = ± ω x0 x0 ω x20 − x ¯2 x0
1 =± ω
x π x 1 − . arcsin = ± arccos x0 2 ω x0
Bildet man die Umkehrfunktion, so folgt die Weg-Zeit-Abh¨angigkeit x = x0 cos ωt. Diese Bewegung ist eine harmonische Schwingung (vgl. Kapitel 5). Durch Differenzieren erh¨ alt man f¨ ur die Geschwindigkeit und f¨ ur die Beschleunigung a(t) = x ¨ = −ω 2 x0 cos ωt = −ω 2 x(t) .
v(t) = x˙ = −ωx0 sin ωt,
Abb. 1.6a zeigt Weg und Geschwindigkeit als Funktionen der Zeit. x x˙
v
x = x0 cos ωt t = ωπ π
a
2π
ωt
x˙ = −ω x0 sin ωt
b
3π t = 2ω
ωx0 x0 π t = 2ω
t = T = 2π ω x t=0 Abb. 1.6
1.1
Kinematik
17
H¨ aufig interessiert auch die Abh¨ angigkeit der Geschwindigkeit vom Ort. Geometrisch l¨ asst sich dieser Zusammenhang in einem x, v-Diagramm durch eine Kurve, die sogenannte Phasenkurve, darstellen. Im Beispiel der Schwingung gilt v = ± ω x20 − x2 . Hieraus folgt 2 2 x v 2 2 2 2 + = 1. v = ω (x0 − x ) → x0 ωx0 Die Phasenkurve ist hier eine Ellipse mit den Halbachsen x0 und ωx0 (Abb. 1.6b). Jedem Wertepaar x, v ist ein bestimmter Zeitpunkt t zugeordnet: die Zeit ist Parameter. Da hier die Kurve geschlossen ist, beginnt die Bewegung nach jedem Durchlaufen der Kurve wieder von vorn (Schwingung = periodischer Vorgang). Im Bild sind einige Zeitmarken und der Umlaufsinn eingetragen. Die Zeit T = 2 π/ω, die f¨ ur einen Umlauf ben¨ otigt wird, heißt Schwingungsdauer (vgl. Kapitel 5). Falls bei anderen Beispielen Geschwindigkeit und Weg als Funktionen der Zeit bekannt sind, muss man zur Ermittlung der Phasenkurve aus x(t) ˙ und x(t) die Zeit eliminieren. Zum Abschluss dieses Abschnittes sind in Tabelle 1.1 die wichtigsten Formeln der kinematischen Grundaufgaben zusammengestellt. Tabelle 1.1
Geg. a(t)
Gesucht v = v0 +
t
a(t¯) dt¯
x = x0 +
t0
t = t0 +
a(x)
v 2 = v02 + 2
v(t¯) dt¯
t0
v d¯ v v) v0 a(¯
a(v)
t
x x0
a(¯ x) d¯ x
x = x0 +
t = t0 +
v v¯ d¯ v v) v0 a(¯
x x0
dˆ x
v02 + 2
xˆ x0
a(¯ x) d¯ x
18
B1.1
1 Bewegung eines Massenpunktes
Ein Kraftfahrzeug auf gerader Bahn hat zur Zeit t0 = 0 die Geschwindigkeit v0 = 40 m/s. Es erf¨ahrt zun¨achst eine linear abnehmende Beschleunigung vom Anfangswert a0 = 5 ur t = 6 s. Anschließend legt es den m/s2 bis zum Wert a = 0 f¨ ormig zur¨ uck und wird in einem dritten Weg s2 = 550 m gleichf¨ Bewegungsabschnitt mit a3 = 11 m/s2 abgebremst. Nach welcher Zeit und an welcher Stelle kommt das Fahrzeug zum Stillstand? Man zeichne das Beschleunigungs-, das Geschwindigkeits- und das Weg-Zeit-Diagramm.
Beispiel 1.1
L¨ osung Wir beginnen in jedem der drei Bewegungsabschnitte je-
weils mit einer neuen Zeitz¨ ahlung (Abb. 1.7a). Gr¨oßen am Ende eines Zeitabschnittes kennzeichnen wir mit einem Stern. Der Weg ahlt. x wird vom Ort zur Zeit t0 = 0 aus gez¨ 1. Linear beschleunigte Bewegung (0 t1 t∗1 ). Der Beschleunigungsverlauf wird durch a1 = a0 (1−t1/t∗1 ) beschrieben. Unter Beachtung der Anfangsbedingungen x1 (t1 = 0) = 0 und alt man nach (1.11) und (1.12) die Geschwinv1 (t1 = 0) = v0 erh¨ digkeit t1 v1 = v0 + 0
t2 t¯1 a0 1 − ∗ dt¯1 = v0 + a0 t1 − 1∗ t1 2 t1
und den Weg
t1 v1 dt¯1 = v0 t1 + a0
x1 = 0
t21 t3 − 1∗ 2 6 t1
.
Insbesondere werden am Ende des ersten Abschnittes (t1 = t∗1 = 6 s) v1∗ = v0 + a0
m t∗1 = 40 + 5 · 3 = 55 , 2 s
x∗1 = v0 t∗1 + a0
62 t∗2 1 = 40 · 6 + 5 · = 300 m . 3 3
2. Gleichf¨ ormige Bewegung (0 t2 t∗2 ). Im zweiten Abschnitt hat die Geschwindigkeit den konstanten
1.1
Kinematik
19
Wert v2 = v1∗ = 55 m/s. Damit wird der Weg x2 = x∗1 + v2 t2 . Zur Zeit t∗2 hat das Fahrzeug den Gesamtweg x∗2 = x∗1 + s2 = 300 + 550 = 850 m zur¨ uckgelegt. Aus s2 = v2 t∗2 = 550 m folgt die Zeit t∗2 =
s2 550 = 10 s . = v2 55 t1
t∗1
t3
0
t2
t∗2
v
t∗3 tGes t
a
50 m s
c
a
0
6
16
21 s
t
x
m s2 5
xGes 16
0
21 s
6
t
500 m
tGes 0
b
6
16
21 s
t
d
Abb. 1.7
3. Gleichm¨ aßig verz¨ ogerte Bewegung (0 t3 t∗3 ). Die Endwerte des zweiten Abschnitts (x∗2 , v2∗ = v2 ) sind die Anfangswerte des dritten Abschnitts. Wir finden daher (a3 ist der Betrag einer Verz¨ ogerung) v3 = v2∗ − a3 t3 , x3 = x∗2 + v2∗ t3 − a3
t23 . 2
20
1 Bewegung eines Massenpunktes
Die Zeit bis zum Stillstand folgt aus v3∗ = v2∗ − a3 t∗3 = 0
→
t∗3 =
v2∗ 55 = 5s, = a3 11
und der Gesamtweg wird xGes = x∗3 = x∗2 + v2∗ t∗3 − a3 = 850 + 55 · 5 − 11 ·
t∗2 3 2
52 = 987, 5 m . 2
Die Gesamtzeit betr¨ agt tGes = t∗1 + t∗2 + t∗3 = 6 + 10 + 5 = 21 s . In den Abbildungen 1.7b-d sind die Beschleunigungs-, Geschwindigkeits- und Weg-Zeit-Diagramme dargestellt. An der Stelle, an der die Beschleunigung einen Sprung hat, tritt bei der Geschwindigkeit ein Knick auf. Im Weg-Zeit-Verlauf gibt es keinen Knick, da das Fahrzeug keinen Geschwindigkeitssprung erf¨ahrt (Spr¨ unge in v treten nur bei Stoßvorg¨ angen auf, vgl. Abschnitt 2.5). B1.2
Beispiel 1.2 Ein Punkt P bewegt sich nach Abb. 1.8a l¨ angs einer
Geraden. Das Quadrat seiner Geschwindigkeit nimmt linear mit x ab. Er durchl¨ auft den Ort x = 0 zur Zeit t = 0 mit einer Geschwindigkeit v0 und hat am Ort x = x1 die Geschwindigkeit v1 = 0. Wann erreicht der Punkt die Lage x1 , und wie groß ist seine Beschleunigung a? v v0
P 0 a
t=0
t = t1
x1
x1
x b
x Abb. 1.8
1.1
Kinematik
21
Wir m¨ ussen zun¨ achst den Geschwindigkeitsverlauf beschreiben. Die lineare Beziehung zwischen v 2 und x ist allgemein durch den Ansatz v 2 = b x + c gegeben. Die Konstanten b und c folgen durch Anpassen an die gegebenen Werte:
L¨ osung
v(x = 0) = v0 → c = v02 ,
v(x = x1 ) = 0 → b = −
c v2 =− 0 . x1 x1
Damit wird
x v = v(x) = v0 1 − . x1
Abbildung 1.8b zeigt v(x) in der Phasenebene. Aus v = dx/dt folgt nach Trennung der Ver¨ anderlichen durch unbestimmte Integration x1 x dx = −2 1− + C. t= x v x 0 1 v0 1 − x1 Die Integrationskonstante C wird aus der Anfangsbedingung x(0) = 0 berechnet: x1 √ x1 0 = −2 1+C → C =2 . v0 v0 Damit ergibt sich die Zeit t1 , zu welcher der Punkt die Stelle x = x1 erreicht: x1 . t1 = t(x1 ) = C = 2 v0 Die Beschleunigung finden wir unter Anwendung der Kettenregel: v0 1 dv dv dx dv x v2 = = v=− a= v0 1 − =− 0 . x dt dx dt dx 2 x1 x1 2 x1 1− x1 Wegen a = const ist die Bewegung gleichm¨ aßig beschleunigt. Zur Probe berechnen wir durch Integration der nun bekannten Beschleunigung die Geschwindigkeit und den Weg: v = a t + v0 = −
v02 t + v0 , 2 x1
22
1 Bewegung eines Massenpunktes
x=−
v02 2 t + v0 t. 4 x1
Elimination von t f¨ uhrt wieder auf das gegebene GeschwindigkeitsWeg-Gesetz. B1.3
Beispiel 1.3 Ein Punkt P bewegt sich nach Abb. 1.9 l¨ angs der
√ x-Achse mit einer Beschleunigung a = k v. Dabei hat die Konstante k den Zahlenwert k = 2 (m/s3 )1/2 . Zur Zeit t = 0 durchl¨auft P die Stelle x0 = 1/3 m mit der Geschwindigkeit v0 = 1 m/s. An welcher Stelle x1 befindet sich der Punkt zur Zeit t1 = 2 s? Welche Geschwindigkeit und welche Beschleunigung hat er dann? P 0
x0
x1
x
Abb. 1.9
L¨ osung Die Beschleunigung ist als Funktion der Geschwindigkeit
gegeben. Nach (1.13) wird daher v √ d¯ v 2 √ √ = ( v − v0 ) → t= k k v¯
v = v(t) =
kt √ + v0 2
2
v0
Unbestimmte Integration von v liefert 3 1 2 kt √ x= v dt = + v0 + C . 3k 2 Die Integrationskonstante C folgt aus der Anfangsbedingung x(0) = x0 . Einsetzen der Zahlenwerte ergibt 1 12 √ 3 = ( 1) + C → C = 0 . 3 32 Damit erhalten wir endg¨ ultig 3 2 kt √ x= + v0 , 3k 2 2 kt √ v = x˙ = + v0 , 2 kt √ + v0 . a = v˙ = x ¨=k 2
.
1.1
Kinematik
23
Zur Zeit t = t1 folgen daraus 3 2·2 √ 2 + 1 = 9 m, x1 = x (t1 ) = 3·2 2 2 2·2 √ m v1 = v (t1 ) = + 1 =9 , 2 s √ 2·2 m + 1 =6 2. a1 = a (t1 ) = 2 2 s Zur Probe stellen wir fest, dass die Ergebnisse dem gegebenen √ Beschleunigungsgesetz gen¨ ugen: a = k v. 1.1.4 Ebene Bewegung, Polarkoordinaten
Bewegt sich ein Punkt P in einer Ebene (z.B. in der x, y-Ebene), so entf¨ allt bei einer Darstellung der Bewegung in kartesischen Koordinaten nach (1.4) bis (1.8) die Komponente senkrecht zur Ebene. H¨aufig ist es jedoch zweckm¨ aßig, die ebene Bewegung in Polarkoordinaten r, ϕ nach Abb. 1.10a zu beschreiben. Wir f¨ uhren dazu orthogonale Basisvektoren er und eϕ so ein, dass er immer vom festen Punkt 0 auf P zeigt. Dann lautet der Ortsvektor r = r er .
(1.19)
Zur Ermittlung von Geschwindigkeit und Beschleunigung muss der Ortsvektor nach der Zeit abgeleitet werden. Da sich die Lage des Punktes P mit der Zeit ¨ andert, sind auch die Richtungen von er und eϕ zeitabh¨angig. Im Unterschied zu den raumfesten Basisvektoren bei einem kartesischen Koordinatensystem m¨ ussen die y Bahn
deϕ
P r
a
dϕ
ϕ
0
der er
er
eϕ
Abb. 1.10
eϕ
r
x b
dϕ
24
1 Bewegung eines Massenpunktes
Basisvektoren bei Polarkoordinaten daher mitdifferenziert werden. Der Basisvektor er hat als Einheitsvektor den Betrag Eins. ¨ Seine Anderung bei einer infinitesimalen Drehung dϕ in der Zeit dt ergibt nach Abb. 1.10b einen Vektor der , der auf er senkrecht steht (d.h. in Richtung von eϕ zeigt) und den Betrag 1 · dϕ hat. Daher ist der = dϕ eϕ
→
e˙ r =
dϕ der = eϕ = ϕ˙ eϕ . dt dt
¨ Entsprechend findet man nach Abb. 1.10b f¨ ur die Anderung des Basisvektors eϕ : deϕ = − dϕ er
→
e˙ ϕ =
dϕ deϕ =− er = − ϕ˙ er . dt dt
Aus (1.19) folgt dann die Geschwindigkeit v = r˙ = r˙ er + r e˙ r = r˙ er + rϕ˙ eϕ .
(1.20)
Sie hat die radiale Komponente vr = r˙ und die zirkulare Kompo˙ Letztere steht senkrecht auf r und ist daher im nente vϕ = r ϕ. allgemeinen nicht tangential zur Bahn. Differenzieren von (1.20) f¨ uhrt auf die Beschleunigung a = v˙ = r¨ er + r˙ e˙r + r˙ ϕ˙ eϕ + rϕ¨ eϕ + rϕ˙ e˙ϕ = (¨ r − rϕ˙ 2 ) er + (rϕ¨ + 2 r˙ ϕ) ˙ eϕ .
(1.21)
Sie hat die radiale Komponente ar = r¨ − rϕ˙ 2 und die zirkulare ˙ Auch aϕ ist im allgemeinen nicht Komponente aϕ = rϕ¨ + 2 r˙ ϕ. tangential zur Bahn gerichtet. Zusammenfassend gilt f¨ ur die ebene Bewegung in Polarkoordinaten: r = r er , v = vr er + vϕ eϕ = r˙ er + rϕ˙ eϕ , a = ar er + aϕ eϕ = (¨ r − rϕ˙ 2 ) er + (rϕ¨ + 2 r˙ ϕ) ˙ eϕ .
(1.22)
1.1
Kinematik
25
In der Zeit dt u ¨ berstreicht der Ortsvektor einen Winkel dϕ. Die auf die Zeit bezogene Winkel¨ anderung ϕ˙ = dϕ/dt nennt man Winkelgeschwindigkeit. Sie wird h¨ aufig mit dem Buchstaben ω gekennzeichnet: ω = ϕ˙ .
(1.23)
Die Winkelgeschwindigkeit hat die Dimension 1/Zeit. Differenzieren von ω f¨ uhrt auf die Winkelbeschleunigung ω˙ = ϕ¨ .
(1.24)
Wir wollen f¨ ur diese Gr¨ oße, welche die Dimension 1/Zeit2 hat, keinen eigenen Buchstaben einf¨ uhren. Ein Sonderfall der ebenen Bewegung ist die Kreisbewegung (Abb. 1.11a). Hier hat eϕ stets die Richtung der Bahntangente in P . Mit r = const werden v = rω eϕ ,
r = r er ,
a = − rω 2 er + rω˙ eϕ .
(1.25)
Die Geschwindigkeit hat nur die zirkulare Komponente v = vϕ = rω,
(1.26)
die in Richtung der Tangente an die Kreisbahn zeigt (Abb. 1.11b). y er
eϕ 0
aϕ = r ω˙
v = rω
ϕ
a
P
P
r
| ar |= rω 2
P
r x
0
b
0
c
Abb. 1.11
Die Beschleunigung hat die Komponente in Tangentialrichtung aϕ = rω˙
(1.27)
und die Komponente in radialer Richtung (senkrecht zur Bahn) ar = − rω 2
(1.28)
26
1 Bewegung eines Massenpunktes
(Abb. 1.11c). Das Minuszeichen zeigt an, dass die radiale Komponente nach innen – zum Zentrum hin – gerichtet ist. Sie heißt daher auch Zentripetalbeschleunigung. Im Sonderfall konstanter Winkelgeschwindigkeit ω hat die Geschwindigkeit l¨ angs der Kreisbahn den konstanten Betrag rω, und die Tangentialbeschleunigung ist Null. Trotzdem tritt eine Beschleunigung, die Radialbeschleunigung rω 2 auf. Sie bewirkt die ¨ Anderung der Richtung der Geschwindigkeit. Bahn rdϕ dA P
r Z
a
dϕ
Abb. 1.12
Ein weiterer Sonderfall der ebenen Bewegung ist die Zentralbewegung. Bei ihr ist der Beschleunigungsvektor stets auf einen Punkt, das Zentrum Z, hin gerichtet (Abb. 1.12). Dies trifft zum Beispiel f¨ ur die Bewegung der Planeten zu, wobei die Sonne das Zentrum ist. Bei einer Zentralbewegung verschwindet die zirkulare Komponente, wenn wir den Koordinatenursprung in das Zentrum legen: ˙ = aϕ = 0 → rω˙ + 2 rω
1 d 2 (r ω) = 0 → r2 ω = const . (1.29a) r dt
Wir k¨ onnen diesem Ergebnis eine anschauliche Deutung geben. Nach Abb. 1.12 u ¨ berstreicht der Fahrstrahl r in der Zeit dt die Fl¨ ache dA = 12 rrdϕ. Den Differentialquotienten 1 dϕ 1 dA = r2 = r2 ω dt 2 dt 2
(1.29b)
nennt man die Fl¨achengeschwindigkeit. Ein Vergleich mit (1.29b) zeigt, dass die Fl¨ achengeschwindigkeit bei Zentralbewegungen konstant ist. Man nennt diese Aussage den Fl¨achensatz. Er entspricht dem 2. Keplerschen Gesetz (Friedrich Johannes Kepler, 1571-1630) f¨ ur die Planetenbewegung: die Verbindungslinie von
1.1
Kinematik
27
der Sonne zu einem Planeten u ¨berstreicht in gleichen Zeiten gleiche Fl¨ achen. Beispiel 1.4 Ein Schiff S f¨ ahrt nach Abb. 1.13a mit einer konstan-
ten Geschwindigkeit v so, dass der Kurswinkel α gegen¨ uber der Verbindungslinie zum Leuchtturm L konstant bleibt. Wie groß ist die Beschleunigung und auf welcher Bahn f¨ahrt das Schiff? v v vϕ
α
α
y
vr
S r L Abb. 1.13
L
a
b
ϕ r0
x
L¨ osung Wir legen den Koordinatenursprung in L und beschreiben
die Bewegung in Polarkoordinaten (Abb. 1.13b). Die Geschwindigkeit hat dann die beiden konstanten Komponenten vr = v cos α,
vϕ = v sin α .
Mit vr = r˙ und vϕ = rϕ˙ (vgl. (1.22)) folgen hieraus r˙ = v cos α,
ϕ˙ =
v sin α . r
Durch Differenzieren ergeben sich r¨ = 0,
ϕ¨ =
dϕ˙ v sin α v 2 sin α cos α r˙ = − v cos α = − . 2 dr r r2
Damit erhalten wir f¨ ur die Beschleunigungskomponenten v 2 sin2 α , r v sin α v 2 sin α cos α aϕ = rϕ¨ + 2 r˙ ϕ˙ = − + 2 v cos α r r ar = r¨ − rϕ˙ 2 = −
B1.4
28
1 Bewegung eines Massenpunktes
=
v 2 sin α cos α . r
Der Betrag der Beschleunigung wird somit v 2 sin α 2 v 2 sin α a = a2r + a2ϕ = sin α + cos2 α = . r r Die gesuchte Bahnkurve folgt aus r˙ = v cos α → rϕ˙ = v sin α
dr = v cos α dt,
→ rdϕ = v sin α dt
durch Eliminieren von dt und Trennen der Ver¨anderlichen: dr dϕ = . r tan α Unbestimmte Integration f¨ uhrt auf ϕ ln r = +C. tan α Hat das Schiff f¨ ur ϕ = 0 den Abstand r0 vom Koordinatenursprung, so wird C = ln r0 . Einsetzen liefert r ϕ ϕ + ln r0 → ln = ln r = tan α r0 tan α oder ϕ
r = r0 e tan α . Dies ist die Gleichung einer logarithmischen Spirale. B1.5
Beispiel 1.5 Ein Schwungrad (Durchmesser d = 60 cm) wird aus
der Ruhelage gleichm¨ aßig beschleunigt und hat nach t1 = 20 s eine Drehzahl von n = 1000 min−1 erreicht. a) Wie groß ist die Winkelbeschleunigung ω˙ des Rades? b) Wie viele Umdrehungen N macht das Rad in der Zeit t1 ? c) Wie groß sind Geschwindigkeit und Beschleunigung auf einem Punkt des Umfanges zur Zeit t2 = 1 s nach dem Anlaufen? L¨ osung a) Bei einer gleichm¨ aßig beschleunigten Kreisbewegung
1.1
Kinematik
29
ist die Winkelbeschleunigung ω˙ = ω˙ 0 = const. Daher gilt unter Beachtung der Anfangsbedingung ω(0) = 0 f¨ ur die Winkelgeschwindigkeit ω = ω˙ 0 t. Mit ω(t1 ) = ω1 folgt daraus ω˙ 0 =
ω1 . t1
Winkelgeschwindigkeit ω und Drehzahl n (Umdrehungen pro Minute) lassen sich ineinander u uhren: bei einer Drehzahl n wird ¨ berf¨ in einer Minute ein Winkel von n·2 π u ¨ berstrichen. Soll die Winkelgeschwindigkeit in Vielfachen der Einheit 1/s angegeben werden, so gilt demnach ω=
n· 2π . 60
Mit den gegebenen Zahlenwerten folgt ω˙ 0 =
1000 · 2 π = 5, 24 s−2 . 60 · 20
uhrt mit ϕ(0) = 0 auf den Winkel b) Die Integration von ω = ω˙ 0 t f¨ ϕ=
1 ω˙ 0 t2 . 2
Mit den Zahlenwerten wird f¨ ur t = t1 der Winkel (im Bogenmaß) ϕ1 = ϕ(t1 ) =
1 · 5, 24 · 400 = 1048 . 2
Damit ergibt sich f¨ ur die Zahl der Umdrehungen ϕ1 = 166 . N= 2π c) Nach (1.26) ist die Geschwindigkeit v = rω = rω˙ 0 t . Die Beschleunigung hat nach (1.27) und (1.28) die zwei Komponenten aϕ = rω˙ 0 ,
ar = − rω 2 = − r(ω˙ 0 t)2 .
30
1 Bewegung eines Massenpunktes
Mit den gegebenen Zahlenwerten werden f¨ ur t = t2 v = rω˙ 0 t2 = 30 · 5, 24 · 1 = 157, 2 cm/s, 2
aϕ = 30 · 5, 24 = 157, 2 cm/s , ar = − 30 · (5, 24 · 1)2 = − 823, 7 cm/s2 und a=
2 a2ϕ + a2r = 838, 6 cm/s .
Die zum Mittelpunkt gerichtete Zentripetalbeschleunigung ar w¨ achst quadratisch mit t und ist daher im Beispiel bereits kurz nach dem Anfahren wesentlich gr¨ oßer als die zeitunabh¨angige Zirkularbeschleunigung aϕ . 1.1.5 R¨ aumliche Bewegung, nat¨ urliche Koordinaten
Die Bewegung eines Punktes auf einer r¨ aumlichen Kurve k¨onnen wir mit den bisher bereitgestellten Formeln entweder durch kartesische Koordinaten x, y, z oder durch Zylinderkoordinaten r, ϕ, z beschreiben. Dabei sind Zylinderkoordinaten eine r¨aumliche z
P
r ez
eϕ ϕ
x
er
Bahn
z y
r Abb. 1.14
Verallgemeinerung der Polarkoordinaten (Abb. 1.14). Da sich der Basisvektor ez mit der Zeit nicht a ¨ndert, gilt mit (1.22) f¨ ur Zylinderkoordinaten:
1.1
Kinematik
31
r = r er + z ez , v = r˙ er + rϕ˙ eϕ + z˙ ez ,
(1.30)
˙ eϕ + z¨ ez . a = (¨ r − rϕ˙ 2 ) er + (rϕ¨ + 2 r˙ ϕ) Dabei ist zu beachten, dass r nicht der Betrag des Vektors r ist, sondern dessen Projektion in die x, y-Ebene angibt. In manchen F¨ allen ist es zweckm¨ aßig, sich einer dritten M¨oglichkeit zur Beschreibung einer Bewegung zu bedienen. Dazu f¨ uhren wir ein Koordinatensystem ein, das sich mit dem Punkt P l¨ angs seiner Bahn bewegt. Dieses nat¨ urliche Koordinatensystem wird nach Abb. 1.15a durch die orthogonalen Einheitsvektoren et in Tangentenrichtung, en in Richtung der Hauptnormalen und eb in Richtung der Binormalen gebildet (begleitendes Dreibein). Die Vektoren et , en und eb bilden in dieser Reihenfolge ein Rechtssystem. Die Tangente und die Hauptnormale liegen in der sogenannten Schmiegungsebene, die der Kurve in jedem Punkt zuummungsmitgeordnet ist. Der Vektor en zeigt zum lokalen Kr¨ telpunkt M . Die Kurve kann in P lokal durch einen Kreis, den Kr¨ ummungskreis, angen¨ ahert werden. Sein Radius ρ (Strecke MP ) heißt Kr¨ ummungsradius. s
eb P
Bahn
et et + det
ds
en z
P
P
et
r
et
x
0
y
a
dϕ M
M
dϕ
b
Abb. 1.15
Mit der Bogenl¨ ange s(t) folgt aus dem Ortsvektor r = r(s(t))
et + det
det
32
1 Bewegung eines Massenpunktes
der Geschwindigkeitsvektor v = r˙ =
dr dr ds = . dt ds dt
Da dr in Richtung der Tangente zeigt und |dr| = ds ist, wird dr = ds et . Mit der Bahngeschwindigkeit (vgl. (1.2)) v = |v| =
ds = s˙ dt
(1.31)
ergibt sich daher v = v et .
(1.32)
Differentiation von (1.32) liefert die Beschleunigung a = v˙ = v˙ et + v e˙ t . ¨ Die zeitliche Anderung e˙ t des Tangentenvektors berechnen wir analog zum Abschnitt 1.1.4. Der Einheitsvektor et ¨andert zwischen zwei benachbarten Punkten P und P der Bahn seine Rich¨ tung um einen Winkel dϕ (Abb. 1.15b). Die Anderung det zeigt zum Kr¨ ummungsmittelpunkt M hin und hat den Betrag 1 · dϕ. Da der Zuwachs ds der Bogenl¨ ange zwischen P und P durch den Winkel dϕ und den Kr¨ ummungsradius ρ ausgedr¨ uckt werden kann (ds = ρ dϕ), wird det = 1 · dϕ en =
ds en ρ
→
e˙ t =
1 ds det v = en = en . dt ρ dt ρ
Einsetzen ergibt den Beschleunigungsvektor in nat¨ urlichen Koordinaten: a = at et + an en = v˙ et +
v2 en . ρ
(1.33)
Die Bahnbeschleunigung at = v˙ zeigt in Richtung der Tangente, die Normalbeschleunigung an = v 2 /ρ ist in Richtung der Hauptnormalen auf M gerichtet.
1.1
Kinematik
33
Im Sonderfall der Kreisbewegung werden mit ρ = r = const, s = rϕ und ϕ˙ = ω die Geschwindigkeit und die Beschleunigung v = s˙ = rω,
˙ at = v˙ = rω,
an =
v2 = rω 2 . r
(1.34)
Man erkennt, dass dieses Ergebnis mit (1.25) u ¨bereinstimmt, wenn man beachtet, dass der Richtungssinn des Normaleneinheitsvektors en entgegengesetzt zu dem von er ist. Zwischen den kinematischen Gr¨ oßen bei geradliniger Bewegung und den entsprechenden Gr¨ oßen in nat¨ urlichen Koordinaten bei r¨aumlicher Bewegung besteht folgende Analogie: Geradlinige Bewegung
R¨aumliche Bewegung
x
s
v = x˙
v = s˙
a = v˙ = x ¨
at = v˙ = s¨
Daher lassen sich alle Formeln der geradlinigen Bewegung nach Abschnitt 1.1.3 auch auf entsprechende Gr¨ oßen der r¨aumlichen Bewegung anwenden. So folgt zum Beispiel aus Tabelle 1.1, dass ange s nach f¨ ur gegebenes at (v) die Bogenl¨ v s = s0 +
v¯ d¯ v at (¯ v)
v0
berechnet werden kann. Nat¨ urliche Koordinaten sind selbstverst¨ andlich auch auf Bewegungen in einer Ebene anwendbar. Abb. 1.16 soll am Beispiel des Geschwindigkeitsvektors v f¨ ur den Sonderfall der ebenen Bewegung die m¨ oglichen Darstellungen veranschaulichen: a)
Kartesische Koordinaten
v = x˙ ex + y˙ ey ,
b)
Polarkoordinaten
v = r˙ er + rϕ˙ eϕ ,
c)
Nat¨ urliche Koordinaten
v = v et .
34
1 Bewegung eines Massenpunktes
vϕ = r ϕ˙ v
vy = y˙
et
vr = r˙ P
vx = x˙ y
ey
er
eϕ
ϕ ex
B1.6
Bahn
r
x
Abb. 1.16
Beispiel 1.6 Ein Punkt P bewegt sich in der x, y-Ebene auf der
Bahnkurve y = (α/2) x2 mit der konstanten Geschwindigkeit v0 (Abb. 1.17). Man ermittle seine Beschleunigung. y Bahn
P
v0
x
Abb. 1.17
L¨ osung Nach (1.33) ist bei konstanter Geschwindigkeit die Tangentialbeschleunigung gleich Null: at = 0. In der Aufgabe stimmen daher Normalbeschleunigung an und Beschleunigung a u ¨ berein. Zur Berechnung der Normalbeschleunigung ben¨otigen wir den Kr¨ ummungsradius ρ, der sich wie folgt berechnen l¨asst:
1 = ρ
d2 y dx2 . 2 3/2 dy 1+ dx
Im Beispiel wird
1.1
Kinematik
35
α 1 = , ρ [1 + (αx)2 ]3/2 und damit erhalten wir αv02 v2 = . ρ [1 + (αx)2 ]3/2
a = an =
Zur Probe wollen wir die Aufgabe auch in kartesischen Koordinaten l¨ osen. Aus der Bahngleichung folgt durch Differenzieren nach der Zeit y˙ = αx x˙ . Zwischen den Geschwindigkeitskomponenten besteht außerdem der Zusammenhang x˙ 2 + y˙ 2 = v02 . Aus diesen beiden Gleichungen erhalten wir durch Aufl¨osen x˙ 2 =
v02 , 1 + (αx)2
y˙ 2 =
(αx)2 v02 . 1 + (αx)2
Nochmaliges Differenzieren liefert 2 x˙ x ¨=−
2 y˙ y¨ =
v02 2 α2 x x˙ [1 + (α x)2 ]2
2 α2 x v02 x˙ [1 + (α x)2 ]2
→
y¨ =
→
x ¨=−
α2 x v02 , [1 + (α x)2 ]2
α v02 α2 x v02 x˙ = . [1 + (α x)2 ]2 y˙ [1 + (α x)2 ]2
Damit erhalten wir das schon bekannte Ergebnis [(α x)2 + 1]α2 v04 α v02 a= x ¨2 + y¨2 = = . 2 4 [1 + (α x) ] [1 + (α x)2 ]3/2 Die Beschleunigung nimmt an der Stelle x = 0 ihren Gr¨oßtwert an.
36
1.2
1 Bewegung eines Massenpunktes
1.2 Kinetik 1.2.1 Grundgesetze
Bisher haben wir bei einer Bewegung nur kinematische Gr¨oßen (Weg, Geschwindigkeit und Beschleunigung) betrachtet. Wir wissen aber aus Erfahrung, dass bei Bewegungen von K¨orpern i.a. auch Kr¨ afte wirken. Den Kraftbegriff haben wir bereits in der Statik ausf¨ uhrlich kennen gelernt (vgl. Band 1). Es gilt nun, die Kraft mit kinematischen Gr¨ oßen zu verkn¨ upfen. Dabei beschr¨anken wir uns im ersten Kapitel auf die Bewegung eines Massenpunktes. Hierunter verstehen wir einen K¨ orper, dessen Abmessungen auf den Ablauf der Bewegung keinen Einfluss haben. Wir k¨onnen den K¨ orper als einen Punkt betrachten, der mit einer konstanten Masse m behaftet ist. Im weiteren werden wir ihn meist kurz als Mas” se m“ bezeichnen. Ihre Begr¨ undung fand die Kinetik durch die drei Newtonschen Grundgesetze (1687). Sie sind eine Zusammenfassung aller experimentellen Erfahrungen, und alle Folgerungen, die aus ihnen gezogen werden, stimmen mit der Erfahrung u ¨ berein. Wir sehen diese Gesetze – ohne sie beweisen zu k¨ onnen – als richtig an: sie haben axiomatischen Charakter. 1. Newtonsches Gesetz Wenn auf einen Massenpunkt keine Kraft wirkt, so ist der Impuls konstant. Dabei versteht man unter Impuls oder Bewegungsgr¨oße p das Produkt aus Masse m und Geschwindigkeit v: p = mv.
(1.35)
Der Impuls ist ein Vektor, der in Richtung der Geschwindigkeit zeigt. Das erste Grundgesetz lautet damit: p = m v = const .
(1.36)
1.2
Kinetik
37
Es sagt aus, dass ein Massenpunkt eine geradlinige, gleichf¨ormige Bewegung ausf¨ uhrt, solange keine resultierende Kraft wirkt. Galilei hat diesen Sachverhalt bereits 1638 als Tr¨agheitsgesetz (v = const) formuliert. Mit v = 0 (der K¨ orper bleibt f¨ ur alle Zeiten in Ruhe) ist der Sonderfall der Statik im 1. Newtonschen Gesetz enthalten. 2. Newtonsches Gesetz ¨ Die zeitliche Anderung des Impulses ist gleich der auf den Massenpunkt wirkenden Kraft. Dieses Gesetz lautet als Formel: d(m v) dp = =F. dt dt
(1.37)
Da die Masse w¨ ahrend der Bewegung konstant bleibt, kann (1.37) auch geschrieben werden als m
dv = ma = F . dt
(1.38)
Wir werden bei der Kinetik des Massenpunktes meist diese Form des Grundgesetzes, d.h. in Worten Masse × Beschleunigung = Kraft, verwenden. Die Beschleunigung a hat dieselbe Richtung wie die Kraft F . Wenn die resultierende ¨ außere Kraft Null ist, folgt aus (1.37) das erste Grundgesetz (1.36). Dieses ist daher als Sonderfall im zweiten Grundgesetz enthalten. Nur aus historischen Gr¨ unden beh¨ alt man heute noch beide Formulierungen bei. Das Newtonsche Gesetz unterliegt zwei Einschr¨ankungen: a) Das Gesetz gilt in der Form (1.38) nur f¨ ur ein ruhendes Bezugssystem (Inertialsystem). F¨ ur die meisten technischen Anwendungen kann die Erde n¨ aherungsweise als ruhendes Bezugssystem angesehen werden. Wie man das Newtonsche Gesetz anwenden muss, wenn kein Inertialsystem vorliegt, d.h. wenn sich das Bezugssystem beschleunigt bewegt, wird in Kapitel 6 erl¨autert.
38
1 Bewegung eines Massenpunktes
b) Wenn die Geschwindigkeit so groß wird, dass sie in die N¨ahe der Lichtgeschwindigkeit (c ≈ 300 000 km/s) kommt, m¨ ussen die Gesetze der Relativit¨ atstheorie beachtet werden. Im Bereich der Technik tritt dieser Fall im allgemeinen nicht ein. ¨ Uberl¨ asst man einen K¨ orper in der N¨ ahe der Erdoberfl¨ache sich selbst, so bewegt er sich mit der Erdbeschleunigung g in Richtung auf den Erdmittelpunkt (g = 9, 81m/s2). Setzen wir g in (1.38) ein und beachten, dass beim freien Fall die einzig wirkende Kraft das Gewicht G ist, so gilt G = mg.
(1.39)
Eine Masse m hat im Erdschwerefeld das Gewicht G = mg. Fasst man Masse, Weg und Zeit als Grundgr¨oßen auf, so ist die Kraft wegen (1.38) eine abgeleitete Gr¨ oße (vgl. Band 1, Abschnitt 1.6). Ihre Einheit ist das Newton “ (1 N = 1 kg ms−2 ). ” 3. Newtonsches Gesetz Zu jeder Kraft gibt es stets eine entgegengesetzt gerichtete, gleich große Gegenkraft: actio = reactio. Das Wechselwirkungsgesetz (vgl. Band 1, Abschnitt 1.5) er¨ m¨ oglicht sp¨ ater auch den Ubergang vom einzelnen Massenpunkt auf ein System von Massenpunkten und damit letztlich auf den K¨ orper beliebiger Ausdehnung. Neben den Grundgesetzen verwenden wir in der Kinetik weiterhin alle Aussagen u afte (z.B. Kr¨ afteparallelogramm, Schnitt¨ ber Kr¨ prinzip, Freik¨ orperbild), die wir bereits aus der Statik kennen. 1.2.2 Freie Bewegung, Wurf
Entsprechend seinen drei Bewegungsm¨ oglichkeiten im Raum hat ein Massenpunkt drei Freiheitsgrade. Wenn die Bewegung in keiner Richtung behindert wird, spricht man von einer freien Bewegung. Sie wird durch die drei Komponenten der Vektorgleichung (1.38) beschrieben. Dabei kann man zwei Fragestellungen unterscheiden:
1.2
Kinetik
39
a) Wie groß sind die zur Bewegung notwendigen Kr¨afte, wenn der Ablauf der Bewegung bekannt ist? Die L¨ osung ergibt sich unmittelbar aus (1.38). b) Wie verl¨ auft die Bewegung, wenn die Kr¨ afte vorgegeben sind? Bei technischen Problemen tritt meistens dieser Fall auf. Nach (1.38) folgt aus gegebenen Kr¨ aften unmittelbar nur die Beschleunigung. Wenn wir Geschwindigkeit und Weg ermitteln wollen, m¨ ussen wir die Gleichung zweimal integrieren. Bei komplizierten Kraftgesetzen kann die Integration der Bewegungsgleichung erhebliche mathematische Schwierigkeiten bereiten. z
z m
v0 α
G
α
zh xh
xw
a
x
α
xw xw max x
α b
Abb. 1.18
Als einfaches Anwendungsbeispiel betrachten wir den schiefen Wurf. Ein Massenpunkt mit der Masse m wird zur Zeit t = 0 unter einem Winkel α zur x-Achse mit einer Geschwindigkeit v0 abgeworfen (Abb. 1.18a). Wenn wir den Luftwiderstand vernachl¨ assigen, wirkt als einzige Kraft das Gewicht G in negativer z-Richtung. Die Bewegungsgleichung (1.38) lautet daher in kartesischen Koordinaten m¨ x = 0,
m¨ y = 0,
m¨ z = − G = − mg .
Zweifache Integration f¨ uhrt nach K¨ urzen von m auf x˙ = C1 ,
y˙ = C3 ,
z˙ = − g t + C5 ,
x = C1 t + C2 , y = C3 t + C4 , z = − g
t2 + C5 t + C6 . 2
Entsprechend den drei Differentialgleichungen zweiter Ordnung treten bei der Integration 3 · 2 = 6 Integrationskonstanten auf. Sie folgen aus den 6 Anfangsbedingungen:
40
1 Bewegung eines Massenpunktes
x(0) ˙ = v0 cos α → C1 = v0 cos α,
x(0) = 0 → C2 = 0,
y(0) ˙ =0
→ C3 = 0,
y(0) = 0 → C4 = 0,
z(0) ˙ = v0 sin α
→ C5 = v0 sin α,
z(0) = 0 → C6 = 0 .
Einsetzen liefert die L¨ osung in Parameterdarstellung (Parameter t): y˙ = 0, z˙ = − g t + v0 sin α, t2 x = v0 cos α · t, y = 0, z = − g + v0 sin α · t . 2
x˙ = v0 cos α,
(1.40)
Hiernach bleibt der Massenpunkt, der in der x, z-Ebene abgeworfen wurde, f¨ ur alle Zeiten in dieser Ebene (y ≡ 0). Dies h¨atte man gleich ber¨ ucksichtigen k¨ onnen: der Punkt kann sich nicht in yRichtung bewegen, wenn in dieser Richtung keine Kraft wirkt und die Anfangsgeschwindigkeit y(0) ˙ Null ist. Weiterhin ist erw¨ahnenswert, dass die Bewegung unabh¨ angig von der Gr¨oße der Masse m ist. Durch Elimination der Zeit t erh¨ alt man aus (1.40) die Gleichung der Bahnkurve g x2 + tan α · x . (1.41) z(x) = − 2 2 v0 cos2 α Dies ist eine quadratische Parabel: der Massenpunkt bewegt sich beim schiefen Wurf entlang der Wurfparabel . Die Wurfweite xw folgt aus (1.41) mit der Bedingung z(xw ) = 0 zu v2 2 v 2 cos2 α = 0 sin 2 α . (1.42a) xw = tan α 0 g g Wegen sin 2 α = sin(π − 2 α) = sin 2 (π/2 − α) wird f¨ ur die zwei Winkel α und α = π/2 − α bei gleicher Abwurfgeschwindigkeit v0 dieselbe Wurfweite xw erreicht (Flach- und Steilwurf nach Abb. 1.18b). Die gr¨ oßte Wurfweite ergibt sich f¨ ur α = π/4, und sie betr¨ agt xw max =
v02 . g
(1.42b)
1.2
Kinetik
41
Die Wurfzeit tw folgt durch Einsetzen der Wurfweite xw in (1.40) zu tw =
v0 xw =2 sin α . v0 cos α g
(1.43)
Vergleicht man Flach- und Steilwurf, so kann man aus (1.43) ablesen, dass die Wurfzeit beim Steilwurf gr¨ oßer ist. Die Wurfh¨ ohe zh erhalten wir aus der Bedingung, dass die Tangente an die Wurfparabel im Scheitel waagerecht verl¨auft (Abb. 1.18a): g dz =− 2 x + tan α = 0 dx v0 cos2 α →
zh = z(xh ) =
→
xh =
1 v02 sin 2α 2 g
1 (v0 sin α)2 . 2g
(1.44)
Wegen der Symmetrie der Wurfparabel ist xh = 12 xw . Die Wurfh¨ohe h¨ angt nur von der z-Komponente z(0) ˙ = v0 sin α der Anfangsgeschwindigkeit ab. Beispiel 1.7 Von der Spitze eines Turmes (Abb. 1.19a) wird eine
Masse mit einer Anfangsgeschwindigkeit v0 unter einem Winkel α gegen die Horizontale abgeworfen. Sie trifft im Abstand L vom Fuß des Turmes auf. a) Welche H¨ ohe H hat der Turm? b) Wie lange fliegt der K¨orper? c) Mit welcher Geschwindigkeit schl¨ agt er auf? z
v0
v0
α α
x
H
Abb. 1.19
a
111 000
L b
L¨ osung a) Wir legen den Koordinatenursprung in die Turmspitze
(Abb. 1.19b). Der Auftreffpunkt hat dann die Koordinaten x = L
B1.7
42
1 Bewegung eines Massenpunktes
und z = −H. Einsetzen in die Bahngleichung (1.41) liefert H=
2 v02
g L2 − L tan α . cos2 α
b) Da Auftreff- und Abwurfpunkt nicht auf gleicher H¨ohe sind, k¨onnen wir die Wurfzeit nicht nach (1.43) berechnen. Wir erhalten sie aus der Parameterdarstellung (1.40) mit x = L und t = T zu L . T = v0 cos α c) Die Geschwindigkeit im Zeitpunkt t = T des Auftreffens hat nach (1.40) die beiden Komponenten x˙ = v0 cos α,
z˙ = − g T + v0 sin α
und daher den Betrag v = x˙ 2 + z˙ 2 = v02 cos2 α + v0 sin α − g =
v02 − 2 g L tan α + g 2
L2 = 2 v0 cos2 α
L v0 cos α
2
v02 + 2 g H .
Die Gr¨ oße der Auftreffgeschwindigkeit h¨ angt nicht vom Abwurfwinkel α ab. 1.2.3 Gef¨ uhrte Bewegung
Wenn ein Massenpunkt gezwungen ist, sich auf einer vorgegebenen uhrten Fl¨ ache oder Kurve zu bewegen, so spricht man von einer gef¨ oder gebundenen Bewegung. Dann verringert sich die Zahl seiner Freiheitsgrade gegen¨ uber den drei Freiheitsgraden der freien Bewegung im Raum. Die Zahl der Freiheitsgrade ist gleich der Zahl der Koordinaten, die notwendig sind, um die jeweilige Lage des Massenpunktes eindeutig zu beschreiben. Bewegt sich daher ein Massenpunkt auf einer vorgegebenen Fl¨ ache, so hat er nur zwei Freiheitsgrade, da jeder Punkt einer Fl¨ ache durch zwei Koordinaten (Gaußsche
1.2
Kinetik
43
Fl¨achenparameter) festgelegt wird. Eine Bewegung senkrecht zur Fl¨ache wird durch die Bindung verhindert. Wird der Punkt gezwungen, sich auf einer Raumkurve zu bewegen, so hat er nur noch einen Freiheitsgrad, da seine Lage durch eine Koordinate (Bogenl¨ ange s) gegeben ist. Neben den eingepr¨ agten Kr¨ aften F (e) (wie z.B. dem Gewicht), die unabh¨ angig von der F¨ uhrung sind, treten nun F¨ uhrungskr¨afte oder Zwangskr¨afte F (z) auf, welche gerade die geforderte Bindung an eine Fl¨ ache oder Kurve bewirken. Diese Zwangskr¨afte sind Reaktionskr¨ afte, die senkrecht zur Bahn stehen. Sie k¨onnen im Freik¨ orperbild sichtbar und dadurch einer Berechnung zug¨anglich gemacht werden. Mit den auf die Masse wirkenden Kr¨aften F (e) und F (z) l¨ asst sich das dynamische Grundgesetz (1.38) wie folgt schreiben: ma = F (e) + F (z) .
(1.45)
111111111 000000000 000000000 111111111 000000000 111111111 000000000 111111111 000000000 111111111 000000000 111111111 m
ϕ
r
N
glatt
Abb. 1.20
a
G b
Als Anwendungsbeispiel betrachten wir die Bewegung einer Masse m auf einer glatten Halbkreisbahn vom Radius r (Abb. 1.20a). Sie wird ohne Anfangsgeschwindigkeit aus ihrer Lage im h¨ ochsten Punkt losgelassen. Da sich die Masse l¨angs einer vorgegebenen Kurve (Kreis) bewegt, hat sie nur einen Freiheitsgrad. Als Koordinate w¨ ahlen wir den Winkel ϕ gegen die Horizontale (Abb. 1.20b). In das Freik¨ orperbild werden die eingepr¨ agte Kraft G = mg und die F¨ uhrungskraft N eingezeichnet. Beschreiben wir die Bewegung in nat¨ urlichen Koordinaten, so lautet (1.45) in Komponenten (Zwangskr¨ afte haben keine Tangentialkomponenten) man = Fn(e) + Fn(z) ,
(e)
mat = Ft
.
44
1 Bewegung eines Massenpunktes
Wir wollen von nun an die Richtung, f¨ ur die wir eine Bewegungsgleichung anschreiben, durch einen entsprechend gerichteten Pfeil (↑ :) kennzeichnen. Im Beispiel gilt mit an = rϕ˙ 2 und at = rϕ¨ in Normalen- und Tangentenrichtung: : :
m rϕ˙ 2 = N − G sin ϕ, m rϕ¨ = G cos ϕ .
Dies sind zwei Gleichungen f¨ ur die Unbekannten ϕ und N . Aus der ϕ˙ dϕ ϕ˙ zweiten Gleichung folgt mit ϕ¨ = ddϕ ˙ ddϕ nach Trennung der dt = ϕ g Ver¨ anderlichen: ϕ˙ dϕ˙ = r cos ϕ dϕ (vgl. Abschnitt 1.1.3). Durch Integration unter Beachtung der Anfangsbedingung ϕ(ϕ ˙ = 0) = 0 erh¨ alt man daraus g ϕ˙ 2 = sin ϕ . 2 r
√ Die Geschwindigkeit wird dann v = rϕ˙ = 2 gr sin ϕ; sie nimmt √ ihren gr¨ oßten Wert vmax = 2 gr im tiefsten Punkt ϕ = π/2 der Bahn an. Wenn man den Weg ϕ(t) ermitteln will, wird man nach nochmaliger Trennung der Ver¨ anderlichen auf das Integral
dϕ √ gef¨ uhrt, das nicht mehr elementar l¨osbar ist. sin ϕ Die F¨ uhrungskraft l¨ asst sich aus der ersten Bewegungsgleichung durch Einsetzen von ϕ˙ 2 berechnen: g N = mr 2 sin ϕ + G sin ϕ = 3 G sin ϕ . r Im tiefsten Punkt der Bahn ist die Zwangskraft bei der Bewegung dreimal so groß wie im statischen Fall. B1.8
Eine Kreisscheibe dreht sich in einer horizontalen Ebene mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit ω0 um 0 (Abb. 1.21a). In einer glatten F¨ uhrungsschiene bewegt sich eine Punktmasse m in radialer Richtung. Die Masse soll dabei relativ zur Scheibe eine konstante Geschwindigkeit v0 besitzen. Welche Kr¨ afte wirken auf die Masse?
Beispiel 1.8
L¨ osung Wir zeichnen das Freik¨ orperbild (Abb. 1.21b) und tra-
1.2
Kinetik
45
Kr m
v0 N1
0
r
ω0 ϕ 0
Abb. 1.21
a
b
gen die in der Ebene wirkenden Kr¨ afte ein: die Kraft Kr (sie ist notwendig, um die konstante Geschwindigkeit v0 zu erzwingen) alt die Masse in der F¨ uhrungsschiene). In und die Kraft N1 (sie h¨ Polarkoordinaten ergeben sich damit aus (1.45) die Bewegungsgleichungen : mar = Kr ,
: maϕ = N1 .
Aus (1.22) erhalten wir mit ϕ˙ = ω0
→
ϕ¨ = 0,
r˙ = v0
→
r¨ = 0
die Beschleunigungskomponenten ar = − rω02 ,
aϕ = 2 v0 ω0 .
Einsetzen in die Bewegungsgleichungen liefert die gesuchten Kr¨afte Kr = − m r ω02 ,
N1 = 2 m v0 ω0 .
Das Minuszeichen bei Kr zeigt an, dass diese Kraft nach innen zeigen muss. Der Vollst¨ andigkeit halber sei noch erw¨ahnt, dass senkrecht zur Scheibe eine weitere Kraft N2 wirkt, welche dem Gewicht G der Masse das Gleichgewicht h¨ alt: N2 = G. 1.2.4 Widerstandskr¨ afte
Besondere technische Bedeutung haben Widerstandskr¨afte. Es sind dies eingepr¨ agte Kr¨ afte, die erst durch die Bewegung entstehen und die auch von der Bewegung abh¨ angen k¨onnen. Wider-
46
1 Bewegung eines Massenpunktes
standskr¨ afte sind stets tangential zur Bahn und der Bewegung entgegen gerichtet. Beispiele sind die Reibung zwischen einem K¨orper und seiner Unterlage oder der Luftwiderstand. Wir wollen zun¨ achst die trockene Reibung betrachten. Das Coulombsche Reibungsgesetz R = µN
(1.46)
haben wir bereits in Band 1 behandelt. Darin sind N die Normalkraft und µ der Reibungskoeffizient. Die Reibungskraft R ist unabh¨ angig von der Gr¨ oße der Geschwindigkeit.
111111 000000 000000 111111 000000 111111 000000 111111 000000 111111
y t=0
m
x
µ
α
a
xE
R N
h G
b
t = tE
α c
Abb. 1.22
Betrachten wir als Anwendungsbeispiel einen Klotz der Masse m, der nach Abb. 1.22a auf einer rauhen schiefen Ebene (Neigungswinkel α) rutscht. Wir zeichnen im Freik¨orperbild (Abbildung 1.22b) alle wirkenden Kr¨ afte ein: Gewicht G, Normalkraft N und Reibungskraft R. Die Bewegungsgleichungen in tangentialer Richtung x und in normaler Richtung y lauten: : m¨ x = mg sin α − R,
: m¨ y = N − mg cos α .
Mit y¨ = 0 (der K¨ orper ist an die Ebene gebunden) folgt aus der zweiten Gleichung N = mg cos α. Einsetzen des Reibungsgesetzes (1.46) in die erste Gleichung liefert damit die Beschleunigung x ¨ = g (sin α − µ cos α) = const . Hieraus lassen sich Geschwindigkeit und Weg unmittelbar durch Integration u ¨ ber die Zeit ermitteln. Geben wir noch die Anfangs-
1.2
Kinetik
47
bedingungen x(0) ˙ = 0, x(0) = 0 vor, so werden x˙ = g (sin α − µ cos α) t ,
x = g (sin α − µ cos α)
t2 . 2
Wird der Klotz nach Abb. 1.22c aus einer H¨ ohe h losgelassen, so legt er die Strecke xE = h/ sin α in der Zeit 2 xE 2h tE = t(xE ) = = g (sin α − µ cos α) g sin α(sin α − µ cos α) zur¨ uck und hat dann die Geschwindigkeit vE = x(t ˙ E ) = g (sin α − µ cos α) tE =
2 gh (sin α − µ cos α) . sin α
F¨ ur α = 90◦ (senkrechte Wand, freier Fall) wird N = 0. Es kann dann keine Reibung auftreten, und vE wird gleich der Auftreffge√ schwindigkeit vE = 2 gh nach Abschnitt 1.1.3. Bei der Bewegung eines festen K¨ orpers in fl¨ ussigen oder gasf¨ormigen Medien treten ebenfalls Widerstandskr¨ afte auf. Wir wollen von den verschiedenen Widerstandsgesetzen, die man aus Experimenten ableiten kann, nur zwei idealisierte Sonderf¨alle betrachten. Bei kleinen Geschwindigkeiten ist die Str¨ omung laminar. Die Widerstandskraft Fw ist in diesem Falle proportional zur Geschwindigkeit: Fw = kv.
(1.47a)
Dabei h¨ angt die Konstante k von der Geometrie des umstr¨omten K¨ orpers und der dynamischen Z¨ ahigkeit η der Fl¨ ussigkeit ab. George Gabriel Stokes (1819-1903) hat 1854 das Gesetz f¨ ur die Widerstandskraft auf eine Kugel vom Radius r, die mit einer Geschwindigkeit v angestr¨ omt wird (oder sich mit v durch eine ruhende Fl¨ ussigkeit bewegt) mit Fw = 6 π η r v
(1.47b)
angegeben. Ein linearer Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit und Widerstandskraft wird h¨ aufig auch bei ged¨ ampften Schwingungen angenommen (Kapitel 5).
48
1 Bewegung eines Massenpunktes
Bei gr¨ oßeren Geschwindigkeiten wird die Str¨omung turbulent. Das Widerstandsgesetz kann man in diesem Fall n¨aherungsweise durch Fw = kv 2
(1.48a)
beschreiben, wobei die Konstante k von der Geometrie des K¨orpers und von der Dichte ρ des umstr¨ omenden Mediums abh¨angt. Man schreibt dieses Gesetz h¨ aufig in der Form ρ 2 (1.48b) Fw = cw As v . 2 Dabei ist As die Projektion des K¨ orpers auf eine Ebene senkrecht zur Anstr¨ omrichtung, und der Widerstandsbeiwert cw erfasst alle weiteren Parameter. Er ist z.B. bei einem modernen Pkw kleiner als 0,3. Als Anwendungsbeispiel betrachten wir den Geschwindigkeitsverlauf beim freien Fall mit Luftwiderstand. Ein K¨orper vom Gewicht G soll in einer beliebigen H¨ ohe ohne Anfangsgeschwindigkeit losgelassen werden. Das Widerstandsgesetz sei durch (1.48a) gegeben. Mit den Bezeichnungen nach Abb. 1.23a lautet das Bewegungsgesetz ↓ : m¨ x = G − Fw = mg − k x˙ 2 . Wenn wir mit κ2 = mg/k eine neue, zweckm¨aßige Konstante einf¨ uhren, so wird x˙ 2 x ¨=g 1− 2 . (a) κ Trennung der Ver¨ anderlichen und Integration liefern dx˙ = dt x˙ 2 g 1− 2 κ
→
t=
x˙ κ artanh + C . g κ
Da zur Zeit t = 0 die Geschwindigkeit x(0) ˙ = 0 ist, wird C = 0. Aufl¨ osen nach x˙ ergibt den Geschwindigkeitsverlauf x˙ = κ tanh
gt . κ
1.2
Kinetik
49
F¨ ur wachsende t n¨ ahert sich die Geschwindigkeit asymptotisch dem Grenzwert x˙ G = κ, da der Hyperbeltangens gegen Eins geht. Die Bewegung wird dann gleichf¨ ormig. Wir k¨ onnen die Grenzgeschwindigkeit x˙ G daher auch aus (a) mit der Bedingung x¨ = 0 unmittelbar zu x˙ G = κ ablesen. x˙ x˙ G
x G
Fw Abb. 1.23
α
a
t
b
In Abb. 1.23b ist der Geschwindigkeitsverlauf aufgetragen. Zu Beginn der Bewegung ist die Geschwindigkeit Null und deshalb nach (a) die Beschleunigung x¨ = g: die Anfangssteigung dx/dt ˙ (bzw. der Winkel α) ist durch die Erdbeschleunigung gegeben. F¨ ur wachsende t n¨ ahert sich die Geschwindigkeit x˙ asymptotisch dem Grenzwert x˙ G , den sie allerdings erst in unendlicher Zeit erreicht. Beispiel 1.9 Ein F¨ orderband bewegt sich mit der konstanten Ge-
schwindigkeit vF = 3 m/s. Zur Zeit t = 0 wird nach Abb. 1.24a an der Stelle A eine Kiste (Reibungskoeffizient µ = 0,2) vom Gewicht G = mg mit der horizontalen Geschwindigkeit v0 = 0,5 m/s aufgesetzt. Wie lange rutscht die Kiste? Welchen Abstand hat die Kiste nach Beendigung des Rutschens von der Aufsetzstelle auf dem F¨ orderband? sK v0 A
A
R N
a
Abb. 1.24
b
t∗
t=0
G
vF
s∗K s
c
s∗F
b
A∗
B1.9
50
1 Bewegung eines Massenpunktes
L¨ osung Wegen vF > v0 wirkt auf die Kiste zun¨ achst eine Reibungskraft R nach rechts (Abb. 1.24b). Aus der Bewegungsgleichung f¨ ur die Kiste
→: m¨ sK = R folgt mit N = mg und mit dem Reibungsgesetz R = µ N = µ mg die Beschleunigung s¨K = µg. Mit den Anfangsbedingungen s˙ K (0) = v0 und sK (0) = 0 finden wir durch Integration s˙ K = vK = µg t + v0 ,
sK = µg
t2 + v0 t . 2
Das Rutschen endet zu der Zeit t∗ , wenn die Kiste die Geschwinorderbandes erreicht hat: digkeit vF des F¨ vK = vF
→
µ g t∗ + v0 = vF .
Hieraus folgt mit den gegebenen Zahlenwerten die Zeit f¨ ur den Rutschvorgang t∗ =
3 − 0, 5 vF − v0 = = 1, 27 s . µg 0, 2 · 9, 81
Die Kiste hat bis zur Zeit t∗ den Weg s∗K = sK (t∗ ) = µg = 0, 2 · 9, 81 ·
t∗2 + v0 t∗ 2
1, 272 + 0, 5 · 1, 27 = 2, 2 m 2
zur¨ uckgelegt. In der gleichen Zeit hat sich die Stelle A des F¨orderbandes um die Strecke s∗F = sF (t∗ ) = vF t∗ = 3 · 1, 27 = 3, 8 m
1.2
Kinetik
51
nach A∗ verschoben (Abb. 1.24c). Der Abstand b der Kiste vom urspr¨ unglichen Aufsetzpunkt betr¨ agt demnach b = s∗F − s∗K = 3, 8 − 2, 2 = 1, 6 m . Beispiel 1.10 Eine Kugel (Masse m, Radius r) f¨ allt in einem mit
Fl¨ ussigkeit gef¨ ullten Beh¨ alter (Abb. 1.25a). Man untersuche die Bewegung unter der Annahme, dass das Stokessche Widerstandsgesetz gilt und der Auftrieb vernachl¨assigbar ist. z˙ G z m a
z
z˙G
Fw b
t
c
1/k
t
Abb. 1.25
L¨ osung Wir z¨ ahlen nach Abb. 1.25b die Koordinate z positiv nach unten. Mit (1.47b) wird dann die Bewegung durch die Gleichung
↓ : m¨ z = G − Fw = mg − 6 π η r z˙ beschrieben. Unter Verwendung der Abk¨ urzung
6πηr = k wird m
z¨ = g − k z˙ . Trennung der Ver¨ anderlichen und Integration f¨ uhren auf 1 k z˙ dz˙ = dt → − ln 1 − = t + C1 . g − k z˙ k g Wenn wir als Anfangsbedingung z(0) ˙ = 0 annehmen, so wird C1 = 0. Nach Bilden der Umkehrfunktion erh¨alt man die Geschwindigkeit g z˙ = (1 − e−kt ) . k Hieraus ergibt sich durch eine weitere Integration der Weg
B1.10
52
1 Bewegung eines Massenpunktes
g z= k
1 −kt + C2 . t+ e k
Mit der Anfangsbedingung z(0) = 0 wird C2 = −1/k und daher g 1 −kt z= t − (1 − e ) . k k F¨ ur kt → ∞ (große Zeit) strebt z˙ gegen den Grenzwert z˙G =
g = const . k
Der Weg verl¨ auft dann linear mit der Zeit. F¨ ur große k, z.B. bei großer Z¨ ahigkeit η, wird dieser Grenzzustand praktisch rasch erreicht. Eine Messung der dann konstanten Geschwindigkeit z˙G kann zur Ermittlung von η dienen. Abb. 1.25c zeigt die Verl¨aufe von Geschwindigkeit und Weg. 1.2.5 Impulssatz, Stoß
Integriert man das Newtonsche Grundgesetz d (m v) = F dt u alt man den Impulssatz ¨ber die Zeit, so erh¨ t m v − m v0 =
F dt¯.
(1.49)
t0
¨ Hiernach ist die Anderung des Impulses p = m v zwischen dem Zeitpunkt t0 und einer beliebigen Zeit t gleich dem Zeitintegral u ahrend dieser Zeitspanne Null ist, bleibt ¨ber die Kraft. Wenn F w¨ der Impuls unge¨ andert (Impulserhaltung): p = m v = m v0 = const . H¨ aufig wird der Impulssatz bei Stoßvorg¨ angen angewendet. Ein Stoß ist dadurch gekennzeichnet, dass eine sehr große Kraft u ¨ ber einen sehr kurzen Zeitraum (die Stoßdauer ts ) wirkt. Dabei erf¨ahrt
1.2
Kinetik
53
die Masse eine pl¨ otzliche Geschwindigkeits¨ anderung; die Lage¨anderung ist vernachl¨ assigbar. Der genaue Verlauf von F w¨ahrend des Stoßes ist meist unbekannt. Um dennoch die Geschwindigkeit nach dem Stoß berechnen zu k¨ onnen, f¨ uhren wir die u ¨ ber die Stoßdauer integrierte Kraft, die Stoßkraft (Kraftstoß) Fˆ ein: ts Fˆ =
F dt .
(1.50)
0
Damit folgt aus (1.49) f¨ ur Stoßvorg¨ ange m v − m v0 = Fˆ .
