Teaching Library: Förderung von Informationskompetenz durch Hochschulbibliotheken 9783110273014, 9783110272956

This book describes the transformation of university and college libraries into teaching libraries which offer space and

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German Pages 270 [272] Year 2012

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Table of contents :
Abkürzungsverzeichnis
1 Die Bibliothek als Ort der Bildung, der Forschung und des Lernens
2 Information, Wissen, Informationskompetenz und die Rolle der wissenschaftlichen Bibliothek
2.1 Daten, Information, Wissen
2.2 Rolle der wissenschaftlichen Bibliothek im Prozess der Wissensbildung
2.3 Kompetenz und Schlüsselqualifikation
2.4 Wandel der Informationspraxis im Hochschulstudium
2.5 Information Literacy und Informationskompetenz im Hochschulstudium
2.6 Modelle der Information Literacy
2.7 Standards der Information Literacy und der Informationskompetenz
2.8 Zusammenfassung
3 Empirische Befunde zum wissenschaftsbezogenen Informationsverhalten
3.1 Lern- und Informationsverhalten Studierender
3.2 Internationale Befunde zum aktuellen wissenschaftsbezogenen Informationsverhalten
3.2.1 Die CIBER-Studien in Großbritannien
3.2.2 Empirische Befunde zur „Google-Generation“ und zur „Net Generation“
3.2.3 Die Studie von Head / Eisenberg in den USA
3.2.4 Informationsverhalten und Bibliothek
3.3 Nationale Befunde zum Informationsverhalten Studierender
3.3.1 Die „SteFI-Studie“
3.3.2 Lokale Studien an deutschen Hochschulen zum Informationsverhalten Studierender
3.4 Informationskompetenz Studierender – Herausforderungen und Forschungsstand
3.4.1 Nationaler Forschungsstand zur Informationskompetenz
3.4.2 Nationale Bestandsaufnahmen zur Informationskompetenz
3.4.3 Augsburger Untersuchungen zur Informationskompetenz Studierender
3.4.4 Bielefelder Untersuchung zum Arbeitsverhalten der Bachelor-Studierenden
3.4.5 Freiburger Erhebungen zur Informationskompetenz im Bachelor- und Lehramtsstudium
3.4.6 ZBW-Studie zum Informationsmanagement von Studierenden und Wissenschaftlern
3.4.7 Karlsruher Mediennutzungsstudie
3.5 Zusammenfassung
4 Die Hochschulbibliothek als Ort des Lernens und Lehrens
4.1 Teaching Library, Learning Library, Lernzentrum
4.1.1 Begriffliche Facetten des Lernorts Bibliothek
4.1.2 Teaching Library / Lehrende Bibliothek
4.1.3 Learning Library oder Bibliothekslernzentrum
4.1.4 „Teaching Library“ oder „Learning Library“?
4.1.5 Information Commons und Learning Grids
4.2 Lehr-Lernort Hochschulbibliothek
4.2.1 Lernort und Lernkultur
4.2.2 Lernwirksamkeit außerschulischer Lernorte
4.3 Die Architektur der Teaching Library
4.4 Zusammenfassung
5 Konzepte der Teaching Library in deutschen Hochschulbibliotheken
5.1 Statistische Daten zum Schulungsangebot der Wissenschaftlichen Bibliotheken
5.2 Organisationsmodelle der Teaching Library
5.3 Kursmodelle der Teaching Library
5.3.1 Stufenmodelle
5.3.2 Bibliotheksveranstaltung als fachübergreifendes Wahlpflicht-Angebot
5.3.3 Bibliothekssemesterveranstaltung als fachbezogenes Pflicht-/Wahlpflicht-Angebot
5.3.4 Fakultatives Bibliotheks(semester)angebot
5.3.5 Eingebetteter Bibliothekskurs als Pflichtangebot
5.3.6 Additive Kursangebotsmodelle
5.4 E-Learning in der Teaching Library
5.5 Evaluation und Qualitätssicherung der Vermittlung von Informationskompetenz
5.6 Zusammenfassung
6 Didaktische Anforderungen an die Teaching Library
6.1 Grundlagen des Lehrens und Lernens
6.2 Lehrstrategie MOMBI als Modell für Bibliothekskurse
6.3 Selbstgesteuertes Lernen in der Teaching Library
6.4 Pädagogisch-didaktische Qualifizierung und Fortbildung
6.5 Zusammenfassung
7 Die Teaching Library – ein Rahmenmodell
7.1 Kritische Einwände gegen die Teaching Library
7.2 Überregionale Empfehlungen zur Förderung von Informationskompetenz
7.3 Komponenten eines Rahmenmodells
7.3.1 Grundlegung und Begründung
7.3.2 Integration der Teaching Library in die Hochschule
7.3.3 Zielgruppen und Ziele
7.3.4 Curriculum und Lehrplan
7.3.5 Musterlehrplan der Teaching Library
7.3.6 Einbindung des Schulungs- und Kursprogramms in das Studium
7.3.7 Personelle Kapazitäten
7.3.8 Didaktische Qualifizierung und Fortbildung des Bibliothekspersonals
7.3.9 Kooperationen in und außerhalb der Hochschule
7.4 Zusammenfassung
8 Schluss und Ausblick
9 Anhang
A. ACRL-Standards der Information Literacy (2000)
B. Deutscher Bibliotheksverband e.V.: Standards der Informationskompetenz für Studierende
C. DINI e.V.: Informations- und Kommunikationsstruktur der Zukunft (2009)
D. Vertrag zwischen dem Verein Deutscher Bibliothekare und dem Deutschen Hochschulverband (2003)
E. Hamburger Erklärung des Vereins Deutscher Bibliothekare e.V. (VDB)
F. KII: Gesamtkonzept für die Informationsinfrastruktur in Deutschland (2011)
G. Bibliothek & Information Deutschland (BID): Medien- und Informationskompetenz
Abbildungsverzeichnis
Register
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Teaching Library: Förderung von Informationskompetenz durch Hochschulbibliotheken
 9783110273014, 9783110272956

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Wilfried Sühl-Strohmenger Teaching Library

Bibliothek: Monographien zu Forschung und Praxis (BMFP)

Band 1

DE GRUYTER SAUR

Wilfried Sühl-Strohmenger

Teaching Library

Förderung von Informationskompetenz durch Hochschulbibliotheken

DE GRUYTER SAUR

Bibliothek: Monographien zu Forschung und Praxis (BMFP) Herausgegeben von Elmar Mittler, Klaus Ceynowa, Andreas Degkwitz, Paul Kaegbein, Hans Joachim Kuhlmann, Norbert Lossau, Claudia Lux, Konrad Marwinski, Johanna Rachinger, Michael Seadle, Peter Vodosek, Hannelore Vogt und Cornelia Vonhof In Bibliothek: Monographien zu Forschung und Praxis werden aktuelle Forschungsergebnisse und Praxisberichte in Form von Autorenwerken und Sammelbänden veröffentlicht. Die Reihe ist der kritischen Untersuchung und Darstellung wichtiger Aspekte des wissenschaftlichen und öffentlichen Bibliotheks- und Informationswesens im nationalen und internationalen Kontext gewidmet. Auf die Berücksichtigung internationaler Entwicklungen und Quellen wird besonderer Wert gelegt. Die Bände stellen substanzielle Beiträge zur fachlichen Information sowie zur professionellen und wissenschaftlichen Weiterentwicklung des Bibliotheks- und Informationswesens im deutschsprachigen Raum dar.

isbn 978-3-11-027295-6 e-isbn 978-3-11-027301-4 issn 2193-780X

Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2012 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ∞ Printed on acid-free paper Printed in Germany www.degruyter.com

Was ist die Weisheit eines Buches gegen die Weisheit eines Engels? (Friedrich Hölderlin)

Vorwort Die Teaching Library hat sich in den vergangenen acht bis zehn Jahren im deutschen Hochschulbibliothekswesen ausdifferenziert und gefestigt. In der gemeinsam mit Claudia Lux im Jahr 2004 vorgelegten ersten umfassenden Bestandsaufnahme zur Teaching Library in Deutschland erschien noch vieles improvisiert und lokal geprägt. Das galt für die öffentlichen wie für die wissenschaftlichen Bibliotheken gleichermaßen. Man spürte die Aufbruchstimmung und das große Engagement vieler Bibliothekarinnen und Bibliothekare 1, die in der Vermittlung von Informationskompetenz für Schüler, Studierende, Wissenschaftler und andere Nutzergruppen der Bibliotheken eine neue Kernaufgabe sahen. Dies ist sie zwischenzeitlich auch geworden, allerdings sind seitdem die Anforderungen an die Bibliothek als Teaching Library erheblich gewachsen: Die Zahlen der zu unterrichtenden Personen wachsen immer mehr an und haben für den Bereich der wissenschaftlichen Bibliotheken die Marke von einer halbe Million Menschen fast überschritten, die Innovationen im Bibliotheksund Informationssektor haben in der digitalen Welt erheblich an Tempo und Reichweite gewonnen, das Internet ist noch ausgeprägter zur Hauptbezugsquelle an Informationen für jüngere und ältere Menschen gleichermaßen geworden. Im Bereich der öffentlichen Bibliotheken spielt zudem die Lese-, Informations- und Medienkompetenz für Kinder und Jugendliche aus Familien mit Migrationshintergrund eine besonders wichtige Rolle, während die wissenschaftlichen Bibliotheken vor allem mit dem studiums- und forschungsbezogenen Informationsverhalten zu tun haben. Das vorliegende Buch konzentriert sich bewusst auf die Universitäten und die Hochschulen, zwar mit Schwerpunkt auf Deutschland, jedoch mit Seitenblicken und direkten Bezügen auf die internationalen Impulse zur Information Literacy, zur Bibliothek als Learning Centre und zur Teaching Library. Die Basis der Analyse bildet die empirisch vorfindbare Informationspraxis, nicht aber ein abstrakter theoretischer Rahmen. Dennoch werden die für das Thema wesentlichen Erkenntnisse der Bibliotheks- und Informationswissenschaft sowie der Erziehungswissenschaft einbezogen, wo immer es naheliegend erscheint. 1 Hier werden beide Formen für das weibliche und für das männliche Geschlecht verwendet. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird darauf im weiteren Fortgang des Buches verzichtet und in der Regel nur noch die männliche Form verwendet, sofern es nicht geschlechtsneutrale Bezeichnungen gibt. Diese Vorgehensweise beruht also nicht auf einer Diskriminierung des weiblichen Geschlechts, sondern geschieht einzig und allein mit Blick auf die Leserinnen und Leser.

VIII

Vorwort

Das Buch soll schließlich den modellhaften Rahmen einer Teaching Library für Hochschulbibliotheken in Deutschland erbringen. Inwieweit das gelungen ist, überlasse ich dem Urteil der kundigen Leser. Großen Dank schulde ich zunächst dem Verlag De Gruyter Saur, namentlich Frau Alice Keller, die sich meines Vorhabens unkompliziert und höchst kooperativ annahm, ferner danke ich Frau Claudia Heyer für die verlagstechnische Umsetzung der Buchvorlage. Besonders danken möchte ich Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Elmar Mittler, der mein Manuskript nach eingehender Prüfung für die von ihm verantwortete Schriftenreihe ausgewählt hat und es an nachdrücklicher Ermutigung nicht hat fehlen lassen. Schließlich danke ich allen denen, die mir mit Hinweisen und Kritik geholfen haben, nicht zuletzt meiner Familie, die nicht immer klaglos, dennoch verständnisvoll meine zeitliche Zuwendung zu diesem Buchprojekt über einen längeren Zeitraum toleriert hat. Freiburg im Breisgau, im September 2011 Dr. Wilfried Sühl-Strohmenger

Inhalt Abkürzungsverzeichnis

XIII

1

Die Bibliothek als Ort der Bildung, 1 der Forschung und des Lernens

2

Information, Wissen, Informationskompetenz 9 und die Rolle der wissenschaftlichen Bibliothek 9 Daten, Information, Wissen Rolle der wissenschaftlichen Bibliothek im Prozess der Wissensbildung 13 Kompetenz und Schlüsselqualifikation 17 Wandel der Informationspraxis im Hochschulstudium 20 Information Literacy und Informationskompetenz im Hochschulstudium 23 Modelle der Information Literacy 29 Standards der Information Literacy und der Informationskompetenz 36 Zusammenfassung 42

2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.3 3.3.1 3.3.2

Empirische Befunde zum wissenschaftsbezogenen 45 Informationsverhalten 45 Lern- und Informationsverhalten Studierender Internationale Befunde zum aktuellen wissenschaftsbezogenen Informationsverhalten 49 49 Die CIBER-Studien in Großbritannien Empirische Befunde zur „Google-Generation“ und zur „Net Generation“ 56 Die Studie von Head / Eisenberg in den USA 58 Informationsverhalten und Bibliothek 59 Nationale Befunde zum Informationsverhalten Studierender 64 Die „SteFI-Studie“ 65 Lokale Studien an deutschen Hochschulen 69 zum Informationsverhalten Studierender

X

3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.4.5 3.4.6 3.4.7 3.5 4

4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.2 4.2.1 4.2.2 4.3 4.4 5 5.1 5.2

Inhalt

Informationskompetenz Studierender – 74 Herausforderungen und Forschungsstand Nationaler Forschungsstand zur Informationskompetenz 78 Nationale Bestandsaufnahmen zur Informationskompetenz 80 Augsburger Untersuchungen zur Informationskompetenz Studierender 81 Bielefelder Untersuchung zum Arbeitsverhalten der Bachelor-Studierenden 83 Freiburger Erhebungen zur Informationskompetenz im Bachelor- und Lehramtsstudium 84 ZBW-Studie zum Informationsmanagement von Studierenden und Wissenschaftlern 90 Karlsruher Mediennutzungsstudie 91 Zusammenfassung 93 Die Hochschulbibliothek als Ort 97 des Lernens und Lehrens Teaching Library, Learning Library, Lernzentrum 97 Begriffliche Facetten des Lernorts Bibliothek 99 Teaching Library / Lehrende Bibliothek 101 Learning Library oder Bibliothekslernzentrum 102 „Teaching Library“ oder „Learning Library“? 104 Information Commons und Learning Grids 107 109 Lehr-Lernort Hochschulbibliothek 110 Lernort und Lernkultur 113 Lernwirksamkeit außerschulischer Lernorte 115 Die Architektur der Teaching Library Zusammenfassung 118 Konzepte der Teaching Library in deutschen Hochschulbibliotheken 121 Statistische Daten zum Schulungsangebot der Wissenschaftlichen Bibliotheken 121 Organisationsmodelle der Teaching Library

125

Inhalt

5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5 5.3.6 5.4 5.5 5.6 6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 7 7.1 7.2 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 7.3.5

Kursmodelle der Teaching Library 128 130 Stufenmodelle Bibliotheksveranstaltung als fachübergreifendes 131 Wahlpflicht-Angebot Bibliothekssemesterveranstaltung als fachbezogenes 133 Pflicht-/Wahlpflicht-Angebot 135 Fakultatives Bibliotheks(semester)angebot 136 Eingebetteter Bibliothekskurs als Pflichtangebot 137 Additive Kursangebotsmodelle 138 E-Learning in der Teaching Library Evaluation und Qualitätssicherung der Vermittlung 144 von Informationskompetenz 150 Zusammenfassung Didaktische Anforderungen 153 an die Teaching Library Grundlagen des Lehrens und Lernens Lehrstrategie MOMBI als Modell 159 für Bibliothekskurse Selbstgesteuertes Lernen 162 in der Teaching Library Pädagogisch-didaktische Qualifizierung und Fortbildung 164 Zusammenfassung 168

155

Die Teaching Library – ein Rahmenmodell 171 Kritische Einwände gegen die Teaching Library Überregionale Empfehlungen zur Förderung 173 von Informationskompetenz Komponenten eines Rahmenmodells 176 Grundlegung und Begründung 176 Integration der Teaching Library 177 in die Hochschule Zielgruppen und Ziele 179 Curriculum und Lehrplan 187 Musterlehrplan der Teaching Library 190

171

XI

XII

7.3.6 7.3.7 7.3.8 7.3.9 7.4

Inhalt

Einbindung des Schulungs- und Kursprogramms in das Studium 200 Personelle Kapazitäten 201 Didaktische Qualifizierung und Fortbildung des Bibliothekspersonals 202 Kooperationen in und außerhalb der Hochschule Zusammenfassung 203

203

205

8

Schluss und Ausblick

9

213 Anhang A. ACRL-Standards der Information Literacy (2000) 213 B. Deutscher Bibliotheksverband e. V.: Standards der Informationskompetenz für Studierende 218 C. DINI e. V.: Informations- und Kommunikationsstruktur der Zukunft (2009) 221 D. Vertrag zwischen dem Verein Deutscher Bibliothekare und dem Deutschen Hochschulverband (2003) 224 E. Hamburger Erklärung des Vereins Deutscher Bibliothekare e. V. (VDB) 225 F. KII: Gesamtkonzept für die Informationsinfrastruktur in Deutschland (2011) 228 G. Bibliothek & Information Deutschland (BID): Medienund Informationskompetenz 243 Abbildungsverzeichnis Register

253

251

Abkürzungsverzeichnis ABV ACRL ANZIIL B.A. BL BIB BID BOK BSB CAUL CILIP DIAMOND DBIS DBS DBV DGI DOI DSL DYMIK ECTS EZB GWK HBZ HIS HRK ICT IFLA IL ILILE JISC KII KIT KMK LLC

Allgemeine Berufsvorbereitung Association of College & Research Libraries Australian & New Zealand Institute for Information Literacy Bachelor of Arts British Library Berufsverband Information und Bibliothek Bibliothek & Information Deutschland Berufsfeldorientierte Kompetenzen Bayerische Staatsbibliothek Council of Australian University Librarians Chartered Institute of Library and Information Professionals Didactical approach for media competence development Datenbank-Infosystem Deutsche Bibliotheksstatistik Deutscher Bibliotheksverband Deutsche Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationspraxis e. V. Digital Object Identifier Digital Subscriber Line Dynamisches Modell der Informationskompetenz (Benno Homann) European Credit Transfer System Elektronische Zeitschriftenbibliothek Gemeinsame Wissenschaftskonferenz Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen Hochschul-Informations-System GmbH Hochschulrektorenkonferenz Information & Communication Technology International Federation of Library Associations and Institutions Information Literacy Institute for Library & Information Literacy Education Joint Information Systems Committee Kommission Informationsinfrastruktur Karlsruher Institut für Technologie Kultusministerkonferenz Library Learning Centre

XIV

LMU M.A. MOMBI NIK-BW OCLC SAILS SCONUL STM SWS TRAILS TU UB ULB ULM UNESCO VDB WLAN WR

Abkürzungsverzeichnis

Ludwig-Maximilians-Universität München Master of Arts Model of model based instruction Netzwerk Informationskompetenz Baden-Württemberg Ohio Computer and Library Center Standardized Assessment of Information Literacy Skills Society of College, National and University Libraries Science Technology Medicine (Naturwissenschaften, Technik, Medizin) Semester Wochenstunden Tool for Real-time Assessment of Information Literacy Skills Technische Universität Universitätsbibliothek Universitäts- und Landesbibliothek Unified Learning Model United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization Verein Deutscher Bibliothekare e. V. Wireless Local Area Network Wissenschaftsrat

1 Die Bibliothek als Ort der Bildung, der Forschung und des Lernens Bibliotheken sind seit jeher Orte für die Bildung, für das gelehrte Studium und für das Forschen gewesen. Prädestiniert waren sie dafür aufgrund ihrer kontinuierlich und vielfach systematisch angelegten Sammlungen von Quellen geistig-kultureller Schöpfungen der Zeit, die hervorragende Anlässe zu kontemplativer, lernender oder zu wissenschaftlicher Aktivität boten 2. Die Bibliothek war zudem ein baulich und räumlich bewusst für Lektüre und für gelehrte Studien konzipierter physischer Raum, der ein unmittelbares Nebeneinander von nach der jeweils geltenden Wissenssystematik geordneten Beständen, also Wissensobjekten, und der forschenden oder auch lernenden Tätigkeit gestattete. Seit der Existenz der spätmittelalterlichen Universitäten 3 dienen abendländische Bibliotheken mit ihrem unauflöslichen Ineinander von Raum, Zeit und Bedeutung als „Körper des Wissens“ 4 unmittelbar der wissenschaftlichen Forschung und dem akademischen Studium. Die Bibliothek war zweifellos über viele Jahrhunderte eine Schatzkammer des Wissens, vielfach auch überhöht in der Vision einer „perfekten Bibliothek“ 5, repräsentiert aber in der Gegenwart „eher ein ausgelagertes, künstliches Gedächtnis. Dieser Begriff verweist auf die Absicht der Bibliothek, Texte vor dem Vergessen zu schützen. Die Erweiterung unseres Gedächtnisses außerhalb des eigenen Körpers ermöglicht zugleich, dass es für andere Personen zugänglich wird“ 6. Somit erwächst jedem Bibliotheksbesucher die Möglichkeit, „die Inhalte zu jedem beliebigen Zeitpunkt auszuwählen, immer wieder neu zu ordnen und sie so in neue Zusammenhänge zu bringen“ 7. Dafür werden entsprechende Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten benötigt, man könnte auch sagen: „Informationskompetenz“.

2 Vgl. u. a. Schmitz, Wolfgang: Deutsche Bibliotheksgeschichte. Bern; Frankfurt a. M. u. a. 1984 (Germanistische Lehrbuchsammlung; 51); Jochum, Uwe: Kleine Bibliotheksgeschichte. 3. Aufl. Stuttgart 2007 (Reclams Universal-Bibliothek Nr. 17667); ders.: Geschichte der abendländischen Bibliotheken. Darmstadt 2010. 3 Vgl. u. a. Koch, Hans-Albrecht: Die Universität. Geschichte einer europäischen Institution. Darmstadt 2008. 4 Jochum (Anm. 1) S. 139. 5 Vgl. Keller, Alice: Die perfekte Bibliothek. In: B.I.T.online 12 (2009) S. 127–132. 6 Bulaty, Milan: Vermischtes über Buch und Bibliothek. In: Bulaty, Milan (Hrsg.): Bibliothek. Berlin 2010, S. 7. 7 Ebenda.

2

Die Bibliothek als Ort der Bildung, der Forschung und des Lernens

Die Bibliotheken bewahren im digitalen Zeitalter ihre Materialität und Körperlichkeit, allerdings im Sinne einer hybriden Wirklichkeit, einer wechselseitigen Verflochtenheit von traditionellen (analogen) und von neuen (digitalen, multimedialen) Wissensressourcen, die nicht nur als Bestände, sondern auch als grundsätzlich ortsunabhängige Verfügbarkeiten im Raum der Bibliothek präsent sind. Der Begriff des „Raums“ umfasst dabei den physischen wie den virtuellen Raum gleichermaßen. Die Bibliothek bietet ihre Ressourcen und Informationszugänge nicht mehr nur körperlich im Gebäude an, sondern vor allem im digitalen „Bibliotheksraum“ – nach außen sichtbar und konzentriert auf der Homepage der Bibliothek. So kann die Hochschulbibliothek für das orts- und zeitunabhängige Lernen, auch außerhalb der Hochschule, wirksam werden: „Many academic libraries now have websites dedicated to informing distance education students about using the library’s resources from off-campus and about special services tailored to their educational needs“ 8. Hochschulbibliotheken bewerkstelligen nach wie vor die für das Studium und für die Forschung möglichst komfortable und ungehinderte Zugänglichkeit der indes nicht mehr ausschließlich nach einheitlichen, universell anerkannten Wissenssystemen zu ordnenden, sondern nach diversen, mittels Katalogen, Datenbanken oder Suchportalen auf eine Vielfalt möglicher individueller Vorgehensweisen gestalteten „Sucheinstiegen“ anzubietenden Objekte und Medien 9. Sie verstehen sich jedoch nicht mehr nur als Schatzkammern des Wissens, sondern entwickeln sich „vom staubigen Büchermagazin zu einem sinnlichen Ort des Lernens“ 10. Infolge dieses Paradigmenwechsels von einer bestandsorientierten zu einer zugangsorientierten (Hybrid-) Bibliothek ergeben sich für die Nutzer aus dem Hochschulbereich – Studierende wie Wissenschaftler – neuartige Chancen für

8 Imel, Susan / Duckett, Kim: Libraries and Lifelong Learning. In: Jarvis, Peter (Ed.): The Routledge International Handbook of Lifelong Learning. Abingdon, Oxon. 2009, S. 188. 9 Vgl. Sühl-Strohmenger, Wilfried: Digitale Welt und Wissenschaftliche Bibliothek − Informationspraxis im Wandel: Determinanten, Ressourcen, Dienste, Kompetenzen. Wiesbaden 2008 (Bibliothekarbeit. Bd. 11); Seefeldt, Jürgen / Syré, Ludger: Portale zu Vergangenheit und Gegenwart: Bibliotheken in Deutschland. 4., aktualis. u. erw. Aufl. Im Auftrag von Bibliothek & Information in Deutschland e. V. (BID) hrsg. Hildesheim, Zürich u. a. 2011. 10 Mohr, Joachim: Schatzkammern des Wissens. Künstliches Gedächtnis: Bibliotheken entwickeln sich zu weltweit vernetzten, multimedialen Informationszentren und erleben einen Boom als Lernorte. Sorgt der Wandel auch für mehr Erkenntnis? Der Spiegel Wissen Nr. 3 (2010) S. 54–59.

Die Bibliothek als Ort der Bildung, der Forschung und des Lernens

3

das tägliche Lernen und Forschen, aber auch nicht leicht zu bewältigende Anforderungen der Orientierung in der hybriden, wenn auch von Bibliotheken im Verbund mit bisweilen verwirrend vielen Internet-Tools „geordneten“ Informations- und Medienvielfalt. Die zielgerichtete, hinsichtlich der je spezifischen Lern- und Forschungsvorhaben effiziente Navigation in der großen Menge der Information sowie die bewusste Verwendung der Ressourcen für eigene Zwecke bedingen entsprechende Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Orientierung, der Recherche, der Auswahl, der Bewertung und der Verarbeitung, also diverse Kompetenzen des Umgangs mit Wissen, mit Information und mit Medien. Techniken des Wissensmanagements sind dabei nicht nur hilfreich, sondern unabdingbar. Die Hochschulbibliotheken sollen – auch nach den jüngsten Empfehlungen des Wissenschaftsrates und der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz 11 – einen nachhaltigen Beitrag zur Schaffung einer forschungs- und studienförderlichen Informationsinfrastruktur leisten, die den Herausforderungen der sich herausbildenden neuen Forschungsstrukturen und Lernkulturen in der digitalen Wissenswelt gewachsen ist. Die Qualifizierung der Studierenden und der Wissenschaftler wird dabei als eine wesentliche Aufgabe der Hochschulbibliotheken gesehen. Die somit geforderte Informations- und Medienkompetenz 12 sowie die Befähigung zum persönlichen Wissensmanagement lassen sich zwar nicht auf den Kontext des Lernens und Forschens im physischen und im virtuellen Raum der Bibliothek beschränken, werden jedoch hier besonders deutlich und nachhaltig wirksam, da die Bibliothek nach wie vor der für viele Studierende zentrale Ort des Lernens im Studium ist. Vergleichbar günstige Lernbedingungen bietet 11 Vgl. Wissenschaftsrat: Empfehlungen zu Forschungsinfrastrukturen in den Geistesund Sozialwissenschaften. Berlin: 28. 01. 2011 (Drs. 10465–11). http://www. wissenschaftsrat.de/download /archiv/10465–11.pdf (02. 08. 2011); Wissenschaftsrat: Übergreifende Empfehlungen zu Informationsinfrastrukturen. Berlin: 28. 02. 2011 (Drs. 10466–11), insbes. Teil B.V.2: Qualifizierung der Nutzerinnen und Nutzer; Kommission Zukunft der Informationsinfrastruktur: Gesamtkonzept der Informationsinfrastruktur in Deutschland. Empfehlungen der Kommission Zukunft der Informationsinfrastruktur im Auftrag der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz des Bundes und der Länder. April 2011. (Insbes. AG Informationskompetenz/Ausbildung B127–B138 – s. Anhang F.). http://www.leibniz-gemeinschaft.de/?nid=infrastr (30. 07. 2011). 12 Zum aktuellen Verständnis der medienpädagogischen Konzepte Medienkompetenz und Medienbildung vgl. u. a.: Moser, Heinz / Grell, Petra / Niesyto, Horst (Hrsg.): Medienbildung und Medienkompetenz. Beiträge zu Schlüsselbegriffen der Medienpädagogik. München 2011.

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Die Bibliothek als Ort der Bildung, der Forschung und des Lernens

die Unterbringung im Studentenwohnheim, in einer Wohngemeinschaft oder in einem Studentenzimmer vielfach nicht. Die Hochschulbibliothek kann also – auch in ihrer hybriden Form − ein wesentlicher Lernort im Studium, zunächst im Sinne der Möglichkeiten selbst organisierten, teilweise auch informellen Lernens sein. Darüber hinaus bietet sich die Hochschulbibliothek aber als geeigneter Ort für die Vermittlung und Förderung von basalen Kompetenzen beim Umgang mit Wissens- und Informationsmedien an, entwickelt sich also gleichzeitig zum „Lehr“-Ort, zur Teaching Library 13. Lerngegenstände, Lernende, Lernumgebung, Lernanlässe – alles das ist vorhanden, aber es bedarf einer durchdachten Konzeption, um das Lehren und Lernen in der Hochschulbibliothek – in Ergänzung oder in Kombination mit der Hochschullehre – tatsächlich erfolgreich gestalten zu können. „Die Bibliotheken verstehen sich daher zu Recht als Lernzentren. Sie wirken zum Teil in Kooperation mit anderen Einrichtungen, zum Teil als selbstständiger Anbieter daran mit, selbstgesteuertes Lernen zu lernen, vor allem die Fähigkeit zu vermitteln, sich selbst aktiv Informationen zu beschaffen und den Zugang zu Wissen zu finden“ 14. Die existierende Vielfalt an entsprechenden Ausbildungskonzepten deutscher Hochschulbibliotheken erschließt sich aus einem typisierenden Querschnitt, der in diesem Buch versucht wird. Die daraus zu gewinnenden Schlussfolgerungen münden in ein eigenes Rahmenmodell der Teaching Library, im Sinne einer Perspektive über die bestehende Angebotspalette hinaus. Diese Entwicklung der Hochschulbibliothek zu einem wirksamen Ort des Lehrens und Lernens ist nicht neu und korrespondiert mit einer international deutlich ausgeprägten Tendenz, die anfänglich für die Bibliotheken des angloamerikanischen Bereichs (Nordamerika, Großbritannien, Australien, Neuseeland) festzustellen war. Bald folgten die Bibliotheken der skandinavischen Länder, sodann der baltischen und der deutschsprachigen Länder, jetzt auch

13 Siehe Lux, Claudia / Sühl-Strohmenger, Wilfried: Teaching Library in Deutschland. Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz als Kernaufgabe für Öffentliche und Wissenschaftliche Bibliotheken. Wiesbaden 2004 (B.I.T.online Innovativ. Bd. 9); Krauß-Leichert, Ute (Hrsg.): Teaching Library – eine Kernaufgabe für Bibliotheken. Frankfurt a. M. 2007; Scott, Walter (Ed.): The teaching library: approaches to assessing information literacy instruction. Binghampton, N.Y. 2007. 14 Wolter, Andrä / Koepernik, Claudia: Wissensgesellschaft, lebenslanges Lernen und die Zukunft des Bibliothekswesens. In: Kokenge, Hermann (Hrsg.): Geschichte und Zukunft von Information und Wissen. 450 Jahre Sächsische Landesbibliothek. 10 Jahre Staatsund Universitätsbibliothek Dresden. Wissenschaftliche Zeitschrift der Technischen Universität Dresden 55 (2006) S. 71.

Die Bibliothek als Ort der Bildung, der Forschung und des Lernens

5

Frankreichs 15. Der internationale Austausch ist zum einen im Rahmen der IFLA intensiv 16, zum anderen werden Fragestellungen und Zukunftskonzepte der Teaching Library und der Vermittlung von Informationskompetenz durch wissenschaftliche Bibliotheken auch in großen internationalen Fachkonferenzen der nationalen Bibliotheksverbände Großbritanniens (CILIP) 17 oder der USA (ALA) 18 intensiv behandelt. In die vorliegende Studie fließen praktische Erfahrungen und Forschungserkenntnisse dieses internationalen Bezugsrahmens mit ein, da eine rein national begrenzte Betrachtung der Teaching Library als unzureichend angesehen wird. Ziel der vorliegenden Studie ist die Beschreibung und Analyse der Hochschulbibliothek in Deutschland als Teaching Library, als Lernort im Hinblick auf unterschiedliche Formen des Lernens sowie als Lehrort für die Förderung von Informationskompetenz und für das Erlernen von Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten des persönlichen Wissensmanagements. Die theoretischen Erkenntnisse und empirischen Befunde zum Lern- und Informationsverhalten junger Menschen sind dabei zu berücksichtigen. Thematisiert wird der gegenwärtige Forschungsstand zur Bibliothek als Lehr-Lernort und zu ihren Aktivitäten als Teaching Library. Dabei sind grundlegende Erkenntnisse der Pädagogik und der Didaktik, der Wissens- und der 15 Vgl. für Italien: Ballestra, Laura: Information literacy education in Italian libraries: evidence from an Italian university. In: Bibliothek. Forschung und Praxis 35 (2011). http:// www.bibliothek-saur.de/preprint/2011/2749-ar_ballestra.pdf (23. 07. 2011); in Frankreich koordiniert auf nationaler Ebene koordiniert FORMIST (Formation à l’information scientifique et technique) die Aktivitäten der Hochschulbibliotheken zur Förderung der für den effektiven Umgang mit wissenschaftlicher Information erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten: http://www.enssib.fr/formist (05. 08. 2011). 16 IFLA (International Federation of Library Associations and Institutions). Information Literacy Section. http://www.ifla.org/en/information-literacy (05. 08. 2011). 17 Beispielsweise auf der jährlichen LILAC-Konferenz der Information Literacy Group, wie im Jahr 2011: Sühl-Strohmenger, Wilfried: Information Literacy – ein internationales Topthema im Bibliotheks- und Informationswesen. Bericht von der LILAC 2011 in London. In: B.I.T.online 14 (2011) S. 181–185. 18 Innerhalb der American Library Association (ALA) nimmt sich die Association of College & Research Libraries (ACRL) des Themas Information Literacy im Hochschulbereich an: http://www.ala.org/ala/mgrps/divs/acrl/issues/infolit/index.cfm (05. 08. 2011). Sie gibt auch an den ACRL Standards der Information Literacy orientierte Lehrbücher und Einführungen in die Förderung von Information Literacy heraus: vgl. beispielsweise: Burkhardt, Joanna M. / MacDonald, Mary C. / Rathemacher, Andrée J.: Teaching information literacy. 50 standards-based exercises for college students. 2nd ed. Chicago 2010.

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Die Bibliothek als Ort der Bildung, der Forschung und des Lernens

Lernpsychologie von Interesse, die von der Hochschulbibliothek als Lernort oder als lernförderliche Infrastruktur 19 im Zusammenhang mit der dort stattfindenden Informations- und Wissensverarbeitung zu berücksichtigen sind. Der Selbststeuerung im Lernprozess kommt ebenfalls Bedeutung zu. Die vorliegenden Theorieansätze des „informal learning“ sind auf den Weiterbildungssektor 20 und auf das Lebenslange Lernen 21 konzentriert, könnten insofern durchaus für den hier zu behandelnden Untersuchungsgegenstand fruchtbar gemacht werden. Im Schul- und im Hochschulbereich gewinnt teilweise das forschende Lernen wieder an Bedeutung 22. „Neue Projekte zur Förderung von Informationskompetenz beispielsweise für den Schulbereich sollten an bestehende Projekte angekoppelt werden. Im Zentrum stehen dabei solche Projekte, die nicht abstrakt und formal Informationskompetenz vermitteln, sondern lebensweltliche Zusammenhänge und Bedarfe beispielsweise durch forschendes Lernen aufgreifen“ 23. Auch in diesem Lehrkontext könnte die Hochschulbibliothek mit entsprechenden Angeboten zur projektbezogenen Informationskompetenz unterstützend aktiv werden. Sodann ist zu überlegen, inwieweit der Lernort Hochschulbibliothek offen für den Einsatz von E-Learning-Konzepten sein sollte 24. Weitere Aspekte betreffen die Evaluation und die Qualitätskontrolle bibliothekarischer Schulungen und Kurse zur Förderung von Informationskompetenz, ferner – angesichts stei19 Vgl. Heinze, Nina / Schnurr, Jan-Mathis: Integration einer lernförderlichen Infrastruktur zur Schaffung neuer Lernkulturen im Hochschulstudium. In: Apostolopoulos, Nicolas / Hoffmann, Harriet / Mansmann, Veronika / Schwill, Andreas (Hrsg.): E-Learning 2009. Lernen im digitalen Zeitalter. Münster, New York, München, Berlin 2009, S. 152–161 (Medien in der Wissenschaft. Bd. 51). 20 Vgl. Walber, Markus: Selbststeuerung im Lernprozess und Erkenntniskonstruktion. Eine empirische Studie in der Weiterbildung. Münster 2007 (Internationale Hochschulschriften. Bd. 501). 21 Siehe dazu u. a.: Hager, Paul / Halliday, John: Recovering informal learning. Wisdom, judgement and community. Dordrecht 2009 (Lifelong Learning Book Series. Vol. 79); Imel / Duckett 2009 (Anm. 8). 22 Vgl Huber, Ludwig / Hellmer, Julia / Schneider, Friederike: Forschendes Lernen im Studium. Aktuelle Konzepte und Erfahrungen. Bielefeld 2009. 23 Gapski, Harald / Tekster, Thomas: Informationskompetenz in Deutschland. Überblick zum Stand der Fachdiskussion und Zusammenstellung von Literaturangaben, Projekten und Materialien zu einzelnen Zielgruppen. Düsseldorf 2009, S. 68. http:// lfmpublikationen.lfm-nrw.de/catalog/downloadproducts/Informationskompetenz_in_ Deutschland.pdf (26. 07. 2011). 24 Vgl. u. a. Apostolopoulos, Nicolas / Hoffmann, Harriet / Mansmann, Veronika / Schwill, Andreas (Hrsg.): E-Learning 2009. Lernen im digitalen Zeitalter. Münster, New York, München, Berlin 2009 (Medien in der Wissenschaft. Bd. 51).