(1.51)
Wir betrachten nun einen Massenpunkt, der nach Abb. 1.26a schr¨ ag auf eine Wand auftrifft. Im weiteren wollen wir die Geschwindigkeit vor dem Stoß mit v und die Geschwindigkeit nach dem Stoß mit v¯ bezeichnen. Mit dem verwendeten Koordinatensystem lautet (1.51) in Komponenten →: m v¯x − m vx = Fˆx ,
↑: m v¯y − m vy = Fˆy .
(1.52)
Dabei sollen die Pfeile (z.B. → :) kennzeichnen, in welcher Richtung der Impulssatz angeschrieben wird. Aus Abb. 1.26a lesen wir ab: vx = − v cos α, vy = v sin α, v¯x = v¯ cos α, ¯
0110 1010 1010 1010
v¯
y
a
Abb. 1.26
v¯y = v¯ sin α ¯.
F
y α ¯ α
x
v
m
Fmax
F x FˆK FˆR ts b
c
t
54
1 Bewegung eines Massenpunktes
Im weiteren nehmen wir an, dass die Wand glatt ist. Dann kann sie in y-Richtung keine Kraft auf die Masse aus¨ uben, und mit Fˆy = 0 folgt aus (1.52) v¯y = vy .
(1.53)
Die Geschwindigkeitskomponente in y-Richtung a¨ndert sich beim Stoß nicht. ¨ Um die Anderung der x-Komponente der Geschwindigkeit zu ermitteln, teilen wir zun¨ achst den Stoß in zwei Zeitabschnitte auf: die Kompressionsperiode, in welcher der K¨orper zusammengedr¨ uckt wird, und die Restitutionsperiode, w¨ahrend der er sich ganz oder teilweise zur¨ uckbildet. Die Kraft Fx = F , die w¨ahrend des Stoßvorganges auf die Masse wirkt (Abb. 1.26b), w¨achst in der Kompressionsperiode bis zu ihrem Gr¨ oßtwert Fmax und f¨allt in der Restitutionsperiode wieder auf Null ab (Abb. 1.26c). Wir schreiben den Impulssatz in x-Richtung f¨ ur beide Abschnitte getrennt an (im Augenblick der gr¨ oßten Zusammendr¨ uckung ist die Geschwindigkeit Null): Kompressionsperiode:
m · 0 − m vx = FˆK ,
Restitutionsperiode:
m v¯x − m · 0 = FˆR .
(1.54)
Die zwei Gleichungen (1.54) enthalten drei Unbekannte: die Geafte FˆK und FˆR . Eine weischwindigkeit v¯x und die beiden Stoßkr¨ tere Gleichung erhalten wir durch eine Hypothese u ¨ ber das Verformungsverhalten w¨ ahrend der Restitution. Dabei wollen wir drei F¨ alle unterscheiden: a) Ideal-elastischer Stoß Wir nehmen an, dass Verformungen und Kr¨ afte in der Kompressions- und der Restitutionsperiode spiegelbildlich verlaufen. Dann nimmt die Masse nach dem Stoßende wieder ihre urspr¨ ungliche Form an, und die Stoßkr¨ afte in beiden Abschnitten sind gleich. Aus FˆR = FˆK folgt m v¯x = − m vx
→
v¯x = − vx ,
1.2
Kinetik
55
und mit (1.53) werden daher v¯ = v
und α ¯ = α.
Beim ideal-elastischen Stoß (Abb. 1.27a) sind die Winkel und die Geschwindigkeiten beim Auftreffen und beim Abprallen jeweils gleich (vgl. Reflexionsgesetz der Optik). v¯ v¯y
v¯ v¯
y
a
1 0 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1
α ¯=α α v
y
x
e=1
b
1 0 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1
y
v¯x α ¯ α vy
v
vx 0 α. Man kann nach (1.57) die Stoßzahl auch als Verh¨altnis der Geschwindigkeitskomponenten senkrecht zur Wand nach und vor dem Stoß definieren: v¯x . (1.58) e=− vx Nach Abb. 1.27b wird tan α ¯ =
Das Minuszeichen tritt auf, weil beide Geschwindigkeiten in derselben Richtung positiv gez¨ ahlt werden. Im Beispiel ist vx negativ und e damit positiv. Die Stoßzahl e kann experimentell wie folgt ermittelt werden. L¨ asst man eine Masse aus einer H¨ ohe h1 auf eine waagerechte Unterlage fallen, so ist die (nach unten gerichtete) Auftreffgeschwindigkeit nach Abschnitt 1.1.3 v = 2 g h1 . Nach dem Stoß hat der K¨ orper die nach oben gerichtete Abprallgeschwindigkeit v¯. Er erreicht damit eine H¨ ohe h2 =
v¯2 2g
→
v¯ =
2 g h2 .
Unter Beachtung der Richtungen folgt hieraus mit (1.58) √ 2 g h2 h2 v¯ e=− = √ → e= . (1.59) v h1 2 g h1 Damit kann die Stoßzahl unmittelbar aus den H¨ohen vor und nach dem Stoß ermittelt werden. Beim ideal-elastischen Stoß ist h2 = h1
1.2
Kinetik
57
und damit e = 1; beim ideal-plastischen Stoß ist h2 = 0 und damit e = 0. Beispiel 1.11 Ein Mann (Gewicht G1 = m1 g) steht auf den Ku-
fen eines Lastschlittens (Gewicht G2 = m2 g) und st¨oßt sich in gleichen Zeitabst¨ anden ∆t am Boden (Reibungskoeffizient µ) ab, wodurch der am Anfang ruhende Schlitten in Bewegung kommt (Abb. 1.28a). Es sei zur Vereinfachung angenommen, dass bei jedem Abstoßen w¨ ahrend einer kurzen Zeit ts eine konstante horizontale Kraft P aufgebracht werde (ts ∆t). Wie groß ist die Geschwindigkeit v unmittelbar nach dem n-ten Abstoßen? G1 +G2 (P )
G1
m1 +m2
G2 R N
b
a
Abb. 1.28
L¨ osung Wir k¨ onnen uns das System (Schlitten und Mann) durch
einen Massenpunkt ersetzt denken (Abb. 1.28b). Auf ihn wirken in horizontaler Richtung die Kraft P (jeweils w¨ ahrend der St¨oße in den Zeiten ts ) und die Reibungskraft R = µN (w¨ahrend der ganzen Zeit). Bis zum n-ten Abstoßen ist eine Zeit T = (n − 1)∆t vergangen. Mit der Anfangsgeschwindigkeit v0 = 0 zur Zeit t0 = 0 erhalten wir damit aus dem Impulssatz (1.49) f¨ ur die Gesamtmasse T ts T ←: (m1 + m2 ) v =
P dt −
F dt = n 0
0
µ(G1 + G2 ) dt 0
die gesuchte Geschwindigkeit nach dem n-ten Abstoßen zu n P ts − µ g (n − 1) ∆t . v= m1 + m2
B1.11
58
B1.12
1 Bewegung eines Massenpunktes
Beispiel 1.12 Ein Eishockeypuck trifft mit einer Geschwindigkeit
v unter dem Winkel α = 45◦ auf eine glatte Bande und wird unter β = 30◦ reflektiert (Abb. 1.29). Wie groß sind die Geschwindigkeit v¯ nach dem Stoß und die Stoßzahl e? x v¯ v β
11111111111 00000000000 α
Abb. 1.29
L¨ osung Bei glatter Wand muss der Impuls in Richtung der Wand
erhalten bleiben: →: m v¯ cos β = m v cos α . Hieraus folgt die Geschwindigkeit nach dem Stoß zu 2 cos α = v. v¯ = v cos β 3 In der Richtung senkrecht zur Wand erfolgt der Stoß mit der Stoßzahl e. Aus (1.58) findet man mit vx = − v sin α,
v¯x = v¯ sin β
die Stoßzahl zu v¯ sin β = e=− − v sin α
2 3
1 2
√ 3 = . 3 2
1 2 √
1.2.6 Momentensatz
In der Statik (vgl. Band 1) haben wir f¨ ur das Moment einer Kraft bez¨ uglich eines Punktes 0 den Momentenvektor M (0) = r × F
(1.60)
1.2
Kinetik
59
eingef¨ uhrt. Eine analoge kinetische Gr¨ oße ist das Impulsmoment (0) L . Es ist definiert als Vektorprodukt aus r und p: L(0) = r × p = r × m v .
(1.61)
Den Vektor L(0) nennt man auch Drehimpuls- oder Drallvektor. Er steht senkrecht auf der Ebene, die vom Ortsvektor r (vom festen Punkt 0 zum bewegten Massenpunkt) und dem Geschwindigkeitsvektor v aufgespannt wird (Abb. 1.30a). Sein Betrag ergibt sich aus dem senkrechten Abstand r⊥ und dem Impuls mv zu L(0) = r⊥ mv. Bahn
z
Bahn
dr
v
dA m
dA
L(0)
r r
0 r⊥ a
m 0
y
x
b
Abb. 1.30
Wir wollen nun einen Zusammenhang zwischen Drehimpuls und Moment herleiten. Hierzu multiplizieren wir das Newtonsche Grundgesetz (1.38) vektoriell mit dem Ortsvektor: dv r× m = r × F. (1.62) dt Die rechte Seite ist das Moment nach (1.60). Die linke Seite formen wir mit Hilfe von dv d (r × m v) = r˙ × m v + r × m dt dt um. Da der erste Summand auf der rechten Seite wegen r˙ = v verschwindet, gilt r×m
d dL(0) dv = (r × m v) = . dt dt dt
60
1 Bewegung eines Massenpunktes
Damit l¨ asst sich (1.62) schreiben als dL(0) = M (0) . dt
(1.63)
Dies ist der Momentensatz (Drehimpulssatz, Drallsatz): die zeitliche Ableitung des Drehimpulses in Bezug auf einen beliebigen raumfesten Punkt 0 ist gleich dem Moment der am Massenpunkt angreifenden Kraft bez¨ uglich desselben Punktes 0. Wenn das Moment M (0) verschwindet, bleibt der Drehimpuls unver¨ andert (Drehimpulserhaltung): L(0) = r × m v = const . Eine anschauliche Deutung des Dralls kann man aus Abb. 1.30b gewinnen. Im Zeitabschnitt dt u ¨ berstreicht der Ortsvektor r eine uhrt man einen zugeordneten Fl¨ ache vom Betrag dA = 12 |r×dr|. F¨ Vektor 1 1 dA = (r × dr) = (r × v dt) 2 2 ein, so wird die vektorielle Fl¨achengeschwindigkeit dA 1 = (r × v) . dt 2 Einsetzen in (1.61) liefert L(0) = 2 m
dA . dt
(1.64)
Der Drall ist somit proportional zur Fl¨ achengeschwindigkeit. y vy
x
v v
m
m vx
r
y 0 r⊥
0
ϕ
ω x Abb. 1.31
Abb. 1.32
1.2
Kinetik
61
Zeigt bei einer Bewegung der Kraftvektor stets zu einem Zentrum 0 hin, so verschwindet das Moment bez¨ uglich 0. Der Drall und damit nach (1.64) auch die Fl¨ achengeschwindigkeit sind dann konstant. Bei der Planetenbewegung entspricht dies dem 2. Keplerschen Gesetz: ein Fahrstrahl von der Sonne zu einem Planeten u achen (vgl. Abschnitt ¨ berstreicht in gleichen Zeiten gleiche Fl¨ 1.1.4). Bewegt sich eine Masse in der x, y-Ebene (Abb. 1.31), so haben der Drehimpulsvektor und der Momentenvektor nur z-Komponenten. Vom Momentensatz (1.63) bleibt dann nur die eine Komponente (0)
dLz dt
= Mz(0) .
(1.65)
Auf den Index z k¨ onnen wir im weiteren verzichten. Das Impulsmoment kann – analog zum Moment – entweder mit Hilfe des senkrechten Abstandes r⊥ der Geschwindigkeit v vom Bezugspunkt oder durch die Momente“ der Komponenten vx und vy ” ausgedr¨ uckt werden: L(0) = r⊥ m v
bzw. L(0) = m(x vy − y vx ) .
(1.66)
Im Sonderfall der Kreisbewegung (Abb. 1.32) erhalten wir mit v = r ω f¨ ur den Drehimpuls L(0) = m r v = m r2 ω . F¨ uhrt man f¨ ur die Gr¨ oße mr2 die Bezeichnung Massentr¨agheits(0) moment Θ ein, so wird der Drehimpuls L(0) = Θ(0) ω, und der Momentensatz (1.65) l¨ asst sich mit ω = ϕ˙ darstellen als Θ(0) ϕ¨ = M (0) .
(1.67)
Als Anwendungsbeispiel betrachten wir die Bewegung eines Punktpendels nach Abb. 1.33a. Auf die Masse m wirken in einer beliebigen Lage die Kraft S (zum Punkt A gerichtet) und das Gewicht G = mg (Abb. 1.33b). F¨ uhren wir eine positive Drehrichtung durch den Winkel ϕ ein, so lauten das Impulsmoment
62
1 Bewegung eines Massenpunktes
1 0 11 00 0 1 0 1 0 1
11 00
A
S
ϕ
l
m
G
G = mg
a
b
Abb. 1.33
und das Moment bez¨ uglich des festen Punktes A: ˙ L(A) = l m v = l m lϕ˙ = ml2 ϕ,
M (A) = − mg l sin ϕ .
Der Momentensatz (1.65) liefert damit die Bewegungsgleichung ml2 ϕ¨ = − mg l sin ϕ
→
ϕ¨ +
g sin ϕ = 0. l
F¨ ur kleine Ausschl¨ age (sin ϕ ≈ ϕ) folgt hieraus die Gleichung g ϕ¨ + ϕ = 0 (harmonische Schwingungen des mathematischen l Pendels, vgl. Kapitel 5). Mit Θ(A) = ml2 kann man die Bewegungsgleichung auch aus (1.67) gewinnen. B1.13
Beispiel 1.13 Eine Masse m, die von einem Faden gehalten wird,
bewegt sich mit der Winkelgeschwindigkeit ω0 auf einer glatten, waagerechten Kreisbahn vom Radius r0 (Abb. 1.34a, b). Der Faden wird durch ein Loch A in der Mitte der Kreisbahn gef¨ uhrt. a) Wie groß ist die Winkelgeschwindigkeit ω, wenn der Faden so angezogen wird, dass sich die Masse im Abstand r bewegt? b) Wie ¨ andert sich hierbei die Fadenkraft? m
m
r0
A
00000 11111 0000 1111 00000 11111
r0 ω0
ω0
A
S0
A
S0 a
b
c
Abb. 1.34
1.2
Kinetik
63
a) Im Faden wirkt im Ausgangszustand die Kraft S0 (Abb. 1.34c); sie hat kein Moment um A. Daher muss nach (1.65) der Drall erhalten bleiben. Der Drehimpuls um A ist in der Ausgangslage L¨ osung
(A)
L0
= r0 (m r0 ω0 ) = m r02 ω0
und in der Endlage L(A) = r(m rω) = m r2 ω . Gleichsetzen liefert r 2 0 ω= ω0 . r Die Winkelgeschwindigkeit w¨ achst demnach mit dem Quadrat des Radienverh¨ altnisses. b) Mit der Zentripetalbeschleunigung an = v 2 /r = rω 2 liefert das Bewegungsgesetz in der Ausgangslage (Abb. 1.34c)
: m an = S 0
→
S0 = m r0 ω02 .
Analog ergibt sich f¨ ur die Endlage r 4 r 3 r 3 0 0 0 ω02 = m r0 ω02 = S0 . S = m r ω2 = m r r r r Die Fadenkraft steigt mit der dritten Potenz des Radienverh¨altnisses.
1.2.7 Arbeitssatz, potentielle Energie, Energiesatz
Wenn wir das Newtonsche Grundgesetz (1.38) skalar mit dr multiplizieren, so erhalten wir m
dv · dr = F · dr . dt
Setzt man dr = v dt ein und integriert zwischen zwei Bahnpunkten r0 und r1 , in denen die Masse die Geschwindigkeiten v0 und
64
1 Bewegung eines Massenpunktes
v1 hat, so ergibt sich v1
r1 m v · dv =
v0
F · dr r0
→
mv12 mv02 − = 2 2
r1 F · dr . (1.68) r0
Die rechte Seite stellt dabei die Arbeit W der Kraft F dar (vgl. Band 1, Kapitel 8). Die skalare Gr¨ oße 12 m v 2 = 12 m v 2 wird kinetische Energie Ek genannt: Ek =
mv 2 . 2
(1.69)
Wir erhalten damit aus (1.68) den Arbeitssatz Ek1 − Ek0 = W .
(1.70)
Die Arbeit, welche die Kr¨ afte zwischen zwei Bahnpunkten verrich¨ ten, ist gleich der Anderung der kinetischen Energie. Wie die Arbeit W hat die kinetische Energie Ek die Dimension Kraft × Weg. Sie wird in Vielfachen der Einheit Joule (James Prescott Joule, 1818-1889) angegeben (1 J = 1 Nm). Die am Massenpunkt angreifenden Kr¨ afte setzen sich aus einge(e) aften (Reaktionskr¨aften) F (z) pr¨ agten Kr¨ aften F und Zwangskr¨ zusammen. Da die Reaktionskr¨ afte stets senkrecht zur Bahn stehen, verrichten sie keine Arbeit. Damit lautet das Arbeitsintegral: r1 F (e) · dr .
W =
(1.71)
r0
Als Anwendungsbeispiel betrachten wir einen Klotz, der eine rauhe schiefe Ebene hinunterrutscht (Abb. 1.35a). Auf den Klotz wirken als eingepr¨ agte Kr¨ afte das Gewicht G = mg und die Reibungskraft R = µN , als Zwangskraft die Normalkraft N (Abb. 1.35b). Bei der Bewegung aus der Lage 0 in die Lage 1 verrichten das Gewicht und die Reibungskraft die Arbeiten WG = mg sin α x,
WR = − Rx = − µN x = − µmg cos α x
1.2
111111 000000 000000 111111 000000 111111 000000 111111 000000 111111 000000 111111
Kinetik
65
0
x
h
µ
R 1
N
G
α
Abb. 1.35
a
b
(die Reaktionskraft N verrichtet keine Arbeit). Wird der Klotz in der Lage 0 ohne Anfangsgeschwindigkeit losgelassen, dann lautet der Arbeitssatz (1.70) m
v12 = mg sin α x − mg µ cos α x . 2
F¨ uhrt man die H¨ ohe h = x sin α ein, so wird die Geschwindigkeit in der Lage 1 v1 = 2 gh(1 − µ cot α) . Das Ergebnis zeigt, dass nur f¨ ur µ cot α < 1, d.h. µ < tan α eine Bewegung m¨ oglich ist. Die pro Zeiteinheit verrichtete Arbeit dW/dt heißt Leistung P . Mit dW = F · dr gilt P = F ·v.
(1.72)
Die Einheit der Leistung ist das Watt (James Watt, 1736-1819): 1W=1
Nm s
(man verwechsle die Abk¨ urzung W f¨ ur Watt nicht mit dem Symbol W f¨ ur die Arbeit!). Mit der fr¨ uher verwendeten Leistungseinheit PS besteht der Zusammenhang 1 PS = 0, 735 kW,
1 kW = 1, 36 PS .
Da die Zwangskr¨ afte F (z) senkrecht zur Geschwindigkeit v stehen,
66
1 Bewegung eines Massenpunktes
ist ihre Leistung stets Null. Bei allen Maschinen treten in Lagern und F¨ uhrungen Energieverluste infolge Reibung auf. Ein Teil der aufgewendeten Arbeit geht daher verloren. Man bezeichnet das Verh¨altnis von Nutzarbeit WN zu aufgewendeter Arbeit WA als Wirkungsgrad η: η=
WN . WA
(1.73)
Bezieht man auf die Zeiteinheit, so erh¨ alt man den augenblicklichen Wirkungsgrad aus dem Quotienten der entsprechenden Leistungen: η=
PN . PA
(1.74)
Wegen der stets auftretenden Verluste ist η < 1. Als Anwendungsbeispiel berechnen wir die Antriebskraft F eines Pkw, wenn er sich bei einer Motorleistung von PA = 30 kW mit der Geschwindigkeit v = 60 km/h auf ebener Straße bewegt. Der Wirkungsgrad betrage η = 0, 8. Mit der Nutzleistung PN = F v erhalten wir aus (1.74) η=
Fv PA
→
F =
30 · 0, 8 PA η = = 1, 44 kN . v 60/3, 6
Eine besonders einfache Form nimmt der Arbeitssatz (1.70) an, wenn die eingepr¨ agten Kr¨ afte ein Potential besitzen. Solche Kr¨afte nennt man konservativ. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass ihre Arbeit zwischen zwei festen Punkten 0 und 1 (Abb. 1.36) unabh¨ angig vom Weg zwischen diesen Punkten ist (vgl. Band 1, Kapitel 8). Mit F = Fx ex + Fy ey + Fz ez und dr = dx ex + dy ey + dz ez lautet die Arbeit 1
1 F · dr =
W = 0
{Fx dx + Fy dy + Fz dz} .
(1.75)
0
Das Integral ist nur dann wegunabh¨angig, wenn der Integrand ein vollst¨andiges Differential ist, das wir mit −dEp bezeichnen:
1.2
Kinetik
67 1
Weg I Weg II
z 0 y Abb. 1.36
x
− dEp = Fx dx + Fy dy + Fz dz .
(1.76)
Die hier eingef¨ uhrte Funktion Ep (x, y, z) heißt Potential der Kraft F oder potentielle Energie; das Minuszeichen wird aus Zweckm¨ aßigkeitsgr¨ unden hinzugef¨ ugt. In Band 1 wurde die potentielle Energie mit Π bezeichnet. Ein Vergleich des totalen Differentials dEp =
∂Ep ∂Ep ∂Ep dx + dy + dz ∂x ∂y ∂z
mit (1.76) liefert Fx = −
∂Ep , ∂x
Fy = −
∂Ep , ∂y
Fz = −
∂Ep . ∂z
(1.77)
Wenn wir den Gradienten grad Ep =
∂Ep ∂Ep ∂Ep ex + ey + ez ∂x ∂y ∂z
einf¨ uhren, dann lautet (1.77) in vektorieller Form F = − grad Ep .
(1.78)
Leiten wir in (1.77) die erste Gleichung nach y und die zweite Gleichung nach x ab, so sind die rechten Seiten gleich, und daher gilt ∂Fx /∂y = ∂Fy /∂x. Zyklisches Vertauschen der Koordinaten liefert insgesamt ∂Fy ∂Fx = , ∂y ∂x
∂Fy ∂Fz = , ∂z ∂y
∂Fz ∂Fx = . ∂x ∂z
(1.79)
68
1 Bewegung eines Massenpunktes
Mit diesen Gleichungen kann man u ufen, ob eine Kraft ¨ berpr¨ F (x, y, z) aus einem Potential abgeleitet werden kann. Wenn wir die Rotation der Kraft F mit e x ey ez ∂Fz ∂Fy ∂ ∂ ∂ − ex rot F = = ∂x ∂y ∂z ∂y ∂z Fx Fy Fz +
∂Fx ∂Fz − ∂z ∂x
ey +
∂Fy ∂Fx − ∂x ∂y
ez
einf¨ uhren, so lassen sich die Bedingungen (1.79) in der Vektorform rot F = 0
(1.80)
zusammenfassen (wirbelfreies Kraftfeld). Besitzen die Kr¨ afte ein Potential, so gilt nach (1.75) und (1.76) dW = − dEp ,
(1.81)
und es folgt f¨ ur die Arbeit 1
1 dW = −
W = 0
dEp = −(Ep1 − Ep0 ) . 0
Die potentielle Energie h¨ angt zwar vom Bezugssystem ab, ihre Differenz zwischen zwei Lagen 0 und 1 ist aber hiervon unabh¨angig. Einsetzen von W in (1.70) f¨ uhrt auf den Energiesatz Ek1 − Ek0 = Ep0 − Ep1 oder Ek1 + Ep1 = Ek0 + Ep0 = const .
(1.82)
Wenn die eingepr¨ agten Kr¨ afte ein Potential besitzen, so bleibt bei
1.2
Kinetik
69
der Bewegung die Summe aus kinetischer und potentieller Energie konstant. Wir wollen hier noch drei Potentiale angeben, die wir bereits in Band 1 betrachtet haben. a) Potential der Gewichtskraft G im Abstand z von der Erdoberfl¨ ache (Gravitationspotential in der N¨ ahe der Erdoberfl¨ache): Ep = Gz .
(1.83)
b) Potential einer Federkraft (Federkonstante c) bei einer Auslenkung x bzw. eines Drehfedermoments (Federkonstante cT ) bei einer Auslenkung ϕ: Ep =
1 2 cx , 2
Ep =
1 c ϕ2 . 2 T
(1.84)
Im Unterschied zum Gewicht und zur Federkraft hat die Reibungskraft kein Potential. Sie ist nicht-konservativ; die von ihr verrichtete Arbeit h¨ angt vom Weg ab. Bei der Bewegung wird mechanische Energie in W¨ arme umgesetzt. Man nennt solche Kr¨afte daher auch dissipativ (Energie-zerstreuend). Der Energiesatz gilt dann nicht. Man muss in diesem Fall den Arbeitssatz (1.70) anwenden und dort die Arbeit der Reibungskr¨ afte in W ber¨ ucksichtigen. Die Anwendung des Energie- bzw. des Arbeitssatzes empfiehlt sich, wenn die Geschwindigkeit in Abh¨ angigkeit vom Weg (oder umgekehrt) gesucht ist. Beispiel 1.14 Ein Massenpunkt rutscht aus seiner Ruhelage in A eine rauhe schiefe Ebene herab (Reibungskoeffizient µ), die nach Abb. 1.37a tangential in eine glatte Kreisbahn einm¨ undet. In welcher H¨ ohe h u ¨ber dem Scheitel B der Kreisbahn muss die Bewegung beginnen, damit der Massenpunkt in B die Bahn nicht verl¨ asst? L¨ osung Der Massenpunkt bleibt in B gerade noch auf der Bahn,
wenn die Normalkraft N dort Null wird. Aus der Bewegungsgleichung in radialer Richtung (vgl. Abb. 1.37b)
B1.14
70
1 Bewegung eines Massenpunktes
1111111 0000000 0000000 1111111 0000000 1111111 0000000 1111111 00000 11111 0000000 1111111 00000 11111 0000000 1111111 00000 0000000 11111 1111111 00000 11111 00000 11111 00000 11111 A
N
h
rauh
B
l
r
α
a
↓ : m an = m
B mg
glatt
α
2 vB
r
b
Abb. 1.37
= mg + N
folgt mit N = 0 die erforderliche Geschwindigkeit: 2 = rg . vB
(a)
Den Zusammenhang zwischen vB und der erforderlichen H¨ohe h liefert der Arbeitssatz. Das Gewicht verrichtet zwischen A und B die Arbeit W1 = Gh. Die Reibungskraft, die gegen den Weg gerichtet ist, verrichtet die Arbeit W2 = −Rl. Mit R = µN = µ mg cos α und l = (h+r+r cos α)/ sin α wird W2 = −mgµ cot α(h+ r + r cos α). Die kinetische Energie in der Ausgangslage A ist Null, 2 . Einsetzen in (1.70) ergibt an der Stelle B gilt EkB = 12 mvB 1 2 mvB = mgh − mgµ cot α (h + r + r cos α) . 2 Mit (a) erhalten wir die gesuchte H¨ ohe: 1 mrg = mgh (1 − µ cot α) − mgµr cot α (1 + cos α) 2 →
h=r
1 2
+ µ (1 + cos α) cot α . 1 − µ cot α
(b)
Wenn auch die schiefe Ebene glatt ist (µ = 0), k¨onnen wir den Energiesatz (1.82) anwenden. Mit EkA = 0,
EkB =
1 2 mvB , 2
EpA = mgh,
EpB = 0
1.2
Kinetik
71
2 folgt 12 mvB = mgh und hieraus mit der Bedingung (a)
1 mrg = mgh 2
→
h=
1 r. 2
Dasselbe Ergebnis erh¨ alt man aus (b), wenn man dort den Reibungskoeffizienten Null setzt. Beispiel 1.15 Im Abstand h u ¨ber dem Ende einer ungespannten
Feder befindet sich nach (Abb. 1.38) eine Masse m. Sie wird mit eiuhrung ner vertikalen Anfangsgeschwindigkeit v0 in einer glatten F¨ auf die Feder (Federkonstante c) geworfen. Wie groß ist die maximale Zusammendr¨ uckung der Feder? m 0 v0
h x
11111 00000 00000 11111 L¨ osung Da f¨ ur Gewicht und Federkraft Potentiale existieren, k¨onc
1
Abb. 1.38
nen wir den Energiesatz (1.82) anwenden. In der Ausgangslage 0 hat die Masse die kinetische Energie Ek0 = mv02 /2 und die potentielle Energie Ep0 = mgh (Nullniveau am Ende der entspannten Feder). Bei der gr¨ oßten Zusammendr¨ uckung xmax der Feder in der Lage 1 ist die kinetische Energie Ek1 = 0. Die potentielle Energie setzt sich dann aus der Federenergie 12 c x2max und dem Potential der Gewichtskraft −mg xmax zusammen: Ep1 =
1 2 cx − mg xmax . 2 max
Daher lautet der Energiesatz 1 1 mv02 + mgh = 0 + c x2max − mg xmax . 2 2 Aufl¨ osen der quadratischen Gleichung liefert
B1.15
72
1 Bewegung eines Massenpunktes
⎡ xmax =
mg ⎣ 1 (±) c
1+
⎤ cv02 mg 2
+
2 hc ⎦ . mg
Im Sonderfall h = 0 und v0 = 0 folgt hieraus xmax = 2 G/c. L¨asst man also eine Masse, die unmittelbar u ¨ ber einer entspannten Feder gehalten wird, pl¨ otzlich fallen, so ist die maximale Federzusammendr¨ uckung doppelt so groß wie die statische Absenkung xstat = G/c bei langsamem Aufbringen des Gewichts. 1.2.8 Gravitationsgesetz, Planeten- und Satellitenbewegung
Neben den drei Grundgesetzen (vgl. Abschnitt 1.2.1) hat Newton auch das Gravitationsgesetz formuliert. Danach ist die Kraft, die zwei beliebige Massen m und M aufeinander aus¨ uben (Abb. 1.39a), gegeben durch F =f
Mm . r2
(1.85)
Hierin sind f die universelle Gravitationskonstante f = 6, 673 · 10−11
m3 kg s2
und r der Abstand zwischen den Massen. Man kann zeigen, dass die Gravitationskraft aus einem Potential abgeleitet werden kann. Es ergibt sich mit (1.81) zu (F ist gegen dr gerichtet) Mm +C. (1.86) Ep = − (−F ) dr = − f r Setzt man das Potential im Unendlichen (r → ∞) gleich Null, so wird C = 0 und damit Ep = − f
Mm . r
(1.87)
Im Spezialfall der Erde betrachten wir M als die Erdmasse. An der Erdoberfl¨ ache erf¨ ahrt dann eine Masse m die Anziehungskraft
1.2
Kinetik
73
(Gewicht) F = mg. Mit dem Erdradius R folgt damit aus (1.85) mg = f
Mm R2
→
g=
fM . R2
Eliminieren wir hiermit f im Gravitationsgesetz, so erhalten wir die Gewichtskraft als Funktion des Abstandes vom Erdmittelpunkt: 2 R . (1.88) F = mg r F¨ ur das Potential gilt dann nach (1.86) Ep = − mg
R2 +C. r
Setzt man diesmal das Potential an der Erdoberfl¨ache r = R gleich Null, so wird C = mg R, und mit r = R + z (Abb. 1.39b) folgt Ep = − mg
mg R2 + mg R = Rz . R+z R+z
(1.89)
m m z
F
F
F M
Abb. 1.39
a
r
Erde
b
R
In der N¨ ahe der Erdoberfl¨ ache (z R) ergibt sich damit das Potential des Erdschwerefeldes (vgl. (1.83)): Ep = mgz = Gz . Mit dem Gravitationsgesetz k¨ onnen wir die Bewegungen von Planeten und Satelliten beschreiben. Diese K¨ orper d¨ urfen dabei als Massenpunkte betrachtet werden, da ihre Abmessungen im Vergleich zu den zur¨ uckgelegten Wegen klein sind. Wir bezeichnen die Masse eines Planeten (bzw. Satelliten) mit m und die
74
1 Bewegung eines Massenpunktes
Masse der Sonne (bzw. Erde) mit M und sehen M als ruhend an. Da die Bewegung von m auf einer ebenen Bahn erfolgt, verwenden wir zweckm¨ aßigerweise Polarkoordinaten. Dann liefert das dynamische Grundgesetz (1.38) mit (1.22) und (1.85) in radialer Richtung m (¨ r − rϕ˙ 2 ) = − f
mM r2
(1.90)
und in zirkularer Richtung m (rϕ¨ + 2 r˙ ϕ) ˙ =0
→
m
1 d 2 (r ϕ) ˙ = 0. r dt
Die zweite Gleichung dr¨ uckt das 2. Keplersche Gesetz aus (vgl. (1.29a)), wonach die Fl¨achengeschwindigkeit konstant ist: r2 ϕ˙ = C .
(1.91)
Zur L¨ osung der ersten Gleichung f¨ uhren wir die neue Variable u = 1/r ein. Mit (1.91) und r˙ = (dr/dϕ)ϕ˙ werden dann dr C d 1 C du . = − C ϕ˙ = 2 = Cu2 , r˙ = = −C r dϕ r2 dϕ r dϕ Nochmaliges Differenzieren ergibt r¨ = − C
2 d2 u 2 2d u ϕ ˙ = − C u . dϕ2 dϕ2
Einsetzen in (1.90) liefert − C 2 u2
d2 u 1 − C 2 u4 = − f M u2 dϕ2 u
oder d2 u fM +u= 2 . dϕ2 C Diese inhomogene Differentialgleichung zweiter Ordnung hat die allgemeine L¨ osung (vgl. Kapitel 5) u = B cos (ϕ − α) +
fM . C2
1.2
Kinetik
75
Der Abstand r muss daher der folgenden Gleichung gen¨ ugen: r=
1 = u
1 B cos (ϕ − α) +
fM C2
.
Hierbei sind B und α Integrationskonstanten. Z¨ ahlt man ϕ von der Stelle der Bahn, an der r˙ verschwindet, so ist α = 0, und man erh¨ alt die Bahngleichung r=
p 1 + ε cos ϕ
(1.92a)
mit BC 2 C2 , ε= . (1.92b) fM fM Gleichung (1.92a) ist die Brennpunktgleichung von Kegelschnitten, deren Art von der Exzentrizit¨ at ε abh¨ angt. F¨ ur ε < 1 ist die Bahn eine Ellipse. Dies entspricht dem 1. Keplerschen Gesetz: Planetenbahnen sind Ellipsen, in deren einem Brennpunkt (Abstand e vom Mittelpunkt) die Sonne steht (Abb. 1.40). p=
m e M
a b
a
r ϕ
e = εa =
√
a2 − b2
p
Abb. 1.40
Aus der Konstanz der Fl¨ achengeschwindigkeit (1.91) kann man mit der Fl¨ ache einer Ellipse A = π ab (a, b = Halbachsen) die Umlaufzeit T berechnen: 1 C dA = r2 ϕ˙ = dt 2 2
→
A=
C T 2
→
T =
2A 2 π ab = . C C
Mit dem Bewegungsgesetz (1.90) und dem Ellipsenparameter p = b2 /a wird unter Beachtung von (1.92b) |ar | = |¨ r − rϕ˙ 2 | =
fM C2 4 π 2 a2 b 2 4 π 2 a3 = 2 = = 2 2 2 2 r pr r T b T 2 r2 a
76
1 Bewegung eines Massenpunktes
und hieraus T2 =
(2 π)2 a3 . fM
(1.93)
Dies ist das 3. Keplersche Gesetz: die Quadrate der Umlaufzeiten T der Planeten verhalten sich wie die dritten Potenzen der großen Halbachsen ihrer Umlaufbahnen. F¨ ur ε = 1 bewegt sich ein K¨ orper in einem Gravitationsfeld nach (1.92a) auf einer Parabel, f¨ ur ε > 1 auf einer Hyperbel. Bei der Berechnung von Satellitenbahnen m¨ ussen unter Umst¨anden die Gravitationsfelder von mehreren Himmelsk¨orpern ber¨ ucksichtigt werden (Mehrk¨ orperproblem). B1.16
Beispiel 1.16 Welche Energie ist mindestens erforderlich, um einen
Satelliten der Masse m in eine Kreisbahn im Abstand h von der Erdober߬ ache zu bringen? v
1
m F 0
r h
R Erde
Abb. 1.41
Nach dem Gravitationsgesetz (1.88) wirkt auf den Satelliten (Abb. 1.41) eine Kraft F = mg (R2 /r2 ). Wenn sich der Satellit auf einer Kreisbahn im Abstand r = R + h vom Erdmittelpunkt bewegt, hat er eine Geschwindigkeit v, die sich aus dem Bewegungsgesetz in radialer Richtung ergibt: R2 v2 R2 = mg 2 . → v2 = g m an = F → m r r R+h Mit dem Potential des Gravitationsfeldes nach (1.89) ist die potentielle Energie an der Erdoberfl¨ ache bzw. auf der Umlaufbahn L¨ osung
Ep0 = 0
bzw. Ep1 = mg
R h. R+h
1.2
Kinetik
77
Die entsprechenden kinetischen Energien sind Ek0 = 0
bzw. Ek1 =
R2 mv 2 = mg . 2 2 (R + h)
Damit folgt die beim Abschuss mindestens notwendige Energie ∆E zu ∆E = E1 − E0 = (Ek1 + Ep1 ) − (Ek0 + Ep0 ) = mg R
R h + 2 (R + h) R + h
mg R = 2
R +2h R+h
.
78
1.3
1 Bewegung eines Massenpunktes
1.3 Zusammenfassung • Die Geschwindigkeit ist die zeitliche Ableitung des Ortsvek˙ Sie ist tangential zur Bahn gerichtet. tors: v = r. • Die Beschleunigung ist die zeitliche Ableitung des Geschwin˙ digkeitsvektors: a = v. • Bei einer Kreisbewegung sind Geschwindigkeit, Tangential- und Normalbeschleunigung gegeben durch v = r ϕ˙ ,
at = r ϕ¨ ,
an = r ϕ˙ 2 = v 2 /r .
• 2. Newtonsches Gesetz: m a = F . • Zur Ermittlung der Bewegung eines Massenpunktes sind in der Regel folgende Schritte erforderlich: Freischneiden des Massenpunktes und Skizzieren des Freik¨orperbildes. Wahl eines geeigneten Koordinatensystems. Aufstellen der Bewegungsgleichungen. Integration der Bewegungsgleichungen und Einarbeiten der Anfangsbedingungen.
t ˆ , • Impulssatz: m v − m v 0 = F (t¯)dt¯ = F p = mv
t0
Impuls.
• Drehimpulssatz:
˙ (0) = M (0) , L
L(0) = r × p = r × m v r
Ortsvektor von 0 zum Massenpunkt.
• Arbeitssatz: W
Drehimpuls bez¨ uglich 0.
Ek1 − Ek0 = W ,
Arbeit der Kr¨ afte zwischen den Bahnpunkten 0 und 1,
Ek = m v 2 /2 kinetische Energie. • Energiesatz: Ep
Ek + Ep =const ,
potentielle Energie (z.B. mgz, cx2 /2, cT ϕ2 /2).
Beachte: alle Kr¨ afte besitzen ein Potential (konservatives System).
Kapitel 2 Kinetik eines Systems von Massenpunkten
2
2 Kinetik eines Systems von Massenpunkten 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7
Grundlagen ....................................................... 81 Schwerpunktsatz ................................................ 86 Momentensatz ................................................... 89 Arbeitssatz und Energiesatz .................................. 93 Zentrischer Stoß ................................................ 96 K¨ orper mit ver¨anderlicher Masse ............................ 106 Zusammenfassung .............................................. 114
Lernziele: Bisher haben wir uns nur mit der Bewegung eines einzelnen Massenpunktes befasst. Wir wollen nun die im 1. Kapitel hergeleiteten Begriffe und Gesetzm¨aßigkeiten wie zum Beispiel Impuls, Drehimpuls, Momentensatz, Energiesatz auf die Bewegung eines Systems von Massenpunkten erweitern. Die Studierenden sollen lernen, wie man die Bewegung solcher Systeme untersucht und wie man die Gesetzm¨ aßigkeiten bei konkreten Aufgaben formuliert.
2.1
Grundlagen
81
2.1
2.1 Grundlagen Haben wir uns bisher nur mit dem einzelnen Massenpunkt befasst, so wollen wir in diesem Kapitel die Bewegung von Massenpunktsystemen untersuchen. Man versteht unter einem Massenpunktsystem eine endliche Zahl von Punktmassen, die untereinander in Verbindung stehen. Die Untersuchung von Massenpunktsystemen ist wichtig, weil es viele Bewegungsvorg¨ ange in Natur und Technik gibt, an denen mehrere K¨ orper beteiligt sind, wobei die K¨orper jeweils als Massenpunkte idealisiert werden k¨ onnen. Bei anderen Problemen kann man sich einen einzelnen K¨ orper selbst wiederum aus einer Anzahl von Massenpunkten zusammengesetzt vorstellen. In dieser Hinsicht stellt das Massenpunktsystem dann die Vorstufe f¨ ur den kontinuierlich mit Masse behafteten K¨ orper dar. Je nachdem wie die Massen eines Systems untereinander in Verbindung stehen, unterscheidet man zwischen kinematischen Bindungen und physikalischen Bindungen. Bei kinematischen Bindungen bestehen zwischen den Koordinaten der Massenpunkte geometrische Beziehungen, die durch sogenannte Bindungsgleichungen ausgedr¨ uckt werden. Ein einfaches Beispiel hierf¨ ur ist das System in Abb. 2.1a, bei dem zwei Massen durch ein dehnstarres, masseloses Seil verbunden sind. Bezeichnet man die vertikalen Auslenkungen aus einer beliebigen Ausgangslage mit x1 bzw. x2 (horizontale Bewegungen seien ausgeschlossen), so gilt die kinematische Beziehung x1 = x2 . Wenn sich die Abst¨ ande zwischen den einzelnen Punkten nicht ¨andern, so spricht man von einer starren Bindung. Als einfaches Beispiel betrachten wir die Hantel“ in Abb. 2.1b, bei der die ” Punktmassen m1 und m2 durch eine starre, masselose Stange verbunden sind. Der konstante Abstand l zwischen den Massen l¨asst sich durch die geometrische Beziehung (Bindungsgleichung) (x2 − x1 )2 + (y2 − y1 )2 + (z2 − z1 )2 = l2
(2.1)
ausdr¨ ucken. Durch die Zahl der Massen und die Zahl der kinematischen Bin-
82
2 Kinetik eines Systems von Massenpunkten
1111 0000 0000 1111
m2
m2 z
m1
m1
m1
z
l
z1
x1
y
x2 x m2
a
y1
b
y
x
x1
m3
c Mond
F F
m2
m1 c
Erde d
e
Abb. 2.1
dungen ist die Zahl f der Freiheitsgrade eines Systems bestimmt. Letztere geben an, wie viele unabh¨ angige Koordinaten n¨otig sind, um die Lage eines Systems (d.h. jedes einzelnen Massenpunktes) eindeutig festzulegen. Im Beispiel nach Abb. 2.1a ist von den zwei Koordinaten x1 und x2 , welche die Lagen der beiden Massen beschreiben, nur eine frei w¨ ahlbar, w¨ ahrend die zweite durch die Bindungsgleichung x1 = x2 festgelegt ist. Das System hat dementsprechend nur einen Freiheitsgrad. Im Beispiel aus Abb. 2.1b sind von den 2 · 3 = 6 Koordinaten (je drei f¨ ur einen Massenpunkt im Raum) nur f¨ unf voneinander unabh¨ angig, w¨ahrend die sechste durch die Bindungsgleichung (2.1) festgelegt ist. Das System hat also f = 2 · 3 − 1 = 5 Freiheitsgrade. Ihnen entsprechen als unabh¨ angige Bewegungsm¨ oglichkeiten drei Translationen (in x-, in y- und in z-Richtung) und je eine Rotation um zwei verschiedene Achsen, deren Richtungen nicht mit der Richtung der Verbindungsstange zusammenfallen. Eine Rotation um die Verbindungsstange selbst f¨ uhrt zu keiner Lage¨ anderung der Punktmassen und ist daher kein weiterer Freiheitsgrad. Allgemein ist die Zahl f der Freiheitsgrade eines Systems aus n Massenpunkten im Raum gegeben durch die 3 n Koordinaten der Massenpunkte abz¨ uglich der Zahl r der kinematischen Bindungen:
2.1
f = 3n−r.
Grundlagen
83
(2.2)
Danach besitzt zum Beispiel das 3-Massensystem in Abb. 2.1c mit drei starren Bindungen f = 3 · 3 − 3 = 6 Freiheitsgrade. Jeder zus¨atzliche Massenpunkt, der an dieses System starr angeschlossen wird, erh¨ oht die Zahl der Freiheitsgrade nicht mehr, da keine zus¨atzliche Bewegungsm¨ oglichkeit geschaffen wird. Demnach hat auch der starre K¨orper, den man als System von unendlich vielen Massenpunkten auffassen kann, im Raum sechs Freiheitsgrade. F¨ ur Massenpunktsysteme in der Ebene gilt f = 2n−r.
(2.3)
Hier hat zum Beispiel ein 3-Massensystem mit drei starren Bindungen f = 2 · 3 − 3 = 3 Freiheitsgrade. Entsprechend hat auch ein starrer K¨ orper bei einer ebenen Bewegung drei Freiheitsgrade. Im Gegensatz zur kinematischen Bindung besteht bei der physikalischen Bindung zwischen dem Abstand der Massen und den Kr¨ aften ein physikalischer Zusammenhang. Beispiele sind das Feder-Masse-System (Abb. 2.1d) und das System Erde-Mond (Abb. 2.1e). Die Kr¨ afte h¨angen hier u ¨ ber das Federgesetz bzw. u ¨ ber das Gravitationsgesetz vom Abstand ab. Im weiteren betrachten wir ein System aus n Massen mi (i = 1, ..., n) im Raum mit beliebigen Bindungen (Abb. 2.2). Die zum System geh¨ origen Massenpunkte seien durch eine gedachte Systemgrenze von K¨ orpern außerhalb des Systems abgegrenzt. Man kann sich diese Grenze als eine Fl¨ ache denken, welche alle n Massenpunkte einschließt. außere als auch innere Kr¨afte. Auf die Massen mi wirken sowohl ¨ Die ¨außeren Kr¨afte Fi haben ihre Ursache außerhalb des Systems und k¨ onnen entweder eingepr¨ agte Kr¨ afte (z.B. Gewichte) oder Reaktionskr¨ afte (z.B. Lager- oder Zwangskr¨ afte) sein. Der Index i deutet an, dass Fi an der Masse mi angreift. Die inneren Kr¨afte Fij wirken zwischen den Massenpunkten; man kann sie durch
84
2 Kinetik eines Systems von Massenpunkten mj
Systemgrenze
S
Fj Fji
Fij
z rs ri
0
y x
mi
Fi Abb. 2.2
L¨ osen der Bindungen sichtbar machen. Die Indizes bei Fij sollen anzeigen, dass diese Kraft von der Masse mj auf die Masse mi ausge¨ ubt wird. Umgekehrt ist Fji die Kraft, die von mi auf mj wirkt. Die Wirkungslinien der inneren Kr¨ afte fallen mit den Verbindungsgeraden zwischen den Massen zusammen. Wegen actio ” = reactio “ sind Fij und Fji entgegengesetzt gleich groß: Fji = −Fij .
(2.4)
Der Bewegungszustand der Massen des Systems l¨asst sich bestimmen, indem auf jede Masse mi das dynamische Grundgesetz (1.38) angewendet wird. Mit den Ortsvektoren ri gilt dann Fij , (i = 1, . . . , n) . (2.5) mi r¨i = Fi + j
Die Summation u ¨ ber j erfasst dabei alle inneren Kr¨afte, die auf mi wirken. Hinzu kommen noch die kinematischen oder/und die physikalischen Gleichungen, durch welche die Bindungen zwischen den Massenpunkten ausgedr¨ uckt werden. B2.1
Beispiel 2.1 Beim System nach Abb. 2.3a sind zwei Gewichte G1 =
m1 g und G2 = m2 g durch ein masseloses Seil verbunden, das u ¨ ber masselose Rollen l¨ auft. Wie groß sind die Beschleunigungen der Massen und die Seilkr¨ afte, wenn das System sich selbst u ¨ berlassen wird? L¨ osung Wir trennen das System und tragen in das Freik¨ orperbild
afte Si ein (Abb. 2.3b). die ¨ außeren Kr¨ afte Gi und die Schnittkr¨ Nehmen wir an, dass sich G2 nach unten bewegt, so bewegt sich
2.1
1111111 0000000
Grundlagen
85
111111 000000 S1 S2
S3 x2
G2 G1 x1 a
m2 g m1 g
b
Abb. 2.3
G1 nach oben. Wir z¨ ahlen daher die Lagekoordinaten x1 und x2 der Massen von den Ausgangslagen aus in unterschiedliche Richtungen. Dann lauten die Bewegungsgleichungen (2.5) f¨ ur m1 und afte entsprechen den Bindungskr¨ aften): m2 (die Seilkr¨ m1 x¨1 = − m1 g + S1 + S2 ,
m2 x ¨ 2 = m2 g − S3 .
Wegen der masselosen Rollen gilt S1 = S2 = S3 = S. Dann folgen m1 x¨1 = − m1 g + 2S,
m2 x ¨ 2 = m2 g − S .
(a)
Die Koordinaten x1 und x2 sind nicht voneinander unabh¨angig: das System hat einen Freiheitsgrad. Verschiebt sich m2 um die Strecke x2 nach unten, so verschiebt sich m1 um die halbe Strecke nach oben (Flaschenzug). Demnach gilt der kinematische Zusammenhang (Bindungsgleichung) 1 1 1 ¨1 = x¨2 . (b) x1 = x2 → x˙ 1 = x˙ 2 → x 2 2 2 Mit (a) und (b) stehen drei Gleichungen zur Bestimmung der drei ¨2 und S zur Verf¨ ugung. Aufl¨ osen liefert Unbekannten x ¨1 , x x¨1 =
1 2 m2 − m1 x ¨2 = g , 2 m1 + 4 m2
S=
3 m1 m2 g . m1 + 4 m2
F¨ ur G1 = 2 G2 sind x ¨1 = x¨2 = 0 und S = G2 (Gleichgewicht).
86
2.2
2 Kinetik eines Systems von Massenpunkten
2.2 Schwerpunktsatz Aus dem Bewegungsgesetz (2.5) Fij mi r¨i = Fi + j
f¨ ur die einzelnen Massenpunkte eines Systems (vgl. Abb. 2.2) lassen sich Gesetzm¨ aßigkeiten herleiten, die f¨ ur das System als Ganzes gelten. Mit ihnen wollen wir uns in den folgenden Abschnitten befassen. Summiert man das Bewegungsgesetz u ¨ ber alle n Massen, so folgt mi r¨i = Fi + Fij . (2.6) i
i
i
j
Darin bedeutet die Doppelsumme auf der rechten Seite, dass u ¨ ber alle inneren Kr¨afte zu summieren ist, die auf die Massenpunkte wirken. Da diese Kr¨ afte jedoch paarweise entgegengesetzt gleich groß sind (Fij = − Fji ), ist die Doppelsumme Null. Danach gilt mi r¨i = F , (2.7) i
wobei F =
Fi die Resultierende aller auf das System wirkenden
i
außeren Kr¨ afte ist. ¨ Um die linke Seite von (2.7) umzuformen, f¨ uhren wir durch 1 rs = mi ri → mrs = m i ri (2.8) m i i den Ortsvektor rs des Massenmittelpunktes oder Schwerpunktes mi S des Systems ein (vgl. Band 1, Kapitel 4). Darin ist m = i
die Gesamtmasse. Leiten wir (2.8) zweimal nach der Zeit ab, so folgen mit v = r˙ und a = v˙ = r¨ die Beziehungen mi vi und m as = mi r¨i . (2.9) m vs = i
i
Einsetzen in (2.7) liefert dann das Bewegungsgesetz f¨ ur den Schwerpunkt:
2.2
Schwerpunktsatz
m as = F .
87
(2.10)
Es hat die gleiche Form wie das Bewegungsgesetz (1.38) f¨ ur den einzelnen Massenpunkt. Man kann (2.10) in Worten daher folgendermaßen ausdr¨ ucken: Der Schwerpunkt eines Systems bewegt sich so, als ob die Gesamtmasse in ihm vereinigt w¨ are und alle außeren Kr¨ afte an ihm angriffen. ¨ Das Bewegungsgesetz (2.10) bezeichnet man als Schwerpunktsatz. Die inneren Kr¨ afte haben auf die Bewegung des Schwerpunktes keinen Einfluss. Der Vektorgleichung (2.10) entsprechen drei skalare Gleichungen f¨ ur die Komponenten. Zum Beispiel gilt in kartesischen Koordinaten m x¨s = Fx ,
m y¨s = Fy , m z¨s = Fz . pi = mi vi des MassenpunktsysDer Gesamtimpuls p = i
i
tems l¨ asst sich unter Verwendung von (2.9) in der Form p = m vs
(2.11)
schreiben. Er ist demnach gegeben durch das Produkt aus der Gesamtmasse m und der Schwerpunktsgeschwindigkeit vs . Leiten wir (2.11) nach der Zeit ab und setzen in (2.10) ein, so ergibt sich p˙ = F .
(2.12)
¨ In Worten: die zeitliche Anderung des Gesamtimpulses ist gleich der Resultierenden der ¨ außeren Kr¨ afte. Integriert man (2.12) u ¨ber die Zeit, so folgt mit p0 = p (t0 ) der Impulssatz
88
2 Kinetik eines Systems von Massenpunkten
t F dt¯ = Fˆ .
p − p0 =
(2.13)
t0
Die Differenz der Impulse zwischen zwei Zeitpunkten ist demnach gleich dem Zeitintegral Fˆ der ¨ außeren Kr¨ afte. Im Sonderfall, dass die Resultierende der ¨ außeren Kr¨afte Null ist (F = 0), liefert (2.13) p = m vs = p0 = const .
(2.14)
Der Impuls des Systems bleibt dann konstant (Impulserhaltung). Der Schwerpunkt bewegt sich somit geradlinig und gleichf¨ormig. Die Gesetzm¨ aßigkeit (2.14) nennt man Impulserhaltungssatz. B2.2
Beispiel 2.2 Eine Masse m, die sich im schwerelosen Raum mit
der Geschwindigkeit v unter dem Winkel α = 30◦ zur Horizontalen bewegt, zerspringt pl¨ otzlich in drei gleiche Teile m1 = m2 = m3 = m/3 (Abb. 2.4). Nach dem Zerspringen bewegen sich die Massen m1 bzw. m2 unter den Winkeln β1 = 60◦ bzw. β2 = 90◦ weiter, w¨ahrend die Masse m3 liegen bleibt. Wie groß sind die Geschwindigkeiten v1 und v2 ? v1 m1 m3 β1 α β2 m
m2 v v2
Abb. 2.4
L¨ osung Wir betrachten die Masse m bzw. die Teilmassen m1 , m2
und m3 nach dem Zerspringen als das System. W¨ahrend des Zerspringens wirken nur innere Kr¨ afte, die nach (2.14) den Impuls des Systems nicht a ndern (Impuls vor dem Zerspringen = Impuls ¨
2.3
Momentensatz
89
nach dem Zerspringen). In horizontaler bzw. vertikaler Richtung liefert daher der Impulserhaltungssatz →: ↑:
m v cos α = m1 v1 cos β1 , m v sin α = m1 v1 sin β1 − m2 v2 sin β2 .
Damit stehen zwei Gleichungen f¨ ur die zwei Unbekannten v1 und ugung. Aufl¨ osen ergibt v2 zur Verf¨ √ m cos α = 3 3 v, v1 = v m1 cos β1 v2 =
m1 v1 sin β1 − m v sin α = 3v. m2 sin β2
2.3
2.3 Momentensatz Nach (1.63) gilt f¨ ur eine Masse mi des Systems der Momentensatz (0) (0) L˙ i = Mi . Unter Beachtung, dass auf mi a ¨ußere Kr¨afte Fi und innere Kr¨ afte Fij wirken (vgl. Abb. 2.2), erhalten wir ri × Fij . (ri × mi vi ) = ri × Fi + j
Summation u ¨ ber alle n Massen liefert (ri × mi vi ) = ri × Fi + ri × Fij . i
i
i
(2.15)
j
Die linke Seite stellt die zeitliche Ableitung des Gesamtdrehimpulses (0) Li = (ri × mi vi ) (2.16) L(0) = i
i
bez¨ uglich des festen Punktes 0 dar. Auf der rechten Seite von (2.15) heben sich wegen Fij = −Fji die Momente der inneren Kr¨ afte paarweise auf. Die Doppelsumme ist demnach Null, und es bleibt nur die Summe der Momente der ¨ außeren Kr¨afte:
90
2 Kinetik eines Systems von Massenpunkten
M (0) =
(0)
Mi
=
i
ri × Fi .
(2.17)
i
Damit folgt aus (2.15) der Momentensatz (Drallsatz oder Drehimur das System: pulssatz) f¨ L˙ (0) = M (0) .
(2.18)
¨ Die zeitliche Anderung des gesamten Drehimpulses bez¨ uglich eines festen Punktes 0 ist hiernach gleich dem resultierenden Moment der ¨ außeren Kr¨ afte bez¨ uglich desselben Punktes. Ist das resultierende Moment Null (M (0) = 0), so wird auch L˙ (0) = 0. Der Drehimpuls ist in diesem Fall konstant (Drehimpulserhaltung). Als Sonderfall wollen wir noch die Drehung eines Massenpunktsystems um eine feste Achse behandeln, wenn alle Massen mit der Achse starr verbunden sind. Ohne Beschr¨ankung der Allgemeinheit legen wir den Koordinatenursprung 0 auf die Drehachse und lassen die z-Achse mit der Drehachse a-a zusammenfallen (Abb. 2.5). Dann gilt nach Abschnitt 1.2.6 f¨ ur die z-Komponente des Drehimpulses f¨ ur eine Masse mi Liz = Lia = mi ri2 ϕ˙ .
(2.19)
Darin ist ri der senkrechte Abstand der Masse mi von der Drehachse. Bei der Komponente Liz bzw. Lia wurde die Angabe des Bezugspunktes mit einem oberen Index durch die Angabe der Bezugsachse (hier z bzw. a-a) mit einem unteren Index ersetzt. Wir werden diese Schreibweise, die sinngem¨ aß auch f¨ ur Komponenten von Momenten zutrifft, im weiteren h¨ aufig verwenden. Da sich alle Massen mit der gleichen Winkelgeschwindigkeit ϕ˙ bewegen, ergibt die Summation von (2.19) u ¨ ber alle Massen Lia = mi ri2 ϕ˙ = Θa ϕ˙ . (2.20) Lz = La = i
Die Gr¨ oße
i
2.3
Momentensatz a
91
Drehachse
11 00 10 00 11 1010 00 11 00 11 00 11 ri mi
ω = ϕ˙
011010 1010
rj mj
z
0
x Abb. 2.5
Θa =
mi ri2
y
a
(2.21)
i
uglich bezeichnet man als Massentr¨agheitsmoment des Systems bez¨ der Drehachse a-a. Leitet man (2.20) unter Beachtung von Θa = const (starre Bindungen) nach der Zeit ab, so folgt mit (2.18) Θa ϕ¨ = Ma .
(2.22)
Dieses Bewegungsgesetz f¨ ur die Drehung eines starren Systems um eine feste Achse ist analog zum Bewegungsgesetz f¨ ur die Translation einer Masse m (z.B. m¨ x = Fx ). An die Stelle der Masse tritt bei einer Drehung das Massentr¨ agheitsmoment, an die Stelle der Beschleunigung die Winkelbeschleunigung und an die Stelle der Kraft das Moment (vgl. auch Tabelle 3.1). Bei der Anwendung von (2.22) ist darauf zu achten, dass durch die Festlegung einer positiven Drehrichtung ϕ auch der positive Drehsinn des Moments festgelegt ist: wird zum Beispiel der
92
2 Kinetik eines Systems von Massenpunkten
Winkel ϕ rechts herum positiv gez¨ ahlt, so ist ein Moment positiv (negativ), wenn es rechts (links) herum dreht. B2.3
Beispiel 2.3 Das in A aufgeh¨ angte Pendel besteht aus einer star-
ren, masselosen Stange, an der die Massen m1 und m2 angebracht sind (Abb. 2.6a). Wird es aus der Gleichgewichtslage ausgelenkt und dann losgelassen, so bewegt es sich unter der Wirkung der Erdschwere in der Zeichenebene. Es ist die Bewegungsgleichung aufzustellen. A
A l
ϕ m1
m1 l
m1 g
m2
m2
l sinϕ
m2 g a
b
2l sinϕ
Abb. 2.6
L¨ osung Da das System nur eine reine Drehbewegung um eine Achse a durch den festen Punkt A ausf¨ uhren kann, ist es zweckm¨ aßig, den Drehimpulssatz zur Aufstellung der Bewegungsgleichung anzuwenden. Den Winkel ϕ z¨ ahlen wir dabei von der Gleichgewichtslage (vertikale Lage) aus entgegen dem Uhrzeigersinn positiv (Abb. 2.6b). Mit dem Massentr¨ agheitsmoment
Θa = m1 l2 + m2 (2 l)2 = (m1 + 4 m2 ) l2 und dem Moment der ¨ außeren Kr¨ afte (hier Gewichte) um die Achse a (positiven Drehsinn beachten!) Ma = − m1 gl sin ϕ − m2 g(2 l sin ϕ) = − lg(m1 + 2 m2 ) sin ϕ erh¨ alt man durch Einsetzen in (2.22) (m1 + 4 m2 )l2 ϕ¨ = − lg(m1 + 2 m2 ) sin ϕ
2.4
→
ϕ¨ +
Arbeitssatz und Energiesatz
93
g m1 + 2 m2 sin ϕ = 0 . l m1 + 4 m2
F¨ ur kleine Winkel (sin ϕ ≈ ϕ) wird durch diese Gleichung eine harmonische Schwingung (vgl. Kapitel 5) beschrieben.
2.4
2.4 Arbeitssatz und Energiesatz Nach Abschnitt 1.2.7 lautet der Arbeitssatz f¨ ur einen Massenpunkt mi des Massenpunktsystems Eki − Ek0i = Wi .
(2.23)
Darin sind Eki = mi vi2 /2 die kinetische Energie von mi zur Zeit t und Ek0i die kinetische Energie im Ausgangszustand zur Zeit afte zwischen den t0 ; Wi ist die Arbeit der auf mi wirkenden Kr¨ beiden Lagen, die t und t0 zugeordnet sind. Mit der a¨ußeren Kraft aften Fij l¨ asst sich letztere schreiben als Fi und den inneren Kr¨ Wi =
ri (a) (i) Fij · dri = Wi + Wi , Fi + roi
(2.24)
j
(a) (i) wobei außeren Kraft und Wi =
Wi = Fi · dri die Arbeit der ¨ Fij · dri die Arbeit der inneren Kr¨ afte sind. Summiert man (2.23) u ber alle n Massen, so erh¨alt man mit ¨ Eki den Arbeitssatz f¨ ur ein MassenW = Wi und Ek = punktsystem: Ek − Ek0 = W (a) + W (i) = W .
(2.25)
Die Summe der Arbeiten aller ¨ außeren und aller inneren Kr¨afte ist ¨ demnach gleich der Anderung der gesamten kinetischen Energie des Systems. F¨ ur starre Bindungen ist die Arbeit W (i) der inneren Kr¨afte
94
2 Kinetik eines Systems von Massenpunkten
drij dri
drj
z mi
Fji
Fij
dri
mj
y
x
Abb. 2.7
Null. Um dies zu zeigen, betrachten wir die auf mi und mj wirur die infikenden Gegenkr¨afte Fij und Fji = −Fij (Abb. 2.7). F¨ nitesimalen Verschiebungen dri und drj gilt drj = dri + drij , wobei drij bei konstantem Abstand der Massen senkrecht auf der Verbindungsgeraden zwischen mi und mj und damit senkrecht auf (i) afte ergibt sich also zu Fji steht. Die Arbeit dWij beider Kr¨ (i)
dWij = Fij · dri + Fji · drj = Fji · drij = 0 .
(i) (i) Die Arbeit Wij = dWij bei einer endlichen Verschiebung ist dann ebenfalls Null; dies trifft auch f¨ ur die Arbeit aller weiteren inneren Kr¨ afte des Systems zu. F¨ ur starre Bindungen lautet demnach der Arbeitssatz Ek − Ek0 = W (a) = W .
(2.26)
Sind die ¨ außeren und die inneren Kr¨ afte konservative Kr¨afte, (a) (i) d.h. sind sie aus je einem Potential Ep und einem Potential Ep ableitbar (z.B. Gewichtskraft, Federkraft), so ist die Arbeit gleich der negativen Potentialdifferenz: (a)
W (a) = − (Ep(a) − Ep0 ),
(i)
W (i) = − (Ep(i) − Ep0 ) .
Einsetzen in (2.25) liefert den Energiesatz (a)
(i)
Ek + Ep(a) + Ep(i) = Ek0 + Ep0 + Ep0 = const .
(2.27)
Die Summe aus kinetischer Energie und potentieller Energie ist
2.4
Arbeitssatz und Energiesatz
95
demnach bei der Bewegung des Systems konstant. Man spricht in diesem Fall von einem konservativen System. Leisten die inneren (i) Kr¨afte keine Arbeit (starre Bindungen), so gilt W (i) = −(Ep − (i) Ep0 ) = 0, und aus (2.27) wird (a)
Ek + Ep(a) = Ek0 + Ep0 = const .
(2.28)
Beispiel 2.4 Das System in Abb. 2.8a (vgl. Beispiel 2.1) wird aus
der Ruhe losgelassen. Die Rollen und das undehnbare Seil seien masselos. Es ist der Geschwindigkeitsverlauf der Masse m1 in Abh¨angigkeit vom Weg zu bestimmen.
1111111 0000000 0000000 1111111
111111 000000
x2 G2 G1
m2 g
x1 Abb. 2.8
a
b
m1 g
L¨ osung Da nur konservative ¨ außere Kr¨ afte (Gewichte) wirken und
die inneren Kr¨ afte keine Arbeit leisten (undehnbares Seil), gehen wir vom Energiesatz (2.28) aus. Wir z¨ ahlen die Koordinaten x1 und x2 (Abb. 2.8b) von der Ausgangslage aus und betrachten diese Lage als den Zustand mit dem Potential Null. Unter Ber¨ ucksichtigung des kinematischen Zusammenhangs x2 = 2 x1
→
x˙ 2 = 2 x˙ 1
werden dann (a)
Ep0 = 0, Ek0 = 0,
Ep(a) = m1 g x1 − m2 g x2 = (m1 − 2 m2 ) g x1 , 1 1 1 Ek = m1 x˙ 21 + m2 x˙ 22 = (m1 + 4 m2 ) x˙ 21 . 2 2 2
B2.4
96
2 Kinetik eines Systems von Massenpunkten
Einsetzen in (2.28) liefert die Geschwindigkeit x˙ 1 in Abh¨angigkeit vom Weg x1 : 1 (m1 + 4 m2 ) x˙ 21 + (m1 − 2 m2 ) g x1 = 0 2 2 m2 − m1 → x˙ 1 = ± 2 g x1 . m1 + 4 m2 Da der Radikand positiv sein muss, ist f¨ ur 2 m2 > m1 auch x1 positiv (m1 bewegt sich nach oben). Hierzu geh¨ort das positive Vorzeichen der Wurzel. F¨ ur 2 m2 < m1 ist x1 negativ, und es gilt dann das negative Vorzeichen (x˙ 1 < 0).
2.5
2.5 Zentrischer Stoß Als Stoß bezeichnet man das pl¨ otzliche Aufeinandertreffen zweier K¨ orper und die dadurch hervorgerufene Bewegungs¨anderung. Dabei u orper w¨ ahrend eines kurzen Zeitraumes große ¨ ben die K¨ Kr¨ afte aufeinander aus. Dies f¨ uhrt in der Umgebung der Ber¨ uhrungsstelle zu zeitabh¨ angigen Deformationen, wodurch eine genaue Behandlung des Stoßproblems kompliziert ist. Trotzdem kann mit ¨ Hilfe von Idealisierungen die Anderung des Bewegungszustandes beim Stoß beschrieben werden. Wir treffen dazu folgende Annahmen: a) Die Stoßdauer ts des Stoßvorganges ist so klein, dass die Lage¨ anderungen der beteiligten K¨ orper w¨ ahrend ts vernachl¨assigt werden k¨ onnen. b) Die an der Ber¨ uhrstelle der K¨ orper auftretenden Kr¨afte sind afte im Vergleich zu ihnen so groß, dass w¨ ahrend ts alle anderen Kr¨ vernachl¨ assigt werden k¨ onnen. c) Die Deformationen der K¨ orper sind so klein, dass sie hinsichtlich der Bewegung der K¨ orper als Ganzes vernachl¨assigt werden k¨onnen (d.h. die K¨ orper werden in den Bewegungsgesetzen als starr angesehen). In Abb. 2.9a sind zwei K¨ orper w¨ ahrend eines Stoßes darge-
2.5
Zentrischer Stoß
Ber¨ uhrungsebene
97
zentrischer Stoß
S2 Stoßnormale
S1
P
S2
S1 b
a
Abb. 2.9
stellt. Der Stoßpunkt P liegt in der Ber¨ uhrungsebene. Die Gerade senkrecht zu ihr durch P bezeichnet man als Stoßnormale. Haben die Geschwindigkeiten der Ber¨ uhrpunkte beider K¨orper unmittelbar vor dem Stoß die Richtung der Stoßnormalen, so spricht man von einem geraden Stoß. Im anderen Fall heißt der Stoß schief. Geht die Stoßnormale durch beide K¨ orperschwerpunkte, so nennt man den Stoß zentrisch, andernfalls exzentrisch. Wir wollen uns in diesem Abschnitt nur mit dem zentrischen Stoß besch¨aftigen, wie er zum Beispiel beim Zusammenprall zweier Kugeln auftritt (Abb. 2.9b). vor dem Stoß
m1 v1
m2
w¨ahrend des Stoßes
m1 v¯1
v2 m1
a
F
F
FˆK FˆR b
t∗
nach dem Stoß
F (t)
F
c
t
plastischer Stoß
FˆK FˆR = 0
FˆK = FˆR ts t
v¯2
m2
elastischer Stoß
∗
m2
ts
t d
t∗ = ts
t
Abb. 2.10
Wir beschr¨ anken uns zun¨ achst auf den geraden Stoß und betrachten zwei Massen m1 und m2 , die sich mit den Geschwindigkeiten v1 und v2 (v1 > v2 ) entlang einer Geraden bewegen (Abb. 2.10a). Zum Zeitpunkt t = 0 erfahren sie die erste Ber¨ uhrung. Die Kraft F (t), die von den Massen aufeinander ausge¨ ubt
98
2 Kinetik eines Systems von Massenpunkten
wird, steigt dann zun¨ achst mit t an (Abb. 2.10b) und erreicht bei ∗ t = t ihr Maximum. Diesen Zeitraum, bei dem die Massen in der Umgebung der Ber¨ uhrstelle zunehmend zusammengedr¨ uckt werden, nennt man erste Stoßperiode oder Kompressionsperiode. An ihrem Ende (gr¨ oßte Zusammendr¨ uckung) besitzen beide Massen ∗ die gleiche Geschwindigkeit v . In der zweiten Stoßperiode oder Restitutionsperiode gehen die Deformationen wieder teilweise oder vollkommen zur¨ uck, was mit einer Abnahme der Kontaktkraft F einhergeht. Nach der Zeit ts ist der Stoßvorgang abgeschlossen; die Kontaktkraft F ist dann Null, und die beiden Massen bewegen sich unabh¨ angig voneinander mit den Geschwindigkeiten v¯1 und v¯2 (Abb. 2.10a). Durch die jeweiligen Fl¨ achen unterhalb des Kraftverlaufes F (t) in Abb. 2.10b werden die Stoßkr¨ afte in der Kompressions- und in der Restitutionsperiode beschrieben (vgl. Abschnitt 1.2.5): ∗
t FˆK =
ts F (t) dt,
FˆR =
F (t) dt .
(2.29)
t∗
0
Die gesamte Stoßkraft ist demnach ts Fˆ =
F (t) dt = FˆK + FˆR .
(2.30)
0
Sind die stoßenden K¨ orper vollkommen elastisch so werden die Stoßkr¨ afte der Kompressionsperiode und der Restitutionsperiode gleich sein: FˆK = FˆR (Abb. 2.10c). Sind die K¨orper dagegen vollkommen plastisch, so bleiben die Deformationen am Ende der Kompressionsperiode erhalten. Die Kraft F verschwindet dann schlagartig (Abb. 2.10d), und es gilt FˆR = 0. Beide Massen bewegen sich in diesem Fall nach dem Stoß mit der gemeinsamen Geschwindigkeit v ∗ . Der allgemeine Fall, bei dem die K¨orper teilelastisch sind, kann durch FˆR = e FˆK
mit
0e1
(2.31)
beschrieben werden. Den Faktor e bezeichnet man als die Stoßzahl.
2.5
Zentrischer Stoß
99
Tabelle 2.1
Material
Stoßzahl e
Holz/Holz
≈ 0, 5
Stahl/Stahl
0, 6 . . . 0, 8
Glas/Glas
0, 94
Kork/Kork
0, 5 . . . 0, 6
Sie h¨ angt von der Materialbeschaffenheit, der Form und in gewissem Maße auch von der Geschwindigkeit der stoßenden K¨orper ab und kann durch Messungen bestimmt werden. Ein Stoß mit der Stoßzahl e = 1 ist ideal-elastisch, einer mit e = 0 ideal plastisch und einer mit 0 < e < 1 teilelastisch. In Tabelle 2.1 sind einige Stoßzahlen f¨ ur Kugeln aus jeweils gleichem Material zusammengestellt. Infolge des Stoßes erfahren die Massen m1 und m2 Geschwindigkeits¨ anderungen. Diese kann man bestimmen, indem man auf die beiden Massen jeweils den Impulssatz anwendet. Dabei ber¨ ucksichtigen wir, dass wegen actio = reactio nicht nur die auf m1 und m2 wirkenden Kr¨ afte, sondern auch die jeweiligen Stoßkr¨afte entgegengesetzt gleich groß sind. Damit gilt nach (1.51) f¨ ur die Kompressionsperiode m1 (v ∗ − v1 ) = − FˆK , m2 (v ∗ − v2 ) = + FˆK
(2.32)
und f¨ ur die Restitutionsperiode v1 − v ∗ ) = − FˆR , m1 (¯ m2 (¯ v2 − v ∗ ) = + FˆR .
(2.33)
Mit (2.31) bis (2.33) stehen f¨ unf Gleichungen f¨ ur die f¨ unf Unbeugung. Aufl¨osen liefert die kannten v¯1 , v¯2 , v ∗ , FˆK und FˆR zur Verf¨ Geschwindigkeiten nach dem Stoß:
100
2 Kinetik eines Systems von Massenpunkten
m1 v1 + m2 v2 − e m2 (v1 − v2 ) , m1 + m2 m1 v1 + m2 v2 + e m1 (v1 − v2 ) v¯2 = . m1 + m2
v¯1 =
(2.34)
Ist der Stoß ideal-plastisch (e = 0), so erh¨ alt man aus (2.34) v¯1 = v¯2 =
m1 v1 + m2 v2 . m1 + m2
Diese Geschwindigkeit ist gleich der gemeinsamen Geschwindigkeit v ∗ am Ende der Kompressionsperiode. F¨ ur einen ideal-elastischen Stoß (e = 1) folgen v¯1 =
2 m2 v2 + (m1 − m2 )v1 , m1 + m2
v¯2 =
2 m1 v1 + (m2 − m1 )v2 . m1 + m2
Sind dabei die Massen gleich (m1 = m2 = m), so werden v¯1 = v2 ,
v¯2 = v1 .
In diesem Fall findet ein Geschwindigkeitsaustausch (Impulsaustausch) statt. Ist zum Beispiel die Masse m2 vor dem Stoß in Ruhe, so hat sie nach dem Stoß die urspr¨ ungliche Geschwindigkeit von ahrend m1 nun in Ruhe ist. m1 , w¨ Unabh¨ angig von der Art des Stoßes bleibt der Impuls des Gesamtsystems (Massen m1 und m2 ) erhalten: m1 v¯1 + m2 v¯2 =
1 [m2 v1 + m1 m2 v2 − e m1 m2 (v1 − v2 ) m1 + m2 1 + m1 m2 v1 + m22 v2 + e m1 m2 (v1 − v2 )]
= m1 v1 + m2 v2 . Bildet man die Geschwindigkeitsdifferenz v¯2 − v¯1 der Massen nach dem Stoß, so erh¨ alt man v¯2 − v¯1 =
e (v1 − v2 )(m1 + m2 ) = e (v1 − v2 ) . m1 + m2
Darin stellen (v1 − v2 ) die relative Ann¨ aherungsgeschwindigkeit der Massen vor dem Stoß und (¯ v2 − v¯1 ) die relative Trennungsge-
2.5
Zentrischer Stoß
101
schwindigkeit der Massen nach dem Stoß dar. Demnach gilt der Zusammenhang e=−
v¯1 − v¯2 . v1 − v2
(2.35)
Die Stoßzahl e ist hiernach gleich dem Verh¨ altnis von relativer Trennungsgeschwindigkeit zu relativer Ann¨ aherungsgeschwindigkeit. Man bezeichnet diese Beziehung auch als Stoßbedingung. Wir werden meist diese Bedingung an Stelle von (2.31) anwenden. Der Verlust des Systems an mechanischer Energie beim Stoß (plastische Deformation, Erw¨ armung) errechnet sich aus der Differenz ∆Ek der kinetischen Energie vor und nach dem Stoß. Mit (2.34) erh¨ alt man m1 v12 m2 v22 m1 v¯12 m2 v¯22 + + ∆Ek = − 2 2 2 2 (2.36) 1 − e 2 m1 m2 2 (v1 − v2 ) . = 2 m1 + m2 Beim elastischen Stoß (e = 1) tritt kein Energieverlust auf, w¨ahoßten ist. rend ∆Ek beim plastischen Stoß (e = 0) am gr¨ Bei manchen Stoßvorg¨ angen in der Technik, wie zum Beispiel beim Schmieden oder beim Einrammen eines Pfahles, ist die Masse m2 vor dem Stoß in Ruhe (v2 = 0). Definiert man den Umaltnis von Verlustenergie ∆Ek (= formwirkungsgrad η als das Verh¨ f¨ ur die Deformation aufgewendete Arbeit) zu eingesetzter Energie Ek = 12 m1 v12 , so wird mit (2.36) η=
∆Ek m2 1 = (1 − e2 ) = (1 − e2 ) m1 . Ek m1 + m2 1+ m2
(2.37)
Beim Schmieden, bei dem man K¨ orper plastisch deformieren will, soll η m¨ oglichst groß sein. Dies erreicht man mit einem m¨oglichst kleinen Massenverh¨ altnis m1 /m2 (große Amboßmasse m2 einschließlich Werkst¨ uck). Das Eintreiben eines Pfahles oder Nagels soll dagegen mit m¨oglichst geringer Verformung des Pfahles oder Nagels verbunden sein (kleines η). Hier muss m1 /m2 m¨oglichst groß sein (große Hammermasse m1 ).
102
2 Kinetik eines Systems von Massenpunkten
Wir gehen nun vom geraden zum schiefen zentrischen Stoß u ¨ber. Dabei betrachten wir der Einfachheit halber den Stoß zweier Massen in einer Ebene (Abb. 2.11a). Setzen wir voraus, dass die Oberfl¨ achen der Massen glatt sind (rauhe Oberfl¨achen: siehe Abschnitt 3.3.3), so wirken die Kontaktkraft F (t) und damit auch die Stoßkraft Fˆ immer in Richtung der Stoßnormalen (Abb. 2.11b). v¯1 v¯2
v¯2y
y
v¯2x Stoßnormale
Fˆ
x v1
m1
v2
m2
x
v1y m2 m1 a
v1x
Ber¨ uhrungsebene
b
Abb. 2.11
Mit dem Koordinatensystem nach Abb. 2.11a liefert dann der Impulssatz in y-Richtung m1 v¯1y − m1 v1y = 0
→
v¯1y = v1y ,
m2 v¯2y − m2 v2y = 0
→
v¯2y = v2y .
(2.38)
Die Geschwindigkeitskomponenten senkrecht zur Stoßnormalen bleiben demnach bei glatten Oberfl¨ achen unge¨andert. In Richtung der Stoßnormalen (x-Richtung) lauten die Gleichungen genau wie beim geraden Stoß. Zu beachten ist nur, dass den Geschwindigkeiten beim geraden Stoß nun die Geschwindigkeitskomponenten in Richtung der Stoßnormalen entsprechen. Hierauf ist insbesondere bei der Stoßbedingung (2.35) zu achten. Wir wollen die Gleichungen hier nochmals angeben, wobei wir jetzt jedoch die Impulss¨ atze u ¨ ber die gesamte Stoßzeit ts anschreiben: m1 v¯1x − m1 v1x = − Fˆ , (2.39) m2 v¯2x − m2 v2x = + Fˆ .
2.5
Zentrischer Stoß
103
Mit der Stoßbedingung entsprechend (2.35) e=−
v¯1x − v¯2x v1x − v2x
(2.40)
stehen damit drei Gleichungen f¨ ur die drei Unbekannten v¯1x , v¯2x und Fˆ zur Verf¨ ugung. Aufl¨ osen liefert f¨ ur v¯1x und v¯2x die schon bekannten Ergebnisse (2.34). Beispiel 2.5 Zwei Massen (m1 = m, m2 = 2 m) stoßen auf einer
geraden Bahn gegeneinander (Abb. 2.12). Die Geschwindigkeit v1 der Masse m1 sei gegeben. Wie groß muss v2 sein, damit m1 nach dem Stoß (Stoßzahl e) ruht, und wie groß ist dann die Geschwindigkeit von m2 nach dem Stoß? m1
Abb. 2.12
v1
v2
m2
11111111111111 00000000000000
L¨ osung Beim geraden zentrischen Stoß sind die Geschwindigkeiten
nach dem Stoß durch (2.34) gegeben. Z¨ ahlen wir Geschwindigkeiten positiv nach rechts, so gilt (Richtung von v2 beachten!) v¯1 =
m1 v1 − m2 v2 − e m2 (v1 + v2 ) , m1 + m2
m1 v1 − m2 v2 + e m1 (v1 + v2 ) . m1 + m2 Aus der Bedingung v¯1 = 0 folgt v¯2 =
m1 v1 − m2 v2 − e m2 (v1 + v2 ) = 0 →
v2 = v1
m 1 − e m2 1−2e = v1 . m2 (1 + e) 2 (1 + e)
Einsetzen von v2 in v¯2 liefert 1−2e 1−2e 1 + e m v1 + v1 v¯2 = mv1 − 2 mv1 3m 2 (1 + e) 2 (1 + e)
B2.5
104
2 Kinetik eines Systems von Massenpunkten
= v1
3e . 2 (1 + e)
ur e > 1/2 F¨ ur e = 1/2 muss die Masse m2 vor dem Stoß ruhen. F¨ dreht sich die Richtung von v2 um; die Masse m2 muss sich in diesem Fall vor dem Stoß nach rechts bewegen. B2.6
Beispiel 2.6 Eine Masse m1 rutscht aus der Ausgangslage A ohne
Anfangsgeschwindigkeit eine glatte Bahn hinab und st¨oßt in B horizontal gegen eine ruhende Masse m2 = 3 m1 (Abb. 2.13). F¨ ur welche Stoßzahlen e bewegt sich die Masse m1 nach dem ur e = 1/2, Stoß wieder aufw¨ arts? Welche H¨ ohe h∗ erreicht m1 f¨ und wie groß ist dann die Flugweite w von m2 ? A h
111111 000000 000000 111111 000000 111111 0000001 111111 0 000000 111111 0 0000001 111111 0 1 0000000 1111111 0 1 0000000 1111111 0 1 m1
m2
∗
h
h
B
w
Abb. 2.13
L¨ osung Die Geschwindigkeiten von m1 und m2 unmittelbar vor
√ dem Stoß sind v1 = 2 gh (Energiesatz) und v2 = 0. Damit werden nach (2.34) die Geschwindigkeiten nach dem Stoß m 1 − e m2 1−3e v1 = 2 gh, v¯1 = m1 + m2 4
m1 (1 + e) 1+e v1 = 2 gh . m1 + m2 4 Wenn sich m1 zur¨ uckbewegen soll, muss v¯1 negativ sein. Die Stoßzahl muss somit folgender Bedingung gen¨ ugen: 1 1−3e < 0 → e > . 3 v¯2 =
F¨ ur e = 1/2 werden die Geschwindigkeiten nach dem Stoß 1 3 v¯1 = − 2 gh, v¯2 = 2 gh . 8 8
2.5
Zentrischer Stoß
105
Die H¨ ohe h∗ ermitteln wir aus dem Energiesatz: 1 m1 v¯12 = m1 gh∗ 2
h∗ =
→
h v¯12 = . 2g 64
Die Flugweite w von m2 ergibt sich aus (1.41) mit α = 0 und z(x = w) = −h zu 3 2h = h. w = v¯2 g 4 Beispiel 2.7 Eine Masse m1 trifft mit einer Geschwindigkeit v1 so
uhrungsebene unter 45◦ auf eine ruhende Masse m2 , dass die Ber¨ zu v1 geneigt ist (Abb. 2.14a). Die Oberfl¨ achen der K¨orper seien glatt. Es sind die Geschwindigkeiten beider Massen nach dem Stoß (Stoßzahl e) zu bestimmen. y m1
m1
v1
v¯1
v1
45◦
v1x
m2
m1
v¯1y
v1y
m2
45◦
α ¯1
v¯1x
Fˆ m2 x
v¯2 a
b
x
c
Abb. 2.14
L¨ osung Wir w¨ ahlen ein Koordinatensystem nach Abb. 2.14b, bei dem die x-Achse mit der Stoßnormalen zusammenf¨allt. Da die Oberfl¨ achen glatt sind, wirkt die Stoßkraft Fˆ in Richtung der Stoßnormalen (Abb. 2.14c). Dann lauten die Impulss¨atze f¨ ur m1 und m2 sowie die Stoßbedingung: m1 (¯ v1x − v1x ) = − Fˆ , m1 (¯ v1y − v1y ) = 0,
m2 (¯ v2x − v2x ) = + Fˆ , e=−
v¯1x − v¯2x . v1x − v2x
m2 (¯ v2y − v2y ) = 0,
B2.7
106
2 Kinetik eines Systems von Massenpunkten
Daraus erh¨ alt man mit √ 2 v1 , v2x = v2y = 0 v1x = v1y = 2 die Geschwindigkeitskomponenten nach dem Stoß: √ √ 2 m 1 − e m2 2 v1 v1 , , v¯1y = v¯1x = 2 m1 + m2 2
v¯2x =
√ 2 m1 (1 + e) v1 , 2 m1 + m2
v¯2y = 0 .
Die Masse m2 bewegt sich demnach mit der Geschwindigkeit v¯2 = v¯2x in Richtung der Stoßnormalen (Abb. 2.14b). F¨ ur die Geschwin¯1 erhalten wir digkeit v¯1 und den Richtungswinkel α v1 1 2 +v 2 = v¯1 = v¯1x ¯1y m21 + (1 − e)m1 m2 + (1 + e2 ) m22 , m1 + m2 2 tan α ¯1 =
2.6
v¯1y m1 + m2 = . v¯1x m 1 − e m2
2.6 K¨ orper mit ver¨ anderlicher Masse Bisher haben wir immer angenommen, dass die Masse eines Systems unver¨ anderlich ist. Wir wollen nun von dieser Annahme abgehen und die Bewegung eines K¨ orpers mit ver¨anderlicher Masse untersuchen. Ein technisches Beispiel hierf¨ ur ist die Rakete, deren Masse beim Flug abnimmt. Als einfachen Fall betrachten wir zun¨ achst einen K¨orper K, der anfangs die Masse m0 hat und der sich mit der Geschwindigkeit v0 bewegt (Abb. 2.15). Nun werde von K eine Masse ∆m mit der Ausstoßgeschwindigkeit w abgestoßen. Nach dem Abstoßen hat dann der K¨ orper die ge¨ anderte Masse m0 − ∆m und die ge¨anderte Geschwindigkeit v1 = v0 + ∆v. Die Ausstoßgeschwindigkeit w ist
2.6
K¨ orper mit ver¨anderlicher Masse
107
nach Abstoßung
v 1 +w
w vor Abstoßung
∆m v0 K
K
Abb. 2.15
m0
v1 v 1 = v 0 + ∆v
m0 −∆m
die Geschwindigkeit von ∆m relativ zum K¨ orper nach dem Abstoßen. Die Masse ∆m hat demnach die Absolutgeschwindigkeit v1 + w (vgl. Kapitel 6). Fassen wir beide Teilmassen als zu einem System geh¨ orig auf, so wirken beim Abstoßen nur innere Kr¨afte. Der Impuls vor dem Abstoßen p0 = m0 v0 und der Impuls nach dem Abstoßen p1 = (m0 − ∆m)v1 + ∆m(v1 + w) m¨ ussen dann wegen (2.14) gleich sein: p0 = p1 . Einsetzen liefert die Geschwindigkeits¨ anderung des K¨ orpers K infolge des Abstoßens: ∆v = v1 − v0 = −
∆m w. m0
(2.41)
Sie ist um so gr¨ oßer, je gr¨ oßer die ausgestoßene Masse ∆m und je gr¨ oßer die Ausstoßgeschwindigkeit w sind. Das negative Vorzeichen in (2.41) zeigt an, dass ∆v und w entgegengesetzt gerichtet sind. Wird vom K¨orper keine Masse ausgestoßen, sondern trifft ∆m mit der Relativgeschwindigkeit w auf den K¨orper und vereinigt sich mit ihm, so kehrt sich das Vorzeichen in (2.41) um. Wir untersuchen nun einen K¨ orper K, der kontinuierlich Masse ausst¨ oßt und auf den eine ¨ außere Kraft F wirkt (Abb. 2.16). Der K¨ orper habe zum Zeitpunkt t die Masse m und die Geschwindigkeit v. W¨ ahrend des Zeitintervalls dt st¨ oßt er eine Masse dm∗ mit der Ausstoßgeschwindigkeit w aus. Zum Zeitpunkt t + dt be-
108
2 Kinetik eines Systems von Massenpunkten v+dv+w
dm∗ F +dF
v+dv K
F
m − dm∗
v
K
Bahn von K
m
Zeitpunkt t+dt
Zeitpunkt t
Abb. 2.16
tr¨ agt demnach seine Masse m − dm∗ ; seine Geschwindigkeit hat sich um dv ge¨ andert. Der Impuls des Gesamtsystems betr¨agt somit zum Zeitpunkt t p(t) = m v und zum Zeitpunkt t + dt p(t + dt) = (m − dm∗ )(v + dv) + dm∗ (v + dv + w) = m v + m dv + dm∗ w = p(t) + dp . Dann liefert (2.12) dv dm∗ dp =m + w=F. dt dt dt
(2.42)
Darin ist dm∗ /dt = µ die pro Zeiteinheit ausgestoßene Masse (Massenausstoß). Die Massen¨anderung dm/dt des K¨orpers ist durch −dm∗ /dt gegeben (Massenabnahme): dm dm∗ =− = −µ. dt dt
(2.43)
F¨ uhren wir mit S = − µw
(2.44)
eine Schubkraft S ein, so l¨ asst sich (2.42) in der Form m
dv =F +S dt
(2.45)
2.6
K¨ orper mit ver¨anderlicher Masse
109
schreiben. Diese Gleichung hat formal die gleiche Gestalt wie das Newtonsche Bewegungsgesetz. Es ist jedoch zu beachten, dass nun die Masse des K¨ orpers zeitlich ver¨ anderlich ist: m = m(t). Außerdem tritt hier zu der ¨ außeren Kraft F noch der Schub S, der die kinetische Wirkung des Massenausstoßes auf den K¨orper beschreibt. Der Schub ist dabei direkt proportional zum Massenausstoß µ und zur Ausstoßgeschwindigkeit w; er wirkt entgegengesetzt zu w auf den K¨ orper. St¨ oßt zum Beispiel eine Rakete Masse nach hinten aus, so wirkt der Schub auf die Rakete nach vorne. Er ist bei gleichem Massenausstoß um so gr¨ oßer, je gr¨oßer die Ausstoßgeschwindigkeit ist. v m(t) m(t)g
mA S
Abb. 2.17
00000000 11111111 00000000 11111111 11111111 00000000 a
b
Als Anwendungsbeispiel betrachten wir eine Rakete der Anfangsmasse mA (einschließlich Treibstoff), die mit konstantem Schub bei konstantem Massendurchsatz von der Erdoberfl¨ache vertikal nach oben gestartet wird (Abb. 2.17a). Auf die Rakete wirken dann der Schub S entgegen der Richtung des Massenausstoßes und das zeitabh¨ angige Gewicht m(t) g (Abb. 2.17b). Vernachl¨ assigen wir den Luftwiderstand und nehmen wir die Erdbeschleunigung g als konstant an, so wird nach (2.45) die Bewegung der Rakete durch m(t) v˙ = − m(t) g + S mit
110
2 Kinetik eines Systems von Massenpunkten
S = µw = − mw ˙ beschrieben. (Damit die Rakete abhebt (v(0) ˙ > 0), muss f¨ ur den Schub S > mA g gelten.) Einsetzen liefert 1 dm dv = −g − w, dt m dt woraus man durch Integration (wegen S = const und µ = const gilt auch w = const) unter Ber¨ ucksichtigung der Anfangsbedingung v(0) = 0 den Geschwindigkeitsverlauf erh¨alt: m(t)
v(t) = − gt − w
dm ¯ m(t) mA = − gt − w ln − gt . = w ln m ¯ mA m(t)
mA
Aus m ˙ = − µ folgt m(t) = mA − µt, und damit wird v(t) = w ln
mA − gt. mA − µt
Die gr¨ oßte Geschwindigkeit ergibt sich bei Brennschluß t = T mit m(T ) = mE zu vmax = w ln
mA − gT. mE
Sie ist um so gr¨ oßer, je gr¨ oßer w und je gr¨ oßer das Massenverh¨altnis mA /mE sind. B2.8
Beispiel 2.8 Aus einem ruhenden Boot (Gesamtmasse m0 ), von
dem angenommen wird, dass es reibungsfrei im Wasser gleiten kann, werden zwei Massen m1 und m2 mit der Abwurfgeschwindigkeit w horizontal nach hinten geworfen. Wie groß ist die Geschwindigkeit des Bootes nach dem Abwerfen, wenn a) die beiden Massen gleichzeitig und b) zuerst die Masse m1 und dann die Masse m2 geworfen werden? L¨ osung In Abb. 2.18a sind f¨ ur den Fall a) die Bewegungszust¨ande
vor und nach dem Ausstoßen der Massen dargestellt. Nach dem Werfen bewegt sich die ausgestoßene Masse m1 + m2 in Bezug
2.6
K¨ orper mit ver¨anderlicher Masse
111
m1 +m2 va
w−va m0 −(m1 +m2 )
m0 , v0 = 0
a
m1
m0 , v0 = 0
vb∗
m2 vb
w−vb
m0 −m1
(m0 −m1 )−m2
b
Abb. 2.18
auf das Boot mit der Geschwindigkeit w nach hinten. Bewegt sich dann das Boot mit der Geschwindigkeit va nach vorne, so hat m1 + m2 die Absolutgeschwindigkeit w − va nach hinten. Da der ur Anfangsimpuls Null ist (v0 = 0), lautet somit der Impulssatz f¨ das Gesamtsystem (m0 − m1 − m2 ) va − (m1 + m2 )(w − va ) = 0 . Aufl¨ osen liefert die Geschwindigkeit va des Bootes nach dem Abwerfen: m1 + m2 w. va = m0 Analog erh¨ alt man im Fall b) die Geschwindigkeit vb∗ des Bootes nach dem Ausstoß der ersten Masse (Abb. 2.18b): (m0 − m1 ) vb∗ − m1 (w − vb∗ ) = 0
→
vb∗ =
m1 w. m0
Nochmaliges Anwenden des Impulssatzes auf das Teilsystem (m0 − m1 ) vor und nach dem Abstoßen der zweiten Masse liefert schließlich (m0 − m1 ) vb∗ = (m0 − m1 − m2 ) vb − m2 (w − vb ) m1 m2 → vb = + w. m0 m0 − m1 Nach Umformung l¨asst sich vb auch folgendermaßen schreiben:
112
2 Kinetik eines Systems von Massenpunkten
vb =
m1 + m2 m1 m2 + m0 m0 (m0 − m1 )
w = va +
m1 m2 w. m0 (m0 − m1 )
Wegen m0 > m1 ist die Geschwindigkeit des Bootes demnach im Fall b) gr¨ oßer als im Fall a). atte man auch durch wiederholte Die Ergebnisse f¨ ur va und vb h¨ Anwendung der Gleichung (2.41) gewinnen k¨ onnen. B2.9
Beispiel 2.9 Das Ende einer Kette der Masse m0 und der L¨ ange
l wird mit der konstanten Beschleunigung a0 vertikal nach oben gezogen (Abb. 2.19a). Wie groß ist die dazu erforderliche Kraft H? a0
H
z
a
1111 0000 0000 1111
b
m(t)g
11 00 000 00111 11 000 111 S
Abb. 2.19
L¨ osung Wir fassen den bereits hochgezogenen Teil der Kette als
K¨ orper auf, dessen Masse laufend zunimmt. Auf den K¨orper wirken dann die Kraft H, das ver¨ anderliche Gewicht m(t) g und der Schub“ S, den wir nach oben gerichtet annehmen (Abb. 2.19b). ” Z¨ahlen wir die Koordinate z des Kraftangriffspunktes positiv nach oben, dann gilt nach (2.45) m(t)¨ z = H − m(t) g + S,
(a)
wobei der Schub nach (2.43) und (2.44) durch S=m ˙ w
(b)
gegeben ist. Bez¨ uglich des mit der Geschwindigkeit z˙ nach oben bewegten Kettenteils bewegen“ sich die noch ruhenden Ketten” teile in negative z-Richtung. Demnach gilt
2.6
K¨ orper mit ver¨anderlicher Masse
w = − z˙ .
113
(c)
Aus der vorgegebenen Beschleunigung a0 erhalten wir mit den Anfangsbedingungen z(0) ˙ = 0 und z(0) = 0 die Geschwindigkeit und den Weg (= L¨ ange des nach oben gezogenen Kettenteiles): 1 (d) z¨ = a0 , z˙ = a0 t, z = a0 t2 . 2 Damit folgen f¨ ur die Masse und f¨ ur die Massen¨ anderung des K¨orpers m 0 a0 2 z t , m = m0 = (e) l 2l m 0 a0 t. (f) l Einsetzen von (b) bis (f) in (a) und Aufl¨ osen nach H liefert schließlich m ˙ =
H=
m0 a0 (3 a0 + g) 2 z t = m0 (3 a0 + g) . 2l l
Dieses Ergebnis ist nur g¨ ultig, solange sich die Masse des K¨orpers a¨ndert (z < l).
114
2.7
2 Kinetik eines Systems von Massenpunkten
2.7 Zusammenfassung • Die Bewegungen der einzelnen Massenpunkte kann man wie folgt ermitteln: Aufstellen der Bewegungsgleichungen f¨ ur jeden (freigeschnittenen) Massenpunkt mi . Formulierung der kinematischen Beziehungen (Bindungsgleichungen). • Schwerpunktsatz: as
m as = F ,
Beschleunigung des Schwerpunkts des Systems,
F
Summe der am System angreifenden ¨außeren Kr¨afte. • Impulserhaltungssatz: p = m vs = i mi v i = const , vs
Geschwindigkeit des Schwerpunkts des Systems.
Beachte: es wirken keine ¨ außeren Kr¨ afte auf das System. ˙ (0) = M (0) , • Drehimpulssatz: L L(0) = i (r i × mi v i ) Drehimpuls bez¨ uglich 0. • Arbeitssatz:
Ek − Ek0 = W (a) + W (i) ,
bei starren Bindungen gilt W (i) = 0 . • Energiesatz:
(a)
(i)
Ek + Ep + Ep = const,
bei starren Bindungen gilt Ek + Ep(a) = const . • Stoßvorg¨ ange k¨ onnen wie folgt behandelt werden: Festlegung des Koordinatensytems durch Stoßnormale (x) und Tangente (y). Aufstellen der Impulss¨ atze f¨ ur jeden Massenpunkt. v¯1x − v¯2x . Anwendung der Stoßbedingung e = − v1x − v2x • Bewegungsgesetz bei ver¨ anderlicher Masse: m a = F + S, S = −µ w = m ˙ w w
Schubkraft,
Ausstoßgeschwindigkeit.
Kapitel 3 Bewegung eines starren K¨ orpers
3
3 Bewegung eines starren K¨ orpers 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.5
Kinematik ........................................................ Translation ....................................................... Rotation .......................................................... Allgemeine Bewegung.......................................... Momentanpol .................................................... Kinetik der Rotation um eine feste Achse ................ Momentensatz ................................................... Massentr¨agheitsmoment ....................................... Arbeit, Energie, Leistung ..................................... Kinetik der ebenen Bewegung ............................... Kr¨aftesatz und Momentensatz ............................... Impulssatz, Arbeitssatz und Energiesatz ................... Exzentrischer Stoß.............................................. Kinetik der r¨aumlichen Bewegung .......................... Kr¨aftesatz und Momentensatz ............................... Drehimpuls, Tr¨agheitstensor, Eulersche Gleichungen .... Lagerreaktionen bei ebener Bewegung ..................... Der momentenfreie Kreisel ................................... Zusammenfassung ..............................................
117 117 117 121 129 134 135 136 141 146 146 157 162 170 170 173 182 186 188
Lernziele: Ein starrer K¨ orper kann als ein System von unendlich vielen Massenpunkten aufgefasst werden, deren gegenseitige Abst¨ ande sich nicht ¨ andern. Wie in Abschnitt 2.1 erl¨autert wurde, besitzt ein solcher K¨ orper im Raum sechs Freiheitsgrade, denen als Bewegungsm¨ oglichkeiten drei Translationen (je eine in x-, in y- und in z-Richtung) und drei Rotationen (je eine um die x-, um die y- und um die z-Achse) entsprechen. Wir werden in den folgenden Abschnitten zeigen, durch welche Gesetze die Bewegung eines solchen K¨ orpers beschrieben wird und wie diese sachgerecht angewendet werden. Dabei konzentrieren wir uns insbesondere auf die ebene Bewegung.
3.1
Kinematik
117
3.1
3.1 Kinematik Ein starrer K¨orper kann als ein System von unendlich vielen Massenpunkten aufgefasst werden, deren gegenseitige Abst¨ande sich nicht ¨ andern. Wie in Abschnitt 2.1 erl¨ autert wurde, besitzt ein solcher K¨ orper im Raum sechs Freiheitsgrade, denen als Bewegungsm¨ oglichkeiten drei Translationen (je eine in x-, in y- und in z-Richtung) und drei Rotationen (je eine um die x-, um die y- und um die z-Achse) entsprechen. In den folgenden Abschnitten wird gezeigt, wie sich die allgemeine Bewegung des starren K¨orpers aus Translation und Rotation zusammensetzen l¨ asst. 3.1.1 Translation
Translation nennt man eine Bewegung, bei der die Verbindungsstrecke zwischen zwei beliebigen Punkten A und P eines K¨orpers ihre Richtung nicht ¨ andert (Abb. 3.1). Alle Punkte erfahren dann in der Zeit dt die gleiche Verschiebung dr. Damit sind auch die Geschwindigkeiten und die Beschleunigungen f¨ ur alle Punkte des K¨ orpers gleich: v=
dr , dt
a=
dv d2 r = 2 . dt dt
(3.1)
P
r
P dr A
z
Bahn von P
A Bahn von A
Abb. 3.1
x
y
Die Bahnkurven, die von verschiedenen K¨ orperpunkten durchlaufen werden, haben alle die gleiche Form. Bei der Translation ist demnach die Bewegung eines beliebigen K¨ orperpunktes repr¨asentativ f¨ ur die Bewegung des ganzen K¨ orpers. 3.1.2 Rotation
Bei einer Rotation bewegen sich alle Punkte des K¨orpers um
118
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
eine gemeinsame Drehachse. Ist die Lage dieser Achse im Raum unver¨ anderlich, so spricht man von einer Rotation um eine feste Achse. Geht die Drehachse dagegen nur durch einen raumfesten Punkt und ver¨ andert ihre Richtung mit der Zeit, so bezeichnet man dies als eine Rotation um einen Fixpunkt (Kreiselbewegung).
feste Drehachse
1 0 01010 1 r
P
er
1 0 0 01 1 0 1
eϕ
·
ϕ, ω, ω Abb. 3.2
Wir betrachten zun¨ achst die Rotation eines K¨orpers um eine feste Achse (Abb. 3.2). In diesem Fall bewegen sich die Punkte auf Kreisbahnen, deren Ebenen jeweils senkrecht zur Drehachse stehen. Die Fahrstrahlen zu allen K¨ orperpunkten u ¨ berstreichen in gleichen Zeiten den gleichen Drehwinkel ϕ. Demnach sind auch die Winkelgeschwindigkeit ω = ϕ˙ und die Winkelbeschleunigung ω˙ = ϕ¨ f¨ ur alle Punkte gleich. F¨ ur die Geschwindigkeit und die Beschleunigung eines beliebigen Punktes P mit dem senkrechten Abstand r von der Drehachse gilt dann nach den Gleichungen (1.25) bis (1.28) f¨ ur die Kreisbewegung vP = vϕ eϕ ,
a P = a r er + a ϕ eϕ
(3.2a)
mit vϕ = rω,
ar = − rω 2 ,
aϕ = rω˙ .
(3.2b)
Wir wenden uns nun der Rotation um einen raumfesten Punkt A zu (Abb. 3.3). Die momentane Lage der Drehachse sei durch uhrt der K¨orper in der den Einheitsvektor eω gekennzeichnet. F¨
3.1
Kinematik
119
dϕ r
P P
rP z
x
rA
rAP
dr P
eω A fester Punkt
y
Abb. 3.3
augenblickliche Drehachse
Zeit dt eine Drehung mit dem Drehwinkel dϕ um die augenblickliche Drehachse aus, so bewegen sich alle K¨ orperpunkte momentan auf Kreisbahnen. F¨ ur die Verschiebung drP eines beliebigen Punktes P gilt dann mit den Bezeichnungen nach Abb. 3.3 drP = (eω × rAP ) dϕ .
(3.3)
Darin ist eω × rAP ein Vektor, der senkrecht auf eω und rAP steht und dessen Betrag gleich dem senkrechten Abstand r des Punktes P von der augenblicklichen Drehachse ist. F¨ uhrt man mit dϕ = dϕ eω
und ω =
dϕ = ϕ˙ eω = ω eω dt
(3.4)
den infinitesimalen Drehvektor dϕ sowie den Winkelgeschwindigalt man aus (3.3) f¨ ur die Geschwindigkeit keitsvektor ω ein, so erh¨ vP = drP /dt von P vP = ω × rAP .
(3.5)
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass zwar die infinitesimale Drehung dϕ und damit auch die Winkelgeschwindigkeit ω = dϕ/dt, aber nicht eine endliche Drehung Vektorcharakter haben. Letzteres erkennt man, wenn man einen K¨orper aus einer
120
3 Bewegung eines starren K¨ orpers z z
z ϕy =
ϕx = x
π 2
x
x
Ausgangslage
y
y
y
π 2
a
Endlage
z z z
ϕy =
π 2 y
y x
x
ϕx =
y
π 2 Endlage
x Ausgangslage
Abb. 3.4
b
Ausgangslage endliche Drehungen um verschiedene Achsen ausf¨ uhren l¨ asst. Drehen wir z.B. den Quader in Abb. 3.4 zuerst mit dem Winkel ϕx = π/2 um die x-Achse und dann mit dem Winkel ϕy = π/2 um die y-Achse, so erhalten wir die Endlage nach Abb. 3.4a. Dreht man dagegen zuerst mit ϕy = π/2 um die yAchse und dann mit ϕx = π/2 um die x-Achse, so ergibt sich eine andere Endlage (Abb. 3.4b). Da aber nach den Gesetzen der Vektoralgebra die Reihenfolge der Addition von Vektoren keinen Einfluss auf das Ergebnis haben darf, k¨ onnen endliche Drehwinkel keinen Vektorcharakter haben. Die Beschleunigung von P erhalten wir durch zeitliche Ableitung von (3.5): aP =
dvP = ω˙ × rAP + ω × r˙AP . dt
Da A ein fester Punkt ist (r˙A = 0), gilt r˙AP = r˙ P = vP = ω×rAP .
3.1
Kinematik
121
Hiermit folgt aP = ω˙ × rAP + ω × (ω × rAP ) .
(3.6)
Die Beziehungen (3.5) und (3.6) f¨ ur Geschwindigkeit und Beschleunigung gehen im Sonderfall der Rotation um eine feste Achse u ¨ber in (3.2a, b). 3.1.3 Allgemeine Bewegung
Die allgemeine Bewegung eines starren K¨ orpers l¨asst sich aus Translation und Rotation zusammensetzen. Um dies zu erkennen, betrachten wir zun¨ achst die ebene Bewegung eines K¨orpers (Abb. 3.5a). F¨ ur die Ortsvektoren zu den beliebigen k¨orperfesuhren wir die ten Punkten P und A gilt dann rP = rA + rAP . F¨ y rAP
yP
P
er eϕ
yA
der
r
er
A
rP
deϕ
eϕ
dϕ
rA ϕ xA xP
x b
a
vAP = rω ϕ
rω cosϕ P
rω sinϕ r y
y˙A A
Abb. 3.5 c
vA
y
aϕAP = r ω˙ ϕ r ω˙ sinϕ rω 2 cosϕ arAP = rω 2
r ω˙ cosϕ P rω 2 sinϕ ϕ
aA
y¨A A
x˙ A ϕ
x¨A ϕ
x
d
x
122
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
Einheitsvektoren er (von A nach P gerichtet) und eϕ (senkrecht orper mitbewegen, so k¨onnen wir zu rAP ) ein, die sich mit dem K¨ wegen rAP = r er schreiben: rP = rA + r er . Unter Beachtung von r = const liefert Differenzieren r˙ P = r˙A + ¨ re˙ r . Die Zeitableitung e˙ r ergibt sich aus folgender Uberlegung: andert rAP in der Zeit dt seine Richtung um den Winkel dϕ, ¨ anderungen um dϕ. Nach so erfahren auch er und eϕ Richtungs¨ Abb. 3.5b folgt dann der = dϕ eϕ , und es wird e˙ r = der /dt = alt man e˙ ϕ = −ϕ˙ er (vgl. auch Abschnitt 1.1.4). ϕ˙ eϕ . Analog erh¨ Mit ω = ϕ˙ lautet daher die Geschwindigkeit von P r˙ P = r˙A + r ω eϕ . F¨ ur die Beschleunigung ergibt sich daraus r¨P = r¨A + r ω˙ eϕ + r ω e˙ ϕ = r¨A + r ω˙ eϕ − rω 2 er . Zusammenfassend gilt rP = rA + rAP , vP = vA + vAP ,
(3.7a)
r aP = aA + aAP +
ϕ aAP
mit rAP = r er ,
vAP = r ω eϕ ,
r aAP = − rω 2 er ,
ϕ aAP = r ω˙ eϕ .
(3.7b)
Die Beziehungen (3.7a) bestehen aus zwei Anteilen. W¨ahrend orpers ausdr¨ ucken, wird durch rA , vA und aA die Translation des K¨ die weiteren Glieder (3.7b) nach (3.2a, b) eine Rotation des K¨orpers um den Punkt A beschrieben (Kreisbewegung von P ). Die ϕ stehen senkrecht auf rAP ; dagegen ist Vektoren vAP und aAP r von P nach A gerichtet (Zentripetalbeschleunigung). Die aAP
3.1
Kinematik
123
Geschwindigkeit (Beschleunigung) eines beliebigen Punktes P ist demnach gleich der Geschwindigkeit (Beschleunigung) des Punktes A plus der Geschwindigkeit (Beschleunigung) des Punktes P infolge der Rotation um A. In vielen F¨ allen ist es erforderlich, Geschwindigkeit und Beschleunigung von P in kartesischen Koordinaten anzugeben. Wir gehen direkt von den Koordinaten des Punktes P aus (Abb. 3.5a): xP = xA + r cos ϕ,
yP = yA + r sin ϕ .
Durch zweimaliges Differenzieren (ϕ = ϕ(t); Kettenregel!) folgt dann mit ϕ˙ = ω f¨ ur die Geschwindigkeits- und die Beschleunigungskomponenten vP x = x˙ P = x˙A − rω sin ϕ, vP y = y˙ P = y˙A + rω cos ϕ, ¨P = x¨A − rω˙ sin ϕ − rω 2 cos ϕ, aP x = x aP y = y¨P = y¨A + rω˙ cos ϕ − rω 2 sin ϕ . Die Bedeutung der einzelnen Glieder kann aus den Abb. 3.5c, d entnommen werden. Die Vektorgleichungen (3.7a, b) k¨ onnen dazu benutzt werden, um die Geschwindigkeit (Beschleunigung) eines K¨orperpunktes P zu einem beliebigen Zeitpunkt mittels eines Geschwindigkeitsplanes (Beschleunigungsplanes) grafisch zu ermitteln. Die Richtungen der einzelnen Geschwindigkeits- bzw. Beschleunigungsvektoren sind dabei dem Lageplan zu entnehmen, der die kinematischen (geometrischen) Gegebenheiten beschreibt. Sind zum Beiur spiel beim K¨ orper nach Abb. 3.6a die Gr¨ oßen vA , aA , ω und ω˙ f¨ die augenblickliche Lage bekannt, so l¨ asst sich die Geschwindigkeit vP nach (3.7a, b) aus der Vektorsumme von vA und vAP konstruieren (Abb. 3.6b). Dabei hat vAP den Betrag vAP = rω (Maßstab festlegen!) und steht senkrecht zu AP . Analog ergibt sich die r Beschleunigung aP nach Abb. 3.6c als Summe aus aA , aus aAP ϕ ϕ r 2 (aAP = rω , von P nach A gerichtet) und aus aAP (aAP = rω, ˙ ugt es, die senkrecht zu AP ). Arbeitet man grafoanalytisch, so gen¨ entsprechenden Pl¨ ane zu skizzieren und daraus mit Hilfe geome-
124
3 Bewegung eines starren K¨ orpers Lageplan
Geschwindigkeitsplan
P ω, ω˙ A
vAP = rω
r
aP
vP vA
aA
vA aϕAP = r ω˙
aA a
Beschleunigungsplan
b
c
arAP = rω 2 Abb. 3.6
trischer Beziehungen die gesuchten Gr¨ oßen zu bestimmen. Als illustratives Beispiel untersuchen wir die Bewegung des oberen Endpunktes B einer Stange, deren unterer Endpunkt A horizontal mit der Geschwindigkeit vA und der Beschleunigung aA gef¨ uhrt wird (Abb. 3.7a). Wir l¨ osen die Aufgabe zun¨achst analytisch. Dazu w¨ ahlen wir ein Koordinatensystem und z¨ahlen den Drehwinkel ϕ von der vertikalen Lage aus (Abb. 3.7b). Unter Beachtung, dass B keine Horizontalverschiebung erf¨ahrt, folgen dann aus xB = xA − l sin ϕ = 0,
yB = l cos ϕ
durch Differenzieren mit x˙A = vA : x˙ B = vA − lϕ˙ cos ϕ = 0
→
ϕ˙ = ω =
vA , l cos ϕ
vB = y˙ B = − lω sin ϕ = − vA tan ϕ . Nochmalige Ableitung nach der Zeit f¨ uhrt mit v˙A = aA auf x ¨B = aA − lω˙ cos ϕ + lω 2 sin ϕ = 0 v 2 sin ϕ aA + 2A 3 , → ω˙ = l cos ϕ l cos ϕ aB = y¨B = − lω˙ sin ϕ − lω 2 cos ϕ = − aA tan ϕ −
2 vA . l cos3 ϕ
Die gleichen Ergebnisse kann man unter Verwendung von (3.7a, b) auch grafoanalytisch erhalten. F¨ ur den Geschwindigkeitsplan oße und Richtung (horizon(Abb. 3.7c) sind bekannt: vA nach Gr¨
3.1
1 0 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 111111 000000 B
Kinematik
y yB B ϕ
l
l
A
a
vA , aA
A xA x
b
vA
aA ϕ
ϕ vB
125
ϕ
arAB = lω 2
vAB = lω aB aϕAB = lω˙
c d
Abb. 3.7
tal), vAB = lω nach der Richtung (senkrecht zu AB) und vB ebenfalls nach der Richtung (vertikal). Damit l¨ asst sich das Dreieck skizzieren, und wir lesen f¨ ur die Betr¨ age der Geschwindigkeiten ab: vA , vB = vA tan ϕ . lω = cos ϕ Analog erh¨ alt man den Beschleunigungsplan (Abb. 3.7d). Bekannt r = lω 2 (von B nach A gerichtet) sosind hier aA (horizontal), aAB ϕ wie die Richtungen von aAB (senkrecht zu AB) und aB (vertikal). Mit diesen Angaben l¨ asst sich das Viereck zeichnen, aus dem man dann zum Beispiel f¨ ur den Betrag von aB abliest: aB = aA tan ϕ +
lω 2 . cos ϕ
Einsetzen von ω (aus dem Geschwindigkeitsplan bestimmt) liefert das schon ermittelte Ergebnis f¨ ur aB . Auch die allgemeine r¨aumliche Bewegung eines starren K¨orpers setzt sich aus Translation und Rotation zusammen. Um dies zu zeigen, f¨ uhren wir nach Abb. 3.8 ein Koordinatensystem x ¯, y¯, z¯ ein, das sich mit dem K¨ orperpunkt A translatorisch mitbewegt
126
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
(Achsrichtungen unver¨ anderlich). Bez¨ uglich eines Beobachters im Ursprung A dieses Systems f¨ uhrt der K¨ orper eine Rotation aus; ihr sind f¨ ur den Punkt P eine Geschwindigkeit und eine Beschleunigung nach (3.5) und (3.6) zugeordnet. Hinzu kommen nun noch die Geschwindigkeit vA und die Beschleunigung aA des Punktes A (d.h. des translatorisch bewegten Systems x ¯, y¯, z¯) bez¨ uglich des festen Systems, x, y, z. Damit gilt f¨ ur die allgemeine r¨aumliche Bewegung rP = rA + rAP , vP = vA + ω × rAP ,
(3.8)
aP = aA + ω˙ × rAP + ω × (ω × rAP ).
P z
rAP A y
rP rA
z
x
y x
Abb. 3.8
Die Beziehungen (3.8) sind nat¨ urlich auch im Fall der ebenen Bewegung eines starren K¨ orpers g¨ ultig. Nehmen wir die x, yEbene als Bewegungsebene an (vgl. auch Abb. 3.5a), so erhalten wir durch Einsetzen von ω = ω ez ,
ω˙ = ω˙ ez ,
rAP = r er
in (3.8) die Gleichungen (3.7a, b) f¨ ur Ort, Geschwindigkeit und Beschleunigung von P : rP = rA + r er , vP = vA + ω ez × r er = vA + rω eϕ ,
3.1
Kinematik
127
aP = aA + ω˙ ez × r er + ω ez × (ω ez × r er ) = aA + rω˙ eϕ + ω ez × rω eϕ = aA + rω˙ eϕ − rω 2 er . Bei dem Kurbeltrieb nach Abb. 3.9 dreht sich die Kurbel 0A mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit ω0 . Wie groß sind Winkelgeschwindigkeit und -beschleunigung des Pleuels AK sowie Geschwindigkeit und Beschleunigung des Kolbens K in einer beliebigen Lage?
Beispiel 3.1
A ω0
r
y l
00000 11111 00000 11111 00000 11111
0
r 0
K
a
A l α = ω0 t
b
111 000 000 111 111 000 ϕ
K
x
Abb. 3.9
L¨ osung Wir w¨ ahlen ein Koordinatensystem und z¨ahlen die Dreh-
winkel α und ϕ von Kurbel und Pleuel von der Horizontalen aus (Abb. 3.9b). Da der Kolben horizontal gef¨ uhrt wird, ist seine Vertikalverschiebung Null: yK = r sin α − l sin ϕ = 0 .
(a)
Hieraus folgt der Zusammenhang zwischen den Winkeln ϕ und α: r2 r (b) sin ϕ = sin α, cos ϕ = 1 − 2 sin2 α . l l ur Aus (a) erhalten wir durch Differenzieren (α˙ = ω0 = const) f¨ die Winkelgeschwindigkeit ϕ˙ und die Winkelbeschleunigung ϕ¨ des Pleuels y˙ K = rω0 cos α − lϕ˙ cos ϕ = 0 r cos α , → ϕ˙ = ω0 l cos ϕ y¨K = − rω02 sin α + lϕ˙ 2 sin ϕ − lϕ ¨ cos ϕ = 0 →
ϕ¨ = − ω02
r sin α sin ϕ + ϕ˙ 2 l cos ϕ cos ϕ
B3.1
128
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
=
r cos2 α sin ϕ r sin α + − . l cos ϕ l cos3 ϕ
ω02
Ort, Geschwindigkeit und Beschleunigung des Kolbens ergeben sich damit unter Verwendung von (b) zu xK = r cos α + l cos ϕ, x˙ K
r cos α , = − rω0 sin α − lϕ˙ sin ϕ = − rω0 sin α 1 + l cos ϕ
x ¨K = − rω02 cos α − lϕ˙ 2 cos ϕ − lϕ¨ sin ϕ r sin2 α cos2 α − = − rω02 cos α − . l cos ϕ cos3 ϕ Die Winkelfunktionen sin ϕ und cos ϕ k¨ onnen dabei noch nach (b) durch den Winkel α ausgedr¨ uckt werden. Sollen die Geschwindigkeit und die Beschleunigung nicht in Abh¨ angigkeit von α, sondern von der Zeit angegeben werden, so hat man α durch α = ω0 t zu ersetzen, wenn die Zeitz¨ ahlung bei α = 0 beginnt. B3.2
Beispiel 3.2 Beim System nach Abb. 3.10a drehen sich eine Kurbel
und eine Scheibe mit den konstanten Winkelgeschwindigkeiten ω1 und ω2 . Zu bestimmen sind Geschwindigkeit und Beschleunigung des Punktes P in Abh¨ angigkeit vom Winkel ψ. vAP = rω2
P r
ω1
ψ
A
0
vA = lω1 vP
ω2 l
a
aA = lω12
ψ
ψ
aP aAP = rω22
b
c
Abb. 3.10
L¨ osung Wir l¨ osen die Aufgabe grafoanalytisch. Der Scheibenmit-
telpunkt A f¨ uhrt eine Kreisbewegung um 0 aus. Hierf¨ ur gilt:
3.1
Kinematik
vA = lω1
(senkrecht zu 0A) ,
aA = lω12
(von A nach 0 gerichtet, da ω˙ 1 = 0) .
129
Die Bewegung des Punktes P um A ist ebenfalls eine Kreisbewegung: vAP = rω2
(senkrecht zu AP ) ,
aAP = rω22
(von P nach A gerichtet, da ω˙ 2 = 0) .
Damit lassen sich der Geschwindigkeits- und der Beschleunigungsplan skizzieren (Abb. 3.10b, c). Hieraus lesen wir mit dem Kosinussatz ab vP2 = (lω1 )2 + (rω2 )2 − 2 lrω1 ω2 cos(π − ψ) → vP = (lω1 )2 + (rω2 )2 + 2 lrω1 ω2 cos ψ und analog aP = (lω12 )2 + (rω22 )2 + 2 lrω12 ω22 cos ψ . Maximale (minimale) Werte ergeben sich f¨ ur ψ = 0 (ψ = π). So folgt zum Beispiel f¨ ur die maximale Beschleunigung aPmax = lω12 + rω22 .
3.1.4 Momentanpol
Nach Abschnitt 3.1.3 setzt sich die ebene Bewegung eines starren K¨orpers aus Translation und Rotation zusammen. Sie l¨asst sich jedoch zu jedem Zeitpunkt auch als reine Drehbewegung um einen augenblicklichen (momentanen) Drehpunkt Π auffassen. Man bezeichnet diesen Drehpunkt als Momentanpol oder Momentanzentrum. Den Nachweis f¨ ur diese Aussage f¨ uhren wir, indem wir zeigen, dass es immer einen Punkt A (= Momentanzentrum Π) gibt, f¨ ur
130
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
den die augenblickliche Geschwindigkeit Null ist. Mit vA = 0 f¨ uhrt (3.8) dann f¨ ur einen beliebigen Punkt P auf die Geschwindigkeit (3.5) infolge reiner Rotation um A: vP = ω × rAP . Wir k¨ onnen diese Gleichung nach rAP aufl¨ osen, indem wir sie mit ω vektoriell multiplizieren sowie die Gr¨ oßen vP = vP eϕ , rAP = rP er und ω = ω ez (ez steht senkrecht auf er und eϕ ) einsetzen: 0 = ω × (ω × rAP ) − ω × vP = ω 2 rP ez × (ez × er ) − ω vP (ez × eϕ ) = − ω 2 rP er − ω vP (ez × eϕ ) →
rAP = rP er = −
vP (ez × eϕ ) . ω
Danach steht rAP senkrecht auf der Geschwindigkeit vP (Abb. 3.11) und hat den Betrag rP = vP /ω. Der Momentanpol Π ist damit eindeutig festgelegt. Die augenblickliche Bewegung des K¨orpers ist also tats¨ achlich als reine Drehung um den Pol Π darstellbar. vQ vP P Q
r AP αP
rP rQ
ω αQ = αP A=Π
Abb. 3.11
Mit dem Betrag ω der Winkelgeschwindigkeit und den Abst¨anden rP und rQ gilt demnach f¨ ur die Geschwindigkeiten von zwei Punkten P und Q (Kreisbewegung) vP = rP ω,
vQ = rQ ω .
(3.9)
Sie stehen senkrecht auf den jeweiligen Verbindungsgeraden zum
3.1
Kinematik
131
Pol Π (Abb. 3.11). Damit l¨ asst sich die Lage von Π auch bestimmen, wenn die Geschwindigkeitsrichtungen zweier K¨orperpunkte bekannt sind: man errichtet in beiden Punkten die Senkrechten zu den jeweiligen Geschwindigkeiten und bringt sie zum Schnitt. Der Schnittpunkt ist dann der Momentanpol Π; er kann außerhalb des K¨ orpers liegen. Ist insbesondere die momentane Geschwindigkeit eines K¨ orperpunktes Null, so ist dieser Punkt der Momentanpol. Eliminiert man in (3.9) die Winkelgeschwindigkeit ω, so folgt vP /rP = vQ /rQ , d.h. die Winkel αP und αQ sind gleich (Abb. 3.11). Dies macht man sich bei der L¨ osung von kinematischen Problemen mit Hilfe des Momentanzentrums zunutze (bei grafischer L¨ osung Maßstab beachten). Ausdr¨ ucklich sei noch darauf hingewiesen, dass das Momentanzentrum im allgemeinen kein fester Punkt ist, sondern sich selbst bewegt.
1 0 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 111111 111 000 111111111 000000 111111111000000000 000000000 Rastpolbahn
x
vB
S
r
A
P
ϕ
ϕ
S
Π
vB
vP
S
rB
B
B
vS
rA
l
rP r
A
A
vA
Π
a
b
c
l
Abb. 3.12
Als einfaches Anwendungsbeispiel betrachten wir eine Kreisscheibe, die sich auf einer horizontalen Unterlage bewegt und deren Mittelpunkt S die Geschwindigkeit vS hat (Abb. 3.12a). Wenn die Scheibe rollt (kein Rutschen im Auflagepunkt A) und S dabei die Strecke x zur¨ ucklegt, so bewegt sich A nach A . Die Scheibe erf¨ ahrt dabei eine Drehung um den Winkel ϕ. Da die abgerollte Bogenl¨ ange rϕ und der zur¨ uckgelegte Weg x gleich sein m¨ ussen, gilt x = rϕ. Daraus folgt durch Ableitung mit x˙ = vS und ϕ˙ = ω der Zusammenhang
132
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
vS = r ω .