Die Bibliothek als Ort der Bildung, der Forschung und des Lernens

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gender Kurs- und Teilnehmerzahlen – realisierbare personell-organisatorische Lösungen für diesen Geschäftsbereich der Bibliothek. Diese sieht sich zudem mit nicht minder wichtigen Herausforderungen auf den Gebieten des elektronischen Publizierens und der e-Science, der Digitalisierung und Langfristsicherung, urheberrechtlicher Problemstellungen seitens der wissenschaftlichen Forschung und des Studiums, der Implementierung neuer, an der Suchmaschinentechnologie orientierter Informationszugänge sowie der Integration von Web 2.0-Diensten, um nur einige Innovationsfelder zu nennen, konfrontiert, die ebenfalls Personalkapazitäten beanspruchen 25. Allerdings ist hervorzuheben, dass die Bestrebungen der Teaching Library mit nicht wenigen der genannten neuen bibliothekarischen Aufgabenbereiche eng verknüpft sind: Das elektronische Publizieren oder der Umgang mit Suchmaschinentechnologien der Kataloge verlangen Kenntnisse und Fähigkeiten im Hinblick auf Textproduktion und Nutzung von Repositorien sowie im Hinblick auf begrifflich-semantisch fundierte Informationssuchen und die korrekte Verwendung komplexer logischer Ausdrücke. Die Teaching Library entwickelt sich also keineswegs unabhängig von den anderen Innovationsfeldern der wissenschaftlichen Bibliothek, sondern ist mit diesen mehr oder weniger eng verwoben. Im Umkehrschluss ist dann zu betonen, dass die mit der aktiven Informationsvermittlung im Rahmen der Teaching Library befassten Bibliothekarinnen und Bibliothekare gleichzeitig mit den angedeuteten neuen Angeboten und Diensten der Bibliotheken vertraut sein müssen. Dies bedingt eine kontinuierliche fachliche Qualifizierung.

25 Vgl. den Überblick zu der Aufgabenvielfalt von Bibliotheken in der Informationsgesellschaft von: Plassmann, Engelbert / Seefeldt, Jürgen / Rösch, Hermann / Umlauf, Konrad: Bibliotheken und Informationsgesellschaft in Deutschland: eine Einführung. 2., gründl. überarb. u. erw. Aufl. Wiesbaden 2011; ferner SühlStrohmenger (Anm. 9).

2 Information, Wissen, Informationskompetenz und die Rolle der wissenschaftlichen Bibliothek Die wissenschaftlichen Bibliotheken – Universitäts-, Staats-, Landes-, Hochschul- und teilweise auch Spezialbibliotheken – unterstützen für das Studium und für die wissenschaftliche Forschung wichtige Kompetenzen beim Umgang mit Information und Wissen. Der Begriff Informationskompetenz fasst das entsprechende Bündel von Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die für die Bewältigung der Anforderungen in der Informations- und Wissensgesellschaft und damit für das Lebenslange Lernen wesentlich erscheinen, zusammen. Anzustreben ist eine gleichermaßen effiziente wie effektive Informationspraxis im Studium und in der wissenschaftlichen Forschung, die sich einer Vielfalt an Informationsmedien wie Bücher, Zeitschriften, Internetquellen, multimedialen Objekten oder sonstigen Datensammlungen bedient – als Voraussetzung der längerfristig wirksamen Wissensbildung. Daten, Information und Wissen – über diese Komponenten wissenschaftlicher Informationspraxis seien zunächst einige Zusammenhänge erläutert, um sodann die Rolle der wissenschaftlichen Bibliothek im Kontext der Informationspraxis Studierender und der für die neuen Studiengänge zentralen Schlüsselqualifikationen zu thematisieren.

2.1 Daten, Information, Wissen Zur historischen Entwicklung der Theorie und des Begriffs der Information sowie seiner kaum zu unterschätzenden dominanten Rolle in der Informationsund Wissensgesellschaft liegt eine neue umfassende Studie vor 26. Dennoch bleibt das Verständnis von Information im Sprachgebrauch jenseits der Informationswissenschaft eher vieldeutig und unpräzise. Im Hochschulbereich und den Bibliotheken wird alles, was der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung oder dem kurzfristigen Verwertungsinteresse zum Beispiel für eine Haus- oder Seminararbeit dient, unter „Information“ subsumiert.

26 Siehe Gleick, James: The information: a history, a theory, a flood. New York 2011; siehe auch: Ott, Sascha: Information. Zur Genese und Anwendung eines Begriffs. Konstanz 2004.

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Information, Wissen, Informationskompetenz

Information ist zu einem Schlüsselbegriff des digitalen Zeitalters geworden 27, ist aber nicht gleichzusetzen mit dem Begriff des Wissens: „Charakteristisch für diesen Begriff ist, dass er nicht, jedenfalls nicht in dem bisher geltenden Maße, auf der Seite dessen, der sich Wissen in Informationsform aneignet, eigene Wissensbildungskompetenzen voraussetzt. Erforderlich sind vielmehr Verarbeitungskompetenzen und das Vertrauen darauf, dass die Information „stimmt“, Information muss man glauben, wenn man ihr Wissen, das über die Information transportierte Wissen, nicht prüfen kann. Eben diese Prüfung war bisher konstitutiv für den Begriff der Wissensbildung“ 28. Damit zusammenhängend ist es immer schwieriger geworden, den Begriff der Information einigermaßen präzise zu definieren und hinsichtlich seines Geltungsanspruchs einzugrenzen: Nahezu alles ist „Information“, nicht nur Nachrichten oder sonstige Mitteilungen über vorher nicht gewusste oder nicht bekannte Sachverhalte, sondern genauso die kulturellen oder wissenschaftlichen Inhalte von Büchern, Zeitschriften und sonstigen Medien. Wie unterscheiden sich Daten, Informationen und Wissen? Daten sind codierte Beobachtungen, die sich in Form von Zahlen, von Sprache oder Texten und Bildern ausdrücken. Zu Informationen werden Daten erst, wenn sie interpretiert werden und dadurch Bedeutung erlangen. Im Alltag gelten alle Daten als Informationen, die über verschiedene Kanäle publiziert werden. Ein Sender veröffentlicht diese Daten also mit Absicht, damit sie dem Empfänger als Informationen dienen können, je nachdem ob sie wahrgenommen werden oder nicht. Auf der Basis von Informationen kann schließlich Wissen generiert werden. Wissen entsteht, wenn Menschen mit Informationen in einem gewissen Kontext arbeiten, indem sie diese bewerten, vergleichen, kommunizieren und vernetzen. Wissen ist im Gegensatz zu Informationen personengebunden. Es ist „immateriell, intangibel (nicht greifbar), subjektiv und existiert nur im Kopf des Menschen“ 29. Unterschieden wird hauptsächlich zwischen implizitem und explizitem Wissen, zwischen deklarativem und prozeduralem Wissen und zwischen personalem und öffentlichem Wissen 30: 27 Vgl. Castells, Manuel: The rise of the network society. The information age: economy, society and culture. Vol. 1, 2nd ed. Malden, Mass. 2010. 28 Mittelstraß, Jürgen: Leonardo-Welt. Über Wissenschaft, Forschung und Verantwortung. Frankfurt a. M. 1992, S. 226 f. (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft. Bd. 1042). 29 Hasler Roumois, Ursula: Studienbuch Wissensmanagement. Grundlagen der Wissensarbeit in Wirtschafts-, Non-Profit- und Public-Organisationen. 2. Aufl. Zürich 2010 (UTB 2954), S. 42. 30 Vgl. Hasler Roumois, Ursula: Studienbuch Wissensmanagement (Anm. 29); Reinmann, Gabi / Eppler, Martin J.: Wissenswege. Methoden für das persönliche Wissensmanagement. Bern 2008 (Lernen mit neuen Medien).

Daten, Information, Wissen

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Implizites Wissen meint das Wissen, das nicht oder nur teilweise bewusst wahrgenommen wird. Es ist personengebunden, kontextspezifisch und beruht auf subjektiven Erfahrungen. Es ist schwer fassbar und schwer formulierbar, ist „stilles Wissen, teilweise auch „träges Wissen“, das im Langzeitgedächtnis nicht nachhaltig verankert und deshalb nicht bewusst ist. Eine besondere Herausforderung bei Kursen für Studierende besteht einerseits darin, solches träges Wissen, das beispielsweise vielfach in Bezug auf frühere Bibliothekserfahrungen oder auf die Nutzung von Katalogen existiert, wieder hervorzuholen, andererseits aber auch darin, die Entstehung impliziten Wissens durch eine unzureichende Verankerung neuen Wissens in der kognitiven Struktur zu vermeiden. Je besser also eine bibliothekarische Lehrveranstaltung didaktisch geplant und realisiert wird, desto eher gelingt die Bildung der nachfolgenden Wissensformen. Explizites Wissen meint Wissen, das bewusst wahrgenommen und verbalisierbar ist. Dieses Wissen kann in Worten und Zahlen ausgedrückt, dokumentiert und zugänglich gemacht werden. In unseren Zusammenhang übertragen wäre explizites Wissen zum Beispiel die Kenntnis eines Berichtszeitraums bei bibliographischen Datenbanken oder des Unterschiedes zwischen einem Katalog und einer Bibliographie. Deklaratives Wissen meint das bewusst wahrgenommene und verbalisierte Wissen über Sachverhalte wie z. B. Fakten, Begriffe und Regeln (knowing what oder know-that): Weltwissen, Faktenwissen, Sachwissen, Allgemeinwissen, Regelwissen, Theoriewissen. Vielfach zielen Tests oder Leistungsnachweise auf diese Art des Wissens ab, entweder in mündlicher oder in schriftlicher Form. Die Studierenden sollen das angestrebte Fakten- oder Sachwissen, zum Beispiel bezogen auf die verschiedenen Suchoptionen einer Datenbank oder bezogen auf die Unterscheidung von Stichwort und Schlagwort sichtbar nachweisen. Mithilfe eines Multiple-Choice-Tests kann diese Überprüfung mit relativ geringem Aufwand erfolgen. Prozedurales Wissen meint das Wissen über Fertigkeiten, Manipulationen und motorische Handlungen, ohne die einzelnen Teile dieser Handlungen bewusst kontrollieren zu können und auch zu müssen (knowing how). Wissen, wie etwas zu tun ist: Handlungswissen, Erfahrungswissen, Anwendungswissen, praktisches Wissen, Können, Fertigkeit, Fähigkeit. Die Informationskompetenz lässt sich im Kern am ehesten dieser Wissensform zuordnen, denn in der Zielrichtung geht sie über deklaratives Wissen hinaus, wie noch zu zeigen wäre. Wegen der Komplexität prozeduralen Wissens verlangt es allerdings differenzierter Formen des Nachweises, inwieweit die Einzelnen solches anspruchsvollere Wissen tatsächlich erwerben konnten.

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Information, Wissen, Informationskompetenz

Den Zusammenhang von Daten, Informationen und Wissensbildung beschreibt Kuhlen wie folgt: „Wissen als Gesamtheit von Wissensobjekten, die zu einem gegebenen Zeitpunkt als Aussagen über Objekte und Ereignisse der realen oder fiktiven/virtuellen Welt von einem Individuum erworben/gelernt worden sind, entsteht also durch Aufnahme von Informationen, die aus Daten dadurch zu Informationen geworden sind, dass sie in einem bestimmten Kontext oder aufgrund eines aktuellen Bedarfs aufgenommen oder gezielt gefunden und durch Vergleich mit bestehendem Wissen interpretierbar und anwendbar wurden.“ 31

Von zentraler Bedeutung ist der Zusammenhang, in den vorgefundene Daten integriert werden, und erst durch diese Einbindung gewinnen sie die Qualität von Informationen. Auch der Bildungsbegriff wird vor diesem Hintergrund bedeutsam, denn die Informationsströme müssen zu einem Ganzen zusammengeführt werden. Einen Sinn- und Wissenszusammenhang ergeben sie nur, wenn der Einzelne sie in eine Wissensstruktur integrieren kann, auch im Sinn von Bildung. Diese ist jedoch gefährdet: „Noch nie war eine Bildung, die über den Tagesbedarf und das berufliche Kerngeschäft hinausreicht, so unentbehrlich wie in einer Gesellschaft, die sich nicht nur als offene, sondern auch als beschleunigte Gesellschaft versteht und zu deren Credo permanente Innovation, schrankenlose Mobilität und chamäleongleiche Flexibilität gehören.“ 32 Es wäre sicherlich vermessen, die Bestrebungen der Teaching Library mit dem Ziel der Bildung Studierender in Verbindung zu bringen, jedoch könnte sie einen wirksamen Beitrag zum besseren Urteilsvermögen im Kontext der Informationsverarbeitung leisten. Ob und wie Informationen vernetzt werden, ist von der Person und deren Sozialisation, Lernprozessen, Erfahrungen und Werten abhängig. Wissen zeigt sich erst im Wissenstransfer d. h. in der konkreten Anwendung. Für den Kontext des Hochschulstudiums muss Information, um verständlich zu sein, in einen existierenden Wissensbestand eingebunden werden, sodann spielt die Verlässlichkeit der Informationsquelle eine wesentliche Rolle. Die wissenschaftlichen Bibliotheken bieten verlässliche Quellen, sondieren zusätzlich die 31 Kuhlen, Rainer: Die Konsequenzen von Informationsassistenten. Was bedeutet informationelle Autonomie oder wie kann Vertrauen in elektronische Dienste in offenen Informationsmärkten gesichert werden? Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft. Bd. 1443. Frankfurt a. M. 1999, S. 14. 32 Mittelstraß, Jürgen: Internet oder Schöne neue Leonardo-Welt. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 25. 07. 2011 Nr. 170, S. 7.

Rolle der wissenschaftlichen Bibliothek im Prozess der Wissensbildung

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für Studium und Forschung relevanten Internetressourcen hinsichtlich ihrer Seriosität und bereiten diese in kommentierter Form auf, beispielsweise im Rahmen von Informationsportalen 33. Die Bewertung und die Auswahl von Information – Bücher, Zeitschriftenaufsätze, Internetquellen, wissenschaftsrelevante Daten – bleiben jedoch immer die Aufgabe und Leistung der Einzelnen. Information ist „Wissen in Aktion“, d. h.: „Für diesen Informationsbegriff ist entscheidend, dass die Überführung von externem Wissen in handlungsrelevante Information nicht bloß ein Prozess des Suchens, Findens und Übernehmens von Wissen ist, sondern ein Transformationsprozess.“ 34 Von Information kann man demnach erst sprechen, wenn Wissen Wirkung hat, wenn es veränderndes Potential entfaltet (Informationsdynamik). Diese Argumentation richtet sich gegen einen statischen Informationsbegriff, der die zeitliche Abhängigkeit von Information vernachlässigt. Mit Blick auf die Bibliothek gewinnt der dynamische Informationsbegriff an Erklärungskraft, wenn die Konsequenzen der Informationsexplosion einerseits, des stagnierenden individuellen Zeitaufwandes andererseits, den die Lernenden für die Medien- bzw. die Informationsverarbeitung aufbringen können, ins Bewusstsein rücken.

2.2 Rolle der wissenschaftlichen Bibliothek im Prozess der Wissensbildung Wissenschaftliche Bibliotheken behandeln Wissen in der Regel als Information, müssen aber stark an der Klärung der Frage interessiert sein, was Wissen für Bibliotheken ausmacht 35. Wissen setzt ungeachtet seines Wahrheitsgehaltes einen Wissenden und einen kognitiven Speicher für Wissen voraus, Wissen ist Bestandteil des Wissenden, also des Menschen, und wird im Wissenden selbst erzeugt. In dem Moment, in dem es sich externalisiert, also nach außen gelangt, wird es für externe Nutzer zur Information, sei es in elektronischer, gedruckter oder in multimedialer Form. Diese Information kann erworben, evaluiert und verarbeitet werden, sie trägt also zur Erweiterung des in dem betreffenden Individuum bereits vorhandenen Wissens bei. Für die wissenschaftliche 33 Vgl. Sühl-Strohmenger (Anm. 9) S. 178–198. 34 Rauch, Wolf: Die Dynamisierung des Informationsbegriffes. In: Hammwöhner, Rainer / Rittberger, Marc / Semar, Wolfgang (Hrsg.): Wissen in Aktion. Der Primat der Pragmatik als Motto der Konstanzer Informationswissenschaft. Festschrift für Rainer Kuhlen. Konstanz 2005, S. 110. 35 Siehe dazu: Owusu-Ansah, Edward K.: Umgang mit Information und Wissen: Bibliothek, Hochschule und studentisches Lernen. In: ABI-Technik 25 (2005) S. 24–31.

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Information, Wissen, Informationskompetenz

Bibliothek der digitalen Welt ist es bedeutsam und folgenreich, dass Wissen nicht mehr lokal oder regional gebunden ist, sondern sich zunehmend der digitalen Informationstechnologien und der schnellen Transportmöglichkeiten des Internet bedienen kann, um sich global zu verbreiten. Wissen wird dabei handlungstheoretisch aufgefasst als eine Fähigkeit, Informationen in Handeln umzusetzen. Menschen können mit Wissen ihre Lebenswelt schöpferisch gestalten. Allerdings kann eine Internationalisierung von Wissen erst realisiert werden, wenn das Wissen mithilfe von Kommunikations- und Transportinfrastrukturen kommunizierbar ist. Auf einen anderen Gesichtspunkt hat Hill im Zusammenhang mit einer differenzierten Betrachtung des Verhältnisses von Information und Wissen aufmerksam gemacht: Wissen ist stets an die Person gebunden, erwächst aus deren Interaktion mit Informationen und ist damit wesentlich privat bzw. persönlich. In diesem Kontext wäre nun der Aspekt der Beurteilung bzw. des Urteils einzubeziehen, so dass folgende Gleichung entstünde: „Knowledge = Information + Judgement“ 36. Das Wissen umfasst eben die Fähigkeit des Verstehens von Zusammenhängen und der Zuweisung von Bedeutungen, wenn Informationen aufgenommen werden. In diesem Informationsstadium greift die Bibliothek in den Informationsoder den Wissensbildungsprozess ein: „All dies geschieht in Übereinstimmung mit dem Leitbild einer Bibliothek, den Erwerb des ihr und dem Nutzer als Information präsentierten, bereits vorhandenen Wissens zu fördern, damit diese Nutzer das gespeicherte Wissen verstehen und anwenden können.“ 37 Wir hätten es also mit einem Zyklus menschlichen Verstehens und der Schaffung neuen Wissens zu tun, in den die „Sammler und Ordner von Informationen in ihren vielfältigen fassbaren Formen und Nutzer aller Informationsarten in ein sich gegenseitig bedingendes, untrennbares Beziehungsgeflecht involviert“ 38 sind. Bibliotheken, Lehrende und Studierende wären gemeinsame, aufeinander verwiesene Akteure in diesem Geschehen, das die Entwicklung und Förderung von Informationskompetenz zum Ziel hat. Denn erst dadurch kann eine Basis für die stetige Erneuerung dieses Prozesses der Informations- oder Wissensaneignung auf der einen Seite und der Schaffung neuen Wissens entstehen, das dann auf der anderen Seite wiederum zum Informationsreservoir für die nächste Generation wird.

36 Hill, Michael W.: The impact of information on society. An examination of its nature, value and usage. 2nd ed. München 2005, S. 80. 37 Owusu-Ansah, Edward K.: Umgang mit Information und Wissen: Bibliothek, Hochschule und studentisches Lernen. In: ABI-Technik 25 (2005) S. 28. 38 Ebenda.

Rolle der wissenschaftlichen Bibliothek im Prozess der Wissensbildung

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Degele unterscheidet zwischen Wissen erster und zweiter Ordnung: Wissen erster Ordnung umfasst demnach Wissensstrukturen als inhaltliche Bestände (z. B. wissenschaftliches Fachwissen), Wissen zweiter Ordnung besteht hauptsächlich aus Wissensprozessen in Form von Meta- und Medienkompetenzen. Degele vertritt die These, dass Wissen erster Ordnung zu Gunsten von Wissen zweiter Ordnung in der Bedeutung abnimmt. Sie sieht einen Prozess der „Informierung von Wissen“ 39, d. h. der Einsatz von Computern (Computerisierung) bringe Wissen in eine neue, nämlich inhaltsarme und dafür verarbeitungsund inszenierungsfreundliche Form. Damit ist gemeint, dass es zunehmend wichtiger wird, inhaltsspezifisches Domänenwissen zu organisieren, als sich inhaltliches Wissen selber anzueignen. Insofern rückt die inhaltliche Information bei einer solchen Sichtweise in den Hintergrund. Auch die Wissensproduktion ändert sich: In den Vordergrund rückt die Value-added-Information, die sich vor allem in der vermehrten Verbreitung von Indices, Abstracts und bibliographischen Hilfsmitteln manifestiert, wie sie insbesondere die Bibliotheken in immer größerem Umfang anbieten 40. Zu fragen wäre indes, was denn wissenschaftliche Information, um die es in unserem Zusammenhang geht, im Kern ausmacht. Erfolgreiche Forschung impliziert den möglichst ungehinderten Zugang zu gleichermaßen breiten wie spezielleren wissenschaftlichen Informationsressourcen, wie sie vor allem in den wissenschaftlichen Bibliotheken, aber auch in sonstigen (Fach-)Informationseinrichtungen gesammelt und zur Verfügung gestellt werden. Im Prozess der wissenschaftlichen Forschung spielt die Information demnach mehrere Rollen 41: Sammlung der Daten, Kommunikation über den Fortgang der Forschung, Registrierung neuer Forschungsergebnisse. Wissenschaftliche Information deckt sich zunehmend mit wissenschaftlich qualifizierter Fachinformation, deren wesentliche Merkmale sind, dass sie den in der wissenschaftlichen Forschung allgemein anerkannten Prinzipien der Methodologie und Forschungslogik folgt, dem Anspruch intersubjektiver Nachprüfbarkeit ihrer Hypothesen, ihrer Verfahrensweisen sowie ihrer Ergebnisse genügt 39 Degele, Nina: Neue Kompetenzen im Internet. Kommunikation abwehren, Information vermeiden. In: Lehmann, Kai; Schetsche, Michael (Hrsg.): Die Google-Gesellschaft. Vom digitalen Wandel des Wissens. Bielefeld 2005, S. 66; grundlegend zu diesem wissenssoziologischen Ansatz: Degele, Nina: Informiertes Wissen. Eine Wissenssoziologie der computerisierten Gesellschaft. Frankfurt a. M., New York 2000. 40 Vgl. Degele: Neue Kompetenzen (Anm. 39) S. 71. 41 Vgl. dazu Dekeyser, Raf: Scientific Information. A partnership between the library and the academic community. In: Liber Quarterly. The Journal of European Research Libraries 10 (2000) S. 291–311.

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Information, Wissen, Informationskompetenz

und dass sie angemessen publiziert oder kommuniziert wird. Dies geschieht im Rahmen einschlägiger Fachzeitschriften oder sonstiger Fachpublikationen, die in der Regel von wissenschaftlichen Verlagen herausgegeben werden oder über institutionelle Repositorien der Hochschulen oder der Forschungseinrichtungen online verfügbar sind. Wir sprechen im digitalen Zeitalter besser von „wissenschaftsrelevanter Information“ 42, weil diese mehr bedeutet als die klassische Fachinformation: Zum einen hat Wissen heute eine erheblich kürzere Halbwertszeit als noch vor einigen Jahrzehnten, zum anderen spielt Wissen, das im Wissensgenerierungsprozess entsteht, also eigentlich immer nur ein vorläufiges „Wissen“ ist, eine größere Rolle als früher und steht dem Wissen als Endprodukt in der Bedeutung für die Forschung kaum noch nach. Wissenschaftsrelevante Information wird auf zahlreichen Kanälen kommuniziert: im Rahmen von Mailinglisten, Weblogs, Wiki’s, Repositorien, mithilfe von Working Papers, Technical Reports oder Forschungsberichten auf Webseiten von Autoren/Fakultäten, sodann innerhalb international zusammengesetzter Forschungsgruppen. Insbesondere im Prozess der Erkundung von Forschungsthemen, der Formulierung von Thesen und Konzepten, aber auch bei der Beantragung von Drittmitteln und der Vorbereitung von Forschungsvorhaben kann die wissenschaftsrelevante Information für die Wissenschaftler und für eine wachsende Zahl von Forschungsprojekten wichtiger sein als traditionelle Verlagsprodukte. Wissenschaftsrelevante Information dieser Prägung erweist sich immer mehr als innovationsfördernd. Sie wird deshalb zunehmend in die bibliothekarischen Informationsdienste integriert und spielt auch im Hinblick auf die Intentionen der Teaching Library eine große Rolle. Allein Wissen zweiter Ordnung, wie von Degele postuliert, macht also den Gehalt wissenschaftlicher Information nicht aus, sondern diese schließt nach wie vor die Rezeption und genaue Analyse primärer Informationsquellen ein, und sie erweitert sich laufend auf neue Formen der wissenschaftlichen Publikation und Kommunikation. Mit Blick auf die Förderung von Informationskompetenz sowohl Studierender im Grundstudium als auch Fortgeschrittener und Graduierter ist die Kenntnis der klassischen und der neuen Informationsmedien sowie der Umgang damit unverzichtbar: Monographie, Sammelwerk, Fachzeitschrift, Netzpublikation, Online-Katalog, bibliographische Datenbank, wissenschaftliche Suchmaschine, Fachportal, Virtuelle Fachbibliothek, Open Access-Zeitschrift, Peer-Re42 Siehe dazu u. a.: Lossau, Norbert: Der Nutzer soll König werden. Digitale Dienstleistungen in wissenschaftlichen Bibliotheken: Das Internet setzt Maßstäbe. In: BuB. Forum Bibliothek und Information 57 (2005) S. 365–376.

Kompetenz und Schlüsselqualifikation

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view-Verfahren, Hochschulschriftenrepositorium, Self Archiving – diese und weitere Quellen, Veröffentlichungsformen und Informationszugänge gehören in das Schulungs- und Kursprogramm der wissenschaftlichen Bibliothek als Lehr-Lernort. Wie später noch genauer auszuführen ist, mangelt es der Informationspraxis vieler Studierender und auch vieler Wissenschaftler an fundierten Kenntnissen und Fähigkeiten bei der kundigen Orientierung im Geflecht der Informationsangebote mithilfe qualitätsgeprüfter Suchmaschinen oder Portale, bei der gezielten und strategisch angelegten Recherche nach wissenschaftlicher Information, bei der Einschätzung hinsichtlich der Seriosität einzelner Fachaufsätze oder Internetquellen und bei der Einbindung von Literaturnachweisen in die eigenen Studien- oder Forschungsvorhaben, also beim Wissensmanagement. Bevor dies näher thematisiert wird, soll das Konzept der Kompetenzen und der Schlüsselqualifikationen skizziert werden.

2.3 Kompetenz und Schlüsselqualifikation Im Zusammenhang mit der Bologna-Reform hat sich der Kompetenzbegriff, der auf ein bestimmtes Fähigkeits- und Verhaltensrepertoire abhebt, das die Studierenden im Lauf des Bachelor- und des Masterstudiums erwerben sollen, auch im Hochschulbereich etabliert. Es geht um Kompetenzziele des Studiums, um den Kompetenzerwerb Studierender 43, aber auch um die Kompetenzorientierung der Lehre 44. Schlüsselqualifikationen im Sinne von überfachlichen Kompetenzen werden als „kontextbezogene funktionale Dispositionen für die Bewältigung komplexer Anforderungen in unterschiedlichen Lebensbereichen verstanden“ 45, sind also an Inhalte gebunden. Weinert unterschied zwischen fachlichen, auf bestimmte wissenschaftliche Disziplinen begrenzte Kompetenzen und überfachlichen, für die erfolgreiche Bewältigung übergreifender An-

43 Vgl. Hoidn, Sabine: Lernkompetenzen an Hochschulen fördern. Wiesbaden 2010 (Universität St. Gallen, Diss. 2009). 44 Siehe Schaeper, Hildegard / Wildt, Johannes: Kompetenzziele des Studiums, Kompetenzerwerb von Studierenden, Kompetenzorientierung der Lehre. In: Hochschul-Informations-System (Hrsg.): Perspektive Studienqualität. Bielefeld 2010, S. 64–83; vgl. auch die Beiträge in: Nünning, Vera (Hrsg.): Schlüsselkompetenzen: Qualifikationen für Studium und Beruf. Stuttgart; Weimar 2008. 45 Maag Merki, Katharina: Kompetenz. In: Andresen, Sabine / Casale, Rita / Gabriel, Thomas / Horlacher, Rebekka / Larcher Klee, Sabine / Oelkers, Jürgen (Hrsg.) Handwörterbuch Erziehungswissenschaft. Weinheim, Basel 2009, S. 497.

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forderungen geeigneten Kompetenzen oder Schlüsselqualifikationen 46. Wenn von Medienkompetenz oder von Informationskompetenz die Rede ist, werden die dazu gerechneten Fähigkeiten und Fertigkeiten häufig als „Schlüsselqualifikationen“ bezeichnet, weil ihnen nicht nur für den kurzfristigen Ausbildungserfolg in Schule, Berufsausbildung oder Hochschule, sondern für den längerfristigen Bildungsweg, also das Lebenslange Lernen, zentrale Bedeutung eingeräumt wird. Schlüsselqualifikationen sind differenziert nach unterschiedlichen Phasen im Bildungsverlauf zu definieren. Bezogen auf das Hochschulstudium erfahren die im Kindes- und Jugendalter zu vermittelnden Basiskompetenzen eine Ausweitung in Richtung auf fachlich-methodische, auf sozial-kommunikative und auf persönlichkeitsbildende Kompetenzen, die im Sinne des konstruktivistischen Ansatzes fachnah und selbstbestimmt umgesetzt werden können. Für den Hochschulbereich sind – auch vor dem Hintergrund der Einrichtung neuer Bachelor- und Master-Studiengänge an den deutschen Hochschulen 47 – entsprechende Schlüsselqualifikationen definiert worden: „Unter Schlüsselqualifikationen werden heute vor allem soziale und methodische Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit oder Analysefähigkeit, Informationsverarbeitung verstanden.“ 48 Die damit verbundenen Wissensbestände, Fähigkeiten und Fertigkeiten werden gewöhnlich in organisierten Qualifizierungs- und Bildungsprozessen vermittelt 49. Damit das gelingt, müssen vielfältige Strategien des Denkens und Lernens vermittelt werden 50, und die Konzentration sollte mehr auf den Lernprozessen statt auf den Lernergebnissen liegen. Jedoch wird empfohlen, die vielfältigen Denk- und Lernstrategien stets im Kontext von subjektiv wie objektiv wichtigem inhaltlichem (deklarativem, auf Sachverhalte bezogenem) Wissen 46 Vgl. Weinert, Franz-Emanuel: Concept of competence: A conceptual clarification. In: Rychen, Dominique S. / Salganik, Laura H. (Eds.): Defining and selecting key competencies. Seattle, Bern, Göttingen u. a. 2001, S. 45–65. 47 Siehe u. a.: Wex, Peter: Bachelor und Master. Die Grundlagen des neuen Studiensystems in Deutschland. Ein Handbuch. Berlin 2005. 48 Knauf, Helen / Knauf, Marcus (Hrsg.): Schlüsselqualifikationen praktisch: Veranstaltungen zur Förderung überfachlicher Qualifikationen an deutschen Hochschulen. Bielefeld 2003, S. 19 ( Blickpunkt Hochschuldidaktik / Arbeitskreis für Hochschuldidaktik. Bd. 111). 49 Vgl. Gnahs, Dieter: Kompetenzen – Erwerb, Erfassung, Instrumente. Studientexte für Erwachsenenbildung. Bielefeld 2007, S. 22. 50 Vgl. Lange, Elmar: Schlüsselkompetenzen – Wie sie entstehen und verbessert werden können. Eine empirische Untersuchung bei Studierenden. Opladen, Farmington Hills, MI. 2009.

Kompetenz und Schlüsselqualifikation

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zu vermitteln 51. Man muss angesichts der schnellen Veralterung des Wissens lernen, wie vorhandenes Wissen aktualisiert und neues Wissen, also prozedurales, auf Handlungen bezogenes Wissen, erworben werden kann. „Nur wenn bereichsspezifische Kompetenzen (Expertisen) aufgebaut werden, können bereichsübergreifende Kompetenzen entstehen, die diesen Namen verdienen.“ 52 Soweit bereits empirische Untersuchungen zum Selbststudium der Studierenden vorliegen 53, zeigen diese – beispielsweise für die Universität St. Gallen −, dass überfachliche Lernziele wie Selbstlernkompetenz, Teamkompetenz und Medienkompetenz im Rahmen des Selbststudiums häufig nicht erkannt würden und zudem meistens nicht prüfungsrelevant seien, die Studierenden lernten im Selbststudium überwiegend alleine, die Potentiale des E-Learning würden nicht ausgereizt und die Lernaktivitäten überwiegend auf die Erfordernisse der Prüfungen ausgerichtet 54. Lernen wird als selbst zu organisierender bzw. selbstständig zu steuernder Prozess, verstanden. Es soll eine Vielfalt von Schlüsselqualifikationen mit entsprechenden Übungsmöglichkeiten angesprochen werden, um es den Studierenden zu ermöglichen, eine für sie jeweils viable Information zu finden und in ihr Denken und Handeln zu integrieren. Wenn dies fachnah geschieht, so die Annahme, kann durch das Zusammenspiel von Schlüsselqualifikation und fachlichem Wissen eine Idee oder neues Denken entstehen. Ergebnisse erfolgreichen Lernens wären demnach: – der Erwerb bereichsspezifischer Expertise – der Erwerb bereichsübergreifender Kompetenzen („Schlüsselqualifikationen“): „Als bereichsübergreifend bezeichnet man alle prinzipiell erlernund vermittelbaren individuellen Erkenntnis-, Handlungs- und Leistungskompetenzen, die in sehr unterschiedlichen Situationen und Inhaltsbereichen beim Erwerb von Spezialkenntnissen, bei der Verarbeitung relevanter Information sowie bei der Lösung schwieriger Aufgaben und neuer Probleme mit Gewinn genutzt werden können.“ 55 An den skizzierten Erkenntnissen wäre anzuknüpfen, wenn von den Möglichkeiten der Bibliotheken, zur Entwicklung und Förderung von Medien- und In51 Hasselhorn, Marcus / Gold, Andreas: Pädagogische Psychologie. Erfolgreiches Lernen und Lehren. 2. Aufl. Stuttgart 2009, S. 138 (Kohlhammer Standards Psychologie). 52 Hasselhorn / Gold (Anm. 51) S. 139. 53 Vgl. Hoidn (Anm. 43) S. 175 ff. 54 Vgl. Hoidn (Anm. 43) S. 278 f. 55 Hasselhorn / Gold Anm. 51) S. 135.

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Information, Wissen, Informationskompetenz

formationskompetenz als Schlüsselqualifikationen einen nachhaltigen Beitrag zu leisten, die Rede ist. Medien- und Informationskompetenz dienen der Bildung von Orientierungswissen und können als horizonterweiternde Qualifikationen Transferwirkung entfalten. Die wissenschaftlichen Bibliotheken tragen dazu bei, an der Nahtstelle von gymnasialer Oberstufe und Hochschulzugang 56 sowie im weiteren Verlauf des Studiums und der wissenschaftlichen Weiterbildung Informationskompetenz zu fördern 57. Die Entwicklung von Informationskompetenz wäre in das betreffende Angebotsspektrum der Hochschulstudiengänge zu integrieren, so dass die Hochschulbibliothek die Funktion eines weiteren Lernortes zur Unterstützung der Lehre sinnvoll einnehmen könnte.

2.4 Wandel der Informationspraxis im Hochschulstudium Die Informationspraxis der Studierenden hat sich vor dem Hintergrund der elektronischen (digitalen) Bibliothek und der Substitution konventioneller Informationsmedien durch elektronische Angebote über das Internet in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren grundlegend verändert. Der im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) durchgeführte neunte Studierendensurvey zur Studiensituation und zu studentischen Orientierungen 58, bezogen auf das Wintersemester 2003/04, erbrachte, dass seinerzeit bereits über 90 Prozent der Studierenden das Internet privat nutzten, dass im Studienalltag die Bibliotheks- bzw. Literaturrecherche an zweiter Stelle standen: 40 Prozent gaben an, dies häufig zu nutzen; an den Universitäten ist dieser Anteil mit 42 Prozent höher als in den Fachhochschulen mit 32 Prozent. Allerdings lässt der Befund noch keine Rückschlüsse auf die Qualität der über das Internet durchgeführten Informationsrecherchen zu. 56 Vgl. Sühl-Strohmenger, Wilfried: Informationskompetenz und Studierfähigkeit – Angebote der Universitätsbibliothek Freiburg für gymnasiale Seminarkurse. In: Bibliotheksdienst 38 (2004) S. 61–65; Sühl-Strohmenger, Wilfried: Hilfe im Kampf gegen die Informationsflut: Angebote wissenschaftlicher Bibliotheken für Gymnasiasten: Ein Überblick. In: BuB. Forum Bibliothek und Information 63 (2011) S. 530–535. 57 Vgl. u. a. Owusu-Ansah, Edward K.: Information literacy and higher education: placing the academic library in the center of a comprehensive solution. In: The Journal of Academic Librarianship 30 (2004) S. 3–16. 58 Vgl. Bargel, Tino / Multrus, Frank / Ramm, Michael: Studiensituation und studentische Orientierungen. 9. Studierendensurvey an Universitäten und Fachhochschulen. Bonn, Berlin 2005.