(3.10)
Der K¨ orperpunkt der Scheibe, welcher die Unterlage ber¨ uhrt, ist im Moment der Ber¨ uhrung in Ruhe (kein Schlupf!). Er stellt demnach das Momentanzentrum Π dar (Abb. 3.12b). Die Geschwindigkeit eines beliebigen Punktes P hat dann nach (3.9) mit (3.10) den Betrag vP = rP ω = vS
rP . r
Sie steht senkrecht auf der Geraden ΠP . Die gr¨oßte Geschwindigkeit hat somit der Punkt B (rB = 2 r) mit vB = 2 vS . Wir wenden uns nun noch einmal dem Anwendungsbeispiel aus Abschnitt 3.1.3 (vgl. Abb. 3.7a) zu. Die Geschwindigkeit vA ist hier horizontal, die Geschwindigkeit vB vertikal (Abb. 3.12c). Das Momentanzentrum ergibt sich dann als Schnittpunkt der jeweiligen Senkrechten zu vA und vB . Mit gegebenem vA folgt nach (3.9) die Winkelgeschwindigkeit der Stange: vA = rA ω = lω cos ϕ
→
ω=
vA . l cos ϕ
F¨ ur die Geschwindigkeit von B ergibt sich damit vB = rB ω = lω sin ϕ = vA tan ϕ . Je nach Lage der Stange befindet sich der Momentanpol Π an einer anderen Stelle. Den geometrischen Ort aller Punkte, die ein Momentanpol durchl¨ auft, bezeichnet man als Rastpolbahn. Sie ist im Beispiel ein Kreisbogen mit dem Radius l. B3.3
Beispiel 3.3 Das System nach Abb. 3.13a besteht aus zwei gela-
gerten Rollen 1 und 2 sowie einer Rolle 3 , die von einem Seil gef¨ uhrt wird. Die Rollen 1 und 2 drehen sich mit den Winkelgeschwindigkeiten ω1 bzw. ω2 . Wie groß sind die Geschwindigkeit von C und die Winkelgeschwindigkeit der Rolle 3 , wenn das Seil an keiner Stelle rutscht?
3.1 ω1 1
Kinematik
133
ω2
r1
2
vB
r2
B
A
vA αB
r3 3
A
C
C
vC
Π
vB = vB = r2 ω2 B
αA
vA = vA = r1 ω1 rA Abb. 3.13 a
b
L¨ osung Die Geschwindigkeiten der Punkte A und B der Rollen
(Abb. 3.13b) sind vA = r1 ω1 ,
vB = r2 ω2 .
Da das Seil nicht rutscht, stimmt die Geschwindigkeit von A mit der von A und die von B mit der von B u ¨ berein: vA = vA ,
vB = vB .
Das Momentanzentrum Π der Rolle 3 finden wir dann durch Schnitt der Senkrechten zu vA und vB mit der Verbindungsgeraden der Pfeilspitzen von vA und vB (es muss αA = αB sein). F¨ ur die Strecke rA folgt mit dem Strahlensatz rA 2 r3 − rA = r1 ω1 r2 ω2
→
rA = 2 r3
r1 ω1 . r1 ω1 + r2 ω2
Die Winkelgeschwindigkeit ω3 der Rolle vA = rA ω3
→
ω3 =
3
erhalten wir nach (3.9):
vA r1 ω1 + r2 ω2 = . rA 2 r3
Die Geschwindigkeit von C ergibt sich zu vC = (rA − r3 )ω3 =
1 (r1 ω1 − r2 ω2 ) . 2
F¨ ur r1 ω1 = r2 ω2 f¨ uhrt die Rolle (vC = 0).
3
eine reine Rotation aus
134
B3.4
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
Beispiel 3.4 Beim Mechanismus nach Abb. 3.14a dreht sich der
Hebel 1 mit der Winkelgeschwindigkeit ω1 . Wie groß sind die Geschwindigkeiten von A und von B sowie die Winkelgeschwindigkeiten der Hebel 2 und 3 in der dargestellten Lage? D = Π3
ω3 3
a
vB
A
B
a
vA
a
2
A B
ω1
ω1
a
1
α a
a
a
√ Π2
2a Abb. 3.14
b
L¨ osung Die Hebel
2a
C = Π1 ω2
a
√
α
bzw. 3 drehen sich um die Punkte C bzw. D (Abb. 3.14b). Diese Punkte sind daher die Momentanpole Π1 bzw. Π3 der entsprechenden Hebel. Somit sind die Richtungen der Geschwindigkeiten von A und B bekannt. Die Punkte A und B geh¨ oren auch dem Hebel 2 an. Seinen Momentanpol Π2 finden wir durch Schnitt der Senkrechten zu vA und vB . Aus den Drehungen der einzelnen Hebel um ihre Momentanpole folgen dann mit den Abst¨ anden nach Abb. 3.14b: √ Π1 : vA = 2 aω1 , 1
√ Π2 : vA = 2 2 aω2 vB = 2 aω2 Π3 : vB = aω3
3.2
ω1 , 2
→
ω2 =
→
vB = aω1 ,
→
ω3 = ω1 .
3.2 Kinetik der Rotation um eine feste Achse Wir betrachten in den folgenden Abschnitten den Zusammenhang
3.2
Kinetik der Rotation um eine feste Achse
135
zwischen Kr¨ aften und Bewegungen von starren K¨orpern. Dabei beschr¨ anken wir uns zun¨ achst auf die Drehung eines K¨orpers um eine feste Achse. 3.2.1 Momentensatz
Der K¨ orper nach Abb. 3.15 dreht sich um die feste Achse a-a. Dabei f¨ uhrt jeder Punkt des K¨ orpers eine Kreisbewegung aus. Mit ϕ˙ = ω lautet dann nach (1.67) der Momentensatz (Drallsatz) f¨ ur ein Massenelement dm des K¨ orpers dΘa ω˙ = dMa .
(3.11)
11 00 0 1 00 11 0 1 a
r
(a) (i) dm dF +dF
1 000 11 0 001 11 0 1
ω, ω˙
Abb. 3.15
a
Darin sind dΘa = r2 dm das Massentr¨agheitsmoment von dm und außeren und der inneren Kr¨afte (dF (a) und dMa das Moment der ¨ (i) uglich der Drehachse. Den oberen Index (Bezugspunkt) dF ) bez¨ bei Moment und Massentr¨ agheitsmoment in (1.67) haben wir dabei durch einen unteren Index ersetzt, der die Bezugsachse a-a kennzeichnet. Integriert man u ¨ ber den gesamten K¨orper, so heben sich die Momente der inneren Kr¨ afte gegenseitig auf (vgl. Abschnitt 2.3), und wir erhalten den Momentensatz Θa ω˙ = Ma .
(3.12)
136
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
Dabei sind Θa = r2 dm
(3.13)
das Massentr¨ agheitsmoment des K¨ orpers und Ma das Moment der außeren Kr¨ afte bez¨ uglich der Achse a-a. ¨ Aus dem Drehimpuls dLa = rv dm = r2 ω dm f¨ ur ein Massenelement dm (vgl. Abschnitt 1.2.6) ergibt sich der Drehimpuls des rotierenden K¨ orpers bez¨ uglich der Drehachse a-a zu (3.14) La = dLa = ω r2 dm → La = Θa ω . Damit l¨ asst sich (3.12) auch in der Form L˙ a = Ma
(3.15)
schreiben. Integration u ¨ ber das Zeitintervall t0 bis t liefert dann t La (t) − La (t0 ) =
t Ma dt¯
→
t0
Θa (ω − ω0 ) =
Ma dt¯. (3.16) t0
¨ Die Anderung des Drehimpulses ist somit gleich dem Zeitintegral des Moments. Wenn das Moment Ma Null ist, bleibt der Drehimandert (Drehimpulserhaltung). puls La = Θa ω unver¨ Die Bewegungsgesetze (3.12), (3.15) und (3.16) sind analog zu den Bewegungsgesetzen (1.38), (1.37) und (1.49) f¨ ur den Massenpunkt bzw. f¨ ur die Translation eines K¨ orpers. Um die entsprechenden Gesetze f¨ ur die Rotation um eine feste Achse zu erhalten, m¨ ussen nur die Masse durch das Massentr¨ agheitsmoment, die Geschwindigkeit durch die Winkelgeschwindigkeit, die Kraft durch das Moment und der Impuls durch den Drehimpuls ersetzt werden. Man spricht daher von einer Analogie zwischen Translation und Rotation (vgl. Abschnitt 3.2.3). 3.2.2 Massentr¨ agheitsmoment
Das Massentr¨ agheitsmoment Θa ist nach (3.13) definiert durch
3.2
Kinetik der Rotation um eine feste Achse
137
Θa =
r2 dm ,
(3.17)
wobei r der senkrechte Abstand von dm zur Achse a-a ist. Da es auf eine Achse bezogen ist, bezeichnet man es auch als axiales Massentr¨agheitsmoment. F¨ ur manche F¨ alle ist es zweckm¨ aßig, mit Θa = i2a m
(3.18)
uhren. Er gibt an, in welchem Abeinen Tr¨agheitsradius ia einzuf¨ stand ia von der Drehachse man sich die Gesamtmasse m konzentriert denken muss, damit sie das gleiche Tr¨ agheitsmoment hat wie der K¨ orper selbst. Wenn die Dichte ρ des K¨ orpers konstant ist, so folgt mit dm = ρ dV aus (3.17) (3.19a) Θa = ρ r2 dV . Ist zudem noch die Querschnittsform u ¨ ber die L¨ange unver¨anderlich, wie es zum Beispiel bei einer zylindrischen Welle der Fall ist (Abb. 3.16a), so erhalten wir mit dV = l dA (3.19b) Θa = ρl r2 dA = ρl Ip . Dabei ist Ip das polare Fl¨achentr¨agheitsmoment (vgl. Band 2). Analog zu den Fl¨ achentr¨ agheitsmomenten gilt auch beim Massentr¨ agheitsmoment der Satz von Steiner. Um dies zu zeigen, legen wir in den K¨ orper eine Achse s-s durch den Schwerpunkt S (Schwerachse) und eine Achse a-a parallel dazu (Abb. 3.16b). ¯ und y = ys + y¯ (Abb. 3.16c) Dann erh¨ alt man mit x = xs + x 2 2 2 2 2 dm Θa = r dm = (x + y ) dm = (xs + ys ) + 2 xs x ¯ dm + 2 ys y¯ dm + (¯ x2 + y¯2 ) dm .
Da die statischen Momente x¯ dm und y¯ dm bez¨ uglich der Schwerachsen Null sind, folgt mit
138
3 Bewegung eines starren K¨ orpers s
y
a rS
dm
dA
y
y
r
r S y x A z
a
r
a
y
dm r
r S x rS xS x
yS
l
A
s
x x
a a
b
2
Θs =
Abb. 3.16
c
r¯ dm =
2
2
(¯ x + y¯ ) dm,
x2s
+
ys2
=
rs2 ,
m=
dm
der Satz von Steiner Θa = Θs + rs2 m .
(3.20)
Mit (3.18) gilt danach f¨ ur die Tr¨ agheitsradien i2a = i2s + rs2 . A
t s
r l
S
dr
m
R
r
dm dA
dr a
s
Abb. 3.17
b
Als Anwendungsbeispiel berechnen wir das Tr¨agheitsmoment eines schlanken, homogenen Stabes der Masse m (Abb. 3.17a). Bez¨ uglich einer zum Stab senkrechten Achse durch den Punkt A erhalten wir dann mit dm/m = dr/l l m ml2 2 . (3.21a) r2 dr = ΘA = r dm = l 3 0
Dabei haben wir den Index a (Bezugsachse) durch den Index A (Bezugspunkt) ersetzt. Wir werden im folgenden beide Schreibwei-
3.2
Kinetik der Rotation um eine feste Achse
139
sen verwenden. W¨ ahlt man eine Bezugsachse durch den Schwerpunkt S, so folgt nach (3.20) 2 l ml2 . (3.21b) m= ΘS = ΘA − 2 12 Wir bestimmen noch das Massentr¨ agheitsmoment einer homogenen Kreisscheibe der Masse m vom Radius R bez¨ uglich einer zur Scheibe senkrechten Achse s-s durch den Mittelpunkt (Abb. 3.17b). Mit dA = 2 πr dr und der Scheibendicke t ergibt sich Θs =
2
r dm = ρt
R 2
r3 dr =
r dA = 2 πρt
π mR2 ρtR4 = . 2 2
0
(3.22) Da Θs nur von der Masse und vom Radius, aber nicht von der Dicke t abh¨ angt, gilt (3.22) auch f¨ ur eine homogene Kreiszylinderwelle beliebiger L¨ ange. Beispiel 3.5 Es ist das Massentr¨ agheitsmoment einer homogenen
Kugel (Masse m, Radius R) bez¨ uglich einer Achse durch den Schwerpunkt zu bestimmen. R r s
S dz
s
Abb. 3.18
z
L¨ osung Wir setzen die Kugel nach Abb. 3.18 aus Kreisscheiben
infinitesimaler Dicke dz zusammen. Dann gilt nach (3.22) f¨ ur das √ Tr¨ agheitsmoment einer Scheibe mit dem Radius r = R2 − z 2 in Bezug auf die Achse s-s: dΘs =
1 1 π dm r2 = (ρr2 π dz) r2 = (R2 − z 2 )2 dz . 2 2 2
B3.5
140
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
Damit folgt f¨ ur den Gesamtk¨ orper Θs =
π dΘs = ρ 2
+R 8 πρ R5 . (R2 − z 2 )2 dz = 15
−R
Mit m = ρV und dem Kugelvolumen V = Θs = B3.6
4 3
π R3 ergibt sich
2 m R2 . 5
Beispiel 3.6 Eine homogene Quadratscheibe vom Gewicht G = mg ist in A mittels einer Achse drehbar gelagert, die senkrecht zur Scheibe steht (Abb. 3.19a). Das System wird aus der Gleichgewichtslage ausgelenkt und dann sich selbst u ¨ berlassen. Es ist die Bewegungsgleichung aufzustellen. y
A a
a
ϕ
√ 2 a 2
a
S
G
x
mg
r A
a
b
√ 2 a 2
sinϕ
c
dx dy a y x Abb. 3.19
L¨ osung Da die Scheibe nur eine Drehung um die Achse durch
A ausf¨ uhren kann, wenden wir den Momentensatz bez¨ uglich A an. Z¨ ahlen wir den Drehwinkel ϕ von der Gleichgewichtslage aus (Abb. 3.19b), so gilt A: ΘA ϕ¨ = MA
(a)
mit
√ 2 MA = − mg a sin ϕ . 2
(b)
Das Symbol A: kennzeichnet dabei den Bezugspunkt beim Dreh-
3.2
Kinetik der Rotation um eine feste Achse
141
impulssatz sowie den gew¨ ahlten positiven Drehsinn. Das Massentr¨ agheitsmoment berechnen wir nach (3.17) und den Bezeichnungen aus Abb. 3.19c. Mit der Scheibendicke t und m = ρa2 t,
dm = ρ dV = ρt dx dy,
r2 = x2 + y 2
erhalten wir a a 2 2 2 ΘA = r dm = ρt (x2 + y 2 ) dx dy = ρta4 = ma2 . 3 3 0
0
Damit folgt aus (a) und (b) die Bewegungsgleichung √ √ 3 2 g 2 2 2 ma ϕ¨ = − mg a sin ϕ → ϕ¨ + sin ϕ = 0 . 3 2 4 a
3.2.3 Arbeit, Energie, Leistung
Die kinetische Energie Ek eines um die Achse a-a rotierenden K¨ orpers ergibt sich mit (1.69) und v = rω zu 1 1 2 2 v dm = ω Ek = r2 dm 2 2 oder Ek =
1 Θa ω 2 . 2
(3.23)
Bei einer infinitesimalen Drehung des K¨ orpers um den Winaußeren Kr¨afte die Arbeit kel dϕ verrichtet das Moment Ma der ¨ ur die Arbeit bei einer endlichen dW = Ma dϕ. Damit folgen f¨ Drehung von ϕ0 nach ϕ ϕ W =
Ma dϕ¯ ϕ0
und f¨ ur die Leistung
(3.24)
142
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
P =
dW = Ma ω . dt
(3.25)
Integriert man den Momentensatz (3.12) u ¨ ber den Winkel ϕ, 1 2 so ergibt sich mit dϕ = ωdt und ωω ˙ = ( 2 ω ) der Arbeitssatz ϕ Θa
ϕ
ϕ0
t Ma dϕ¯ → Θa
ωd ˙ ϕ¯ = ϕ0
ωωd ˙ t¯ =
1 1 Θa ω 2 − Θa ω02 = 2 2
t0
ϕ Ma dϕ¯ ϕ0
oder Ek − Ek0 = W .
(3.26)
Ist das Moment Ma aus einem Potential Ep herleitbar, so erhalten wir mit W = − (Ep − Ep0 ) den Energiesatz Ek + Ep = Ek0 + Ep0 = const .
(3.27)
Tabelle 3.1
Translation
Rotation um feste Achse a-a
s
Weg
Winkel
ϕ
v = s˙
Geschwindigkeit
Winkelgeschwindigkeit
ω = ϕ˙
a = v˙ = s¨
Beschleunigung
Winkelbeschleunigung
ω˙ = ϕ¨
m
Masse
Massentr¨agheitsmoment
Θa
F
Kraft
Moment (um a-a)
Ma
(in Wegrichtung) p = mv
Impuls
Drehimpuls
La = Θa ω
ma = F
Kr¨ aftesatz
Momentensatz
Θa ω˙ = Ma
Ek = 12 mv 2
W = F ds P = Fv
kinetische Energie Arbeit Leistung
Ek = 12 Θa ω 2
W = Ma dϕ P = Ma ω
In Abschnitt 3.2.1 wurde schon auf die Analogie zwischen der
3.2
Kinetik der Rotation um eine feste Achse
143
Rotation eines K¨ orpers um eine feste Achse und der Translation eines Massenpunktes (K¨ orpers) hingewiesen. Danach folgen die Gleichungen der Rotation aus denen der Translation, indem die Masse durch das Massentr¨ agheitsmoment, die Geschwindigkeit durch die Winkelgeschwindigkeit, die Kraft durch das Moment usw. ersetzt werden. Dies trifft auch f¨ ur die in diesem Abschnitt hergeleiteten Gr¨ oßen (Arbeit, Energie, Leistung) und Gesetzm¨ aßigkeiten (z.B. Energiesatz) zu. Tabelle 3.1 zeigt die einander zugeordneten Gr¨ oßen. Beispiel 3.7 Eine Trommel (Massentr¨ agheitsmoment ΘA ), die sich
anfangs mit der Winkelgeschwindigkeit ω0 dreht, soll durch einen Bremshebel (Reibungszahl µ) zum Stillstand gebracht werden (Abb. 3.20a). Wie viele Umdrehungen macht die Trommel w¨ahrend des Bremsvorgangs, wenn die Bremskraft F konstant ist? l
F
a
F R N
µ ΘA
Abb. 3.20
ω0 A
a
N R
r
r A
ϕ
b
L¨ osung Wir trennen das System (Abb. 3.20b) und erhalten aus
der Gleichgewichtsbedingung f¨ ur den Hebel die Normalkraft N=
l F. a
Wenden wir auf die Trommel den Momentensatz (3.12) an, so gilt A : ΘA ϕ¨ = − rR. l Einsetzen des Reibungsgesetzes R = µN = µ F f¨ uhrt auf a ϕ¨ = − κ,
B3.7
144
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
rµlF eingef¨ uhrt haben. Mit den aΘA Anfangsbedingungen ϕ(0) ˙ = ω0 , ϕ(0) = 0 erhalten wir durch zweimalige Integration wobei wir die Abk¨ urzung κ =
ϕ˙ = − κt + ω0 ,
ϕ=−
1 2 κt + ω0 t . 2
Aus der Bedingung ϕ˙ = 0 f¨ ur den Stillstand folgen dann die Zeit ts , der Drehwinkel ϕs und die Anzahl der Umdrehungen ns bis zum Stillstand: ts =
ω0 , κ
ϕs = ϕ (ts ) =
ω02 , 2κ
ns =
ω2 ϕs = 0 . 2π 4 πκ
Die L¨ osung der Aufgabe kann auch mit dem Arbeitssatz erfolgen. Die kinetische Energie der Trommel betr¨agt im Anfangszustand 0 (ϕ = 0) Ek0 =
1 Θ ω2 2 A 0
und im Endzustand
1
(Stillstand, ϕ = ϕs )
Ek1 = 0. F¨ ur die Arbeit der ¨ außeren Kr¨ afte zwischen beiden Zust¨anden erhalten wir ϕs ϕs W = MA dϕ = − r R dϕ = − r R ϕs . 0
0
Einsetzen in (3.26) liefert − B3.8
1 Θ ω 2 = − r R ϕs 2 A 0
→
ns =
Θ ω2 ω2 ϕs = A 0 = 0 . 2π 4πrR 4πκ
Beispiel 3.8 Auf eine homogene, zylindrische Walze (Masse m2 ,
Radius r) ist nach Abb. 3.21a das linke Ende eines Seiles aufgewickelt. An dem Seil h¨ angt u ¨ ber eine masselose Rolle R ein Gewicht G = m1 g.
3.2
Kinetik der Rotation um eine feste Achse
145
Wie groß ist die Geschwindigkeit von m1 in Abh¨angigkeit vom Weg, wenn das System ohne Anfangsgeschwindigkeit losgelassen wird?
11 00
111 000
r A
m2
ϕ˙
ϕ
r r ϕ˙ Rolle R (vergr¨oßert)
R G = m1 g
x˙
x a
Abb. 3.21
c
b
ΠR
r ϕ˙
L¨ osung Da nur eine konservative ¨ außere Kraft wirkt (Gewicht)
und die Geschwindigkeit in Abh¨ angigkeit vom Weg bestimmt werden soll, bietet sich der Energiesatz Ek + Ep = Ek0 + Ep0 zur L¨ osung an. Bezeichnen wir mit x den Weg von m1 und mit ϕ die Drehung der Walze aus dem Ausgangszustand so gelten f¨ ur die Anfangslage Ek0 = 0,
Ep0 = 0
und f¨ ur die ausgelenkte Lage Ek =
1 1 m1 x˙ 2 + ΘA ϕ˙ 2 , 2 2
Ep = − m1 gx.
Dabei setzt sich die kinetische Energie Ek aus der Translationsenergie der Masse m1 und der Rotationsenergie der Walze zusammen. Mit dem kinematischen Zusammenhang (die Rolle R rollt am ruhenden rechten Seilst¨ uck ab, Abb. 3.21c) x˙ =
1 r ϕ˙ 2
→
ϕ˙ = 2
x˙ r
und mit dem Tr¨ agheitsmoment ΘA = (3.22) erhalten wir
1 2 2 m2 r
der Walze nach
146
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
2 1 x˙ m2 r 2 4 2 − m1 gx = 0 2 r 2 m1 v = x˙ = (±) gx . m1 + 2 m2
1 1 m1 x˙ 2 + 2 2
→
F¨ ur eine sehr kleine Trommelmasse (m2 m1 ) folgt daraus die √ ur den freien Fall. Geschwindigkeit v = 2 gx f¨
3.3
3.3 Kinetik der ebenen Bewegung 3.3.1 Kr¨ aftesatz und Momentensatz
Wir betrachten einen starren K¨ orper, dessen Punkte sich in der x, y-Ebene oder in einer dazu parallelen Ebene bewegen (Abb. 3.22). Die an einem Massenelement dm angreifende ¨außere Kraft dF hat die Komponenten dFx und dFy . Innere Kr¨afte brauchen nicht ber¨ ucksichtigt zu werden, da der K¨ orper starr ist (vgl. Kapitel 2). Ist A ein beliebiger k¨ orperfester Punkt, so lassen sich mit ξ = r cos ϕ,
η = r sin ϕ
(3.28)
die Ortskoordinaten von dm darstellen als x = xA + ξ = xA + r cos ϕ,
y = yA + η = yA + r sin ϕ .
Zeitableitung liefert mit ϕ˙ = ω und (3.28) f¨ ur die Geschwindigkeits- und die Beschleunigungskomponenten x˙ = x˙A − rω sin ϕ = x˙A − ωη,
y˙ = y˙A + rω cos ϕ = y˙A + ωξ, (3.29a)
x ¨=x ¨A − rω˙ sin ϕ − rω 2 cos ϕ ˙ − ω 2 ξ, =x ¨A − ωη
y¨ = y¨A + rω˙ cos ϕ − rω 2 sin ϕ = y¨A + ωξ ˙ − ω2η .
(3.29b)
3.3
Kinetik der ebenen Bewegung
147
y dF dFy y dm r
S yA
A
Abb. 3.22
dFx
η
ϕ ξ
xA
x
x
Damit lautet das Bewegungsgesetz f¨ ur dm in Komponenten x¨ dm = x¨A dm − ω˙ η dm − ω 2 ξ dm = dFx , y¨ dm = y¨A dm + ω˙ ξ dm − ω 2 η dm = dFy . Durch Integration gewinnen wir die Kraftkomponenten Fx und Fy sowie das Moment MA bez¨ uglich des Punktes A (positive Drehrichtung beachten!):
¨A dm − ω˙ η dm − ω 2 ξ dm, Fx = d Fx = x (3.30a)
Fy = d Fy = y¨A dm + ω˙ ξ dm − ω 2 η dm, MA =
ξ dFy − η dFx = y¨A ξ dm + ω˙ ξ 2 dm (3.30b)
¨A η dm + ω˙ η 2 dm + ω 2 ξη dm . − ω 2 ξη dm − x
W¨ ahlt man nun den Punkt A so, dass er mit dem Schwerpunkt S orpers allt, so sind die statischen Momente
des K¨
zusammenf¨ und η dm gleich Null. Mit m = dm und ΘS = r2 dm =
ξ dm 2 (ξ + η 2 )dm vereinfachen sich dann die Gleichungen (3.30a,b) zu m¨ xs = Fx , ΘS ϕ¨ = MS
m¨ ys = Fy ,
(3.31a) (3.31b)
außeren Kr¨afte in xDarin sind Fx und Fy die resultierenden ¨
148
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
bzw. in y-Richtung, und MS ist das ¨ außere Moment bez¨ uglich des Schwerpunktes S. Die Gleichungen (3.31a), durch welche die Bewegung des Schwerpunktes beschrieben wird, haben die gleiche Form wie das Bewegungsgesetz (1.38) f¨ ur den Massenpunkt. Wir bezeichnen sie als Schwerpunktsatz oder als Kr¨aftesatz. Die Gleichung (3.31b), welche die Drehung um den Schwerpunkt beschreibt, nennen wir Drallsatz oder Momentensatz. Als Bezugspunkt darf dabei zun¨ achst nur der Schwerpunkt S verwendet werden. Durch den Kr¨ aftesatz und den Momentensatz wird die allgemeine ebene Bewegung eines K¨ orpers beschrieben. F¨ ur den Fall, dass der K¨ orper in Ruhe ist (¨ xs = 0, y¨s = 0, ϕ¨ = 0), folgen aus (3.31a, b) die Gleichgewichtsbedingungen der Statik. Im Sonderfall der Translation (ϕ˙ = 0) ergibt sich aus (3.31b) mit ϕ¨ = 0 die Bedingung MS = 0 .
(3.32a)
Danach d¨ urfen bei reiner Translation die ¨ außeren Kr¨afte kein Moment bez¨ uglich des Schwerpunktes haben. Die Bewegung von S und damit von jedem anderen K¨ orperpunkt (vgl. Abschnitt 3.1.1) wird dann allein durch m¨ xs = Fx ,
m¨ ys = Fy
(3.32b)
beschrieben. Wenn der K¨ orper eine reine Drehbewegung um einen ruhenden K¨ o rperpunkt A ausf¨ uhrt, so erh¨ alt man mit x ¨A = y¨A = 0 und
2 (ξ + η 2 )dm = ΘA aus (3.30b) ΘA ϕ¨ = MA .
(3.33)
Dies ist genau das Ergebnis, das wir bereits bei der Rotation um eine feste Achse (vgl. Abschnitt 3.2.1) gewonnen hatten. Diese Achse steht hier senkrecht auf der x, y-Ebene und geht durch den Punkt A. In diesem Sonderfall darf der Bezugspunkt im Momentensatz (3.31b) entweder der Schwerpunkt S oder der feste Punkt A sein. Als Anwendungsbeispiel betrachten wir eine homogene Kugel, die sich auf einer rauhen schiefen Ebene abw¨arts bewegt (Abb.
3.3
Kinetik der ebenen Bewegung
149
y
1111111 0000000 0000000 1111111 0000000 1111111 0000000 1111111 0000000 1111111 0000000 1111111
G = mg
ϕ
x
r
α H
µ0 , µ
N
S mg
α
Abb. 3.23
a
b
3.23a). Dabei wollen wir zun¨ achst annehmen, dass die Kugel rollt. Das Freik¨ orperbild Abb. 3.23b zeigt die auf die Kugel wirkenden Kr¨ afte und die gew¨ ahlten Koordinaten (Schwerpunktlage xs , afte- und Momentensatz Drehwinkel ϕ). Mit y¨s = 0 liefern Kr¨ (3.31a, b) : m¨ xs = mg sin α − H, : 0 = N − mg cos α
(a)
→
N = mg cos α,
(b)
: ΘS ϕ¨ = r H,
(c)
wobei das Massentr¨ agheitsmoment der Kugel durch ΘS = 25 mr2 gegeben ist (vgl. Beispiel 3.5). Wenn die Kugel rollt, gilt nach (3.10) der kinematische Zusammenhang x¨s . (d) x˙ s = rϕ˙ → ϕ¨ = r Damit folgt aus (a) und (c) die Schwerpunktsbeschleunigung: m¨ xs = mg sin α −
ΘS x¨s r2
→
x ¨s =
g sin α 5 = g sin α . ΘS 7 1+ mr2
F¨ ur die Haftungskraft H erhalten wir aus (a) H = m(g sin α − x ¨s ) =
2 mg sin α . 7
Daraus l¨ asst sich bestimmen, f¨ ur welche Haftungskoeffizienten µ0
150
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
Rollen m¨ oglich ist: H µ0 N
→
2 mg sin α 2 H = 7 = tan α . N mg cos α 7
µ0
Wenn µ0 diese Bedingung nicht erf¨ ullt, so wird die Kugel an der Ber¨ uhrungsstelle rutschen. In diesem Fall muss in Abb. 3.23b und in (a) und (c) die Haftungskraft H durch die Reibungskraft R (entgegen der Relativgeschwindigkeit) ersetzt werden: m¨ xs = mg sin α − R,
N = mg cos α,
ΘS ϕ¨ = r R .
(e)
Zu diesen drei Gleichungen kommt außerdem noch das Reibungsgesetz R = µN .
(f)
Einen kinematischen Zusammenhang zwischen x ¨s und ϕ¨ gibt es beim Rutschen nicht; beide Gr¨ oßen sind unabh¨angig voneinander. Aus (e) und (f) erhalten wir x ¨s = g(sin α − µ cos α), B3.9
ϕ¨ =
5 µg cos α . 2r
Beispiel 3.9 Ein Fahrzeug vom Gewicht G = mg sei vereinfacht
als starrer K¨ orper mit masselosen R¨ adern angesehen (Abb. 3.24a). Der Schwerpunkt S liege in der Mitte zwischen der Vorder- und der Hinterachse. Wie groß ist die maximale Beschleunigung auf horizontaler, rauher Fahrbahn (Haftungskoeffizient µ0 ), wenn der Antrieb a) u ¨ ber die Hinterr¨ ader oder b) u ader erfolgt? ¨ber die Vorderr¨ a/2
a/2
G
S
111111111 000000000 000000000 111111111
x
x S
S
h
a
N1 b
mg
mg
H
µ0
N2
N1
H N2
c
Abb. 3.24
L¨ osung Abb. 3.24b zeigt das Freik¨ orperbild f¨ ur den Fall, dass der Antrieb u ader erfolgt. Da eine reine Translation ¨ ber die Hinterr¨
3.3
Kinetik der ebenen Bewegung
151
in horizontaler Richtung vorliegt, m¨ ussen die Kr¨afte in vertikaler Richtung und die Momente bez¨ uglich des Schwerpunktes im Gleichgewicht sein. Kr¨ afte- und Momentensatz liefern dann: → : m¨ x = H, ↑ : 0 = N1 + N2 − mg, : 0=
a a N1 − N2 − hH . 2 2
Hieraus folgen N1 =
mg h + H, 2 a
N2 =
mg h − H. 2 a
Damit das Antriebsrad gerade noch nicht rutscht (durchdreht), muss die Haftgrenzbedingung Hmax = µ0 N1 erf¨ ullt sein. Einsetzen von N1 liefert mg h + Hmax Hmax = µ0 → 2 a
Hmax =
mg 2
µ0 1 − µ0
h a
.
ur die maximale BeschleuniWegen m¨ xmax = Hmax ergibt sich f¨ gung g µ0 . x¨max = h 2 1 − µ0 a Dieses Ergebnis ist richtig, solange N2 > 0 ist (sonst Abheben der Vorderr¨ ader). Erfolgt der Antrieb u ader (Abb. 3.24c), so ¨an¨ ber die Vorderr¨ dern sich Kr¨ afte- und Momentensatz nicht. Die Haftgrenzbedingung lautet dagegen nun Hmax = µ0 N2 . Daraus erhalten wir eine maximale Beschleunigung von
152
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
x ¨max =
g 2
µ0 1 + µ0
h a
.
Sie ist f¨ ur dieses Beispiel geringer als diejenige beim Antrieb u ¨ ber die Hinterr¨ ader. B3.10
Beispiel 3.10 Eine Stufenrolle (Gewicht G = mg, Massentr¨ agheitsmoment ΘS ) rollt auf einer horizontalen Schiene (Abb. 3.25a). Auf der Trommel ist ein masseloses Seil aufgewickelt, an dem mit der konstanten Kraft F gezogen wird. Wie groß sind die Beschleunigung des Schwerpunktes und die Kontaktkr¨ afte mit der Schiene? Bewegungsrichtung
c>b
ΘS , G = mg mg
b S
c
ϕ
xs
111111111 000000000
F S
x H
F
Bewegungsrichtung N F
c b negativ (Bewegung nach links) und f¨ ur c < b positiv (Bewegung nach rechts). Die Bewegungsrichtungen sind in Abb. 3.25c veranschaulicht. Die Kontaktkr¨ afte ergeben sich zu mb2 c ΘS b H=F . mb2 1+ ΘS 1+
N = mg,
Ein homogener Stab vom Gewicht G = mg, der in A drehbar gelagert ist, wird aus der horizontalen Lage ohne Anfangsgeschwindigkeit losgelassen (Abb. 3.26a). Es sind die Winkelbeschleunigung, die Winkelgeschwindigkeit und die Lagerreaktionen in Abh¨ angigkeit von der Lage des Stabes zu bestimmen.
Beispiel 3.11
y AV
A
A
AH
S
l
mg
G Abb. 3.26
a
x
ψ
b
l cos 2
ψ
l sin 2
ψ
B3.11
154
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
L¨ osung Da sich der Stab um den festen Punkt A dreht, wenden
wir zur Bestimmung der Winkelbeschleunigung den Momentensatz (3.12) bez¨ uglich A an. Z¨ ahlen wir den Winkel ψ von der Horizontalen aus (Abb. 3.26b), so gilt l : ΘA ψ¨ = mg cos ψ . 2 Hieraus folgt f¨ ur die Winkelbeschleunigung mit ΘA =
ml2 : 3
3g ψ¨ = cos ψ . 2l Die Winkelgeschwindigkeit erhalten wir unter Verwendung der dψ˙ ˙ ψ durch Integration: Umformung ψ¨ = dψ ψ˙ 2 3g = ψ¨ dψ = sin ψ + C . 2 2l Die Integrationskonstante C ergibt sich wegen der Anfangsbedin˙ = 0) = 0 zu Null, und damit wird gung ψ(ψ g ˙ ψ = ± 3 sin ψ . l Die Lagerreaktionen k¨ onnen wir mit dem Kr¨aftesatz →: m¨ xs = AH ,
↑: m¨ ys = AV − mg
bestimmen. Aus den Koordinaten des Schwerpunktes (vgl. Abb. 3.26b) erh¨ alt man durch Differenzieren unter Verwendung von ψ˙ ¨ und ψ die Schwerpunktsbeschleunigung: l cos ψ, 2 l x˙ s = − ψ˙ sin ψ, 2 l l x ¨s = − ψ¨ sin ψ − ψ˙ 2 cos ψ 2 2 9 = − g sin 2 ψ, 8
xs =
l sin ψ, 2 l y˙ s = − ψ˙ cos ψ, 2 l l y¨s = − ψ¨ cos ψ + ψ˙ 2 sin ψ 2 2 3 = g(1 − 3 cos 2 ψ) . 8
ys = −
3.3
Kinetik der ebenen Bewegung
155
Einsetzen liefert xs = − AH = m¨
9 G sin 2 ψ, 8
AV = mg + m¨ ys = G (
11 9 − cos 2 ψ) . 8 8
In der horizontalen Lage (ψ = 0) werden danach AH = 0 und ahrend sich in der vertikalen Lage (ψ = π/2) die AV = G/4, w¨ Kr¨ afte AH = 0 und AV = 5G/2 ergeben. Beispiel 3.12 An einem Klotz (Masse m1 ), der nach Abb. 3.27a
reibungsfrei horizontal gleiten kann, ist ein Stab vom Gewicht G = m2 g gelenkig angeschlossen. Das System werde aus der Ruhelage ausgelenkt und dann sich selbst u ¨ berlassen. Gesucht sind die Bewegungsgleichungen f¨ ur den Fall m1 = m2 . −x1
11111 00000 00000 11111 m1
y
1 x
a
Ay
ϕ
a cos ϕ
S
m2 g
G = m2 g
x
Ax N
2a
Ay Ax
m1 g
x1 a sin ϕ
b
111111 000000 S
a/2
∗
ϕ
2 c
Abb. 3.27
L¨ osung Wir trennen die K¨ orper und w¨ ahlen ein Koordinatensys-
tem x, y sowie einen Drehwinkel ϕ (Abb. 3.27b). Dann gelten f¨ ur den Klotz 1 →: ↑:
m1 x ¨1 = − Ax ,
und f¨ ur die Stange →: ↑:
(a)
0 = N − m1 g − Ay 2
m2 x ¨s = Ax ,
(b)
m2 y¨s = Ay − m2 g,
(c)
B3.12
156
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
:
ΘS ϕ¨ = − a cos ϕ Ax − a sin ϕ Ay
(d)
mit ΘS =
m2 a2 m2 (2 a)2 = . 12 3
Zwischen den Bewegungen von Klotz und Stange besteht der kinematische Zusammenhang xs = x1 + a sin ϕ,
ys = − a cos ϕ,
x˙ s = x˙ 1 + a ϕ˙ cos ϕ,
y˙ s = aϕ˙ sin ϕ,
x ¨s = x¨1 + a ϕ¨ cos ϕ − aϕ˙ 2 sin ϕ,
y¨s = a ϕ¨ sin ϕ + aϕ˙ 2 cos ϕ .
(e)
Hiermit stehen gen¨ ugend Gleichungen zur Bestimmung der Unbekannten zur Verf¨ ugung. Durch geeignetes Eliminieren k¨onnen wir hieraus eine Bewegungsgleichung f¨ ur den Drehwinkel ϕ(t) gewinnen. Aus (b) und (c) erhalten wir zun¨ achst unter Verwendung von (e) und (a) mit m1 = m2 = m ma (ϕ¨ cos ϕ − ϕ˙ 2 sin ϕ), 2 Ay = mg + ma(ϕ¨ sin ϕ + ϕ˙ 2 cos ϕ) .
Ax =
(f)
Einsetzen in (d) f¨ uhrt schließlich auf ϕ(8 ¨ − 3 cos2 ϕ) + 3ϕ˙ 2 sin ϕ cos ϕ + 6
g sin ϕ = 0 . a
Wenn man eine L¨ osung dieser nichtlinearen Differentialgleichung hat, kann man mit (f) und (a) auch x1 ermitteln. Der Zusammenhang zwischen x1 und ϕ kann in diesem Beispiel auch auf anderem Weg gewonnen werden: da auf das Gesamtsystem keine ¨ außeren Kr¨ afte in horizontaler Richtung wirken, erf¨ahrt der Gesamtschwerpunkt S ∗ (Abb. 3.27c) keine Horizontalverschiebung, sofern er anfangs in Ruhe war. Z¨ ahlen wir jetzt x vom ∗ Schwerpunkt S (Abstand a/2) aus, so besteht zwischen x1 und ϕ der Zusammenhang x1 = −a/2 sin ϕ. Die Bewegung des Systems mit zwei Freiheitsgraden kann daher letztlich allein durch ϕ oder allein durch x1 beschrieben werden.
3.3
Kinetik der ebenen Bewegung
157
3.3.2 Impulssatz, Arbeitssatz und Energiesatz
Integrieren wir den Schwerpunktsatz und den Momentensatz (3.31a, b) u ¨ ber das Zeitintervall ∆t = t − t0 , so erhalten wir mit den Bezeichnungen xs0 = xs (t0 ) usw. den Impulssatz und den Drehimpulssatz mx˙ s − mx˙ s0 = Fˆx , ˆ . ΘS ϕ˙ − ΘS ϕ˙ 0 = M S
my˙ s − my˙ s0 = Fˆy ,
(3.34a) (3.34b)
Darin stellen die Gr¨ oßen mit dem Dach“ die Zeitintegrale von ” Kraft bzw. Moment dar, also zum Beispiel t Fˆx =
Fx dt¯. t0
Bei der Rotation eines K¨ orpers um einen festen Punkt kann der Drehimpulssatz (3.34b) auch bez¨ uglich des festen Punktes angeschrieben werden. Die Impulss¨ atze werden unter anderem bei der Beschreibung von Stoßvorg¨ angen angewendet (vgl. Abschnitt 3.3.3). Wir wollen nun die kinetische Energie Ek eines K¨orpers berechnen. Mit dem Schwerpunkt S als Bezugspunkt k¨onnen die Geschwindigkeitskomponenten eines K¨ orperpunktes nach (3.29a) uckt werden. Damit durch x˙ = x˙ s − ωη und y˙ = y˙ s + ωξ ausgedr¨ wird 1 1 Ek = v 2 dm = (x˙ 2 + y˙ 2 ) dm 2 2 1 dm − 2 x˙ s ω η dm = (x˙ 2s + y˙ s2 ) 2 + 2 y˙ s ω ξ dm + ω 2 (ξ 2 + η 2 ) dm .
Da die statischen Momente ξ dm und η dm bez¨ uglich des Schwerpunktes S verschwinden, ergibt sich mit x˙ 2s + y˙ s2 = vs2 und
158
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
(ξ 2 + η 2 ) dm = ΘS die kinetische Energie zu Ek =
1 1 m vs2 + ΘS ω 2 . 2 2
(3.35)
Sie setzt sich hiernach bei der ebenen Bewegung eines starren K¨ orpers aus zwei Anteilen zusammen: der Translationsenergie m vs2 /2 und der Rotationsenergie ΘS ω 2 /2. In Analogie zum Arbeitssatz bei Punktmasse und Massenpunktsystem kann man auch f¨ ur die ebene Bewegung eines starren K¨ orpers den Arbeitssatz Ek − Ek0 = W
(3.36)
herleiten. Darin ist W die Arbeit der ¨ außeren Kr¨afte (Momente) bei der Bewegung des K¨ orpers aus einer Lage 0 in eine beliebige Lage. Sind die ¨außeren Kr¨ afte (Momente) aus einem Potential Ep herleitbar, so folgt aus (3.36) wegen W = −(Ep − Ep0 ) der Energiesatz Ek + Ep = Ek0 + Ep0 = const .
B3.13
(3.37)
Beispiel 3.13 Ein homogener Stab trifft mit der Geschwindigkeit
v ohne Drehung auf ein gelenkiges Lager A und wird dort im Moment des Auftreffens eingeklinkt (Abb. 3.28a). Wie groß ist die Winkelgeschwindigkeit des Stabes unmittelbar nach dem Einklinken, und wie groß ist der Energieverlust? l
l/6
l/3
A v a
A
m b
Fˆ
ϕ˙
S v
Abb. 3.28
¨ L¨ osung Die Anderung des Geschwindigkeitszustandes beim Ein-
3.3
Kinetik der ebenen Bewegung
159
klinken wird durch die Impulss¨ atze beschrieben. Vor dem Einklinken hat der Schwerpunkt die Geschwindigkeit v in vertikaler Richtung; die Winkelgeschwindigkeit ist Null. Unmittelbar nach dem Einklinken treten die vertikale Schwerpunktsgeschwindigkeit v¯ und die Winkelgeschwindigkeit ϕ¯˙ auf. Horizontalkomponenten von Geschwindigkeit und Kraft existieren nicht. Dann gilt mit den Bezeichnungen nach Abb. 3.28b ↓ : m v¯ − m v = − Fˆ , l ˆ F. 6 Unmittelbar nach dem Einklinken ist der Stab noch horizontal. Der kinematische Zusammenhang zwischen ϕ¯˙ und v¯ lautet daher (Rotation um A) : ΘS ϕ¯˙ =
v¯ =
l ϕ¯˙ . 6
ml2 Aufl¨osen der drei Gleichungen liefert mit ΘS = die Winkel12 geschwindigkeit ϕ¯˙ =
3v . 2l
Man kann ϕ¯˙ auch durch Anwendung des Drehimpulssatzes bez¨ uglich des festen Punktes A aus einer einzigen Gleichung gewinnen. Da um A kein Moment wirkt (Gewicht beim Stoß vernachl¨ assigbar), muss der Drehimpuls (Impulsmoment) erhalten bleiben: :
l lmv mv = ΘA ϕ¯˙ → ϕ¯˙ = = 6 6 ΘA
3v
= . 2 2l l ml2 +m 6 12 6
lmv
Der Energieverlust ergibt sich aus der Differenz der kinetischen Energie vor dem Einklinken (reine Translation) und derjenigen nach dem Einklinken (reine Rotation um A) zu ∆Ek = Ek0 − Ek =
1 1 mv 2 − ΘA ϕ¯˙2 2 2
160
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
2 l 9 v2 1 1 ml2 3 3 2 +m = mv − = mv 2 = Ek0 . 2 2 12 6 4 l2 8 4 B3.14
Beispiel 3.14 Eine homogene, zylindrische Walze (Masse m, Ra-
dius r) rollt eine geneigte Bahn abw¨ arts (Abb. 3.29). Ihr Schwerpunkt S hat in der Ausgangslage die Geschwindigkeit v0 . Wie groß ist die Geschwindigkeit v, wenn der Schwerpunkt die H¨ ohendifferenz h zur¨ uckgelegt hat? m S r
h
111111111111 000000000000 000000000000 111111111111 000000000000 111111111111 000000000000 111111111111 000000000000 111111111111 000000000000 111111111111 000000000000 111111111111 v0
v
Abb. 3.29
L¨ osung Da nur eine konservative ¨ außere Kraft wirkt (Gewicht),
f¨ uhrt der Energiesatz unmittelbar auf die L¨ osung. Im Ausgangszustand gilt mit v0 = rω0 (Walze rollt) und ΘS = 12 mr2 : Ep0 = 0,
Ek0 =
1 1 3 mv02 + ΘS ω02 = mv02 . 2 2 4
Nach Durchlaufen der H¨ ohe h erhalten wir die Energien Ep = − mgh,
Ek =
3 mv 2 . 4
Einsetzen in den Energiesatz (3.37) liefert 4 gh + v02 . v= 3 B3.15
Beispiel 3.15 Beim System in Abb. 3.30a ist das Gewicht G = m1 g
durch ein Seil mit einer Walze (Masse m2 , Massentr¨agheitsmoment ΘS ) verbunden, die auf einer horizontalen Ebene rollt. Seil und Umlenkrolle seien masselos. Wie groß ist die Geschwindigkeit des Gewichtes G in Abh¨angigkeit vom Weg, wenn das System bei entspannter Feder aus der
3.3
Kinetik der ebenen Bewegung
161
Ruhe losgelassen wird?
1 0 0 1 0 1 0 1 0 1 111111111 000000000
xs ϕ
m2 , ΘS
r
c
Abb. 3.30
1 0 0 1 0 1 0 1 0 1 000000000 111111111 0 1 000000000 111111111 x˙ s
x˙ 1
S
S
G = m1 g
x1
b
a
L¨ osung Z¨ ahlen wir nach Abb. 3.30b die Koordinaten x1 , xs und
ϕ von der Ausgangslage (entspannte Feder) aus, so gelten die kinematischen Beziehungen xs = rϕ,
x1 = 2 xs
→
x˙ s = rϕ, ˙
x˙ 1 = 2 x˙ s .
Damit werden die potentielle und die kinetische Energie in der Ausgangslage Ep0 = 0,
Ek0 = 0
und in einer ausgelenkten Lage c c Ep = − m1 g x1 + x2s = − m1 g x1 + x21 , 2 8 1 1 1 2 2 2 m2 x˙ s + ΘS ϕ˙ Ek = m1 x˙ 1 + 2 2 2 Θ 1 m2 + S2 . = x˙ 21 m1 + 2 4 4r Einsetzen in den Energiesatz Ek + Ep = Ek0 + Ep0 und Aufl¨osen uhrt auf das Ergebnis nach x˙ 1 f¨ 2 m1 g x1 − c x2 4 1 . x˙ 1 = ± Θ m2 + S2 m1 + 4 4r Verschwindet der Z¨ ahler unter der Wurzel (x1 = 0 oder x1 =
162
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
8 m1 g/c) , so wird x˙ 1 Null. Die Geschwindigkeit kehrt in den entsprechenden Punkten ihre Richtung um. 3.3.3 Exzentrischer Stoß
Mußten wir uns in Abschnitt 2.5 auf den zentrischen Stoß beschr¨ anken, so k¨ onnen wir nun mit (3.34a, b) auch den exzentrischen Stoß behandeln (Abb. 3.311a). Bei ihm liegen die Schwerpunkte der aufeinanderprallenden K¨ orper nicht auf der Stoßnormalen (hier die x-Achse). y v1P P v1x
v2P P P v2x
x
S2
S1
2
1 a
Fˆy Fˆx
Fˆx Fˆx
Fˆx Fˆy 2
1 b
glatt
2
1 c
rauh (Haftung)
Abb. 3.31
Wir bezeichnen einen Stoß als gerade , wenn die Geschwindiguhrungspunkte P beider K¨orper unmitkeiten v1P und v2P der Ber¨ telbar vor dem Stoß die Richtung der Stoßnormalen haben. Im anderen Fall ist der Stoß schief. Sind die K¨ orper ideal glatt, so haben die Kontaktkr¨ afte w¨ ahrend des Stoßes und damit auch die Stoßkr¨ afte die Richtung der Stoßnormalen (Abb. 3.31b). Sind die K¨ orper dagegen hinreichend rauh, so dass beim Stoß Haftung angenommen werden kann, dann haben die Stoßkr¨afte beim schiefen Stoß auch Komponenten senkrecht zur Stoßnormalen (Abb. 3.31c). Die Vorgehensweise bei der L¨ osung ist analog zu derjenigen
3.3
Kinetik der ebenen Bewegung
163
beim zentrischen Stoß. Auf die K¨ orper werden jeweils die Impulss¨atze (3.34a, b) angewendet. Hinzu kommt die Stoßhypothese (2.40), die wir formal auf den exzentrischen Stoß u ¨ bertragen: e=−
P P − v¯2x v¯1x . P P v1x − v2x
(3.38)
Die Querstriche kennzeichnen dabei wieder die Geschwindigkeitskomponenten unmittelbar nach dem Stoß. Nach (3.38) entspricht die Stoßzahl e dem Verh¨ altnis von relativer Trennungsgeschwindigkeit zu relativer Ann¨ aherungsgeschwindigkeit der Stoßpunkte P. Wenn rauhe K¨ orper beim Stoß haften, so gilt eine zus¨atzliche Bedingung. In diesem Fall sind die Geschwindigkeitskomponenten senkrecht zur Stoßnormalen am Ber¨ uhrungspunkt P w¨ahrend des Stoßes und damit auch unmittelbar nach dem Stoß gleich: P P = v¯2y . v¯1y
(3.39)
Wir betrachten nun einen exzentrischen, schiefen Stoß zweier glatter K¨ orper 1 und 2 mit den Massen m1 , m2 und den Massentr¨agheitsmomenten ΘS1 , ΘS2 (Abb. 3.32a). Ihre Schwerpunktsund Winkelgeschwindigkeiten unmittelbar vor dem Stoß seien v1x , v1y , ω1 und v2x , v2y , ω2 (positive Drehrichtung entgegen Uhrzeigersinn). Bei glatten Oberfl¨ achen haben die Stoßkr¨afte immer die Richtung der Stoßnormalen. Mit den Bezeichnungen nach Abb. 3.32b lauten daher die Impulss¨ atze f¨ ur den K¨ orper 1 → : m1 (¯ v1x − v1x ) = − Fˆx , ↑ : m1 (¯ v1y − v1y ) = 0, 1
(3.40a)
: ΘS1 (¯ ω1 − ω1 ) = a1 Fˆx
und f¨ ur den K¨ orper
2
→ : m2 (¯ v2x − v2x ) = Fˆx , v2y − v2y ) = 0, ↑ : m2 (¯ 2
: ΘS2 (¯ ω2 − ω2 ) = − a2 Fˆx .
(3.40b)
164
3 Bewegung eines starren K¨ orpers y
m1 , ΘS1
m2 , ΘS2 Fˆx x
P
a1
S1
S2
S1
2
1
Fˆx
2
1 b
a
a2
S2
Abb. 3.32
Um die Stoßbedingung e=−
P P − v¯2x v¯1x P P v1x − v2x
anwenden zu k¨ onnen, ben¨ otigen wir noch die Geschwindigkeitskomponenten von P in Richtung der Stoßnormalen vor und nach dem Stoß (vgl. (3.29a)): P = v1x − a1 ω1 , v1x
P v2x = v2x − a2 ω2 ,
P = v¯1x − a1 ω ¯1, v¯1x
P v¯2x = v¯2x − a2 ω ¯2 .
Bei bekannter Stoßzahl e stehen damit so viele Gleichungen zur Verf¨ ugung, wie man zur Bestimmung der Unbekannten braucht. Aufl¨ osen nach Fˆx liefert v1x − a1 ω1 − (v2x − a2 ω2 ) Fˆx = (1 + e) , 1 a21 a22 1 + + + m1 m2 Θ S1 Θ S2 womit nach (3.40a, b) die Schwerpunkts- und die Winkelgeschwindigkeiten nach dem Stoß festliegen: v¯1x = v1x −
Fˆx , m1
v¯1y = v1y ,
ω ¯ 1 = ω1 +
a1 Fˆx , Θ S1
Fˆx a2 Fˆx , v¯2y = v2y , ω ¯ 2 = ω2 − . m2 Θ S2 Wir wollen jetzt den Stoß auf einen gelagerten K¨orper untersuchen. Dabei treten nicht nur am Stoßpunkt, sondern auch am Lager Stoßkr¨ afte auf. Wir betrachten diesen Fall an Hand eines v¯2x = v2x +
3.3
Kinetik der ebenen Bewegung
Aˆy A
d
m, ΘA
Stoßmittelpunkt
Aˆx
Π
c
c=
b y
165
ΘA mb
S
S x
Fˆ Abb. 3.33
Fˆ
Fˆ a
b
c
K¨orpers, der in A drehbar gelagert ist und auf den infolge eines Stoßes die Stoßkraft Fˆ wirkt (Abb. 3.33a). Das Freik¨orperbild Abb. 3.33b zeigt alle auf den K¨ orper wirkenden Stoßkr¨afte (Eigengewicht vernachl¨ assigbar). Wir nehmen an, dass der K¨orper vor dem Stoß ruht. Dann lauten die Impulss¨ atze in x- und in y- Richtung sowie der Drehimpulssatz bez¨ uglich des festen Punktes A: : m v¯x = Fˆ − Aˆx ,
: m v¯y = − Aˆy ,
: ΘA ω ¯ = b Fˆ . Mit den Schwerpunktsgeschwindigkeiten v¯x = c ω ¯ und v¯y = −d ω ¯ (Drehung um A) erhalten wir daraus mcb mdb Aˆx = Fˆ 1 − . , Aˆy = Fˆ ΘA ΘA Die Lagerreaktionen verschwinden, wenn wir den Ort des Lagers gerade so w¨ ahlen, dass gilt
c=
i2 ΘA = A, mb b
d = 0.
(3.41)
Dabei ist iA der Tr¨ agheitsradius nach (3.18). Den hiermit festgelegten Punkt Π bezeichnet man als Stoßmittelpunkt. Er liegt auf der zur Stoßkraft Fˆ senkrechten Geraden durch S im Abstand c vom Schwerpunkt (Abb. 3.33c). Wird ein K¨orper in diesem Punkt gelagert, so treten beim Stoß keine Lagerreaktionen
166
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
auf. Man macht sich dies unter anderem beim Hammer oder beim Tennisschl¨ ager zunutze. Bei ihnen wird die Griffl¨ange gerade so gew¨ ahlt, dass beim Schlagen keine oder nur geringe Stoßkr¨afte auf die Hand wirken. Es sei angemerkt, dass der Stoßmittelpunkt der Momentanpol der freien Bewegung (K¨ orper nicht gelagert) unmittelbar nach dem Stoß ist. ω< y
1 0 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1
m, ΘS
r S
vy
v vx
a
P
ω
ω
Fˆy
rauh
Fˆx
r x
S
P
ω ω>
b
c
5 vy 2 r
5 vy 2 r
y
0110 1010 10 1010
x
Abb. 3.34
Wir untersuchen nun noch ein Stoßproblem bei einem rauhen K¨ orper. Hierzu betrachten wir eine homogene Kugel, die schief gegen eine rauhe Wand st¨ oßt, wobei wir voraussetzen wollen, dass beim Stoß Haftung auftritt (Abb. 3.34a). Mit den Schwerpunktsund den Winkelgeschwindigkeiten vx , vy , ω vor dem Stoß und v¯x , ¯ nach dem Stoß sowie den Bezeichnungen nach Abb. 3.34b v¯y , ω lauten dann die Impulss¨ atze → : m (¯ vx − vx ) = − Fˆx , ↑ : m (¯ vy − vy ) = − Fˆy , : ΘS (¯ ω − ω) = − r Fˆy . Wegen vxP = vx und v¯xP = v¯x wird die Stoßbedingung (3.38) e=−
v¯xP v¯x =− . vxP vx
W¨ ahrend des Stoßes haftet die Kugel in P . Mit v¯yP = v¯y + rω ¯ gilt daher
3.3
v¯yP = 0
→
ω ¯=−
167
v¯y + rω ¯ = 0.
Aufl¨osen liefert mit ΘS = dem Stoß v¯x = − e vx ,
Kinetik der ebenen Bewegung
2 2 5 mr
f¨ ur die Geschwindigkeiten nach
ΘS r2 m = 5 v − 2 rω, y ΘS 7 7 1+ 2 r m
vy − rω v¯y =
v¯y 2 5 vy = ω− . r 7 7 r
5 vy die Geschwindigkeit v¯y negativ 2 r 5 vy ist, so ¨andert sich die wird (Abb. 3.34c). Wenn dagegen ω < 2 r Drehrichtung beim Stoß (¯ ω < 0). Man erkennt, dass f¨ ur ω >
Beispiel 3.16 Eine Punktmasse m1 = m st¨ oßt mit der Geschwin-
digkeit v gegen einen ruhenden, gelenkig gelagerten Stab der Masse m2 = 2 m (Abb. 3.35a). Wie groß sind bei gegebener Stoßzahl e die Geschwindigkeit der Punktmasse und die Winkelgeschwindigkeit des Stabes unmittelbar nach dem Stoß? A m2
2 l 3
ω ¯ l
m1
Fˆ
v Fˆ
Abb. 3.35
a
b
L¨ osung Es handelt sich um einen geraden Stoß: die Stoßkraft wirkt in Richtung der Stoßnormalen (Abb. 3.35b). Dann lauten der Impulssatz f¨ ur die Punktmasse
v − v) = − Fˆ → : m1 (¯ und der Drehimpulssatz f¨ ur den Stab (ω = 0)
B3.16
168
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
: ΘA ω ¯=
2 ˆ lF . 3
Mit der Geschwindigkeit 23 l¯ ω des Stoßpunktes am Stab nach dem Stoß wird die Stoßbedingung (3.38) e=−
ω v¯ − 23 l¯ . v
Hiermit stehen drei Gleichungen f¨ ur die drei Unbekannten Fˆ , v¯ m2 l 2 und den und ω ¯ zur Verf¨ ugung. Aufl¨ osen liefert mit ΘA = 3 gegebenen Massen die Geschwindigkeiten v¯ =
v (2 − 3 e), 5
ω ¯=
3v (1 + e) . 5l
F¨ ur e = 0 (plastischer Stoß) folgen daraus v¯ = 25 v und ω ¯ = 35 v/l. F¨ ur e = 1 (elastischer Stoß) werden v¯ = −v/5 und ω ¯ = Beim elastischen Stoß geht keine Energie verloren: Ek = E¯k = 12 m¯ v 2 + 12 ΘA ω ¯ 2 = 12 mv 2 . B3.17
6 5 v/l. 1 2 2 mv ,
Beispiel 3.17 In welcher H¨ ohe h muss eine homogene Billardkugel
horizontal angestoßen werden (Abb. 3.36a), damit sie auf glatter Bahn nach dem Stoß sofort rollt? Fˆ S r
h a
1111111 0000000
b
A
h Abb. 3.36
L¨ osung Damit die Kugel auf glatter Bahn unmittelbar nach dem
Stoß rollt, muss der Auflagepunkt A (= Momentanpol) der Stoßmittelpunkt (keine horizontale Stoßkraft in A!) sein. Nach (3.41) muss dann mit c = r und b = h (Abb. 3.36b) gelten r=
ΘA . mh
Mit ΘA = ΘS + mr2 =
2 7 mr2 + mr2 = mr2 5 5
3.3
Kinetik der ebenen Bewegung
169
folgt daraus der gesuchte Abstand h=
7 ΘA = r. mr 5
Beispiel 3.18 Ein homogener Stab trifft mit der Geschwindigkeit v ◦
unter dem Winkel von 45 auf eine rauhe Unterlage (Abb. 3.37a). Es sind die Schwerpunkts- und die Winkelgeschwindigkeit nach einem ideal elastischen Stoß zu bestimmen, wenn angenommen wird, dass beim Stoß Haftung eintritt. √
2 4 l
m
l
√
2 l 4
S ω
P Fˆx
v
Fˆy
y
45◦
a
111111111111 000000000000
b
x
rauh
Abb. 3.37
L¨ osung Da Haftung angenommen wird, treten Stoßkr¨ afte in xund in y-Richtung auf (Abb.√3.37b). Mit den Schwerpunktsgeschwindigkeiten vx = vy = v/ 2 und mit ω = 0 lauten dann die Impulss¨ atze v ↓ : m v¯x − √ (a) = − Fˆx , 2 v → : m v¯y − √ (b) = − Fˆy , 2 √ 2 ˆ l (Fx − Fˆy ) . : ΘS ω ¯= (c) 4 Die Geschwindigkeiten des Stoßpunktes P in x-Richtung (Stoßnormale) vor und nach dem Stoß sind gegeben durch √ v 2 P P l¯ ω. vx = vx = √ , v¯x = v¯x − 4 2
B3.18
170
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
Damit folgt aus der Stoßbedingung (elastischer Stoß) √ 2 l¯ ω v ¯ − P x v¯x 4 e=− P =− =1 v vx √ 2 die Beziehung √ v 2 l¯ ω=−√ . v¯x − 4 2
(d)
Die Haftbedingung liefert √ 2 P v¯y = 0 → v¯y + l¯ ω = 0. (e) 4 Durch Aufl¨ osen von (a) bis (e) erh¨ alt man unter Verwendung von ml2 ΘS = die Geschwindigkeiten 12 √ √ 5 2 3 2 3v v, v¯y = − v, ω v¯x = − ¯= . 16 16 4l
3.4
3.4 Kinetik der r¨ aumlichen Bewegung In diesem Abschnitt soll ein Einblick in die r¨ aumliche Kinetik des starren K¨ orpers gegeben werden. Die Vorgehensweise ist dabei analog zu derjenigen bei der ebenen Bewegung: durch geeignete Integration des Bewegungsgesetzes f¨ ur den Massenpunkt erhalten wir den Kr¨ afte- und den Momentensatz. Die inneren Kr¨afte brauchen dabei nicht ber¨ ucksichtigt zu werden, da sie sich bei der Integration gegenseitig aufheben (vgl. Kapitel 2). 3.4.1 Kr¨ aftesatz und Momentensatz
Wir betrachten einen starren K¨ orper der Masse m, den wir uns aus infinitesimalen Massenelementen dm zusammengesetzt denken (Abb. 3.38). Auf die Massenelemente wirken die ¨außeren Kr¨afte dF . F¨ ur die Lage des Schwerpunktes S in Bezug auf ein raumfestes Koordinatensystem x, y, z gilt (vgl. Band 1)
3.4
Kinetik der r¨aumlichen Bewegung
171
A
S
rA
r 0
rAP
rSP
rS
z
rAS
dF dm
P
y
x
Abb. 3.38
m rs =
r dm .