Wandel der Informationspraxis im Hochschulstudium

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Im Studierendensurvey für das Jahr 2009 ist explizit von Bibliotheks- und Literaturrecherchen keine Rede mehr, sondern die entsprechenden Fähigkeiten und Fertigkeiten, also die „Informationskompetenz“, lassen sich nur indirekt dem Komplex der von der Studie erfassten Förderung allgemeiner Fähigkeiten an Universitäten und Fachhochschulen zuordnen 59. Unter den dort berücksichtigten 11 Fähigkeitsklassen lässt sich der Komplex der Informationskompetenz eventuell den folgenden Bereichen subsumieren (Prozentanteile der Zustimmung seitens der Befragten): – Fähigkeit, Probleme zu analysieren/lösen (für 35 Prozent stark bis sehr stark gefördert) (für 33 Prozent stark bis – Intellektuelle Fähigkeiten sehr stark gefördert) (für 25 Prozent stark bis – Arbeitstechnische Fähigkeiten sehr stark gefördert) (für 16 Prozent stark bis – Fachübergreifendes Wissen sehr stark gefördert) Daraus ließe sich folgern, dass die der eigentlichen Literatur- und Informationsrecherche vorausgehenden Kompetenzen, die dem eigenen Studienvorhaben zugrunde liegende wissenschaftliche Problemstellung zu reflektieren und Lösungswege anzugehen, durchaus in beachtlichem Umfang gefördert werden. Die Studie belegt dies vor allem für die Rechts-, Natur- und Ingenieurwissenschaften, weniger für die Medizin und für die Kultur-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Ähnliches gilt für den Bereich der intellektuellen Fähigkeiten. Als weniger gut gefördert werden von den Studierenden die konkreten arbeitstechnischen Fähigkeiten – dazu könnten die Informationssuche, -auswahl und -verarbeitung gehören – beurteilt, und noch geringer eingeschätzt wird die Förderung fachübergreifenden Wissens. Dazu dürfte ein erheblicher Anteil der mit der Schlüsselqualifikation Informationskompetenz verbundenen Kenntnisse gehören, beispielsweise auf dem Gebiet der Informationsethik (Stichwort: Plagiarismus) und beim individuellen Wissensmanagement 60. Insofern kann 59 Siehe Multrus, Frank/Ramm, Michael / Bargel, Tino: Studiensituation und studentische Orientierung. 11. Studierendensurvey an Universitäten und Fachhochschulen. Hrsg. vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Bonn, Berlin 2010, S. 36 ff. http://www.bmbf.de/pub/studiensituation_studentische_ orientierung_elf.pdf. 08. 08. 2011). 60 Siehe dazu: Reinmann-Rothmeier, Gabi / Mandl, Heinz: Individuelles Wissensmanagement. Strategien für den persönlichen Umgang mit Information und Wissen am Arbeitsplatz. Bern u. a. 2000: Hasler-Roumois (Anm. 30); Reinmann / Eppler (Anm. 80).

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Information, Wissen, Informationskompetenz

der Bedarf seitens der Studierenden an Universitäten und Fachhochschulen nach den mit Informationskompetenz gemeinten Fähigkeiten auch aus diesen Erhebungen indirekt hergeleitet werden, allerdings differenziert für die verschiedenen Fächergruppen. Gemäß der Joint Quality Initiative und den von ihr vorgelegten Dublin Descriptors (JQI 2003) liegen Vorschläge für eine inhaltliche Niveauunterscheidung von Bachelor- und Masterstudiengängen vor 61. Kultusministerkonferenz (KMK) und Hochschulrektorenkonferenz (HRK) entwickelten auf dieser Grundlage einen „Qualifikationsrahmen für deutsche Hochschulabschlüsse“. Das Lehren und Lernen im Rahmen der Bachelor-Studiengänge impliziert eine stärkere Betonung des Lernens gegenüber dem Lehren. Im Hinblick auf Wissen und Verstehen geht es im Bachelorstudium 62, aufbauend auf der Sekundarstufe II, zunächst nur um einige Aspekte, die den „state of the art“ in einem bestimmten Studiengebiet darstellen. Dieses Niveau entspricht dem Fachbuchniveau auf Fortgeschrittenenebene, soll aber einige vertiefte Wissensbestände auf dem aktuellen Stand der Forschung in ihrem Lerngebiet mit einschließen. Beim Anwendungswissen und -verstehen kommt es darauf an, dass die Arbeit oder die Tätigkeit professionell angegangen werden können und dass Kompetenzen nachgewiesen werden durch Erarbeiten und Weiterentwickeln von Argumenten und Problemlösungen in einem Studiengebiet. Bachelorabsolventen können relevante Daten in ihrem Studienfach sammeln, bewerten und integrieren sowie daraus Urteile ableiten, die Reflexionen zu relevanten sozialen, wissenschaftlichen und ethischen Themen einschließen. Sie sind in der Lage, fachbezogene Informationen, Ideen, Probleme und Lösungen zu formulieren, argumentativ zu verteidigen und an Experten und Laien zu kommunizieren. Folgende Konsequenzen für das Informationsverhalten bzw. den Informationsbedarf der Bachelor-Studierenden ergeben sich daraus: – Es gibt einen Bedarf an breiten, grundlegenden Informationszugängen unter Einschluss internationaler Ressourcen. – Man benötigt Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Sammlung, Bewertung und Integration von Informationen in einem bestimmten Studiengebiet. – Auszugehen ist von einem gezielten Bedarf an vertiefter Fachinformation in einzelnen Themenfeldern. 61 Vgl. Bretschneider, Frank: Niveau- und Profilabgrenzungen von Bachelor und Master. In: Bretschneider, Frank / Wildt, Johannes (Hrsg): Handbuch Akkreditierung von Studiengängen. 2. Aufl. Bielefeld 2007, S. 222 ff. (GEW-Materialien aus Hochschule und Forschung). 62 Siehe Bretschneider, Frank / Wildt, Johannes (Hrsg.): Handbuch Akkreditierung von Studiengängen − eine Einführung für Hochschule, Politik und Berufspraxis (Anm. 61).

Information Literacy und Informationskompetenz im Hochschulstudium

– –

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Die Studierenden benötigen effektive Informations(management)kompetenzen. Die gewonnene Information soll in übergreifende Wissenshorizonte integriert werden, mithilfe der Fähigkeit zum Wissenstransfer.

Die Master-Studiengänge unterscheiden sich von den Bachelor-Studiengängen im Grad der Tiefe und der Komplexität des vermittelten Fachwissens, sodann im Grad der zu erwerbenden Fähigkeit, dieses Wissen eigenständig zu erweitern und ohne Anleitung auf neue Situationen anzuwenden. Hinzu kommt die Fähigkeit zu eigenverantwortlichem Handeln im Berufsfeld in Kooperation mit fachfremden Entscheidungsebenen 63. Die Masterstudiengänge an der Universität sind – im Unterschied zu den Fachhochschulen – stärker forschungsorientiert angelegt 64. Die Studierenden sollen auf der Basis vermittelter Methoden und Systemkompetenz sowie unterschiedlicher wissenschaftlicher Sichtweisen zu eigenständiger Forschungsarbeit angeregt werden. Es geht in der Zielrichtung um ein an den aktuellen Forschungsfragen orientiertes Fachwissen auf der Basis vertieften Grundwissens, um methodische und analytische Kompetenzen, die zu einer selbstständigen Erweiterung der wissenschaftlichen Erkenntnisse befähigen. Forschungsmethoden und Forschungsstrategien sind dabei von zentraler Bedeutung.

2.5 Information Literacy und Informationskompetenz im Hochschulstudium In Europa 65 und speziell in Deutschland fand das Konzept der Information Literacy erst in den 1990er Jahren Eingang in den bibliothekarischen Sprachgebrauch, in Form des Terminus Informationskompetenz 66. Gegenüber der her63 Vgl. Bretschneider (Anm. 61) S. 222 ff. 64 Vgl. Bretschneider (Anm. 61) S. 231 ff. 65 Vgl. Virkus, Sirje: Information literacy in Europe: a literature review. In: Information Research 8 (2003). http://informationr.net/ir/8-4/paper159.html (28. 07. 2011). 66 Siehe dazu u. a.: Homann, Benno: Informationskompetenz als Grundlage für bibliothekarische Schulungskonzepte. In: Bibliotheksdienst 34 (2000) S. 968–978; Lux / Sühl-Strohmenger (Anm. 10), S. 36 ff.; Hochholzer, Rupert / Wolff, Christian: Informationskompetenz – Status quo und Desiderate für die Forschung. Regenburg: Philosophische Fakultät IV, Sprach- und Literaturwissenschaften, 2006. Verfügbar unter http://www.opus-bayern.de/uni-regensburg/volltexte/2006/747/ (26. 07. 2011); ausgezeichnet der kompakte Überblick von: Homann, Benno: Management von Bibliotheksdienstleitungen: Informationskompetenz. In: Erfolgreiches Management

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Information, Wissen, Informationskompetenz

kömmlichen Benutzerschulung geht es bei der Informationskompetenz indes nicht nur um Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit den Angeboten einer bestimmten Bibliothek oder einer speziellen Datenbank, im Sinne von Bedientechniken, sondern wesentlich um das Erlernen von grundlegenden Strategien der Informationspraxis im Kontext des Lebenslangen Lernens 67. Der Wissenschaftsrat führte im Jahr 2000 wesentliche Komponenten der Informationskompetenz im Zusammenhang mit den bei der Einrichtung der gestuften Studiengänge anzustrebenden Schlüsselqualifikationen an: „Zu diesem Kompetenzprofil sind insbesondere zu zählen: Kommunikations- und Teamfähigkeit, Präsentationstechniken, der Umgang mit modernen Informationstechnologien, interkulturelle Kompetenzen und Fremdsprachenkenntnisse, die Fähigkeit, Wissen und Informationen zu verdichten und zu strukturieren, sowie eigenverantwortlich weiter zu lernen.“ 68 Der Verein Deutscher Bibliothekare e. V. (VDB) hatte bereits 2003 eine schriftliche Vereinbarung mit dem Deutschen Hochschulverband (DHV) geschlossen, in der die Förderung von Informationskompetenz für Studierende als wesentlich für den Studienerfolg bezeichnet wird. Erwünscht ist, dass diese Aufgabe von den wissenschaftlichen Bibliotheken wahrgenommen wird und dass diese auf lokaler Hochschulebene bei der praktischen Umsetzung unterstützt werden sollen (s. Anhang D). Im Jahr 2009 hat der VDB darüber hinaus eine „Hamburger Erklärung“ (s. Anhang E) verabschiedet 69, in der die wissenschaftlichen Bibliotheken die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge insbesondere dadurch unterstützen wollen, dass sie zur Förderung von Informations- und Medienkompetenz der Studierenden maßgeblich beitragen. Am besten sei dies zu realisieren, wenn die Hochschulbibliotheken ihre Kursangebote möglichst verbindlich in den Studiengängen verankern, wenn sie dabei eng mit den Fakultäten, Instituten von Bibliotheken und Informationseinrichtungen. 8/3.1. Hrsg. von Hans-Christoph Hobohm u. Konrad Umlauf. Hamburg (Aktualisierungsstand: Nummer 32 – 2010). 67 Vgl. Blum, Gabriela: Information Literacy durch eine „Teaching Library“? Eine vergleichende Studie der Informationskompetenz von Studierenden in Deutschland und den USA. In: B.I.T.online 10 (2007) S. 213–221. 68 Wissenschaftsrat: Empfehlungen zu Studienstrukturen und -abschlüssen (Baccalaureus/Bachleor – Magister/Master) in Deutschland. Berlin 2000, S. 21 f. 69 Siehe Verein Deutscher Bibliothekare e.V. (VDB): Wissenschaftliche Bibliotheken unterstützen die neuen Studiengänge durch die nachhaltige Förderung von Informations- und Medienkompetenz. Hamburger Erklärung. Hamburg 9. 11. 2009. http://www.vdb-online.org/publikationen/einzeldokumente/2009-11-09_ informationskompetenz-hamburger-erklaerung.pdf (08. 08. 2011). Siehe den Text der Hamburger Erklärung im Anhang.

Information Literacy und Informationskompetenz im Hochschulstudium

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und Fachbereichen kooperieren und wenn alle regionalen und nationalen Initiativen auf dem Gebiet der Entwicklung einer verbesserten Informationskompetenz Studierender gebündelt würden. Der Dachverband des Bibliotheks- und Informationswesens Bibliotheken & Information Deutschland (BID) erarbeitete im Jahr 2011 eine weitere Empfehlung zur Informations- und Medienkompetenz 70 (s. Anhang G) mit der Zielrichtung, diese von den Bibliotheken und Informationseinrichtungen wahrzunehmende Aufgabe in die gesellschafts-, bildungs- und wissenschaftspolitischen Diskussionen und Entscheidungsebenen zu transportieren. Ein erster Erfolg war die Berücksichtigung des Papiers in dem Zwischenbericht der Enquêtekommission des Deutschen Bundestags zu Internet und digitaler Gesellschaft. In seinen übergreifenden Empfehlungen zu Informationsinfrastrukturen konkretisiert der Wissenschaftsrat 2011 diese Aussagen und weitet die Forderung der Qualifizierung auf die Gruppe der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus: Bei der Entwicklung von Studiengangcurricula sei „die Vermittlung der für einen sachgerechten Umgang mit den fachspezifisch relevanten Informationsinfrastrukturen notwendigen Kenntnisse und Kompetenzen als Lernziele zu berücksichtigen.“ 71 Zu leisten sei diese Aufgabe von Lehrenden, die in ihrer Forschung eng mit Informationsinfrastrukturen zu tun hätten, sowie durch wissenschaftliches Personal der Infrastruktureinrichtungen, also zum Beispiel der Hochschulbibliotheken, selbst, das mit Lehraufträgen auszustatten sei und entsprechende Lehrveranstaltungen anbieten solle. In den Empfehlungen (s. Anhang F) der von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) eingesetzten Kommission Zukunft der Informationsinfrastruktur (KII) wird die Förderung der Informationskompetenz – aufbauend bereits in den Schulen – bei Studierenden und Wissenschaftlern ebenfalls dezidiert gefordert 72: Grundlegende Aspekte der Informationskompetenz seien in den

70 Vgl. Bibliothek & Information Deutschland (BID) (Hrsg.): Medien- und Informationskompetenz – immer mit Bibliotheken und Informationseinrichtungen. Erstellt von der AG Informationskompetenz der BID. Berlin 2011. http://www. bideutschland.de/download/file/Medien%20und%20Informationskompetenz.pdf (08. 08. 2011). Siehe den Text der Empfehlung im Anhang G. 71 Wissenschaftsrat: Übergreifende Empfehlungen zu Informationsinfrastrukturen. Berlin: 28. 02. 2011, S. 56 (Drs. 10466-11). 72 Siehe Kommission Zukunft der Informationsinfrastruktur: Gesamtkonzept der Informationsinfrastruktur in Deutschland. Empfehlungen der Kommission Zukunft der Informationsinfrastruktur im Auftrag der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz des Bundes und der Länder. April 2011. (Insbes. AG Informationskompetenz/Ausbildung B127–B138). http://www.leibniz-gemeinschaft.de/?nid=infrastr (30. 07. 2011).

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Information, Wissen, Informationskompetenz

Schulen schon zu vermitteln, begleitet von einer entsprechenden Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte, sodann sollten die Universitätsbibliotheken darin unterstützt werden, in grundständigen und in den weiterführenden Studiengängen, also mit den Abschlüssen Bachelor, Master, Staatsexamen und Promotion, die Informationskompetenz der Studierenden, aber auch der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu fördern. Dies solle in enger Kooperation mit den wissenschaftlichen Einrichtungen geschehen. Außerdem empfiehlt die Kommission, den Bereich Informationswissenschaften an den betreffenden Universitäten auszubauen, die das Thema Informationskompetenz in Forschung und Lehre vertreten sollten und die notwendige Forschung auf dem Gebiet der Informationskompetenz betreiben solle. Es bedürfe einer zentralen übergeordneten Instanz, einer Art Fachbeirat. Konkret hebt die KII hervor, dass Informationskompetenz – einen angemessenen Stellenwert in der Wissenschaft einnehmen müsse, – als Schlüsselkompetenz selbstverständlicher Bestandteil der Curricula und des wissenschaftlichen Arbeitens auf exzellentem Niveau werden müsse, – mithilfe modularer und flexibler E-Learning/Blended Learning-Systeme effektiver vermittelt werden könne, – einer Qualitätssicherung bedürfe, – auch neue Komplexe wie das Elektronische Publizieren umfassen müsse, einschließlich der damit verbundenen Themen: Langzeitarchivierung, Virtuelle Forschungsumgebungen oder Forschungsdaten.

Zum einen stützen diese Empfehlungen die Hochschulbibliotheken beim weiteren Ausbau der Teaching Library, zum anderen betonen sie die Bedeutung der Informationswissenschaft für die stärkere Etablierung des Thema Informationskompetenz in den Hochschulen. Dies erscheint nicht schlüssig, denn die Informationswissenschaft hat in den vergangenen Jahren über weite Strecken kaum Initiativen und Impulse auf dem Sektor der Informationskompetenzvermittlung gezeigt, sondern ist erst relativ spät auf den wesentlich von den Hochschulbibliotheken (weniger den von der Kommission ebenfalls stark in den Vordergrund geschobenen Zentralen Fachbibliotheken und Virtuellen Fachbibliotheken) in Gang gehaltenen Prozess der Förderung von Informationskompetenz aufmerksam geworden. Von nennenswerter Begleitforschung seitens der Informationswissenschaft zu Fragen der Informationskompetenz kann ebenso wenig die Rede sein, denn selbst die viel zitierte SteFI-Studie aus dem Jahr 2001 im Auftrag des BMBF kam nicht von der Informationswissenschaft, sondern von der Sozialforschungsstelle Dortmund 73. 73 Vgl. Klatt, Rüdiger / Gavriilides, Konstantin / Kleinsimlinghaus, Kirsten / Feldmann, Maresa: Elektronische Information in der Hochschulausbildung: innovative Mediennutzung im Lernalltag der Hochschulen. Opladen 2001.

Information Literacy und Informationskompetenz im Hochschulstudium

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Die Ausbildung des für die Vermittlung von Informationskompetenz qualifizierten Fachpersonals leisten die Informationswissenschaften ebenfalls nur zu einem geringen Teil. Hinzu kommt, dass die Qualifizierung zur Vermittlung von Informationskompetenz sinnvollerweise eng in die Informationspraxis an den Hochschulen selbst integriert werden sollte, so dass die Fortbildung des bereits mit Schulungs- und Lehraufgaben befassten Bibliothekspersonals entweder mithilfe der lokalen Hochschuldidaktikzentren oder im Zuge überregionaler Fortbildung an entsprechenden Einrichtungen wie dem Hochschulbibliothekszentrum (HBZ) Nordrhein-Westfalen oder am Weiterbildungszentrum der Freien Universität Berlin erfolgt. Diese Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen insbesondere für die Zielgruppe der Bibliothekarinnen und Bibliothekare haben sich seit Jahren bewährt, müssten indes deutlich ausgeweitet und auch finanziell besser unterstützt werden. Dies erscheint für die weitere Stärkung der Teaching Library an den Hochschulen Erfolg versprechender als ein Ausbau informationswissenschaftlicher Professuren, für die der Aspekt Informationskompetenz meistens nur ein Teilgebiet unter vielen anderen darstellt. Das bibliothekarische Verständnis von Informationskompetenz war aufgrund einer Analyse im Jahr 2005 74 vergleichend für den angloamerikanischen und für den deutschsprachigen Raum durch Präferenz deutscher Bibliothekare für die lokalen Angebote und Dienstleistungen der jeweiligen Bibliothek gekennzeichnet. So würden traditionelle Inhalte bei der Vermittlung von Informationskompetenz von Bibliotheken bevorzugt, neue Anforderungen in digitalen Umgebungen oder der Umgang mit multimedialen Quellen dagegen eher vernachlässigt. Auch werde die Relevanz von Informationskompetenz außerhalb des bibliothekarischen Kontextes in Frage gestellt und die Studierenden würden seitens der Bibliothekare im Hinblick auf die Informationskompetenz vielfach als defizitär angesehen und nicht ernst genommen, jedoch sei es schwierig, angesichts der unterschiedlichen Fachkulturen generelle Kriterien für Informationskompetenz zu formulieren. Eine stärkere Differenzierung bei den Angeboten der Bibliothek auf dem Gebiet der Informationskompetenz sei deshalb geboten.

74 Siehe Ingold, Marianne: Das bibliothekarische Konzept der Informationskompetenz. Ein Überblick. Berlin 2005 (Berliner Handreichungen zur Bibliothekswissenschaft. H. 128). Vgl. ferner die fundierte Analyse zum Informationsbegriff von Ingold, Marianne: Information als Gegenstand von Informationskompetenz – eine Begriffsanalyse. Berlin 2011 (Berliner Handreichungen zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft H. 294).

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Information, Wissen, Informationskompetenz

Diese Einschätzung gilt nur noch bedingt, denn das Thema Informationskompetenz hat den engen bibliothekarischen Rahmen mittlerweile verlassen und wird als gesellschafts- und bildungspolitische Herausforderung verstanden 75. Sowohl in der Bibliotheks- und der Informationswissenschaft als auch in der Lehr-Lernforschung und der Didaktik wird an einer breiteren theoretischen Fundierung von Informationskompetenz gearbeitet, sodann befassen sich die Praktiker in den Bibliotheken intensiv mit allen Fragen der Vermittlung von Informationskompetenz und suchen seit geraumer Zeit den engen Kontakt zu den Schulen, zu den Fakultäten und Instituten der Hochschulen und zur Weiterbildung 76. Propagiert wird teilweise auch das Konzept „Information Literacy 2.0“ (Schlüsselkompetenzen, Web 2.0, Lernen, Lernen über Information), das weniger auf formelle Lehrveranstaltungen der Bibliothek setzt, sondern auf das erfahrungsgestützte Lernen, das „Learning by Doing“ in Anknüpfung an den amerikanischen Pädagogen und Philosophen John Dewey 77. Vor dem Hintergrund der Möglichkeiten des Web 2.0 und der Bibliothek 2.0 78 wird das klassische Modell der Informationskompetenz insofern in Frage gestellt, als die Nutzer nicht nur als Konsumenten, sondern verstärkt auch als Produzenten am Informationssystem teilnehmen. „Damit wird der Nutzer selbst Teil des Informationssystems bzw. tritt als Informationsvermittler auf.“ 79 Nach Hapke müssten die in den Universitäten und den Bibliotheken eingesetzten Lehr-Lernangebote sich mehr am Lernenden orientieren, anstatt allzu sehr kursorientiert in Erscheinung zu treten. Bibliothekarische Aktivitäten der Informationskompe-

75 Siehe dazu: Gapski / Tekster (Anm. 20); ferner: Verein Deutscher Bibliothekare e. V. (VDB): Wissenschaftliche Bibliotheken unterstützen die neuen Studiengänge durch die nachhaltige Förderung von Informations- und Medienkompetenz. Hamburger Erklärung (Anm. 69). Bibliothek & Information Deutschland (BID) (Hrsg.): Medien- und Informationskompetenz – immer mit Bibliotheken und Informationseinrichtungen. (Anm. 70). 76 Diese thematische Breite findet Niederschlag in dem Sammelwerk von: SühlStrohmenger, Wilfried (Hrsg.): Handbuch Informationskompetenz. Berlin, München u. a. (erscheint 2012). 77 Siehe Hapke, Thomas: Informationskompetenz 2.0 und das Verschwinden des „Nutzers“. In: Bibliothek. Forschung und Praxis 31 (2007) S. 137–149. 78 Vgl. Danowski, Patrick / Heller, Lambert: Bibliothek 2.0: Die Zukunft der Bibliothek? In: Bibliotheksdienst 40 (2006) S. 1259–1271; Plieninger, Jürgen / Stabenau, Edlef / Heller, Lambert: Never run a changing system. Über die Chancen des Einsatzes „Sozialer Software“ in der Bibliotheksarbeit. In: B.I.T.online 10 (2007) S. 223–231. 79 Hapke, Thomas: Perspektive E-Learning – Die Rolle von Universitätsbibliotheken in neuen Lernumgebungen. In: Krauß-Leichert (Anm. 13) S. 66.

Modelle der Information Literacy

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tenz zielten noch zu sehr auf die Informationssuche, aber zu wenig auf die Nutzung der Information. Die „Informationskompetenz 2.0“ wird im Kontext neuer Informationskulturen sicherlich eine große Rolle spielen, dennoch dürfte eine umfassende Informationskompetenz ohne Orientierung und Anleitung durch kundige Bibliothekare (oder auch Dozenten oder studentische Tutoren) schwerlich entstehen. Die Akzente sollten aber deutlicher im Hinblick auf die aktive Informationsnutzung und das Mitwirken der Nutzer am Informationsgeschehen (Stichworte: Tagging, Wikis, Weblogs, RSS-Feeds) verschoben werden, mit der Perspektive auf eine Bibliothek 2.0 80.

2.6 Modelle der Information Literacy Wenn von Informationskompetenz die Rede ist, geht es wesentlich um die Orientierung in der exponentiell wachsenden Informationsvielfalt, um das Beherrschen einfacher und komplexer Strategien der gezielten Suche nach Information, um die Fähigkeit zur Identifikation von Informationsquellen, zur Selektion und Bewertung relevanter Informationen, zur Verarbeitung und Kommunikation der ausgewählten Information 81. Über die von den Hochschulbibliotheken angebotenen Ressourcen und Informationszugänge hinaus muss sich Informationskompetenz auf die effiziente Nutzung des Internet, auf Dienste des Web 2.0 (Social Software), auf die neuen Möglichkeiten des elektronischen Publizierens und der aktiven Partizipation an der e-Science erstrecken. Die genannten Komponenten finden sich zum Teil in den Konzeptionen zur Informationskompetenz bzw. zur Information Literacy 82, so beispielsweise 80 Vgl. Bergmann, Julia / Danowski, Patrick: Handbuch Bibliothek 2.0. Berlin, New York: 2010 (Bibliothekspraxis. Bd. 41). 81 Vgl. Ballod, Matthias: Informationskompetenz. Dimensionen eines Begriffs. Computer und Unterricht 15 (2005) S. 44–46; Ballod, Matthias: Informationsökonomie – Informationsdidaktik: Strategien zur gesellschaftlichen, organisationalen und individuellen Informationsbewältigung und Wissensvermittlung. Bielefeld 2007; Ballod, Matthias: Informationen und Wissen im Griff. Effektiv informieren und effizient kommunizieren. Bielefeld 2010. 82 Vgl. Homann, Benno: Information Literacy. Ein Beitrag der Bibliotheken für eine demokratische Informationsgesellschaft. Bericht über einen Themenschwerpunkt des IFLA-Kongresses in Glasgow. In: Bibliotheksdienst 36 (2002) S. 1681–1688; Andretta, Susie (Ed.): Information literacy: a practitioner’s guide. Oxford 2005 (Chandos information professional series); Lau, Jesus (Ed.): Information literacy: international perspectives. München 2008 (IFLA publications. Vol. 131).

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Information, Wissen, Informationskompetenz

auch in dem „Big6 Skills Problem Solving Approach“ 83 mit den folgenden sechs Anforderungsstufen 84, einer Art Taxonomie der unter „Information Literacy“ subsumierten Kompetenzen: Task Definition (Aufgabenstellung); Information Seeking Strategies (Informationssuchstrategien); Location and Access (Lokalisierung der Information und Zugang zur Informationsquelle); Use of Information (Informationsnutzung); Synthesis (Synthese der Erträge des Informationsrechercheprozesses); Evaluation (des Informationsrechercheprozesses). Im 1990 von Eisenberg / Berkowitz veröffentlichten Big6 Skills-Modell geht es um eine transparentere, lineare Strukturierung des Informationsprozesses sowie die starke Berücksichtigung kognitiver Faktoren 85. Insoweit erfasst dieses Modell wesentliche Stufen oder Phasen der Entwicklung von Informationskompetenz, jedoch haftet ihm gleichzeitig die Schwäche von Stufenmodellen an, die dazu verleiten, eine lineare, aufeinander aufbauende Abfolge von Entwicklungsschritten vorauszusetzen, die jedoch nicht mit den neueren Erkenntnissen der Lernforschung und der Didaktik übereinstimmt. Diese geht eher von einer Mehrdimensionalität des Lernprozesses aus, der sich aber auch in kreisenden Bewegungen vollziehen kann. Das neue SCONUL-Modell der „Seven Pillars“ (s. u.) entspricht diesem Denkansatz. Demgegenüber entwickelte Kuhlthau 86 das Modell des Information Search Process (ISP) mit einer Fokussierung auf dem Aspekt des Informationsbedarfs, 83 Eisenberg, Michael B. / Berkowitz, Robert E.: Information problem-solving: the Six Big Skills approach to library and information skills instruction. Norwood, N. J. 1990; Eisenberg, Michael B. / Lowe, Carrie A. / Spitzer, Kathleen L.: Information literacy: essential skills for the information age. 2. Ed. Westport, Conn. 2004. 84 Siehe auch: Rauchmann, Sabine: Die Vermittlung von Informationskompetenz in Online-Tutorials: eine vergleichende Bewertung der US-amerikanischen und deutschen Konzepte. In: Fuhlrott, Rolf / Krauß-Leichert, Ute / Schütte, Christoph-Hubert (Hrsg.): Innovationsforum 2003. Informationskompetenz. Wiesbaden 2003, S. 209 (B.I.T.online – Innovativ. Bd. 5). 85 Vgl. Vgl. Homann, Benno: Das Dynamische Modell der Informationskompetenz (DYMIK) als Grundlage für bibliothekarische Schulungen. In: Knorz, Gerhard / Kuhlen, Rainer (Hrsg.): Informationskompetenz – Basiskompetenz in der Informationsgesellschaft. Proceedings des 7. Internationalen Symposiums für Informationswissenschaft. Konstanz 2000, S. 195–206 (Schriften zur Informationswissenschaft. Bd. 38); siehe auch: Homann, Benno: Dynamisches Modell der Informationskompetenz (DYMIK). Didaktisch-methodische Grundlage für die Vermittlung von Methodenkompetenzen an der UB Heidelberg. In: Theke 5 (2000) S. 87. http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/fachinfo/www/schulung/artikelDYMIK.pdf (20. 07. 2011). 86 Vgl. Kuhlthau, Carol; Seeking meaning: a process approach to library and information services. 2nd ed. Westport, Conn. 2004; Kuhlthau, Carol: From information to meaning: confronting challenges of the twenty-first century. In: Libri 58 (2008) S. 66–73.

Modelle der Information Literacy

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Model of the Information Search Process Initiation

Selection

Exploration

Formulation

Collection

Presentation

Feelings (Affective)

Uncertainty Optimism

Confusion Frustration Doubt

Clarity

Sense of direction Confidence

Satisfaction or Sense of Disappointment accomplishment

Thoughts (Cognitive)

vague

% %

focused

% increased

% interest

Actions (Physical)

seeking

relevant Exploring

seeking %

pertinent Documenting

information

information %

Assessment

Increased self-awarness

Abb. 1: ISP-Modell von C.C. Kuhlthau87

sodann mit einer weniger starren Abfolge der Stufen, wie sie bei den „Big6 Skills“ zu konstatieren ist, vor allem aber mit der deutlichen Einbeziehung emotionaler Faktoren und der Ableitung lernpsychologisch basierter Vermittlungsstrategien. Bei Kuhlthau ist dementsprechend die erste Phase, die sich auf die Vergegenwärtigung des tatsächlichen Informationsbedarfs bei dem einzelnen Informationssuchenden bezieht, mehr ausdifferenziert als bei Eisenberg & Berkowitz. Sie unterscheidet zwischen „Task Initiation“, „Topic Selection“, „Topic Exploration“ und „Focus Formulation“, gefolgt nur noch von den drei Phasen der „Collection“, der „Presentation“ und des „Assessment“. Ein wesentlicher Unterschied gegenüber dem kognitiv zentrierten Ansatz der „Big6 Skills“ besteht in der holistischen Sicht des Informationssuchprozesses eines Individuums, das im Zuge dieses Ablaufs von einer noch recht unsicheren, vagen Ausgangssituation im Hinblick auf die vor ihm liegende Informationsrecherche zu immer mehr Klarheit gelangt und sich schließlich zu Selbstbewusstsein steigert. Berücksichtigt werden dabei von Kuhlthau affektivemotionale Komponenten (feelings/affective), wie auch Homann, der sich bereits frühzeitig aus der Sicht der Hochschulbibliothek mit diesem Konzept beschäftigt hat, betont: „Die Integration emotionaler Faktoren, wie z. B. Angst, Unsicherheit, Zufriedenheit, ist ein markantes Merkmal dieses Modells. Kuhlthau ermöglicht damit eine ganzheitliche Perspektive und Analyse von Informationsprozessen.“ 88 Das von Homann für die Vermittlung von Informations87 http://comminfo.rutgers.edu/~kuhlthau/information_search_process.htm (09.08.2011). 88 Homann, Benno: Standards und Modelle der Informationskompetenz − Kooperationsgrundlagen für bibliothekarische Schulungsaktivitäten. In: KraußLeichert, Ute (Anm. 13) S. 88.

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Information, Wissen, Informationskompetenz

kompetenz im Kontext von deutschen Hochschulbibliotheken vorgestellte subjekt- und handlungsorientierte Modell „DYMIK“ (Dynamisches Modell der Informationskompetenz) 89 basiert einerseits auf dem Big6 Skills-Ansatz von Eisenberg/Berkowitz andererseits auf dem ISP-Modell von Kuhlthau. Indikatoren der Information Literacy bieten Catts / Lau im Kontext eines hierarchisch angeordneten Modells der generischen Fertigkeiten 90, basierend auf dem Denken (reasoning), der mündlichen Kommunikation, der Literalität (literacy) und den informationstechnischen Fertigkeiten und der Medienkompetenz. Die Literacy wird dabei den Fertigkeiten der Kommunikation zugeordnet. In dieser Sicht kann Informationskompetenz nicht oder nur bedingt ohne die bereits ausgeprägten Basisfähigkeiten und -fertigkeiten des Denkens, Sprechens und Hörens, des Lesens, Schreibens, Rechnens, sodann der grundlegenden informationstechnischen Fähigkeiten und der Medienkompetenzen realisiert werden. Ingold 91 berichtet über das von Bruce vertretene Modell der Information Literacy, das sieben Komponenten umfasst 92: – Informationstechnologie (Zugriff auf Information und Kommunikation) – Informationsquellen (Finden von Information) – Informationsprozess (Problemlösung, Entscheidungsfindung) – Informationskontrolle (Speicherung, Aufbewahrung von Information) – Wissenskonstruktion (Aufbau einer persönlichen Wissensgrundlage) – Wissenserweiterung (Gewinnung neuer Erkenntnisse) – Weisheit (weise Verwendung von Information zum eigenen Nutzen und zum Nutzen anderer). In den drei Informationsnutzungs-Konzeptionen bei Bruce spielt also nicht „Information“, sondern „Wissen“ die Hauptrolle. Auffallend sind die Ausweitung der Quellenbasis für die Informationssuche, die geringe Gewichtung formaler Kriterien zur Selektion und Beurteilung von Informationsquellen und der Einbezug von erweiterten Formen des Informationsverhaltens. Laut Ingold werden

89 Ebenda, S. 89. 90 Vgl. Vgl. Catts, Ralph / Lau, Jesus: Towards Information Literacy Indicators. Perceptual framework paper prepared by … With a list of potential international indicators for information supply, access and supporting skills by UNESCO Institute for Statistics. Paris 2008, S. 18. http://www.ifla.org/en/publications/towards-information-literacyindicators (27. 07. 2011). 91 Vgl. Ingold (Anm. 74). 92 Vgl. Bruce, Christine: The Seven Faces of Information Literacy. Adelaide 1997.

Modelle der Information Literacy

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hier Anklänge an pädagogische und psychologische Auffassungen von Informationsverarbeitung und intellektueller Arbeit sichtbar. Ebenfalls von Bruce wurde das nicht-prozessorientierte Modell einer informationskompetenten Person entwickelt: Diese lernt selbstständig und selbstgesteuert, hat einen eigenen Informationsstil entwickelt, benutzt Informationstechnologien und -systeme, hat Werte, welche die Informationsnutzung fördern, kennt die Welt der Informationen, hat eine kritische Einstellung und wendet Informationsprozesse an. Auf der Grundlage einer Analyse zahlreicher internationaler Befunde sowie einer (nur bedingt repräsentativen) empirischen Untersuchung im Jahr 2006 zum diesbezüglichen Selbstbild der Bibliothekare kommt Rauchmann zu ähnlichen Ergebnissen 93. Zur Diskussion steht auch, inwieweit Informationskompetenz vor allem ICT-Literacy sein sollte, also die Befähigung zum kompetenten Umgang mit den Informations- und Kommunikationstechnologien 94. Die knapp skizzierten Modelle veranschaulichen die Bandbreite dessen, wie Informationskompetenz verstanden werden und wie sie entwickelt werden kann. Gegenüber den anfänglich ausgeprägt prozess- und stufenorientiert angelegten Konzepten haben wir es jetzt mit komplexeren theoretischen Ansätzen zu tun, die ganzheitlich angelegt sind, sowohl hinsichtlich der kognitiven, affektiven und der handlungsorientierten Dimensionen des Informationsverhaltens als auch hinsichtlich der Einbindung von Informationskompetenz und ihrer Förderung im Rahmen umfassender Lernszenarien. Schließlich öffnet sich bei Bruce die Perspektive auf das weitgehend selbstgesteuerte Erwerben von Informationskompetenz, das bei den Überlegungen zur Modellierung der Teaching Library Berücksichtigung finden müsste. Bruce bleibt nicht bei den Stufen der Informationsverarbeitung und der Kommunikation der Ergebnisse des gesamten Prozesses stehen, sondern sie visiert das weiter gehende Ziel persönlicher Wissenskonstruktion und Wissenserweiterung an. Erst die Fähigkeit zur Überführung der Information, die mithilfe von Informationstechnolo93 Siehe Rauchmann, Sabine: Bibliothekare in Hochschulbibliotheken als Vermittler von Informationskompetenz. Eine Bestandsaufnahme und eine empirische Untersuchung über das Selbstbild der Bibliothekare zum Thema Informationskompetenz und des Erwerbs methodisch-didaktischer Kenntnisse in Deutschland. HumboldtUniversität zu Berlin, Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft. Dissertation. Berlin 2009. 94 Vgl. Weinert, Sabine / Artelt, Cordula / Prenzel, Manfred / Senkbeil, Martin / Ehmke, Timo / Carstensen, Claus H.: Development of competencies across the life span. In: Blossfeld, Hans-Peter / Rossbach, Hans-Günther / Maurice, Jutta v. (Eds.): Education as a Lifelong Process. The German National Educational Panel Study (NEPS). In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Sonderheft / Special Issue 14 (2011) S. 67–86; Gläser, Christine: Information and Communication Technology (ICT) Literacy –

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Information, Wissen, Informationskompetenz

gien, von geeigneten Informationsquellen, Problemlösungsstrategien und Verfahren zur Kontrolle der Information ermittelt wurde, in Wissen kennzeichnet letztlich die informationskompetente Person. Der herausragende Stellenwert, den die Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) in der Informationsgesellschaft einnimmt, legt es nahe, ein entsprechendes Verständnis von Informationskompetenz zu favorisieren. Allerdings stellt sich damit das Problem, die wichtigen Aspekte der kritischen Bewertung gefundener Information, der Beachtung rechtlicher und ethischer Implikationen bei der Informationsverarbeitung und der persönlichen Wissensbildung nicht zu vernachlässigen. Im Zusammenhang mit der Entwicklung einer nationalen Bildungspanelstudie (German National Educational Panel Study/NEPS) an der Universität Bamberg gilt das Interesse auch der Kompetenzentwicklung im Lebensverlauf 95. Die informationstechnologische Informationskompetenz (ICT Literarcy) wird in konzeptioneller Absicht aufgegliedert in die zwei Kompetenzbereiche „Information Literacy“ und „Technological Literacy“. Sodann werden sieben Prozesskomponenten aufgeführt, die sich im Wesentlichen mit den oben dargestellten Big6-Skills und den Standards der Informationskompetenz decken, allerdings sollen bei jedem Einzelprozess die informationstechnischen Technologien genutzt werden: beim Definieren des Informationsbedarfs, beim Zugang zu den Informationsressourcen, bei der Lokalisierung und der Aneignung der gesuchten Information, bei der Zusammenführung der aus verschiedenen Quellen ermittelten Information, bei der Evaluation der elektronischen Ressourcen im Hinblick auf deren Zuverlässigkeit und Gültigkeit und beim Kommunizieren in den elektronischen Medien- und Adressatenumgebungen. Die nachfolgende, vom Verfasser formal etwas variierte Übersicht von Weinert et al. veranschaulicht den skizzierten Bezugsrahmen der ICT-Literacy: Conceptual differentiations of the ICT literacy framework 96 Competencies – Information literacy: ability to recognize when information is needed and have the ability to locate, evaluate, and use the needed information effectively Konzepte in neuen Lernumgebungen. Österreichischer Bibliothekartag 2009 in Graz. (Vortrag am 16. 9. 2009). 95 Vgl. Weinert, Sabine / Artelt, Cordula / Prenzel, Manfred / Senkbeil, Martin / Ehmke, Timo / Carstensen, Claus H.: Development of competencies across the life span / Kompetenzentwicklung über die Lebensspanne. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 14 (2011) S. 67–86. 96 Siehe ebd., S. 82.

Modelle der Information Literacy

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Technological literacy: underlying knowledge of hardware, software applications, networks, and elements of digital technology Process components – Define: using ICT tools to identify an information need – Access: basic knowledge and basic operations (e.g., opening, saving, and printing files) – Manage: using ICT tools to locate information – Create: using ICT tools to adapt, apply, design or invent information – Integrate: using ICT tools to summarize, compare, and contrast information from multiple sources – Evaluate: judging the degree to which information satisfies the needs of the task in ICT environments, including determining authority, bias, and timeliness of materials – Communicate: communicating information properly in its context (audience, media) in ICT environments Computer and Internet applications – Operating system/hardware – Word processing – Spreadsheet/database – E-mail/communication tools – Search engines/Internet –

Schließlich umfasst das Modell den Bereich der Computer- und Internetanwendungen: die Beherrschung der Betriebssysteme und der Hardware, der Textverarbeitung, der Tabellenkalkulation und der Datenbanken, der Email- und der Kommunikationsprogramme, sodann der Suchmaschinen und des Internet. Die Akzentuierung dieses Ansatzes, der die Informationskompetenz als relevant für vielfältige Anforderungen der Lebensspanne verortet, auf den Informationstechnologien erscheint angesichts der digital geprägten Informationsund Wissenswelt auch für unsere Zwecke des Hochschulstudiums und der wissenschaftlichen Forschung angemessen zu sein. Dennoch sollte der Blick auf die nach wie vor im Studium stark genutzten Printmedien – beispielsweise bei den Lehrbüchern, die in großem Umfang als E-Books verfügbar wären 97 – nicht verstellt werden. Insbesondere Studienanfänger zeigen durchaus Probleme in der Rezeption und systematischen Analyse wissenschaftlicher Bücher und Zeitschriftenartikel, so dass die Förderung von Informationskompetenz auch im digitalen Zeitalter weiterhin die elementaren Lesestrategien und das analysierende Verstehen wissenschaftlicher Texte umfassen sollte 98. 97 Vgl. dazu die umfassende Analyse zur Nutzung von E-Books von: Piguet, Arlette: E-Books an wissenschaftlichen Bibliotheken: Zukunftsperspektiven. In: B.I.T.online 14 (2011) S. 113–122. 98 Realitätsnahe brauchbare Anregungen zu diesem Komplex vermittelt zum Beispiel: Steiner, Verena: Lernpower. Effizienter, kompetenter und lustvoller lernen. Die besten Strategien für Studium und Weiterbildung. München, Zürich 2011.

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Information, Wissen, Informationskompetenz

2.7 Standards der Information Literacy und der Informationskompetenz Um das Profil der unter „Informationskompetenz“ subsumierbaren Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten bestimmen zu können, bedarf es leitender Standards, analog den Bildungsstandards im deutschen Bildungswesen 99. Im Zusammenhang mit den PISA-Studien sind die deutschen Lehr- und Bildungspläne dahingehend verändert worden, dass Bildungsstandards mit entsprechend zu erreichenden, messbaren Kompetenzen entwickelt wurden 100. Diese sollen die Dimensionen des Wissens und des Könnens, darüber hinaus auch emotionale Lernziele umfassen. Kompetenz meint also nicht nur kognitive und technischfunktionale Fähigkeiten, sondern auch „die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll zu nutzen.“ 101 In diesem Licht wären die aus dem angloamerikanischen Raum importierten Standards der Informationskompetenz, die der Praxis der Teaching Library an deutschen Hochschulbibliotheken vielfach zugrunde liegen, zu prüfen. Einen Überblick über die verschiedenen nationalen Standards der Information Literacy bietet Sheila Webber 102. Aufgeführt werden folgende für den Hochschulbereich maßgebliche Modelle: – Standards der Association of College & Research Libraries ACRL: Information literacy standards for higher education (2000) – Australische und neuseeländische Standards – Australian and New Zealand Institute for Information Literacy: Australian and New Zealand Information Literacy Framework: principles, standards and practice (2004) Standards der Society of College, National and University Libraries SCO– NUL (Großbritannien): 99 Vgl. Benner, Dietrich (Hrsg.): Bildungsstandards: Instrumente zur Qualitätssicherung im Bildungswesen. Chancen und Grenzen – Beispiele und Perspektiven. Paderborn, München, Wien, Zürich 2006; Drieschner, Elmar: Bildungsstandards praktisch. Perspektiven kompetenzorientierten Lehrens und Lernens. Wiesbaden 2009. 100 Vgl. Klauer, Karl Josef / Leutner, Detlev: Lehren und Lernen. Einführung in die Instruktionspsychologie. Weinheim, Basel 2007, S. 34–36 (Beltz PVU, Studientexte). 101 Anselm, Sabine: Bildungsstandards – Standardbildung. Grenz-Werte der universitären und schulischen Bildung. In: Paul, Ingwer, Thielmann, Winfried, Tangermann, Fritz (Hrsg.): Standard: Bildung. Blinde Flecken der deutschen Bildungsdiskussion. Göttingen 2008, S. 79; siehe auch Weinert (Anm. 94). 102 Siehe Webber, Sheila: Information literacy standards and statements. http:// dis.shef.ac.uk/literacy/standards.htm (27. 07. 2011).

Standards der Information Literacy und der Informationskompetenz



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Information Skills in Higher Education (The Seven Pillars of Information Literacy model, 1999, 2004 sowie 2011, s. Abb. unten).

Das seinerzeit als Säulenmodell ausgeführte Konzept von SCONUL 103 führte sieben Standards auf, die als „Basic Library Skills and IT-Skills” gelten können: – Recognise information need, – Distinguish ways of adressing gap, – Construct strategies for locating, – Locate and access, – Compare and evaluate, – Organise, apply and communicate, – Synthesise and create. Diese Fähigkeiten und Fertigkeiten im Hinblick auf den Umgang mit der Bibliothek und mit der Informationstechnologie werden in einen jeweiligen Bezug zu unterschiedlichen Niveaustufen der Informationskompetenz gebracht: – Neuling, Anfänger (novice, beginner), – Fortgeschrittener Anfänger (advanced beginner), – Kompetent (competent), – Geübt (proficient), – Experte (expert). Die fünf Anforderungsebenen sind nun nicht statisch den sieben Standards zugeordnet, etwa in der Weise, dass die ersten beiden Standards auf die Neulinge und die fortgeschrittenen Anfängern und beispielsweise der sechste und der siebte Standard auf die Geübteren oder auf die Experten zugeschnitten sind. Vielmehr sollen alle sieben Standards – jeweils im Hinblick auf grundlegende Bibliotheks- und informationstechnische Fähigkeiten und Fertigkeiten – auf allen fünf Niveaustufen zur Geltung gebracht werden. STROM10007 dem revidierten SCONUL-Modell von 2011 für das Studium und für die Forschung erscheinen die Standards im Sinne einer „Information Literacy Landscape“ flexibler einander zugeordnet und nicht mehr explizit den

103 Siehe SCONUL / The Society of College, National and University Libraries. Briefing paper. Information skills in higher education (1999). http://www.sconul.ac.uk/ groups/information_literacy/papers/Seven_pillars2.pdf (28. 07. 2011); SCONUL / The Society of College, National and University Libraries: Learning outcomes and information literacy. Supported and published by The Higher Education Academy. London 2004. http://www.SCONUL_outcomes_InformationLiteracy.pdf (01. 09. 2011).

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Information, Wissen, Informationskompetenz

Fähigkeitsstufen, wie oben dargestellt, zugeordnet 104. Die einzelnen Standards betreffen das Scope (Orientierung), Plan (Planen der Informationssuche), Identify (Identifizieren der gefundenen Information), Gather (Sammeln, Zusammenstellen, Ordnen der gefundenen Information), Present (Präsentieren der Ergebnisse einer Informationsrecherche), Evaluate (Bewerten der Information und des Rechercheprozesses) und Manage (Verarbeitung der ermittelten Information). Im SCONUL-Modell für die Forschung sind diese sieben Standards in einer kreisförmigen Anordnung der im Zentrum stehenden informationskompetenten Person zugeordnet. Es ergibt sich aus der individuellen Anlage des Informationsrechercheprozesses, in welchem Stadium die Person diesen oder jenen Standard zur Geltung bringt, ohne dass der Anspruch einer Linearität des Vorgehens noch gegeben ist. Die Angebote der deutschen Hochschulbibliotheken sind partiell an den Standards der Informationskompetenz – übernommen aus dem angloamerikanischen bzw. aus dem australisch-neuseeländischen Hochschulraum 105 − orientiert, andererseits richten sie sich aber an den konkreten Zielsetzungen oder Anforderungen seitens der Fächer aus. Die starre Übernahme von Standards der Informationskompetenz, wie sie etwa die fünf Standards der ACRL umfassend definieren, wird von den deutschen Hochschulbibliotheken schon allein deshalb für wenig sinnvoll erachtet, weil der für Bibliothekskurse zur Verfügung stehende Zeitrahmen in der Regel eng bemessen ist und bei weitem nicht ausreichen würde, um die mit den Standards verbundenen Indikatoren und angestrebten Effekte erfüllen zu können. Zu einer wissenschaftsbezogenen Informationskompetenz gehört die Kenntnis, dass – es in den wissenschaftlichen Bibliotheken verschiedene Informationsträger gibt, die jeweils spezifische Nutzungen erlauben, 104 Vgl. SCONUL Working Group on Information Literacy: The SCONUL seven pillars of information literacy. Core model for higher education. (Prepared by) Moira Bent & Ruth E. Stubbings. April 2011. http://www.sconul.ac.uk/groups/information_literacy/ publications/coremodel.pdf (12. 08. 2011); SCONUL Working Group on Information Literacy: The SCONUL seven pillars of information literacy. A research lens for higher education. (Prepared by) Moira Bent & Ruth E. Stubbings. April 2011. http:// www.sconul.ac.uk/groups/information_literacy/publications/researchlens.pdf (12. 08. 2011). 105 Vgl. Homann, Benno: Standards der Informationskompetenz. Eine Übersetzung der amerikanischen Standards der ACRL als argumentative Hilfe für die Realisierung der „Teaching Library“. In: Bibliotheksdienst 36 (2002) S. 625–638; Homann, Benno: Standards und Modelle der Informationskompetenz − Kooperationsgrundlagen für bibliothekarische Schulungsaktivitäten. In: Krauß-Leichert, Ute (Anm. 13) S. 81–99.

Standards der Information Literacy und der Informationskompetenz

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Informaon LiteracyLandscape

Scope Idenfy Plan Present

Informaon literate person Gather

Manage Evaluate

Abb. 2: Informationskompetente Person nach SCONUL (2011) (Originalgrafik unter http://www.sconul.ac.uk/groups/information_literacy/sp/ doughnut.jpg)



– –



es eine Vielfalt von Informationsressourcen gibt, die zunehmend auch in digitaler Form vorliegen und für die eigenen Forschungs- oder Studienzwecke nutzbar gemacht werden können, digitale Informationsressourcen mithilfe gezielter Suchstrategien besser genutzt werden können als durch intuitive, zufallsbehaftete Verfahren, wissenschaftliche (Hochschul-) Bibliotheken verschiedene Informationsdienste und Serviceangebote, auch zur Förderung von Informationskompetenz, anbieten, die Informationsnutzung im Kontext der digitalen Bibliothek, einschließlich des Internet, rechtlichen und auch ethischen Regelungen oder Maßgaben unterliegt, beispielsweise bezüglich der Herstellung von Plagiaten 106.

106 Vgl. Barth, Robert / Böller, Nadja / Dahinden, Urs / Hierl, Sonja / Zimmermann, Hans-Dieter (Hrsg.): Wissensklau, Unvermögen oder Paradigmenwechsel? Plagiate als Herausforderung für Lehre, Forschung, und Bibliothek. Beiträge der Internationalen

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Information, Wissen, Informationskompetenz

Aber was ist heute das Besondere an dem Nachweis wissenschaftlicher Information, das spezifische Kompetenzen der Informationsaneignung und der Informationsverarbeitung erfordert? Im Unterschied zu früher, als sich die wissenschaftliche Information im Wesentlichen auf Monographien, Sammelwerke, Forschungsberichte und Zeitschriftenaufsätze in Printform, deren Nachweis durch konventionelle Fachbibliographien mit verschiedenen Indices geleistet wurde, beschränkte, wird diese Information heute zunehmend in digitaler Form und in erheblich höherer Komplexität veröffentlicht. Der Nachweis solcher Informationsressourcen geht bereits im Online-Katalog einer Universitätsbibliothek deutlich über die ehemals eher knappe Beschreibung ihrer wichtigsten Kennzeichen – Titel, Autor, Auflage, Umfang, Erscheinungsort, Verlag, Erscheinungsjahr, eventuell Angabe des Bandes in einer Schriftenreihe oder in einer Serie, ISBN – hinaus geht und umfasst beispielsweise die Schlagwörter, eine Zuordnung zu Klassifikationen, Umschlag und Klappentext des Buches, Inhaltsverzeichnis und sogar in manchen Fällen eine Rezension. Auch die Anbindung an Empfehlungsdienste, sodann über definierte Schnittstellen oder Linkresolver integrierte Dienste wie zum Beispiel Google Books oder Links zur Elektronischen Zeitschriftenbibliothek (EZB) wird immer stärker zur Regel. Noch ausgeprägter stellt sich den Studierenden und den Wissenschaftlern die Komplexität beim Nachweis wissenschaftlicher Information im Rahmen von Literaturdatenbanken dar. Mehr als 20 Kategorien beschreiben ein Dokument beispielsweise in der Fachdatenbank PsycINFO in vielfacher Hinsicht und repräsentieren damit eine Wissensform, die Degele als Metawissen, als Wissen zweiter Ordnung kennzeichnete. Die Beschreibungstiefe für einen Zeitschriftenartikel bietet bereits wesentliche Einblicke in den Entstehungszusammenhang des nachgewiesenen Textes sowie in wissenschaftliche Kernbefunde, über die in dem Artikel berichtet wird. Mehrere Kategorien einer solchen umfassenden Beschreibung in der Datenbank dürften Studierenden wie auch manchen Wissenschaftlern nicht geläufig sein wie beispielsweise die Aussagekraft von „Keywords“, die Funktion von „Subjects“, von Subkategorien einer Klassifikation oder die Bedeutung des Digital Object Identifiers (DOI), einer Art ISBN (International Standard Book Number) für elektronische Publikationen. Hinzu kommen weitere Funktionalitäten wie die je nach Lizenzbedingung mögliche Verknüpfung des beschriebenen Objekts mit dem Originaldokument im Volltext oder die Formen des Datenexports (Ausdruck, Abspeichern, Versenden per Email), einschließlich der Ausgabe mit einem gängigen Zitierformat und der bruchlosen Übermittlung solcher Literaturnachweise in Tagung Die Lernende Bibliothek 2009. La biblioteca apprende 2009. Chur 2009 (Churer Schriften zur Informationswissenschaft. Nr. 33).

Standards der Information Literacy und der Informationskompetenz

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ein Literaturverwaltungssystem wie EndNote, Citavi, Reference Manager oder Zotero. Aber auch soziale Netzwerke für die wissenschaftliche Forschung wie ResearchGate 107 oder Mendeley 108 können für die Wissensorganisation nützlich sein. Ein Zeitschriftenartikelnachweis bietet genaue Angaben zu den Autoren und deren Kontaktdaten, er beschreibt den Inhalt des Aufsatzes differenziert im Abstract und nennt darüber hinaus einige Schlagwörter (Subjects), die inhaltsbezogenen Stichwörter (Keywords) und weist das Dokument einer Klassifikation zu. Schließlich folgen mehrere formale Kategorien zur Publikationsform und zum Wiederauffinden des Objekts mithilfe des DOI. Man erfährt auch, dass in dem Aufsatz zahlreiche andere Publikationen zitiert werden (Number of Citations). Insbesondere für Studienanfänger stellt ein solcher vielseitiger Literaturnachweis nicht geringe Anforderungen an das Verstehen und das Bewerten der Information. Das Netzwerk Informationskompetenz Baden-Württemberg (NIK-BW) hat modifizierte Standards der Informationskompetenz erarbeitet, die den komplexen Praxiserfordernissen, denen Studierende bei der Informationssuche und der Informationsverarbeitung unterworfen sind, Rechnung tragen sollen 109. Diese Standards wurden vom Deutschen Bibliotheksverband (DBV) für den Bereich der Hochschulbibliotheken in Deutschland insgesamt übernommen (s. Dokumentation im Anhang B) 110. Dennoch sind die Anforderungen, die sich aufgrund der Komplexität der mit den Standards verbundenen Indikatoren für die Teaching Library ergeben, nicht zu unterschätzen. Beispielhaft sei der zu erwartende Aufwand anhand des Standards 3 (Indikator 1a / s. Anhang) veranschaulicht: Die informationskompetenten Studierenden bewerten die gefundenen Informationen und Quellen und wählen sie für ihren Bedarf aus. Der Indikator umfasst mehrere recht komplexe Aufgaben. Beispielsweise findet ein Studierender bei einer Datenbank- oder Internetrecherche etwa 30 Treffer und soll diese nun je einzeln einer Überprüfung nach den verschiedenen Aspekten, wie sie für den Indikator 1a aufgezählt sind, unterwerfen kön107 Zu finden unter http://www.researchgate.net/ (15. 09. 2011). 108 Siehe Näheres unter http://www.mendeley.com/ (15. 09. 2011). 109 Siehe dazu: Sühl-Strohmenger, Wilfried: Das Netzwerk Informationskompetenz der baden-württembergischen Hochschul- und Landesbibliotheken. In: B.I.T.online 9 (2006) S. 205–212; Homann (Anm. 88) 81–99. 110 Deutscher Bibliotheksverband (dbv): Standards der Informationskompetenz für Studierende. Stand: 03. 07. 2009. http://www.bibliotheksverband.de/fileadmin/ user_upload/Kommissionen/Kom_Dienstleistung/Publikationen/Standards_ Infokompetenz_03.07.2009_endg.pdf (13. 08. 2011).

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Information, Wissen, Informationskompetenz

nen. Der entsprechende Bibliothekskurs müsste also die dafür notwendigen Kompetenzen vermittelt oder gefördert haben. Nicht einfach ist es sodann, ein mithilfe der Datenbankrecherche gefundenes Zitat hinsichtlich „Zuverlässigkeit, Gültigkeit, Genauigkeit, Autorisierung und Perspektive“ zu analysieren und den Entstehungskontext und -prozess zu berücksichtigen. Eventuell müssen die dafür nötigen Kenntnisse innerhalb einer 90-Minuten-Schulung vermittelt werden. Das wäre wohl nur flüchtig möglich, zumal der Indikator 1a des Standards 3 nur ein Aspekt unter mehreren wäre. Eventuell wäre das Ziel einer Informationserziehung als kritisches Denken zu verstehen und dieses entschlossen zu verfolgen 111. Es ginge dann angesichts eines zeitlich begrenzten Kursprogramms darum, bei den Studierenden ein Problembewusstsein bezüglich der oben genannten Bewertungskriterien zu wecken, die dann im Einzelnen selbstbestimmt von jedem einzelnen Studierenden im weiteren Fortgang der studienbezogenen Informationspraxis geschärft werden müssen.

2.8 Zusammenfassung Im Hochschulstudium und in der wissenschaftlichen Forschung hat man es vielfach zunächst mit Daten oder Datensammlungen zu tun, die erst mit der interpretatorischen Zuweisung von Bedeutung – zum Beispiel mit Blick auf die Themenstellung einer Semester- oder einer Abschlussarbeit – den Status von Informationen erhalten. Diese enthalten insofern stets Wissensbestandteile, sind also „Wissen in Aktion“ (Kuhlen), jedoch müssen Informationen, um tatsächlich zur persönlichen Wissensbildung nachhaltig beizutragen, kontextabhängig bewertet, verglichen, kommuniziert und vernetzt werden können. Prozedurales, auf Problemlösungen komplexer Aufgaben abzielendes Wissen würde diesen Intentionen entsprechen. Die Schulungs- und Kursaktivitäten der wissenschaftlichen Bibliothek zur Entwicklung von Informationskompetenz sind den damit verbundenen Ansprüchen an die Lernziele und an die Lehrstrategien unterworfen, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, den Studierenden lediglich instrumentelles Handhabungswissen, also „Skills“, zu vermitteln. Die Bibliotheken sind prädestiniert als Unterstützungsstrukturen für die Wissensbildung, weil sie nahezu die ganze Breite des in unterschiedlichen Informationsmedien materialisierten Wissens sowie der lokalen und der universellen Informationszugänge anbieten 111 Siehe dazu Maan, Najia Abdallaoui: A critical thinking approach for information education. In: IFLA SETBulletin 12 (2011) Nr. 2, S. 6–11. http://www.ifla.org/files/set/ Bulletin/_SET_Bulletin2011-2.pdf 01. 08. 2011).

Zusammenfassung

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können. Indes verlangt dies auf Seiten der Nutzerinnen und Nutzer Informations- und Medienkompetenz als Schlüsselqualifikationen. Eine Kompetenz im Sinne der Schlüsselqualifikation kann fachlich (bereichsspezifisch) oder überfachlich verstanden werden, sollte jedoch stets im Zusammenhang mit subjektiv und objektiv wichtigem Wissen zu realisieren versucht werden. Eigentlich setzt also die fachübergreifende Schlüsselqualifikation fachbezogene Expertise voraus, um als sinnvoll und wirksam erkannt zu werden. Informationskompetenz kann deshalb nicht losgelöst von konkreten fachwissenschaftlich-thematischen Kontexten gefördert werden, wenn sie tatsächlich auf den Erwerb prozeduralen Handlungswissens abzielen will. Die Einführung der neuen Bachelor- und Masterstudiengänge brachte einen Wandel der Informationspraxis im Hochschulstudium mit sich. Im Unterschied zu dem früher angestrebten Ideal umfassenden, von den Studierenden je individuell und kreativ zu erlangenden Wissens in der betreffenden Fachdisziplin und möglichst darüber hinaus, setzt das Studium heute grundlegende Kenntnisse und Fähigkeiten bezüglich heterogener Informationszugänge, bezüglich der Recherche, Bewertung und Verarbeitung von Information, der arbeitstechnischen Fertigkeiten, der Informationsmanagementfähigkeiten insgesamt voraus. Diese sind systematisch erlernbar, vor allem auch mithilfe der Kurse und der sonstigen Unterstützung durch die wissenschaftlichen Bibliotheken. Sie tragen zur Entwicklung notwendiger Informationskompetenz im Bachelor- und im Masterstudium bei. Im Anschluss an das angloamerikanische Konzept der Information Litera112 cy hat sich vor allem im Bereich der Hochschulbibliotheken in Deutschland ein Verständnis von „Informationskompetenz“ herausgebildet, das einen Kern an für den Studienerfolg und das weitere Lebenslange Lernen wichtigen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten beim Umgang mit wissenschaftlicher Information in ihren verschiedenen Ausprägungen – gedruckt, digital, multimedial – umfasst. Entscheidend ist dabei das Erlernen übergreifender Strategien der Informationssuche, der Auswahl und Bewertung von Information im Hinblick auf ihre verschiedenen Formate und Urheber, der Verarbeitung von Information bei Beachtung rechtlicher und ethischer Normen, um dadurch erfolgreiches persönliches Wissensmanagement zu unterstützen. Angesichts der Dominanz elektronisch verfügbarer und elektronisch vermittelter Informationen 112 Die aktuelle Bandbreite der Thematik in der britischen Fachdiskussion veranschaulicht der Band von: Walton, Geoff / Pope, Alison (Eds.): Information literacy. Infiltring the agenda, challenging minds. Oxford, Cambridge, New Delhi 2011 (Chandos Information Professional Series).

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Information, Wissen, Informationskompetenz

erfährt das Verständnis von Informationskompetenz eine markante Akzentuierung auf den informationstechnologischen Anwendungen und Prozeduren (ICT-Literacy). Informationskompetenz oder Information Literacy in dem oben skizzierten vielseitigen Sinn steht seit mehr als einem Jahrzehnt auf der Agenda der wissenschaftlichen Bibliotheken und erfährt zunehmend Beachtung durch maßgebliche Gremien der Wissenschaftsförderung in Deutschland wie zum Beispiel den Wissenschaftsrat und die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz. Die Entstehung neuer Informationsinfrastrukturen setzt eine Qualifizierung der Studierenden und der Wissenschaftler voraus. Die wissenschaftlichen Bibliotheken, die bereits seit Jahren zur Förderung von Informationskompetenz beitragen, sollen im Zusammenwirken mit den Fachbereichen und mit der Informationswissenschaft Konzepte und Strukturen für die erfolgreiche Erfüllung dieser Aufgabe entwickeln. Die skizzierten, bereits existierenden Modelle der Informationskompetenz oder der Information Literacy verdeutlichen, dass bereits ehrgeizige Zielsetzungen und entsprechend komplexe Realisierungsstrategien formuliert wurden, die indes im Licht der neuen digital geprägten Wissenswelten sowie des empirisch untersuchten aktuellen Informationsverhaltens junger Menschen modifiziert werden müssen. Es gibt wohl kaum die eine Informationskompetenz, sondern verschiedene Ausprägungen, auch in Abhängigkeit von spezifischen Motiven und Bedarfslagen der Nutzergruppen: Schüler, Studienanfänger, Fortgeschrittene, Doktoranden, Wissenschaftler. Hilfreich für die Bemühungen der Hochschulbibliotheken können die verschiedentlich entworfenen Standards der Informationskompetenz für Studierende sein. Allerdings dürfen sie in ihrer Anwendbarkeit nicht überbewertet werden, weil sie zu ihrer Realisierung im engen Zeitrahmen bibliotheksgestützter Kurse anspruchsvoller Lehrstrategien bedürfen. Auch zeigen die internationalen Vorbilder insbesondere aus Großbritannien, dass eine zu starre, linear angelegte Stufenfolge der Standards nur bedingt den Realitäten der Informationspraxis junger Menschen entspricht. Im Folgenden wird ein Überblick über den internationalen und den nationalen Stand der empirischen Forschung zum Lern- und Informationsverhalten Studierender sowie zur Informationskompetenz Studierender gegeben. Für die Modellierung der Teaching Library ergeben sich daraus zentrale Anhaltspunkte für ihre Zielsetzungen, ihre Lernziele und Lerninhalte sowie für die sinnvolle Strukturierung des Angebots.

3 Empirische Befunde zum wissenschaftsbezogenen Informationsverhalten Die vorliegenden empirischen Untersuchungen zum wissenschaftsbezogenen Informationsverhalten betreffen einerseits das für die Verbesserung der Informationskompetenz zugrunde zu legende aktuelle Informations- und Lernverhalten, andererseits die Informationskompetenz selbst und ihre Förderung durch Hochschulbibliotheken.

3.1 Lern- und Informationsverhalten Studierender Eine wesentliche Bedingung für die Konzeption und die Realisierung der Hochschulbibliothek als Lehr-Lernort ist das Lern- und Informationsverhalten der Studierenden. Vor dem Hintergrund der sich rasch entwickelnden elektronischen (digitalen) Bibliothek und der Substitution konventioneller Informationsmedien durch elektronische Angebote in den vergangenen 10 bis 15 Jahren ist es grundlegenden Veränderungen unterworfen. Die sich ausbreitende Internetnutzung, nicht nur hinsichtlich der Suchmaschinen, sondern auch hinsichtlich der viel praktizierten Online-Buchsuche in Amazon.com oder der Beteiligung an sozialen Netzwerken wie zum Beispiel Facebook, haben dazu in nicht geringem Maß beigetragen 113 und diverse Schwierigkeiten zutage treten lassen: Probleme beim Umgang mit der Informationstechnologie, bei der Orientierung in digitalen Informationsräumen, bei der effektiven Informationssuche, bei der Informationsauswahl und bei der Informationsverarbeitung können zu Unsicherheiten oder gar zur Informationsvermeidung führen 114. Aber wie lernen Studierende überhaupt? Unter „Lernverhalten“ werden Einstellungen zum Lernen wie die Praxis des Lernens im Studium verstanden, insbesondere im Hinblick auf die virtuelle und auf die physische Lernumgebung. Das „Informationsverhalten“ bezeichnet demgegenüber die Art der Infor113 Vgl. Wilson, Alison (Ed.): The 2003 OCLC Environmental Scan: Pattern Recognition. A report to the OCLC Membership. Dublin. Ohio 2004. 114 Vgl. Ballstaedt, Steffen-Peter: Kognition und Wahrnehmung in der Informationsund Wissensgesellschaft. Konsequenzen gesellschaftlicher Veränderungen für die Psyche. In: Kübler, Hans-Dieter / Elling, Elmar (Hrsg.): Medienpädagogik „Wissensgesellschaft“. Bonn 2005. http://www1.bpb.de/files/HA65KC.pdf (22. 07. 2011), Degele (Anm. 39); Mangold, Roland: Informationspsychologie. Wahrnehmen und Gestalten in der Medienwelt. München 2007, S. 67 ff.

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Empirische Befunde zum wissenschaftsbezogenen Informationsverhalten

mationspraxis, insbesondere im Hinblick auf die Wahl der für das jeweilige Studienvorhaben geeigneten Informationsressourcen, sodann bezogen auf die Art der Nutzung dieser Ressourcen, der Informationsauswahl und -bewertung sowie bezogen auf die Informationsverarbeitung. Den besonderen Herausforderungen der digitalen Informationswelt kommt dabei herausragende Bedeutung zu 115. Nach lernpsychologischen Erkenntnissen ist die Beherrschung von Lernstrategien im Studium wegen der im Vergleich zum schulischen Lernen deutlich höheren Komplexität von wesentlicher Bedeutung. Es geht bei Lernstrategien um effiziente Lerntechniken, die zielbewusst und flexibel eingesetzt werden, zunehmend automatisiert verlaufen, aber dennoch bewusstseinsfähig bleiben 116. Man unterscheidet metakognitive, der Planung, Überwachung und Regulation von Lernaktivitäten dienende Strategien, sodann kognitive, auf Wiederholung, Elaboration und Organisation konzentrierte Strategien, sowie ressourcenbezogene Strategien, also Anstrengungsmanagement, Aufmerksamkeitsmanagement, Zeitmanagement, das Lernen mit anderen, die Gestaltung der Studienumgebung und Verwendung von Literatur. Zu ergänzen wäre der Umgang mit Information, die im digitalen Zeitalter weit über das hinaus geht, was üblicherweise mit „Literatur“ bezeichnet wird. Bedingungsfaktoren der Strategienutzung sind: Vorwissen, Studieninteresse und intrinsische/extrinsische Lernmotivation, Lehrqualität, Lehrkonzeption der Lehrenden, epistemologische Überzeugungen, Fachrichtung und Studiendauer 117. Besonders hervorgehoben wird die Bedeutung des Vorwissens für den Prozess der Informationsverarbeitung: „Die Aktivierung vorhandenen Wissens ist ein entscheidender Bedingungsfaktor erfolgreichen Lernens. Der Zugriff auf das Vorwissen findet in weiten Teilen automatisch statt; Lernende und Lehrende können ihr Vorwissen bzw. das ihrer Schüler jedoch auch bewusst aktivieren und damit Lernprozesse gezielt unterstützen.“ 118 Dieses ist später noch näher auszuführen, jedoch vollzieht sich der Lernprozess vor dem Hinter115 Siehe dazu u. a.: Brophy, Peter: The Library in the Twenty-First Century. 2nd ed. London 2007; Sühl-Strohmenger (Anm. 9); Franke, Fabian / Klein, Annette / SchüllerZwierlein, André: Schlüsselkompetenzen: Literatur recherchieren in Bibliotheken und Internet. Stuttgart, Weimar 2010. 116 Vgl. Streblow, Lilian / Schiefele, Ulrich: Lernstrategien im Studium. In: Mandl, Heinz / Friedrich, Helmut Felix (Hrsg.): Handbuch Lernstrategien. Göttingen, Bern, Wien u. a. 2006, S. 353. 117 Ebenda, S. 355. 118 Krause, Ulrike-Marie / Stark, Robin: Vorwissen aktivieren. In: Mandl, Heinz / Friedrich (Anm. 116) S. 43.

Lern- und Informationsverhalten Studierender

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grund des Informationswachstums und der damit steigenden Anforderungen an die individuelle Verarbeitung der Informationsmenge. Die für das Informationszeitalter symptomatische Informationsüberflutung (information overload) schafft Probleme der Bewältigung bzw. des produktiven Umgangs mit den wachsenden Informationsmengen. Beobachtet werden aus soziologischer oder aus psychologischer Sicht unterschiedliche Reaktionsweisen auf die Informationsexplosion, die von der kompetenten Informationsauswahl bei Vermeidung überflüssiger Daten über die Informationsvermeidung bis zu Informationsangst, verbunden mit Informationsstress, oder zu Ohnmachtsgefühlen (Resignation) reichen können. Die Bewältigung des Informationswachstums geschieht auch im Sinne der Bevorzugung von Wissen zweiter Ordnung, also des Metawissens 119, sodann durch Multitasking, Verwendung von Mind Maps oder Concept Maps 120 und vor allem mithilfe von Kompetenzen zur effizienten Verarbeitung von Information, beispielsweise im Rahmen von Literaturverwaltungsprogrammen wie Citavi, EndNote oder Zotero. „Als Strategien der Informationsbewältigung bieten sich an, schneller (im Sinne von Browsing) oder flüchtiger zu lesen, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun (Multitasking), Informationen zu komprimieren (Resümees, Abstracts) oder zu filtern.“ 121 Die Informationspraxis im Zeitalter des Internet stößt tendenziell an Grenzen der menschlichen Informationsverarbeitungskapazitäten: Ein limitierender Faktor der Informationsverarbeitung ist die Aufmerksamkeit: „If attention goes one place, then it can’t go another.“ 122 Innovationen, wie sie beispielsweise die digitale Bibliothek mit ihrem laufend wachsenden Reservoir an elektronischer Fachinformation und an elektronischen Dienstleistungen bietet, stellen nicht zu unterschätzende Anforderungen an die Aufmerksamkeitskapazitäten verschiedener Nutzergruppen, zumal die Innovationszyklen immer schneller aufeinander folgen. Man kann insofern von einem Prozess permanenter Innovationen sprechen, der entsprechend flexibles Lernen auf Anwenderseite verlangt. Im Hinblick auf das kognitionspsychologische Konzept der Aufmerksamkeit ist zu beachten, dass bei der alltäglichen medial vermittelten Informationsverarbeitung visuelle, auditive und taktile Informationen in ihrem Zusammen-

119 Vgl. Degele (Anm. 39). 120 Siehe u. a.: Nückles, Matthias / Renkl, Alexander: Mind maps und concept maps. Visualisieren, organisieren, kommunizieren. München 2005 (dtv. Bd. 50877). 121 Degele: Neue Kompetenzen (Anm. 39) S. 70. 122 Davenport, Thomas H. / Beck, John C.: The attention economy: understanding the new currency of business. Boston 2001.