Leitet man zweimal nach der Zeit ab, so folgen daraus m r˙ s = r˙ dm,
(3.42)
m r¨s =
r¨ dm .
(3.43)
Die rechte Seite von (3.42) ist der Impuls p des Gesamtk¨orpers (Summation der infinitesimalen Impulse). Demnach gilt (vgl. auch Abschnitt 2.2) p = m vs .
(3.44)
¨ Die
rechte Seite von (3.43) stellt wegen r dm = dF und F = dF die Resultierende der ¨ außeren Kr¨ afte dar. Damit lautet der Kr¨aftesatz m r¨s = F
oder
p˙ = F .
(3.45)
Der Schwerpunkt eines starren K¨ orpers bewegt sich danach so, als ob alle Kr¨ afte in ihm angriffen und die gesamte Masse in ihm vereinigt w¨ are. Den Momentensatz wollen wir hier nur bez¨ uglich eines k¨orperfesten Punktes A (Abb. 3.38) aufstellen. Multipliziert man das
172
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
Bewegungsgesetz v˙ dm = dF vektoriell mit rAP und integriert u orper, so ergibt sich ¨ber den K¨ rAP × v˙ dm = rAP × dF . (3.46) Die rechte Seite stellt das Moment M (A) der ¨außeren Kr¨afte bez¨ uglich A dar. Die linke Seite formen wir noch unter Verwendung der Identit¨ at rAP × v˙ = (rAP × v)· − r˙AP × v geeignet um. Letztere l¨ asst sich mit (vgl. Abschnitt 3.1.3) v = vA + vAP ,
vAP = r˙AP = ω × rAP
und (ω × rAP ) × (ω × rAP ) = 0,
rAP = rAS + rSP
auch folgendermaßen schreiben: rAP × v˙ = (rAP × v) − (ω × rAP ) × [vA + (ω × rAP )] = (rAP × v) − (ω × rAP ) × vA = (rAP × v) − [ω × (rAS + rSP )] × vA = (rAP × v) − (ω × rAS ) × vA − (ω × rSP ) × vA . F¨ uhren wir den Drehimpuls (Summation der infinitesimalen Impulsmomente) in Bezug auf A (3.47) L(A) = rAP × v dm
ein, so erhalten
wir unter Beachtung von rSP dm = 0 (Schwerpunkt) und dm = m f¨ ur die linke Seite von (3.46) d (rAP × v) dm − (ω × rAS ) × vA dm rAP × v˙ dm = dt − (ω × rSP dm) × vA
3.4
=
Kinetik der r¨aumlichen Bewegung
173
dL(A) − (ω × rAS ) × vA m . dt
Einsetzen in (3.46) liefert schließlich den Drehimpulssatz oder Momentensatz in allgemeiner Form: L˙ (A) − (ω × rAS ) × vA m = M (A) .
(3.48)
Eine einfachere Gestalt nimmt (3.48) an, wenn wir als Bezugspunkt A entweder den Schwerpunkt S w¨ ahlen (rAS = 0), oder wenn der k¨ orperfeste Punkt A gleichzeitig ein raumfester Punkt allen verschwindet das zweite Glied in ist (vA = 0). In diesen F¨ (3.48), und der Momentensatz lautet dann (S) (S) =M L˙
(A) (A) oder L˙ = M , A fest .
(3.49)
¨ In Worten: die zeitliche Anderung des Drehimpulses ist gleich dem Moment der ¨ außeren Kr¨ afte. 3.4.2 Drehimpuls, Tr¨ agheitstensor, Eulersche Gleichungen
Setzt man in (3.47) die Geschwindigkeit v = vA + ω × rAP ein, so erh¨alt man L(A) = rAP dm × vA + rAP × (ω × rAP ) dm . W¨ ahlen wir als Bezugspunkt A wieder den Schwerpunkt oder einen raumfesten Punkt, so verschwindet das erste Glied auf der rechten Seite, und der Drehimpuls wird (3.50) L(A) = rAP × (ω × rAP ) dm . Soll L(A) explizit angegeben werden, so ist es meist zweckm¨aßig, sich eines mit dem K¨ orper fest verbundenen Koordinatensystems x, y, z zu bedienen (Abb. 3.39). Mit ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ x ωx ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ (3.51) rAP = ⎣ y ⎦ , ω = ⎣ ωy ⎦ z
ωz
174
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
P
dm rAP
z A
y x
k¨ orperfestes Koordinatensystem
Abb. 3.39
ergibt sich dann aus (3.50) nach Ausf¨ uhren der Vektorprodukte ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ (A) Lx Θx ωx + Θxy ωy + Θxz ωz ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ L(A) = ⎢ L(A) = (3.52) ⎥ ⎢ Θ ω + Θ ω + Θ ω y y yz z ⎥ . ⎣ y ⎦ ⎣ yx x ⎦ (A) Lz Θzx ωx + Θzy ωy + Θz ωz Darin sind
Θx = (y 2 + z 2 ) dm,
Θy = (z 2 + x2 ) dm,
Θz = (x2 + y 2 ) dm,
Θxy = Θyx = − Θyz = Θzy = − Θzx = Θxz = −
xy dm, yz dm,
(3.53)
zx dm .
ugDie Gr¨ oßen Θx , Θy , Θz sind die Massentr¨agheitsmomente bez¨ lich der x-, der y- und der z-Achse. Sie stimmen mit den in Abschnitt 3.2.2 betrachteten axialen Massentr¨agheitsmomenten u oßen Θxy , Θyz und Θzx nennt man Deviations¨berein. Die Gr¨ momente oder Zentrifugalmomente. Axiale Tr¨ agheitsmomente und Deviationsmomente sind Komponenten des Tr¨agheitstensors Θ(A) . Man kann sie in der folgenden Matrix anordnen: ⎡ ⎤ Θx Θxy Θxz ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ (A) ⎢ Θ Θ Θ y yz ⎥ . = ⎢ yx Θ (3.54) ⎥ ⎣ ⎦ Θzx Θzy Θz agheitstensor symmetrisch zur Wegen Θxy = Θyx usw. ist der Tr¨
3.4
Kinetik der r¨aumlichen Bewegung
175
Hauptdiagonalen. Durch Θ(A) werden die Tr¨ agheitseigenschaften des starren K¨ orpers bez¨ uglich des Punktes A eindeutig beschrieben. Die Tr¨ agheits- und die Deviationsmomente (3.53) und damit auch der Tr¨ agheitstensor (3.54) h¨ angen sowohl vom gew¨ahlten Bezugspunkt A als auch von der Orientierung der Achsen x, y und z ab. Ohne auf die Herleitung einzugehen, sei darauf hingewiesen, dass es f¨ ur jeden Bezugspunkt ein ausgezeichnetes Achsensystem mit drei aufeinander senkrecht stehenden Achsen 1, 2 und 3 gibt, f¨ ur das alle Deviationsmomente Null sind. Dieses Achsensystem origen axialen Massennennt man Hauptachsensystem. Die zugeh¨ tr¨ agheitsmomente nehmen Extremwerte an; sie werden als Haupttr¨agheitsmomente bezeichnet. F¨ ur ein Hauptachsensystem nimmt der Tr¨ agheitstensor eine besonders einfache Form an: ⎤ ⎡ Θ1 0 0 ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ (A) ⎢ Θ2 0 ⎥ . (3.55) = ⎢0 Θ ⎥ ⎦ ⎣ 0 0 Θ3 Darin sind Θ1 , Θ2 und Θ3 die Haupttr¨ agheitsmomente; alle Glieder außerhalb der Hauptdiagonale sind Null. Bei homogenen, symmetrischen K¨ orpern sind die Symmetrieachsen immer Hauptachsen. Als Beispiel hierzu sind in Abb. 3.40a die Hauptachsen eines Quaders bez¨ uglich des Schwerpunktes dargestellt. Bei rotationssymmetrischen K¨ orpern sind die Symmetrieachse und jede dazu senkrechte Achse Hauptachsen (Abb. 3.40b). 3
1
3
1
S 2
2
dA
A 2
1 1
3 a
b
y
z
2
x
3
t c
Abb. 3.40
Im Sonderfall eines homogenen K¨ orpers, der die Form einer
176
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
d¨ unnen Scheibe hat (Abb. 3.40c), gilt dm = t dA. Da z im Vergleich zu x und y klein ist, kann es bei der Integration vernachl¨ assigt werden (z ≈ 0). Dann folgt aus (3.53) f¨ ur das Massentr¨ agheitsmoment bez¨ uglich der x-Achse Θx = ρ t y 2 dA = ρ t Ix . Darin ist Ix das Fl¨ achentr¨ agheitsmoment bez¨ uglich der x-Achse (vgl. Band 2). F¨ uhrt man diese Prozedur f¨ ur alle Massentr¨agheitsmomente durch, so erh¨ alt man Θx = ρ t Ix ,
Θy = ρ t Iy ,
Θz = ρ t (Ix + Iy ) = ρ t Ip ,
Θxy = ρ t Ixy ,
(3.56)
Θxz = Θyz = 0 .
In diesem Fall besteht also ein direkter Zusammenhang zwischen den Massentr¨ agheitsmomenten und den Fl¨ achentr¨agheitsmomenten. Da die x, y-Ebene hier Symmetrieebene ist, steht eine Hauptachse senkrecht zu dieser Ebene. Die zwei weiteren Hauptachsen liegen in der x, y-Ebene. Sie lassen sich nach der Methode bestimmen, die man bei Fl¨ achentr¨ agheitsmomenten anwendet. Wir kommen nun auf den Drehimpuls zur¨ uck. Mit dem Tr¨agheitstensor (3.54) und dem Vektor der Winkelgeschwindigkeit nach (3.51) l¨ asst sich (3.52) als Matrizenprodukt darstellen: L(A) = Θ(A) · ω .
(3.57)
Diese Gleichung stellt die r¨ aumliche Verallgemeinerung von (3.14) dar. Man sagt: der Drehimpuls ist eine lineare Vektorfunktion der Winkelgeschwindigkeit. Man kann (3.57) auch als Abbildung des Vektors ω auf den Vektor L(A) deuten. Der Drehimpuls L(A) und die Winkelgeschwindigkeit ω des K¨ orpers haben im allgemeinen nicht die gleiche Richtung. Dies kann man aus der Darstellung (3.52) erkennen. Wenn wir zum Beispiel annehmen, dass ω die Richtung der x-Achse hat, so sind die Komponenten ωy und ωz Null. Dagegen sind die y- und zKomponenten des Drehimpulses nur dann Null, wenn die Devia-
3.4
Kinetik der r¨aumlichen Bewegung
177
tionsmomente verschwinden. Dies bedeutet, dass L(A) und ω nur dann gleichgerichtet sind, wenn die Drehung um eine Hauptachse erfolgt. Wir wollen nun den Drehimpuls (3.57) in den Momentensatz (3.49) einsetzen. Dabei ist zu beachten, dass in (3.49) eine Zeitableitung bez¨ uglich eines raumfesten (unbewegten) Systems steht, w¨ahrend wir den Drehimpuls bez¨ uglich eines k¨ orperfesten (bewegten) Systems angegeben haben. In Kapitel 6 wird gezeigt, dass zwischen der Zeitableitung d/dt eines Vektors L bez¨ uglich eines uglich eines raumfesten Systems und der Zeitableitung d∗ /dt bez¨ bewegten Systems der Zusammenhang dL d∗ L = +ω×L dt dt
(3.58)
besteht. Darin ist ω die Winkelgeschwindigkeit dieses Systems. Unter Beachtung von (3.58) folgt aus (3.49) und (3.57) Θ(A) · ω˙ + ω × (Θ(A) · ω) = M (A) .
(3.59)
Dabei kann A der Schwerpunkt oder ein raumfester Punkt sein. Setzen wir ein Hauptachsensystem voraus, bei dem der Tr¨agheitstensor die Form (3.55) annimmt, so lautet (3.59) in Komponenten Θ1 ω˙ 1 − (Θ2 − Θ3 ) ω2 ω3 = M1 , Θ2 ω˙ 2 − (Θ3 − Θ1 ) ω3 ω1 = M2 ,
(3.60)
Θ3 ω˙ 3 − (Θ1 − Θ2 ) ω1 ω2 = M3 . Darin sind M1 , M2 und M3 die Momente um die entsprechenden Hauptachsen. Die Gleichungen (3.60) werden nach Leonhard Euler (1707–1783) als Eulersche Gleichungen bezeichnet. Durch dieses System gekoppelter, nichtlinearer Differentialgleichungen wird der Momentensatz bez¨ uglich eines k¨ orperfesten Hauptachsensystems dargestellt.
178
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
Die L¨ osung der Eulerschen Gleichungen kann sich mathematisch schwierig gestalten, wenn die Bewegung des k¨orperfesten Achsensystems nicht von vornherein bekannt ist (z.B. Kreisel).
11 00 00 11 0 1 00 011 1 0000000 1111111 0000000 1111111
ω0
ω0
α
ω1
r
1
111111 000000 000000 111111
3
R
a
2
b
M R α
M3
α
1111111 0000000 0000000 1111111
M
00 11 00 11 1 0 00 011 1
2
M2
c
3
G N d
Abb. 3.41
Als Anwendungsbeispiel, bei dem diese Schwierigkeit nicht auftritt, betrachten wir die Rollbewegung des Rades einer Kollerm¨ uhle, welche sich mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit ω0 um eine vertikale Achse dreht (Abb. 3.41a). Dabei wollen wir die Tr¨ agheitsmomente bez¨ uglich des mit dem Rad fest verbundenen, sich mitdrehenden Hauptachsensystems nach Abb. 3.41b als bekannt voraussetzen; außerdem soll Θ2 = Θ3 sein (Rotationssymmetrie). Dann gilt R ω0 , ω˙ 1 = 0, r ω2 = ω0 cos α, ω˙ 2 = − ω0 α˙ sin α = ω1 ω3 ,
ω1 = α˙ =
ω3 = − ω0 sin α, ω˙ 3 = − ω0 α˙ cos α = − ω1 ω2 . Die Eulerschen Gleichungen (3.60) f¨ uhren damit auf M1 = 0,
3.4
Kinetik der r¨aumlichen Bewegung
179
R sin α, r R M3 = (−Θ3 − Θ1 + Θ2 )ω1 ω2 = − Θ1 ω02 cos α . r
M2 = (Θ2 − Θ3 + Θ1 )ω1 ω3
= − Θ1 ω02
Auf das Rad wird dementsprechend ein Moment (Kr¨aftepaar) der Gr¨oße R M = M22 + M32 = Θ1 ω02 r ausge¨ ubt, das horizontal und senkrecht zur Radachse gerichtet ist (vgl. Abb. 3.41c). Die Druckkraft N zwischen Rad und Unterlage nach Abb. 3.41d setzt sich danach aus dem Gewicht G des Rades und dem Kreisel“-Anteil M/R zusammen: ” Θ1 ω02 M =G+ . N =G+ R r Hiernach kann durch Erh¨ ohung von ω0 die Druckkraft erheblich gesteigert werden. F¨ ur den homogenen Quader nach Abb. 3.42 sind die Tr¨ agheits- und die Deviationsmomente bez¨ uglich der Achsen x ¯, y¯, z¯ und x, y, z zu bestimmen.
Beispiel 3.19
z
y
z
y c
S b
A
x
a Abb. 3.42
x
L¨ osung F¨ ur das System x ¯, y¯, z¯ erhalten wir mit dm = d¯ x d¯ y d¯ z
und m = abc f¨ ur Θx¯ und Θx¯y¯
c b a 2 m 2 (b + c2 ), Θx¯ = (¯ y 2 + z¯2 ) dm = ρ (¯ y + z¯2 ) d¯ x d¯ y d¯ z= 3 0 0 0
B3.19
180
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
Θx¯y¯ = −
x¯y¯ dm = − ρ
c b a
x ¯y¯ d¯ x d¯ y d¯ z=−
0 0 0
mab . 4
Analog folgen Θy¯ =
m 2 m mbc mca (c + a2 ), Θz¯ = (a2 + b2 ), Θy¯z¯ = − , Θz¯x¯ = − . 3 3 4 4
Die Achsen x, y, z sind Symmetrieachsen und stellen daher ein Hauptachsensystem dar. Die Deviationsmomente Θxy , Θyz , Θzx sind Null. Die Haupttr¨ agheitsmomente ergeben sich zu Θ1 = Θx = 8 ρ
c/2
b/2
a/2
(y 2 + z 2 ) dx dy dz =
0
Θ2 = Θy =
0
0
m 2 (c + a2 ), 12
Θ3 = Θz =
m 2 (b + c2 ), 12
m 2 (a + b2 ) . 12
F¨ ur c < a < b ist Θ2 < Θ1 < Θ3 ; f¨ ur a = b = c (W¨ urfel) gilt Θ1 = Θ2 = Θ3 = ma2 /6. B3.20
Beispiel 3.20 F¨ ur eine homogene Kreiszylinderwelle vom Radius
r, der L¨ ange l und der Masse m sind die Haupttr¨agheitsmomente bez¨ uglich Achsen durch den Schwerpunkt zu ermitteln. z, 3
z dx
S
r
x, 1
y
dm l 2
y, 2
x l 2
Abb. 3.43
L¨ osung Wegen der Rotationssymmetrie sind die x-, die y- und die
z-Achse in Abb. 3.43 die Hauptachsen 1, 2 und 3. Das Tr¨agheitsmoment bez¨ uglich der x-Achse haben wir schon in Abschnitt 3.2.2 berechnet: mr2 . Θx = Θ1 = 2
3.4
Kinetik der r¨aumlichen Bewegung
181
Die Tr¨ agheitsmomente bez¨ uglich y und z sind gleich (Symmetrie). Zu ihrer Bestimmung betrachten wir zun¨ achst das Tr¨agheitsmoment einer Kreisscheibe der Masse dm und der Dicke dx (Abb. ur 3.43). Mit den Fl¨ achentr¨ agheitsmomenten Iy = Iz = πr4 /4 f¨ die Kreisfl¨ ache (vgl. Band 2) wird dann dΘy = dΘz = ρ dx Iy = ρ
πr4 dx . 4
Unter Verwendung von dm = ρπr2 dx, m = ρπr2 l und des Satzes von Steiner (3.20) erh¨ alt man Θy = Θz = Θ2 = Θ3 = [dΘy + x2 dm] +l/2
=
1 m 4 2 2 ρπr dx + x ρπr dx = (3 r2 + l2 ) . 4 12
−l/2
Beispiel 3.21 Ein homogener Kreiszylinder (Masse m, Radius r,
L¨ ange l) dreht sich mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω um eine feste Achse, die unter dem Winkel α zur Zylinderachse geneigt ist (Abb. 3.44a). Der Schwerpunkt S befindet sich auf der Drehachse. Es sind die Lagerreaktionen zu bestimmen. a
a
11 00 00 11 ω
a
A
S α r
l
11 00 1 0 00 11
3
B
a
a
2
B
α ω
1
3 A
b
c
Abb. 3.44
L¨ osung Der Schwerpunkt S des Zylinders ist in Ruhe (¨ rs = 0).
Nach (3.45) muss daher die Resultierende der Lagerkr¨afte verschwinden. Mit Hilfe der Eulerschen Gleichungen (3.60) bestimmen wir das Moment der Lagerkr¨ afte. Dazu f¨ uhren wir nach Abb. 3.44b die Hauptachsen 1 und 2 (in der Zeichenebene) sowie 3 (zeigt aus der Zeichenebene heraus) ein. Die zugeh¨ origen Haupttr¨agheitsmomen-
B3.21
182
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
te wurden in Beispiel 3.20 berechnet: Θ1 =
mr2 , 2
Θ2 = Θ3 =
m 2 (l + 3 r2 ) . 12
Mit den Komponenten des Winkelgeschwindigkeitsvektors (bez¨ uglich der Hauptachsen) ω1 = ω cos α,
ω2 = − ω sin α,
ω3 = 0
und ω˙ 1 = ω˙ 2 = ω˙ 3 = 0 folgen dann aus (3.60) M1 = 0, M2 = 0,
m m 2 r2 − (l + 3 r2 ) ω 2 sin α cos α M3 = −(Θ1 − Θ2 ) ω1 ω2 = 2 12 m = − (l2 − 3 r2 ) ω 2 sin 2 α . 24 Die Lagerkr¨ afte haben danach nur ein Moment M3 um die Hauptachse 3. Mit den Bezeichnungen nach Abb. 3.44c und B = A (keine resultierende Kraft) erhalten wir daher die Lagerkr¨afte: M3 = −aA − aB = −2 aA
→
A=B=
m (l2 − 3 r3 ) ω 2 sin 2 α . 48 a
3.4.3 Lagerreaktionen bei ebener Bewegung
In Abschnitt 3.3 haben wir die ebene Bewegung eines starren K¨ orpers behandelt. Wir wollen jetzt noch untersuchen, unter welchen Bedingungen eine solche Bewegung erfolgt. Wenn wir als Bewegungsebene die x, y-Ebene w¨ ahlen, so zeigt der Vektor der Winkelgeschwindigkeit in z-Richtung: ω = ω ez . Daher gilt ωx = 0,
ωy = 0,
ωz = ω.
In diesem Fall erhalten wir mit (3.45) aus (3.59) den Momentensatz in Komponenten:
3.4
Kinetik der r¨aumlichen Bewegung
183
Θxz ω˙ − Θyz ω 2 = Mx , Θyz ω˙ + Θxz ω 2 = My ,
(3.61)
Θz ω˙ = Mz . Der obere Index A f¨ ur den Bezugspunkt (Schwerpunkt oder fester Punkt) wurde dabei weggelassen. Die dritte Gleichung in (3.61) entspricht dem Momentensatz, den wir schon in Abschnitt 3.3.1 hergeleitet haben. Die ersten beiden Gleichungen in (3.61) zeigen, dass Momente Mx , My senkrecht zur z-Achse wirken m¨ ussen, sofern die Deviationsmomente Θxz , Θyz von Null verschieden sind. Wegen actio = reactio wirken entgegengesetzte Momente auf die Lagerung. Ein wichtiger Anwendungsfall ist die Drehung eines K¨orpers um eine feste Achse. Die Momente (Kr¨ aftepaare), die dann in den Lagern technischer Systeme (Rotor, Rad) auftreten, sind h¨aufig unerw¨ unscht. Der rotierende K¨ orper wird dann als nicht ausgewuchtet bezeichnet. Die Momente senkrecht zur Drehachse sind nur dann Null, wenn die Deviationsmomente verschwinden, die Drehung also um eine Hauptachse erfolgt. Beim dynamischen Auswuchten versucht man, durch geeignetes Anbringen von Zusatzmassen die Deviationsmomente zu Null zu machen. Ein K¨orper heißt statisch ausgewuchtet, wenn sein Schwerpunkt auf der Drehachse liegt. Beispiel 3.22 Eine d¨ unne, homogene Dreieckscheibe der Masse m
ist nach Abb. 3.45a in A und B drehbar gelagert. Sie wird durch ein Moment M0 angetrieben. Es sind die Bewegungsgleichungen aufzustellen und die Lagerreaktionen zu ermitteln. Zur Beschreibung der Bewegung alleine w¨are die Anwendung des Momentensatzes um die Drehachse hinreichend. Zur Ermittlung der Lagerkr¨ afte sind jedoch noch die Momentens¨atze bez¨ uglich der Achsen senkrecht zur Drehachse sowie der Kr¨aftesatz erforderlich.
L¨ osung
B3.22
184
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
0 1 11 00 0 00 1 11 B
z c
A
0 1 0 1 1 0 0 01 1
c c 3
By
m
b
z
Bx x
dA = dx dz
S
t
c x= z b
b y
Ax A
x
x
M0
Ay
M0
z
ω, ω˙
a
c
b
Abb. 3.45
Wir befreien die Scheibe von den Lagern und w¨ahlen ein mitdrehendes Koordinatensystem x, y, z, dessen Ursprung A sich nicht bewegt. Der Schwerpunkt S f¨ uhrt eine Kreisbewegung aus (Abb. 3.45b). Mit der Zentripetalbeschleunigung asx = −c ω 2 /3 und der ˙ lauten dann die KompoTangentialbeschleunigung asy = c ω/3 nenten des Kr¨ aftesatzes in x-Richtung und in y-Richtung: m asx = Ax + Bx
→
−
mc ω 2 = Ax + Bx , 3
(a)
mc ω˙ = Ay + By . (b) 3 F¨ ur die Momentens¨ atze werden Tr¨ agheits- und Deviationsmomente ben¨ otigt. Mit dm = ρ t dA und m = 12 ρ t c b erhalten wir (vgl. Abb. 3.45c)
b cz/b
2
2 mc2 , x dx dz = Θz = ρ t x dA = ρ t 6 0 0
b cz/b
mcb Θxz = − ρ t xz dA = − ρ t , x dx z dz = − 4 0 0 m asy = Ay + By
→
Θyz = 0 . Damit folgen aus (3.61) Mx = Θxz ω˙
→
− b By = −
ωmcb ˙ , 4
(c)
3.4
My = Θxz ω 2 →
Kinetik der r¨aumlichen Bewegung
b Bx = −
ω 2 mcb , 4
185
(d)
2 ωmc ˙ . (e) 6 Die letzte Gleichung stellt die Bewegungsgleichung dar. Wenn wir als Anfangsbedingung ω(0) = 0 annehmen, so ergibt sich daraus
→
Mz = Θz ω˙
ω˙ =
6 M0 mc2
→
M0 =
ω=
6 M0 t. mc2
Einsetzen in (a) bis (d) liefert schließlich Ax = −
ω 2 mc , 12
Ay =
M0 , 2c
Bx = −
ω 2 mc , 4
By =
3 M0 . 2c
Beispiel 3.23 An einem Autorad (Drehachse z) befindet sich nach Abb. 3.46 eine Unwucht mit der Masse m0 . ussen an den Stellen 1 und 2 Welche Massen m1 und m2 m¨ angebracht werden, damit das Rad ausgewuchtet ist? y
e0
y
e2 2
m0
m0 r0
r2
m2 r1
z
m1
x
1 e1 Abb. 3.46
L¨ osung Das Rad ist ausgewuchtet, wenn der Schwerpunkt auf der
Drehachse liegt und wenn die Deviationsmomente verschwinden. Mit den Bezeichnungen nach Abb. 3.46 m¨ ussen also die folgenden Bedingungen erf¨ ullt sein: m0 r0 + m2 r2 = m1 r1 ,
B3.23
186
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
Θzy = − m0 r0 e0 + m1 r1 e1 + m2 r2 e2 = 0 . Aufl¨ osen liefert die gesuchten Massen m1 = m0
r0 e0 + e2 , r1 e1 + e2
m2 = m 0
r0 e0 − e1 . r2 e1 + e2
3.4.4 Der momentenfreie Kreisel
Einen starren K¨ orper, der beliebige Drehbewegungen um den Schwerpunkt S oder um einen raumfesten Punkt A (z.B. ein Lager) ausf¨ uhrt, bezeichnet man als Kreisel. Von einem momentenfreien Kreisel spricht man, wenn das Moment der ¨außeren Kr¨afte um den Bezugspunkt S bzw. A verschwindet. Dies trifft zum Beispiel auf Drehbewegungen von Satelliten zu. Mit M (S) = 0 bzw. M (A) = 0 folgt dann aus (3.49) die Drehimpulserhaltung: L(S) = const
oder L(A) = const .
(3.62)
Die Eulerschen Gleichungen (3.60) f¨ uhren in diesem Fall mit Mi = 0 auf Θ1 ω˙ 1 − (Θ2 − Θ3 ) ω2 ω3 = 0, Θ2 ω˙ 2 − (Θ3 − Θ1 ) ω3 ω1 = 0,
(3.63)
Θ3 ω˙ 3 − (Θ1 − Θ2 ) ω1 ω2 = 0 . Eine spezielle L¨ osung von (3.63) ist der Fall einer Drehung mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω0 um eine der Hauptachsen, ur folgt z.B. um die 1-Achse: ω1 = ω0 = const, ω2 = ω3 = 0. Hierf¨ ω˙ 2 = ω˙ 3 = 0, d.h. die 1-Achse ist auch raumfest. Von praktischem Interesse ist nun die Frage, wie das System auf eine kleine St¨orung reagiert. Hierzu betrachten wir einen Nachbarzustand, der vom urspr¨ unglichen Bewegungszustand nur wenig “ ” abweicht: ω1 ≈ ω0 , ω2 ω1 , ω3 ω1 . Vernachl¨assigt man das oherer Ordnung klein, dann ist die ersProdukt ω2 ω3 als von h¨ te Gleichung von (3.63) n¨ aherungsweise erf¨ ullt. Aus den letzten beiden folgt
3.4
Kinetik der r¨aumlichen Bewegung
187
Θ2 ω˙ 2 − (Θ3 − Θ1 ) ω0 ω3 = 0, Θ3 ω˙ 3 − (Θ1 − Θ2 ) ω0 ω2 = 0 . Sie lassen sich zu einer Gleichung zusammenfassen, indem man zum Beispiel ω3 eliminiert: ω ¨ 2 + λ2 ω2 = 0
mit λ2 = ω02
(Θ1 − Θ2 )(Θ1 − Θ3 ) . Θ2 Θ3
Ihre L¨ osung lautet (vgl. auch Abschnitt 5.2.1) ⎧ ⎨ A1 cos λ t + B1 sin λ t f¨ ur λ2 > 0, ω2 (t) = ∗ ∗ ⎩ f¨ ur λ2 = −λ∗2 < 0 . A2 eλ t + B2 e−λ t F¨ ur λ2 > 0 ¨ andert sich ω2 (und damit auch ω3 ) periodisch; die St¨orung bleibt aber beschr¨ ankt. Wir bezeichnen eine solche Drehung als stabil. Dagegen w¨ achst f¨ ur λ2 < 0 die St¨orung ω2 exponentiell mit der Zeit an. Die Bewegung entfernt sich dann immer mehr vom Ausgangszustand; dieser ist instabil. Eine stabile Drehung um die Hauptachse 1 tritt danach f¨ ur (Θ1 − Θ2 )(Θ1 − Θ3 ) > 0 auf, d.h. wenn die Drehachse diejenige des gr¨ oßten Haupttr¨agheitsmomentes (Θ1 > Θ2 , Θ3 ) oder diejenige des kleinsten Haupttr¨agheitsmomentes (Θ1 < Θ2 , Θ3 ) ist. Eine stabile Drehung um die Achse des mittleren Haupttr¨ agheitsmomentes (Θ2 < Θ1 < Θ3 ) ist nicht m¨ oglich. Als Spezialfall betrachten wir noch den Kugelkreisel (Θ1 = ur folgt direkt aus (3.63) das Ergebnis ω˙ 1 = ω˙ 2 = Θ2 = Θ3 ). Hierf¨ ω˙ 3 = 0; d.h. die Drehung ist immer stabil.
188
3.5
3 Bewegung eines starren K¨ orpers
3.5 Zusammenfassung • Die Bewegung eines starren K¨ orpers l¨ asst sich aus Translation und Rotation zusammensetzen; z.B. gilt f¨ ur die Geschwindigkeit eines K¨ orperpunktes P : v P = v A + ω × r AP . Man kann die ebene Bewegung zu jedem Zeitpunkt auch als reine Drehung mit der Winkelgeschwindigkeit ω um den Momentanpol Π auffassen. • Bei der Rotation um eine feste Achse f¨ uhren alle Punkte eine Kreisbewegung mit der selben Winkelgeschwindigekeit ω = ϕ˙ und der Winkelbeschleunigung ϕ¨ aus. • Unter der Wirkung von Kr¨ aften f¨ uhrt der starre K¨orper eine Bewegung aus, die durch den Kr¨ aftesatz (Schwerpunktsatz) und den Momentensatz (Drehimpulssatz) beschrieben wird: ¨s = F , mr
˙ (A) = M (A) L
(A = S oder fest).
Im ebenen Fall bleiben die drei Komponenten mx ¨s = Fx ,
m y¨s = Fy ,
ΘA ϕ¨s = MA .
• Die kinetische Energie setzt sich beim starren K¨orper aus Translations- und Rotationsenergie zusammen. Im ebenen Fall gilt Ek = 12 m vs2 + 12 ΘS ω 2 . • Impulssatz, Arbeitssatz und Energiesatz sind analog zu denen beim Massenpunkt bzw. beim Massenpunktsystem. • Bei der L¨ osung von Problemen der Starrk¨ orperbewegung sind in der Regel folgende Schritte durchzuf¨ uhren: Skizze des Freik¨ orperbildes mit allen Kr¨aften. Wahl eines Koordinatensystems. Aufstellen der Bewegungsgleichungen. Bezugspunkt beim Momentensatz ist dabei Schwerpunkt oder fester Punkt! Bei Stoßproblemen Aufstellen der Impulss¨atze f¨ ur die beteiligten K¨ orper und der Stoßbedingung. Formulierung ben¨ otigter kinematischer Beziehungen. Abh¨ angig vom Problem kann es zweckm¨aßig sein, den Arbeits- oder den Energiesatz anzuwenden.
Kapitel 4 Prinzipien der Mechanik
4
4 Prinzipien der Mechanik 4.1 4.2 4.3 4.4
Formale R¨ uckf¨ uhrung der Kinetik auf die Statik ........ Prinzip von d’Alembert........................................ Lagrangesche Gleichungen 2. Art ........................... Zusammenfassung ..............................................
191 196 200 211
Lernziele: Bisher haben wir zur Beschreibung der Bewegung von K¨ orpern die Newtonschen Axiome angewendet. Ihnen gleichwertig sind andere Grundgesetze, die Prinzipien der Mechanik genannt werden. H¨ aufig ist es vorteilhaft, anstelle der Newtonschen Gesetze diese Prinzipien bei der Aufstellung von Bewegungsgleichungen zu verwenden. Mit einigen von ihnen wollen wir uns in diesem Kapitel besch¨ aftigen und lernen, wie man sie anwendet.
4.1
Formale R¨ uckf¨ uhrung der Kinetik auf die Statik
191
4.1
4.1 Formale R¨ uckf¨ uhrung der Kinetik auf die Statik Die Bewegung eines Massenpunktes kann nach Abschnitt 1.2.1 durch das Newtonsche Bewegungsgesetz ma = F
(4.1)
beschrieben werden. Dabei ist F die Resultierende aller am Massenpunkt angreifenden Kr¨ afte. Wir schreiben (4.1) nun in der Form F − ma = 0
(4.2)
und fassen das negative Produkt aus der Masse m und der Beschleunigung a formal als eine Kraft auf, die wir nach Jean Lerond d’Alembert (1717–1783) die d’Alembertsche Tr¨agheitskraft FT nennen: FT = − ma .
(4.3)
Diese Kraft ist keine Kraft im Newtonschen Sinne, da zu ihr keine Gegenkraft existiert (sie verletzt das Axiom actio = reactio!); wir bezeichnen sie daher als Scheinkraft. Sie ist entgegengesetzt zur Beschleunigung a gerichtet. Mit (4.3) erhalten wir aus (4.2) das Bewegungsgesetz in der Form F + FT = 0 .
(4.4)
Hiernach bewegt sich ein Massenpunkt so, dass die Resultierende F der an ihm angreifenden Kr¨ afte und die d’Alembertsche kraft FT im Gleichgewicht“ sind. Da der Massenpunkt jedoch ” nicht in Ruhe ist, sondern sich bewegt, bezeichnet man dies als dynamisches Gleichgewicht“. ” Durch das Einf¨ uhren der Tr¨ agheitskraft (4.3) wurde das Bewegungsgesetz (4.1) formal auf die Gleichgewichtsbedingung (4.4) zur¨ uckgef¨ uhrt. Dieses Vorgehen kann beim Aufstellen der Bewegungsgleichungen vorteilhaft sein. Will man eine Aufgabe nach
192
4 Prinzipien der Mechanik
dieser Methode l¨ osen, so muss man im Freik¨ orperbild neben den wirklichen Kr¨ aften zus¨ atzlich die Tr¨ agheitskraft FT einzeichnen. Die Bewegungsgleichungen folgen dann aus der Bedingung Sum” me aller Kr¨ afte gleich Null“. Die ebene Bewegung eines starren K¨orpers wird nach (3.31a, b) durch die Gleichungen m¨ xs = Fx ,
m¨ ys = Fy ,
ΘS ϕ¨ = MS
(4.5)
beschrieben. F¨ uhrt man analog zu (4.3) die Scheinkr¨afte xs , FTx = − m¨
FTy = − m¨ ys
(4.6)
und das Scheinmoment MTS = − ΘS ϕ¨
(4.7)
ein, so erh¨ alt man die dynamischen Gleichgewichtsbedingungen Fx + FTx = 0,
Fy + FTy = 0,
MS + MTS = 0 .
(4.8)
Bei reiner Rotation des starren K¨ orpers kann man als Bezugspunkt in der dritten Gleichung von (4.8) statt des Schwerpunkts S auch den festen Drehpunkt A w¨ ahlen (vgl. (3.33)). Will man die Bewegung eines Systems von starren K¨orpern mit dieser Methode beschreiben, so zerlegt man das System in einzelne Teilk¨ orper. F¨ ur jeden dieser Teilk¨ orper k¨ onnen dann die dynamischen Gleichgewichtsbedingungen (4.4) bzw. (4.8) angeschrieben werden. B4.1
Beispiel 4.1 Ein Schiff (Masse m) hat beim Abschalten des Motors die Geschwindigkeit v0 (Abb. 4.1a). Die Widerstandskraft beim √ Gleiten im Wasser sei durch Fw = k v gegeben. Gesucht ist der Geschwindigkeitsverlauf bei geradliniger Fahrt. x m
m¨ x
√ Fw = k v
v0 a
b
Abb. 4.1
4.1
Formale R¨ uckf¨ uhrung der Kinetik auf die Statik
193
L¨ osung Wir z¨ ahlen nach Abb. 4.1b die Koordinate x in Bewegungsrichtung. In entgegengesetzter Richtung wirkt die Widerstandskraft Fw auf das Schiff (in vertikaler Richtung halten sich Gewicht und Auftrieb das Gleichgewicht). Entsprechend der xKoordinate zeigt eine positive Beschleunigung x¨ nach rechts. Die Tr¨agheitskraft ist ihr entgegen gerichtet (nach links) und hat den Betrag m¨ x. Das Kr¨ aftegleichgewicht in x-Richtung liefert dann mit x ¨ = v˙ die Bewegungsgleichung √ ← : mv˙ + k v = 0 .
Trennen der Variablen und Integration f¨ uhren mit der Anfangsbedingung v(0) = v0 auf v
d¯ v k √ =− m v¯
v0
t dt¯
√ √ k 2( v − v0 ) = − t . m
→
0
Hieraus folgt die Geschwindigkeit zu 2 √ k v= t . v0 − 2m
Beispiel 4.2 Ein Massenpunkt vom Gewicht G = mg rutscht rei-
bungsfrei auf einer Halbkugel (Radius r) herunter (Abb. 4.2a). Die Bewegung beginnt mit einer Anfangsgeschwindigkeit v0 im h¨ochsten Punkt. An welcher Stelle hebt der Massenpunkt von der Unterlage ab? mr ϕ¨ v0
1111111111 0000000000 0000000000 1111111111 0000000000 1111111111 0000000000 1111111111 0000000000 1111111111 G
m at = r ϕ¨ an = r ϕ˙ 2
r
a
Abb. 4.2
mr ϕ˙ 2
N ϕ
ϕ b
0
c
G
B4.2
194
4 Prinzipien der Mechanik
L¨ osung Die Masse durchl¨ auft bis zum Abheben eine Kreisbahn;
wir beschreiben die Lage von m durch die Koordinate ϕ (Abb. 4.2b). Auf den K¨ orper wirken als eingepr¨ agte Kraft das Gewicht G und als Zwangskraft die Normalkraft N . Mit der Tangentialbeschleunigung at = rϕ¨ (in positiver ϕ-Richtung) und der Normalbeschleunigung an = rϕ˙ 2 (nach 0 gerichtet) lassen sich die Tr¨ agheitskr¨ afte vom Betrag mat (entgegengesetzt zu at ) und vom Betrag man (entgegengesetzt zu an ) in das Freik¨orperbild (Abb. 4.2c) eintragen. Kr¨ aftegleichgewicht nach (4.4) in normaler und in tangentialer Richtung liefert die Bewegungsgleichungen : N − mg cos ϕ + mrϕ˙ 2 = 0,
(a)
: mg sin ϕ − mrϕ¨ = 0 .
(b)
Aus (b) folgt durch Multiplikation mit ϕ˙ und Integration ϕ˙ ϕ¨ =
g sin ϕ ϕ˙ r
→
1 2 g ϕ˙ = − cos ϕ + C . 2 r
Die Integrationskonstante C l¨ asst sich mit v = rϕ˙ aus der Anfangsbedingung v(ϕ = 0) = v0 bestimmen: g 1 v02 =− +C 2 r2 r
→
C=
1 v02 g + . 2 r2 r
Somit wird ϕ˙ 2 = −
v2 2g v2 2g 2g cos ϕ + 02 + = (1 − cos ϕ) + 02 . r r r r r
Einsetzen in (a) liefert die auf den Massenpunkt wirkende Normalkraft N in Abh¨ angigkeit vom Winkel ϕ: N = mg cos ϕ − mrϕ˙ 2 = mg(3 cos ϕ − 2) − m
v02 . r
Die Stelle des Abhebens des Massenpunkts ist dadurch gekennzeichnet, dass dort die Normalkraft verschwindet: N =0
→
mg (3 cos ϕ − 2) − m
v02 = 0. r
4.1
Formale R¨ uckf¨ uhrung der Kinetik auf die Statik
195
Daraus folgt f¨ ur den Winkel ϕ∗ , bei dem m abhebt: cos ϕ∗ =
v2 2 + 0 . 3 3 gr
√ √ Wegen cos ϕ 1 muss v0 gr sein. F¨ ur v0 gr l¨ost sich die Masse bereits im h¨ ochsten Punkt von der Unterlage. Beispiel 4.3 Ein Klotz (Masse m1 ) h¨ angt nach Abb. 4.3a an einem Seil, das u uhrt und auf einer Trommel ¨ ber eine masselose Rolle gef¨ agheitsmoment ΘS ) aufgewickelt ist. (Masse m2 , Tr¨ Es ist die Bewegungsgleichung f¨ ur die Trommel aufzustellen, wobei angenommen werden soll, dass sie rollt. m2 , ΘS S
ri
ra
11111111 00000000 a
m1 g
x
ϕ F
ΘS ϕ¨ A S
m2 x¨s
A
F
S
G2 = m2 g
F F
H
c
N
x˙ A x˙ S ϕ˙
1111111 0000000 0000000 1111111 Π
m1 y¨ b
y
Abb. 4.3
G1 = m1 g
L¨ osung Wir zerlegen das System in die einzelnen K¨ orper (Abb.
4.3b). Zur Beschreibung der Bewegung f¨ uhren wir die Koordinaten x, ϕ (f¨ ur die Trommel) und y (f¨ ur den Klotz) ein. An der Trommel greifen das Gewicht G2 = m2 g, die Normalkraft N , die Haftungskraft H sowie die Seilkraft F an. Die Tr¨ agheitskraft m2 x¨s
B4.3
196
4 Prinzipien der Mechanik
wirkt in negativer x-Richtung und das Scheinmoment ΘS ϕ¨ in negativer ϕ-Richtung (da sich der Schwerpunkt S nur in x-Richtung bewegt, tritt keine Tr¨ agheitskraft in y-Richtung auf). Am Klotz wirken das Gewicht G1 = m1 g und die Seilkraft F (Umlenkrolle masselos!). Die Tr¨ agheitskraft m1 y¨ zeigt in negative y-Richtung. Das dynamische Gleichgewicht liefert f¨ ur die Trommel ¨s = 0 , → : F − H − m2 x ↑ : N − m2 g = 0 , : ri F + ra H − ΘS ϕ¨ = 0 und f¨ ur den Klotz ↓ : m1 g − F − m1 y¨ = 0 . Da die Trommel rollt (Drehung um den Momentanpol Π) gilt nach (3.10) der kinematische Zusammenhang (vgl. Abb. 4.3c) x˙ s = ra ϕ˙
→
x ¨s = ra ϕ¨ .
Bei einem undehnbaren Seil ist die Geschwindigkeit des Klotzes gleich der Geschwindigkeit des Punktes A: y˙ = x˙A . Mit x˙A = (ri + ra )ϕ˙ folgt daraus die weitere kinematische Beziehung y˙ = (ri + ra )ϕ˙
→
y¨ = (ri + ra )ϕ¨ .
Durch Aufl¨ osen der Gleichungen findet man f¨ ur die Schwerpunktsbeschleunigung x ¨s =
4.2
m1 ra (ri + ra ) g. m1 (ri + ra )2 + m2 ra2 + ΘS
4.2 Prinzip von d’Alembert Bei der Untersuchung von Bewegungen mit Hilfe des Newtonschen Bewegungsgesetzes oder des dynamischen Gleichgewichts erh¨alt
4.2
Prinzip von d’Alembert
197
man immer Bewegungsgleichungen, in denen alle an den K¨orpern angreifenden Kr¨ afte (einschließlich der Zwangskr¨afte) auftreten. Dieses Vorgehen kann bei Systemen von Massenpunkten oder von K¨orpern aufwendig werden. Wir wollen daher in diesem Abschnitt ein Prinzip vorstellen, das auf Bewegungsgleichungen f¨ uhrt, welche die Zwangskr¨ afte nicht enthalten. Diese Methode l¨asst sich insbesondere dann vorteilhaft anwenden, wenn die Zwangskr¨afte nicht gesucht sind. Wir wollen uns hier auf Bewegungen beschr¨anken, bei denen keine trockene Reibung auftritt. Der Einfachheit halber betrachten wir zun¨ achst die Bewegung eines Massenpunkts auf einer vorgegebenen Bahn (gebundene Bewegung). Nach (1.45) lautet dann das Newtonsche Grundgesetz ma = F (e) + F (z)
(4.9)
mit den eingepr¨ agten Kr¨ aften F (e) und den Zwangskr¨aften F (z) . Um zu einer Formulierung zu gelangen, welche die Zwangskr¨afte nicht mehr enth¨ alt, verwenden wir den Begriff der virtuellen Verr¨ uckungen. Darunter versteht man (vgl. Band 1, Abschnitt 8.2) gedachte, infinitesimale Verschiebungen, die mit den Bindungen des Systems vertr¨ aglich sind. Da die Zwangskr¨afte F (z) normal zur Bahn und damit auch normal zu virtuellen Verr¨ uckungen δr stehen, verschwindet ihre virtuelle Arbeit: F (z) · δr = 0 .
(4.10)
Diese Aussage nennt man das Prinzip von d’Alembert. Es lautet in Worten: Ein Massenpunkt bewegt sich so, dass die virtuelle Arbeit der Zwangskr¨ afte zu jedem Zeitpunkt verschwindet. Mit (4.9) wird aus (4.10) (F (e) − ma) · δr = 0 .
(4.11)
F¨ uhren wir die virtuellen Arbeiten δW = F (e) ·δr der eingepr¨agten Kr¨ afte F (e) und δWT = FT · δr = − ma · δr der d’Alembertschen onnen wir (4.11) in folgender Form Tr¨agheitskraft FT ein, so k¨ schreiben:
198
4 Prinzipien der Mechanik
δW + δWT = 0 .
(4.12)
Man bezeichnet dies auch als Prinzip der virtuellen Arbeiten: Ein Massenpunkt bewegt sich so, dass bei einer virtuellen Verr¨ uckung die Summe der virtuellen Arbeiten der eingepr¨ agten Kr¨ afte und der d’Alembertschen Tr¨ agheitskraft zu jedem Zeitpunkt verschwindet. In (4.12) sind die Zwangskr¨ afte nicht mehr enthalten. Bei einem System von Massenpunkten mit starren Bindungen ist das Prinzip der virtuellen Arbeiten (4.12) ebenfalls g¨ ultig. Um dies zu zeigen, schreiben wir die Newtonschen Bewegungsgleichungen f¨ ur ein System von n Massenpunkten in Analogie zu (4.9) in der Form (vgl. auch Kapitel 2) (e)
mi r¨i = Fi
(z)
+ Fi ,
i = 1, . . . , n .
(4.13)
Bei einer virtuellen Verr¨ uckung des Systems verschwindet die gesamte virtuelle Arbeit der Zwangskr¨ afte: (z) Fi · δri = 0 . (4.14) i
Wenn wir die Bewegungsgleichungen (4.13) mit δri multiplizieren und u ¨ ber alle Massenpunkte summieren, so ergibt sich mit (4.14) die zu (4.11) analoge Beziehung (e) (Fi − mi r¨i ) · δri = 0 . (4.15) i
Mit
i
(e)
Fi
· δri = δW und
i
(−mi r¨i ) · δri = δWT erh¨alt man
daraus wieder (4.12). Das Prinzip der virtuellen Arbeiten (4.12) gilt sinngem¨ aß auch f¨ ur starre K¨orper. Hat ein System mehrere Freiheitsgrade, so ist die Anzahl der voneinander unabh¨ angigen virtuellen Verr¨ uckungen gleich der An-
4.2
Prinzip von d’Alembert
199
zahl der Freiheitsgrade. Das Prinzip der virtuellen Arbeiten liefert dann gerade so viele Bewegungsgleichungen, wie Freiheitsgrade vorliegen. Beispiel 4.4 Das Beispiel 4.3 soll mit Hilfe des Prinzips der virtu-
ellen Arbeiten gel¨ ost werden. x ϕ A
ΘS ϕ¨ A
S
S
m2 x¨s
δxA
11111111 00000000 00000000 11111111
δxS
11111111 00000000 00000000 11111111 δϕ
G2 = m2 g
ri ra
Π
m1 y¨
b
y Abb. 4.4
a
G1 = m1 g
L¨ osung Da die Zwangskr¨ afte (Normalkraft und Haftungskraft an der Walze, Seilkraft) nicht gesucht sind, ist die Behandlung der Aufgabe mit Hilfe des Prinzips der virtuellen Arbeiten zweckm¨aßiger als die in Beispiel 4.3 durchgef¨ uhrte L¨ osung: das Freischneiden des Systems ist dann nicht n¨ otig! Zur Beschreibung der Bewegung f¨ uhren wir wieder die Koordinaten x und ϕ f¨ ur die Trommel sowie y f¨ ur den Klotz ein. An der Trommel greifen die eingepr¨ agte Kraft G2 = m2 g, die Tr¨agheits¨s und das Scheinmoment ΘS ϕ¨ an. Am Klotz wirken das kraft m2 x agheitskraft m1 y¨ (Abb. 4.4a). Gewicht G1 = m1 g und die Tr¨ Das System hat einen Freiheitsgrad. Bei einer virtuellen Verr¨ uckung (vgl. Abb. 4.4b) gelten die kinematischen Beziehungen
δxs = ra δϕ,
δy = δxA = (ri + ra ) δϕ .
(a)
Entsprechend erhalten wir (vgl. Beispiel 4.3) x˙ s = ra ϕ, ˙
y˙ = x˙A = (ri + ra ) ϕ˙ .
(b)
Die virtuellen Arbeiten der eingepr¨ agten Kr¨ afte und der Scheinkr¨afte lauten (vgl. Abb. 4.4a)
B4.4
200
4 Prinzipien der Mechanik
δW = G1 δy = m1 g δy,
(c)
¨s δxs − ΘS ϕ¨ δϕ . δWT = − m1 y¨ δy − m2 x Ersetzen wir die Variablen xs und y in (c) mit Hilfe von (a) und (b) durch ϕ, so folgen δW = m1 g (ri + ra ) δϕ, δWT = − m1 (ri + ra )2 ϕ¨ δϕ − m2 ra2 ϕ¨ δϕ − ΘS ϕ¨ δϕ . Einsetzen in das Prinzip der virtuellen Arbeiten δW + δWT = 0 liefert ¨ δϕ = 0 . {m1 g (ri + ra ) − [m1 (ri + ra )2 + m2 ra2 + ΘS ]ϕ} Wegen δϕ = 0 ergibt sich daraus [m1 (ri + ra )2 + m2 ra2 + ΘS ]ϕ¨ = m1 g (ri + ra ) →
ϕ¨ =
m1 (ri + ra ) g. m1 (ri + ra )2 + m2 ra2 + ΘS
alt man wieder das Ergebnis von Beispiel 4.3. Mit x ¨s = ra ϕ¨ erh¨
4.3
4.3 Lagrangesche Gleichungen 2. Art Das Aufstellen der Bewegungsgleichungen f¨ ur ein Massenpunktsystem kann oft vereinfacht werden, wenn man spezielle Koordinaten verwendet. Durch geeignetes Umformen des Prinzips der virtuellen Arbeiten (4.15) erh¨ alt man dann die sogenannten Lagrangeschen Gleichungen 2. Art. Diese Gleichungen wollen wir im folgenden herleiten. Dabei beschr¨ anken wir uns auf Systeme, bei denen entweder die Bindungen starr sind oder die inneren Kr¨afte ein Potential haben (z.B. Federkr¨ afte). Nach (2.2) ist die Anzahl f der Freiheitsgrade eines Systems von n Massenpunkten im Raum, das r kinematischen Bindungen unterworfen ist, gegeben durch
4.3
Lagrangesche Gleichungen 2. Art
f = 3n−r
201
(4.16)
(in der Ebene gilt f = 2 n − r). Die Lage des Systems kann daher eindeutig angegeben werden entweder durch 3 n (z.B. kartesische) Koordinaten, die jedoch durch r Bindungsgleichungen (Zwangsbedingungen) verkn¨ upft sind, oder durch f voneinander unabh¨angige Koordinaten. Diese unabh¨ angigen Koordinaten nennt man verallgemeinerte oder generalisierte Koordinaten. Als Beispiel betrachten wir das ebene mathematische Pendel nach Abb. 4.5. Die Lage der Masse m k¨ onnen wir einerseits durch die kartesischen Koordinaten x und z angeben. Diese Koordinaten sind aber nicht unabh¨ angig voneinander, sondern durch 2 2 upft. Andererseits kann die Zwangsbedingung x + z = l2 verkn¨ die Lage entsprechend des einen Freiheitsgrads des Pendels auch durch die eine Koordinate ϕ (= verallgemeinerte Koordinate) festgelegt werden. Zwischen den kartesischen Koordinaten und der verallgemeinerten Koordinate besteht im Beispiel der Zusammenhang x = l sin ϕ,
z = l cos ϕ . x ϕ
l
x Abb. 4.5
z
m
z
Bei einem System von n Massenpunkten wird die Lage der einzelnen Massen durch die Ortsvektoren ri beschrieben. Zwischen den n Ortsvektoren ri und den f verallgemeinerten Koordinaten – die wir mit qj bezeichnen wollen – besteht dann der Zusammenhang ri = ri (qj ),
i = 1, . . . , n;
j = 1, . . . , f .
(4.17)
202
4 Prinzipien der Mechanik
Zur Herleitung der Lagrangeschen Gleichungen aus (4.15) werotigt. Die n Ortsvektoren den die virtuellen Verr¨ uckungen δri ben¨ angen nach (4.17) von den f verallgemeinerten Koordinaten qj ri h¨ ab. Die virtuellen Verr¨ uckungen δri lassen sich daher analog zum totalen Differential einer Funktion von mehreren Ver¨anderlichen wie folgt berechnen: ∂ri ∂ri ∂ri δq1 + . . . + δqf = δqj . (4.18) δri = ∂q1 ∂qf ∂qj j Einsetzen in (4.15) liefert ⎡ ⎞⎤ ⎛ ∂r i ⎣(Fi(e) − mi r¨i ) · ⎝ δqj ⎠⎦ = 0 ∂q j i j →
i
⎞ ⎞ ⎛ ⎛ ∂r ∂r i i (e) Fi · ⎝ δqj ⎠ − mi r¨i · ⎝ δqj ⎠ = 0 . ∂q ∂q j j j i j (4.19)
Durch Vertauschen der Reihenfolge der Summationen ergibt sich (e) ∂ri ∂ri Fi · δqj − mi r¨i · δqj = 0 . (4.20) ∂q ∂q j j j i j i Wir formen nun den zweiten Term in (4.20) um. Dazu benutzen wir die Identit¨ at ∂ri d ∂ri ∂ r˙ i = . (4.21) − mi r˙ i · mi r¨i · mi r˙ i · ∂qj dt ∂qj ∂qj Die Richtigkeit dieser Beziehung kann durch Ausdifferenzieren der eckigen Klammer nachgepr¨ uft werden. Aus (4.17) folgt durch Zeitableitung ∂ri ∂ri ∂ri ∂ri r˙ i = q˙1 + . . . + q˙j + . . . + q˙f = q˙j . (4.22) ∂q1 ∂qj ∂qf ∂qj j Differenziert man nun nach q˙j , so bleibt von der Summe nur ein Term u ¨ brig: ∂ri ∂ r˙ i = . ∂ q˙j ∂qj
(4.23)
4.3
Lagrangesche Gleichungen 2. Art
203
Damit wird aus (4.21) ∂ri d ∂ r˙ i ∂ r˙ i = mi r¨i · − mi r˙ i · mi r˙ i · ∂qj dt ∂ q˙j ∂qj 1 1 ∂ d ∂ 2 2 mi r˙ i mi r˙ i . = − dt ∂ q˙j 2 ∂qj 2 Die kinetische Energie des Systems ist durch 1 2 mi r˙ i Ek = 2 i gegeben. F¨ uhren wir noch die Abk¨ urzung (e) ∂ri Fi · Qj = ∂qj i
(4.24)
(4.25)
(4.26)
ein, so erhalten wir aus (4.20) unter Verwendung von (4.24)–(4.26) d ∂Ek ∂Ek (4.27) Qj − + δqj = 0 . dt ∂ q˙j ∂qj j angig voneinander Da die verallgemeinerten Koordinaten qj unabh¨ sind, sind es auch die virtuellen Verr¨ uckungen δqj ; sie k¨onnen daher beliebig gew¨ ahlt werden. Die Summe (4.27) ist daher nur dann Null, wenn jeder einzelne Summand verschwindet: d dt
∂Ek ∂ q˙j
−
∂Ek = Qj , ∂qj
j = 1, . . . , f .
(4.28)
Die Gleichungen (4.28) heißen nach Joseph Louis Lagrange (1736-1813) Lagrangesche Gleichungen 2. Art. Es sind f Gleichungen f¨ ur die f verallgemeinerten Koordinaten qj . Im Gegensatz hierzu erh¨ alt man z.B. bei Verwendung von kartesischen Koordinaten und der Newtonschen Grundgesetze 3 n Bewegungsgleichungen und r Zwangsbedingungen, also insgesamt 3 n+r Gleichungen. (e) Die gesamte virtuelle Arbeit der eingepr¨ agten Kr¨afte Fi ist durch (e) δW = Fi · δri (4.29) i
204
4 Prinzipien der Mechanik
gegeben. Ersetzt man darin die virtuellen Verr¨ uckungen δri nach (4.18) und verwendet die Abk¨ urzung (4.26), so erh¨alt man ⎞ ⎛ (e) (e) ∂ri Fi · δri = Fi · ⎝ δqj ⎠ δW = ∂qj i i j =
j
i
(e)
Fi
·
∂ri δqj = Qj δqj . ∂qj j
(4.30)
Die virtuelle Arbeit der eingepr¨ agten Kr¨ afte kann demnach auch uckungen δqj der durch die Gr¨ oßen Qj und die virtuellen Verr¨ verallgemeinerten Koordinaten ausgedr¨ uckt werden. Aus diesem Grund nennt man Qj verallgemeinerte Kr¨afte. (e) Wenn die eingepr¨ agten Kr¨ afte Fi ein Potential Ep besitzen, kann man die Lagrangeschen Gleichungen (4.28) noch vereinfachen. Dann gilt (vgl. (1.81)) δW = − δEp .
(4.31)
¨ Die virtuelle Anderung δEp der potentiellen Energie berechnet man analog zum totalen Differential einer Funktion von mehreren Ver¨ anderlichen: ∂Ep ∂Ep ∂Ep δq1 + . . . + δqf = δqj . (4.32) δEp (qj ) = ∂q1 ∂qf ∂qj j Durch Vergleich von (4.30) und (4.32) ergibt sich dann Qj = −
∂Ep . ∂qj
Einsetzen in (4.28) liefert d ∂Ek ∂Ep ∂Ek + = 0. − dt ∂ q˙j ∂qj ∂qj
(4.33)
(4.34)
Die potentielle Energie Ep h¨ angt nicht von q˙j ab. F¨ uhrt man mit L = Ek − Ep
(4.35)
die Lagrangesche Funktion L ein, so wird daher wegen ∂Ep /∂ q˙j =
4.3
Lagrangesche Gleichungen 2. Art
205
0 aus (4.34) d dt
∂L ∂ q˙j
−
∂L = 0, ∂qj
j = 1, . . . , f .
(4.36)
Dies sind die Lagrangeschen Gleichungen 2. Art f¨ ur konservative Systeme. Sie wurden hier nur f¨ ur Massenpunktsysteme hergeleitet, gelten aber sinngem¨ aß auch f¨ ur starre K¨ orper. Sie haben den Vorteil, dass zur Ermittlung von Bewegungsgleichungen nur die kinetische und die potentielle Energie aufgestellt werden m¨ ussen. Die Bewegungsgleichungen folgen dann formal durch Differenzieren. Beispiel 4.5 Ein Massenpunkt bewegt sich unter der Wirkung der
Erdschwere reibungsfrei auf einer Bahn, welche die Form einer quadratischen Parabel hat (Abb. 4.6a) Man bestimme die Bewegungsgleichung.
111 000
111 000
y y = cx2
m
a
Abb. 4.6
b
0
x
L¨ osung Im kartesischen Koordinatensystem nach Abb. 4.6b lautet die Gleichung der Parabel y = c x2 . Die eingepr¨ agte Kraft (Gewicht) ist konservativ. Das System hat einen Freiheitsgrad; als verallgemeinerte Koordinate q w¨ahlen wir die kartesische Koordinate x. Die kinetische Energie des Massenpunkts ist 1 1 Ek = mv 2 = m (x˙ 2 + y˙ 2 ) . 2 2
Mit y = c x2 wird daraus
→
y˙ = 2 c x x˙
B4.5
206
4 Prinzipien der Mechanik
Ek =
1 m (x˙ 2 + 4 c2 x2 x˙ 2 ) . 2
Wenn wir das Nullniveau der potentiellen Energie in den Scheitel legen, so erhalten wir Ep = mg y = mgc x2 . Damit lautet die Lagrangesche Funktion (4.35) L = Ek − Ep =
1 m (x˙ 2 + 4 c2 x2 x˙ 2 ) − mgc x2 . 2
Bilden der Ableitungen ∂L = mx˙ + 4 m c2 x2 x, ˙ ∂ x˙ d ∂L ¨, = m¨ x + 8 m c2 x x˙ 2 + 4 m c2 x2 x dt ∂ x˙ ∂L = 4 m c2 x x˙ 2 − 2mgc x ∂x und Einsetzen in die Lagrangesche Gleichung (4.36) d ∂L ∂L =0 − dt ∂ x˙ ∂x liefert x ¨ (1 + 4 c2 x2 ) + 4 c2 x x˙ 2 + 2 gc x = 0 . B4.6
Beispiel 4.6 Ein mathematisches Pendel (L¨ ange l, Masse m2 ) ist
nach Abb. 4.7a an einem Klotz (Masse m1 ) befestigt. Der Klotz ist u ¨ ber eine Feder (Federkonstante c) mit der Wand verbunden und kann reibungsfrei auf seiner Unterlage gleiten. Man bestimme die Bewegungsgleichungen des Systems. L¨ osung Das System ist konservativ. Seine Lage ist eindeutig durch die Auslenkung x des Klotzes aus der Ruhelage (entspannte Feder) und den Winkel ϕ festgelegt (Abb. 4.7b): es hat somit zwei
4.3
Lagrangesche Gleichungen 2. Art
x
1 0 0 1 000000000 111111111 0 1 000000000 111111111 m1
c
v1 = x˙
l
ϕ
lϕ˙
m2 b
a
Abb. 4.7
207
ϕ
v2 x˙
Freiheitsgrade. Als verallgemeinerte Koordinaten w¨ahlen wir q1 = x,
q2 = ϕ .