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wirken nur selektiv bzw. stichprobenartig erfasst werden können 123. Bei der Kombination von Text und Bild, wie sie auf Monitoren oder auf Buchseiten nicht selten vorkommt, kann entweder nur das eine oder das andere mit der für eine ausreichende Informationsverarbeitung notwendigen Aufmerksamkeit wahrgenommen werden. Gegenüber der ‚unwillkürlichen Aufmerksamkeit‘, die eine automatische Zuwendung zu unerwarteten äußeren und inneren Reizen, etwa bei Videoclips, Computerspielen oder Werbung, beinhaltet, liegt der aktiven Informationssuche, beispielsweise in Bibliothekskatalogen, im Internet oder in Datenbanken, die ‚willkürliche Aufmerksamkeit‘ zugrunde, d. h. die „intentionale Zuwendung zu bestimmten Inhalten.“ 124 Gesteuert wird sie von Vorwissen oder vom Vorbewusstsein 125 und von Erwartungen; sie setzt ein gewisses Maß an mentaler Anstrengung voraus. Aus lernpsychologischer Perspektive geht es im Hinblick auf die Bewältigung der Informationsmengen um Kompetenzen für den Umgang mit Informationen und Wissen, weniger aber um das inhaltliche Bildungswissen selbst. Dieser Ansatz deckt sich mit Degeles These der Dominanz des Metawissens, des Wissens zweiter Ordnung. Methoden des Wissensmanagements 126, aber auch Datenbanken, Content-Management-Systeme oder Data-Mining-Verfahren können dabei eine zentrale Rolle spielen. Insgesamt betrachtet fordert also die Informations- und Wissensgesellschaft die kognitiven Fähigkeiten jedes Individuums, dennoch ist nicht die Menge der Informationen das Hauptproblem, sondern der effektive Umgang damit, und dieser könnte durch elektronische Tools und individuelles Wissensmanagement optimiert werden 127. Die Hochschulbibliotheken bieten zur Entlastung verschiedene Informationsservices an, außerdem bemühen sie sich um die Förderung von Informationskompetenz, die auch die für präzise Literaturrecherchen wesentlichen Fähigkeiten der sinnvollen Einschränkung ansonsten

123 Siehe die Beiträge in: Plötzner, Rolf / Leuders, Timo / Wichert, Adalbert (Hrsg.): Lernchance Computer. Strategien für das Lernen mit digitalen Medienverbünden. Münster 2009 (Medien in der Wissenschaft. Bd. 52). 124 Ballstaedt (Anm. 114) S. 4. 125 Roth, Gerhard: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten. Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern. Stuttgart 2007, S. 80. 126 Siehe Hasler-Roumois (Anm. 30); Reinmann / Eppler (Anm. 30); allgemein zum Thema Wissenschaftsmanagement vgl.: Lehner, Franz: Wissensmanagement. Grundlagen, Methoden und technische Unterstützung. Unter Mitarb. von M. Scholz u. S. Wildner. 3. Aufl. München, Wien 2009. 127 Vgl. Ballstaedt (Anm. 114).

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nicht zu bewältigender Ergebnismengen umfassen. Hervorzuheben ist die Bedeutung von Browsing, Scanning und Serendipity, auch wenn diese Formen der Informationssuche nicht intentional, also absichtsgeleitet sind. Serendipity und Browsing können durchaus miteinander in Verbindung stehen: „(...) people find valuable information on subject B when searching for subject A, a phenomenon often called serendipity. The very act of browsing allows a user to recognize information of value in other contexts than that in mind when the search was started.“ 128 Informationsangst angesichts der Informationsüberflutung muss also nicht zwingend zur Informationsvermeidung führen. Aber wie stellt sich das Informationsverhalten junger Menschen des 21. Jahrhunderts im Licht internationaler, nationaler und lokaler empirischer Studien wirklich dar?

3.2 Internationale Befunde zum aktuellen wissenschaftsbezogenen Informationsverhalten Im Unterschied zum Bibliotheks- und Informationswesen im deutschsprachigen Raum wird das Informationsverhalten junger Menschen vor allem in den angloamerikanischen Ländern seit Jahren kontinuierlich mithilfe sozialwissenschaftlicher Forschungsmethoden systematisch untersucht. Nachfolgend wird keine systematische Übersicht 129 über alle entsprechenden Erhebungen gegeben, sondern es werden anhand einiger hervorstechender Studien Grundlinien des aktuellen Informationsverhaltens sowie einige wichtig erscheinende Zukunftstrends heraus gearbeitet.

3.2.1 Die CIBER-Studien in Großbritannien Für Großbritannien liegen neuere Forschungsergebnisse des interdisziplinär ausgerichteten CIBER (Centre for Information Behaviour and the Evaluation of Research) am University College London vor, die das Informationsverhalten des

128 Case, Donald O.: Looking for information. A survey of research on information seeking, needs, and behavior. 2nd ed. Amsterdam et al. 2007, S. 90. 129 Eine solche Übersicht bietet zum Beispiel: Schulmeister, Rolf: Gibt es eine „Net Generation“? Version 2.0. Universität Hamburg, Zentrum für Hochschul- und Weiterbildung. Hamburg 2008. http://www.zhw.uni-hamburg.de/uploads/schulmeisternet-generation_v2.pdf (14. 08. 2011).

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„digitalen Konsumenten“ oder „e-Shoppers“ auch empirisch untersuchen 130. Es handelt sich bei der CIBER-Studie um die bislang umfangreichste internationale Untersuchung zum Informationssuchverhalten wissenschaftlicher Nutzer im virtuellen Raum. Die in den Medien und in der medienwissenschaftlichen Forschung recht häufig verwendete Metapher der „Net Generation“ 131 oder auch der „Google Generation“ 132 unterstellte zunächst ein homogenes Bild der jungen Generation, ging sodann davon aus, dass alle Jugendlichen und Studierenden über leistungsfähige Geräte der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie wie beispielsweise einen iPod, ein Notebook oder ein internetfähiges Handy verfügen, und dass die Studierenden sich ausgeprägt ihrem Studium widmen und bereitwillig viel Zeit darin investieren, die passenden Informationsquellen für ihre Aufgaben zu finden. Diese Annahmen werden durch neuere empirische Befunde nicht bestätigt 133. Vorgeschlagen wird, besser vom „e-shopper“, also vom „digitalen Konsumenten“ zu sprechen als von der Net Generation. Zunächst zum Verständnis der Net Generation, wie sie von Lippincott beschrieben wurde: „Given that this generation of college students has grown up with computers and video games, the students have become accustomed to multimedia environments: figuring things out for themselves without consulting manuals; working in groups; and multitasking. These qualities differ from those found in traditional library environments, which, by and large, are text-based, require learning the system from experts (librarians), were constructed for individual use, and assume that work progresses in a logical, linear fashion.“ 134

130 Vgl. Nicholas, David / Rowlands, Ian (Eds.): Digital consumers. Reshaping the information professions. London 2008; siehe ferner: Student information-seeking behaviour in context. Key findings from CIBER log studies, 22 June 2007. http://www.jisc.ac.uk/media/documents/programmes/reppres/ggworkpackageiv.pdf (02. 11. 2011). 131 Vgl. Lippincott, Joan K.: Net generation students and libraries. In: Oblinger, Diana J. / Oblinger, James L. (Eds.): Educating the net generation (chapter 13). Boulder, CO: EDUCAUSE 2005. http://net.educause.edu/ir/library/pdf/pub7101m.pdf. (20. 07. 2011). 132 Vgl. Vgl. Williams, Peter / Rowlands, Ian / Fieldhouse, Maggie: The ‚Google Generation‘ – myths and realities about young people‘s digital information behaviour. In: Nicholas, David / Rowlands, Ian (Eds.): Digital consumers. Reshaping the information professions. London 2008, S. 159–192. 133 Vgl. ebenda; ferner: Schulmeister (Anm. 129). 134 Lippincott (Anm. 131).

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Das Aufwachsen mit dem Computer und den Videospielen sei demnach für die Net Generation genauso konstitutiv wie die Vertrautheit mit multimedialen Umgebungen, mit dem selbstständigen Experimentieren, mit dem Arbeiten in Gruppen sowie mit dem Multitasking, also der Beschäftigung mit mehreren Aufgaben gleichzeitig, insbesondere mit dem zeitgleichen Gebrauch von Internet, Fernsehen, SMS und Email. Demgegenüber sei das Arbeiten der Studierenden in traditionellen Bibliotheksumgebungen individuell, bezogen auf gedruckte Texte, angeleitet durch Bibliothekare und charakterisiert durch Logik und Linearität. Diese Annahmen sind allerdings durch empirische Befunde, insbesondere infolge des Mangels an (generationenübergreifenden) Langzeituntersuchungen, nicht gestützt 135. Beispielsweise ist es keineswegs eine gesicherte Erkenntnis, dass die Google Generation ausschließlich aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen besteht, sondern durchaus auch ältere Menschen (50- bis 64Jährige sowie Alte über 65 Jahren) umfasst, die das Internet und die sozialen Netzwerke regelmäßig nutzen 136. Innerhalb der jungen Generation bestehen zudem signifikante Unterschiede bezüglich des ausgeprägten Interesses an Informationstechnologie und an deren Nutzung. Williams et al. berichten über Studien, denen zufolge lediglich 27 Prozent der britischen Teenager stark an IT interessiert seien, die Mehrheit von 57 Prozent jedoch IT-Anwendungen auf niedrigem Niveau nutzen, um ihren einfachen Kommunikationsbedarf oder ihre Unterhaltungsbedürfnisse zu befriedigen. Immerhin 20 Prozent wehren sich gar völlig gegen Informationstechnologien und vermeiden deren Nutzung. Längsschnittuntersuchungen über mehrere Entwicklungsphasen für eine Kohorte Jugendlicher fehlen bislang in Großbritannien ebenso wie systematische Forschungsstudien zu den Informationsfertigkeiten junger Menschen in der höheren Bildung 137. Im Zusammenhang dieser Studie interessieren folgende Erkenntnisse der CIBER-Forschung: Wie wird das Informationssuchverhalten der digitalen Konsumenten gesehen? Welche Trends des „digitalen Konsums“ sind erkennbar? Das Informationssuchverhalten im Internet ähnelt – wie oben schon angemerkt wurde – wohl mehr dem des digitalen Konsumenten (e-shopper) als dem des traditionellen Bibliotheksbesuchers 138. Der über das Internet zugängliche riesige Infor135 Vgl. Williams / Rowlands / Fieldhouse (Anm. 132). 136 Ebd., S. 182. 137 Ebd., S. 183. 138 Nicholas, David / Huntington, Paul / Jamali, Hamid R. / Dobrowolski, Tom: The information-seeking behaviour of the digital consumer: case study – the virtual scholar. In: Nicholas / Rowlands (Anm. 130) S. 114.

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mationsmarkt ist Teil des Shopping-Erlebnisses. Um dieses konsumentenähnliche Verhalten beschreiben und bewerten zu können, wurde das Informationssuchverhalten von rund 500.000 im Netz aktiver Wissenschaftler und Studierender im Zeitraum 2001–2008 mithilfe vielschichtiger Logfile-Untersuchungen sowie zusätzlicher Befragungen nachvollzogen und die damit ermittelten digitalen Fußspuren analysiert. Diese bezogen sich auf Recherchen der wissenschaftlichen Nutzer in den häufig aufgerufenen wissenschaftlichen Datenbanken ScienceDirect, OhioLINK, Synergy, Wiley Interscience, Oxford Open Journals, Oxford Scholarship Online und British Library. Logfile-Analysen sind Zugriffsstatistiken, die Auskunft über die Nutzung eines Internet-Angebotes geben. Grundlage von Logfile-Analysen sind die Log-Dateien des Web-Servers, in denen alle Zugriffe protokolliert werden. Zentrale Features der digitalen Fußabdrücke virtuell suchender Wissenschaftler waren demnach – bezogen auf die Aktivität und die Datennutzung – die Häufigkeit angeschauter Webseiten, die Anzahl von herunter geladenen Volltexten, die Anzahl durchgeführter Recherchesitzungen, die Tiefe der Durchdringung einer Webseite, die für das Anschauen einer Seite aufgewandte Zeit, die für eine Sitzung verwendete Zeit, die Zahl der Suchanfragen während einer Sitzung, die Anzahl wiederholter Besuche, die Zahl der verwendeten Zeitschriften sowie die Anzahl der Aufrufe pro Zeitschrift. Bezogen auf die Charakteristika der Informationssuche standen folgende digitale Fußabdrücke im Mittelpunkt des Forschungsinteresses von CIBER: der Typ der angeschauten Inhalte, also die Anzahl der in einer Sitzung genutzten Zeitschriften, die Titel der verwendeten Zeitschriften, ihre Thematik und ihr Alter, die Art des angeschauten Materials, also der Volltexttyp, der Umfang der Artikel, ihr Publikationsstatus (im Druck oder schon abschließend gedruckt), der Suchstil, also die Eröffnung einer Recherche, die Anzahl von während einer Sitzung durchgeführten Recherchen, die Anzahl von in einer Suche verwendeten Suchbegriffe sowie die Art der Navigation. Die im Rahmen der CIBER-Studie ausgewerteten Logfile-Analysen erbrachten, dass die Aktivität der an elektronischen Recherchen interessierter Wissenschaftler sehr ausgeprägt ist und kontinuierlich ansteigt, insbesondere sichtbar bei den elektronischen Zeitschriftenprovidern (Blackwell Synergy, OhioLINK, Emerald). Die starke Zunahme der Zugriffszahlen auf die Seiten geht zum einen auf die Suchmaschinen zurück, zum anderen ergeben sie sich aus dem hohen Anteil von Nutzern, die keine Berechtigung haben, die lizenzierten Inhalte anzuschauen, jedoch schon damit zufrieden sind, die Abstracts lesen zu können. Die E-Books werden, ähnlich den E-Journals, einen weiteren Boom bei der elektronischen Nutzung wissenschaftlicher Publikationen auslösen.

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Die Informationsüberflutung wird – wie Nicholas et al. ermittelt haben – von den Wissenschaftlern nicht als Problem gesehen. Die Nutzer geraten allerdings infolge der enormen Inanspruchnahme von über Suchmaschinen erreichbaren digitalen Inhalten in eine große Nähe zu den Verlagen, bei gleichzeitigem Verlust an Kontakt zu den Bibliotheken. Diese wissen dadurch immer weniger über ihre Nutzer, versuchen andererseits, der Herausforderung seitens kommerzieller Angebote auf dem wissenschaftlichen Publikationsmarkt durch institutionelle und durch fachliche Repositorien zu begegnen. Beobachtet wurde von Nicholas et al. ferner ein Nutzerverhalten, das als „bouncing“ (Hüpfen) zwischen diversen Webseiten zu umschreiben ist. Man bewegt sich rasch von der einen zu einer anderen Website, und verweilt nur so lange auf einer Seite, wie sie Interesse erzeugt, ansonsten wechselt man zu einer anderen, vergleichbar dem Zappen am Fernsehgerät. Jüngere Personen, Suchmaschinennutzer und „Non-Subscriber“ neigen besonders stark zum „bouncing“. Die Vorstellung des „one-stop-shop“, wie sie die Bibliothekare vielfach vertreten, scheint insofern nicht zu stimmen. Den Bibliotheken wird geraten, ihre Inhalte für Suchmaschinen zu öffnen und damit leicht „konsumierbar“ zu machen. Die Navigationswege der wissenschaftlichen Nutzer sind nach Nicholas et al. myriadisch und durch Browsing geprägt. Insbesondere Abstracts werden gern und häufig angesehen, weil sie gute Anhaltspunkte für die Auswahl aus dem angebotenen digitalen Inhalt bieten. Auch dieser Befund scheint für Degeles oben angesprochene These von der Dominanz des Metawissens zu sprechen. Die Bibliotheken favorisieren zunehmend die Suchmaschinen und setzen auf die föderative Suche über alle ihre Ressourcen. Die Nutzer verwenden nur wenige Minuten darauf, sich die Inhalte der betreffenden Webseiten genauer anzusehen. Die Inhalte werden nicht im eigentlichen Sinne „gelesen“, sondern im Zuge von „power browsing“ horizontal über Seiten, Titel, Inhaltsverzeichnisse und Abstracts mit dem Ziel, schnellen Gewinn zu machen, überflogen 139. Die e-shopper verwendeten bei Recherchen im Angebot von ScienceDirect (Verlag Elsevier) im Schnitt 30 bis 40 Sekunden darauf, einen Volltextartikel anzuschauen, also zu wenig Zeit, um den Text gründlich zu lesen. Es hat demnach den Anschein, dass diejenigen, die online recherchieren, das Lesen vermeiden wollen. Diese Vermutung wird dadurch erhärtet, dass gemäß den CIBER-Analysen längere Volltexte nur über die Lektüre der Abstracts, nicht aber über die vollständige Lektüre der Texte selbst erfasst wer139 Nicholas / Huntington / Jamali / Dobrowolski (Anm. 138) S. 134.

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den. Zwar bedienen sich viele wissenschaftlichen Nutzer der Möglichkeiten des Ausdrucks oder des Herunterladens solcher Volltexte, jedoch hat die ergänzende Befragung von in die CIBER-Studie einbezogenen Nutzern ergeben, dass diese Quellen höchstens von 50 Prozent eventuell vollständig rezipiert werden. Etwa 10 Prozent der Befragten räumten ein, diese Dokumente zwar in ihrer Publikation zu zitieren, sie aber vorher nicht durchzulesen. Die Studierenden, die in die Studie einbezogen waren, bringen demgegenüber bei Datenbanksitzungen von über 15 Minuten mehr Zeit für das Anschauen von Volltexten am Bildschirm auf als die Wissenschaftler, vermutlich wegen der in vielen Institutionen begrenzten Druckerkapazitäten. Dies ändert aber nichts an dem Gesamtbefund, dass viele Wissenschaftler während einer Datenbanksitzung nur wenige Seiten anschauen (von denen viele keine wirklich inhaltlichen Seiten repräsentieren), dass die Wissenschaftler vielfach nicht regelmäßig zu der betreffenden Seite zurückkehren und die Durchschnittszeit (average time) darauf verwenden, aktuelle Inhalte zu sichten, dass aber niemand ausreichend Zeit aufbringt, online signifikant etwas zu lesen. Bibliothekare und Verleger müssten ihre Informationssysteme auf dieses Informationssuchverhalten besser abstimmen, in Richtung auf ein flexibles „suck it and see“ Modell 140. Die Unterschiede im Informationssuchverhalten erstrecken sich auf das jeweilige Ausmaß der akademischen Expertise, sodann auf die fachwissenschaftliche Zugehörigkeit, und zwar in Abhängigkeit von der geographischen Lage, vom Geschlecht, vom jeweiligen Organisationstyp, in dem die betreffenden Wissenschaftler tätig sind, vom Typ der Universität, sodann abhängig davon, ob der Wissenschaftler als Autor publiziert oder nicht, ferner von der Einstellung zur wissenschaftlichen Kommunikation. In Abhängigkeit von diesen Faktoren ergaben sich bedeutsame Unterschiede bei der Auswahl des angeschauten Materials hinsichtlich ihrer Erscheinungsjahre (aktueller Jahrgang oder ältere Jahrgänge), hinsichtlich der Anzahl der konsultierten Zeitschriften, hinsichtlich wiederholter Besuche bestimmter Ressourcen im Web, hinsichtlich der Abstractnutzung (in Abhängigkeit vom Lebensalter), hinsichtlich des Formats, mit dem die Artikel betrachtet wurden. Rund 37 Prozent der Männer bevorzugen das PDF-Format, aber nur 22 Prozent der Frauen, Chinesen hatten die höchste Nutzung beim PDF-Format, die Studierenden beim HTML-Format für das Anschauen der Artikel. Im Hinblick auf das Suchen erzielten Osteuropäer und Australier hohe Prozentsätze bei Null-Treffer-Suchen – 47 Prozent bzw. 82 Prozent –, während Nordamerikaner erfolgreicher sind, denn 74 Pro140 Ebd., S. 135 (die Information „aufsaugen und anschauen“).

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zent ihrer Recherchen führten zu einem Treffer oder zu mehreren Treffern. Die Deutschen waren die erfolgreichsten Suchenden, denn sie erzielten mehr Treffer und hatten die wenigsten Null-Treffer-Recherchen 141. Was resultiert aus den CIBER-Befunden für die Informationssuche? Der Zugang zu den Ressourcen ist − auch wegen der Möglichkeiten von Open Access und frei verfügbaren institutionellen Dokumentenservern − enorm erleichtert, zudem rund um die Uhr und von jedem beliebigen Ort aus möglich, dank der Möglichkeiten des institutionellen Login über Athens/Shibboleth und dank WLAN. Dies mildert die negativen Auswirkungen der Informationsüberflutung. Auffällig ist der bei den Informationssuchprozessen immer wieder zutage tretende Mangel an wichtigen Kompetenzen: „However, the logs do point to enough failure at the terminal, especially among the young and noncore users, to suggest that search skills and levels of digital literacy are a (unacknowledged) problem for quite large numbers of people.“ 142 Die Anwendungen des Web 2.0 wie Facebook, MySpace, YouTube, Wikis und Blogs sind für jüngere wissenschaftliche Nutzer attraktiv, weniger für die Älteren. Zudem ist fraglich, ob diese Trends langfristig anhalten, denn es gibt in Großbritannien bereits Anzeichen rückläufiger Teilnehmerzahlen bei Facebook. Über die konkreten Auswirkungen des untersuchten elektronischen Informationsverhaltens der Wissenschaftler auf die Forschungsqualität der betreffenden Institutionen gibt es bislang noch keine gesicherten Befunde. Ein entsprechendes Forschungsvorhaben von CIBER ist im Gange, das den „virtual impact factor“ der einbezogenen wissenschaftlichen Einrichtungen ermitteln soll. Insgesamt betrachtet erbringt die CIBER-Studie neue Erkenntnisse zum großen Ausmaß des Wandels, den die digitale Welt für das Informationssuchverhalten hervorruft. Auffällig ist, dass gleichzeitig ein Qualitätsabfall beim Informationssuchverhalten, das vielfach beiläufig und ineffektiv vonstatten geht, zu konstatieren ist, „(...) enough evidence to make us reflect on the effectiveness of information literacy strategy and programmes.“ 143

141 Ebd., S. 137. 142 Nicholas / Huntington / Jamali / Dobrowolski (Anm. 138) S. 147 143 Ebd., S. 153.

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3.2.2 Empirische Befunde zur „Google-Generation“ und zur „Net Generation“ Zur These der „Google-Generation“ liegen Studien zum Informationssuchverhalten junger Menschen und Studierender vor 144. Schulmeister sichtete zahlreiche Publikationen und empirische Studien zum Medienverhalten junger Menschen, um die verbreitete These, dass die junge Generation im digitalen Zeitalter eine „Net Generation“ sei, kritisch zu prüfen. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass die extensive Nutzung von Computer und Internet keineswegs nachzuweisen, sondern vielmehr eine eher moderate Verwendung dieser Medien bei Kindern und Jugendlichen festzustellen ist. Fernsehen und Radio dominieren nach wie vor, die Mediennutzung ist im Kontext der üblichen Freizeitaktivitäten zu sehen: Der Computer und das Internet seien Mittel zum Zweck. Bezüglich der Konsequenzen für das Lehren und Lernen kommt Schulmeister – unter Verweis auf eine entsprechende wissenschaftliche Untersuchung – zu einer ähnlich nüchternen Schlussfolgerung. Caruso / Kvavik führten die ersten beiden US-amerikanischen ECAR-Studien (EDUCAUSE Center for Applied Research, Studien 2004 und 2005) zum Umgang Studierender mit der Informationstechnologie durch, die nächsten beiden ECAR-Studien wurden von Salaway / Katz / Caruso (2006) und Salaway / Caruso (2007) verantwortet 145. Im Rahmen der Studie von 2004 befragten 144 Vgl. Schulmeister (Anm. 129) insbes. S. 49 ff., dort auch Diskussion der jeweils verwendeten Untersuchungsmethoden und berücksichtigten Stichproben zur Mediennutzung der Jugendlichen und Studierenden; außer den schon genannten Studien von Nicholas et al. ist hinzuweisen auf: Gunter, Barrie: Trends in digital information consumption and the future. In: Nicholas, David / Rowlands, Ian (Eds.), Digital consumers. Reshaping the information professions. London 2008, S. 193–212; De Rosa, Cathy: Perceptions of libraries and information resources: A report to the OCLC membership. Dublin (Ohio) 2005. http://www.oclc.org/reports/2005perceptions.htm (24. 07. 2011); De Rosa, Cathy: Perceptions of libraries, 2010: context and community. A report to the OCLC membership. Dublin (Ohio) 2011. http://www.oclc.org/de/de/ reports/2010perceptions/2010perceptions_all.pdf (25. 07. 2011); Head, Alison J. / Eisenberg, Michael B.: Lessons learned: how college students seek information in the digital age. Project Information Literacy Progress Report. Seattle 2009. http://projectinfolit.org/pdfs/PIL_Fall2009_Year1Report_12_2009.pdf (25. 07. 2011). 145 Kvavik, Robert B. / Caruso, Judith B. / Morgan, Glenda: ECAR Study of students and information technology, 2004: convenience, connection, and control. Boulder CO. 2004 (Research Study from the EDUCAUSE Center for Applied Research, vol. 5). http:// net.educause.edu/ir/library/pdf/ers0405/rs/ers0405w.pdf (16. 08. 2011); Caruso, Judith B. / Kvavik, Robert B.: ECAR study of students and information technology, 2005: convenience, connection, control, and learning. Boulder CO. 2005 (Research Study from the EDUCAUSE Center for Applied Research, No. 6). http://net.educause.edu/ir/

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sie 4.374 Studierenden aus Colleges, die zu 95 Prozent jünger als 25 waren. Demnach besitzen mehr als 94 Prozent der amerikanischen Studierenden einen eigenen Computer (weniger besitzen ein Handy). Die überwiegende Mehrheit gibt an, den Computer in erster Linie für das Studium (zum Schreiben) zu nutzen, in zweiter Linie für die Kommunikation (Email), gefolgt vom Internet für Studienzwecke und von weiteren Studienaktivitäten (Klassenraum, Plattform) und dann erst für Freizeitaktivitäten. Was aber erstaunt und selbst die Autoren der Studie verblüffte, ist die Beobachtung, dass die Studierenden − befragt nach dem Gewicht des Medieneinsatzes in der Lehre – recht konventionell antworten: Auf einer fünfstufigen Skala von „kein Medieneinsatz“ bis „exklusiver Medieneinsatz“ ergibt sich eine Normalverteilung, deren Mittelwert, Modus und Median deutlich machen, dass auch die heutigen Studierenden einen moderaten Medieneinsatz vorziehen, die Präsenzlehre schätzen und eine Vorliebe für Professoren zeigen, die engagiert Unterricht machen, begeistert ihre Forschung präsentieren und als Vorbild für die Studierenden taugen 146. Die jüngste ECAR-Studie, in die 30.616 Studierende aus 115 verschiedenen Hochschultypen einbezogen waren, belegt, dass sich diese Tendenzen noch verstärkt haben, dass jedoch fast die Hälfte der Befragten angaben, in Zukunft das Internet vorrangig über mobile, internetfähige Geräte (mobile handheld) nutzen zu wollen, vor allem für Email, für studentische Verwaltungsdienste, für Lernmanagementsysteme, ferner für das Herunterladen von Kursmaterialien, auch über Podcast, für Bezahlfunktionen und für die Nutzung von Bibliotheksdiensten 147.

library/pdf/ers0506/rs/ERS0506w.pdf (14. 08. 2011); Salaway, Gail / Katz, Richard N. / Caruso, Judith Borreson et al.: The ECAR study of undergraduate students and information technology. Research Study. Vol. 7. Boulder, CO: EDUCAUSE 2006. http:// www.educause.edu/ECAR/TheECARStudyofUndergraduateStu/158599 (28. 07. 2011); Salaway, Gail / Caruso, Judith B.: The ECAR study of undergraduate students and information technology, 2007. Research Study. Boulder CO. 2007 (Research Studies No. 6) http://net.educause.edu/ir/library/pdf/ers0706/rs/ERS0706w.pdf (16. 08. 2011); Kvavik, Robert B.: Convenience, communications and control: how students use technology. In: Oblinger, Diana J. / Oblinger, James L. (Eds.): Educating the net generation (Chapter 7). Boulder CO. EDUCAUSE 2005. http://net.educause.edu/ir/ library/pdf/pub7101g.pdf (27. 07. 2011). 146 Dies analysiert Schulmeister (Anm. 129) S. 109. 147 Smith, Shannon D. / Salaway, Gail / Caruso, Judith B.: The ECAR study of undergraduate students and information technology. Boulder, CO: EDUCAUSE 2009, S. 101 (Research Study. Vol. 6). http://net.educause.edu/ir/library/pdf/EKF/ EKF0906.pdf (28. 07. 2011).

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Das Verhalten junger (wie auch älterer) Menschen im Kontext des Internet und der digitalen Welt ist also differenziert zu betrachten und lässt sich schwerlich pauschal mit „Net Generation“ etikettieren. Die Forschungen im Rahmen der CIBER-Gruppe haben erbracht, dass mit dem Begriff des „e-shoppers“ treffend das typische Verhalten des Internetnutzers in Großbritannien charakterisiert wird.148 Die dabei sichtbar gewordenen Präferenzen – Produkte leicht mit effizienten und verbreiteten Suchmethoden finden zu können, sichere Bezahlformen und leicht zu nutzende Registrierungs- und Anmeldeformulare vorzufinden, Produkte on-demand verfügbar zu haben, multiple und neue Instrumente entsprechend der technologischen Entwicklung verwenden zu können– übertragen diese Nutzer auf Angebote von Informationsanbietern und erwarten dementsprechend neue Standards bezüglich traditioneller Formen der Informationsversorgung.

3.2.3 Die Studie von Head / Eisenberg in den USA Die umfangreiche von Head / Eisenberg durchgeführte Studie zum Informationssuchverhalten von College-Studierenden in den USA bezog 2.318 Studierende aus sechs Universitäten in den USA ein, als Teil des Projekts Information Literacy 149. Die Befragten, die neugierig dem Beginn ihrer Recherchen entgegen sahen, verwendeten eine einheitliche, vorhersagbare Suchstrategie für die Informationssuche, bezogen auf das Kursthema oder auf Forschungsthemen zum Alltagsleben. Nahezu alle Befragten wählten im Anfangsstadium der Recherche dieselben bewährten und angemessenen Informationsressourcen, unabhängig von ihren Informationszielen. Beinahe alle Studierenden benutzten zunächst Kursmaterialien und Google für die kursbezogene Recherche, dann Google und Wikipedia für die Recherche zum Alltagsleben. Die meisten der Befragten verwendeten Bibliotheksressourcen, insbesondere Fachdatenbanken für die kursbezogene Recherche und vergleichsweise weitaus weniger solche Bibliotheksressourcen, die eine Interaktion mit Bibliothekaren erforderten. Die Befunde legen nahe, dass die Studierenden ihre Recherche − insbesondere bezogen auf mit Informationssuche verbundenen Aufgaben – eher als eine durch Routine erlernte Kompetenz konzipierten denn als eine Möglichkeit, etwas über eine 148 Vgl. auch: Russell, Chris: The e-shopper: the growth of the informed purchaser. In: Nicholas, David / Rowlands, Ian (Eds.): Digital consumers. Reshaping the information professions. London 2008, S. 35–87. 149 Vgl. Head / Eisenberg (Anm. 144).

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Informationsrecherchestrategie zu lernen, diese zu entwickeln und zu erweitern, und sie dafür einzusetzen, das breite Spektrum an im digitalen Zeitalter verfügbaren Ressourcen zu ihrem Vorteil zu nutzen. Viele der neugierig, engagiert und motiviert an die Recherche gehenden Studierenden benötigten als Anstoß für die Recherche den größeren Zusammenhang und Hintergrund des betreffenden Forschungsthemas. Nahezu jede(r) Studierende der Stichprobe verwendete zuerst die Kursunterlagen − nicht aber Google − für die kursbezogenen Aufgaben, während Google und Wikipedia für fast jeden Befragten die favorisierten Quellen für die Recherchen zu den alltagsbezogenen Fragestellungen waren. Etwa 8 von 10 Studierenden gaben an, sich eventuell mit Fragen an die Bibliothekare wenden zu wollen. Etwa 9 von 10 Studierenden wandten sich an Bibliotheken, um dort Fachdatenbanken für die kursbezogenen Recherchen einzubeziehen, nach zuverlässiger und vertiefter Information in den Quellen zu suchen und die Erwartungen des Seminarleiters zu treffen. Obwohl es die Bibliothekare waren, die Studierenden mit der Recherche in den Fachdatenbanken vertraut gemacht hatten, gaben diese an, sich mit ihren Fragen eher an die Seminarleiter gewandt zu haben, die als Begleiter (Coach) für die Forschung als kompetenter eingeschätzt werden, nicht zuletzt wegen des ausgeprägteren Grades ihrer akademischen Ausbildung. Die Gründe, warum viele Studierende die Erledigung der Aufgaben aufschieben 150, sind nicht mehr – wie in den 1980er Jahren – in der Angst vor dem Scheitern und im mangelnden Vertrauen zu suchen, sondern darin, dass die meisten (40 Prozent) der in der Stichprobe vertretenen „digital natives“ insofern dazu tendierten, die Aufgaben aufzuschieben, als sie ihre Präferenzen so steuerten, dass sie konkurrierende Kursanforderungen anderer Kurse erfüllen könnten.

3.2.4 Informationsverhalten und Bibliothek Welcher Zusammenhang besteht zwischen den dargestellten Befunden zum Informationssuchverhalten in der digitalen Welt und den Hochschulbibliothe150 Vgl. zum Problem des Aufschiebens von Aufgaben im Studium (Phänomen der Prokrastination) u. a. Dietz, Franziska / Hofer, Manfred / Fries, Stefan: Individual values, learning routines and academic procrastination. In: British Journal of Educational Psychology 77 (2007) S. 893–906: Begünstigt wird demnach das Prokrastinieren infolge zunehmender Konflikte zwischen der Orientierung auf (kurzfristig befriedigende) Freizeitaktivitäten und (längerfristig eher unsichere) Lernaktivitäten; siehe auch: Wichelhaus, Svenja / Schüler, Thomas / Ramm, Michaela / Morisse, Karsten: Medienkompetenz und selbstorganisiertes Lernen – Ergebnisse einer Evaluation. In:

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ken? Nach der OCLC-Studie aus dem Jahr 2004 wünschten sich junge Menschen damals vor allem eine nahtlos funktionierende Informationswelt: „Their world is a seamless ‚infosphere‘, where the boundaries between work, play, and study are gone. Computers are not technology and multitasking is a way of life. This generation of young adults mixes work and social activities, and the lines between workplace and home are blurred” 151. Das Spielen („gaming“) am Bildschirm sei sehr verbreitet und präge wesentlich die Art des Umgangs auch mit Informationsangeboten im Internet. Diesen Trends würden die wissenschaftlichen Bibliotheken insofern nicht genügend Rechnung tragen, als sie verschiedene Rechnerplätze getrennt für jeweils spezifische Informationsbereiche – E-Mail, Textverarbeitung, Internet, Datenbankrecherche oder Online-Katalog – anbieten, statt im Rahmen integrierter Plattformen kollaborative Technologien anzuwenden, wie es Amazon, Google und Yahoo längst täten 152. Einer weiteren umfangreichen internationalen, vom Online Computer Library Center (OCLC) initiierten Nutzerbefragung 153 zufolge haben sich frühere Annahmen erhärtet, dass es weniger die Bibliothekare sind (33 Prozent der befragten College-Studenten bejahen dies), von denen man Hinweise auf neue elektronische Angebote bekommt, sondern ganz überwiegend die Freunde (67 Prozent). Auch Links von interessanten Informationsressourcen oder Webseiten genießen hohe Wertschätzung (61 Prozent der befragten Studierenden). Die Suchmaschinen waren insgesamt 62 Prozent der befragten College-Studenten sehr vertraut, die konventionelle (physische) Bibliothek immerhin noch 55 Prozent, während die elektronische (Online-) Bibliothek nur 35 Prozent der Studierenden sehr vertraut war 154. Bei der Nutzung elektronischer Dienste lagen EMail und die Suchmaschinen mit über 80 Prozent deutlich vorn, gefolgt von Instant Messaging und vom Internetbuchhandel. Die Bibliothekshomepage wurde von 61 Prozent der College-Studierenden genutzt, die E-Journals von immerhin 58 Prozent. Demgegenüber kamen die Online-Datenbanken lediglich auf 34 Prozent und die E-Books auf 31 Prozent. Für den Online-Auskunftsser-

Zauchner, Sabine / Baumgartner, Peter / Blaschitz, Edith / Weissenbäck, Andreas (Hrsg.): Offener Bildungsraum Hochschule. Freiheiten und Notwendigkeiten. Münster, New York u. a. 2008, S.124–133 (Medien in der Wissenschaft. Bd. 48). 151 Wilson (Anm. 113) S. 10. 152 Schulmeister (Anm. 129) S. 91 f. zeigt anhand seiner Analyse diverser empirischer Studien zur Mediennutzung junger Menschen, dass die Nutzung von Computerspielen mit zunehmendem Alter abnimmt. 153 Vgl. De Rosa 2005 (Anm. 144). 154 Ebd., S. 28.