Die kinetische Energie lautet Ek =
1 1 m1 v12 + m2 v22 . 2 2
˙ Die GeschwinF¨ ur die Geschwindigkeit der Masse m1 gilt v1 = x. digkeit der Masse m2 ist durch die Translation der Masse m1 und die u ¨ berlagerte Rotation des Pendels bestimmt. Daraus folgt nach ˙ ϕ˙ cos ϕ)2 +(lϕ˙ sin ϕ)2 . Abb. 4.7b f¨ ur die Geschwindigkeit v22 = (x+l Damit wird die kinetische Energie 1 1 (a) Ek = m1 x˙ 2 + m2 [(x˙ + lϕ˙ cos ϕ)2 + (lϕ˙ sin ϕ)2 ] . 2 2 Wenn wir das Nullniveau des Potentials der Gewichtskraft auf die H¨ ohe des Klotzes legen, so erhalten wir f¨ ur die gesamte potentielle Energie des Systems 1 (b) Ep = c x2 − m2 gl cos ϕ . 2 Mit (a) und (b) folgt die Lagrangesche Funktion zu L = Ek − Ep =
1 (m1 + m2 ) x˙ 2 + m2 lx˙ ϕ˙ cos ϕ 2 1 1 + m2 l2 ϕ˙ 2 − c x2 + m2 gl cos ϕ. 2 2
Zum Aufstellen der Lagrangeschen Gleichungen (4.36) d ∂L d ∂L ∂L ∂L = 0, =0 − − dt ∂ x˙ ∂x dt ∂ ϕ˙ ∂ϕ
(c)
208
4 Prinzipien der Mechanik
m¨ ussen wir folgende Ableitungen bilden: ∂L = (m1 + m2 )x˙ + m2 lϕ˙ cos ϕ, ∂ x˙ d ∂L x + m2 lϕ¨ cos ϕ − m2 lϕ˙ 2 sin ϕ, = (m1 + m2 )¨ dt ∂ x˙ ∂L = m2 lx˙ cos ϕ + m2 l2 ϕ, ˙ ∂ ϕ˙ d ∂L x cos ϕ − m2 lx˙ ϕ˙ sin ϕ + m2 l2 ϕ, ¨ = m2 l¨ dt ∂ ϕ˙ ∂L = − c x, ∂x
∂L = − m2 lx˙ ϕ˙ sin ϕ − m2 gl sin ϕ . ∂ϕ
Einsetzen in (c) liefert die Bewegungsgleichungen ¨ + m2 lϕ¨ cos ϕ − m2 lϕ˙ 2 sin ϕ + c x = 0, (m1 + m2 ) x x ¨ cos ϕ + lϕ¨ + g sin ϕ = 0 . Im Grenzfall c → ∞ folgt aus der ersten Gleichung x = 0, w¨ahrend sich die zweite auf die Bewegungsgleichung lϕ ¨ + g sin ϕ = 0 des mathematischen Pendels (vgl. Abschnitt 5.2.1) reduziert. B4.7
Beispiel 4.7 Der Schwinger nach Abb. 4.8a besteht aus einer Feder
mit der Federkonstanten c und einer Masse mit dem Gewicht G = mg. Die L¨ ange der Feder im entspannten Zustand sei l0 . Es sind die Bewegungsgleichungen aufzustellen. Dabei soll angenommen werden, dass sich der Schwinger in einer Ebene bewegt. L¨ osung Die Lage des Massenpunkts ist eindeutig durch den Abstand l vom Punkt 0 und durch den Winkel ϕ festgelegt (Abb. 4.8b). Das System hat demnach zwei Freiheitsgrade. Es ist oft zweckm¨ aßig, als verallgemeinerte Koordinaten dimensionslose Gr¨ oßen einzuf¨ uhren; wir w¨ ahlen hier
q1 = l/l0 ,
q2 = ϕ .
(a)
4.3
111 000
Lagrangesche Gleichungen 2. Art
209
111 000 000 111
111 000 0
l0 c
ϕ
xst x
lϕ˙
l
c
m v Abb. 4.8
a
b
l˙
Die kinetische Energie des Massenpunkts lautet (vgl. Abb. 4.8b) 1 1 Ek = mv 2 = m (l˙2 + l2 ϕ˙ 2 ) . (b) 2 2 Unter Verwendung von (a) wird aus (b) 1 Ek = ml02 (q˙12 + q12 q˙22 ) . 2 Wenn wir die potentielle Energie des Gewichts G von der H¨ohe des Punktes 0 aus z¨ ahlen, so erhalten wir als gesamte potentielle Energie des Systems 1 Ep = c (l − l0 )2 − mg l cos ϕ 2 1 2 = c l0 (q1 − 1)2 − mg l0 q1 cos q2 . 2 Die Lagrangesche Funktion f¨ ur das konservative System ergibt sich damit zu 1 1 L = Ek −Ep = ml02 (q˙12 + q12 q˙22 )− c l02 (q1 − 1)2 +mg l0 q1 cos q2 . 2 2 Zum Aufstellen der Lagrangeschen Gleichungen ben¨otigen wir folgende Ableitungen: d ∂L ∂L 2 = ml02 q¨1 , = ml0 q˙1 , ∂ q˙1 dt ∂ q˙1 ∂L d ∂L 2 2 = ml0 q1 q˙2 , = ml02 (2 q1 q˙1 q˙2 + q12 q¨2 ), ∂ q˙2 dt ∂ q˙2
210
4 Prinzipien der Mechanik
∂L = m l02 q1 q˙22 − c l02 (q1 − 1) + mg l0 cos q2 , ∂q1 ∂L = − mg l0 q1 sin q2 . ∂q2 Einsetzen in (4.36) liefert die Bewegungsgleichungen ml0 q¨1 − ml0 q1 q˙22 + cl0 (q1 − 1) − mg cos q2 = 0 , (c) l0 q1 q¨2 + 2 l0 q˙1 q˙2 + g sin q2 = 0 . Wenn sich der Massenpunkt speziell auf einer vertikalen Gerade bewegt (q2 ≡ 0), so ist die zweite Bewegungsgleichung erf¨ ullt, und die erste reduziert sich auf ml0 q¨1 + c l0 (q1 − 1) − mg = 0 →
m¨l + c l − c l0 − mg = 0 .
(d)
Z¨ahlen wir eine neue Koordinate x von der statischen Ruhelage aus (Abb. 4.8c), so gilt l = l0 + xst + x, wobei xst die Federverl¨ angerung im statischen Fall ist. Mit xst = mg/c folgt aus (d) m¨ x + c l0 + c xst + c x − c l0 − mg = 0
→
m¨ x + cx = 0.
Dies ist die Differentialgleichung der harmonischen Schwingung eines Feder-Masse-Schwingers (vgl. Abschnitt 5.2.1). Im Sonderfall c → ∞ f¨ uhrt die erste Bewegungsgleichung in (c) auf q1 = 1, d.h. l = l0 . Die zweite Gleichung reduziert sich dann auf die Bewegungsgleichung eines mathematischen Pendels: g l0 q¨2 + g sin q2 = 0 → ϕ¨ + sin ϕ = 0 . l
4.4
Zusammenfassung
211 4.4
4.4 Zusammenfassung • Mit den d’Alembertschen Tr¨ agheitskr¨ aften (Scheinkraft F T = ¨ kann man die Bewe−m a, Scheinmoment MT S = −ΘS ϕ) gung durch die (dynamischen) Gleichgewichtsbedingungen beschreiben. Sie lauten zum Beispiel f¨ ur die ebene Bewegung des starren K¨ orpers Fx + FT x = 0 ,
Fy + FT y = 0 ,
MS + MT S = 0 .
• Prinzip von d’Alembert: Ein Massenpunkt bzw. ein starrer K¨ orper bewegt sich so, dass bei einer virtuellen Verr¨ uckung die Summe der virtuellen Arbeiten der eingepr¨agten Kr¨afte und der Tr¨ agheitskr¨ afte verschwindet: δW + δWT = 0 . Beachte: Zwangskr¨ afte (Reaktionskr¨ afte) verrichten keine Arbeit! • Die Bewegungsgleichungen eines Systems mit f Freiheitsgraden lassen sich mit Hilfe der Lagrangeschen Gleichungen 2. Art aufstellen. F¨ ur konservative Systeme lauten sie ∂L d ∂L = 0, j = 1, . . . , f , − dt ∂ q˙j ∂qj L = Ek − Ep qj
Lagrange Funktion,
generalisierte Koordinaten.
Kapitel 5 Schwingungen
5
5 Schwingungen 5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.3 5.3.1 5.3.2 5.4 5.4.1 5.4.2 5.5
Grundbegriffe .................................................... Freie Schwingungen ............................................ Unged¨ampfte freie Schwingungen ........................... Federzahlen elastischer Systeme ............................. Ged¨ampfte freie Schwingungen .............................. Erzwungene Schwingungen ................................... Unged¨ampfte Schwingungen ................................. Ged¨ampfte Schwingungen .................................... Systeme mit zwei Freiheitsgraden ........................... Freie Schwingungen ............................................ Erzwungene Schwingungen ................................... Zusammenfassung ..............................................
215 218 218 224 232 242 242 247 255 255 264 268
Lernziele: Schwingungen spielen in der Natur und Technik eine große Rolle. Wir wollen in diesem Kapitel das Verhalten von schwingungsf¨ ahigen Systemen mit einem bzw. zwei Freiheitsgraden untersuchen. Dabei beschr¨ anken wir uns auf Systeme, bei denen die Bewegungsgleichungen lineare Differentialgleichungen sind. Damit k¨ onnen bereits viele wichtige Erscheinungen bei Schwingungen beschrieben werden. Die Studierenden sollen lernen, wie man sowohl freie als auch erzwungene Schwingungen ohne bzw. mit D¨ ampfung analysiert.
5.1
Grundbegriffe
215
5.1
5.1 Grundbegriffe In der Natur und in der Technik unterliegt h¨ aufig eine Zustandsgr¨ oße x = x (t) – wie z.B. die Lage eines K¨ orpers – mehr oder weniger regelm¨ aßigen zeitlichen Schwankungen. Solche Vorg¨ange heißen Schwingungen. Als Beispiele seien der Wellengang der See, die Bewegung eines Kolbens in einem Motor und die Schwingung in einem elektrischen Stromkreis genannt. Entsprechende Erscheinungen treten in vielen Bereichen unserer Umwelt auf. Wir wollen im folgenden eine Einf¨ uhrung in die Schwingungslehre mechanischer Systeme geben. Solche Systeme bezeichnet man kurz auch als Schwinger. x x(t)
x(t+T )
t+T
t
t
T
Abb. 5.1
Bei vielen Bewegungen wiederholt sich der Verlauf einer Gr¨oße x(t) jeweils nach einer Zeit T (Abb. 5.1): x (t + T ) = x (t) .
(5.1)
Diese Vorg¨ ange werden periodische Schwingungen genannt. Die Zeit T heißt Periode der Schwingung oder Schwingungsdauer. Ihr reziproker Wert f=
1 T
(5.2)
ist die Frequenz der Schwingung. Sie gibt die Zahl der Schwingungen pro Zeiteinheit an. Die Dimension der Frequenz ist 1/Zeit; ihre Einheit wird nach Heinrich Hertz (1857–1894) benannt und mit Hz abgek¨ urzt: 1Hz = 1/s. Ein wichtiger Sonderfall der periodischen Schwingungen sind
216
5 Schwingungen x x = B sin ω t
x B
x = A cos ω t A
π
a
3π
2π
π
ωt
2π
3π
ωt
ω T = 2π x P ωt
ω
P0 α
x = C cos (ω t−α)
P P0 C
π C
2π
3π
ωt
α
b
Abb. 5.2
die harmonischen Schwingungen; bei ihnen ¨ andert sich eine Gr¨oße x(t) kosinus- bzw. sinusf¨ ormig (Abb. 5.2a): x (t) = A cos ωt bzw. x (t) = B sin ωt .
(5.3)
Dabei nennt man A bzw. B die Amplitude der Schwingung und ω die Kreisfrequenz. Wegen ωT = 2 π (vgl. Abb. 5.2a) und f = 1/T besteht zwischen der Kreisfrequenz ω und der Frequenz f der Zusammenhang ω=
2π = 2πf . T
(5.4)
Der reinen Kosinus- bzw. der reinen Sinusschwingung sind speur x (t) = A cos ωt zielle Anfangsbedingungen zugeordnet. So gilt f¨ zum Zeitpunkt t = 0 : x (0) = A; x˙ (0) = 0. Entsprechend sind bei einer reinen Sinusschwingung x (0) = 0 und x˙ (0) = Bω. Harmonische Schwingungen bei beliebigen Anfangsbedingungen lassen sich
5.1
Grundbegriffe
217
immer durch x (t) = C cos (ωt − α)
(5.5)
darstellen. Darin sind C die Amplitude und α die Phasenverschiebung (vgl. Abb. 5.2b). Man kann die harmonischen Schwingungen (5.5) auch durch ¨ eine Uberlagerung der beiden Schwingungen (5.3) erhalten. Mit der Umformung x (t) = C cos (ωt − α) = C cos ωt cos α + C sin ωt sin α
(5.6)
und den Abk¨ urzungen A = C cos α,
B = C sin α
(5.7)
x (t) = A cos ωt + B sin ωt .
(5.8)
folgt
Die beiden Darstellungen (5.5) und (5.8) sind demnach gleichwertig und lassen sich ineinander u uhren. So erh¨alt man A und ¨ berf¨ B aus C und α nach (5.7). Andererseits liefert Aufl¨osen dieser Gleichungen nach C und α B (5.9) C = A2 + B 2 , α = arctan . A Eine harmonische Schwingung l¨ asst sich durch die Bewegung eines Punktes auf einer Kreisbahn erzeugen. Wenn ein Punkt P (Ausgangslage P0 ) auf einem Kreis (Radius C) mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω uml¨ auft (vgl. Abb. 5.2b), so f¨ uhrt seine Projektion P auf die Vertikale eine harmonische Schwingung aus. Ihr zeitlicher Verlauf ist in der Abbildung dargestellt. Schwingungen mit konstanter Amplitude heißen unged¨ampfte Schwingungen. Nimmt die Amplitude mit der Zeit ab (Abb. 5.3a), so spricht man von einer ged¨ampften Schwingung, w¨ahrend eine Schwingung mit wachsender Amplitude angefacht genannt wird (Abb. 5.3b). Es gibt mehrere M¨ oglichkeiten, Schwingungen zu klassifizieren. So kann man zum Beispiel die Zahl der Freiheitsgrade eines
218
5 Schwingungen x
x
t
t
a
b
Abb. 5.3
schwingenden Systems als typisches Kennzeichen w¨ahlen. Dies f¨ uhrt zu einer Einteilung in Schwinger mit einem, zwei . . . (allgemein: n) Freiheitsgraden. Wir wollen uns auf Systeme mit einem bzw. mit zwei Freiheitsgraden beschr¨ anken. Damit lassen sich bereits viele wesentliche Erscheinungen bei Schwingungen beschreiben. Man kann Schwingungen auch nach den Typen der Differentialgleichungen charakterisieren, welche die Bewegungen des Systems beschreiben. So spricht man bei linearen (nichtlinearen) Differentialgleichungen auch von linearen (nichtlinearen) Schwingungen. Eine dritte Einteilung geht von dem Entstehungsmechanismus der Schwingung aus. Wir befassen uns nur mit zwei F¨allen: den freien Schwingungen und den erzwungenen Schwingungen. Freie Schwingungen oder Eigenschwingungen sind die Bewegungen eines Schwingers, auf den keine ¨ außeren Erregerkr¨afte wirken (der Schwinger wird sich selbst u ¨berlassen), w¨ahrend erzwungene Schwingungen gerade unter dem Einfluss ¨ außerer Kr¨afte entstehen. 5.2
5.2 Freie Schwingungen In den folgenden Abschnitten untersuchen wir lineare Schwingungen von Systemen mit einem Freiheitsgrad. Solche Systeme heißen auch einfache Schwinger. 5.2.1 Unged¨ ampfte freie Schwingungen
Wir wollen uns zun¨ achst auf die Behandlung unged¨ampfter Schwingungen beschr¨anken. Als Beispiel betrachten wir eine reibungsfrei gef¨ uhrte Masse m mit einer Feder der Federsteifigkeit c
5.2
Freie Schwingungen
219
(Abb. 5.4a). Zur Ermittlung der Bewegungsgleichung f¨ uhren wir die von der Ruhelage (entspannte Feder) gez¨ ahlte Koordinate x nach Abb. 5.4b ein. Die einzige in horizontaler Richtung wirkende Kraft ist die Federkraft c x. Sie ist eine R¨ uckstellkraft, die der Auslenkung aus der Ruhelage entgegenwirkt. Damit liefert das Newtonsche Grundgesetz (1.38) → : m¨ x = −cx
Abb. 5.4
11 00 00 11 00 11 00 11 00 11
→
m¨ x + c x = 0.
(5.10) x
m
c
a
cx
1111 0000
Mit der Abk¨ urzung c ω2 = m
b
1111 0000 (5.11)
folgt daraus x ¨ + ω2 x = 0 .
(5.12)
Dies ist eine lineare, homogene Differentialgleichung 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten. Ihre allgemeine L¨ osung lautet x (t) = A cos ωt + B sin ωt
(5.13)
mit den Integrationskonstanten A und B. Sie k¨onnen aus den Anfangsbedingungen x (0) = x0 und x˙ (0) = v0 ermittelt werden. Man erh¨ alt v0 (5.14) A = x0 und B = , ω und damit wird aus (5.13) v0 x (t) = x0 cos ωt + sin ωt . ω
(5.15)
Nach Abschnitt 5.1 ist die allgemeine L¨ osung (5.13) gleichwertig
220
5 Schwingungen
mit x (t) = C cos (ωt − α),
(5.16)
wobei nun C und α die Integrationskonstanten sind. Sie k¨onnen ebenfalls aus den Anfangsbedingungen berechnet werden, ergeben sich mit (5.14) aber auch unmittelbar aus (5.9) zu v0 . (5.17) C = x20 + (v0 /ω)2 , α = arctan ωx0 Die Eigenschwingung der Masse m ist nach(5.16) eine harmonische Schwingung. Die Kreisfrequenz ω = c/m der Eigenschwingung nennt man auch kurz Eigenfrequenz. Wir betrachten nun eine Masse m, die an einer Feder mit der Federkonstanten c h¨ angt und vertikale Schwingungen ausf¨ uhren soll (Abb. 5.5a). Durch die Gewichtskraft G = mg erf¨ahrt die uber Feder zun¨ achst eine statische Verl¨ angerung xst = mg/c gegen¨ ihrer L¨ ange im entspannten Zustand. Wenn wir die Koordinate x von dieser Gleichgewichtslage aus nach unten z¨ahlen, so wirken bei einer Auslenkung in x-Richtung an der Masse das Gewicht G = mg und die Federkraft (R¨ uckstellkraft) Fc = c (xst + x), vgl. Abb. 5.5b. Das dynamische Grundgesetz (1.38) liefert dann ↓ : m¨ x = mg − c (xst + x)
→
m¨ x + cx = 0.
Dies ist wieder die Bewegungsgleichung (5.10). Das Gewicht der Masse hat demnach keinen Einfluss auf die Schwingung eines Feder-Masse-Systems. Wir brauchen daher bei solchen Systemen das Gewicht nicht zu ber¨ ucksichtigen, wenn wir die Auslenkung von der statischen Ruhelage aus z¨ ahlen. Die Eigenfrequenz eines einfachen Schwingers kann bei vertikaler Schwingung aus der statischen Absenkung xst infolge des Eigengewichts des Systems bestimmt werden. Dabei ist eine Kenntnis der Masse und der Federsteifigkeit nicht n¨otig. So verl¨angert sich zum Beispiel die Feder in Abb. 5.5a durch das Anbringen der Masse m vom Gewicht G = mg um den Wert xst = mg/c, d.h. c/m = g/xst . Durch Vergleich mit (5.11) folgt daher ω 2 = g/xst .
(5.18)
1111 0000 0000 1111
1111 0000 0000 1111
5.2
Freie Schwingungen
221
c
xst Fc = c (xst +x) m
x G = mg
Abb. 5.5
a
b
Es gibt viele Systeme, deren Bewegungen durch eine Differentialgleichung vom Typ der Gleichung (5.12) beschrieben werden. Diese Systeme f¨ uhren dann harmonische Schwingungen aus. Daher wird die Gleichung x ¨ + ω 2 x = 0 auch die Differentialgleichung der harmonischen Schwingung genannt. So lautet zum Beispiel nach Abschnitt 1.2.6 die Bewegungsgleichung eines mathematischen Pendels (Abb. 5.6a) ϕ¨ +
g sin ϕ = 0 . l
(5.19)
F¨ ur kleine Ausschl¨age (sin ϕ ≈ ϕ) ergibt sich daraus die Differentialgleichung ϕ¨ + g/l ϕ = 0 einer harmonischen Schwingung. Die Eigenfrequenz der Schwingung eines mathematischen Pendels ist demnach durch (5.20) ω = g/l gegeben. Als Anwendungsbeispiel betrachten wir ein physikalisches Pendel (Abb. 5.6b). Hierunter versteht man einen starren K¨orper, der in einem Punkt drehbar gelagert ist und Schwingungen ausf¨ uhrt. Der Schwerpunkt S habe den Abstand l vom Drehpunkt A. Zur Ermittlung der Bewegungsgleichung wenden wir den Momentensatz (3.33) an. Wir z¨ ahlen den Winkel ϕ von der Gleichgewichts-
222
5 Schwingungen
11 00 00 11
A
A
A
l
ϕ
ϕ
S
S
l
G = mg
G Abb. 5.6
b
a
lage (vertikale Lage) aus entgegen dem Uhrzeigersinn positiv. Mit dem Moment des Gewichts MA = −mgl sin ϕ und dem Tr¨agheitsmoment ΘA erhalten wir : ΘA ϕ¨ = −mgl sin ϕ
→
ΘA ϕ¨ + mgl sin ϕ = 0 .
F¨ ur kleine Auslenkungen (sin ϕ ≈ ϕ) wird daraus ϕ¨ + ω 2 ϕ = 0 mit ω 2 = mgl/ΘA. Wenn man die reduzierte Pendell¨ange“ lred = ” ΘA /(ml) = i2A /l einf¨ uhrt, so l¨ asst sich die Eigenfrequenz der Schwingungen eines physikalischen Pendels in Analogie zu (5.20) als ω = g/lred schreiben. Demnach schwingt ein physikalisches Pendel wie ein mathematisches Pendel, dessen L¨ange gleich lred ist. Alle bisher betrachteten Schwinger sind konservative Systeme. F¨ ur sie gilt der Energiesatz Ek + Ep = Ek0 + Ep0 = E = const .
(5.21)
E Ek Ep
π
2π
3π
ωt
Abb. 5.7
Dabei ist E die Gesamtenergie des Schwingers. Wir wollen am
5.2
Freie Schwingungen
223
Beispiel des Feder-Masse-Schwingers die einzelnen Energieanteile angeben. Unter Verwendung der allgemeinen L¨ osung (5.16) der Bewegungsgleichung (5.10) und mit Hilfe der Umformungen sin2 β = 1 1 2 alt man 2 (1 − cos 2 β), cos β = 2 (1 + cos 2 β) erh¨ Ek = 12 mx˙ 2 = 12 mω 2 C 2 sin2 (ωt − α) = 14 mω 2 C 2 [1 − cos (2 ωt − 2 α)] ,
(5.22)
Ep = 12 cx2 = 12 c C 2 cos2 (ωt − α) = 14 c C 2 [1 + cos (2 ωt − 2 α)] . Kinetische und potentielle Energie ¨ andern sich hiernach periodisch mit der Frequenz 2 ω. Ihre Amplituden sind wegen mω 2 = c gleich. Die Energien sind f¨ ur α = 0 in Abb. 5.7 aufgetragen. Man sieht, dass ein periodischer Wechsel von potentieller in kinetische Energie und umgekehrt stattfindet. Wenn die kinetische (potentielle) Energie Null ist, hat die potentielle (kinetische) Energie ein Maximum. Die Summe der beiden Energieformen ist zu jedem Zeitpunkt die Gesamtenergie E. Beispiel 5.1 Ein masseloser, starrer Stab tr¨ agt an seinem oberen
Ende eine Masse m und wird durch eine Feder mit der Federkonstanten c abgest¨ utzt (Abb. 5.8a). Wie bewegt sich der Stab, wenn er nach einer kleinen Auslenkung ohne Anfangsgeschwindigkeit losgelassen wird? m
c
1 0 0 1 0 1 0 1
x cx mg
l
ϕ
A Abb. 5.8
a
b
L¨ osung Wir z¨ ahlen den Winkel ϕ von der vertikalen Lage (Gleich-
gewichtslage) aus entgegen dem Uhrzeigersinn positiv (Abb. 5.8b).
B5.1
224
5 Schwingungen
Die Verl¨ angerung der Feder in einer ausgelenkten Lage ist dann durch x = l sin ϕ gegeben. Mit ΘA = ml2 liefert der Momentensatz (1.67) bez¨ uglich A die Bewegungsgleichung : ml2 ϕ¨ = l sin ϕ mg − l cos ϕ c x →
mlϕ ¨ − mg sin ϕ + c l sin ϕ cos ϕ = 0 .
F¨ ur kleine Ausschl¨ age (sin ϕ ≈ ϕ, cos ϕ ≈ 1) wird daraus mlϕ¨ − mgϕ + c lϕ = 0
→
ϕ¨ +
c l − mg ϕ = 0. ml
Dies ist f¨ ur c l > mg die Differentialgleichung einer harmonischen Schwingung. Der Vergleich mit (5.12) liefert die Eigenfrequenz: c l − mg c l − mg 2 ω = → ω= . ml ml Die Konstanten in der allgemeinen L¨ osung ϕ (t) = A cos ωt + B sin ωt bestimmen wir aus der Anfangsauslenkung ϕ (0) = ϕ0 und der Anfangsgeschwindigkeit ϕ˙ (0) = 0 zu A = ϕ0 und B = 0. Damit folgt ϕ (t) = ϕ0 cos ωt . F¨ ur c l < mg ist das R¨ uckstellmoment durch die Federkraft stets kleiner als das Moment des Gewichts: der Stab f¨allt um. F¨ ur c l = mg ist die Frequenz gleich Null: der Stab ist in der ausgelenkten Lage im Gleichgewicht.
5.2.2 Federzahlen elastischer Systeme
Bei einer linearen Feder besteht zwischen der Federkraft F und der Verl¨ angerung ∆l der Zusammenhang F = c ∆l. F¨ ur die Federkonstante gilt demnach F . (5.23) c= ∆l Ein linearer Zusammenhang zwischen Kraft und Verformung tritt auch bei vielen anderen elastischen Systemen auf. Wir be-
5.2
Freie Schwingungen
225
trachten zun¨ achst einen masselosen Stab (L¨ ange l, Dehnsteifigkeit EA) mit einer Endmasse m (Abb. 5.9a). Wird die Masse nach unten ausgelenkt und der Stab dabei um den Wert ∆l verl¨angert, so wirkt auf die Masse eine R¨ uckstellkraft F . Die gleich große Gegenkraft wirkt auf den Stab, und es gilt ∆l =
Fl EA
(vgl. Band 2). In Analogie zu (5.23) erhalten wir damit als Feder” steifigkeit“ des Zugstabs c=
EA F = . ∆l l
(5.24)
Wir k¨ onnen daher das Ersatzsystem nach Abb. 5.9c als gleichwertig dem Ausgangssystem nach Abb. 5.9a auffassen, wenn die Federkonstante c nach (5.24) gew¨ ahlt wird. Als weiteres Beispiel betrachten wir einen einseitig eingespannten, masselosen Balken (L¨ ange l, Biegesteifigkeit EI) mit einer Masse m am freien Ende (Abb. 5.9b). Wird die Masse nach unten ausgelenkt, so wirkt auf sie eine R¨ uckstellkraft F , deren Gegenkraft am Balken angreift. Aus w=
F l3 3 EI
(vgl. Band 2) erhalten wir die Federzahl c=
F 3 EI = 3 . w l
(5.25)
Wenn wir beim Ersatzsystem nach Abb. 5.9c die Federkonstante entsprechend (5.25) w¨ ahlen, so ist es dem Balken mit Endmasse gleichwertig. Wir bestimmen nun noch die Federkonstante f¨ ur einen Torsionsstab (L¨ ange l, Torsionssteifigkeit GIT ) nach Abb. 5.9d. Sie ergibt sich aus der linearen Beziehung zwischen der Verdrehung ϑ und dem Torsionsmoment MT (vgl. Band 2): ϑ=
MT l GIT
→
cT =
GIT MT = . ϑ l
(5.26)
226
5 Schwingungen
00 00 11 111 00 000 11 11 11 00 0 1 0 1
l, EI
m
l, EA
m ∆l
F
w
1 0 0 1 F
a
b
11 00
11 00
11 00
11 00
c l, GIT m Θ
ϑ MT
c
d
Abb. 5.9
Die Dimension dieser Drehfederzahl“ cT ist Moment/Winkel. ” Wenn eine Scheibe (Massentr¨ agheitsmoment Θ), die mit dem Ende eines Torsionsstabes fest verbunden ist, Drehschwingungen ausf¨ uhrt, dann wird die Bewegung durch Θϑ¨ + cT ϑ = 0 beschrieben (Abb. 5.9d). Es gibt Systeme, bei denen mehrere Federn L¨angen¨anderungen erfahren, wenn sich eine Masse bewegt. Wir wollen zun¨achst den Fall betrachten, dass zwei Federn mit den Steifigkeiten c1 und c2 bei einer Auslenkung der Masse stets die gleiche Verl¨angerung erfahren (Abb. 5.10a). Man spricht dann von einer Parallelschaltung der Federn. Die beiden Federn k¨ onnen gleichwertig durch eine einzige Feder ersetzt werden, deren Steifigkeit c∗ wir im folgenden ermitteln. Wenn wir die Masse um x auslenken, so entstehen in den zwei Federn die Kr¨ afte F1 = c1 x und F2 = c2 x, und auf die
1111111 0000000 0000000 1111111 c1
5.2
11 00
227
11 00
c1
c∗
= &
c2
111 000 000 111
Freie Schwingungen
c∗
= & c2
x Abb. 5.10
a
b
x
Masse wirkt F = F1 + F2 . Da die Ersatzfeder gleichwertig sein soll, muss bei gleicher Auslenkung x die gleiche Kraft F = c∗ x wirken. Damit folgt F = c1 x + c2 x = c∗ x
→
c∗ = c1 + c2 .
Allgemein erhalten wir bei einer Parallelschaltung beliebig vieler ur die Steifigkeit c∗ der ErsatzfeFedern mit den Steifigkeiten cj f¨ der c∗ =
cj .
(5.27)
Nun seien nach Abb. 5.10b zwei Federn so angeordnet, dass sich bei einer Auslenkung der Masse die gesamte Verl¨angerung x aus den Verl¨ angerungen x1 und x2 der einzelnen Federn zusammensetzt. In diesem Fall spricht man von einer Reihenschaltung der Federn. Die Kraft F ist dann in beiden Federn gleich. Mit F = c1 x1 = c2 x2 und x = x1 + x2 ergibt sich x=
F F F + = ∗ c1 c2 c
→
1 1 1 = + . ∗ c c1 c2
Bei beliebig vielen hintereinander geschalteten Federn erhalten wir somit f¨ ur die Steifigkeit c∗ der Ersatzfeder 1 1 = . ∗ c cj
(5.28)
F¨ uhrt man mit h = 1/c die Federnachgiebigkeit ein, so gilt bei
228
5 Schwingungen
Reihenschaltung f¨ ur die Nachgiebigkeit h∗ der Ersatzfeder h∗ =
B5.2
hj .
(5.29)
Ein masseloser, elastischer Balken (Biegesteifigkeit EI) tr¨ agt in der Mitte eine Masse m (Abb. 5.11a). Wie groß ist die Eigenfrequenz? Beispiel 5.2
11 00 00 11
m EI
cB l 2
l 2
m b
a
G = mg F w d
c
wst
Abb. 5.11
Der masselose Balken mit Einzelmasse ist gleichwertig dem Ersatzsystem nach Abb. 5.11b, dessen Federkonstante cB bestimmt werden muss. Zu ihrer Ermittlung belasten wir den Balken nach Abb. 5.11c an der Stelle, an der sich die Masse befindet (hier Balkenmitte) durch eine Kraft F . Dann betr¨agt dort die Durchbiegung (vgl. Band 2)
L¨ osung
F l3 . 48 EI Analog zu (5.25) erhalten wir somit w=
cB =
(a)
48 EI F = , w l3
und (5.11) liefert die Eigenfrequenz cB 48 EI ω= = . m ml3 Wir k¨ onnen die Eigenfrequenz auch nach (5.18) aus der sta-
5.2
Freie Schwingungen
229
tischen Absenkung der Masse m infolge ihres Gewichts G = mg bestimmen. Entsprechend (a) gilt (vgl. Abb. 5.11d) wst =
mgl3 Gl3 = . 48 EI 48 EI
Durch Einsetzen in (5.18) erh¨ alt man wieder das Ergebnis g 48 EI ω= = . wst ml3 Die schwingungsf¨ ahigen Systeme nach Abb. 5.12a, b bestehen jeweils aus einem masselosen Balken (Biegesteifigkeit EI), einer Feder (Federkonstante c) und einer Masse m. Wie groß sind die Eigenfrequenzen?
Beispiel 5.3
111 000 000 111
11 00 00 11
c
c∗ EI
EI c
m l 2
l 2
m l 2
Abb. 5.12 a
m
b
l 2
c
L¨ osung Wir ersetzen die gegebenen Systeme jeweils durch ein Ersatzsystem nach Abb. 5.12c. Im System nach Abb. 5.12a sind bei einer Schwingung die Durchbiegung in Balkenmitte und die Verl¨ angerung der Feder immer gleich groß: Balken und Feder sind parallel geschaltet. Die Federsteifigkeit cB des Balkens u ¨bernehmen wir aus Beispiel 5.2:
cB =
48 EI . l3
Damit erhalten wir nach (5.27) f¨ ur die Steifigkeit der Ersatzfeder c∗ = c + cB = c +
48 EI , l3
und die Eigenfrequenz des Systems wird
B5.3
230
5 Schwingungen
ω=
c∗ = m
c l3 + 48 EI . ml3
Beim System nach Abb. 5.12b ist die Auslenkung der Masse gleich der Summe aus der Durchbiegung in Balkenmitte und der Verl¨ angerung der Feder. Balken und Feder sind demnach in Reihe geschaltet. Die Steifigkeit c∗ der Ersatzfelder folgt damit nach (5.28) aus 1 1 1 = + c∗ c cB
→
c∗ =
c cB , c + cB
und die Eigenfrequenz des Systems lautet c∗ 48 c EI = ω= . m (c l3 + 48 EI) m Die Eigenfrequenz des Systems b ist kleiner als die von a (das System b hat eine weichere“ Ersatzfeder). ” B5.4
Beispiel 5.4 Der Rahmen nach Abb. 5.13a besteht aus zwei elasti-
schen Stielen (h = 3 m, E = 2, 1 · 105 N/mm2 , I = 3500 cm4) und einem starren Riegel, der einen Kasten (Masse m = 105 kg) tr¨agt. Wie groß ist die Eigenfrequenz des Systems, wenn Stiele und Riegel als masselos angenommen werden? L¨ osung Die Stiele sind elastisch. Daher kann sich der Riegel mit dem Kasten waagrecht verschieben (Abb. 5.13b). Die entsprechende Schwingung kann mit Hilfe des Ersatzsystems nach Abb. 5.13c beschrieben werden. Zur Ermittlung der Eigenfrequenz muss zuerst die Federsteifigkeit c∗ bestimmt werden. Da der Rahmen symmetrisch ist, betrachten wir zun¨achst nur einen Stiel (Abb. 5.13d). Der starre, waagrechte Riegel wirkt am oberen Stielende A wie eine Parallelf¨ uhrung. Greift dort eine Kraft F an, so verschiebt sich A um die Strecke w. Die Federsteifigkeit cS eines Stiels berechnet sich dann aus cS = F/w. Das System in Abb. 5.13d ist einfach statisch unbestimmt. Wenn wir das Moment an der Parallelf¨ uhrung als statisch Unbe-
5.2
Freie Schwingungen
231
m
EI
a
11 00 00 11
11 00 00 11
h
00 11 0000 1111 0000 1111
11 00 00 11
b
w
w
A F
Abb. 5.13
c
1 0 0 1 0 1
c∗
X
ϕ
F
m
111 000 000 111
h, EI
111 000
d
e
11 00 00 11
stimmte X w¨ ahlen und die Parallelf¨ uhrung entfernen (Abb. 5.13e), so ergeben sich die Verschiebung w und der Neigungswinkel ϕ am freien Ende zu w=
Xh2 F h3 − , 3 EI 2 EI
ϕ=
F h2 Xh − 2 EI EI
(vgl. Band 2). Die Vertr¨ aglichkeitsbedingung ϕ = 0 liefert f¨ ur die statisch Unbestimmte X = F h/2. Damit wird w=
F h3 F h3 F h3 − = , 3 EI 4 EI 12 EI
und die Federsteifigkeit eines Stiels folgt zu cS =
12 EI F = . w h3
Da der Rahmen zwei gleiche Stiele hat (Parallelschaltung), ist die Federsteifigkeit des Rahmens c∗ = 2 cS . Die Eigenfrequenz des Systems ergibt sich damit zu c∗ 24 EI = . ω= m mh3 Mit den gegebenen Zahlenwerten erh¨ alt man
232
5 Schwingungen
ω = 8, 1 s−1
bzw. f =
ω = 1, 3 Hz . 2π
5.2.3 Ged¨ ampfte freie Schwingungen
Die Erfahrung zeigt, dass eine freie Schwingung mit konstanter Amplitude in Wirklichkeit nicht auftritt. Bei realen Systemen werden die Ausschl¨ age im Lauf der Zeit kleiner, und die Schwingung kommt schließlich ganz zum Stillstand. Ursache hierf¨ ur sind Reibungs- und D¨ ampfungskr¨ afte (z.B. Lagerreibung, Luftwiderstand). Dem System wird bei der Bewegung mechanische Energie entzogen (Energiedissipation). Daher gilt bei ged¨ampften Schwingungen der Energieerhaltungssatz nicht. x
1 0 0 1 0 1
c
111 000
cx
cx R
R
rauh
a
v
v
m
b
x x0
t1 =
π ω
r −r
x0 −4r t
x0 −2r c
t1
t2
Abb. 5.14
Wir wollen zun¨ achst in einem Anwendungsbeispiel die trockene Reibung betrachten. Ein Klotz (Masse m) bewegt sich nach Abb. 5.14a auf einer rauhen Unterlage (Reibungskoeffizient µ). Die Reibungskraft R = µN hat hier wegen N = mg den Betrag R = µmg und ist stets entgegen der Geschwindigkeit gerichtet. Wenn sich der Klotz nach rechts (links) bewegt, zeigt R somit nach links (rechts), vgl. Abb. 5.14b. Unter Ber¨ ucksichtigung der R¨ uckstellkraft c x der Feder liefert das Newtonsche Grundgesetz (1.38)
5.2
' → : m¨ x =
−cx− R
f¨ ur
x˙ > 0,
−cx+ R
f¨ ur
x˙ < 0
' →
m¨ x + cx =
Freie Schwingungen
−R
f¨ ur
x˙ > 0,
+R
f¨ ur
x˙ < 0 .
233
Mit den Abk¨ urzungen ω2 =
c , m
wird daraus
r= '
2
x¨ + ω x =
R c
− ω2 r 2
+ω r
f¨ ur
x˙ > 0,
f¨ ur
x˙ < 0 .
(a)
Wir erhalten demnach unterschiedliche Bewegungsgleichungen f¨ ur die Bewegung des Klotzes nach rechts bzw. nach links. Wir wollen bei der Umkehr der Bewegungsrichtung jeweils mit einer neuen Zeitz¨ ahlung beginnen. Wenn wir als Anfangsbedingungen x (t1 = 0) = x0 > 0, x˙ (t1 = 0) = 0 w¨ahlen, so bewegt sich der Klotz in einem ersten Bewegungsabschnitt von rechts nach links: x˙ < 0. Dann gilt x¨ + ω 2 x = ω 2 r .
(b)
Im Gegensatz zur Bewegungsgleichung (5.12) ist hier die rechte Seite nicht Null. Man nennt eine solche Differentialgleichung inhomogen. Ihre allgemeine L¨ osung setzt sich aus der allgemeinen x +ω 2 x = 0) und L¨ osung xh der homogenen Differentialgleichung (¨ einer Partikularl¨ osung xp der inhomogenen Differentialgleichung zusammen: x = xh + xp . Die L¨ osung xh ist nach (5.13) durch xh (t1 ) = A1 cos ωt1 + B1 sin ωt1 gegeben; die Partikularl¨ osung lautet
234
5 Schwingungen
xp = r . Damit wird x (t1 ) = A1 cos ωt1 + B1 sin ωt1 + r . Die beiden Konstanten A1 und B1 folgen aus den Anfangsbedingungen: x (t1 = 0) = A1 + r = x0
→
A1 = x0 − r,
x˙ (t1 = 0) = ωB1 = 0
→
B1 = 0 .
Somit wird die Bewegung nach links im ersten Bewegungsabschnitt durch x (t1 ) = (x0 − r) cos ωt1 + r ,
(c)
x˙ (t1 ) = − (x0 − r)ω sin ωt1 beschrieben. Zum Zeitpunkt t1 = π/ω werden der Ausschlag x(π/ω) = ˙ = 0; anschließend kehrt −x0 +2 r und die Geschwindigkeit x(π/ω) die Bewegung ihre Richtung um. Dann gilt nach (a) x ¨ + ω2 x = − ω2 r .
(d)
Wir beginnen den zweiten Bewegungsabschnitt mit einer neuen Zeitz¨ ahlung. Dann lautet die allgemeine L¨ osung von (d) x (t2 ) = A2 cos ωt2 + B2 sin ωt2 − r . Ausschlag und Geschwindigkeit zu Beginn des zweiten Abschnitts m¨ ussen mit denen am Ende des ersten Abschnitts u ¨ beronnen daher aus folgeneinstimmen. Die Konstanten A2 und B2 k¨ ¨ den Ubergangsbedingungen ermittelt werden: π → A2 = − x0 + 3 r , x (t2 = 0) = x t1 = ω π x˙ (t2 = 0) = x˙ t1 = → B2 = 0 . ω
5.2
Freie Schwingungen
235
Im zweiten Bewegungsabschnitt gilt demnach x (t2 ) = − (x0 − 3 r) cos ωt2 − r .
(e)
Der Weg-Zeit-Verlauf der Schwingung ist in Abb. 5.14c dargestellt. Gleichung (c) stellt eine um +r verschobene kosinusf¨ormige Halbschwingung mit der Amplitude x0 − r dar. Die Halbschwingung nach (e) ist um −r verschoben und hat die Amplitude x0 − 3 r. Der weitere Verlauf der Schwingung kann entsprechend ermittelt werden. Die Amplituden nehmen bei jeder weiteren Halbschwingung jeweils um 2r ab. Wenn an einem Umkehrpunkt der Betrag des Ausschlags kleiner als r wird, so reicht die R¨ uckstellkraft der Feder nicht mehr aus, die Haftungskraft zu u berwinden: ¨ der Klotz bleibt dann dort liegen.
Abb. 5.15
a
111 000 000 111
glatt
d
v
0110
Fd b
Widerstandskr¨ afte infolge Fl¨ ussigkeitsreibung wurden bereits in Abschnitt 1.2.4 eingef¨ uhrt. Solche Kr¨ afte k¨ onnen in schwingenden Systemen z.B. beim Stoßd¨ ampfer eines Autos auftreten. Wir beschr¨ anken uns hier auf den Fall eines linearen Zusammenhangs zwischen der Geschwindigkeit v und der Widerstandskraft ampfungskraft): Fd (D¨ Fd = d v . Der Faktor d wird D¨ampfungskonstante genannt; er hat die Dimension Kraft/Geschwindigkeit. Symbolisch stellen wir D¨ampfer wie in Abb. 5.15a dar. Die Kraft, die bei einer Bewegung auf den K¨ orper wirkt, ist der Geschwindigkeit entgegen gerichtet (Abb. 5.15b). Wir betrachten nun einen ged¨ ampften Feder-Masse-Schwinger (Abb. 5.16a). Wenn wir die Koordinate x von der Ruhelage aus z¨ ahlen, so brauchen wir das Gewicht nicht zu ber¨ ucksichtigen. Mit der R¨ uckstellkraft c x und der D¨ ampfungskraft d x˙ (Abb. 5.16b)
236
5 Schwingungen
111111 000000 c
d cx
d x˙
x m a
b
Abb. 5.16
folgt die Bewegungsgleichung ↓ : m¨ x = − c x − d x˙
→
m¨ x + d x˙ + c x = 0 .
(5.30)
Wir f¨ uhren die Abk¨ urzungen 2δ =
d , m
ω2 =
c m
(5.31)
ein. Die Konstante δ heißt Abklingkoeffizient, und ω ist nach (5.11) die Eigenfrequenz der unged¨ampften Schwingung. Damit wird aus (5.30) die Differentialgleichung der ged¨ ampften Schwingung x¨ + 2 δ x˙ + ω 2 x = 0 .
(5.32)
Zur Bestimmung der allgemeinen L¨ osung dieser Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten machen wir einen Exponentialansatz x = A eλt
(5.33)
mit den noch unbestimmten Konstanten A und λ. Einsetzen in (5.32) liefert die charakteristische Gleichung λ2 + 2δλ + ω 2 = 0 .
(5.34)
Diese quadratische Gleichung f¨ ur λ hat die beiden L¨osungen (5.35) λ1,2 = − δ ± δ 2 − ω 2 . Wenn wir den D¨ampfungsgrad (Lehrsches D¨ampfungsmaß) (Ernst Lehr, 1896-1944)
5.2
D=
Freie Schwingungen
δ ω
237
(5.36)
einf¨ uhren, so k¨ onnen wir (5.35) auch folgendermaßen schreiben: λ1,2 = − δ ± ω D2 − 1 . (5.37) Je nach Gr¨ oße von D zeigen die L¨ osungen von (5.32) sehr unterschiedliches Verhalten. Wir unterscheiden drei verschiedene F¨alle. 1. Starke D¨ampfung: D > 1 Bei starker D¨ ampfung sind λ1 und λ2 reell: λ1,2 = −δ ± µ mit √ 2 ort eine L¨ osung der Differentialµ = ω D − 1. Zu jedem λi geh¨ gleichung (5.32); die allgemeine L¨ osung ist eine Linearkombination der beiden Teill¨ osungen: x (t) = A1 eλ1 t + A2 eλ2 t = e−δt (A1 eµt + A2 e−µt ) .
(5.38)
onnen aus den AnfangsbedingunDie Konstanten A1 und A2 k¨ gen x (0) = x0 und x˙ (0) = v0 bestimmt werden. Wegen δ > µ stellt (5.38) eine exponentiell abklingende Bewegung dar. Der Ausschlag besitzt h¨ ochstens einen Extremwert und h¨ochstens einen Nulldurchgang. Wir nennen einen solchen Vorgang, der eigentlich gar keine Schwingung ist, eine Kriechbewegung. In Abb. 5.17 sind Kriechkurven f¨ ur unterschiedliche Anfangsgeschwindigkeiten qualitativ dargestellt. x v0 > 0 x0
Abb. 5.17
v0 = 0
v0 < 0, | v0 |< δx0
v0 < 0, | v0 |> δx0
t
2. Grenzfall: D = 1 F¨ ur D = 1 (manchmal aperiodischer Grenzfall genannt) hat die charakteristische Gleichung nach (5.37) die beiden zusammenfal-
238
5 Schwingungen
lenden Wurzeln λ1 = λ2 = −δ. Die allgemeine L¨osung der Differentialgleichung (5.32) lautet dann x (t) = A1 eλ1 t + A2 t eλ1 t = (A1 + A2 t) e−δt .
(5.39)
Sie beschreibt ebenfalls eine exponentiell abklingende Bewegung. Das Abklingen erfolgt wie bei starker D¨ ampfung kriechend. Nach (5.36) wird im Grenzfall δ = ω. Mit (5.31) gilt dann f¨ ur √ die D¨ ampfungskonstante d = 2 mc. Man kann zeigen, dass der Ausschlag im Fall D = 1 schneller gegen Null geht als bei starker D¨ ampfung. Technische Anwendung findet der Grenzfall z.B. bei der Auslegung von Messger¨aten. 3. Schwache D¨ampfung: D < 1 Bei schwacher D¨ ampfung (D < 1) ist der Radikand in (5.37) negativ. Wir schreiben daher die beiden L¨ osungen der charakteristischen Gleichung in der Form √ λ1,2 = − δ ± iω 1 − D2 = −δ ± iωd , (i = −1) mit ωd = ω
1 − D2 .
(5.40)
Damit ergibt sich als allgemeine L¨ osung der Differentialgleichung (5.32) x (t) = A1 eλ1 t + A2 eλ2 t = e−δt (A1 eiωd t + A2 e−iωd t ) . Mit e±iωd t = cos ωd t ± i sin ωd t erhalten wir daraus x (t) = e−δt [(A1 + A2 ) cos ωd t + i(A1 − A2 ) sin ωd t] = e−δt (A cos ωd t + B sin ωd t), wobei wir mit A und B zwei neue, reelle Konstanten eingef¨ uhrt haben. Nach Abschnitt 5.1 k¨ onnen wir x (t) auch in folgender Form schreiben: x (t) = C e−δt cos (ωd t − α) .
(5.41)
5.2
Freie Schwingungen
239
x Ce−δt x(t) x(t+Td )
C cos α
t
t+Td
Td =
Abb. 5.18
t
2π ωd
−Ce−δt
Die Bewegung ist demnach bei schwacher D¨ ampfung eine Schwingung, deren Ausschl¨ age mit der Zeit exponentiell abnehmen. Die Integrationskonstanten C und α k¨ onnen aus den Anfangsbedingungen bestimmt werden. F¨ ur t → ∞ geht der Ausschlag gegen Null. In Abb. 5.18 ist der Weg-Zeit-Verlauf mit den Einh¨ ullenden ±C e−δt dargestellt. ampften Schwingung nach (5.40) Die Kreisfrequenz ωd der ged¨ ist kleiner als die Kreisfrequenz ω der unged¨ ampften Schwingung. oßer als diejenige Die Schwingungsdauer Td = 2 π/ωd ist daher gr¨ der entsprechenden unged¨ ampften Schwingung. Die Schwingungsausschl¨ age betragen zur Zeit t x (t) = C e−δt cos (ωd t − α) bzw. zur Zeit t + Td x (t + Td ) = C e−δ(t+Td ) cos [ωd (t + Td ) − α] = C e−δ(t+Td ) cos (ωd t − α) . F¨ ur das Verh¨ altnis von je zwei Ausschl¨ agen im Zeitabstand Td gilt daher x (t) = eδTd . (5.42) x (t + Td ) Den Logarithmus dieses Verh¨ altnisses Λ = ln
x (t) 2 πδ D = δTd = = 2π√ x (t + Td ) ωd 1 − D2
(5.43)
240
5 Schwingungen
nennt man logarithmisches Dekrement. Wenn sich das Dekrement Λ aus Experimenten bestimmen l¨ asst, kann das Lehrsche D¨ampfungsmaß D nach (5.43) berechnet werden. B5.5
Beispiel 5.5 Eine masselose, starre Stange mit Feder und D¨ ampfer
tr¨ agt eine Masse m (Abb. 5.19a). Welche Bedingung muss die D¨ ampfungskonstante d erf¨ ullen, damit die Masse eine schwach ged¨ ampfte Schwingung ausf¨ uhrt? Wie lautet die L¨ osung der Bewegungsgleichung, wenn die Stange zu Beginn der Bewegung mit der Winkelgeschwindigkeit ϕ˙ 0 die Gleichgewichtslage durchl¨ auft?
111 000 c
Fc = c a ϕ
m
A ϕ
d
a
a
a
11 00 00 11
a
Fd = d(3a) ϕ˙ b
Abb. 5.19
L¨ osung Wir beschreiben die Bewegung der Stange durch den von
der Gleichgewichtslage aus gez¨ ahlten Winkel ϕ (Abb. 5.19b). Der Momentensatz bez¨ uglich A liefert dann bei kleinen Auslenkungen mit dem Tr¨ agheitsmoment ΘA = (2 a)2 m, der Federkraft Fc = ˙ c a ϕ und der D¨ ampfungskraft Fd = d (3 a)ϕ: : ΘA ϕ¨ = − a Fc − 3 a Fd
→
4 mϕ¨ + 9 dϕ˙ + c ϕ = 0 .
Mit den Abk¨ urzungen 2 δ = 9 d/(4m), ω 2 = c/(4m) folgt daraus die zu (5.32) analoge Differentialgleichung ϕ¨ + 2 δ ϕ˙ + ω 2 ϕ = 0 . Die Schwingung ist schwach ged¨ ampft, wenn der D¨ampfungsgrad D kleiner als Eins ist: δ 9d 9d m < 1. D= = 2 = √ ω 8m c 4 mc
5.2
Freie Schwingungen
241
F¨ ur die D¨ ampfungskonstante ergibt sich daher die Bedingung d
1 heißt u ur η → 0 geht V → 1 ¨berkritisch. F¨ (statischer Ausschlag bei sehr kleiner Erregerfrequenz), f¨ ur η → ∞ geht |V | → 0 (kein Ausschlag bei sehr großen Erregerfrequenzen). Im Resonanzfall Ω = ω ist die Partikularl¨osung (5.47b) nicht g¨ ultig. Dann erf¨ ullt der Ansatz xp = x0 V¯ t sin Ωt = x0 V¯ t sin ωt die Differentialgleichung (5.46). Bilden der Ableitungen
5.3
Erzwungene Schwingungen
245
x˙ p = x0 V¯ sin ωt + x0 V¯ ωt cos ωt, x¨p = 2 x0 V¯ ω cos ωt − x0 V¯ ω 2 t sin ωt und Einsetzen liefert 2 x0 V¯ ω cos ωt − x0 V¯ ω 2 t sin ωt + ω 2 x0 V¯ t sin ωt = ω 2 x0 cos ωt →
ω V¯ = . 2
Im Resonanzfall beschreibt die Partikularl¨ osung xp =
1 x0 ωt sin ωt 2
demnach eine Schwingung“ mit zeitlich linear anwachsender Am” plitude (Abb. 5.20d). Beispiel 5.7 Eine Masse m (Abb. 5.21a) wird durch eine Feder
(Federsteifigkeit c1 ) gehalten. Sie wird u ¨ber eine weitere Feder (Federsteifigkeit c2 ) von einer rotierenden Exzenterscheibe (Radius r, Exzentrizit¨ at e) zum Schwingen angeregt. Das Federende in B liege stets an der glatten Exzenterscheibe an. Wie groß muss die Kreisfrequenz Ω der Scheibe sein, damit der Maximalausschlag der Masse im eingeschwungenen Zustand gleich 3 e ist? L¨ osung Wir z¨ ahlen die Koordinate x von der Gleichgewichtslage aus, die m bei ruhender Exzenterscheibe (in der dargestellten Lage) hat. Der jeweilige Ort des Punktes B wird durch die weitere Koordinate xB angegeben (Abb. 5.21b). Mit der Verl¨angerung x − xB der rechten Feder erhalten wir die Bewegungsgleichung
x + (c1 + c2 ) x = c2 xB . (a) ← : m¨ x = −c1 x − c2 (x − xB ) → m¨ Bei der Rotation der Scheibe verschiebt sich ihr Mittelpunkt in der Zeit t aus der Ausgangslage M in die neue Lage M (Abb. 5.21c). Die Verschiebung des Punktes B stimmt mit der Horizontalkomponente der Verschiebung von M u ¨ berein. Daher gilt xB = e sin Ωt. Einsetzen in (a) liefert
B5.7
246
5 Schwingungen
1 0 111111111 0000000000 1 0 1 111111111 0000000000 1
r B
e
Ω
c2
c1
m
a
xB
x
Ωt M
B c1 x
c2 (x−xB )
M e sin Ω t
e b
c
x ¨ + ω2 x =
c2 e sin Ωt m
Abb. 5.21
(b)
mit c1 + c2 . (c) m Die allgemeine L¨ osung dieser inhomogenen Differentialgleichung setzt sich aus der L¨ osung xh der homogenen Differentialgleichung und einer Partikularl¨ osung xp der inhomogenen Differentialgleichung zusammen. Im eingeschwungenen Zustand brauchen wir nur ur einen die Partikularl¨ osung xp zu betrachten. Wir machen daf¨ Ansatz vom Typ der rechten Seite: ω2 =
xp = X sin Ωt . Dabei ist der Maximalausschlag X noch unbestimmt. Durch Einsetzen in (b) erhalten wir − Ω2 X + ω 2 X =
c2 e m
→
X=
c2 e . m (ω 2 − Ω2 )
Der Verlauf von X wird qualitativ durch Abb. 5.20c dargestellt. Aus der Forderung |X| = 3 e folgen mit (c) zwei Frequenzen (je eine im unterkritischen und im u ¨ berkritischen Bereich):
5.3
c2 e = ±3 e m (ω 2 − Ω2 )
→
Erzwungene Schwingungen
247
⎧ 3 c1 + 2 c2 c2 ⎪ ⎪ Ω21 = ω 2 − = , ⎪ ⎪ 3 m 3m ⎨ ⎪ ⎪ 3 c1 + 4 c2 c2 ⎪ 2 2 ⎪ . ⎩ Ω2 = ω + 3 m = 3m
5.3.2 Ged¨ ampfte Schwingungen
Wir wenden uns nun erzwungenen Schwingungen zu, wobei wir uns auf Systeme mit Fl¨ ussigkeitsd¨ ampfung beschr¨anken. Dabei unterscheiden wir drei verschiedene F¨ alle. 1. Fall: Krafterregung oder Erregung ¨ uber eine Feder Ein ged¨ ampfter Feder-Masse-Schwinger wird durch eine harmonisch ver¨ anderliche Kraft F = F0 cos Ωt zu Schwingungen angeregt (Abb. 5.22a). Dann lautet die Bewegungsgleichung x + dx˙ + cx = F0 cos Ωt . ↑ : m¨ x = − cx − dx˙ + F0 cos Ωt → m¨ (5.51) Wenn wir die Abk¨ urzungen 2δ =
d , m
ω2 =
c , m
x0 =
F0 c
(5.52)
einf¨ uhren (vgl. (5.31) und (5.45)), so folgt x¨ + 2 δ x˙ + ω 2 x = ω 2 x0 cos Ωt .
(5.53)
Wir betrachten nun einen Schwinger nach Abb. 5.22b, bei dem der obere Endpunkt der Feder harmonisch bewegt wird: xF = angerung der Feder durch xF − x gex0 cos Ωt. Dann ist die Verl¨ geben, und wir erhalten die Bewegungsgleichung f¨ ur die Masse: ↑ : m¨ x = c (xF − x) − d x˙
→
m¨ x + d x˙ + c x = c x0 cos Ωt .
Mit den Abk¨ urzungen nach (5.52) folgt daraus wieder die Gleichung (5.53): x¨ + 2 δ x˙ + ω 2 x = ω 2 x0 cos Ωt .
248
5 Schwingungen
xF = x0 cos Ω t
xD = x0 sin Ω t
d
c
F = F0 cos Ω t
x
x
x
m
m
m
d
d
c
c
c (xF −x)
F
cx
d (x˙ D − x) ˙ x
x
x d x˙
d x˙
a
cx
b
mu
0110 1010 c
d
111111 000000 000000 111111
11111 00000
11111 00000
r
Ωt
11 00 00 11 00 11 00 11 00 11
m0
c
mu x
S cos Ω t
xu S
r S
Ωt
x
m0
d
11111 00000
S cos Ω t
cx
d x˙ Abb. 5.22
Die Bewegung der Masse wird demnach bei Kraft- oder bei Federerregung durch die gleiche Differentialgleichung beschrieben. 2. Fall: Erregung ¨ uber einen D¨ampfer Bei dem in Abb. 5.22c dargestellten Schwinger wird der obere Endpunkt des D¨ ampfers harmonisch bewegt: xD = x0 sin Ωt. Dann ist die D¨ ampfungskraft proportional zur Relativgeschwinause. Damit wird die digkeit x˙ D − x˙ zwischen Kolben und Geh¨ Bewegungsgleichung
5.3
↑ : m¨ x = − c x + d (x˙ D − x) ˙
Erzwungene Schwingungen
249
→
m¨ x + d x˙ + c x = d Ωx0 cos Ωt .
δ , ω
η=
Mit den Abk¨ urzungen 2δ =
d , m
ω2 =
c , m
D=
Ω ω
(5.54)
(vgl. (5.31), (5.36) und (5.48)) erhalten wir daraus x¨ + 2 δ x˙ + ω 2 x = 2 δΩ x0 cos Ωt →
x ¨ + 2 δ x˙ + ω 2 x = 2Dηω 2 x0 cos Ωt .
(5.55)
3. Fall: Erregung durch eine rotierende Unwucht Ein Schwinger der Masse m0 wird durch eine rotierende Unwucht (Masse mu ) zu Schwingungen angeregt (Abb. 5.22d). Die Lage des Schwingers bzw. der Unwucht beschreiben wir durch die von der gleichen Stelle nach oben gez¨ ahlten Koordinaten x bzw. xu . Dann gilt xu = x + r cos Ωt
→
x ¨u = x¨ − r Ω2 cos Ωt .
Mit der Kraft S zwischen Schwinger und Unwucht lauten die Beur m0 in vertikaler Richtung wegungsgleichungen f¨ ur mu bzw. f¨ ↑ : mu x¨u = − S cos Ωt, ↑ : m0 x¨ = − c x − d x˙ + S cos Ωt . Daraus erh¨ alt man durch Eliminieren von S und Einsetzen von x¨u : (m0 + mu )¨ x + d x˙ + c x = mu r Ω2 cos Ωt . Wenn wir die Abk¨ urzungen mu r m = m0 + mu , x0 = m
(5.56)
einf¨ uhren, so erhalten wir mit (5.54) die Bewegungsgleichung f¨ ur die Masse m0 :
250
5 Schwingungen
x ¨ + 2 δ x˙ + ω 2 x = ω 2 η 2 x0 cos Ωt .
(5.57)
Die drei Bewegungsgleichungen (5.53, 5.55, 5.57) unterscheiden sich nur durch den Faktor, der jeweils auf der rechten Seite vor der Kosinus-Funktion steht. Sie lassen sich daher mit D = δ/ω zu einer einzigen Gleichung zusammenfassen: 2D 1 x˙ + x = x0 E cos Ωt . x ¨+ (5.58a) ω2 ω Dabei ist f¨ ur E je nach der Art der Erregung einer der folgenden Werte einzusetzen: Fall 1: E = 1, Fall 2: E = 2 D η,
(5.58b)
Fall 3: E = η 2 . Die allgemeine L¨ osung von (5.58a) setzt sich (wie bei der unged¨ ampften erzwungenen Schwingung) aus der allgemeinen L¨osung xh der homogenen Differentialgleichung und einer Partikularl¨ osung xp der inhomogenen Gleichung zusammen. Da xh nach Abschnitt 5.3.1 exponentiell mit der Zeit abklingt, sind jedoch nach hinreichend großer Zeit die zugeh¨ origen Ausschl¨age klein und assigbar. Die Schwingung bis zu dieser im Vergleich zu xp vernachl¨ Zeit nennt man den Einschwingvorgang. F¨ ur die Partikularl¨ osung xp machen wir (wie im unged¨ampften Fall) einen Ansatz vom Typ der rechten Seite, wobei wir eine m¨ ogliche Phasenverschiebung ϕ zwischen Erregung und Ausschlag ber¨ ucksichtigen m¨ ussen: xp = x0 V cos(Ωt − ϕ) . Wenn wir xp = x0 V (cos Ωt cos ϕ + sin Ωt sin ϕ), x˙ p = x0 V Ω (− sin Ωt cos ϕ + cos Ωt sin ϕ), x ¨p = x0 V Ω2 (− cos Ωt cos ϕ − sin Ωt sin ϕ)
(5.59)
5.3
Erzwungene Schwingungen
251
in die Differentialgleichung (5.58a) einsetzen, so folgt x0 V
Ω2 ω2
(− cos Ωt cos ϕ − sin Ωt sin ϕ)
Ω ω
(− sin Ωt cos ϕ + cos Ωt sin ϕ)
+ 2 D x0 V
+ x0 V (cos Ωt cos ϕ + sin Ωt sin ϕ) = x0 E cos Ωt . Mit η = Ω/ω ergibt sich durch Ordnen (−V η 2 cos ϕ + 2 DV η sin ϕ + V cos ϕ − E) cos Ωt + (−V η 2 sin ϕ − 2 DV η cos ϕ + V sin ϕ) sin Ωt = 0 . Diese Gleichung ist f¨ ur alle t nur dann erf¨ ullt, wenn beide Klammerausdr¨ ucke verschwinden: V (− η 2 cos ϕ + 2 D η sin ϕ + cos ϕ) = E,
(5.60a)
− η 2 sin ϕ − 2 D η cos ϕ + sin ϕ = 0 .