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Abb. 3: Nutzung elektronischer Ressourcen durch Studierende (OCLC / de Rosa 2005, p. 31)

vice der Bibliothekare interessierten sich demnach 8 Prozent der befragten Studierenden 155. Eine Informationssuche begannen nach den Befunden der OCLC-Studie 84 Prozent aller Befragten über eine Internetsuchmaschine (davon 62 Prozent Google, 18 Prozent Yahoo und 7 Prozent MSN Search), lediglich ein Prozent konsultierte den Online-Katalog bzw. eine Online-Datenbank oder die Bibliothekshomepage. Andererseits hielten die Studierenden die elektronischen Informationsdienstleistungen (Datenbanken, E-Journals, Virtuelle Auskunft) der Bibliothek zu einem hohen Prozentsatz (70–85 Prozent) für sehr wertvoll, auch wenn sie sie selber nur begrenzt in Anspruch nahmen. Die tatsächliche Nutzung der Bibliotheksdienste durch College-Studierende war beim Online-Kata-

155 Ebd., S. 31.

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log, bei der Bibliothekshomepage, bei elektronischen Nachschlagewerken, Datenbanken und elektronischen Zeitschriften am stärksten, während sie bei der virtuellen Auskunft, den E-Books und den Audiobüchern nicht so stark ausgeprägt war. Von der Bibliothekshomepage, die bei den Studierenden eigentlich weithin bekannt ist, erwartete nur ein Teil der Studierenden die gewünschte Information, während 44 Prozent der befragten Studierenden sich von anderen Webseiten bessere Information versprachen 156. Im Vergleich mit den Suchmaschinen schnitten die Bibliotheksangebote bei den Attributen Zuverlässigkeit bzw. Glaubwürdigkeit und Genauigkeit besser ab, während mit den Suchmaschinen – im Unterschied zu den physischen bzw. elektronischen Bibliotheksservices – die Merkmale ständige Verfügbarkeit, kostengünstig, leicht zu nutzen, bequem und schnell assoziiert wurden. Die Wertschätzung und die Nutzung der Bibliothek als attraktiver, kostengünstiger Ort des Lernens ist bei den befragten Studierenden in den USA nach wie vor hoch, auch wenn sie – wie schon in der Untersuchung von 2005 deutlich geworden – nach den Befunden aus dem Jahr 2010 ihre Informationssuchen nicht auf der Bibliothekshomepage beginnen, sondern mit einer Internetsuchmaschine (84 Prozent) 157. Die Bibliothek genießt ein hohes Vertrauen, man geht dorthin vor allem wegen der Bücher (69 Prozent der US-Amerikaner sagten das im Jahr 2005, 75 Prozent im Jahr 2010) und wegen des Lesens. Gegenüber den Suchmaschinen werden Bibliotheken für vertrauenswürdiger und zuverlässiger (accurate) gehalten (65 zu 35 Prozent), jedoch schätzt man die Suchmaschinen, weil sie schneller (91 Prozent), bequemer zu nutzen (90 Prozent), leichter zu bedienen (83 Prozent) sind. Bezüglich der über die Bibliothek oder die Suchmaschinen bezogenen Information ändert sich die Meinung der Informationskonsumenten: 69 Prozent halten die über eine Suchmaschine gefundenen Information für genauso vertrauenswürdig wie eine Informationsressource der Bibliothek 158. Ob eine Information als vertrauenswürdig gilt, hängt nicht davon ab, ob man sie schnell oder leicht bekommt, sondern in erster Linie beruht das auf der persönlichen Kenntnis und dem common sense (77 Prozent), sodann aufgrund eines Abgleichs mit anderen Quellen (69 Prozent) und des Ansehens eines Informationsanbieters (67 Prozent), ferner aufgrund der Empfehlung einer als zuverlässig erachteten Quelle (48 Prozent 2010 gegenüber 55 Prozent 2005). Unter den als zuverlässig beurteilten Quellen entfallen auf die Suchmaschinen 22 Prozent, auf Bibliotheksmateria156 Ebd., S. 69. 157 De Rosa 2011 (Anm. 144) S. 32 u. s. 54. 158 Ebd., S. 40.

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lien aber nur 6 Prozent, auf die Bibliothekare gar nur 1 Prozent 159. Alles in allem ist die Zufriedenheit der Befragten mit den Bibliotheken und den Bibliothekaren weiterhin sehr hoch und im Vergleich zu 2005 sogar von 76 auf 83 Prozent gestiegen. Demgegenüber sank die Zufriedenheit mit den Suchmaschinen von 62 Prozent 2005 auf 41 Prozent 2010. Leider korrespondiert dies nicht mit einer entsprechend hohen Frequentierung der Online-Bibliothek, weil diese einem hohen Prozentsatz (39 Prozent) gar nicht bekannt ist, weil weitere 28 Prozent die Bibliothek lieber persönlich aufsuchen. Bei den wichtigen Rollen, die der Bibliothek allgemein zugeschrieben werden, liegt die Versorgung mit Büchern, Videos und Musik an erster Stelle (51 Prozent meinen das mit Blick auf ihren individuellen Bedarf, 30 Prozent mit Blick auf die Gemeinschaft). Die College-Studierenden nennen als nächstes dann schon den Lernort Bibliothek (place to learn, 32 Prozent) und – mit Blick auf die Gemeinschaft – die Unterstützung der Literacy (25 Prozent), also der für den Umgang mit Information und Medien unabdingbaren Kompetenzen, also der Informationskompetenz 160. Seit 2005 hat laut der OCLC-Studie von 2010 die Nutzung der Suchmaschinen für die Informationssuche der Studierenden weiter zugenommen auf 93 Prozent, gefolgt von Wikipedia mit 88 Prozent. Bei den 18- bis 24-jährigen College-Studierenen entfallen im Jahr 2010 auf die Nutzung der Bibliotheksseiten 58 Prozent (gegenüber 53 Prozent im Jahr 2005), jedoch ist die E-JournalNutzung leicht rückläufig (von 41 auf 39 Prozent) und die Nutzung der OnlineDatenbanken stagnierend bei 30 Prozent. Insgesamt betrachtet verzeichnet die soziale Kommunikation bei den elektronischen Diensten eine deutliche Zunahme: Soziale Netzwerke sind für 92 Prozent der Studierenden wichtig bis sehr wichtig, soziale Medien (YouTube, Flickr u. a.) für 81 Prozent. Die E-MailNutzung ist mit 99 Prozent nach wie vor sehr ausgeprägt. Die OCLC-Studie 2010 kommt zu einigen Ausblicken 161: – Suchmaschinen sind weiterhin stark gefragt (84 Prozent der Nutzer beginnen ihre Suche mit einer Suchmaschine). – Dennoch favorisieren viele Nutzer die mithilfe von Suchmaschinen gefundenen Informationen nicht mehr so stark. – Sie vertrauen sich bei der Einschätzung der gefundenen Information am liebsten selbst. – Bibliothekare werden nicht so häufig um Rat gefragt, auch nicht über elektronische Auskunftsdienste. 159 Ebd., S. 41. 160 Ebd., S. 48 f. 161 Ebd., S. 94 ff.

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Die Online-Bibliothek hat den Besuch der physischen Bibliothek nicht ersetzt.

In einer nationalen Studie von CIBER im Auftrag der Research Libraries UK (RLUK) aus dem Jahr 2011 geht es auch um die studentische Zufriedenheit mit den Bibliotheksdiensten 162. Darin wird der hohe Stellenwert des aktiven Engagements der Bibliothekare für die Förderung von Bibliotheks- und Informationskompetenz von den befragten Studierenden herausgehoben. Das Ranking der Bibliothek hängt von der Zahl der Ausleihen, sodann von der aufgewandten Zeit des Personals für die Nutzerschulungen ab! Die Beziehungen zwischen Bibliothek und ihrer Nutzerschaft profitieren wesentlich davon. Australische Universitätsbibliotheken beziehen in ihre Programme zur Förderung der Informationskompetenz bewusst auch Studierende mit schwächer ausgeprägten Fähigkeiten auf diesem Gebiet ein: „A student who has problems with their visual processing skills will find it hard to read small text or closely-spaced lines. They may struggle with online information complicated by advertisements, animated visuals, multi-coloured text, or banner headlines. Their eyes will tend to follow the brightest or most visually attractive parts of the screen and they will quickly lose focus, attention, and comprehension.“ 163

Die für Studierende mit schwächer ausgeprägter Informationskompetenz nicht immer leichte Rezeption von unübersichtlich dargebotenen Internetquellen soll durch konkrete Unterstützungsmaßnahmen erleichtert werden 164.

3.3 Nationale Befunde zum Informationsverhalten Studierender Auf nationaler Ebene gibt es – trotz des Fehlens einer kontinuierlichen, systematisch angelegten empirischen Forschung zum Informationsverhalten Ju-

162 Student satisfaction and library provision: An analysis of National Student Survey and Times Higher Education Student Experience Survey data. A CIBER working paper for Research Libraries UK (19 March 2011). http://www.rluk.ac.uk /files/RLUK-studentsatisfactionFR.pdf (15. 08. 2011). 163 Vize, Anne: Building literacy skills within the university library. In: inCite 30 (2009) H. 9, S. 21. 164 Vgl. ebd.

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gendlicher und Studierender – dennoch einige Studien, die Aufschlüsse zum Wandel der Informationspraxis und zu den Herausforderungen an eine Verbesserung der Informationskompetenz liefern können.

3.3.1 Die „SteFI-Studie“ Die häufig zitierte „SteFI-Studie“ (Studierende eletronische Fach-Information) aus dem Jahr 2001 zum Umgang Studierender mit elektronischer Fachinformation beinhaltete eine repräsentative Befragung von Studierenden der Fachbereiche Chemie, Informatik, Mathematik, Physik, Elektrotechnik, Bauingenieurwesen, Maschinenbau, Psychologie, Erziehungswissenschaft, Sozialwissenschaft. Ergänzend zu der quantitativen Erhebung fanden zwei Workshops mit Studierenden aus verschiedenen Hochschulen und Fachbereichen und mit unterschiedlicher Informationskompetenz statt, ferner Befragungen von Dekanaten und Lehrenden sowie eine Expertenbefragung 165. Die Studierenden verfügten damals über eine nur durchschnittliche Informationskompetenz, die sie sich weitgehend selbst beigebracht oder die sie durch Anleitung von Kommilitonen, nicht aber vom Bibliothekspersonal, erworben haben. Dadurch fehlt es den meisten Studierenden an ausreichender Kenntnis des verfügbaren Informationsangebots wie auch an der Fähigkeit, dieses Angebot adäquat für ihr Studium nutzen zu können 166. Der freien Informationsrecherche im Internet mithilfe von Suchmaschinen sowie der Suche auf dem lokalen Bibliotheksserver wird seitens der Studierenden im Lernalltag ein ausgeprägt höherer Stellenwert als rein konventionellen Formen der Literaturrecherche eingeräumt 167. Die Studierenden schätzen das Auffinden elektronischer Volltexte, denn sie erhoffen sich eine erleichterte Beschaffung aktueller Literatur und die bessere Zugänglichkeit internationaler Zeitschriftenaufsatzliteratur, wenn sie die Möglichkeiten wissenschaftlicher Information nutzen würden. Nach Auffassung der SteFI-Autoren belegen diese Befunde, dass die Studierenden den elektronischen wissenschaftlichen Informationen eine ausgeprägte Problemlösungskapazität beimessen. Allerdings müssten die Hemmnisse für eine bessere Nutzung beseitigt werden. Als Hauptproblem der ineffizienten Nutzung elektronischer wissenschaftlicher Information nennt die SteFI-Studie die Unübersichtlichkeit des Informati165 Vgl. Klatt et al. (Anm. 73) S. 114. 166 Siehe ebd., S. 130. 167 Siehe ebd., S. 131 ff.

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onsangebots, aber auch die Tatsache, dass die Studierenden sich im Lernalltag häufig mit suboptimalen Suchergebnissen zufrieden geben. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass die Lehrenden damals als nicht unbedingt motivierend hinsichtlich einer systematischeren Anwendung von elektronischen Literaturrecherchen beurteilt wurden. Bei den ebenfalls in die Befragung einbezogenen Dekanaten herrschte die Auffassung vor, dass die Studierenden entweder ausreichend auf die Anforderungen hinsichtlich der Nutzung elektronischer wissenschaftlicher Information vorbereitet seien oder sich die betreffenden Kompetenzen im Rahmen der von der Bibliothek angebotenen Einführungen und Kurse erwerben könnten. Eine formale Einbindung solcher Kurse zur Förderung von Informationskompetenz in Studieninhalte bzw. in Studien- und Prüfungsordnungen, die überdies wegen der Fülle der Studieninhalte kaum Platz für zusätzliche Inhalte bieten, sei noch relativ schwach ausgeprägt, zumal der Besuch solcher Veranstaltungen zu einem hohen Prozentsatz freiwillig, nur in geringem Ausmaß verpflichtend sei. Wenn es solche Angebote der Fakultäten überhaupt gebe, erstreckten sie sich auf das Grund- wie das Hauptstudium. Vielfach verweise man jedoch – mit Ausnahme des Fachs Chemie – auf die (meistens fakultativen) Angebote der Universitätsbibliothek. Überdurchschnittlich viele Veranstaltungen zur Förderung von Informationskompetenz bieten die Sozial- und Geisteswissenschaften (einbezogen waren die Fächer Erziehungswissenschaften, Psychologie) an. Auch sind in den Erziehungswissenschaften und der Psychologie tendenziell wesentlich mehr Mittel investiert worden als in anderen Fachbereichen 168. Die Lehrenden, die im Rahmen der SteFI-Untersuchung befragt worden sind 169, bevorzugten selber Internetsuchmaschinen und haben ihre Kenntnisse auf dem Gebiet der Nutzung elektronischer Informationen ebenfalls autodidaktisch erworben. Sie waren zum Zeitpunkt der Datenerhebung für die SteFIStudie der Auffassung, dass Studierende ihre Informationskompetenz nicht im Rahmen regulärer Lehrveranstaltungen erlernen sollten. Insgesamt attestierte die SteFI-Studie den Lehrenden eine mangelnde Qualifizierung, sich im Dickicht wissenschaftlicher Informationen zurechtzufinden. Im Hinblick auf die Verbesserung der Informationskompetenz bei den Studierenden plädierten die Lehrenden für eine stärkere Integration von Einführungsveranstaltungen der Fakultäts- bzw. der Universitätsbibliothek in das Studium. Nimmt man die SteFI-Befunde der Expertenbefragung 170 hinzu, so relativiert sich die Hypothese, dass durch eine Institutionalisierung der Vermittlung 168 Vgl. ebd., S. 55 ff. 169 Siehe ebd., S. 155 ff. 170 Vgl. ebd., 31 ff.

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von Informationskompetenz das Kompetenzniveau der Studierenden automatisch steigen würde. Denn im Fach Chemie, das bezüglich der Einbindung dieses Bereichs in den Studiengang besonders weit vorn liegt, erwies sich das Kompetenzniveau nach der Selbsteinschätzung der Studierenden als eher unterdurchschnittlich. Insofern sollte dieser Faktor – die feste Einbindung der Schulungsaktivitäten in das Studium – in seiner Wirkung nicht überschät zt werden. Besonderes Augenmerk galt deshalb den Selbstorganisationspotentialen der Bibliotheken wie des Mittelbaus an den Hochschulen, zumal „fast 80 Prozent der Studierenden ihre Informationskompetenz nicht im Rahmen ihres regulären Studiums, sondern alleine, durch Versuch und Irrtum, erworben haben“ 171, während die Hochschullehrer überwiegend der Auffassung waren, die betreffenden Kenntnisse sollten umfassend und systematisch erworben werden. Allerdings hielten sie ihre eigenen Lehrveranstaltungen sowie das bestehende Schulungsangebot der Bibliotheken für ausreichend – im Unterschied zu den Studierenden selbst, die zusätzliche Fördermaßnahmen für wünschenswert erachteten und die für sie gedachten Informationskompetenz-Veranstaltungen deutlich schlechter bewerteten als die Hochschullehrer selbst. Als gravierendstes Hindernis existierte aus Sicht der Studierenden jedoch die Unübersichtlichkeit des Angebots an elektronischer wissenschaftlicher Information. Als wichtigste Maßnahmenvorschläge 172 nannte die SteFI-Studie zum einen die bessere Verankerung der Vermittlung von Informationskompetenz in den Lehrveranstaltungen sowie im Rahmen von Tutoraten, zum anderen die transparentere Bereitstellung der elektronischen Information, ferner die Vernetzung hochschulinterner wie hochschulübergreifender Akteure, die Angebote zur Förderung von Informationskompetenz unterbreiten. Insbesondere der Zusammenarbeit zwischen Hochschulbibliothek und Fachbereichen wurde dabei große Bedeutung zugemessen, damit Einführungen und Kurse auf die Studieninhalte und Studienerfordernisse möglichst bedarfsgerecht ausgerichtet werden könnten. Diese Befunde decken sich weitgehend mit denen der zeitgleich durchgeführten internationalen Erhebungen, beispielsweise für die USA 173. Eine als Pilotstudie – bezogen auf die Universität Basel – angelegte Diplomarbeit von Brändli hat erbracht, dass – nicht zuletzt infolge deutlich gesteigerter Schulungs- und Kursangebote der Bibliotheken – die Kenntnisse und 171 Ebd., S. 206. 172 Vgl. ebd., S. 207 ff. 173 Vgl. Neely, Teresa Y.: Sociological and psychological aspects of information literacy in higher education. Lanham, Maryland; London 2002.

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Fähigkeiten der Studierenden im Umgang mit wissenschaftlicher Information seit Veröffentlichung der SteFI-Studie zugenommen haben 174, sowohl im Hinblick auf die instrumentelle Kompetenz (Kenntnisse der aktuellen Entwicklungen auf dem Informationssektor sowie das Beherrschen von Hardware- und Softwareanforderungen) als auch auf die medienspezifische Kompetenz (Kenntnis der zur Verfügung stehenden Informationsträger und Informationssysteme). Die Informationsrecherche erstreckt sich in der Regel zunächst auf die Ressourcen der lokalen Universitätsbibliothek, die bestenfalls komplett im OnlineKatalog, teilweise aber auch noch in weiteren konventionellen Bestandsverzeichnissen nachgewiesen sein können. Insbesondere in den ersten Semestern dominiert diese Form der lokalen Katalogrecherche, so dass entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten vorhanden sein sollten, um in den verschiedenen Katalogen themengerecht und zielorientiert nach Büchern, Zeitschriften und sonstigen Medien suchen zu können. Die Hybridbibliothek verlangt solche Kompetenzen sowohl bezogen auf traditionelle Printmedien als auch bezogen auf neue (audiovisuelle) oder digitale Medien, zudem bezogen auf die neuerdings in vielen lokalen wie regionalen und überregionalen Katalogen nutzbaren Anreicherungen durch Rezensionen, Inhaltsverzeichnisse, Klappentexte, Hyperlinks zu Volltextdokumenten usw. Es geht also um Katalogkompetenz im weitesten Sinn, ferner um informationstechnische Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien (ICTLiteracy) ), da die Computerkenntnisse junger Menschen eben doch nicht so ausgeprägt sind, wie man vermutete. Kritisch zu den Befunden der SteFI-Studi wurde teilweise die „Defizithypothese“ betrachtet, vor allem unter dem Gesichtspunkt des Web 2.0. Man solle die Studierenden nicht nur als defizitär hinsichtlich der erlangten Informationskompetenz abqualifizieren, sondern auch deren jeweilige individuelle Kreativität bei der Nutzung des Internet und der sozialen Netzwerke zur Kenntnis nehmen. In der Konsequenz erscheint es deshalb erfolgversprechend für die weitere Förderung der Informationskompetenz Studierender, diese hinsichtlich ihrer Potentiale ernst zu nehmen und von dem auszugehen, was sie benötigen. Darüber hinaus bedingt eine gründliche wissenschaftliche Arbeit jedoch die Informationsrecherche in einschlägigen fachübergreifenden und in fachbezogenen Literaturdatenbanken. Insbesondere im Hauptstudium oder im Master-Studium, dann jedoch bei Forschungsvorhaben ist die Datenbankrecherche unab174 Vgl. Brändli, Lilian: Gesucht – gefunden? Optimierung der Informationssuche von Studierenden in wissenschaftlichen Bibliotheken. Chur 2007, S. 66 f. (Churer Schriften zur Informationswissenschaft; Bd. 21).

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dingbar. Im Unterschied zu der Katalogsuche setzt sie wesentliche komplexere Kompetenzen voraus, weil die Literaturdatenbanken in den vergangenen Jahren nicht nur eine Reihe von neuen Features beim Retrieval aufgenommen, sondern auch zahlreiche Zusatzfunktionalitäten wie die Volltextanbindung, die Aufführung der Literaturnachweise (Referenzen) oder die direkte Anbindung an Literaturverwaltungssysteme wie Citavi, EndNote und RefWorks integriert haben. Schließlich werden – wie insbesondere die oben zitierten OCLC-Studien erbracht haben – von Studierenden und Wissenschaftlern vornehmlich die Internetsuchmaschinen für die Informationssuche herangezogen, nicht selten noch vor den Bibliothekskatalogen und den Fachdatenbanken, auch wenn häufig die Hochschulbibliothek die technische Infrastruktur auch für solche Recherchen bereitstellt. Gefragt ist also Recherchekompetenz im Internet. Informationssuche kann auch unmittelbar auf Volltextebene realisiert werden, beispielsweise anhand der Ressourcen von Hochschulservern, von kommerziellen Zeitschriften- und Volltextanbietern oder im Kontext der Internetsuchmaschinen. Auch diese Recherchen finden häufig an PC-Arbeitsplätzen der Hochschulbibliothek statt, die meistens die Lizenzen für einen Volltextzugriff beschafft hat. Studierende und Wissenschaftler benötigen also Volltextrecherchekompetenzen.

3.3.2 Lokale Studien an deutschen Hochschulen zum Informationsverhalten Studierender In den geistes- und sozialwissenschaftlichen Teilbibliotheken der Universitätsbibliothek München erbrachte im Jahr 2003 eine schriftliche Befragung des wissenschaftlichen Personals im Hinblick auf die Akzeptanz der von der Universitätsbibliothek mit beträchtlichem finanziellen Aufwand beschafften Datenbanken, dass für die Fachbereiche Psychologie/Pädagogik, Wirtschaftswissenschaften, Politikwissenschaften, Geschichte bzw. Theologie/Philosophie die elektronischen Medien relativ gut genutzt wurden, dass jedoch Einführungsveranstaltungen oder Datenbankschulungen der Bibliothek kaum besucht würden. Zudem seien diese nicht in die Studienpläne der betreffenden Fächer integriert. Die Informationskompetenz des wissenschaftlichen Personals sei vielfach autodidaktisch erworben worden 175. 175 Vgl. Tietze-Netolitzky, Almut / Fritzsche, Irene / MacKanzie, Janet/Kuttner, Sven / Söllner, Konstanze: Bankenpleiten? Datenbanken und Benutzernachfrage: eine Umfrage in den geistes- und sozialwissenschaftlichen Teilbibliotheken der UB München. In: Bibliotheksdienst 37 (2003) S. 308.

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In der Universität Bonn wurden knapp 2.000 Lehrende befragt, wie sie bezüglich der Medienkompetenz die Wichtigkeit konkreter Teilziele einstuften und wie sie die Kompetenzen der Studierenden einschätzten 176. Demnach bescheinigten alle Fakultäten den abgefragten Aspekten der Informationskompetenz höchste Relevanz, jedoch wurden die Kompetenzen durchgehend als nicht in ausreichendem Umfang vorhanden betrachtet, insbesondere die Beherrschung von Recherchetechniken, die Kenntnisse im Umgang mit elektronischen Datenbanken, die Nutzung elektronischer Bibliothekskataloge, die Kenntnis der relevanten Fachdatenbanken, die Beschaffung von Zeitschriftenartikeln mit elektronischen Dokumentlieferdiensten, die Kenntnis und die Nutzung des lokal verfügbaren Angebots an elektronischen Zeitschriften und Volltexten in der Universitätsbibliothek sowie die korrekte Verwendung von Internet- und Literaturquellen 177. Bestätigt und teilweise auch vertieft wurden die Befunde der SteFI-Studie durch weitere lokale Erhebungen, beispielsweise an der Universität Konstanz 178 oder an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München 179. Dabei widmete sich die Universitätsbibliothek Konstanz auch den Fortgeschrittenen, also den Graduierten und den Master-Studierenden, den Doktoranden und den wissenschaftlichen Mitarbeitern. In den Bereichen des einfachen Suchens im OnlineKatalog, des richtigen Zitierens und des einfachen Suchens im Internet mittels Suchmaschinen schätzten die Graduierten ihre Fähigkeiten besonders hoch ein, während die eigenen Kenntnisse bei der elektronischen Literaturverwaltung, der Nutzung weiterer Suchoptionen in Fachdatenbanken, der Export von Trefferdaten aus Katalogen und Datenbanken, der Umgang mit audiovisuellen Medien, mit automatischen Benachrichtigungsdiensten und dem Web-Publishing von Texten als eher gering beurteilt wurden 180. Die Studierenden- und Lehrenden-Befragung der Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München erbrachte, dass einerseits mehr fachbezogene Schulungen zur

176 Siehe dazu: Vogt, Renate: Vermittlung von Informationskompetenz im Rahmen der Hochschullehre. In: Hilgemann, Klaus / te Boekhorst, Peter (Hrsg.): Die effektive Bibliothek. Roswitha Poll zum 65. Geburtstag. München 2004, S. 120–123. 177 Vgl. ebd., S. 121. 178 Vgl. Kohl-Frey, Oliver: Beyond the Bachelor. Informationskompetenz für Anfänger und Fortgeschrittene an der Universität Konstanz. In: Krauß-Leichert (Anm. 13) S. 149– 164. 179 Siehe Schüller-Zwierlein, André: Senden auf allen Kanälen. Wie sich die Bibliothek der Ludwig-Maximilans-Universität zur Teaching Library entwickelt. In: BuB. Forum Bibliothek und Information 59 (2007) S. 788–793. 180 Kohl-Frey (Anm. 178) S. 156 f.

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Vermittlung von Informationskompetenz, andererseits aber auch der verstärkte Einsatz von E-Learning gewünscht wurden. Das intuitive Suchen im Internet wird von den Studierenden in der Regel gegenüber der durchdachten Recherche in einer Fachdatenbank bevorzugt. Dies belegte bereits die SteFI-Studie 181, denn die Internet-Suchmaschinen genießen bei den Studierenden, was die Nutzung des Computers im Rahmen des Studiums angeht, die zweithöchste Priorität. Studienanfänger können insofern motiviert werden, als man ihnen seitens der Dozenten die Wichtigkeit von Informationskompetenz für das weitere Studium nahe bringen kann oder die Teilnahme an entsprechenden Schulungskursen zur Pflicht macht. Im Hauptstudium erreicht man die Studierenden praktisch nur über die Lehrveranstaltungen, jedoch beziehen Dozenten die Förderung von Informationskompetenz ihrer Studierender zur Zeit nur sporadisch und zögerlich mit ein, weil es ihnen Zeit für die Themenbearbeitung nimmt. Examenssemester befassen sich notgedrungen mit Fragen der Informationsrecherche und wenden sich dann (eigentlich zu spät) an den Fachreferenten der Universitätsbibliothek. Eine bedeutsame Rolle spielen die heterogenen Voraussetzungen und Interessen bei den Studierenden hinsichtlich informationstechnischer Kenntnisse und Fertigkeiten. Zu rechnen ist teilweise noch mit Ängsten und Abwehrhaltungen 182. Bei manchen Studierenden der Geistes- und Sozialwissenschaften bestehen Vorbehalte gegenüber elektronischen Informationsressourcen, weil dadurch die Fülle der potentiell zu rezipierenden Literatur und Information deutlich zunimmt, mit der Folge von Angst vor kaum zu bewältigendem Information Overload. Mit Blick auf die Literatursuche und -beschaffung für das Studium hat sich – folgt man einschlägigen Darstellungen zum wissenschaftlichen Arbeiten und zu Lerntechniken – anscheinend zunächst so viel noch nicht geändert: Notwendig seien Lehrbücher, sonstige Monographien, gedruckte Zeitschriftenartikel, Herausgeberwerke, Handwörterbucheinträge, schriftlich vorliegende Forschungsberichte bzw. Arbeitspapiere sowie weitere Wissensträger wie Statistiken, Jahrbücher, Kataloge, Presseinformationsdienste, Informationen von Ämtern, Institutionen oder Verbänden, journalistische und literarische Texte 183. Das Informationsverhalten ist vor dem Hintergrund der sich rasch entwickelnden elektronischen (digitalen) Bibliothek und der Substitution konventio181 Vgl. Klatt et al. (Anm. 73) S. 123. 182 Vgl. zum Beispiel: Neely (Anm. 173). 183 Siehe u. a.: Stickel-Wolf, Christine / Wolf, Joachim: Wissenschaftliches Arbeiten und Lerntechniken. Erfolgreich studieren – gewusst wie! 6., aktualis. u. erw. Aufl. Wiesbaden 2011.

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neller Informationsmedien durch elektronische Angebote dennoch diversen Veränderungen unterworfen. Die sich ausbreitende Internetnutzung in der Forschung und im Studium hat dazu wesentlich beigetragen. Das systematische Bibliographieren ist durch eher unsystematisches Browsing im Internet, durch die Präferenz für Suchmaschinen bei gleichzeitig eher niedrigem Gebrauch wissenschaftlicher Information ersetzt worden 184. Die Kommerzialisierung des Internet begünstigte schon bei Schülern US-amerikanischer Public und High Schools die starke Tendenz, bildungsrelevante Ressourcen nicht zu erkennen und nur wenig zu nutzen 185. Vielfach findet sich ein von mangelnder Informationskompetenz gekennzeichnetes Recherchieren in elektronischen Katalogen und in Literaturdatenbanken. Mehr als in früheren Zeiten verzichten Studierende wie Wissenschaftler auf Informationen, die nicht sofort erreichbar oder nur schwer beschaffbar sind 186. Hinzuweisen ist ferner auf verschiedene Nutzerbefragungen an deutschen, österreichischen und schweizerischen Hochschulbibliotheken 187. Demnach sind Fachbücher und Zeitschriften, die Bibliothekshomepage und der lokale Online-Katalog, das Internet, die Informationsrecherche und die Ausleihe die am stärksten genutzten Bibliotheksdienstleistungen. Das gedruckte Buch ist weiterhin Primärmedium. Am stärksten gefragt sind – mit Blick auf die elektronische Bibliothek – der Ausbau des elektronischen Medien- und Dienstleistungsangebots, eine beschleunigte Dokumentlieferung, mehr Informationsmarketing 188 (E-Journals, Datenbanken, Online-Fernleihe etc. sind vielfach immer noch zu wenig bekannt), die Realisierung verschiedener Nutzungsmöglichkei184 Vgl. Griffiths, Jillian R. / Brophy, Peter: Student searching behavior and the Web: use of academic resources and Google. In: Library Trends 53 (2005) S. 539–554. 185 Siehe dazu: Ebersole, Samuel E.: On their own: students’ academic use of the commercialized Web. In: Library Trends 53 (2005) S. 530–538. 186 Vgl. Poll, Roswitha: Informationsverhalten und Informationsbedarf der Wissenschaft. Teil 1 der Nutzungsanalyse des Systems der überregionalen Literaturund Informationsversorgung. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 51 (2004) S. 59–75. 187 Vgl. Sühl-Strohmenger, Wilfried: Erwartungen an die Wissenschaftliche Bibliothek der Zukunft – unter Berücksichtigung von Befunden der neueren Nutzerforschung. In: Weigel, Harald (Hrsg.). 29. Österreichischer Bibliothekartag in Bregenz 19.−23. Sept. Wa(h)re Information. Graz, Feldkirch 2007, S. 183–191 (Schriften der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare e. V. / VÖB Bd. 2). 188 Die UB Freiburg bedient sich seit über 10 Jahren des Mittels der „Roadshow“. Vgl. Sühl-Strohmenger, Wilfried: Die „Roadshow“ als Mittel des Informationsmarketing der Universitätsbibliothek. Planung, Organisation und praktische Durchführung von Roadshows in der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau. In: Bibliotheksdienst 35 (2001) S. 1027–1036.

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ten im Kontext der Hybridbibliothek und der Direktzugang zu elektronischen Volltexten. Die Studierenden benötigen also – insbesondere im Kontext der Bachelorund Masterstudiengänge 189 – Sicherheit, Informationskompetenz und Wissensmanagement-Tools bei der Recherche wissenschaftlicher Information, die sie für unterschiedliche Zwecke, je nach den Anforderungen der verschiedenen Studienphasen benötigen: für die Klausur, das Referat oder die Hausarbeit im Rahmen des Grundstudiums, für die Projektarbeit oder für experimentelle Untersuchungen im Hauptstudium, für die Abschlussarbeit und die Examensvorbereitung im Hauptstudium. Diese unterschiedlichen Zwecke korrespondieren mit unterschiedlichen Informationsressourcen, die die Bibliothek vorhält oder die sie vermittelt: Bücher und Zeitschriften im Grundstudium, zusätzlich Forschungsarbeiten und experimentelle Studien im Hauptstudium, Datenbanken, elektronische Zeitschriften und Volltexte sowie Lehrbücher in der Examensphase. Die wissenschaftlichen Bibliotheken tragen der gewandelten Informationspraxis, wie sie sich aufgrund der oben behandelten Studien abzeichnet, zunächst einmal dadurch Rechnung, dass sie nicht nur ihre eigenen Bestände und Informationsdienste vermitteln, sondern entsprechend dem Nutzerbedarf auch externe, insbesondere über das Internet frei verfügbare Quellen und Materialien erschließen 190. Dies gilt sowohl für die elektronischen Zeitschriften, die in der „Elektronischen Zeitschriftenbibliothek (EZB)“ nachgewiesen sind, als auch für Datenbanken und elektronische Publikationen, die im „Datenbank-Infosystem (DBIS)“ erschlossen sind. Einbezogen sind dabei auch frei im Internet verfügbare Zeitschriften, Datenbanken und Materialien. Im Rahmen von föderativen Suchsystemen, zum Beispiel mithilfe von Portalsoftware, eröffnet sich über die entsprechend ausgeweiteten Online-Kataloge der Hochschulbibliotheken der erweiterte Zugang zu diesen nicht genuin von der Bibliothek gehaltenen Medien und Informationsdienste. Linkresolver (zum Beispiel SFX oder Shibboleth) ermöglichen auf der Basis von Authentifizierung und Autorisierung den raschen Zugriff direkt auf das Dokument, bei Shibboleth sogar, ohne auf den Linkresolver zurückgreifen zu müssen, weil die Authentifizierung über die Heimtateinrichtung erfolgt 191. 189 Vgl. Sühl-Strohmenger, Wilfried: Vermittlung der Schlüsselqualifikationen Informations- und Medienkompetenz in den neuen Studiengängen. Ziele, Anforderungen, Konzepte, Strategien – am Beispiel ausgewählter Hochschulbibliotheken. In: B.I.T.online 10 (2007) S. 197–208. 190 Vgl. Sühl-Strohmenger (Anm. 9) S. 88 ff. 191 Vgl. zu Shibboleth grundlegend: Borel, Franck / Lienhard, Jochen / Oberknapp, Bernd / Ruppert, Ato / Steilen, Gerald: Authentifizierung und Autorisierung mit Shibboleth in der Föderation DFN-AAR. In: B.I.T.online 12 (2009) S. 285–290.

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Empirische Befunde zum wissenschaftsbezogenen Informationsverhalten

3.4 Informationskompetenz Studierender – Herausforderungen und Forschungsstand Die Forschung auf dem Gebiet der Vermittlung und Förderung von Informationskompetenz durch Hochschulbibliotheken wird einerseits von den Instituten für Bibliotheks- und Informationswissenschaft (Berlin, Köln, Chur u. a.) geleistet, häufig allerdings beschränkt auf Abschlussarbeiten im Masterstudium Library and Information Sciences, sodann von der bibliothekarischen Praxis in den Hochschulbibliotheken, teilweise in Zusammenarbeit mit einzelnen Instituten (u. a. UB Augsburg, UB Bielefeld, ULB Düsseldorf, UB Freiburg, UB Heidelberg, UB Konstanz, UB der LMU München, UB der TU München, UB Oldenburg), fast gar nicht von der pädagogischen Forschung in Deutschland. Die bibliotheksgestützte Vermittlung von Informationskompetenz wird bislang unter primär bibliothekswissenschaftlicher Perspektive thematisiert 192. Immerhin wird unter den Forschungsdesiderata, die Jank auflistet, auch genannt: „Wie definieren Wissenschaftler/innen der unterschiedlichen Fachdisziplinen Informationskompetenz?“ 193 Dazu würde vor allem auch die erziehungswissenschaftliche Forschung zählen.Im Unterschied zum deutschsprachigen Raum nehmen sich im angloamerikanischen Raum auch spezielle Forschungsinstitute für Information Literacy/Informationskompetenz der entsprechend breiten und teilweise empirisch gestützten Forschung an, so in Neuseeland und Australien 194, in den USA 195 und in Großbritannien 196. Auf internationaler Ebene

192 Siehe dazu: Jank, Dagmar: Vermittlung von Informationskompetenz an Hochschulen. Ein neues Forschungsbiet der Bibliothekswissenschaft. In: Hauke, Petra (Hrsg. / Ed.): Bibliothekswissenschaft – quo vadis? Eine Disziplin zwischen Traditionen und Visionen: Programme – Modelle – Forschungsaufgaben. Library Science – quo vadis? A Discipline between Challenges and Opportunities: Programs – Models – Research Assignments. München 2005, S. 131–144. 193 Ebd., S. 139. 194 Siehe Bundy, Alan (Ed.): Australian and New Zealand Information Literacy Framework – principles, standards and practice. 2. ed. Adelaide: Australian and New Zealand Institute for Information Literacy (ANZIIL); Council of Australian University Librarians (CAUL) 2004. 195 Vgl. Rader, Hannelore B.: Information literacy 1973–2002: a selected literature review. In: Library Trends 51 (2002) S. 242–259; Rader, Hannelore B.: Preparing library users for productive use of information. The United States experience (Die Einführung von Bibliotheksbenutzern in die produktive Nutzung von Information. Erfahrungen aus den USA.). In: Bibliothek. Forschung und Praxis 29 (2005) S. 18–24. 196 Vgl. Levy, Philippa / Roberts, Sue (Eds.): Developing the new learning development. The changing role of the academic librarian. London 2005.

Informationskompetenz Studierender

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bemüht sich die IFLA seit gut einem Jahrzehnt um die Erfassung der verschiedenen nationalen Aktivitäten auf dem Gebiet der Förderung von Information Literacy 197, die UNESCO verabschiedete 2005 in Alexandria eine Proklamation zur Informationskompetenz und zum Lebenslangen Lernen 198. Zur Schlüsselqualifikation Informationskompetenz liegen außerhalb der bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Forschung kaum Untersuchungen vor. Allerdings wurde von einer Freiburger Forschungsgruppe um Gunther Eigler bereits 1997 der Zusammenhang von Textproduzieren, Wissensbildung und externer (elektronisch verfügbarer) Information untersucht 199. Die Teilnehmer an dieser Untersuchung sollten ein Thema mit Hilfe von computergestützten Informationen bearbeiten. Die kompetente Handhabung der „Informationsbank“ war in diesem Zusammenhang zwar nicht das hauptsächliche Forschungsinteresse, jedoch bietet die Untersuchung wichtige Erkenntnisse zum dynamischen Zusammenspiel von Wissen, externer Information und entstehendem Text – eine nach wie vor auch in der digital geprägten Informationswelt zentrale Wechselbeziehung, in der die Hochschulbibliothek mit ihren Angeboten zur Förderung von Informationskompetenz zugunsten des Erwerbs strategischen Wissens eine Rolle spielen kann. Die effiziente Recherche in thematisch relevanten Informationsressourcen steht weiterhin in engem Zusammenhang mit der wissenschaftlichen oder studiumsbezogenen Textproduktion, also der textbezogenen Informationsverarbeitung. Die elektronisch verfügbare Information begünstigt allerdings das für den Aufbau strategischen (prozeduralen) Wissens hinderliche Copy-and-Paste-Syndrom und damit tendenziell den Plagiarismus. Ein wesentlicher informationsethischer Standard beinhaltet, keine Plagiate zu erzeugen. Zu unterscheiden sind Plagiate gedruckter Werke und Netzplagiate. Erstere beruhen auf der unveränderten Übernahme von Textpassagen aus fremden Werken ohne deren Zitierung. Das Netzplagiat bezieht seine Vorlagen aus dem Internet und bedient sich meistens des „Copy and paste“-Verfahrens, um elektronische Inhalte aus nicht näher bezeichneten Dokumenten im Internet in eigene Dateien zu importieren. Sie erscheinen dort als scheinbar originäre geis197 Vgl. Lau (Anm. 82). 198 UNESCO: Alexandria Proclamation on information literacy and lifelong learning. High Level Colloquium on Information Literacy and Lifelong Learning, in Alexandria, Egypt, on 6–9 November 2005. http://portal.unesco.org/ci/en/ev.php-URL_ID=20891&URL_ DO=DO_TOPIC&URL_SECTION=201.html (08. 09. 2011). 199 Siehe Eigler, Gunther / Jechle, Thomas / Kolb, Monika / Winter, Alexander: Textverarbeiten und Textproduzieren: zur Bedeutung externer Information für Textproduzieren, Text und Wissen. Tübingen 1997 (ScriptOralia. Bd. 76).