(5.60b)
Aus der zweiten Gleichung l¨ asst sich die Phasenverschiebung ϕ (auch Phasen-Frequenzgang genannt) berechnen: tan ϕ =
2Dη . 1 − η2
(5.61)
Mit tan ϕ sin ϕ = , 1 + tan2 ϕ
1 cos ϕ = 1 + tan2 ϕ
folgt dann aus (5.60a) die Vergr¨oßerungsfunktion V (auch Amplituden-Frequenzgang genannt): E V = . 2 (1 − η )2 + 4 D2 η 2
(5.62)
Entsprechend den drei Werten von E nach (5.58b) erhalten wir drei verschiedene Vergr¨ oßerungsfunktionen Vi . Sie sind in den Abb. 5.23a–c f¨ ur verschiedene D¨ ampfungen D dargestellt. Bei Er-
252
5 Schwingungen
V1
D = 0 (unged¨ampft)
1
1
0, 25
2
V2
0, 5 1
V1m
V2m 0
ηm 1
2
a
η
D=1 0,5 0,25
η
1 b
V3
ϕ
D=0
2 V3m
D=0
π
0, 25 0, 5
π/2
1 ηm 1
0, 25 0, 5 1
1 2
η
D=0 d
c
1
2
η Abb. 5.23
regung durch eine Kraft oder u ¨ ber eine Feder (Fall 1: E = 1) muss V1 betrachtet werden. Hier gilt insbesondere (Abb. 5.23a): V1 (0) = 1,
V1 (1) =
1 , 2D
V1 (η → ∞) → 0 .
√ F¨ ur D2 0, 5 nehmen die Kurven√an den Stellen ηm = 1 − 2 D2 die Maximalwerte V1m = 1/(2 D 1 − D2 ) an. Es sei darauf hingewiesen, dass der Maximalwert nicht an der Stelle der Eigenfrequenz des ged¨ ampften Schwingers liegt. F¨ ur kleine D¨ampfung (D 1) werden ηm ≈ 1 und V1m ≈ 1/2D (Resonanz); im Grenzoßerungsfunktion (5.49) u fall D → 0 geht V1 in die Vergr¨ ¨ ber. Wenn D2 > 0, 5 ist, fallen die Kurven monoton gegen Null. Bei Erregung u ampfer (Fall 2: E = 2 Dη) erh¨alt ¨ ber einen D¨ man f¨ ur V2 (Abb. 5.23b) die ausgezeichneten Werte V2 (0) = 0,
V2 (1) = 1,
V2 (η → ∞) → 0 .
angig von D und tritt immer Der Maximalwert V2m = 1 ist unabh¨ bei ηm = 1 auf. Bei Erregung durch eine rotierende Unwucht (Fall 3: E = η 2 )
5.3
Erzwungene Schwingungen
253
gilt die Funktion V3 (Abb. 5.23c) mit den speziellen Werten V3 (0) = 0,
V3 (1) =
1 , 2D
V3 (η → ∞) → 1 .
2 D F¨ √ ihre Maxima V3m = 1/(2 √ur D 0, 5 haben die Kurven 2 2 2 1 − D ) an den Stellen ηm = 1/ 1 − D , w¨ ahrend sie f¨ ur D > 0, 5 monoton gegen Eins wachsen. Bei kleiner D¨ ampfung folgt wie im Fall 1: ηm ≈ 1, V3m ≈ 1/2D. Die Phasenverschiebung ϕ h¨ angt nach (5.61) nicht von E ab und ist daher f¨ ur alle drei F¨ alle gleich. Sie gibt an, um wieviel der Ausschlag hinter der Erregung nacheilt. Abb. 5.23d zeigt ϕ als Funktion des Frequenzverh¨ altnisses η. Insbesondere gilt:
ϕ (0) = 0,
ϕ (1) = π/2,
ϕ (η → ∞) → π .
F¨ ur kleine Erregerfrequenzen (η 1) sind Erregung und Ausschlag in Phase (ϕ ≈ 0), f¨ ur große Erregerfrequenzen (η 1) in Gegenphase (ϕ ≈ π). Im Grenzfall D → 0 findet bei η = 1 ein Sprung des Phasenwinkels ϕ von 0 nach π statt. C
L
U(t)
Abb. 5.24
R
Zum Abschluss dieses Abschnitts wollen wir noch auf eine Beziehung zwischen elektrischen Schwingkreisen und mechanischen Schwingern hinweisen. Hierzu betrachten wir als Beispiel den Schwingkreis nach Abb. 5.24. Er besteht aus einem Kondensator mit der Kapazit¨ at C, einer Spule mit der Induktivit¨at L und einem Widerstand R. Wenn man eine Spannung U (t) = U0 cos Ωt anlegt, ˙ nach der dann ¨ andert sich die Ladung Q (Stromst¨ arke I = Q) Gleichung ¨ + RQ˙ + 1 Q = U0 cos Ωt . LQ C
254
5 Schwingungen
Ersetzen wir darin L durch m, R durch d, 1/C durch c, U0 durch F0 und Q durch x, so erhalten wir die Bewegungsgleichung (5.51) f¨ ur einen mechanischen Schwinger. Zwischen einem elektrischen Schwingkreis und einem mechanischen Schwinger besteht hiernach eine Analogie. Tabelle 5.1 zeigt die einander zugeordneten Gr¨ oßen. Tabelle 5.1
B5.8
Mechanischer Schwinger
Elektrischer Schwingkreis
x
Q
Verschiebung
Ladung
v = x˙ Geschwindigkeit
I = Q˙ Stromst¨arke
m
Masse
L
Induktivit¨at
d
D¨ ampfungskonstante
R
Widerstand
c
Federkonstante
1/C
1/Kapazit¨at
F
Kraft
U
Spannung
In Abb. 5.25a ist ein Schwingungsmeßger¨at schematisch dargestellt. Sein Geh¨ ause wird nach dem Gesetz xG = x0 cos Ωt bewegt. Wie m¨ ussen die Parameter c und m des Ger¨ats gew¨ahlt werden, damit bei beliebiger D¨ ampfung Anzeige und Erregeramplitude x0 in einem weiten Frequenzbereich u ¨ bereinstimmen? Beispiel 5.8
m x
xG = x0 cos Ω t
c
a
d
1111111111111 0000000000000 0000000000000 1111111111111
c (x−xG ) b
d (x− ˙ x˙ G ) Abb. 5.25
5.4
Systeme mit zwei Freiheitsgraden
255
L¨ osung Wir z¨ ahlen die Koordinate x von einem raumfesten Punkt nach oben (Abb. 5.25b). Dann sind die Verschiebung bzw. die Geschwindigkeit der Masse in Bezug auf das Geh¨ ause durch x−xG bzw. x˙ − x˙ G gegeben, und die Bewegungsgleichung lautet
↑ : m¨ x = − c (x − xG ) − d (x˙ − x˙ G ) .
(a)
Das Messger¨ at registriert den Ausschlag xr = x − xG rela¨r = x ¨ − x¨G und x ¨G = tiv zum Geh¨ ause. Mit x˙ r = x˙ − x˙ G , x 2 −x0 Ω cos Ωt wird aus (a) m¨ xr + d x˙ r + c xr = mΩ2 x0 cos Ωt . Nach Division durch m ergibt sich daraus mit den Abk¨ urzungen (5.54) eine zu (5.57) analoge Differentialgleichung (Fall 3): x¨r + 2δ x˙ r + ω 2 xr = ω 2 η 2 x0 cos Ωt . Ihre L¨ osung ist im eingeschwungenen Zustand durch das Partikularintegral (5.59) gegeben: xr = xp = x0 V3 cos (Ωt − ϕ) . Die gemessene Amplitude und die Erregeramplitude stimmen u ¨berein, wenn V3 = 1 ist. Dies ist nach Abb. 5.23c unabh¨angig von D n¨ aherungsweise f¨ ur η 1 erf¨ ullt. Daraus folgt c Ω2 . ω 2 Ω2 → m Die Eigenfrequenz des unged¨ ampften Schwingers muss demnach wesentlich kleiner als die Erregerfrequenz sein (weiche Feder!).
5.4 Systeme mit zwei Freiheitsgraden 5.4.1 Freie Schwingungen
Wir wollen im folgenden die freien Schwingungen von Systemen mit zwei Freiheitsgraden untersuchen. Dazu betrachten wir als
5.4
256
5 Schwingungen
Beispiel den aus zwei Massen und zwei Federn bestehenden Schwinger nach Abb. 5.26a. Die beiden Koordinaten x1 und x2 , welche die Lage von m1 und m2 beschreiben, z¨ahlen wir von der Gleichgewichtslage der jeweiligen Masse aus (Abb. 5.26b). Wir wenden zum Aufstellen der Bewegungsgleichungen die Lagrangeschen Gleichungen 2. Art an. Dazu ben¨ otigen wir die kinetische und die potentielle Energie des Systems: Ek = 12 m1 x˙ 21 + 12 m2 x˙ 22 ,
(5.63)
Ep = 12 c1 x21 + 12 c2 (x2 − x1 )2 . Mit der Lagrangeschen Funktion L = Ek − Ep erhalten wir dann nach (4.36) die Bewegungsgleichungen ¨1 + c1 x1 − c2 (x2 − x1 ) = 0, m1 x ¨2 + c2 (x2 − x1 ) = 0 m2 x oder m1 x¨1 + (c1 + c2 )x1 − c2 x2 = 0,
(5.64)
m2 x¨2 − c2 x1 + c2 x2 = 0 . Zur L¨ osung dieses Systems von zwei gekoppelten, homogenen Differentialgleichungen 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten machen wir den L¨ osungsansatz x1 = A cos ωt,
x2 = C cos ωt .
(5.65)
Darin sind A, C und ω noch unbestimmt. Einsetzen in (5.64) f¨ uhrt auf das homogene algebraische Gleichungssystem (c1 + c2 − m1 ω 2 )A − c2 C = 0,
(5.66)
−c2 A + (c2 − m2 ω 2 ) C = 0 f¨ ur die Konstanten A und C. Die triviale L¨ osung A = C = 0 liefert nach (5.65) keine Ausschl¨ age. Bedingung daf¨ ur, dass auch nichttriviale L¨ osungen existieren, ist das Verschwinden der Determinante der Koeffizientenmatrix:
5.4
Systeme mit zwei Freiheitsgraden
11 00 00 11
111 000
11 00
11 00
257
c1
m1
A1 A2
x1 c2
m2 0, 28 A2
x2 Abb. 5.26
a
1, 78 A1
b
c1 + c2 − m 1 ω 2 ∆(ω) = − c2
c
= 0. c2 − m 2 ω 2 − c2
(5.67)
Aufl¨osen liefert die charakteristische Gleichung (c1 + c2 − m1 ω 2 )(c2 − m2 ω 2 ) − c22 = 0
(5.68)
oder m1 m2 ω 4 − (m1 c2 + m2 c1 + m2 c2 ) ω 2 + c1 c2 = 0 .
(5.69)
Dies ist eine quadratische Gleichung f¨ ur ω 2 . Ihre L¨osungen ω12 und 2 atzen positiv: ω2 sind nach den Vietaschen Wurzels¨ ω12 ω22 =
c1 c2 > 0, m1 m2
ω12 + ω22 =
m 1 c2 + m 2 c1 + m 2 c2 > 0. m1 m2 (5.70)
Die beiden Wurzeln ω1 und ω2 sind die zwei Eigenfrequenzen des Systems. Wir wollen sie so numerieren, dass ω2 > ω1 ist. Die Konstanten A und C sind nicht unabh¨ angig voneinander. Einsetzen einer Eigenfrequenz – z.B. von ω1 – in die erste Glei-
258
5 Schwingungen
chung (5.66) liefert das Verh¨ altnis der zugeordneten Amplituden A1 und C1 : (c1 + c2 − m1 ω12 )A1 − c2 C1 = 0 C1 c1 + c2 − m1 ω12 = . (5.71) A1 c2 (Einsetzen in die zweite Gleichung f¨ uhrt auf das gleiche Ergebnis.) Mit (5.71) wird aus (5.65) →
µ1 =
x1 = A1 cos ω1 t,
x2 = µ1 A1 cos ω1 t .
(5.72)
Wenn man in eine der Gleichungen (5.66) die zweite Eigenfrealt man entsprechend quenz ω2 einsetzt, erh¨ µ2 =
C2 c1 + c2 − m1 ω22 = A2 c2
(5.73)
und x1 = A2 cos ω2 t,
x2 = µ2 A2 cos ω2 t .
(5.74)
Zwei weitere unabh¨ angige L¨ osungen von (5.64) ergeben sich, wenn man in (5.72) bzw. in (5.74) den Kosinus durch den Sinus ersetzt. Die allgemeine L¨ osung von (5.64) ist eine Linearkombination dieser vier unabh¨ angigen L¨ osungen. Sie lautet daher x1 = A1 cos ω1 t + B1 sin ω1 t + A2 cos ω2 t + B2 sin ω2 t, (5.75) x2 = µ1 A1 cos ω1 t + µ1 B1 sin ω1 t + µ2 A2 cos ω2 t + µ2 B2 sin ω2 t . Die vier Integrationskonstanten k¨ onnen aus Anfangsbedingungen bestimmt werden (ω1 und ω2 sowie µ1 und µ2 sind dagegen unabh¨ angig von den Anfangsbedingungen). Bei passender Wahl der Anfangsbedingungen werden in der allgemeinen L¨ osung (5.75) alle Integrationskonstanten bis auf eine einzige gleich Null. Dann schwingen beide Massen kosinusf¨ormig (bzw. sinusf¨ ormig) nur mit der ersten oder nur mit der zweiten Eigenfrequenz (vgl. (5.72) oder (5.74)). Diese Schwingungen nennt man Hauptschwingungen. Wir wollen nun das Beispiel mit den speziellen Werten m1 = m, m2 = 2 m und c1 = c2 = c durchrech-
5.4
Systeme mit zwei Freiheitsgraden
259
nen. Einsetzen in (5.69) liefert die charakterische Gleichung 2 m2 ω 4 − 5c mω 2 + c2 = 0 mit den L¨ osungen √ c 1 c = 0, 219 , ω12 = (5 − 17) 4 m m √ c 1 c 2 = 2, 28 . ω2 = (5 + 17) 4 m m Daraus folgen die Eigenfrequenzen c c , ω2 = 1, 51 . ω1 = 0, 468 m m
(5.76)
(5.77)
(5.78)
Die Amplitudenverh¨ altnisse ergeben sich nach (5.71) und (5.73) zu 2 c − mω12 =2− c 2 c − mω22 µ2 = =2− c
µ1 =
m 2 ω = 1, 78, c 1 m 2 ω = − 0, 28 . c 2
(5.79)
Schwingen die Massen nur mit der ersten Eigenfrequenz ω1 (erste Hauptschwingung), so haben die Ausschl¨ age x1 und x2 wegen µ1 > 0 immer das gleiche Vorzeichen: die beiden Massen schwingen gleichphasig“. Dagegen sind bei einer Schwingung mit der ” zweiten Eigenfrequenz ω2 (zweite Hauptschwingung) die Vorzeichen von x1 und x2 wegen µ2 < 0 zu jedem Zeitpunkt verschieden: die beiden Massen schwingen gegenphasig“. Abbildung 5.26c ” zeigt f¨ ur beide F¨ alle die Ausschl¨ age zu einer bestimmten Zeit (Eigenformen). Bei beliebigen Anfangsbedingungen u ¨berlagern sich beide Eigenformen. Die Bewegungsgleichungen (5.64) sind in den Koordinaten x1 und x2 gekoppelt. Mit den Matrizen
c1 + c2 − c2 m1 0 , c= (5.80) m= 0 m2 − c2 c2 und den Spaltenvektoren
260
5 Schwingungen
x=
x1 x2
,
¨= x
x ¨1
x ¨2
(5.81)
lassen sie sich kurz als Matrizengleichung ¨ +cx = 0 mx
(5.82)
schreiben. Manchmal sind die Bewegungsgleichungen in den Beschleuni¨2 gekoppelt (vgl. Beispiel 5.9). Dann ist die Magungen x ¨1 und x trix m in (5.82) keine Diagonalmatrix, w¨ ahrend c zur Diagonalmatrix wird. Im allgemeinen Fall einer Kopplung in den Koordinaten und in den Beschleunigungen gilt f¨ ur die Matrizen m und c:
m1 1 m1 2 c1 1 c1 2 m= , c= . (5.83) m2 1 m2 2 c2 1 c2 2 Es sei darauf hingewiesen, dass die Art der Kopplung nicht vom mechanischen System, sondern von der Wahl der Koordinaten abh¨ angt. Zur L¨ osung der Matrizen-Differentialgleichung (5.82) macht man h¨ aufig auch den mit (5.65) gleichwertigen Ansatz x = A eiωt . Dies f¨ uhrt entsprechend u ¨ber die charakteristische Gleichung auf die Eigenfrequenzen und die Eigenformen. B5.9
Beispiel 5.9 Ein masseloser Balken (Biegesteifigkeit EI) tr¨ agt zwei Einzelmassen m1 = 2 m und m2 = m (Abb. 5.27a). Man bestimme die Eigenfrequenzen und die Eigenformen. L¨ osung Die Lage des Systems ist durch die Angabe der Verschiebungen w1 und w2 der beiden Massen (Abb. 5.27b) eindeutig bestimmt. Das System hat daher zwei Freiheitsgrade. Bei einer Auslenkung wirken auf die Massen die R¨ uckstellkr¨afte F1 und F2 (Abb. 5.27c). Damit lauten die Bewegungsgleichungen
m1 w ¨1 = − F1 ,
m2 w ¨2 = − F2 .
(a)
Der Zusammenhang zwischen den Kr¨ aften F1 , F2 und den Durchbiegungen w1 , w2 ergibt sich mit den Methoden der Elastostatik
5.4
11 00 00 11
m1
11 00 00 11
m2
EI
l 2
Systeme mit zwei Freiheitsgraden
261
F1 F2
l 2
F1 F2
a
1 0 0 1 0 1
Abb. 5.27
c
w1
1 0 0 1 0 1
w2
11 00 00 11
b
1. Eigenform
3, 06 A1
A1
2. Eigenform
A2
0, 65 A2
d
(vgl. Band 2). Es gilt w1 = α1 1 F1 + α1 2 F2 ,
(b)
w2 = α2 1 F1 + α2 2 F2 mit den Einflusszahlen αik (= Absenkung an der Stelle i infolge Last 1 “ an der Stelle k). Wenn wir die Kr¨ afte nach (a) in (b) ” einsetzen, erhalten wir ¨1 + α1 2 m2 w ¨2 + w1 = 0, α1 1 m1 w ¨1 + α2 2 m2 w ¨2 + w2 = 0 . α2 1 m1 w Mit α1 1 =
l3 , 24 EI
α2 2 =
der Abk¨ urzung α =
l3 , 3 EI
α1 2 = α2 1 =
5 l3 , 48 EI
l3 und m1 = 2 m, m2 = m folgt 48 EI
¨2 + w1 = 0, 4 αm w ¨1 + 5 αm w ¨2 + w2 = 0 . 10 αm w ¨1 + 16 αm w
262
5 Schwingungen
Der Ansatz w1 = A cos ωt,
w2 = C cos ωt
f¨ uhrt auf das lineare Gleichungssystem (1 − 4 αm ω 2 )A − 5 αm ω 2 C = 0,
(c)
− 10 αm ω 2 A + (1 − 16 αm ω 2 )C = 0 . Die charakteristische Gleichung 14 α2 m2 ω 4 − 20 αm ω 2 + 1 = 0 liefert die Eigenfrequenzen √ 10 − 86 2 = 0, 0519/(αm) ω1 = 14 αm √ 10 + 86 2 ω2 = = 1, 377/(αm) 14 αm
→
√ ω1 = 0, 23/ αm,
→
√ ω2 = 1, 17/ αm .
Die Amplitudenverh¨ altnisse folgen durch Einsetzen der Eigenfrequenzen in (c) zu µ1 =
C1 1 − 4 αm ω12 = = 3, 06 , A1 5 αm ω12
µ2 =
C2 1 − 4 αm ω22 = = −0, 65 . A2 5 αm ω22
Mit den Amplitudenverh¨ altnissen lassen sich die Eigenformen (Abb. 5.27d) angeben. In der ersten Eigenschwingung schwingen die beiden Massen gleichhasig, in der zweiten gegenphasig. B5.10
Beispiel 5.10 Ein Stockwerkrahmen besteht aus zwei elastischen,
masselosen Stielen, an denen zwei starre Riegel (Massen m1 , m2 ) biegestarr angeschlossen sind (Abb. 5.28a). Gegeben sind die Zahlenwerte: m1 = 1000 kg, m2 = 32 m1 , E = 2, 1 · 105 N/mm2 , I = 5100 cm4 , h = 4,5 m. Man bestimme die Eigenfrequenzen und die Eigenformen der Rahmenschwingungen.
5.4
Systeme mit zwei Freiheitsgraden
m1 EI
c1 = c w2
w2
h
111 000 000 000 111 111
11 00 00 11
b
Abb. 5.28
111 000
c
11 00
A2
A2
A1
d
m2 c2 = c
A1
2 3
m1
h
m2
a
w1
w1
EI
263
11 00 00 11
1. Eigenform
11 00 00 11
11 00
11 00 00 11
2. Eigenform
L¨ osung Da die Stiele elastisch sind, k¨ onnen die Riegel waagrechte
Bewegungen ausf¨ uhren (vgl. Beispiel 5.4). Die Auslenkungen der beiden Riegel bezeichnen wir mit w1 und w2 (Abb. 5.28b). Als Ersatzmodell f¨ ur den Rahmen dient das in Abb. 5.28c dargestellte System. Die Federsteifigkeiten 24 EI (a) c1 = c2 = c = h3 f¨ ur je zwei Stiele in Parallelschaltung sind aus Beispiel 5.4 bereits bekannt. Damit und mit der Bezeichnung m1 = m lauten die kinetische und die potentielle Energie (vgl. (5.63)) Ek =
1 1 1 3 m1 w˙ 12 + m2 w˙ 22 = m(w˙ 12 + w˙ 22 ), 2 2 2 2
Ep =
1 1 c (w1 − w2 )2 + cw22 , 2 2
und wir erhalten mit L = Ek − Ep aus den Lagrangeschen Gleichungen (4.36)
264
5 Schwingungen
mw ¨1 + c w1 − c w2 = 0, 3mw ¨2 − 2 c w1 + 4 c w2 = 0 . Der Ansatz w1 = A eiωt ,
w2 = C eiωt
f¨ uhrt auf das homogene Gleichungssystem (c − m ω 2 )A − c C = 0,
(b)
− 2 c A + (4 c − 3 m ω 2 ) C = 0 . Die charakteristische Gleichung 3 m 2 ω 4 − 7 c m ω 2 + 2 c2 = 0 hat die L¨ osungen ω12 =
c , 3m
ω22 =
2c . m
Einsetzen von (a) liefert mit den gegebenen Zahlenwerten 2 EI 3 EI −1 ω1 = 2 = 30, 7 s , ω2 = 4 = 75, 1 s−1 . 3 mh m h3 Diesen Kreisfrequenzen entsprechen die Frequenzen f1 = 4, 9 Hz und f2 = 12, 0 Hz. Die Amplitudenverh¨ altnisse ergeben sich durch Einsetzen der Eigenfrequenzen in (b) zu µ1 =
C1 m1 2 2 ω = , =1− A1 c 1 3
µ2 =
C2 m1 2 ω = −1. =1− A2 c 2
Die Eigenformen sind in Abb. 5.28d dargestellt. 5.4.2 Erzwungene Schwingungen
Die Untersuchung erzwungener Schwingungen wollen wir nur an
5.4
Systeme mit zwei Freiheitsgraden
265
einem Beispiel durchf¨ uhren. Dazu betrachten wir das System nach Abb. 5.29a. Eine vertikal gef¨ uhrte Masse m1 ist auf zwei Federn (Federkonstante jeweils c1 /2) gelagert. An ihr h¨angt mit einer weiteren Feder (Federkonstante c2 ) eine Masse m2 . Außerdem anderliche Kraft F = F0 cos Ωt greift an m1 die harmonisch ver¨ an. Wenn wir die Koordinaten x1 und x2 von den statischen Ruahlen, so lauten die helagen (F = 0) der Massen m1 und m2 aus z¨ Bewegungsgleichungen (vgl. Abb. 5.29b) m1 x¨1 = −2 ·
1 2
c1 x1 + c2 (x2 − x1 ) + F0 cos Ωt,
m2 x¨2 = −c2 (x2 − x1 ) oder ¨1 + (c1 + c2 )x1 − c2 x2 = F0 cos Ωt, m1 x m2 x ¨2 − c2 x1 + c2 x2 = 0 .
(5.84)
Dies ist ein System von inhomogenen Differentialgleichungen 2. Ordnung. Die allgemeine L¨ osung xj (j = 1, 2) setzt sich aus der allgemeinen L¨ osung xjh der homogenen Differentialgleichungen und einer partikul¨aren L¨ osung xjp der inhomogenen Differentialgleichungen zusammen: xj = xjh + xjp . Da bei realen Systemen der Anteil xjh wegen der in Wirklichkeit stets vorhandenen D¨ampfung abklingt (vgl. Abschnitt 5.3.2), betrachten wir hier nun die Partikularl¨ osung xjp . Wenn wir in (5.84) einen Ansatz vom Typ der rechten Seite x1p = X1 cos Ωt,
x2p = X2 cos Ωt
einsetzen, so erhalten wir [(c1 + c2 − m1 Ω2 )X1 − c2 X2 ] cos Ωt = F0 cos Ωt, [− c2 X1 + (c2 − m2 Ω2 )X2 ] cos Ωt = 0 . Daraus folgt das inhomogene Gleichungssystem c1 + c2 c2 F0 − Ω2 X 1 − X2 = , m1 m1 m1 c2 c2 X1 + − Ω2 X 2 = 0 . − m2 m2
(5.85)
266
5 Schwingungen
1 0 0 1 0 1 0 1 0 1
F0 cos Ω t
F = F0 cos Ω t
1 0 0 1 0 1 0 1
m1
c1 2
1 cx 2 1 1
c1 2
c2
1 c x 2 1 1
c2 (x2 −x1 )
m2
a
x1
m1
c2 (x2 −x1 )
111111111 000000000 000000000 111111111
X1
x2
m2
b
X2
ΩT
ω2
ω1
Ω
ω1
ω2
Ω
c
Abb. 5.29
Aufl¨ osen liefert die Amplituden c2 F0 F0 c2 − Ω2 m1 m2 m1 m2 , X2 = . X1 = ∆(Ω) ∆(Ω) Dabei ist ∆(Ω) =
c1 + c2 − Ω2 m1
c2 c22 2 −Ω − m2 m1 m2
(5.86)
(5.87)
die Koeffizientendeterminante von (5.85). Der Ausdruck (5.87) kann noch vereinfacht werden. Nach Abschnitt 5.4.1 folgen die Eigenfrequenzen ω1 und ω2 der freien
5.4
Systeme mit zwei Freiheitsgraden
Schwingung aus der charakteristischen Gleichung c1 + c2 c2 c22 2 2 ∆(ω) = −ω −ω − = 0. m1 m2 m1 m2
267
(5.88)
Sie hat die L¨ osungen ω12 und ω22 und kann daher nach dem Fundamentalsatz der Algebra auch in der Form ∆(ω) = (ω 2 − ω12 )(ω 2 − ω22 ) = 0
(5.89)
geschrieben werden. Aus dem Vergleich von (5.87) und (5.88) folgt mit (5.89) ∆(Ω) = (Ω2 − ω12 )(Ω2 − ω22 ) . Damit werden c2 F0 2 −Ω m1 m2 , X1 = (Ω2 − ω12 )(Ω2 − ω22 )
F0 c2 m1 m2 X2 = . (Ω2 − ω12 )(Ω2 − ω22 )
(5.90)
Die Verl¨ aufe der Amplituden X1 und X2 sind in Abb. 5.29c in Abh¨ angigkeit von der Erregerfrequenz Ω qualitativ dargestellt. An den Stellen Ω = ω1 und Ω = ω2 sind im unged¨ampften Fall die Amplituden unbeschr¨ ankt (Nenner gleich Null): es gibt zwei Resonanzfrequenzen. Nimmt die Erregerfrequenz Ω den Wert ΩT = c2 /m2 an, so wird X1 = 0. Dann ist die Masse m1 in Ruhe (Schwingungstilgung), und nur die Masse m2 schwingt. Diesen Effekt kann man ausnutzen, wenn man die Ausschl¨ age der Masse m1 bzw. die von den Federn auf den Boden u afte klein halten will. ¨bertragenen Kr¨ In diesem Fall h¨ angt m 2 an der ruhenden Masse m1 . Sie schwingt mit der Eigenfrequenz c2 /m2 , die dann mit der Erregerfrequenz u ¨ bereinstimmt.
268
5.5
5 Schwingungen
5.5 Zusammenfassung • Differentialgleichung der harmonischen Schwingung: x ¨ + ω2 x = 0
→
ω = 2π/T = 2π f
x = C cos(ωt − α), Kreisfrequenz.
• Ersatzfedersteifigkeit bei Parallel- bzw. Reihenschaltung: 1 1 cj bzw. = . c∗ = c∗ cj • Schwach ged¨ampfte freie Schwingung: x = C e−δt cos(ωd t − α) , √ Abklingkoeffizient, ωd = ω 1 − D2 Kreisfrequenz,
x ¨ + 2δ x˙ + ω 2 x = 0 δ
D = δ/ω
→
Lehrsches D¨ ampfungsmaß.
• Unged¨ ampfte erzwungene Schwingung: x ¨ + ω 2 x = ω 2 x0 cos Ωt
→
xp = x0 V cos Ωt , 1 Ω Erregerfrequenz, V = Vergr¨oßerungsfunktion, 1 − η2 η= Ω Abstimmung, Resonanz: Ω = ω , V → ∞ . ω • Bei einer ged¨ ampften erzwungenen Schwingung h¨angt die Vergr¨ oßerungsfunktion V von der Art der Erregung (z.B. Krafterregung, Unwuchterregung) ab. Die Phasenverschiebung ϕ ist unabh¨ angig von der Erregerart. • Ein System mit zwei Freiheitsgraden besitzt zwei Eigenfrequenzen: ω1 , ω2 . • Hauptschwingungen bei einem System mit zwei Freiheitsgraden: In der ersten Eigenform schwingen beide Massen mit ω1 gleichphasig, in der zweiten Eigenform mit ω2 gegenphasig (Ausnahme: entartete Systeme). • Schwingungstilger: bei gegebener Masse m2 und Steifigkeit c2 des Tilgers erfolgt eine Schwingungstilgung f¨ ur die Erregerfre quenz ΩT = c2 /m2 .
Kapitel 6 Relativbewegung des Massenpunktes
6
6 Relativbewegung des Massenpunktes 6.1 6.1.1 6.1.2 6.2 6.3
Kinematik der Relativbewegung ............................. Translation des Bezugssystems .............................. Translation und Rotation des Bezugssystems ............ Kinetik der Relativbewegung ................................. Zusammenfassung ..............................................
271 271 272 277 284
Lernziele: Das Newtonsche Grundgesetz gilt nach Abschnitt 1.2.1 in der Form m a = F f¨ ur ein ruhendes Bezugssystem. Ein solches Bezugssystem ist ein Inertialsystem; wir werden den Begriff des Inertialsystems in Abschnitt 6.2 n¨ aher erl¨autern. Manchmal ist es jedoch vorteilhaft, die Bewegung eines K¨orpers in Bezug auf ein bewegtes System zu beschreiben. Dann ist es notwendig, den Zusammenhang zwischen den kinematischen Gr¨oßen in bewegten und in ruhenden Systemen zu kennen und das Newtonsche Grundgesetz in einer Form anzuwenden, die in bewegten Systemen gilt.
6.1
Kinematik der Relativbewegung
271
6.1
6.1 Kinematik der Relativbewegung 6.1.1 Translation des Bezugssystems
Wir untersuchen die Bewegung eines Punktes P im Raum in Bezug auf zwei Koordinatensysteme (Abb. 6.1). Das x, y, z-System ist ruhend. Das ξ, η, ζ-System mit den Einheitsvektoren eξ , eη und eζ bewege sich in Bezug auf das ruhende System zun¨achst rein translatorisch (keine Drehung). P
ζ
r0
z
Abb. 6.1
x
y
r 0P
eζ
r
eξ
0
eη
η
ξ
F¨ ur den Ortsvektor r zum Punkt P gilt r = r0 + r0P
(6.1)
mit r0P = ξ eξ + η eη + ζ eζ . Die im ruhenden System gemessene Geschwindigkeit des Punktes P nennt man Absolutgeschwindigkeit. Wir erhalten sie durch Zeitableitung des Ortsvektors (vgl. Abschnitt 1.1.1) zu va = r˙ = r˙ 0 + r˙ 0P
(6.2)
mit r˙ 0P = ξ˙ eξ + η˙ eη + ζ˙ eζ (die Einheitsvektoren ¨andern sich ugt, um die Absolutgenicht). Der Index a bei va wurde hinzugef¨ schwindigkeit gegen¨ uber weiteren Geschwindigkeiten, die im folgenden auftreten werden, deutlich hervorzuheben. Die im ruhenden System gemessene Beschleunigung heißt entsprechend Absolutbeschleunigung. Sie ist definiert als die zeitliche ¨ Anderung der Absolutgeschwindigkeit. Es gilt aa = v˙ a = r¨0 + r¨0P mit r¨0P = ξ¨ eξ + η¨ eη + ζ¨ eζ .
(6.3)
272
6 Relativbewegung des Massenpunktes
Die Terme r˙ 0 bzw. r¨0 in (6.2) bzw. in (6.3) sind die absolute Geschwindigkeit bzw. die absolute Beschleunigung des Koordinatenursprungs 0 des bewegten ξ, η, ζ-Systems. Wir nennen r˙ 0 = vf bzw. r¨0 = af die F¨ uhrungsgeschwindigkeit bzw. die F¨ uhrungsbeschleunigung. Die Terme r˙ 0P bzw. r¨0P sind die Geschwindigkeit bzw. die Beschleunigung des Punktes P bez¨ uglich des bewegten Systems. Man nennt r˙ 0P = vr die Relativgeschwindigkeit und r¨0P = ar die Relativbeschleunigung des Punktes P . Diese Geschwindigkeit bzw. Beschleunigung misst ein im bewegten System mitbewegter Beobachter. Damit k¨ onnen wir bei einem translatorisch bewegten Bezugssystem die Gleichungen (6.2) und (6.3) schreiben als va = vf + vr ,
aa = af + ar .
(6.4)
Die Absolutgeschwindigkeit (-beschleunigung) ist demnach die Summe aus F¨ uhrungsgeschwindigkeit (-beschleunigung) und Relativgeschwindigkeit (-beschleunigung). 6.1.2 Translation und Rotation des Bezugssystems
Wir wollen nun Geschwindigkeit und Beschleunigung f¨ ur den Fall untersuchen, dass das bewegte System eine Translation und eine Rotation bez¨ uglich des ruhenden Systems ausf¨ uhrt. P
ζ r r0
z x
y
r 0P
eζ
ω 0 eξ
ξ
eη
η Abb. 6.2
F¨ ur den Ortsvektor r zum Punkt P (Abb. 6.2) gilt wieder r = r0 + r0P mit r0P = ξ eξ + η eη + ζ eζ . Die Absolutgeschwindigkeit Punktes P erhalten wir durch zeitliche Ableitung:
(6.5) des
6.1
Kinematik der Relativbewegung
va = r˙ = r˙ 0 + r˙ 0P .
273
(6.6)
Da sich bei einem rotierenden System die Richtungen der Einandern, gilt hier heitsvektoren eξ , eη und eζ ¨ r˙ 0P = (ξ˙ eξ + η˙ eη + ζ˙ eζ ) + (ξ e˙ ξ + η e˙ η + ζ e˙ ζ ) .
(6.7)
Das bewegte System dreht sich mit der Winkelgeschwindigkeit ω. ¨ Dann ergibt sich analog zu (3.5) f¨ ur die zeitliche Anderung der Einheitsvektoren e˙ ξ = ω × eξ ,
e˙ η = ω × eη ,
e˙ ζ = ω × eζ .
(6.8)
Damit folgt ξ e˙ ξ + η e˙ η + ζ e˙ ζ = ξ ω × eξ + η ω × eη + ζ ω × eζ = ω × (ξ eξ + η eη + ζ eζ ) = ω × r0P , und aus (6.7) wird r˙ 0P =
dr0P = (ξ˙ eξ + η˙ eη + ζ˙ eζ ) + ω × r0P . dt
(6.9)
Der erste Summand auf der rechten Seite von (6.9) stellt die zeit¨ liche Anderung des Vektors r0P in Bezug auf das bewegte System dar. Wir kennzeichnen Zeitableitungen im bewegten System durch einen Stern: d∗ r0P = ξ˙ eξ + η˙ eη + ζ˙ eζ . dt Dann lautet (6.9) r˙ 0P =
d∗ r0P + ω × r0P . dt
(6.10)
¨ Dieser Zusammenhang zwischen der zeitlichen Anderung des Vektors r0P bezogen auf das ruhende System bzw. auf das rotierende System gilt sinngem¨ aß f¨ ur beliebige Vektoren. Einsetzen von (6.10) in (6.6) liefert mit der Geschwindigkeit v0 = r˙ 0 des Koordinatenursprungs des bewegten Systems
274
6 Relativbewegung des Massenpunktes
va = v0 + ω × r0P +
d∗ r0P . dt
(6.11)
Diese Beziehung l¨ asst sich kurz schreiben als va = vf + vr
(6.12a)
mit vf = v0 + ω × r0P , vr =
d∗ r0P . dt
(6.12b)
Die F¨ uhrungsgeschwindigkeit vf ist dabei die Geschwindigkeit, die der Punkt P h¨ atte, wenn er mit dem bewegten System fest verbunden w¨ are. Die Relativgeschwindigkeit vr ist die Geschwindigkeit des Punktes P relativ zum bewegten System; sie ist die Geschwindigkeit, die ein in diesem System mitbewegter Beobachter misst. Die Absolutbeschleunigung von P erhalten wir durch die zeitliche Ableitung der Absolutgeschwindigkeit: aa = v˙ a = v˙ f + v˙ r = v˙ 0 + (ω × r0P ) + v˙ r .
(6.13)
F¨ ur den zweiten Summanden ergibt sich unter Verwendung von (6.10) und (6.12b) (ω × r0P ) = ω˙ × r0P + ω × r˙ 0P ∗ d r0P + ω × r0P = ω˙ × r0P + ω × dt = ω˙ × r0P + ω × vr + ω × (ω × r0P ) .
(6.14)
Analog zu (6.10) gilt f¨ ur den dritten Summanden in (6.13) v˙ r =
d∗ vr + ω × vr dt
mit d∗ vr = ξ¨ eξ + η¨ eη + ζ¨ eζ . dt
(6.15)
6.1
Kinematik der Relativbewegung
275
Setzt man (6.14) und (6.15) in (6.13) ein, so erh¨ alt man aa = v˙ 0 + ω˙ × r0P + ω × (ω × r0P ) +
d∗ vr + 2 ω × vr . dt
(6.16)
Dabei ist v˙ 0 = a0 die Beschleunigung des Punktes 0. Gleichung (6.16) schreiben wir in der Form aa = af + ar + ac
(6.17a)
mit af = a0 + ω˙ × r0P + ω × (ω × r0P ) , d2∗ r0P d∗ vr = , dt dt2 ac = 2 ω × vr .
ar =
(6.17b)
uhrungsbeschleunigung af ist die Beschleunigung, die der Die F¨ Punkt P h¨ atte, wenn er mit dem bewegten System fest verbunden w¨ are (vgl. (3.8)). Die Relativbeschleunigung ar ist die Beschleunigung des Punktes P relativ zum bewegten System; sie wird von einem mitbewegten Beobachter gemessen. Der Term ac in (6.17a, b) wird nach Gaspard Gustave de Coriolis (1792–1843) Coriolisbeschleunigung genannt. Sie steht senkrecht auf ω und auf vr , und sie verschwindet, wenn a) ω = 0, b) vr = 0 oder c) vr parallel zu ω ist. Im Sonderfall einer ebenen Bewegung k¨ onnen wir die Ausdr¨ ucke f¨ ur vf und af nach (6.12b) und (6.17b) mit Hilfe von Polarkoordinaten vereinfachen. Wir w¨ ahlen dabei die Koordinatensysteme so, dass die Achsen x, y bzw. ξ, η in der Bewegungsebene liegen (Abb. 6.3). Der Winkelgeschwindigkeitsvektor ω zeigt dann in Richtung der ζ-Achse. Mit r0P = rer und ω = ωeζ werden ω × r0P = rωeϕ ,
ω˙ × r0P = rωe ˙ ϕ,
ω × (ω × r0P ) = − rω 2 er . Somit folgen f¨ ur die F¨ uhrungsgeschwindigkeit und die F¨ uhrungsbeschleunigung
276
6 Relativbewegung des Massenpunktes P η
r 0P eη
er
ω y
eϕ
r
eξ
0
r0
ξ
x
Abb. 6.3
vf = v0 + rωeϕ ,
af = a0 + rωe ˙ ϕ − rω 2 er
(6.18)
(vgl. Abschnitt 3.1.3). B6.1
Beispiel 6.1 Zwei Kreisscheiben (Radien R1 = 2 R, R2 = R) sind
nach Abb. 6.4a drehbar gelagert und rollen aneinander ab. Die Scheibe 1 dreht sich dabei mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit ω1 . Welche Geschwindigkeit und Beschleunigung hat der Punkt P ur einen Beobachter in 0, der mit der Scheibe 1 der Scheibe 2 f¨ rotiert? ω1 0
1
R2
2
η
ω1 ξ
P
ω2
P
R1 a
b
vf aa
P
0
0
ar
va vr
c
P
af
ac Abb. 6.4
d
L¨ osung Da die beiden Scheiben aneinander abrollen, haben die Ber¨ uhrpunkte beider Scheiben die gleiche Geschwindigkeit. Daher gilt
R1 ω1 = R2 ω2
→
2 Rω1 = Rω2
→
ω2 = 2 ω1 .
6.2
Kinetik der Relativbewegung
277
Das rotierende ξ, η-Koordinatensystem (Abb. 6.4b) ist mit der ur einen mit diesem System mitroScheibe 1 fest verbunden. F¨ tierenden Beobachter hat der Punkt P nach (6.12a, b) die Relativgeschwindigkeit vr = va − vf .
(a)
Da sich die Scheibe 2 mit der Winkelgeschwindigkeit ω2 = 2 ω1 dreht, hat der Punkt P die Absolutgeschwindigkeit va = R2 ω2 = 2 Rω1 (nach unten gerichtet); sie ist in Abb. 6.4c dargestellt. Zur Ermittlung der F¨ uhrungsgeschwindigkeit vf denken wir uns den Punkt P fest mit dem bewegten ξ, η-System (bzw. der Scheibe 1 ) verbunden. Dann w¨ urde er sich auf einem Kreis mit dem Radius 4 R mit der Winkelgeschwindigkeit ω1 bewegen. Somit wird vf = 4 Rω1 (nach oben gerichtet). Dann folgt aus (a) vr = va − vf = 2 Rω1 − (− 4 Rω1 ) = 6 Rω1 .
(b)
Die Relativgeschwindigkeit vr zeigt nach unten (Abb. 6.4c). F¨ ur den rotierenden Beobachter hat der Punkt P nach (6.17a, b) die Relativbeschleunigung ar = aa − af − ac .
(c)
Die Absolutbeschleunigung ist aa = R2 ω22 = 4 Rω12 (Zentripetalbeschleunigung); sie zeigt nach links (Abb. 6.4d). Zur Bestimmung der F¨ uhrungsbeschleunigung denken wir uns den Punkt P wieder mit der Scheibe 1 fest verbunden. Damit wird af = 4 Rω12 (nach links gerichtet). Die Coriolisbeschleunigung erhalten wir aus ac = 2 ω1 × vr (der Vektor ω1 zeigt aus der Zeichenebene heraus) zu ac = 2 ω1 6 Rω1 = 12 Rω12; sie ist nach rechts gerichtet. Somit wird nach (c) ar = aa − af − ac = 12 Rω12 . Die Relativbeschleunigung zeigt nach links (Abb. 6.4d).
6.2 Kinetik der Relativbewegung In einem ruhenden Bezugssystem lautet nach Abschnitt 1.2.1 das
6.2
278
6 Relativbewegung des Massenpunktes
Newtonsche Grundgesetz: Masse×Absolutbeschleunigung = Kraft. Ersetzt man hierin die Absolutbeschleunigung mit (6.17a), so wird maa = m (af + ar + ac ) = F . Aufl¨ osen nach der Relativbeschleunigung liefert das Bewegungsgesetz in Bezug auf ein bewegtes Koordinatensystem: mar = F − maf − mac . Neben den wirklichen Kr¨ aften F treten auf der rechten Seite die uhren wir mit Zusatzglieder −maf und −mac auf. F¨ Ff = − maf ,
Fc = − mac
(6.19)
die F¨ uhrungskraft Ff bzw. die Corioliskraft Fc ein, so lautet das Bewegungsgesetz mar = F + Ff + Fc .
(6.20)
In einem bewegten Bezugssystem m¨ ussen demnach zu den wirklichen Kr¨ aften F die F¨ uhrungskraft Ff und die Corioliskraft Fc als Scheinkr¨afte hinzugef¨ ugt werden. Wenn sich das Bezugssystem rein translatorisch bewegt (ω = 0), dann verschwindet in (6.20) die Corioliskraft. Im Sonderfall, dass das Bezugssystem eine reine Translation mit konstanter Geschwindigkeit ausf¨ uhrt (gleichf¨ormige Bewegung), sind die Beschleunigung a0 und die Winkelgeschwindigkeit ω gleich Null. Damit verschwinden nach (6.17b) die F¨ uhrungbeschleunigung und die Coriolisbeschleunigung und nach (6.19) die zugeordneten Scheinkr¨ afte. Die Relativbeschleunigung stimmt dann mit der Absolutbeschleunigung u ¨ berein (ar = aa ), und das Bewegungsgesetz (6.20) wird mar = F . Es ist in diesem Fall identisch mit der Grundgleichung in einem ruhenden System.
6.2
Kinetik der Relativbewegung
279
Alle Bezugssysteme, in denen das Bewegungsgesetz die Form mar = F annimmt, bezeichnet man als Inertialsysteme. Danach sind sowohl ruhende als auch gleichf¨ ormig bewegte Systeme Inertialsysteme. Bei der Beschreibung von Bewegungen in solchen Systemen treten keine Scheinkr¨ afte auf. Beispiel 6.2 Der Aufh¨ angepunkt 0 eines mathematischen Pendels
(Masse m, L¨ ange l) wird mit der konstanten Beschleunigung a0 in vertikaler Richtung bewegt (Abb. 6.5a). Wie lautet die Bewegungsgleichung? Wie groß sind die Eigenfrequenz der Schwingung (kleine Ausschl¨ age) und die Kraft im Faden? η
1 0 0 1 00 011 1 00 11
eη
a0
eξ
0
ξ
ϕ
l
S m Abb. 6.5
a
b
G = mg
L¨ osung Wir f¨ uhren ein Koordinatensystem ξ, η nach Abb. 6.5b
ein, das sich rein translatorisch mit dem Aufh¨ angepunkt 0 bewegt. Die Bewegungsgleichung im bewegten System lautet mar = F + Ff + Fc .
(a)
F¨ ur die (wirkliche) Kraft F gilt (vgl. Abb. 6.5b) F = − S sin ϕ eξ + (S cos ϕ − mg)eη .
(b)
Wegen ω = 0 folgen die Scheinkr¨ afte zu Ff = − maf = − ma0 eη , Fc = − mac = 0 .
(c)
Die Komponenten der Relativbeschleunigung ar erhalten wir aus den Koordinaten der Masse im bewegten System durch Differen-
B6.2
280
6 Relativbewegung des Massenpunktes
zieren: ξ = l sin ϕ,
η = − l cos ϕ,
ξ˙ = lϕ˙ cos ϕ,
η˙ = lϕ˙ sin ϕ,
ξ¨ = lϕ¨ cos ϕ − lϕ˙ 2 sin ϕ,
η¨ = lϕ ¨ sin ϕ + lϕ˙ 2 cos ϕ .
Damit wird die Relativbeschleunigung ar = ξ¨ eξ + η¨ eη = (lϕ¨ cos ϕ − lϕ˙ 2 sin ϕ)eξ + (lϕ¨ sin ϕ + lϕ˙ 2 cos ϕ)eη .
(d)
Einsetzen von (b-d) in (a) liefert die Komponenten der Bewegungsgleichung in ξ- bzw. in η-Richtung: m (lϕ¨ cos ϕ − lϕ˙ 2 sin ϕ) = − S sin ϕ,
(e)
m (lϕ¨ sin ϕ + lϕ˙ cos ϕ) = S cos ϕ − mg − ma0 .
(f)
2
Aus diesen zwei Gleichungen f¨ ur die zwei Unbekannten ϕ und S k¨onnen wir S eliminieren. Hierzu multiplizieren wir (e) mit cos ϕ und (f) mit sin ϕ und addieren anschließend die beiden Gleichungen. Damit erhalten wir die Bewegungsgleichung g + a0 sin ϕ = 0 . (g) mlϕ¨ = − mg sin ϕ − ma0 sin ϕ → ϕ¨ + l F¨ ur kleine Ausschl¨ age (sin ϕ ≈ ϕ) vereinfacht sich (g) zur Differentialgleichung der harmonischen Schwingung ϕ¨ + ω 2 ϕ = 0 mit der Eigenfrequenz g + a0 . ω= l Bei einem aufw¨ arts beschleunigten Aufh¨ angepunkt 0 ist demnach die Eigenfrequenz gr¨ oßer als bei einem ruhenden Aufh¨angepunkt. Bei einem abw¨arts beschleunigten Aufh¨ angepunkt (a0 < 0) schwingt das Pendel langsamer. Im Sonderfall eines frei fallenden ” Aufh¨ angepunkts“ (a0 = −g) wird ω = 0. Multiplizieren wir (e) mit sin ϕ und (f) mit cos ϕ, so erhalten
6.2
Kinetik der Relativbewegung
281
wir durch anschließende Subtraktion der Gleichungen die Fadenkraft S = m [lϕ˙ 2 + (g + a0 ) cos ϕ] . Beispiel 6.3 In der glatten Nut einer Kreisscheibe ist nach Abb.
6.6a eine Masse m an zwei Federn (Federkonstante jeweils c/2) befestigt. In der Ruhelage befindet sich m im Punkt 0. Die Scheibe dreht sich mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit ω um A. Man beschreibe die Bewegung von m relativ zur rotierenden Scheibe. Welche Kraft u ¨ bt die Nut auf den Massenpunkt aus (das Gewicht sei vernachl¨ assigt)? η η ξ c 2
c 2 η 2
m 0 A
c 2
0
N
h A
ω
ω h
Abb. 6.6
a
b
L¨ osung Die Masse kann sich auf der Scheibe nur l¨ angs der Nut
bewegen; sie f¨ uhrt also relativ zur Scheibe eine geradlinige Bewegung aus. Wenn wir zur Beschreibung der Lage von m das rotierende ξ, η-Koordinatensystem nach Abb. 6.6b einf¨ uhren, so erfolgt die Bewegung der Masse in Richtung der η-Achse, und es gilt ξ = 0, ξ˙ = 0, ξ¨ = 0. Die Bewegungsgleichung (6.20) im rotierenden System lautet mar = F + Ff + Fc .
(a)
Auf den Massenpunkt wirken die Kontaktkraft N und die Federkraft 2 2c η (vgl. Abb. 6.6b). Wir erhalten somit als ¨außere Kraft F = N e ξ − c η eη .
(b)
ussen wir zun¨achst Zur Bestimmung der Scheinkr¨ afte Ff und Fc m¨ die F¨ uhrungs- und die Coriolisbeschleunigung ermitteln. Der Koordinatenursprung 0 des rotierenden Systems hat vom Mittelpunkt A der Scheibe den Abstand h. Seine Beschleunigung ist
B6.3
282
6 Relativbewegung des Massenpunktes
demnach durch a0 = −hω 2 eξ (Kreisbewegung mit ω˙ = 0) gegeben. Mit r = η und er = eη folgt aus (6.18) af = − hω 2 eξ − ηω 2 eη
→
Ff = m(hω 2 eξ + ηω 2 eη ).
(c)
Da der Winkelgeschwindigkeitsvektor ω senkrecht auf der ξ, ηEbene steht, ergeben sich aus (6.17b) mit vr = ηe ˙ η die Coriolisbeschleunigung bzw. -kraft zu ˙ eξ ac = − 2 ηω
→
Fc = 2 mηω ˙ eξ .
(d)
Wenn wir die Relativbeschleunigung ar = η¨ eη und die Kr¨ afte (b) bis (d) in (a) einsetzen, so erhalten wir 0 = N + mhω 2 + 2 mηω, ˙ m¨ η = − c η + mηω 2 .
(e)
Aus der zweiten Gleichung folgt c η¨ + − ω2 η = 0 . m Der Massenpunkt f¨ uhrt demnach f¨ ur ω 2 < c/m eine harmonisin ω ∗ t relativ zur rotierenden sche Schwingung η = A cos ω ∗ t + B ∗ 2 Scheibe aus. Die Frequenz ω = c/m − ω ist kleiner als die Eigenfrequenz c/m bei nicht rotierender Scheibe (ω = 0). Aus der ersten Gleichung in (e) erhalten wir die Kontaktkraft N = − m (hω 2 + 2 ηω) ˙ . B6.4
Auf der rotierenden Erde (Radius R = 6370 km) bewegt sich eine Masse (m = 1000 kg) mit der Geschwindigkeit vr = 100 km/h auf einem Großkreis nach Norden (Abb. 6.7a). Wie groß sind die maximale F¨ uhrungskraft bzw. die maximale Corioliskraft, wenn man die Bewegung der Erde um die Sonne vernachl¨ assigt? Beispiel 6.4
L¨ osung Die Erde dreht sich in 24 Stunden einmal um ihre Nord-
S¨ ud-Achse. Die Winkelgeschwindigkeit der Drehung ist daher 2π = 7, 27 · 10−5 s−1 . ω= 24 · 3600
6.2
Kinetik der Relativbewegung
283
ω N
ω
vr
vr
vr
af
m
ac
R W
m
ζ
R
ϕ
O ξ
ϕ
0
ζ
η
ϕ η
Abb. 6.7
a
b
S
c
Wenn wir das mit der Erde rotierende ξ, η, ζ-Koordinatensystem nach Abb. 6.7b einf¨ uhren, so lautet der Vektor der Winkelgeschwindigkeit ω = ωeζ . Die F¨ uhrungsbeschleunigung (= Beschleunigung des Punktes der Erde, an dem sich die Masse gerade befindet) erhalten wir nach (6.17b) mit a0 = 0 und ω˙ = 0 zu af = ω × (ω × r0P ) = − R cos ϕ ω 2 eη . Sie ist senkrecht zur Drehachse der Erde gerichtet. Die Coriolisbeschleunigung wird nach (6.17a, b) ac = 2 ω × vr = 2 ωvr sin ϕ eξ (vgl. Abb. 6.7c). Sie zeigt tangential zum Breitenkreis nach Westen. Die F¨ uhrungskraft bzw. die Corioliskraft lauten dann Ff = mRω 2 cos ϕ eη ,
Fc = − 2 mωvr sin ϕ eξ .
¨ Die F¨ uhrungskraft wird am Aquator (ϕ = 0) maximal: Ff max = mRω 2 ≈ 34 N . Sie ist klein im Vergleich zur Gewichtskraft (G = mg ≈ 104 N). Die Corioliskraft hat am Pol (ϕ = π/2) ihr Maximum: Fc max = 2 mωvr ≈ 4 N . Sie muss als seitliche Kraft aufgebracht werden, da sich sonst der Massenpunkt nach Westen wegbewegen w¨ urde.
284
6.3
6 Relativbewegung des Massenpunktes
6.3 Zusammenfassung • Absolutgeschwindigkeit: v a = v f + v r , v f = v 0 + ω × r 0P F¨ uhrungsgeschwindigkeit, d∗ r 0P vr = Relativgeschwindigkeit. dt • Absolutbeschleunigung: aa = af + ar + ac , af = a0 + ω˙ × r 0P + ω × (ω × r 0P )
F¨ uhrungsbeschleu-
nigung, d∗ v r Relativbeschleunigung, dt ac = 2 ω × v r Coriolisbeschleunigung.
ar =
• Dynamisches Grundgesetz im bewegten Bezugssystem: m ar = F + F f + F c , F
auf Massenpunkt wirkende Kraft,
F f = −m af
F¨ uhrungskraft (Scheinkraft),
F c = −m ac
Corioliskraft (Scheinkraft).
• Wenn sich das Bezugssystem rein translatorisch mit konstanter Geschwindigkeit bewegt (af = 0, ac = 0), dann ist das Grundgesetz im bewegten System identisch mit dem im ruhenden Bezugssystem. • Ruhende und gleichf¨ ormig bewegte Bezugssysteme sind Inertialsysteme.
Kapitel 7 Numerische Simulation
7
7 Numerische Simulation 7.1 7.2 7.3 7.4
Einf¨ uhrung ....................................................... Anfangswertprobleme 1. Ordnung........................... Anfangswertprobleme 2. Ordnung........................... Zusammenfassung ..............................................
287 287 297 311
Lernziele: Wir haben bisher immer nur Probleme behandelt, die eine analytische L¨ osung der Bewegungsgleichungen erlaubten. In vielen F¨ allen ist es allerdings schwierig oder sogar unm¨ oglich, eine solche L¨ osung zu finden. Dann ist es erforderlich, mit Hilfe einer numerischen Integration eine N¨aherungsl¨osung zu ermitteln. Wir wollen in diesem Kapitel einige Verfahren kennenlernen, die in solchen F¨ allen eine numerische L¨osung der Differentialgleichungen erlauben und die eine Grundlage f¨ ur weitere Methoden bilden. Die Studierenden sollen damit in die Lage versetzt werden, numerische Verfahren sachgerecht f¨ ur die Behandlung von Problemen der Kinetik anzuwenden.
7.1
Einf¨ uhrung
287
7.1 Einf¨ uhrung
7.1
In den vorangegangenen Kapiteln haben wir Bewegungen von Punktmassen und von starren K¨ orpern untersucht, wobei wir die auftretenden Bewegungungsgleichungen analytisch gel¨ost haben. Dies ist aber in manchen F¨ allen nicht oder nur mit großem Aufwand m¨ oglich. Ein Beispiel hierf¨ ur ist die Bewegungsgleichung (5.19) f¨ ur das mathematische Pendel: ϕ¨ + (g/l) sin ϕ = 0. Die Bestimmung ihrer L¨ osung ϕ(t) auf analytischem Weg ist im allgemeinen Fall von beliebig großen Ausschl¨ agen aufwendig. Sie nimmt nur f¨ ur kleine Ausschl¨ age (ϕ 1) die einfache Form einer harmonischen Schwingung an (vgl. Abschnitt 5.2.1). Will man in schwierigen F¨ allen trotzdem zu einer L¨ osung gelangen, so bietet sich die Anwendung von numerischen Verfahren an. Mit ihnen lassen sich N¨ aherungsl¨ osungen meist mit sehr hoher Genauigkeit ermitteln. Die von uns untersuchten Bewegungsgleichungen sind lineare oder nichtlineare Differentialgleichungen 1. bzw. 2. Ordnung, zu denen bestimmte Anfangsbedingungen geh¨ oren. Man nennt solche Probleme Anfangswertprobleme 1. bzw. 2. Ordnung. Zu deren L¨ osung wollen wir in diesem Kapitel eine kurze Einf¨ uhrung in die numerischen Integrationsverfahren geben; eine weitergehende Darstellung findet sich in Band 4, Abschnitt 7.3. Alle numerischen Integrationsverfahren basieren auf der Berechnung von N¨ aherungsl¨ osungen f¨ ur Differentialgleichungen 1. Ordnung bzw. f¨ ur Systeme von Differentialgleichungen 1. Ordnung. Aus diesem Grund werden wir uns zun¨ achst mit ihnen befassen. Differentialgleichungen h¨ oherer Ordnung lassen sich durch geeignete Transformation immer auf Systeme von Differentialgleichungen 1. Ordnung u uhren. Diese sind dann mit den bereit¨ berf¨ gestellten Verfahren f¨ ur Anfangswertprobleme 1. Ordnung l¨osbar.
7.2 Anfangswertprobleme 1. Ordnung Bewegungsgleichungen lassen sich oft als Differentialgleichungen 1. Ordnung darstellen. Ein solcher Fall liegt zum Beispiel vor, wenn die Beschleunigung a eines Massenpunktes als Funktion der Geschwindigkeit v in der Form a = f (v) gegeben ist und die Ge-
7.2
288
7 Numerische Simulation
schwindigkeit v(t) berechnet werden soll (vgl. Abschnitt 1.1.3). Die Bewegungsgleichung lautet in diesem Fall v˙ = f [v(t)]; zu ihr geh¨ ort die Anfangsbedingung v(ta ) = va . Darin kennzeichnen ta und va den Anfangszeitpunkt und die zugeh¨orige Anfangsgeschwindigkeit. Im weiteren betrachten wir eine gew¨ ohnliche Differentialgleichung 1. Ordnung x(t) ˙ = f [t, x(t)]
(7.1)
im Zeitintervall [ta , te ] mit der Anfangsbedingung xa = x(ta ). Die Grundidee der numerischen Behandlung von Anfangswertproblemen ist die Approximation des zeitlichen Verlaufs der Funktionen x(t) und x(t) ˙ an diskreten Punkten (St¨ utzstellen). Zu diesem Zweck f¨ uhren wir eine Zeitdiskretisierung durch und unterteilen aquidistante Zeitschritte das betrachtete Zeitintervall [ta , te ] in n ¨ t (Abb. 7.1). Die Zeitschrittweite ergibt sich zu t =
t e − ta , n
(7.2)
womit ein diskreter Punkt auf der Zeitachse durch ti = ta + i t mit
i = 0, ..., n
(7.3)
bestimmt wird. Zur Vereinfachung der Schreibweise bezeichnen wir die N¨ aherungswerte zum Zeitpunkt ti mit xi = x(ti ) und ∆t
x˙ i = x(t ˙ i) .
(7.4)
∆t
∆t
∆t
ta
te t
t0
t1
t2
tn−2
tn−1
tn
Die Integration von (7.1) von ti bis ti+1 liefert mit ti+1 x(t) ˙ dt = xi+1 − xi ti
Abb. 7.1
7.2
Anfangswertprobleme 1. Ordnung
den Funktionswert ti+1 f [t, x(t)] dt . xi+1 = xi +
289
(7.5)
ti
Gleichung (7.5) dient als Grundlage verschiedener Algorithmen zur Berechnung von N¨ aherungsl¨ osungen xi+1 . Sie unterscheiden sich im wesentlichen durch die Wahl der Approximation des Integrals. Das einfachste Verfahren ist das Eulersche Polygonzugverfahren (Euler-Vorw¨ arts-Verfahren, vgl. Band 4, Abschnitt 7.3.1). Hierbei w¨ahlen wir ti+1
f [t, x(t)] dt ≈ f [ti , xi ] t ti
→
xi+1 = xi + f [ti , xi ] t .
(7.6)
Ist xi bekannt, so kann zun¨ achst f [ti , xi ] durch eine einfache Funktionsauswertung berechnet und anschließend xi+1 bestimmt werden. Dieses Verfahren wird als explizit bezeichnet, da die Gleichung (7.6) direkt (explizit) nach dem unbekannten Wert xi+1 aufgel¨ ost ist. Die Approximation des Integrals ist in Abb. 7.2a veranschaulicht. f [t, x(t)]
f [t, x(t)] f [ti +
f [ti , xi ]
ta Abb. 7.2
a
ti+1
ti ∆t
te
ta b
∆t , xi+ 1 ] 2 2
ti+1
ti
te
∆t
Der Vorteil dieses Verfahrens ist seine einfache Programmierbarkeit. Da die Genauigkeit der approximativen L¨ osung linear von der Schrittweite t abh¨ angt, sind allerdings zur Erzielung einer brauchbaren N¨ aherungsl¨ osung oft viele Zeitschritte erforderlich.