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Empirische Befunde zum wissenschaftsbezogenen Informationsverhalten

tige Schöpfung des betreffenden „Urhebers“. Plagiarismus im Internet ist eine immer häufiger anzutreffende Praxis im Studium 200, aber teilweise sogar in der Forschung, beispielsweise der Kulturwissenschaften 201 und der Rechtswissenschaften 202. Strategien der Plagiatsbekämpfung gewinnen – auch unter dem Eindruck aktueller Plagiatsfälle mit Verstrickung prominenter Politikerinnen und Politiker – in Schule und Hochschule erheblich an Bedeutung 203. Was ist ein Plagiat und welche Plagiatsformen sind zu unterscheiden? Grundsätzlich handelt es sich um ein Plagiat, wenn fremdes Geistesgut unbefugt und bewusst wörtlich übernommen wird, ohne die Urheber der besagten Quelle zu nennen, wenn also „geistiger Diebstahl“ vorliegt. Unterschieden werden meistens die folgenden Plagiatsformen 204: – Totalplagiate beinhalten die unveränderte Übernahme von Textteilen aus anderen Werken. – Übersetzungsplagiate erstrecken sich auf Übernahmen aus fremden Sprachen. – Teilplagiate erstrecken sich auf die Übernahme von Teiltexten bzw. Verschnitte aus fremden Texten, ohne Quellenangabe. – Ideenplagiate beschränken sich auf die bloße Übernahme der „Substanz“ ohne Würdigung der Urheber. Fröhlich berichtet ferner anhand zahlreicher Beispiele über weitere Plagiatsformen wie altruistische Plagiate, Autoplagiate, Verbalplagiate und Bildplagiate. Das Plagiat kann noch weiter dahingehend differenziert werden, ob es bewusst oder unbewusst entstanden ist. Man spricht von „Cryptomnesia“, wenn ein Autor die Angabe der Quelle vergessen hat 205. Die Motive für Plagiate können 200 Vgl. Schätzlein, Frank: Plagiate im Studium. Onlineressourcen und didaktische Aspekte. KoOP-News. Newsletter des Zentrums für Hochschul- und Weiterbildung (ZHW) der Universität Hamburg, Nr. 4 (Okt. 2006). http://www.frank-schaetzlein.de/didaktik/ plagiate_koop.pdf (28. 07. 2011). 201 Vgl. Weber, Stefan: Das Textplagiat in den Kulturwissenschaften: Varianten, mutmaßliche empirische Trends, theoretische Verwirrungen. Ein Problemaufriss. In: Information. Wissenschaft & Praxis 57 (2006) S. 103–108. 202 Siehe dazu: Rieble, Volker: Das Wissenschaftsplagiat. Vom Versagen eines Systems. Frankfurt a. M. 2010. 203 Vgl. Weber-Wulff, Debora / Wohnsdorf, Gabriele: Strategien der Plagiatsbekämpfung. In: Information. Wissenschaft & Praxis 57 (2006) S. 90–98. 204 Siehe Fröhlich, Gerhard: Plagiate und unethische Autorenschaften. In: Information. Wissen & Praxis 57 (2006) S. 81 f.; siehe auch die entsprechenden Beiträge in Barth / Böller / Dahinden (Hierl / Zimmermann (Anm. 106). 205 Vgl. Weber (Anm. 201) S. 105.

Informationskompetenz Studierender

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im Zusammenhang mit Punkten, Noten, Scheinen oder Studienabschlüssen angesiedelt sein, jedoch gibt es auch bei Professoren manchmal ein ausgeprägtes Interesse an studentischen Arbeiten in ihrem jeweiligen Bereich, die sie teilweise oder gänzlich in eigene Veröffentlichungen übernehmen, ohne die Urheber ausreichend zu nennen 206. Im Rahmen des Gutachterwesens (Peer ReviewVerfahren) kommt vor, dass Projekte im Schutz der Anonymität des Verfahrens abgelehnt, später aber unter eigenem Namen wieder eingereicht werden. Zum Auffinden von Plagiaten werden verschiedene Strategien vorgeschlagen 207: Man solle Verdacht schöpfen, wenn eine Arbeit extrem gut geschrieben ist, mitten in der Arbeit Stilwechsel aufweist, seltene Fremdwörter verwendet, orthographische und grammatikalische Mängel und auch Verschreiber in Eigennamen aufweist. Man solle Stichproben machen, weil man nicht alle Arbeiten überprüfen kann, sodann mithilfe von Suchmaschinen im Internet nach übernommenen Quellentexten forschen, indem charakteristische Wortfolgen aus dem besagten „verdächtigen“ Text gewählt werden (Phrasensuche, d. h. Wortfolge in Anführungszeichen setzen). Insbesondere bei Abschluss- oder Doktorarbeiten ist zu empfehlen, auch Bibliotheksrecherchen vornehmen, um Werke zum selben Thema herauszufinden, aus denen eventuell abgeschrieben wurde. Kommerzielle Suchdienste wie oder unterstützen die professionelle Suche nach Plagiaten. Datenbanken für Hausarbeiten, Referate, Seminar- und Examensarbeiten weisen mittlerweile tausende von kostenfreien, aber auch kostenpflichtigen Beiträgen nach, informieren zudem über Zitierregeln, Methoden des Arbeitens und Schreibens und warnen auch vor der Erzeugung von Plagiaten. Da sie vielfach die Möglichkeit der Volltextsuche anbieten, können sie auch bei der Recherche von Plagiaten nützlich sein. Wenn die jeweilige Strategie zum Auffinden eines Plagiats erfolgreich war, sollte das Ergebnis gesichert werden, insbesondere wenn es sich auf bestimmte (manchmal flüchtige) Internetseiten bezieht. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass im Zeichen immer ausgeprägterer Internet- und E-Mail-Nutzung Plagiate zugenommen haben, obgleich diese Befunde noch einer breiteren empirischen Absicherung bedürften 208. Schätzlein gibt verschiedene Anregungen zu unterrichtsmethodischen bzw. didaktischen Vorkehrungen, die dazu beitragen könnten, Plagiate zu verhindern: Man könnte verstärkt mit Fallbeispielen und aktuellen Fragestellungen zum Seminarthema arbeiten, auch gemeinsam und exemplarisch an einem kurzen wissenschaftlichen Text arbeiten, enge Referats206 Siehe Weber-Wulff / Wohnsdorf (Anm. 203) S. 91–93. 207 Ebd., S. 93–96. 208 Siehe Weber (Anm. 201) S. 105 f.

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Empirische Befunde zum wissenschaftsbezogenen Informationsverhalten

und Seminararbeitsthemen fördern, das Recherchieren und Bibliographieren als eigenständige Studienleistung mehr anerkennen als bislang, eine Bibliographie zur Fragestellung der jeweils geplanten Seminararbeit durch die Seminarteilnehmer anfertigen, die Studierenden an den Gliederungen der jeweiligen Seminararbeiten gemeinsam und sich gegenseitig unterstützend arbeiten lassen, den Lern- und Schreibprozess konsequenter thematisieren und dokumentieren (beispielsweise durch Lerntagebuch oder wissenschaftliches Journal), bei Einsatz des Internet in der Lehrveranstaltung die Quellenanalyse und -bewertung von Onlinetexten dezidiert zum Thema machen. Einige dieser Anregungen könnten für die Zwecke der Teaching Library nutzbar gemacht werden. Der Herstellung von Plagiaten ist weniger durch die Verwendung von spezieller Plagiatsentdeckungssoftware wirksam zu begegnen, sondern nachhaltiger und effizienter durch Förderung von Informationskompetenz, zu der die Kenntnis von Urheberrechten und von korrektem Zitieren gehört 209. Informationskompetenz bleibt in der fachlichen und der fachwissenschaftlichen Literatur nicht auf die Bereiche des Bildungswesens und des Arbeitsplatzes beschränkt, sondern kann Bedeutung auch für das Problemlösen im Lebensalltag beanspruchen. Diesbezüglich gibt es aber noch einen erheblichen Forschungsbedarf 210. Die mit dem Konzept der Informationskompetenz beschriebenen Strategien zur Informationsbewältigung sind aus der Sicht einer Informationsökonomie und Informationsdidaktik 211 eingehend dargestellt worden, ohne indes der Hochschulbibliothek eine wesentliche Funktion als LehrLernort zuzuweisen, wie es in der vorliegenden Studie der Fall ist. Zum Verständnis von Information Literacy bzw. von Informationskompetenz im internationalen und im deutschen Bibliothekswesen liegen einige neuere Untersuchungen vor 212.

3.4.1 Nationaler Forschungsstand zur Informationskompetenz Hochholzer / Wolff konstatierten im Jahr 2006 die große Bedeutung der aus dem nordamerikanischen Bildungsbereich adaptierten Schlüsselqualifikation 209 Siehe die Beiträge in: Barth / Böller / Dahinden / Hierl / Zimmermann (Anm. 106). 210 Vgl. Partridge, Helen / Bruce, Christine / Tilley, Christine: Community information literacy: developing an Australian research agenda. In: Libri. International Journal of Libraries and Information Sciences 58 (2008) S. 110–122; Gapski / Tekster (Anm. 23). 211 Vgl. Ballod (Anm. 81). 212 Vgl. Ingold (Anm. 74); Bättig, Esther: Information Literacy an Hochschulen. Entwicklungen in den USA, in Deutschland und der Schweiz. Chur 2005 (Churer Schriften zur Informationswissenschaft. Bd. 8); Rauchmann (Anm. 84).

Informationskompetenz Studierender

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Informationskompetenz in einer Informations- und Wissensgesellschaft, die umfassend von den Informationstechnologien geprägt ist. Daraus ergibt sich der hohe Stellenwert, der der insbesondere auf den Umgang mit digitaler Information und Kommunikation zielenden Informationskompetenz im Bildungswesen – von der Grundschule bis zur Hochschule und der Erwachsenen-/Weiterbildung – zukommt. In den bayerischen Lehrplänen für das Gymnasium sind Komponenten der Informationskompetenz unter „Fächerübergreifendes Lernen und überfachliche Kompetenzen“ subsumiert, insbesondere der Aspekt der Informationsbeschaffung 213, unter Zuhilfenahme unterschiedlicher Informationsquellen (Wörterbuch, Bibliothek, Internet), sodann die Nutzung des Computers als Arbeits- und Kommunikationsmittel. Schon im Lehrplan der bayerischen Grundschulen werden unter den Primärstrategien die „Techniken und Methoden der Organisation, der Beschaffung und Aufnahme, der Verarbeitung und Speicherung, der Weitergabe und Anwendung von Informationen“ 214 aufgeführt. Dennoch werde – ungeachtet auch der viel beschworenen Informationsüberflutung – laut Hochholzer / Wolff der Informationskompetenz als Teil einer umfassenden Medienkompetenz im Unterricht noch zu wenig Beachtung geschenkt. Handlungsbedarf besteht auch im Hochschulbereich, wie Hochholzer / Wolff unter Berufung auf die schon genannte „SteFI-Studie“ konstatieren. Sie beklagen verkürzte Sichtweisen bei der Verwendung der Begriffe Informationskompetenz, Medienkompetenz und Computerwissen sowie einen bisweilen recht leichtfertigen Umgang mit wissenschaftlicher Information, die sich, wie eine Befragung an der Universität Regensburg erheben hat, viele hauptsächlich über Suchmaschinen wie Google besorgen. Als Desiderate der Forschung nennen Hochholzer / Wolff 215: – die Ausarbeitung einer differenzierten Theorie der Informationskompetenz, unter Einschluss der Teilkomponenten technische, kulturelle, kommunikative, soziale und organisationsbezogene sowie sprachliche Kompetenz, – die Erhebung qualitativer und quantitativer empirischer Daten zum tatsächlichen Stand der Informationskompetenz, für den Bereich der Schule, der Hochschule und auch für die Berufs- und Lebenswelt, weil dort täglich relevante Information aus Informationssystemen auszuwählen sei, – Formulierung von Standards auf verschiedenen Bildungsstufen.

213 Siehe Hochholzer / Wolff (Anm. 66) S. 3–5. 214 Ebd., S. 4. 215 Vgl. ebd., S. 9–11.

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Empirische Befunde zum wissenschaftsbezogenen Informationsverhalten

3.4.2 Nationale Bestandsaufnahmen zur Informationskompetenz Drei Jahre später legten Gapski / Tekster eine von der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) veranlasste Bestandsaufnahme zur Informationskompetenz in Deutschland vor 216, die die Überprüfung einiger der von Hochholzer / Wolff angesprochenen Desiderate gestatten. Im Zeitraum Dezember 2008 bis Februar 2009 wurden dazu zwar Internet-, Literatur- und Datenbankrecherchen durchgeführt, jedoch keine empirische Erhebungen. Es ging um eine überblicksartige Darstellung von Aktivitäten und Materialien zur Förderung von Informationskompetenz, nicht um eine tiefer gehende theoretischwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Konzept der Informationskompetenz sowie semantisch nahe stehender Termini wie beispielsweise: Informationsverhalten, Nutzerverhalten, Informationsbewertung, digitale Kompetenz, Online-Kompetenz, Internet-Kompetenz. Neben den Zielgruppen aus dem Hochschulbereich kamen auch die Schule, die Berufswelt und „Sozialgruppen“ wie Kinder und Jugendliche, Bürger und Verbraucher, Migranten und Senioren in das Blickfeld der Untersuchung. Hier werden allerdings auch Grenzen dieser offenen, informationswissenschaftlich geprägten Bestandsaufnahme sichtbar, denn anders als es die Studie nahe legt 217, waren es weniger die Initiativen der Deutschen Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationspraxis (DGI) noch die Aktivitäten der öffentlichen Bibliotheken, die sich frühzeitig um die Informationskompetenz der Schüler bemüht haben, sondern vielmehr die wissenschaftlichen Bibliotheken 218, die schon seit den 1990er Jahren insbesondere für Kursgruppen der gymnasialen Oberstufe nachfrageorientierte, differenzierte Einführungsveranstaltungen zu allen wesentlichen Aspekte des Umgangs mit wissenschaftlicher Literatur und Information anbieten. Für die IFLA erarbeiteten vom Orde / Wein 2009 einen Bericht zum Entwicklungsstand der Information Literacy in Deutschland 219. Bezüglich der 216 Vgl. Gapski / Tekster (Anm. 23). 217 Siehe ebd., S. 30 f. 218 Vgl. u. a. Oberdieck, Klaus D. / Brandes, Dietmar: Viele Wege führen nach Rom. Die Universitätsbibliotheken und die Vermittlung von Informationskompetenz. In: Bibliothek. Forschung und Praxis 28 (2004) S. 103–108; Sühl-Strohmenger (Anm. 56); Lux / Sühl-Strohmenger (Anm. 13) S. 147–153. 219 Vgl. Vom Orde, Heike / Wein, Franziska: Information Literacy – State of the Art – Report Germany. IFLA, Information Literacy Section. The Hague 2009. http:// www.ifla.org/en/publications/information-literacy-state-of-the-art-report-germany (28. 07. 2011).

Informationskompetenz Studierender

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Hochschulbibliotheken betonen sie die starken Bemühungen der vergangenen Jahre zur Förderung von Informationskompetenz, verweisen aber auch auf die ausgeprägt föderalistische, dezentrale Struktur auf diesem Gebiet.

3.4.3 Augsburger Untersuchungen zur Informationskompetenz Studierender Empirische Befunde zur Informationskompetenz bei der Suche Studierender nach wissenschaftlichen Quellen liegen für die Universität Augsburg vor 220. Im Wesentlichen werden die Ergebnisse der SteFI-Studie aus dem Jahr 2001 bestätigt: Fast jede(r) Studierende besitzt einen eigenen Rechner; auch die von der Universität bereitgestellte Hardware wird von den meisten Befragten genutzt. Die Angaben zur Nutzung verschiedener Informationsmöglichkeiten lassen darauf schließen, dass die Studierenden ihre Suche nach wissenschaftlichen Quellen sowohl im Internet als auch in der Bibliothek wenig zielgerichtet, zudem breit und einseitig gestalten. „Einfache“ Suchstrategien werden anscheinend bevorzugt. Dies ist im Hinblick der Ergebnisse von Heinzes Studie bedenklich, da die meisten Studierenden nicht wissen, wie Recherchetools funktionieren und sie deshalb nicht effektiv nutzen können. Kommilitonen und Freunde werden von deutlich mehr Befragten bei der Suche nach wissenschaftlichen Informationen zu Hilfe genommen als Dozenten und Professoren. Auch die Hilfe von Mitarbeitern der Universitätsbibliothek wird von mehr als drei Vierteln der Befragten nicht in Anspruch genommen. Insgesamt kennen und schätzen die Studierenden eher die „einfachen“ und breiten Recherchemethoden als relevant für ihr Studium ein. Komplexere Informationssysteme sind ihnen zum Großteil unbekannt. Nicht einmal jeder zehnte Befragte ist „sehr zufrieden“ mit den Ergebnissen seiner Recherche. Der Großteil gibt an „zufrieden“ zu sein. Dennoch hält etwa ein Drittel ihre Ergebnisse für unsystematisch oder für unüberschaubar und etwa jeder Fünfte kommt nicht schnell zu passenden Ergebnissen. Die 220 Siehe dazu: Heinze, Nina: Bedarfsanalyse für das Projekt i-literacy: Empirische Untersuchung der Informationskompetenz der Studierenden der Universität Augsburg. Arbeitsbericht Nr. 19. Augsburg: Universität Augsburg, Medienpädagogik, 2008. http://www.imb-uni-augsburg.de/files/Arbeitsbericht_19.pdf (26. 07. 2011); Fink, Julia: Informationskompetenz bei der Suche nach wissenschaftlichen Quellen. Eine empirische Studie unter Studierenden der Universität Augsburg. Saarbrücken 2009; siehe ferner: Heinze, Nina / Sporer, Thomas / Jenert, Tobias: Projekt i-literacy. Modell zur Förderung von Informationskompetenz im Verlauf des Hochschulstudiums. In: Zauchner / Baumgartner / Blaschitz / Weissenbäck (Anm. 150) S. 83–92.

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Empirische Befunde zum wissenschaftsbezogenen Informationsverhalten

Mehrheit der Befragten nutzt sowohl elektronische als auch nicht-elektronische Informationsmöglichkeiten. Es besteht die Tendenz, dass die Studierenden meinen, sich im Internet besser orientieren zu können als in der Bibliothek. Nicht einmal die Hälfte der Studierenden sieht die Nutzung wissenschaftlicher elektronischer Informationen in die Lehrveranstaltungen integriert, ein erheblicher Teil fühlt sich von den Lehrenden nicht ausreichend motiviert, elektronische Informationen zu nutzen. Etwa ein Viertel der Befragten fühlt sich durch die Masse an elektronischen Informationen überfordert; das digitale Informationsangebot erscheint mehr als einem Drittel unstrukturiert und unübersichtlich. Dennoch geben die Studierenden mehrheitlich an, keine Probleme zu haben, die Qualität und Bedeutung der gefundenen Informationen einzuschätzen. Heinze fand heraus, dass die Studierenden sich bezüglich ihrer Fähigkeiten im Bereich der Informationskompetenz überschätzen. Nahezu jeder dritte Befragte kann nicht beurteilen, ob Veranstaltungen zum Umgang mit elektronischen wissenschaftlichen Informationen den jeweiligen Bedürfnissen entsprechen, was darauf schließen lässt, dass er eine solche Veranstaltung noch nie besucht hat. Die Studierenden halten Internet-Informationen im Vergleich zu Print-Informationen mehrheitlich für aktueller und schätzen die elektronische Recherche als von Ort und Zeit unabhängig ein. Mehr als ein Drittel der Befragten hält Bibliotheken für umständlich, die Leihfrist von Büchern erscheint als zu kurz und das Kopieren von Büchern als zu teuer und aufwändig. Dies unterstreicht noch einmal die Affinität für das Internet. Hinsichtlich der Forschungsfragen lassen sich folgende Schlussfolgerungen aus der Augsburger Untersuchung ziehen: – Studiengangspezifische Unterschiede hinsichtlich der Informationskompetenz scheinen sich zu bestätigen: Die Nutzung von Medien und elektronischen Ressourcen sowie die von den Studierenden wahrgenommene Akzeptanz der Lehrenden gegenüber elektronischen Quellen ist im Studiengang ‚Medien und Kommunikation‘ höher als in den Lehramt-Studiengängen. Einige Aussagen lassen darauf schließen, dass Medien-Studierende bei der Recherche nach wissenschaftlichen Quellen informationskompetenter zu sein scheinen als Studierende anderer Fachrichtungen. Dennoch weisen auch sie hier Defizite auf. – Die Ergebnisse zeigen, dass die Informationskompetenz der Studierenden mit zunehmendem Fachsemester wächst. – Insgesamt haben die Studierenden der Universität Augsburg Defizite im Bereich der wissenschaftlichen Recherche, sichtbar vor allem im einseiti-

Informationskompetenz Studierender

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gen und wenig komplexen Recherche-Verhalten, sowohl die Bibliothek als auch das Internet betreffend. Dies hält sie jedoch nicht davon ab, elektronische Informationen ausgeprägt zu nutzen. Darunter leidet höchstwahrscheinlich die Qualität wissenschaftlicher Arbeiten. Einige methodenkritische Fragen werfen die Augsburger Studien – ungeachtet ihres Werts für die empirische Erforschung des Informationsverhaltens Studierender – allerdings auf: Die Studien von Heinze und Fink unterscheiden bezüglich der Informationsnutzung Studierender zwischen dem „Internet“ auf der einen Seite, der „Bibliothek“ auf der anderen Seite, entsprechend zwischen elektronischer (Internet-) Information und Print-Information in der Bibliothek andererseits. Damit ist die Informationswelt, denen sich Studierende und Wissenschaftler heute gegenüber sehen, jedoch unzureichend beschrieben. Die Bibliothek in der digitalen Welt ist gekennzeichnet durch das Nebeneinander von gedruckter und elektronischer Information (elektronische Zeitschriften, elektronische Bücher, Datenbanken, digitalisierte Bibliotheksbestände usw.), die über das Internet verfügbar ist. Man findet also durchaus mithilfe von Internetsuchmaschinen auch Bibliotheksressourcen. Dies ist allerdings für weniger informationskompetente Nutzer kaum durchschaubar, hätte also im Rahmen des Pretests genauer vorgeklärt und beim Design des Fragebogens berücksichtigt werden müssen.

3.4.4 Bielefelder Untersuchung zum Arbeitsverhalten der Bachelor-Studierenden In einer Bielefelder Untersuchung zum Arbeitsverhalten der Bachelor-Studierenden 221 wurden 95 Lehrende der Universität per E-Mail befragt, ergänzt durch zwei Fokus-Interviews mit einer Gruppe von fünf Studierenden und einer Gruppe von vier Lehrenden. Ausdrücklich führte nicht die Bibliothek selbst diese Erhebungen durch, sondern die Expertise erfolgte von außen, allerdings im Kontext von Bibliotheksveranstaltungen. Von den Lehrenden wurde dabei als zentrales Problem geäußert, dass den Studierenden die Eingrenzung der Themen und die Beschränkung der auszuwertenden umfangreichen Literatur-

221 Vgl. Herb, Silvia: „Ich muss einen Punkt haben, wo ich sage, jetzt ist Schluss“. Welche Rolle spielen Bibliotheken für die Arbeitsprozesse der Bachelor-Studierenden. In: BuB. Forum Bibliothek und Information 59 (2007) S. 800–802.

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Empirische Befunde zum wissenschaftsbezogenen Informationsverhalten

mengen enorm schwer fielen. Zwar böten die Bibliotheken entsprechende Schulungen an, jedoch hätten viele Studierende die Befürchtung, dass sie dort lernten, noch mehr Information zu finden, als sie ohnehin verarbeiten könnten. „Bibliotheken sollten also damit werben, dass sie dabei helfen, weniger, dafür aber relevante Literatur zu finden.“ 222 Die Lehrenden selbst sehen sich außerstande, die die für eine solche gezielte und effiziente Literatursuche notwenigen Strategien und Techniken im Rahmen ihrer Lehrveranstaltungen zu vermitteln, erwarten jedoch, dass die Studierenden über Informationskompetenz verfügen. Deshalb seien hier die Bibliotheken gefordert, die einschlägige Fachkompetenz auf diesem Sektor vorweisen könnten. Über die Vermittlung grundlegender Informationsmittel hinaus sollten in den bibliothekarischen Schulungsveranstaltungen aber mehr methodische Hinweise zum Zitieren und zur Themeneingrenzung gegeben werden.

3.4.5 Freiburger Erhebungen zur Informationskompetenz im Bachelor- und Lehramtsstudium An der Universität Freiburg wurden vom Verfasser im Rahmen der von ihm gehaltenen Bibliothekskurse zur Vermittlung von Informationskompetenz für Studierende der Bachelor- und der Staatsexamens-Studiengänge zwischen 2008 und 2010 Befragungen und einige Interviews durchgeführt 223. Diese Erhebungen sind als begrenzte Erkundungen eines empirisch nur wenig erforschten Gegenstandsbereichs des Arbeits- und Lernorts Bibliothek zu sehen. Der Stellenwert einer Bibliothek als öffentlicher Raum auch für soziale und kommunikative Bedürfnisse junger Menschen ist demgegenüber kürzlich detailliert im Sinne einer Ethnographie der Bibliothek herausgearbeitet worden 224. Die Freiburger Befragungen geben – auch im Licht der oben bereits erwähnten SteFI-Studie sowie der lokalen Untersuchungen zum Informationsver-

222 Ebd., S. 802. 223 Vgl. Sühl-Strohmenger, Wilfried: Informationskompetenz im Bachelor- und im Masterstudium. Befunde von Studierendenbefragungen (2008–2010) an der Universität Freiburg. In: B.I.T.online 14 (2011) S. 11–18. 224 Vgl. Fansa, Jonas: Bibliotheksflirt. Bibliothek als öffentlicher Raum. Bad Honnef 2008; siehe auch eine neuere französische Studie mit ethnografischem Ansatz: Roselli, Mariangela / Perrenoud, Marc: Du lecteur à l‘usager: ethnographie d’une bibliothèque universitaire. Toulouse 2010 (Socio-logiques).

Informationskompetenz Studierender

85

halten Studierender – immerhin weitere Aufschlüsse über das Arbeits- und Lernverhalten Studierender mit besonderer Berücksichtigung der Hochschulbibliothek. Die Befragung der Studierenden erfolgte vor Beginn des betreffenden Bibliothekskurses, der Umfang der Fragebogenerhebung belief sich auf n = 41. Die Universitätsbibliothek Freiburg bietet seit mehr als einem Jahrzehnt Einführungen, Schulungen und Kurse zur Medien- und zur Informationskompetenz überwiegend als Pflicht- oder als Wahlpflichtveranstaltungen an. 225 Im Folgenden sind die wichtigsten Befunde der Fragebogenerhebung darzulegen: Die Selbsteinschätzung eigener Informationskompetenz fällt zu gut 50 Prozent der Befragten positiv aus, aber relativ viele sind sich unsicher (34 Prozent). Das Verständnis von Informationskompetenz konzentriert sich auf das Bewältigen der Informationsflut (70 Prozent), den Überblick über Ressourcen (73 Prozent), sodann darauf, relevante Informationsquellen herauszufinden (83 Prozent), effiziente Recherchen der Informationssuche zu beherrschen (80,5 Prozent) und genau die Informationen zu finden, die man für das eigene Arbeitsvorhaben benötigt (70,7 Prozent). Man will wertvolle wissenschaftliche Information von wertlosem „Informationsmüll“ unterscheiden (85,4 Prozent), gefundene Information effizient verarbeiten können (58,5 Prozent), wichtige Fachinformationsressourcen kennen (53,7 Prozent). Knapp 93 Prozent der Befragten lehnen die Auffassung ab, dass es bei Informationskompetenz auf das Finden möglichst vieler Informationen ankomme. Die Erkundigungen bei Kommilitonen spielen bei der Literatur- und Informationssuche keine so große Rolle mehr wie früher: Nur 46,3 Prozent der Befragten messen ihnen in diesem Zusammenhang eine größere Bedeutung zu, während 53,7 Prozent die Erkundigungen bei Kommilitonen für weniger wichtig oder für unwichtig halten. Den Online-Katalog der Universitätsbibliothek halten 80,5 Prozent halten für sehr wichtig bis wichtig, die fachbezogenen Literaturdatenbanken 95 Prozent, die Nachfrage bei Professoren 68,3 Prozent, die Suche im Internet über Google jedoch nur 61 Prozent, die Internetsuchmaschinen generell nur 39 Prozent, Wikipedia erachten nur 31,7 Prozent der Befragten für sich als sehr wichtig bis wichtig. Die eigenen Fähigkeiten bei der Informationssuche schätzen 53,7 Prozent der Befragten als sehr gut bis gut ein, jedoch 46,3 Prozent als weniger gut oder verbesserungsfähig. Erworben wurden die Recherchefähigkeiten in großem Umfang durch Kurse der Universitätsbibliothek (79,5 Prozent). 225 Vgl. dazu: Sühl-Strohmenger, Wilfried: Die Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau auf dem Weg zur Teaching Library. In: Bibliotheksdienst 41 (2007) S. 331–346.

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Empirische Befunde zum wissenschaftsbezogenen Informationsverhalten

Gültig

Trifft sehr zu Trifft zu Trifft weniger zu Trifft nicht zu Gesamt Fehlend Missing Value Gesamt

Häufigkeit Prozent

Gültige Prozente

Kumulierte Prozente

15 16 4 4 39 2 41

38,5 41,0 10,3 10,3 100,0

38,5 79,5 89,7 100,0

36,6 39,0 9,8 9,8 95,1 4,9 100,0

Tab. 1: Informationskompetenz erworben durch Schulungen/Kurse der UB

Ferner erlangten die Studierenden ihre Informationskompetenz im Rahmen von Einführungen am Fachbereich (78,4 Prozent), zu einem großen Teil aber nach wie vor auch autodidaktisch (90 Prozent), wie es schon die SteFI-Studie 2001 ergeben hatte. Das E-Learning spielt für 41,7 Prozent der Befragten eine wichtige Rolle beim Erwerb von Informationskompetenz und knapp 39 Prozent haben ihre Informationskompetenz teilweise durch außeruniversitäre Kursangebote erworben. Die Institute kümmern sich mittlerweile offensichtlich mehr um die Verbesserung der Informationskompetenz ihrer Studierenden, denn nur 24,4 Prozent der Befragten meinen, dass es keine systematischen Einführungen des Instituts zur Förderung der Informationskompetenz gebe. Das Schulungsangebot der Universitätsbibliothek sollte dennoch nach Meinung von 31,7 Prozent der Befragten besser in die Lehrveranstaltungen integriert werden.

Gültig

Trifft sehr zu Trifft weniger zu Trifft nicht zu Bin mir nicht sicher Gesamt

Häufigkeit Prozent

Gültige Prozente

Kumulierte Prozente

13 16 6 6 41

31,7 39,0 14,6 14,6 100,0

31,7 70,7 85,4 100,0

31,7 39,0 14,6 14,6 100,0

Tab. 2: UB-Schulungsangebot unzureichend in Lehrveranstaltungen integriert

Dass die Dozierenden zu wenig zur eigenständigen Literatursuche motivieren, meinen 26,8 Prozent der Befragten, jedoch sind 73,2 Prozent gegenteiliger Auffassung oder sind sich nicht sicher. Nach deren eigener Auffassung könnte die Informationskompetenz der Studierenden durch eigenständige, mit ECTSPunkten bewertete Kurse der Universitätsbibliothek verbessert werden, meinen 68,3 Prozent der Befragten.

Informationskompetenz Studierender

Gültig

Sehr wichtig Wichtig Weniger wichtig Unwichtig Gesamt

Häufigkeit Prozent

Gültige Prozente

Kumulierte Prozente

13 15 12 1 41

31,7 36,6 29,3 2,4 100,0

31,7 68,3 97,6 100,0

31,7 36,6 29,3 2,4 100,0

87

Tab. 3: Verbesserung der Informationskompetenz durch eigenständige Kurse (ECTS) der UB

Dass dies auch durch eigenständige Lehrveranstaltungen der Fakultät im Rahmen der Methodenausbildung erreichbar sei, meinen 65,9 Prozent, und dass in Lehrveranstaltungen fest integrierte Module der Informationskompetenz sinnvoll seien, vertreten 80 Prozent der Befragten.

Gültig

Sehr wichtig Wichtig Weniger wichtig Unwichtig Weiß nicht Gesamt Fehlend Missing Value Gesamt

Häufigkeit Prozent

Gültige Prozente

Kumulierte Prozente

15 17 6 1 1 40 1 41

37,5 42,5 15,0 2,5 2,5 100,0

37,5 80,0 95,0 97,5 100,0

36,6 41,5 14,6 2,4 2,4 97,6 2,4 100,0

Tab. 4: Verbesserung der Informationskompetenz durch fest integrierte IK-Module

Eine noch übersichtlichere Darstellung der Informationsangebote auf der Bibliothekshomepage wünschen sich 55 Prozent und die verpflichtende Teilnahme an Kursen der Universitätsbibliothek zur Förderung von Informationskompetenz 37,5 Prozent.

Gültig

Sehr wichtig Wichtig Weniger wichtig Unwichtig Weiß nicht Gesamt Fehlend Missing Value Gesamt

Häufigkeit Prozent

Gültige Prozente

Kumulierte Prozente

7 8 12 11 2 40 1 41

17,5 20,0 30,0 27,5 5,0 100,0

17,5 37,5 67,5 95,0 100,0

17,1 19,5 29,3 26,8 4,9 97,6 2,4 100,0

Tab. 5: Verbesserung der Informationskompetenz durch verpflichtende Teilnahme an UB-Kursen

88

Empirische Befunde zum wissenschaftsbezogenen Informationsverhalten

Mehr von der Universitätsbibliothek angebotene elektronische Lernhilfen zur Verbesserung ihrer Informationskompetenz können sich 42,5 Prozent der Befragten vorstellen.