290
7 Numerische Simulation
Die Rekursionsformel (7.6) ist nun f¨ ur i = 0, ..., n auszuwerten. Zur Verdeutlichung des Ablaufschemas fassen wir die Berechnungsschritte in Tabelle 7.1 zusammen (ta = 0). Tabelle 7.1
i
ti
xi
f [ti , xi ]
0
t0 = 0
x0 = xa
f [t0 , x0 ]
1
t1 = t
x1 = x0 + f [t0 , x0 ]t
f [t1 , x1 ]
2
t2 = 2t
x2 = x1 + f [t1 , x1 ]t
f [t2 , x2 ]
3 .. .
t3 = 3t .. .
x3 = x2 + f [t2 , x2 ]t .. .
f [t3 , x3 ] .. .
n
tn = nt
xn = xn−1 + f [tn−1 , xn−1 ]t
f [tn , xn ]
Das zeilenweise Abarbeiten der einzelnen Funktionsauswertungen und Wertzuweisungen kann direkt algorithmisch umgesetzt werden. Man kann das Eulersche Polygonzugverfahren modifizieren, indem man das Integral (7.5) mit dem Funktionswert in der Mitte des Intervalls [ti , ti+1 ] approximiert. In diesem Fall ergibt sich die N¨ aherungsl¨ osung ti+1 t , x 1 ] t f [t, x(t)] dt ≈ f [ti + 2 i+ 2 ti t , xi+ 12 ] t . (7.7) → xi+1 = xi + f [ti + 2 Den Funktionswert xi+ 12 bestimmen wir durch den Eulerschritt xi+ 12 = xi + f [ti , xi ]
t . 2
(7.8)
Mit den Abk¨ urzungen t t , xi + k1 ] 2 2 erhalten wir den N¨ aherungswert an der Stelle ti+1 zu k1 = f [ti , xi ] und
k2 = f [ti +
xi+1 = xi + k2 t .
(7.9)
(7.10)
7.2
Anfangswertprobleme 1. Ordnung
291
Dieses Verfahren wird als zweistufiges Runge-Kutta-Verfahren bezeichnet (Carle David Tolm´e Runge 1856-1927, Wilhelm Kutta 1867-1944), da zur Berechnung des Wertes xi+1 zwei Funktionsur wird auch oft auswertungen (k1 und k2 ) erforderlich sind. Hierf¨ der Ausdruck Mittelpunktsregel verwandt. In Abb. 7.2b ist die Approximation des Integrals veranschaulicht. Ein weiteres Verfahren ist das sogenannte vierstufige (klassische) Runge-Kutta-Verfahren. Wie es der Name schon andeutet, sind zur Berechnung der N¨ aherungsl¨ osung vier Funktionsauswertungen erforderlich. Wie bei der zuvor beschriebenen Mittelpunktsregel werden auch hier Ergebnisse von verschiedenen Eulerschritten ber¨ ucksichtigt. Die Rechenschritte des vierstufigen Runge-Kutta-Verfahrens lassen sich wie folgt zusammenfassen: xi+1 = xi +k t
mit
k=
1 (k1 +2k2 +2k3 +k4 ) . (7.11) 6
Die Zwischenwerte k1 , k2 , k3 , k4 berechnen sich aus k1 = f [ti , xi ] , t t , xi + k1 ] , 2 2 t t k3 = f [ti + , xi + k2 ] , 2 2 k4 = f [ti + t, xi + t k3 ] . k2 = f [ti +
Die Reihenfolge der Berechnungsschritte ist in Tabelle 7.2 angegeben. Zuerst geben wir die Startwerte f¨ ur die Zeit t und die Variable x vor, d.h. wir initialisieren t0 = ta und die Anfangsbedingung x0 = xa . Anschließend werden die Werte k1 , k2 , k3 , k4 und k berechnet (Tabelle 7.2, erste Zeile). Nun kann die N¨aherungsl¨ osung x1 in der zweiten Zeile nach (7.11) berechnet werden. Diese Prozedur ist so oft zu wiederholen, bis das Ende des zu untersuchenden Zeitintervalls te erreicht ist. In Tabelle 7.2 wird die Abk¨ urzung t˜i = ti + t/2 verwendet. Das Eulersche Polygonzugverfahren und die Runge-Kutta-Verfahren lassen sich formal leicht auf Systeme von Differentialglei-
292
7 Numerische Simulation Tabelle 7.2
i 0
ti t0
xi x0
1
t1
x1
.. .
.. .
.. .
n
tn
xn
k1 f [t0 , x0 ] f [t1 , x1 ]
k2 f [t˜0 , x0 + f [t˜1 , x1 +
t 2 k1 ]
.. . f [tn , xn ]
k3 t 2 k1 ]
k4
k
f [t˜0 , x0 +
t 2 k2 ]
f [t0 + t, x0 + t k3 ]
k
f [t˜1 , x1 +
t 2 k2 ]
f [t1 + t, x1 + t k3 ]
k
.. .
.. .
f [tn + t, xn + t k3 ]
k
.. .
.. .
f [t˜n , xn +
t 2 k1 ]
f [t˜n , xn +
t 2 k2 ]
chungen 1. Ordnung erweitern (Anhang A). Als einfaches Anwendungsbeispiel f¨ ur das Eulersche Polygonzugverfahren betrachten wir die geradlinige Bewegung eines Fahrzeugs (Masse m = 1400 kg), siehe Abb. 7.3. Die konstante Antriebskraft ist F = 2800 N, den Luftwiderstand ber¨ ucksichtigen wir mit Fw = cw v 2 (Luftwiderstandsbeiwert cw = 0, 7). Wir sind an einer N¨ aherungsl¨ osung f¨ ur die Geschwindigkeit v(t) im Zeitintervall [ta , te ] = [0, 120 s] interessiert, wobei die Anfangsgeschwinagt. digkeit va = 10 m/s betr¨ Fw = cw v 2
F v
Abb. 7.3
Die Bewegungsgleichung lautet mv˙ = F − cw v 2
→
v˙ = f [t, v] mit f [t, v] =
cw 2 F − v . m m
Die analytische L¨ osung ergibt sich mit κ2 = F/cw zu x˙ = κ tanh
F (t − C) mκ
mit
C=−
mκ va artanh , F κ
vgl. Abschnitt 1.2.4 Die analytische L¨ osung zum Zeitpunkt t = 40 s ist x(40) ˙ = 56, 32 ≈ 56, 3 m/s, und zum Zeitpunkt te erhalten wir den Wert x(120) ˙ = 63, 199 ≈ 63, 2 m/s. In den folgenden numerischen Auswertungen werden wir konsequent die Einheiten N, m und s verwenden. Wie es in computerbasierten Rechnungen u ur die ¨ blich ist, werden wir die Einheiten f¨
7.2
Anfangswertprobleme 1. Ordnung
293
Zwischenergebnisse nicht mehr angeben. Im allgemeinen ist vor jeder numerischen Berechnung eine Umrechnung aller eingehenden Gr¨oßen auf die gleichen Einheiten vorzunehmen. Mit den angegebenen Parameterwerten folgt v˙ = f [t, v] mit
f [t, v] = 2 − 0, 0005 v 2 .
Zur Veranschaulichung des Rekursionsschemas f¨ uhren wir zun¨ achst eine Berechnung mit 6 ¨ aquidistanten Zeitschritten durch: 120 − 0 = 20 . ti = i t mit i = 0, ..., 6 → t = 6 F¨ ur t = 0, d.h. f¨ ur i = 0 ergeben sich die Werte v0 = va = 10 , f [t0 , v0 ] = 2 − 0, 0005 · 102 = 1, 950 . Zum Zeitpunkt t1 = 20 (i = 1) erhalten wir v1 = v0 + f [t0 , v0 ] t = 10 + 1, 95 · 20 = 49 , f [t1 , v1 ] = 2 − 0, 0005 · 492 = 0, 7995 . Die Auswertung zum Zeitpunkt t2 = 40 (i = 2) liefert v2 = v1 + f [t1 , v1 ] t = 49 + 0, 7995 · 20 = 64, 99 , f [t2 , v2 ] = 2 − 0, 0005 · 64, 992 = −0, 1119 . Auf gleiche Weise ergeben sich die Werte f¨ ur i = 4, ..., 6. Alle Ergebnisse sind in Tabelle 7.3 zusammengestellt. Tabelle 7.3
i
ti
vi
f [ti , vi ]
0
0
10.000
1.9500
1
20
49.000
0.7995
2
40
64.990
-0.1119
3
60
62.753
0.0310
4
80
63.374
-0.0081
5
100
63.211
0.0022
6
120
63.255
-0.0006
294
7 Numerische Simulation
Ein Vergleich des N¨ aherungswertes mit der analytischen L¨osung zum Zeitpunkt t = 40 s ergibt eine Abweichung von ca. 15%, wohingegen zum Zeitpunkt t = 120 s der Fehler unter 1% liegt, vgl. Abb. 7.4. Die algorithmische Umsetzung ist in Algorithmus 7.1 dargestellt. Algorithmus 7.1: Eulersches Polygonzugverfahren % Parameter cw = 0.7; m = 1400.0; F = 2800.0; % Zeitintervall n = 6; ta = 0.0; te = 120.0; delta_t = (te - ta)/n; % Anfangsbedingung v(1) = 10.0; t(1) = ta; for i = 1 : n+1 func = F/m - cw/m*(v(i))^2; v(i+1) = v(i) + func*delta_t; t(i+1) = t(i) + delta_t; end
In Abb. 7.4 sind die numerischen Werte f¨ ur n = 6, 10, 20 Zeitinkremente visualisiert. Wir erkennen, dass mit feiner werdender Diskretisierung die L¨ osung konvergiert. Sie l¨ aßt sich f¨ ur n = 20 optisch kaum von der analytischen L¨ osung unterscheiden. v [m/s] 70 60 50 40 30 20 n=6 n=10 n=20
10 0 0
20
40
60
80
100
120
t [s]
Abb. 7.4
7.2
Anfangswertprobleme 1. Ordnung
295
Beispiel 7.1 F¨ ur das vorhergehende Anwendungsbeispiel ist eine
N¨aherungsl¨ osung f¨ ur die Geschwindigkeit v(t) mit dem vierstufigen Runge-Kutta-Verfahren zu bestimmen. L¨ osung Das Zeitintervall unterteilen wir zun¨ achst in 6 Abschnitte:
ti = i t
mit
i = 0, ..., 6
→
t =
120 − 0 = 20 . 6
An der Stelle t = 0 (i = 0) initialisieren wir zun¨ achst die Anfangsbedingung v0 = va = 10. Anschließend erfolgt die Berechnung der Zwischenwerte k1 , k2 , k3 , k4 : k1 = f [t0 , v0 ] = 2 − 0, 0005 · 102 = 1, 950 , k2 = f [t0 +
t t , v0 + k1 ] 2 2
= 2 − 0, 0005 · (10 + 20/2 · 1.950)2 = 1, 5649 , k3 = f [t0 +
t t , x0 + k2 ] 2 2
= 2 − 0, 0005 · (10 + 20/2 · 1, 5649)2 = 1, 6711 , k4 = f [ti + t, xi + t k3 ] = 2 − 0, 0005 · (10 + 20 · 1, 6711)2 = 1, 0573 . Hieraus folgt der k-Wert k=
1 (k1 + 2k2 + 2k3 + k4 ) = 1, 5799 , 6
und man erh¨ alt f¨ ur i = 1 (t = 20) die Geschwindigkeit v1 = v0 + k t
→
v1 = 10 + 1, 5799 · 20 = 41, 597 .
Diese Prozedur wird so oft wiederholt, bis das Ende des zu untersuchenden Zeitintervalls erreicht ist. F¨ ur die Diskretisierung aquidistante Zeitschritte sind die des Intervalls [ta , te ] in n = 6 ¨ Auswertungsschritte in Tabelle 7.4 zusammengefaßt.
B7.1
296
7 Numerische Simulation Tabelle 7.4
i
ti
vi
k1
k2
k3
k4
k
0
0
10.000
1.9500
1.5649
1.6711
1.0573
1.5799
1
20
41.597
1.1348
0.5989
0.8680
0.2620
0.7216
2
40
56.029
0.4304
0.1800
0.3279
0.0414
0.2479
3
60
60.988
0.1403
0.0537
0.1073
0.0070
0.0782
4
80
62.552
0.0436
0.0162
0.0334
0.0016
0.0241
5
100
63.034
0.0134
0.0049
0.0103
0.0004
0.0074
6
120
63.181
0.0041
0.0015
0.0031
0.0001
0.0022
Vergleichen wir die N¨ aherungswerte zu den Zeitpunkten t = 40 s und t = 120 s mit den analytischen L¨ osungen, so erkennen wir, dass der Fehler jeweils unter 1% liegt. Die algorithmische Umsetzung ist in Algorithmus 7.2 dargestellt. Algorithmus 7.2: Vierstufiges Runge-Kutta-Verfahren % Vierstufiges Runge-Kutta-Verfahren % Parameter- und Funktionzuweisung in func.m % Anzahl der Zeitinkremente n = 6; % Zeitintervall ta = 0.0; te = 120.0; % Zeitschrittweite delta_t = (te - ta)/n; % Anfangsbedingung v(1) = 10.0, t(1) = ta, % Rekursionsformel for i = 1 : n+1 k1 = func(v(i)); k2 = func(v(i) + delta_t/2*k1); k3 = func(v(i) + delta_t/2*k2); k4 = func(v(i) + delta_t *k3); k = 1/6*(k1 + 2*k2 + 2*k3 + k4); v(i+1) = v(i) + k*delta_t; t(i+1) = t(i) + delta_t; end
7.3
Anfangswertprobleme 2. Ordnung
297
% Parameter- und Funktionszuweisung in func.m function wert = f(v) cw = 0.7; m = 1400.0; F = 2800.0; wert = F/m - cw/m*v^2;
Die mit dem Programm berechneten Approximationen der Geschwindigkeit f¨ ur n = 6, 10 und 20 sind in Abb. 7.5 visualisiert. Wir erkennen, dass im Gegensatz zum Eulerschen Polygonzugverfahren schon f¨ ur n = 6 eine sehr gute L¨ osung erzielt wird. v [m/s] 70 60 50 40 30 20 n=6 n=10 n=20
10
Abb. 7.5
0 0
20
40
60
80
100
120
t [s]
7.3
7.3 Anfangswertprobleme 2. Ordnung In der Kinetik f¨ uhrt z.B. die Anwendung des Schwerpunktsatzes bzw. des Drehimpulssatzes auf Bewegungsgleichungen vom Typ (7.12). Die allgemeine Darstellung der Bewegungsgleichung mit den Anfangsbedingungen f¨ ur den Ort und die Geschwindigkeit lautet: x ¨ = f [t, x(t), x(t)] ˙
mit xa = x(ta )
und x˙ a = x(t ˙ a) .
(7.12)
Um die in Abschnitt 7.1 beschriebenen Zeitdiskretisierungsverfahren f¨ ur Differentialgleichungen 1. Ordnung auf (7.12) anwenden zu k¨ onnen, ist eine Transformation der Bewegungsgleichung (7.12) auf ein System von zwei Differentialgleichungen 1. Ordnung
298
7 Numerische Simulation
erforderlich (vgl. auch Anhang A und Band 4, Abschnitt 7.3.1). Hierzu f¨ uhren wir die Hilfsfunktionen z1 (t) und z2 (t) ein. Mit den Transformationen z1 (t) = x(t)
und
z2 (t) = x(t) ˙
erhalten wir das Differentialgleichungssystem z˙1 (t) = z2 (t) = f1 [t, z1 (t), z2 (t)] ,
(7.13)
z˙2 (t) = f2 [t, z1 (t), z2 (t)] . Diese zwei Differentialgleichungen k¨ onnen nun mit den in Abschnitt 7.1 beschriebenen Verfahren gel¨ ost werden. Zur Erh¨ohung ¨ der Ubersichtlichkeit verwenden wir f¨ ur die N¨aherungswerte von utzstellen ti folgende Schreibz1 (t) und z2 (t) an den diskreten St¨ weise: ur z1i := z1 (ti ) und z2i := z2 (ti ) f¨
i = 0, ..., n . (7.14)
Die Anfangsbedingungen sind z10 = z1 (ta ) = xa
und z20 = z2 (ta ) = x˙ a .
(7.15)
F¨ ur das Eulersche Polygonzugverfahren gilt die Rekursionsvorschrift (vgl. 7.6): z1i+1 = z1i + f1 [ti , z1i , z2i ] t ,
(7.16)
z2i+1 = z2i + f2 [ti , z1i , z2i ] t . Beim vierstufigen Runge-Kutta-Verfahren sind f¨ ur die Integration von Anfangswertproblemen 1. Ordnung vier Zwischenwerte k1 , k2 , k3 , k4 zu berechnen. Da nun zwei Differentialgleichungen 1. Ordnung vorliegen, sind auch f¨ ur die zweite Gleichung vier Zwischenwerte zu ermitteln. Diese bezeichnen wir zun¨achst mit urzung t˜i = ti + t/2 ergeben sich die l1 , l2 , l3 , l4 . Mit der Abk¨ ur j = 1, ..., 4 zu Funktionsauswertungen kj , lj f¨ k1 = f1 [ti , z1i , z2i ], l1 = f2 [ti , z1i , z2i ] ,
7.3
Anfangswertprobleme 2. Ordnung
299
t t k1 , z2i + l1 ], k2 = f1 [t˜i , z1i + 2 2 t t k1 , z2i + l1 ] , l2 = f2 [t˜i , z1i + 2 2 t t k2 , z2i + l2 ], k3 = f1 [t˜i , z1i + 2 2 t t k2 , z2i + l2 ] , l3 = f2 [t˜i , z1i + 2 2 k4 = f1 [ti+1 , z1i + t k3 , z2i + t l3 ], l4 = f2 [ti+1 , z1i + t k3 , z2i + t l3 ] . Damit werden die Parameter 1 1 k = (k1 + 2k2 + 2k3 + k4 ) und l = (l1 + 2l2 + 2l3 + l4 ) 6 6 (7.17) zur Berechnung der N¨ aherungsl¨ osungen an der Stelle ti+1 ausgewertet. Die einzelnen Berechnungsschritte fassen wir in Tabelle 7.5 zusammen. Tabelle 7.5
z1i+1 = z1i + k t
z2i+1 = z2i + l t
k = 16 (k1 + 2k2 + 2k3 + k4 )
l = 16 (l1 + 2l2 + 2l3 + l4 )
k1 = f1 (ti , z1i , z2i )
l1 = f2 (ti , z1i , z2i )
k2 = f1 (t˜i , z1i +
t 2
k1 , z2i +
t 2
l1 )
l2 = f2 (t˜i , z1i +
t 2
k1 , z2i +
t 2 l1 )
k3 = f1 (t˜i , z1i +
t 2
k2 , z2i +
t 2
l2 )
l3 = f2 (t˜i , z1i +
t 2
k2 , z2i +
t 2 l2 )
k4 = f1 (ti+1 , z1i + t k3 , z2i + t l3 ) l4 = f2 (ti+1 , z1i + t k3 , z2i + t l3 )
Vergleichen wir die beiden Spalten in Tabelle 7.5, so erkennen wir, dass sie durch Vertauschung von ki ↔ li sowie von f1 ↔ f2 ineinander u uhrt werden k¨ onnen. Es bieten sich deshalb die ¨berf¨ Umbenennungen {k1 , k2 , k3 , k4 }
→
{k11 , k12 , k13 , k14 }
300
7 Numerische Simulation
{ l1 , l2 , l3 , l4 }
→
{k21 , k22 , k23 , k24 }
an. Damit lassen sich die Rekursionsformeln mit j = 1, 2 wie in Tabelle 7.6 schreiben. Tabelle 7.6
zji+1 = zji + kj t kj
= 16 (kj1 + 2kj2 + 2kj3 + kj4 )
kj1
= fj (ti , z1i , z2i )
kj2
= fj (t˜i , z1i +
t 2 k11 ,
z2i +
t 2 k21 )
kj3
= fj (t˜i , z1i +
t 2 k12 ,
z2i +
t 2 k22 )
kj4
= fj (ti+1 , z1i + t k13 , z2i + t k23 )
Die Umsetzung des Verfahrens ist in Algorithmus 7.3 dargestellt. Algorithmus 7.3: Vierstufiges Runge-Kutta-Verfahren % Parameter- und Funktionenzuweisungen % in func1.m und func2.m: % func1.m: Funktionszuweisung function wert1 = f1(t,z1,z2) wert1 = z2; % func2.m: Parameter- und Funktionszuweisungen function wert2 = f2(t,z1,z2) wert2 = ***; % % % n
Vierstufiges Runge-Kutta-Verfahren fuer Anfangswertprobleme 2. Ordnung Anzahl der aequidistanten Zeitintervalle = ***;
7.3
Anfangswertprobleme 2. Ordnung
301
% Zeitintervall ta = ***; te = ***; % Zeitschrittweite delta_t = (te - ta)/n; % Anfangsbedingungen t(1) = ta; z1(1) = ***; z2(1) = ***; % Rekursionsformel for i = 1 : n+1 k(1,1) = func1(t(i),z1(i),z2(i)); k(2,1) = func2(t(i),z1(i),z2(i)); k(1,2) = func1(t(i)+delta_t/2, z1(i)+delta_t/2*k(1,1),z2(i)+delta_t/2*k(2,1)); k(2,2) = func2(t(i)+delta_t/2, z1(i)+delta_t/2*k(1,1),z2(i)+delta_t/2*k(2,1)); k(1,3) = func1(t(i)+delta_t/2, z1(i)+delta_t/2*k(1,2),z2(i)+delta_t/2*k(2,2)); k(2,3) = func2(t(i)+delta_t/2, z1(i)+delta_t/2*k(1,2),z2(i)+delta_t/2*k(2,2)); k(1,4) = func1(t(i)+delta_t, z1(i)+delta_t*k(1,3),z2(i)+delta_t*k(2,3)); k(2,4) = func2(t(i)+delta_t, z1(i)+delta_t*k(1,3),z2(i)+delta_t*k(2,3)); z1(i+1) = z1(i)+1/6*(k(1,1)+2*k(1,2) + 2*k(1,3)+k(1,4))*delta_t; z2(i+1) = z2(i)+1/6*(k(2,1)+2*k(2,2) + 2*k(2,3)+k(2,4))*delta_t; t(i+1) = t(i)+delta_t; end
Zur Berechnung verschiedener Anfangswertprobleme sind nur die mit *** gekennzeichneten Gr¨ oßen zu modifizieren. In vier Anwendungsbeispielen l¨ osen wir die Bewegungsgleichung m¨ x + dx˙ + cx = F0 cos Ωt des in Abb. 7.6 dargestellten Einmassenschwingers f¨ ur verschie-
302
7 Numerische Simulation
dene Parameter (m, d, c, F0 , Ω) sowie f¨ ur verschiedene Anfangsbe˙ a ) numerisch. Zur Berechdingungen xa = x(ta ) und x˙ a = x(t nung der N¨ aherungsl¨ osungen f¨ ur die aktuelle Lage x(t) und die Geschwindigkeit v(t) im Zeitintervall [ta , te ] wenden wir das vierstufige Runge-Kutta-Verfahren an.
11 00 00 11 00 11 00 11
x
x m
c
F = F0 cosΩt
cx
F
d x˙
d
Abb. 7.6
Zun¨ achst schreiben wir die Bewegungsgleichung in der Form x ¨=
F0 d c cos Ωt − x˙ − x . m m m
Mit den Hilfsfunktionen z1 (t) = x(t)
und
z2 (t) = x(t) ˙
l¨aßt sie sich in das Differentialgleichungssytem 1. Ordnung z˙1 (t) = z2 (t) ,
z˙2 (t) =
d F0 c cos Ωt − z2 (t) − z1 (t) m m m
u uhren. Die Funktionen f1 [t, z1 (t), z2 (t)] und f2 [t, z1 (t), z2 (t)] ¨berf¨ nach (7.13) lauten dementsprechend f1 [t, z1 (t), z2 (t)] = z2 (t) , d F0 c cos Ωt − z2 (t) − z1 (t) . f2 [t, z1 (t), z2 (t)] = m m m Die Anfangsbedingungen zum Zeitpunkt ta bezeichnen wir mit z1 (ta ) = xa
und z2 (ta ) = x˙ a .
Als ersten Fall betrachten wir die freie Schwingung des unged¨ ampften Systems (d = 0, F0 = 0) mit den Anfangsbedingungen xa = 0, 1 m
und x˙ a = 0 .
Die Parameter w¨ ahlen wir zu
7.3
m = 5 kg und
Anfangswertprobleme 2. Ordnung
303
c = 500 N/m ,
wobei wir f¨ ur n die Werte 20 bzw. 40 setzen. Die erforderlichen Erg¨anzungen im Programmcode nach Algorithmus 7.3 lauten damit: % Anzahl der aequidistanten Zeitintervalle n = 20; % Zeitintervall ta = 0.0; te = 3.0; delta_t = (te - ta)/n; % Anfangsbedingungen z1(1) = 0.1; z2(1) = 0.0; t(1) = ta; % Funktionszuweisung in func1.m function wert1 = f1(t,z1,z2) wert1 = z2; % Parameter- und Funktionszuweisung in func2.m function wert2 = f2(t,z1,z2) m = 5.0; cf = 500.0; wert2 = -cf/m*z1; x(t) [m] 0.1
n=20 n=40 exakt
0.05
0
Ŧ0.05
Ŧ0.1
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
t [s]
v(t) [m/s] 1
n=20 n=40 exakt
0.5
0
Ŧ0.5
Abb. 7.7
Ŧ1
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
t [s]
Das hiermit berechnete Weg-Zeit-Diagramm und das Geschwin-
304
7 Numerische Simulation
digkeits-Zeit-Diagramm sind in Abb. 7.7 dargestellt. F¨ ur n = ¨ 40 erhalten wir bereits eine sehr gute Ubereinstimmungmit der analytischen L¨ osung x = 0, 1 cos ωt. Dabei sind ω = c/m = 500/5 = 10 s−1 und T = 2π/ω = 0, 63 s. Als zweiten Fall betrachten wir das Ausschwingverhalten eines schwach ged¨ ampften Schwingers mit den gleichen Parametern (m = 5 kg, c = 500 N/m) und Anfangsbedingungen xa = uber dem ersten Fall wird jetzt der D¨amp0, 1 m, x˙ a = 0 . Gegen¨ fungsparameter d = 10 kg/s ber¨ ucksichtigt. Die erforderlichen Erg¨ anzungen im Programmcode nach Algorithmus 7.3 sind in diesem Fall: % Anzahl der aequidistanten Zeitintervalle n = 20; % Zeitintervall ta = 0.0; te = 3.0; delta_t = (te - ta)/n; % Anfangsbedingungen z1(1) = 0.1; z2(1) = 0.0; t(1) = ta; % Funktionszuweisung in func1.m function wert1 = f1(t,z1,z2) wert1 = z2; % Parameter- und Funktionszuweisung in func2.m function wert2 = f2(t,z1,z2) m = 5.0; d = 10.0; cf = 500.0; wert2 = -d/m*z2-cf/m*z1;
Die N¨ aherungsl¨ osungen f¨ ur n = 20 und n = 40 sind in Abb. 7.8 der analytischen L¨ osung gegen¨ ubergestellt. Wir erkennen, dass bei ¨ der Wahl von n = 40 Zeitinkrementen eine gute Ubereinstimmung mit der analytischen L¨ osung erzielt wird. Als dritten Fall untersuchen wir das Ausschwingverhalten eines ¨ ged¨ ampften Schwingers im aperiodischen Grenzfall. Die Anderungen zum vorangegangenen Fall sind, dass die D¨ampfungskonstante ur d erd einen h¨ oheren Wert annimmt und te = 1 s gesetzt wird. F¨ halten wir in diesem Fall mit D = δ/ω = 1 → δ = ω = 10 s−1 den
7.3
Anfangswertprobleme 2. Ordnung
305
x(t) [m] 0.1
n=20 n=40 exakt
0.05
0
Ŧ0.05
Ŧ0.1
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
t [s]
v(t) [m/s] 1
n=20 n=40 exakt
0.5
0
Ŧ0.5
Abb. 7.8
Ŧ1
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
t [s]
Wert d = 2δ m = 100 kg/s. Alle weiteren Einstellungen behalten wir bei. x(t) [m] 0.1
n=20 n=40 exakt
0.08 0.06 0.04 0.02 0
0
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0.8
0.9
1
t [s]
v(t) [m/s] 0
n=20 n=40 exakt
Ŧ0.1
Ŧ0.2
Ŧ0.3
Abb. 7.9
Ŧ0.4
0
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0.8
0.9
1
t [s]
Den Ergebnissen in Abb. 7.9 entnehmen wir, dass sowohl f¨ ur
306
7 Numerische Simulation
n = 20 als auch f¨ ur n = 40 sehr gute N¨ aherungswerte erzielt werden. Als letzten Fall untersuchen wir das Verhalten des ged¨ampften Schwingers mit harmonischer Krafterregung und den Anfangsbedingungen xa = 0
und x˙ a = 0 .
Die Parameter w¨ ahlen wir zu d = 10 kg/s, c = 500 N/m, F0 = 10 N, Ω = 10 s−1 , und f¨ ur n w¨ ahlen wir die Werte 30 und 50. Damit lauten die erforderlichen Erg¨ anzungen im Programm nach Algorithmus 7.3: % Anzahl der aequidistanten Zeitintervalle n = 50; % Zeitintervall ta = 0.0; te = 6.0; delta_t = (te - ta)/n; % Anfangsbedingungen z1(1) = 0.0; z2(1) = 0.0; t(1) = ta; % Funktionszuweisung in func1.m function wert1 = f1(t,z1,z2) wert1 = z2; % Parameter- und Funktionszuweisung in func2.m function wert2 = f2(t,z1,z2) m = 5.0; d = 10.0; cf = 500.0; F_o = 10.0; Omega = 10.0; wert2 = -d/m*z2-cf/m*z1;
Die N¨ aherungsl¨ osungen f¨ ur n = 30 und n = 50 sind in den Abb. 7.10 der analytischen L¨ osung gegen¨ ubergestellt. Das System antwortet mit der Erregerfrequenz Ω, d.h. mit der Schwingungsdauer T = 2π/Ω ≈ 0, 63 s, was im eingeschwungenen Zustand zu erwarten ist. Der eingeschwungene Zustand wird in der Simulation bei ca. 4 s erreicht. Hierf¨ ur k¨ onnen wir die Amplitude mit der Vergr¨oßerungsfunktion (5.62) f¨ ur den Fall E = 1 berechnen. F¨ ur die Erregung im Resonanzfall η = Ω/ω = 1 ergibt sich der Wert der Vergr¨ oßerungsfunktion zu V1 (1) = 1/2D → V1 (1) = 1/0, 2 = 5.
7.3
Anfangswertprobleme 2. Ordnung
307
x(t) [m] 0.1
n=30 n=50 exakt
0.05
0
Ŧ0.05
Ŧ0.1
0
1
2
3
4
5
6
t [s]
v(t) [m/s] 1
n=30 n=50 exakt
0.5
0
Ŧ0.5
Abb. 7.10
Ŧ1
0
1
2
3
4
5
6
t [s]
Die maximale Auslenkung erhalten wir aus xmax = ±V1 x0 mit x0 = F0 /c = 10/500 = 0, 02 zu xmax = ±0, 1 m. Beispiel 7.2 Ein in A aufgeh¨ angtes Pendel, bestehend aus einer starren, masselosen Stange und den zwei Einzelmassen m1 und m2 , f¨ uhrt eine freie Schwingung aus (Abb. 7.11). F¨ ur die ◦ ◦ Anfangsbedingungen ϕ(0) = 3 , ϕ(0) = 179 , ϕ(0) = 179, 99◦ und ϕ(0) ˙ = 0 sind die Winkel-Zeit-Verl¨ aufe ϕ(t) im Zeitintervall [0, 43 s] zu ermitteln. Diese sind ferner u ¨ ber eine Periode T der Schwingung darzustellen. A
A l
ϕ m1
m1 l
m1 g lsinϕ
m2
m2 m2 g 2 lsinϕ
Abb. 7.11
B7.2
308
7 Numerische Simulation
L¨ osung Die Bewegungsgleichung wurde in Beispiel 2.3 mit dem
Drehimpulssatz ermittelt: ϕ¨ + ω 2 sin ϕ = 0
ω2 =
mit
g m1 + 2m2 . l m1 + 4m2
Die Anfangsbedingungen sind ϕa = ϕ(0)
und ϕ˙ a = ϕ(0) ˙ =0.
F¨ ur die numerische Berechnung setzen wir ω = 1. Die erforderlichen Erg¨ anzungen im Matlab-Programmcode nach Algorihmus 7.3 sind: % Anzahl der aequidistanten Zeitintervalle n = 3000; % Zeitintervall ta = 0.0; te = 42.935; delta_t = (te - ta)/n; % Anfangsbedingungen z1(1) = (179.99/180)*pi; z2(1) = 0.0; t(1) = ta; % Funktionszuweisung in func1.m function wert = func1(t,z1,z2) wert = z2; % Parameter- und Funktionszuweisung in func2.m function wert = func2(t,z1,z2) omega = 1; wert = -omega*omega*sin(z1); ϕ [◦ ]
ϕ [◦ ]
3
(I) 2
(III) (II)
150 100
1
50
0
0 Ŧ50
Ŧ1
Ŧ100 Ŧ2 Ŧ150 Ŧ3
a
0
10
20
30
40
t [s]
b
0
10
20
30
40
t [s]
Abb. 7.12
Der Schwingungsverlauf f¨ ur die Anfangsbedingung ϕ(0) = 3◦ ist in Abb. 7.12a (I) dargestellt. Aus dem Diagramm lesen wir die Schwingungsdauer T ≈ 6, 5 s ab. In Abb. 7.12b sind die Verl¨aufe
7.3
Anfangswertprobleme 2. Ordnung
309
f¨ ur die Anfangswinkel ϕ(0) = 179◦ mit T ≈ 24, 5 s (II) und ϕ(0) = 179, 99◦ mit T ≈ 43 s (III) angegeben. Bei der Schwingung mit dem Anfangswinkel ϕ(0) = 179◦ erkennen wir bereits die Ausbildung eines Plateaus im Bereich der maximalen Auslenkung. Dieser Effekt tritt im den Fall ϕ(0) = 179, 99◦ noch deutlich st¨ arker hervor (Abb. 7.12b). F¨ ur große Anfangswinkel entspricht der Kurvenverlauf dem sogenannten sinus amplitudinis (eine Verallgemeinerung der Sinusfunktion), der deutlich vom Sinus-Verlauf abweicht. ϕ(t) ϕ0
1
(III) (II)
0.5
(I)
0 Ŧ0.5
Abb. 7.13
Ŧ1 0
0.2
0.4
0.6
0.8
t
1 T
Diese Abweichung k¨ onnen wir noch besser erkennen, wenn wir die ϕ(t)-Verl¨ aufe normiert darstellen. Hierzu tragen wir auf der Ordinate die Werte ϕ(t)/ϕ0 und auf der Abzisse die aktuelle Zeit dividiert durch die entsprechende Schwingungsdauer (t/T ) an. In Abb. 7.13 sind die normierten Winkel-Zeit-Verl¨ aufe dargestellt. Die Schwingungsdauern f¨ ur die verschiedenen Anfangsbedingungen k¨ onnen wir auch analytisch berechnen. Hierzu multiplizieren wir die Bewegungsgleichung mit ϕ˙ und integrieren anschließend u ¨ber die Zeit: ϕ¨ϕ˙ dt + ω 2 sin ϕϕ˙ dt = C t t ϕ 1 2 ϕ˙ + → ω 2 sin ϕ dϕ = C , 2 0 vgl. (2.27). Die Integration u ¨ber ϕ ergibt: 1 2 ϕ˙ + ω 2 (1 − cos ϕ) = C . 2 An der Stelle ϕa gilt ϕ(ϕ ˙ a ) = 0. Damit wird C = ω 2 (1 − cos ϕa ) .
(a)
310
7 Numerische Simulation
Setzen wir dies in (a) ein, so erhalten wir die Winkelgeschwindigkeit: ϕ˙ = ω 2(cos ϕ − cos ϕa ) . Die Periode T der Schwingung ergibt sich in Anlehnung an (1.18) aus 4 ϕ0 dϕ 4 ϕ0 dϕ . = T = ω 0 ϕ˙ ω 0 2(cos ϕ − cos ϕ0 ) Die Schwingungsdauern T f¨ ur die verschiedenen Anfangsbedingungen folgen daraus zu ϕ(0) = 3◦ :
T = 6, 284 s, ◦
ϕ(0) = 179 :
T = 24, 511 s, ◦
ϕ(0) = 179, 99 : T = 42, 935 s.
7.4
Zusammenfassung
311
7.4 Zusammenfassung • Bewegungsgleichungen f¨ uhren zusammen mit den Anfangsbedingungen auf Anfangswertprobleme 1. bzw. 2. Ordnung. Ein Anfangswertproblem 2. Ordnung kann immer in ein System von Differentialgleichungen 1. Ordnung u uhrt werden. ¨ berf¨ • Alle numerischen Integrationsverfahren basieren auf der Berechnung von N¨ aherungsl¨ osungen f¨ ur Differentialgleichungen 1. Ordnung: x˙ = f [t, x(t)] . • Grundidee der numerischen Behandlung ist die Approximation des zeitlichen Verlaufs der gesuchten Funktion x(t) an diskreten Punkten (St¨ utzstellen): ti = t0 + i t ,
i = 0, 1, . . . , n .
• Aus der L¨ osung xi zur Zeit ti (Beginn des Zeitschritts t) wird die L¨ osung xi+1 zur Zeit ti+1 (Ende des Zeitschritts) nach einer bestimmten Vorschrift n¨ aherungsweise ermittelt. • Das einfachste Verfahren ist das Polygonzugverfahren (EulerVorw¨ arts-Verfahren): xi+1 = xi + f [ti , xi ] t . Es ben¨ otigt zur Erzielung einer gew¨ unschten Genauigkeit oft viele Zeitschritte. • Genauere N¨ aherungen liefern das zweistufige bzw. das vierstufige Runge-Kutta-Verfahren. Sie erfordern Funktionsauswertungen an Zwischenwerten.
7.4
Anhang Integrationsverfahren
A
A Integrationsverfahren Eine Differentialgleichung n-ter Ordnung y (n) (t) = f [t, y(t), y (t), ..., y (n−1) (t)]
(A.1)
kann mit den Hilfsfunktionen z1 (t) = y(t) z2 (t) = y (t) ...
= ...
zn (t) = y (n−1) (t) auf ein System von n Differentialgleichungen ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ z2 z1 ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ z2 ⎟ ⎜ ⎟ z3 ⎜ ⎟=⎜ ⎟ → z = f [t, z1 , z2 , ..., zn ] (A.2) ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ... ⎝ ... ⎠ ⎝ ⎠ zn f [t, z1 , z2 , ..., zn ] transformiert werden (Band 4, Abschnitt 7.3). F¨ ur die L¨osung otigen wir noch die Andieses Systems im Zeitintervall [ta , te ] ben¨ fangsbedingungen {y(ta ), y (ta ), ..., y (n−1) (ta )}
→
{z10 , z20 , ..., z(n−1)0 } ,
die wir im Spaltenvektor z0 zusammenfassen. Gegeben:
z0 , ta , te , n, f [t, z]
Schrittweite:
t = (te − ta )/n
Schleife u ¨ ber die Zeitinkremente For i From 0 To n Do ti = ta + i t zi+1 = zi + f [ti , zi ] t End Do Abb. A.1 Eulersches Polygonzugverfahren
A. Integrationsverfahren
315
Die numerische L¨ osung von (A.2) kann mit Hilfe des Eulerschen Polygonzugverfahrens erfolgen. Seine algorithmische Umsetzung ist in Abb.A.1 dargestellt. Bei der N¨ aherungsl¨ osung von (A.2) mit dem Runge-KuttaVerfahren 4. Ordnung sind vier weitere Funktionsauswertungen f¨ ur jede der n Differentialgleichungen 1. Ordnung erforderlich. Fasur l = 1, 2, 3, 4 sen wir die hierzu erforderlichen Zwischenwerte kjl f¨ in den Spaltenvektoren ⎞ ⎞ ⎞ ⎞ ⎛ ⎛ ⎛ ⎛ k11 k12 k13 k14 ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ k21 ⎟ ⎜ k22 ⎟ ⎜ k23 ⎟ ⎜ k24 ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ k1 = ⎜ ⎟ , k2 = ⎜ ⎟ , k3 = ⎜ ⎟ , k4 = ⎜ ⎟ ⎝ ... ⎠ ⎝ ... ⎠ ⎝ ... ⎠ ⎝ ... ⎠ kn1 kn2 kn3 kn4 zusammen, so gelangen wir zu der kompakten Darstellung in Abb.A.2.
Gegeben:
z0 , ta , te , n, f [t, z]
Schrittweite:
t = (te − ta )/n
Schleife u ¨ ber die Zeitinkremente For i From 0 To n Do ti = ta + i t k1 = f [ti , zi ] t t , z i + k1 ] k2 = f [ti + 2 2 k3 = f [ti +
t t , z i + k2 ] 2 2
k4 = f [ti + t, zi + k3 t] zi+1 = zi +
t (k1 + 2 k2 + 2 k3 + k4 ) 6
End Do Abb. A.2 Runge-Kutta-Verfahren 4.Ordnung
Englische Fachausdr¨ ucke Englisch
Deutsch
absolute acceleration
Absolutbeschleunigung
absolute velocity
Absolutgeschwindigkeit
acceleration
Beschleunigung
air resistance
Luftwiderstand
amplitude
Amplitude
angle of revolution
Drehwinkel
angular acceleration
Winkelbeschleunigung
angular momentum
Drehimpuls, Drall
angular velocity
Winkelgeschwindigkeit
areal velocity
Fl¨ achengeschwindigkeit
axial mass moment of inertia
axiales Massentr¨ agheitsmoment
axis of rotation
Drehachse
balance
Auswuchten
Cartesian coordinates
kartesische Koordinaten
center of mass
Massenmittelpunkt
central force motion
Zentralbewegung
centripetal acceleration
Zentripetalbeschleunigung
circular frequency
Kreisfrequenz
circular motion
Kreisbewegung
coefficient of restitution
Stoßzahl
compound pendulum
physikalisches Pendel
conservation of
Drehimpulserhaltung
angular momentum conservation of energy
Energieerhaltung
conservation of
Impulserhaltung
linear momentum conservative
konservativ
constrained motion
gebundene Bewegung
318
Englische Fachausdr¨ ucke
constraint
Bindung, Zwangsbedingung
Coriolis acceleration
Coriolisbeschleunigung
Coriolis force
Corioliskraft
critical damping
aperiodischer Grenzfall
curvilinear motion
krummlinige Bewegung
cylindrical coordinates
Zylinderkoordinaten
damped vibrations
ged¨ ampfte Schwingungen
damping
D¨ ampfung
damping coefficient
D¨ ampfungskonstante
damping factor
D¨ ampfungsgrad, Lehrsches D¨ ampfungsmaß
degree of freedom
Freiheitsgrad
density
Dichte
dissipation of energy
Energieverlust, Dissipation
dynamics
Dynamik
dynamic vibration absorber
Schwingungstilger
eigenfunction
Eigenfunktion
eigenvalue
Eigenwert
elastic impact
elastischer Stoß
energy
Energie
energy dissipation
Energieverlust, Dissipation
equation of motion
Bewegungsgleichung
excitation frequency
Erregerfrequenz
force
Kraft
forced vibrations
erzwungene Schwingungen
frame of reference
Bezugssystem
free vibrations
freie Schwingungen
frequency
Frequenz
frequency ratio
Frequenzverh¨ altnis
frequency response
Amplitudenfrequenzgang
Englische Fachausdr¨ ucke
generalized coordinate
generalisierte Koordinate, verallgemeinerte Koordinate
generalized force
generalisierte Kraft, verallgemeinerte Kraft
gravitational acceleration
Erdbeschleunigung
gravitational constant
Gravitationskonstante
gravity field
Schwerefeld
gyroscope
Kreisel
harmonic excitation
harmonische Anregung
harmonic oscillation
harmonische Schwingung
harmonic vibration
harmonische Schwingung
herpolhode
Rastpolbahn
impact
Stoß
inclined plane
schiefe Ebene
inelastic impact
plastischer Stoß
inertia force
Tr¨ agheitskraft
inertia tensor
Tr¨ agheitstensor
inertial frame of reference
Inertialsystem
inertial system
Inertialsystem
initial conditions
Anfangsbedingungen
instantaneous
momentan
instantaneous center of rotation
Momentanpol
kinematics
Kinematik
kinetic energy
kinetische Energie
kinetic energy of rotation
Rotationsenergie
kinetic energy of translation
Translationsenergie
kinetics
Kinetik
Lagrange’s equations
Lagrangesche Gleichungen
Lagrangian function
Lagrangesche Funktion
319
320
Englische Fachausdr¨ ucke
linear momentum
Impuls, Bewegungsgr¨ oße
logarithmic decrement
logarithmisches Dekrement
magnification factor
Vergr¨ oßerungsfunktion
mass density
Massendichte
mass moment of inertia
Massentr¨ agheitsmoment
moment of deviation
Deviationsmoment, Zentrifugalmoment
moment of momentum
Drall, Drehimpuls
motion
Bewegung
motion in a central force field
Zentralbewegung
natural coordinates
nat¨ urliche Koordinaten
natural frequency
Eigenfrequenz
natural mode
Eigenform
natural vibration
Eigenschwingung
Newton’s laws of motion
Newtonsche Gesetze
normal acceleration
Normalbeschleunigung
oblique impact
schiefer Stoß
oscillation
Schwingung
parallel axes theorem
Satz von Steiner
particle
Massenpunkt
path
Weg
path acceleration
Bahnbeschleunigung
path independent
wegunabh¨ angig
pendulum
Pendel
period
Periode, Schwingungsdauer
phase angle
Phasenverschiebung, Phasenwinkel
phase diagram
Phasendiagramm
phase response
Phasenfrequenzgang
plane motion
ebene Bewegung
Englische Fachausdr¨ ucke
polar coordinates
Polarkoordinaten
polehode
Gangpolbahn
position vector
Ortsvektor
potential energy
potentielle Energie
power
Leistung
principal axis
Hauptachse
principal modes of vibration
Hauptschwingungsformen
principal moment of inertia
Haupttr¨ agheitsmoment
principle of angular
Drallsatz, Drehimpulssatz,
momentum
Momentensatz
principle of linear momentum
Impulssatz, Schwerpunktsatz
principle of virtual work
Prinzip der virtuellen Arbeit
principle of work and energy
Arbeitssatz
radial
radial
radius of gyration
Tr¨ agheitsradius
rectilinear motion
geradlinige Bewegung
relative acceleration
Relativbeschleunigung
relative motion
Relativbewegung
relative velocity
Relativgeschwindigkeit
resisting force
Widerstandskraft
resonance
Resonanz
restoring force
R¨ uckstellkraft
revolution
Umdrehung
rigid-body motion
Starrk¨ orperbewegung
rotation
Rotation
simple pendulum
mathematisches Pendel
space motion
r¨ aumliche Bewegung
speed
Bahngeschwindigkeit
spinning top
Kreisel
spring
Feder
spring constant
Federsteifigkeit
321
322
Englische Fachausdr¨ ucke
spring stiffness
Federsteifigkeit
springs in parallel
Parallelschaltung von Federn
springs in series
Reihenschaltung von Federn
steady state vibration
eingeschwungener Zustand
system of particles
Massenpunktsystem
tangential acceleration
Bahnbeschleunigung
torsional spring
Drehfeder
torsional vibration
Drehschwingung
transverse
transversal
undamped
unged¨ ampft
unbalance
Unwucht
unbalanced
nicht ausgewuchtet
velocity
Geschwindigkeit
vibration
Schwingung
vibration period
Schwingungsdauer
virtual displacement
virtuelle Verr¨ uckung
virtual work
virtuelle Arbeit
viscous
viskos
work
Arbeit
Deutsch
Englisch
Absolutbeschleunigung
absolute acceleration
Absolutgeschwindigkeit
absolute velocity
Amplitude
amplitude
Amplitudenfrequenzgang
frequency response
Anfangsbedingungen
initial conditions
aperiodischer Grenzfall
critical damping
Arbeit
work
Englische Fachausdr¨ ucke
Arbeitssatz
principle of work and energy
Auswuchten
balance
axiales Massentr¨ agheitsmoment
axial mass moment of inertia
Bahnbeschleunigung
path acceleration, tangential acceleration
Bahngeschwindigkeit
speed
Beschleunigung
acceleration
Bewegung
motion
Bewegungsgleichung
equation of motion
Bewegungsgr¨ oße
linear momentum
Bezugssystem
frame of reference
Bindung
constraint
Coriolisbeschleunigung
Coriolis acceleration
Corioliskraft
Coriolis force
D¨ ampfung
damping
D¨ ampfungsgrad
damping factor
D¨ ampfungskonstante
damping coefficient
D¨ ampfungsmaß
damping factor
Deviationsmoment
moment of deviation
Dichte
density
Drall
angular momentum, moment of
Drallsatz
principle of angular momentum
Drehachse
axis of rotation
Drehfeder
torsional spring
Drehimpuls
angular momentum, moment of
momentum
momentum Drehimpulserhaltung
conservation of angular momentum
Drehimpulssatz
principle of angular momentum
323
324
Englische Fachausdr¨ ucke
Drehschwingung
torsional vibration
Drehvektor
instantaneous axis of rotation
Drehwinkel
angle of revolution
Dynamik
dynamics
ebene Bewegung
plane motion
Eigenfrequenz
natural frequency, eigenfrequency
Eigenfunktion
eigenfunction
Eigenschwingung
natural vibration
Eigenschwingungsform
natural mode, eigenform
Eigenwert
eigenvalue
eingeschwungener Zustand
steady state vibration
elastischer Stoß
elastic impact
Energie
energy
Energieerhaltung
conservation of energy
Energieverlust
energy dissipation
Erdbeschleunigung
gravitional acceleration
Erregerfrequenz
excitation frequency
erzwungene Schwingungen
forced vibrations
Feder
spring
Federsteifigkeit
spring constant, spring stiffness
Fl¨ achengeschwindigkeit
areal velocity
freie Schwingungen
free vibrations
Freiheitsgrad
degree of freedom
Frequenz
frequency
Frequenzverh¨ altnis
frequency ratio
Gangpolbahn
polhode
gebundene Bewegung
constrained motion
ged¨ ampfte Schwingungen
damped vibrations
generalisierte Koordinate
generalized coordinate
Englische Fachausdr¨ ucke
generalisierte Kraft
325
generalized force
geradlinige Bewegung
rectilinear motion
Geschwindigkeit
velocity
Gravitationskonstante
gravitational constant
harmonische Anregung
harmonic excitation
harmonische Schwingung
harmonic vibration, harmonic oscillation
Hauptachse
principal axis
Hauptschwingungsformen
principal modes of vibration
Haupttr¨ agheitsmoment
principal moment of inertia
Impuls
linear momentum
Impulserhaltung
conservation of linear momentum
Impulssatz
principle of linear momentum
Inertialsystem
inertial system, inertial frame of reference
kartesische Koordinaten
Cartesian coordinates
Kinematik
kinematics
Kinetik
kinetics
kinetische Energie
kinetic energy
konservativ
conservative
Kraft
force
Kreisbewegung
circular motion
Kreisel
gyroscope, spinning top
Kreisfrequenz
circular frequency
krummlinige Bewegung
curvilinear motion
Lagrangesche Funktion
Lagrangian function
Lagrangesche Gleichungen
Lagrange’s equations
Lehrsches D¨ ampfungsmaß
damping factor
Leistung
power
326
Englische Fachausdr¨ ucke
logarithmisches Dekrement
logarithmic decrement
Luftwiderstand
air resistance
Massendichte
mass density
Massenmittelpunkt
center of mass
Massenpunkt
particle
Massenpunktsystem
system of particles
Massentr¨ agheitsmoment
mass moment of inertia
mathematisches Pendel
simple pendulum
momentan
instantaneous
Momentanpol
instantaneous center of rotation
Momentensatz
principle of angular momentum
nat¨ urliche Koordinaten
natural coordinates
Newtonsche Gesetze
Newton’s laws of motion
Normalbeschleunigung
normal acceleration
Ortsvektor
position vector
Parallelschaltung von Federn
springs in parallel
Pendel
pendulum
Periode
period
Phasendiagramm
phase diagram
Phasenfrequenzgang
phase response
Phasenverschiebung
phase angle
physikalisches Pendel
compound pendulum
plastischer Stoß
inelastic impact
Polarkoordinaten
polar coordinates
potentielle Energie
potential energy
Prinzip der virtuellen Arbeit
principle of virtual work
radial
radial
r¨ aumliche Bewegung
space motion
Rastpolbahn
herpolhode
Englische Fachausdr¨ ucke
Reihenschaltung von Federn
springs in series
Relativbeschleunigung
relative acceleration
Relativbewegung
relative motion
Relativgeschwindigkeit
relative velocity
Resonanz
resonance
Rotation
rotation
Rotationsenergie
kinetic energy of rotation
R¨ uckstellkraft
restoring force
Satz von Steiner
parallel axes theorem
schiefe Ebene
inclined plane
schiefer Stoß
oblique impact
Schwerefeld
gravity field
Schwerpunktsatz
principle of linear momentum
Schwingung
oscillation, vibration
Schwingungsdauer
vibration period, period
Schwingungstilger
dynamic vibration absorber
Starrk¨ orperbewegung
rigid-body motion
Stoß
impact
Stoßzahl
coefficient of restitution
Tilger
dynamic vibration absorber
Tr¨ agheitskraft
inertia force
Tr¨ agheitsradius
radius of gyration
Tr¨ agheitstensor
inertia tensor
Translationsenergie
kinetic energy of translation
transversal
transverse
Umdrehung
revolution
unged¨ ampft
undamped
Unwucht
unbalance
verallgemeinerte Koordinate
generalized coordinate
verallgemeinerte Kraft
generalized force
327
328
Englische Fachausdr¨ ucke
Vergr¨ oßerungsfunktion
magnification factor
virtuelle Arbeit
virtual work
virtuelle Verr¨ uckung
virtual displacement
viskos
viscous
Weg
path
wegunabh¨ angig
path independent
Widerstandskraft
resisting force
Winkelbeschleunigung
angular acceleration
Winkelgeschwindigkeit
angular velocity
Zentralbewegung
central force motion, motion in
Zentrifugalmoment
moment of deviation
Zentripetalbeschleunigung
centripetal acceleration
Zwangsbedingung
constraint
Zylinderkoordinaten
cylindrical coordinates
a central force field
Sachverzeichnis
329
Sachverzeichnis Abklingkoeffizient 236 Absolut-beschleunigung 271, 274 – -geschwindigkeit 271 f. Abstimmung 243 Amplitude 216 Amplitudenfrequenzgang 251 Anfangs-bedingung 9, 216, 288, 297 f., 314 – -wertproblem 287 ff. aperiodischer Grenzfall 237 Arbeit 63, 93, 141 Arbeitssatz 64, 93, 142, 158 Auswuchten 183 axiales Massentr¨ agheitsmoment 137, 174 Bahn-beschleunigung 32 – -geschwindigkeit 6, 32 Beschleunigung 6 – , Absolut- 271, 274 – , Bahn- 32 – , Coriolis- 275 – , Erd- 10, 38 – , F¨ uhrungs- 272, 275 – , Normal- 32 – , radiale 24 – , Relativ- 272, 275 – , Winkel- 25 – , Zentripetal- 26 – , zirkulare 24 Beschleunigungsplan 123 Bewegung – , ebene 23 ff., 121 ff., 146 ff., 182 ff. – , freie 38 – , gebundene 42 ff., 197 – , gef¨ uhrte 42 ff., 197 – , geradlinige 7 ff.
– , gleichf¨ ormige 9 – , gleichm¨ aßig beschleunigte – , Kreis- 25, 33 – , Kriech- 237 – , Planeten- 26, 61, 72 ff. – , r¨ aumliche 30 ff., 125 – , Satelliten- 72 ff. – , Zentral- 26 Bewegungsgr¨ oße 36 Bezugssystem – , bewegtes 271 ff., 277 ff. – , ruhendes 37 Bindungen – , kinematische 81 – , physikalische 83 – , starre 81, 93 Bindungsgleichungen 81 Bogenl¨ ange 6
10
Coriolis-beschleunigung 275 – -kraft 278 Coulombsche Reibung 46 D’Alembert-sches Prinzip 197 – -sche Tr¨ agheitskraft 191 D¨ ampfungs-grad 236 – -konstante 235 – -maß 236 Dekrement, logarithmisches 240 Deviationsmoment 174 Drall 60 – -satz 60 ff., 90, 148 – -vektor 59 Drehimpuls 59, 136, 172 ff. – -erhaltung 90, 136 – -satz 60 ff., 90, 157, 173 – -vektor 59 Drehvektor 119 dynamisches Gleichgewicht 191
330
Sachverzeichnis
ebene Bewegung 23 ff., 121 ff., 146 ff., 182 ff. Eigen-frequenz 220 – -schwingungen 218 ff., 255 ff. Einschwingvorgang 244, 250 elastischer Stoß 54 Energie – , kinetische 64, 93, 141, 157 – , potentielle 67 – , Rotations- 158 – -satz 68, 94, 142, 158 – , Translations- 158 Erdbeschleunigung 10, 38 Erregerfrequenz 242 erzwungene Schwingungen 218, 242 ff., 264 ff. Eulersche Gleichungen 177 Eulersches Polygonzugverfahren 289 ff. explizites Verfahren 289 Fall – , freier 10 – -mit Luftwiderstand 48 Feder – , Ersatz- 227 ff. – -nachgiebigkeit 227 – -potential 69 – -zahlen 224 ff. Fl¨ achen-geschwindigkeit 26, 60, 74 – -satz 26 Fl¨ achentr¨ agheitsmoment – , polares 137 Fl¨ ussigkeitsreibung 235 freie Schwingungen 218 ff., 255 ff. Freiheitsgrad 38, 42, 82 ff., 117 Frequenz 215 – , Eigen- 220
– , Erreger- 242 – , Kreis- 216 – -verh¨ altnis 243 F¨ uhrungs-beschleunigung 272, 275 – -geschwindigkeit 272, 274 – -kraft 43, 278 Galilei 1, 10, 37 ged¨ ampfte Schwingungen 217, 232 ff., 247 ff. generalisierte Koordinaten 201 Geschwindigkeit 5 – , Absolut- 271 f. – , Bahn- 6, 32 – , Fl¨ achen- 26, 60, 74 – , F¨ uhrungs- 272, 274 – , radiale 24 – , Relativ- 272, 274 – , Winkel- 25, 119 – , zirkulare 24 Geschwindigkeitsplan 123 Gewicht 38 Gravitations-gesetz 72 – -konstante 72 – -potential 69, 73 harmonische Schwingung 16, 216 Haupt-achsensystem 175 – -schwingung 258 – -tr¨ agheitsmoment 175 Hertz 215 Impuls 36, 87, 171 – , Dreh- 59, 136, 172 ff. – -erhaltung 52, 88 – -moment 59 – -satz 52 ff., 87, 157 Inertialsystem 37, 270, 279 Joule
64
Keplersche Gesetze
26, 61, 72 ff.
Sachverzeichnis
Kinematik 1, 5 ff., 117 ff., 271 ff. Kinetik 1, 36 ff., 134 ff., 146 ff., 170 ff. kinetische Energie 64, 93, 141, 157 K¨ orper – , starrer 83, 117 Kompressionsperiode 54, 98 konservative Kraft 66, 94 konservatives System 95 Koordinaten – , generalisierte 201 – , kartesische 7 – , nat¨ urliche 30 – , Polar- 23 – , verallgemeinerte 201 – , Zylinder- 30 Kr¨ aftesatz 148, 171 Kraft –,¨ außere 83 – , Coriolis- 278 – -erregung 247 – -feld, wirbelfreies 68 – , F¨ uhrungs- 43, 278 – , innere 83 – , konservative 66, 94 – , Reaktions- 43 – , Reibungs- 46 – , Schein- 191, 278 – , Schub- 108 – , Stoß- 53, 98 – -stoß 53 – , Tr¨ agheits- 191 – , verallgemeinerte 204 – , Widerstands- 45 ff. – , Zwangs- 43 Kreisbewegung 25, 33 Kreisel – , Kugel- 187
331
– , momentenfreier 186 Kreisfrequenz 216 Kriechbewegung 237 Kugelkreisel 187 Lagrangesche-Funktion 204 – -Gleichungen 2. Art 200 ff. Lehrsches D¨ ampfungsmaß 236 Leistung 65, 141 logarithmisches Dekrement 240 Masse – , ver¨ anderliche 106 ff. Massen-mittelpunkt 86 – -punkt 36 – -punktsystem 81 ff. – -tr¨ agheitsmoment 61, 91, 135 ff., 174 mathematisches Pendel 62, 221 Mittelpunktsregel 291 Momentan-pol 129 – -zentrum 129 Momentensatz 58 ff., 90, 135, 148, 173 nat¨ urliche Koordinaten 30 Newton 1, 38 Newtonsche Gesetze 36 ff. Normalbeschleunigung 32 Parallelschaltung von Federn 226 Pendel-l¨ ange, reduzierte 222 – , mathematisches 62, 221 – , physikalisches 221 Periode 215 periodische Schwingungen 215 Phasen-frequenzgang 251 – -kurve 17 – -verschiebung 217 physikalisches Pendel 221 Planetenbewegung 26, 61, 72 ff.
332
Sachverzeichnis
plastischer Stoß 55 Polarkoordinaten 23 Polygonzugverfahren – , Eulersches 289 ff. Potential 67, 94 – , Feder- 69 – , Gravitations- 69, 72 potentielle Energie 67 Prinzip – -der virtuellen Arbeiten 198 – -von d’Alembert 197 Prinzipien der Mechanik 190 ff. Rastpolplan 132 reduzierte Pendell¨ ange 222 Reihenschaltung von Federn 227 Relativ-beschleunigung 272, 275 – -bewegung 271 ff. – -geschwindigkeit 272, 274 Resonanz 244 Restitutionsperiode 54, 98 Rotation 117 ff., 134, 148, 157 – -des Bezugssystems 272 Rotationsenergie 158 Runge-Kutta-Verfahren 291 ff. Scheinkraft 191, 278 Schubkraft 108 Schwerpunktsatz 87, 148 Schwinger 215 – , einfache 218 Schwingungen 16, 215 ff. – , angefachte 217 – , Eigen- 218 ff., 255 ff. – , erzwungene 218, 242 ff., 264 ff. – , freie 218 ff., 255 ff. – , ged¨ ampfte 217, 232 ff., 247 ff. – , harmonische 16, 216 – , Haupt- 258
– , periodische 215 – , unged¨ ampfte 217, 242 Schwingungs-dauer 215 – -tilgung 267 Sinus amplitudinis 309 starrer K¨ orper 83, 117 Statik 1, 37 Steiner – , Satz von 137 Stokessches Widerstandsgesetz Stoß 52 ff., 96 ff., 162 ff. – -bedingung 101 f., 164 – , elastischer 54, 98 – , exzentrischer 97, 162 ff. – , gerader 97, 162 – -kraft 53, 98 – -mittelpunkt 165 – -normale 97 – , plastischer 55, 98 – , schiefer 97 ff., 102 ff., 162 – , teilelastischer 55, 98 – -zahl 55 ff., 98, 101 – , zentrischer 97
47
teilelastischer Stoß 55 Tilgung 267 Tr¨ agheits-gesetz 1, 37 – -kraft 191 – -radius 137 – -tensor 174 Translation 117, 148 – -des Bezugssystems 271 Translationsenergie 158 Umformwirkungsgrad 101 unged¨ ampfte Schwingungen 217, 242 Unwuchterregung 249 verallgemeinerte – -Koordinaten 201
Sachverzeichnis
– -Kr¨ afte 204 Vergr¨ oßerungsfunktion 244, 251 virtuelle Arbeiten, Prinzip der 198 virtuelle Verr¨ uckungen 197 Watt 65 Widerstands-beiwert 48 – -kraft 45 ff. Winkel-beschleunigung 25 – -geschwindigkeit 25, 119 – -geschwindigkeitsvektor 119 wirbelfreies Kraftfeld 68 Wirkungsgrad 66 Wurf-parabel 40 – , schiefer 39 – , senkrechter 10 Zentralbewegung 26 Zentrifugalmoment 174 Zentripetalbeschleunigung Zwangskraft 43 Zylinderkoordinaten 30
26
333