Gültig

Sehr wichtig Wichtig Weniger wichtig Unwichtig Weiß nicht Gesamt Fehlend Missing Value Gesamt

Häufigkeit Prozent

Gültige Prozente

Kumulierte Prozente

4 13 13 5 5 40 1 41

10,0 32,5 32,5 12,5 12,5 100,0

10,0 42,5 75,0 87,5 100,0

9,8 31,7 31,7 12,2 12,2 97,6 2,4 100,0

Tab. 6: Verbesserung der Informationskompetenz durch mehr elektronische Lernhilfen

An der Befragung waren nicht nur Studienanfänger, sondern Studierende aus unterschiedlichen Studienabschnitten beteiligt: 1. bis 3. Semester 51,2 Prozent, 4. bis 6. Semester 17,1 Prozent, 7. Semester und mehr 31,7 Prozent. Bei der Fachzugehörigkeit der Befragten gab es Schwerpunkte bei Soziologie und Politik (25 Prozent), ansonsten waren zahlreiche Fächer vertreten, mit Ausnahme der Medizin, der Mathematik und den Naturwissenschaften. Ergänzt wurden die mithilfe der Befragung gefundenen quantitativen Daten durch drei Interviews mit Bachelorstudierenden. Die Studierenden reflektieren ihr Lernverhalten im Spannungsfeld des häuslichen, individuellen Arbeitens und des „gemeinsamen“ Lernens in der Bibliothek: Die Frage nach der Bedeutung der Bibliothek als Lernort ist abhängig von subjektiven Präferenzen – „ich lerne gern für mich allein, im vertrauten „privaten“ Umfeld“ – wie von objektiven Faktoren hinsichtlich des Lernens im „öffentlichen Raum“, in der Bibliothek: „gemeinsam“ mit den anderen Kommilitonen/innen im Rechnerpool des Instituts bzw. in der Verbundbibliothek oder der UB arbeiten, benötigte Lernmaterialien präsent haben, die „Lernatmosphäre“ der UB in der Prüfungszeit nutzen, während zu Hause eher Notizen gesichtet und geordnet würden. Allerdings wird die Gefahr der Ablenkung beim häuslichen Arbeiten klar gesehen, so dass es deshalb doch besser erscheine, mit den anderen in der Bibliothek lernen, allerdings ändere dies nur bedingt etwas an der Problematik zu umfangreichen Lernstoffs. Die eigene Aktivität wird als entscheidend angesehen, um mit dem Lernen zu beginnen, nicht die institutionellen Rahmenbedingungen, die beispielsweise eine Bibliothek biete. Zu Hause gebe es diesbezüg-

Informationskompetenz Studierender

89

lich Vorteile, sofern man sich in der Bibliothek durch „die anderen“ abgelenkt fühle (man schaut herum ...). Man lenke sich im Prinzip selber ab. Wenn man entschlossen sei zu lernen, könne man es auch. Allerdings könne es manchmal Engpässe bei der Zahl der verfügbaren Lehrbücher geben. Die Bibliothek bietet den Studierenden im Unterschied zum privaten Arbeitsbereich eine spezifische Lernatmosphäre. Ob sie für Lernen im Studium wichtig sei, hänge ab vom Fach und den entsprechenden Präsenzbeständen. Wichtig sei eher die Lernatmosphäre in der Bibliothek, der „andere Raum“ gegenüber dem häuslichen Raum. Das Lernen mit anderen für ein Projekt funktioniere nur in der Bibliothek. Man habe alles griffbereit zum Nachschlagen. Aber die Bibliothek sei andererseits zum gemeinsamen Lernen nur bedingt geeignet, weil man nicht laut reden und man in die Bibliothek nichts zu essen und zu trinken mitnehmen dürfe. Das Angebot an Büchern und Zeitschriften in der Bibliothek sei wichtig, weil man es zu Hause nicht ohne Weiteres zur Verfügung habe, während die elektronischen Angebote im Fernzugriff verfügbar seien. Man sehe sie aber nicht so deutlich wie die gedruckten Bestände und vernachlässige sie dann manchmal. Durch einen Bibliothekskurs zur Förderung von Informationskompetenz sei die Bedeutung der Datenbanken erheblich klarer geworden. „(...) Man sieht einfach die Bücher, man geht auf sie zu, man nimmt sie in die Hand, die elektronischen Sachen, da ist es etwas schwieriger, an die heranzukommen sozusagen. Deswegen vernachlässige ich sie, glaube ich (...).“ Das selbstständige Recherchieren nach Literatur habe bislang im Studium keinen hohen Stellenwert. Man bekäme von den Dozenten genaue Literaturlisten oder alles vorgesetzt, was man an Texten benötigte. Gegebenenfalls würde, ausgehend von einem Fachaufsatz, ohne elektronische Dienste recherchiert, indem aus der Literaturliste die als relevant erscheinenden Titel ausgewählt und zum Ausgangspunkt weiterer Überlegungen gemacht würden. Ansonsten seien die Wikipedia, Google und sonstige Suchmaschinen erste Wahl bei der Informationssuche. Auch die Volltextsuche in Aufsätzen spiele eine Rolle. Die notwendige technische Infrastruktur sei persönlich vorhanden: Computer, Peripheriegeräte und DSL-Anschluss oder WLAN, so dass man deswegen nicht mehr auf die Bibliothek angewiesen sei. Das schwierigste Problem wird darin gesehen, aktuelle Quellen zu finden, aus der Masse der Information eine begründete Auswahl zu treffen, und die sei manchmal problematisch, weil man nur nach einem Titel oder nach einem bekannten Autor suche und eventuell das Falsche verwerfe. Finden könne schwer sein, das Auswählen aber auf jeden Fall. Die Kenntnis der Datenbanksysteme, der verschiedenen Suchmöglichkeiten, in die man einge-

90

Empirische Befunde zum wissenschaftsbezogenen Informationsverhalten

wiesen werden sollte, und die Auswahlkompetenzen genießen bei den Interviewten Priorität. Ein zumindest grober Überblick über das Thema und die relevanten Werke sei hilfreich, dann die Fähigkeit zum Querlesen: „Das ist eine Technik, die uns bislang nie so nahe gelegt wurde. Es wird zwar immer so gesagt, man muss lesen können, aber keiner sagt einem jetzt, wie man es wirklich macht“.

3.4.6 ZBW-Studie zum Informationsmanagement von Studierenden und Wissenschaftlern Im Jahr 2011 hat die Zentralbibliothek der Wirtschaftswissenschaften (ZBW) des Leibniz-Informationszentrums Wirtschaft die Ergebnisse einer qualitativen und quantitativen Untersuchung zum Informationsmanagement von Studierenden und von Wissenschaftlern vorgelegt 226. Sie widmet sich auch dem Recherchealltag von Forschern und Studierenden: Als Einstieg wird in der Regel das Internet, insbesondere Google oder Google Scholar gewählt, mit Bevorzugung von Stichwortsuchen im Modus der einfachen Suche. Wenig Erfolg verspricht man sich von der Schlagwortnutzung, und auch die erweiterte Suche genießt keine besondere Wertschätzung. Die Recherche in einschlägigen spezialisierten Literaturdatenbanken des Fachs gibt eine gewisse Sicherheit, wesentliche Publikationen zu dem eigenen Thema gefunden zu haben. Nicht selten bildet jedoch der wissenschaftliche Text eines geschätzten Kollegen oder einer Kollegin den Ausgangspunkt weiterer Suchstrategien, indem man die dort aufgeführten Zitierungen und Literaturhinweise verfolgt. Grundsätzlich gilt jedoch für viele Forscher und Studierende der Grundsatz, dass es nichts weiteres geben könne, wenn es nicht im Internet auffindbar ist. Die Qualitätsbewertung gefundener Quellen orientiert sich nach wie vor an dem Renommee der betreffenden Fachzeitschrift sodann an der Aktualität eines Artikels. Die Zitationshäufigkeit und die Anzahl der Downloads spielen dagegen für die Einschätzung der wissenschaftlichen Qualität einer Publikation eine weniger wichtige Rolle. 226 Siehe ZBW-Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft: World Wide Wissenschaft. Informationsmanagement von Wissenschaftler/inne/n. Zusammenfassung der qualitativen und quantitativen Ergebnisse einer Untersuchung zum Informationsmanagement von Studierenden und Forschenden der Wirtschaftswissenschaften, insbesondere BWL und VWL. Studienbetreuung: Dr. Doreen Siegfried, Elisabeth Flieger. Februar 2011. http://www.zbw.eu/presse/ pressemitteilungen/docs/world_wide_wissenschaft_zbw_studie.pdf (26. 08. 2011).

Informationskompetenz Studierender

91

3.4.7 Karlsruher Mediennutzungsstudie Eine neue Untersuchung hat ein Forschungsteam vom Institut für Berufspädagogik des Karlsruher Institute for Technology (KIT) vorgelegt 227. Die Befragung fand im Juni/Juli 2009 auf dem Campus des KIT Karlsruhe statt. Insgesamt

Abb. 4: Mediennutzung im Studium (Karlsruher Mediennutzungsstudie von Grosch/Gidion 2011)227

227 Vgl. Grosch, Michael / Gidion, Gerd: Mediennutzungsgewohnheiten im Wandel. Ergebnisse einer Befragung zur studiumsbezogenen Mediennutzung. Karlsruhe 2011. http://www.uvka.ubka.uni-karlsruhe.de/shop/download/1000022524 (19. 08. 2011).

92

Empirische Befunde zum wissenschaftsbezogenen Informationsverhalten

ergaben sich 1.479 Fälle (entspricht 9 Prozent der Grundgesamtheit der KITStudierenden), davon wurden 1.397 Fälle als gültig in die Auswertung übernommen. Die zentrale Fragestellung der Untersuchung zielte darauf ab, „welchen Nutzen, welche Qualität und welchen Mehrwert die verschiedenen Medienangebote für das Studium aus der Sicht der Studierenden besitzen“ (S. 34). Die Akzeptanz der Medien ergibt sich aus der Nutzungshäufigkeit und der Nutzungszufriedenheit, und diesen beiden Gruppen wurden die Variablen jeweils zugeordnet. Bei den übergeordneten vier Dimensionen, die bei der Interpretation der Befunde zusätzlich herangezogen wurden, erscheinen unter Dimension 4 (Bildungs- und medienrelevante Dispositionen) auch spezifische Kenntnisse und Fertigkeiten, also Aspekte der Medien- und Informationskompetenz. Hinsichtlich des Zugangs zu den Medien verfügen etwa 48 Prozent der Befragten über einen Desktop-PC, aber bereits knapp 85 Prozent über einen Laptop oder ein Notebook. Der Zugang zum Internet über mobile Endgeräte ist bei den KIT-Studierenden noch ziemlich schwach ausgeprägt. Die „NotebookUniversität“ scheint demgegenüber in Karlsruhe bereits weitgehend Realität zu sein. Die für unseren Zusammenhang wichtigen Ergebnisse der Karlsruher Studie beziehen sich auf die Nutzung von Medien im Studium. Folgende Befunde seien besonders hervorgehoben (s. auch Diagramm oben): – Google und Wikipedia haben eine herausragende Rolle im Studium – Elektronische Lehr- und Fachbücher haben sich im Studienalltag klar etabliert – Studierende sind mit externen Diensten insgesamt etwas zufriedener als mit internen Diensten – Web 2.0-Dienste gehören zu den Angeboten mit den höchsten und den niedrigsten Akzeptanzraten, sind also differenziert zu betrachten – Lernplattformen insgesamt haben sich im Lernumfeld der Studierenden etabliert, liegen im Mittelfeld der Akzeptanzraten Als mögliche Einflussfaktoren der Mediennutzung im Studium nennen die Autoren zum einen die Einstellung der Dozenten zur Verwendung neuer Medien im Studium, sodann die Freizeitnutzung, zum anderen aber die vorhandenen Informations-, Medien- und IT-Kenntnisse und -Skills der Studierenden, während andere Einflussfaktoren eher niedrig zu sein scheinen. 228 Ebd., S. 67. Den Verfassern danke ich für die Genehmigung zur Wiedergabe der Grafik in diesem Buch. Herrn Dr. Michael Grosch bin ich zudem zu großem Dank verpflichtet, weil er mir die Grafik in verschiedenen Formaten unkompliziert zur Verfügung gestellt hat.

Zusammenfassung

93

Bei den Textmedien und zugehörigen Diensten wurden die Printmedien Fachbuch und Lehrbuch, sodann die elektronischen Versionen von Fachbuch und Lehrbuch und Fachzeitschrift sowie die elektronischen Fachzeitschriften, ferner die Bibliothekskataloge der KIT-Bibliothek, der Badischen Landesbibliothek sowie weiterer Bibliotheken einbezogen. Die klassischen Medien behaupten ihre gute Position bezüglich der Nutzungszufriedenheit, jedoch haben sich auch die elektronischen Formen des Buchs und der Zeitschrift in den Fächern einen festen Platz sichern können, wenn auch noch mit Abstand zu den gedruckten Ressourcen. Die Karlsruher Untersuchung liefert indes keine Belege dafür, dass die klassischen Textmedien durch die elektronischen verdrängt würden, dass sie sich also gegenseitig Konkurrenz machen. „Im Gegenteil deuten die schwach positiven Korrelationen eher auf einen gegenseitigen Verstärkungseffekt in dem Sinne hin, dass Studierende, die häufiger gedruckte Texte nutzen, ebenfalls häufiger elektronische Texte nutzen.“ 229

3.5 Zusammenfassung Welches sind die Kernbefunde der referierten internationalen, nationalen und lokalen Studien zum Lernverhalten und zur Informationskompetenz? Das starke Wachstum wissenschaftlicher Information schafft für Studierende Probleme der Orientierung und der mentalen Verarbeitung des Informationswachstums und der technologischen Innovationen. Die Anforderungen an die Aufmerksamkeit wachsen, begünstigen Angst und Abwehrhaltungen und überfordern die Informationssuchenden, die auch deshalb in größerem Umfang Wissen zweiter Ordnung (Metawissen) verarbeiten. Zum einen helfen Tools des persönlichen Wissensmanagements bei der Externalisierung des Wissens, zum anderen aber wäre die Verbesserung der Informationskompetenz eine große Hilfe. Die CIBER-Studien haben erbracht, dass bei den Studierenden und Wissenschaftlern der Typ des digitalen Konsumenten sich auch im Informationssektor durchsetzt, verbunden mit begrenzten Fähigkeiten des Umgangs mit Informationstechnologien, mit dem Hang zum „Bouncing“ und Zappen von Webseite zu Webseite, das keine ausgeprägte Konzentration beim Betrachten von Informationsinhalten zulässt. Man verweilt höchstens 30 Sekunden auf einer Seite und belässt es bei der kursorischen Lektüre von Abstracts und Inhaltsverzeichnissen. Vollständig gelesen werden die digitalen Volltexte nur von wenigen Wis229 Ebd., S. 72.

94

Empirische Befunde zum wissenschaftsbezogenen Informationsverhalten

senschaftlern, eher noch von Studierenden. Der Mangel an Recherche-, Auswahl- und Verarbeitungskompetenzen im Umgang mit Information ist durch die CIBER-Studien erneut sichtbar gemacht worden. Wie Schulmeister ermittelte, ist die junge Generation, also auch die Gruppe der Studierenden, keineswegs so stark auf den Computer und das Internet fixiert, wie es bislang den Anschein hatte, sondern nutzt diese Medien eher moderat und dezidiert zweckgerichtet. Auch schätzt man die Präsenzlehre. Erhärtet werden diese Befunde durch weitere Studien aus dem internationalen Raum, wie sie ECAR und OCLC durchgeführt haben. Die Auffassung einer computer- und internetkompetenten jungen Generation lässt sich demnach nicht ohne weiteres aufrecht erhalten. Die vorliegenden empirischen Studien auf nationaler und lokaler Ebene deuten – ungeachtet ihrer bisweilen methodischen Schwächen und empirisch begrenzten Relevanz – darauf hin, dass die für ein erfolgreiches Studium notwendigen Kompetenzen bei der Informationssuche, der Informationsauswahl und Informationsbewertung sowie bei der Informationsverarbeitung nur rudimentär vorhanden sind, dabei in beträchtlichem Ausmaß weiterhin autodidaktisch erworben wurden. Das Internet wird bei der Suche nach wissenschaftlicher Information bevorzugt, auch weil die in der Hochschulbibliothek vorhandenen gedruckten Werke nicht immer verfügbar seien, umständlich daraus kopiert werden oder man gar den Weg der Fernleihe beschreiten müsse, um an die benötigte Information heranzukommen. Die Lehrenden bestätigen, dass den Studierenden die Themeneingrenzung und die Auswahl von relevanter Literatur aus großen Informationsmengen enorm schwer fiele und sie von der Hochschulbibliothek Einführungen und Kurse zur Verbesserung der Informationskompetenz Studierender erwarten. Der Angst von Studierenden, dass ihnen im Rahmen solcher Bibliothekslehrveranstaltungen Wege zu noch mehr Information eröffnet würden, also eine Verschärfung des Mengenbewältigungsproblems drohe, könne wirksam begegnet werden, wenn die Bibliothekare sinnvolle Einschränkungsmöglichkeiten durch präzise Recherchestrategien aufzeigen und mit den Studierenden praktisch üben würden. Grundsätzlich wäre zu empfehlen, bei dem realen Rechercheverhalten der Studierenden und auch der Forscher anzuknüpfen. Wie die jüngsten Studien der ZBW Kiel und des KIT Karlsruhe belegen, genießt der Sucheinstieg über Google oder über Google Scholar Priorität, nicht aber der Einstieg über die von der Bibliothek angebotenen Informationszugänge wie zum Beispiel das Datenbank-Infosystem (DBIS). Der Lehr-Lernort Hochschulbibliothek nimmt dennoch aus der Sicht der Studierenden wie auch aus der Sicht der Lehrenden einen hohen Stellenwert ein, nicht nur als Reservoir der Medien und der Literatur, sondern auch als

Zusammenfassung

95

zentraler Lehr-Lernort in der Hochschule für die Förderung von Informationskompetenz. Allerdings zeigen die Freiburger Befragungen, dass die Studierenden dies in engem Zusammenhang mit der Hochschullehre verorten. Die Entwicklung von studien- und wissenschaftsbezogener Informationskompetenz ist nur in enger Kooperation zwischen Hochschulbibliothek und Hochschullehre wirksam. Nicht ganz eindeutig belegen die Studien, dass eine engere Einbindung der Bibliothekskurse in das Studium allein zur Verbesserung der Informationskompetenz beitragen würden. Vielmehr scheint in der flexiblen Mischung von gezielten, bedarfsorientierten Bibliotheksangeboten, von flankierenden Tutoratskursen, von Methodenseminaren der Fakultäten und von selbstorganisiertem Lernen durch die Studierenden selbst die beste Erfolgschance zu bestehen. Die Lehrenden genießen bei den Studierenden, wie die OCLC-Studien gezeigt haben, ein hohes Ansehen, so dass man ihnen im Hinblick auf die Förderung der in dem betreffenden Studienfach geforderten Informationskompetenz am ehesten vertraut. Andererseits fehlt den Dozenten und Professoren häufig die nötige Zeit für das Training der Kompetenzen, zumal die wissenschaftsmethodische Ausbildung in etlichen Disziplinen aus dem Studienplan in den überfachlichen Bereich der Schlüsselqualifikationen ausgelagert wurde. Dort haben die Studierenden jedoch die Wahl zwischen recht unterschiedlichen Angeboten, von denen nur ein Teil tatsächlich Aspekte der Informationskompetenz abdeckt. Folgende Schlussfolgerungen für die Teaching Library legen die angesprochenen empirischen Befunde nahe: – Die Vorkenntnisse der Studierenden hinsichtlich der Computer- und der Internetkenntnisse sollten im Rahmen von Bibliothekskursen nicht überschätzt, sondern vorab überprüft und gefestigt werden. – Angesichts des Hangs zum Bouncing sollten die Studierenden dazu gebracht werden, einzelne wissenschaftsrelevante Internetseiten konzentrierter zu betrachten und zu analysieren, als sie es sonst tun würden: – Die Aktivitäten der Teaching Library müssen bei den existierenden Recherchegewohnheiten der Studierenden anknüpfen, also der Präferenz für Suchmaschinen, für natürlichsprachliche Sucheinstiege, für eine überschaubare Menge an Ergebnissen. – Die von der Bibliothek zur Verfügung gestellten Medien, Informationsressourcen und Informationszugänge müssen in ihrem Nutzen und ihrer Bedeutung für die Lern- und Forschungsvorhaben nahe gebracht werden. – Studierende haben starke Sympathien für Präsenzveranstaltungen, allerdings wird die Bibliothek dennoch – auch aus Kapazitätsgründen – ergänzende E-Learning-Angebote konzipieren.

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Empirische Befunde zum wissenschaftsbezogenen Informationsverhalten

Informationskompetenz mit ihren zentralen Aspekten: Orientieren, Suchen, Finden, Bewerten, Auswählen, Verarbeiten, Organisieren sollte didaktisch gut fundiert vermittelt und übend gefestigt werden. Das Schulungs- und Kursspektrum der Teaching Library sollte zielorientiert und bedarfsgerecht in enger Abstimmung mit den Einrichtungen der Lehre entwickelt und realisiert werden. Sowohl im Bereich der fachbezogenen als auch im Bereich der überfachlichen Schlüsselqualifikationen sind Bibliothekskurse zur Förderung fachlicher und fachunabhängiger Informationskompetenz sinnvoll.

Bei der Konzeption einer Teaching Library im digitalen Zeitalter müsste konsequenter auf die Mediennutzungsgewohnheiten der Studierenden mehr Rücksicht genommen werden. Beispielsweise nehmen die mobile Kommunikation und die Konvergenz der Medien über das Handy enorm zu. Die sozialen Netzwerke erfreuen sich hohen Zuspruchs seitens Studierender, jedoch berücksichtigen die Lernangebote der Hochschulbibliothek diesen Bedarf noch zu wenig. Im folgenden Abschnitt ist zu skizzieren, welche konkreten Ausformungen die Teaching Library im Kontext der wissenschaftlichen (Hochschul-) Bibliotheken zur Zeit aufweist und welche Tendenzen für Weiterentwicklungen sich abzeichnen.

4 Die Hochschulbibliothek als Ort des Lernens und Lehrens Die Hochschulbibliothek kann als ein wichtiges Element bei der Schaffung einer lernförderlichen Infrastruktur, d. h. neuer Lernkulturen in der Hochschule betrachtet werden 230, auch im Zusammenhang mit Bildungsräumen und deren Architektur im Informationszeitalter 231. Sie versteht sich dabei als Teil der gesamten Lerninfrastruktur an der Hochschule, im Verbund mit anderen zentralen Einrichtungen (Rechenzentrum, Medienzentrum) und mit den Fakultäten, Instituten und Seminaren. Im deutschen Bibliothekswesen werden verschiedene Bezeichnungen für die Funktion der Hochschulbibliothek als LehrLernort verwendet.

4.1 Teaching Library, Learning Library, Lernzentrum Hochschulbibliotheken sind zentrale Einrichtungen in der Hochschule, und sie sollen – im Zusammenwirken mit den dezentralen Bibliotheken auf dem Campus − die Informations- und Literaturversorgung für Forschung und Lehre sicher stellen. Sie beschaffen die wissenschaftlich relevanten Ressourcen, erschließen sie nach modernen Regelwerken, vermitteln sie an die Nutzer und bieten Sach- und Fachinformationsservice. Eine Hochschulbibliothek versteht sich heute als digitale Bibliothek oder als Hybridbibliothek, weil sie sich hauptsächlich der Bereitstellung elektronischer Medien und Information verpflichtet fühlt oder aber diese in Kombination mit den traditionellen Medien anbietet. Das Sammeln des Wissens im Sinne eines kulturellen Gedächtnisarchivs bleibt eine zentrale Aufgabe der Bibliothek auch in der digitalen Welt, als „one-of-akind-archive“, das mit gedanklicher Arbeit erforscht werden müsste 232. Herausforderungen stellen sich der Hochschulbibliothek angesichts neuer Forschungs- und Wissenschaftsinfrastrukturen 233. Nicht nur in den STM-Fächern Naturwissenschaften, Technik und Medizin, sondern auch in den Geis230 Vgl. Heinze / Schnurr (Anm. 19). 231 Siehe Scheibel, Michael: Architektur des Wissens. Bildungsräume im Informationszeitalter. München 2008. 232 Vgl. Moss, Michael: The library in the digital age. In: Nicholas, David / Rowlands, Ian (Eds.): Digital consumers. Reshaping the information professions. London 2008, S. 69–91. 233 Vgl. Wissenschaftsrat: Empfehlungen zu Forschungsinfrastrukturen (Anm. 10).

98

Die Hochschulbibliothek als Ort des Lernens und Lehrens

tes-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften spielen elektronische Forschungsumgebungen, der Bedarf an strukturierten, in Repositorien erschlossenen Forschungsdaten, komfortable Recherchedienste für das rasche Auffinden aktueller wissenschaftlicher Information, Instrumente des individuellen wie des kollaborativen Wissenschaftsmanagements, auch unter Einsatz von Diensten des Web 2.0 (Social Software, Social Tagging usw.) eine wachsende Rolle. Dieser gesamte Komplex lässt sich unter dem Schlagwort „E-Science“ subsumieren. Die Hochschulbibliotheken sind dabei in mehrfacher Hinsicht gefragt: bei der Erschließung von Forschungsdaten und des Betriebs der benötigten Repositorien, bei der Langfristsicherung dieser Daten wie auch der für die historisch orientierte Forschung wichtigen Quellen, aber auch bei der Förderung der für die effiziente Nutzung der genannten Services unerlässlichen Kompetenzen beim Umgang mit digitaler wissenschaftlicher Information, insbesondere der Recherche in heterogenen Informationswelten und der Verarbeitung der gefundenen (entsprechend heterogenen) Information. Die Bemühungen der Teaching Library erstrecken sich in diesem Zusammenhang also nicht primär auf die Studierenden, sondern auf die Wissenschaftler selbst. Als akademische Bibliotheken unterstützen Hochschulbibliotheken Lehre und Forschung in Institutionen der höheren Bildung wie Gymnasien, Hochschulen, Universitäten sowie in der beruflichen Bildung, teilweise wirken sie auch schon bei der Lehrerbildung mit 234. Der Auftrag solcher Bibliotheken umfasst Bestrebungen, die pädagogischen, lernenden und forschenden Aktivitäten der wissenschaftlichen Gemeinschaft dadurch zu unterstützten, dass Sammlungen von Informationsressourcen angeschafft und betreut, dass den Nutzern bei der Informationssuche geholfen wird und dass Recherchefertigkeiten geschult werden. Außerdem dienen wissenschaftliche Bibliotheken häufig dem Informationsbedarf der weiteren Öffentlichkeit außerhalb der Institution 235. Insbesondere an den älteren Universitäten in Deutschland existieren Bibliothekssysteme, die als funktionale Einheiten von Zentralbibliothek und dezentralen bibliothekarischen Einrichtungen der Fakultäten, Fachbereiche, Institute und Seminare die Literatur- und Informationsversorgung vor Ort sicher stellen 236. 234 So zum Beispiel im Rahmen eines Projekts der UB Marburg: Krähwinkel, Esther: Informationskompetenz als Lehrerfortbildung. Erfahrungen mit einem TeachingLibrary-Modell an der Universitätsbibliothek Marburg. In: BuB. Forum Bibliothek und Information 59 (2007) S. 803–806. 235 Imel / Duckett (Anm. 8) S. 187. 236 Zum Beispiel an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg: Schubel, Bärbel / Sühl-Strohmenger, Wilfried: Literatur- und Informationsversorgung im Freiburger Bibliothekssystem – 35 Jahre Bibliotheksreform an der Albert-Ludwigs-Universität.

Teaching Library, Learning Library, Lernzentrum

99

4.1.1 Begriffliche Facetten des Lernorts Bibliothek Der Lernort Hochschulbibliothek wird mit verschiedenen Begriffen umschrieben: – Kompetenz- und Lernzentrum (Universitätsbibliothek Freiburg) 237 – Lernzentrum 238 – eLernBar (Zentral- und Landesbibliothek Berlin) 239 – Lerncafé (Universitäts- und Landesbibliothek Bonn) 240 – Lernlounge (UB Freiburg, Planung für den Sanierungsbau) 241 – Lernwelt Bibliothek (Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen) 242 – Lernort (Fach-)Hochschulbibliothek 243 In: Nielsen, Erland Kolding / Saur, Klaus G. / Ceynowa, Klaus (Hrsg.): Die innovative Bibliothek. Elmar Mittler zum 65. Geburtstag. München 2005, S. 51–66; SühlStrohmenger, Wilfried: Literatur- und Informationsversorgung im dezentralen, funktional-einschichtigen Bibliothekssystem der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Vortrag gehalten auf dem 95. Dt. Bibliothekartag in Dresden. Freiburg i. Br. 2006. http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/2515/ (28. 07. 2011). 237 Vgl. Sühl-Strohmenger, Wilfried: Lehren und Lernen in der Bibliothek. Das Kompetenz- und Lernzentrum der Universitätsbibliothek Freiburg. In: Raffelt, Albert (Hrsg.). Positionen im Wandel. Festschrift für Bärbel Schubel. Freiburg i. Br. 2002, S. 217–245 (Schriften der Universitätsbibliothek Freiburg. Bd. 27). http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/300/ (28. 07. 2011). 238 Einen kompakten Überblick bietet: Götz, Martin: Lernzentren – ein Überblick und eine kurze Einführung. In: Bibliothek. Forschung und Praxis 34 (2010) S. 145–147; siehe auch: Stang, Richard: Lernzentren als Option für Bibliotheken: Herausforderungen für Lernarchitekturen und Organisationskulturen. In: Bibliothek. Forschung und Praxis 34 (2010) S. 148–152. 239 Siehe Lux / Sühl-Strohmenger (Anm. 13) S. 107–109. 240 Vgl. Gebauer, Hans-Dieter (Hrsg.): Lesezeichen – Zeitzeichen. Zur Wiedereröffnung der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn 2008. Bonn 2008. http://www.ulb.uni-bonn.de/die-ulb/publikationen/publikationen#bau (26. 07. 2011). 241 Vgl. Kellersohn, Antje: Die neue Universitätsbibliothek Freiburg – ein Bericht von der Baustelle. In: B.I.T.online 13 (2010) S. 130–133. 242 Siehe dazu die Studie von Haeberli, Justine: Informationskompetenz für den universitären Standort Göttingen. Bestandsaufnahme und Empfehlungen. Berlin 2010 (Berliner Handreichungen zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft. H. 272). 243 Vgl. Eigenbrodt, Olaf: Definition und Konzeption der Hochschulbibliothek als Lernort. In: ABI-Technik 30 (2010) S. 252–260; Reuter, Christoph / Trinks-Schulz, Holger: Lernort Hochschulbibliothek. In: Tröger, Beate (Hrsg.: Wissenschaft online. Frankfurt a. M. 2000, S. 394–399 (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie. Sonderheft Bd. 80); Drechsler, Ute: Kein Lernort ohne Ort – bauliche Aspekte für den Lernort Fachhochschulbibliothek. In: Information und Ethik. 3. Leipziger Kongress für Information und Bibliothek. Wiesbaden 2007, S. 316–322.

100



Die Hochschulbibliothek als Ort des Lernens und Lehrens

Lernraum (Technische Informationsbibliothek / Universitätsbibliothek Hannover) 244.

Nicht von ungefähr verwenden einige Bibliotheken Bezeichnungen aus der Welt der Gastronomie, die weniger das intensive, konzentrierte Lernen assoziieren, sondern eher die Entspannung, das Wohlfühlen und den geselligen Austausch. Nicht die Last, die mit dem Arbeiten für das Studium verbunden ist, soll also im Lerncafé oder in der Lernlounge zum Bewusstsein gebracht werden, sondern eher das Gegenteil: Den Studierenden wird vermittelt, dass Lernen nicht zwangsläufig harte Arbeit bedeuten muss, sondern eventuell auch in einer lockeren Atmosphäre zum Erfolg führen kann. Jedoch reduzieren die Hochschulbibliotheken ihr räumliches Lernangebot nicht auf solche Entspannungszonen, sondern bieten klassische oder neu konzipierte Arbeits- und Lernzonen in ihren Gebäuden. Ein bemerkenswertes Beispiel des Lernorts Bibliothek stellt die British Library in London mit ihrem Angebot „Learning at the British Library“ 245 dar. Die Bibliothek eröffnet Lehrkräften und Lerninteressierten durch Workshops, durch andere Aktivitäten und durch die in der Bibliothek verfügbaren umfangreichen Quellensammlungen zu den großen Wissensdomänen Sprachen und Literatur, Bürgerrechte, Geschichte, Kunst, Kultur und Wissen sowie zum auch für Studierende relevanten Angebot „kreatives Forschen“ verschiedene, zum Teil multimediale und interaktive Lerneinstiege, attraktiv insbesondere für Jüngere. Dieses Lernangebot der British Library wird nicht nur von britischen Lehrern, Schülern und Studierenden häufig in Anspruch genommen, sondern auch von Interessierten aus den USA 246. Die auf der Homepage der British Library verfügbaren Seiten des BL Learning werden überwiegend mithilfe einer Suchmaschine von zu Hause, weniger aus der Schule oder der Hochschule aufgerufen. Dass Bildung, Lernen und Kompetenzerwerb 247 sich nicht ausschließlich im Rahmen formaler Bildungsinstitutionen vollziehen, ist keine neue Erkenntnis, sondern beispielsweise in der Reformpädagogik wie in lerntheoretischen 244 Siehe: http://www.tib.uni-hannover.de/de/tibub/lernraum-tibub.html (03. 08. 2011). 245 British Library Learning: http://www.bl.uk/learning/ (03. 08. 2011). 246 Vgl. Williams, Peter / Rowlands, Ian / Fieldhouse, Maggie: The ‘Google Generation’ – myths and realities about young people’s digital information behaviour. In: Nicholas / Rowlands (Anm. 130), S. 180 f. 247 Gut lesbar und auf dem aktuellen Forschungsstand argumentierend: Roth, Gerhard: Bildung braucht Persönlichkeit. Wie Lernen gelingt. Stuttgart 2011.

Teaching Library, Learning Library, Lernzentrum

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Entwürfen zum Lebenslangen Lernen schon vor Jahrzehnten vertreten worden. Wenn eine Umgebung lernwirksame Anlässe bietet und wenn gleichzeitig die notwendige Lernmotivation auf der Seite des Individuums gegeben ist, kann das Lernen auch im Kontext informeller Lernorte, wie es die Bibliotheken zum Teil sind, erfolgreich sein. „Es formieren sich neben den traditionellen, institutionellen Lernräumen neuartige pädagogische Raum-Zeit-Verhältnisse, die es zu explorieren, analysieren und untersuchen gilt.“ 248

4.1.2 Teaching Library / Lehrende Bibliothek Die Teaching Library im Kontext der wissenschaftlichen Bibliotheken hat zum Ziel, vor allem den Studierenden, aber auch den Wissenschaftlern und Schülern Kenntnisse, grundlegende und vertiefte Fähigkeiten und Fertigkeiten der Informationssuche, der Informationsauswahl und -bewertung sowie der Informationsverarbeitung im Rahmen von Lehrveranstaltungen der Bibliothek oder durch E-Learning-Angebote oder auch durch Lernberatung am „point of need“, also Informations- und Medienkompetenz, zu vermitteln 249. Gemäß einer US-amerikanischen Studie funktioniert eine Teaching Library wie folgt: 250 Bibliothekare unterrichten alle Aspekte der Informationskompetenz, die auch in die Curricula voll integrierbar sind. Bibliothekare und Hochschullehrer können bei der Curriculumplanung und in der Lehre zusammen arbeiten. Die Dozenten erkennen die Rolle der Bibliothek im Alltag der Lerner an und ermutigen die Studierenden, sie zu ihrem eigenen Vorteil zu nutzen. Die Hochschuldozenten arbeiten in der Bibliothek als Co-Edukatoren, Lerner, Lehrer und Forscher. Die Hochschule erhält dadurch eine nahtlose Integration der Bibliotheksressourcen und der bibliotheksgestützten Lehre in das Curriculum. Die lehrende Rolle der Bibliothek wird von den Lernern zunehmend anerkannt. Die Bibliothekare arbeiten individuell und in Gruppen mit den Lernern und leiten sie beim Navigieren durch die Informationswelt und beim effektiven und effizienten Informationsgebrauch an. Die digitale Umgebung respektiert 248 Schrammel, Sabrina: Überlegungen zur räumlichen Analyse von Bildungs- und Erziehungsprozessen. In: Egger, Rudolf / Mikula, Regina / Haring, Sol / Felbinger, Andrea / Pilch-Ortega, Angela (Hrsg.): Orte des Lernens. Lernwelten und ihre biographische Aneignung. Wiesbaden 2008, S. 92. 249 Vgl. Lux / Sühl-Strohmenger (Anm. 13); Krauß-Leichert (Anm. 13). 250 American University Library: The American Library in 2010. A Vision. Report of Symposium 2010. March 14–15, 2005. Washington D. C. http://www.library.american.edu/Symposium_2010.pdf (25. 07. 2011).

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und betont den Wert der Zeit, die die Lernenden aufbringen müssen. Durch intellektuelles Explorieren erweitern die Lerner ihre Curricula, integrieren die Information und stellen sie in den jeweiligen Kontext. Auskunftsdienste aller Art – persönlich von Angesicht zu Angesicht, Instant Messaging, elektronische Recherchehilfe, telefonische Beratung, eins zu eins, eins zu viele – sind allesamt verfügbar, zum Teil auf 24-Stunden-Basis, um das Arbeiten und Lernen in der Teaching Library zu unterstützen. Bibliothekare entwerfen Interfaces, Tutorials, Webseiten und Onlinehilfen und erleichtern damit den asynchronen und verteilten Zugang zur Information. Bibliotheken bieten ein Beratungsangebot für den Zugang, die Nutzung, die Bewertung und die Strukturierung der Information an.

4.1.3 Learning Library oder Bibliothekslernzentrum Die Lernende Bibliothek oder Learning Library fokussiert auf die Möglichkeiten, die eine Hochschulbibliothek für das selbstständige, selbstregulierte Lernen eröffnet, beispielsweise im Sinne eines Lernzentrums, Learning Resources Centre oder der Information Commons. Der Begriff wird in kritischer Distanz zu dem der Teaching Library verwendet und sieht die Lernende Bibliothek sozusagen als Weiterentwicklung der (auf das Lehren im Sinne von Instruieren fixierten) Teaching Library 251. Sie versteht die Bibliothek vornehmlich als Ort des studentischen und sonstigen Lernens, das durch Kursangebote, durch elektronisch vermittelte Dienste, durch eine geeignete Raumgestaltung, durch eine technische Lerninfrastruktur gefördert werden kann. Die Abgrenzung zum Verständnis der Teaching Library ist insofern schwer möglich, die Übergänge zwischen beiden Sichtweisen fließend. In Großbritannien bestehen mittlerweile an vielen Universitäten Lernzentren, die den Studierenden über das nach wie vor bestehende breite Angebot an gedruckten und digitalen Medien Möglichkeiten des eigenständigen Lernens, der Kommunikation, der Gruppenarbeit und des bloßen Aufenthalts bieten. „The flexible learning space, providing a hybrid of information resources and collaborative and independant workspace, is the 21st-century interpreta-

251 Vgl. Hütte, Mario / Kundmüller-Bianchini, Susanne / Kustos, Annette / Nilges, Annemarie / Platz-Schliebs, Anja: Von der Teaching Library zum Lernort Bibliothek. Bibliothek. Forschung und Praxis, 33 (2009) S. 143–160; Sühl-Strohmenger, Wilfried: Neugier, Zweifel, Lehren, lernen …? Anmerkungen zur Didaktik der Teaching Library. In: Bibliotheksdienst 42 (2008) S. 880–889.

Teaching Library, Learning Library, Lernzentrum

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tion of the library as a social space.“ 252 Das sich bei den Studierenden im Zuge der neuen Studiengänge stärker ausprägende Lernen in Gruppen steht bei dieser Betrachtung der Bibliothek im Mittelpunkt. Die Bibliothek entwickelt sich somit zu einem Zentrum in der Hochschule, das Kommunikation und gemeinsames Arbeiten in einer dafür geeigneten aufgelockerten räumlichen Gestaltung ermöglicht, weist also über einen Ort des bloßen Lernens hinaus. Zunächst auf den angloamerikanischen und skandinavischen Raum beschränkt 253 entwickeln sich Lernzentren oder „Learning Resources Centres“ 254 auch in einigen deutschen Hochschulbibliotheken. Ein derartiges Lernzentrum, wie es beispielsweise im Kentucky Wesleyan College 255 besteht, stellt Informations- und bibliothekarische Dienstleistungen zur Verfügung, um dadurch dem Lernbedarf der Hochschulangehörigen zu entsprechen und die Studierenden für das lebenslange Lernen vorzubereiten. Zusätzlich zu den Medienbeständen in verschiedenen Formaten und zu den elektronischen Informationszugängen zu anderen weltweit verfügbaren Ressourcen bietet das Bibliothekslernzentrum ein breites Spektrum an Lernangeboten und an technologischer Unterstützung, um die verfügbare Informationstechnologie (IT) beherrschen und effektiv nutzen zu lernen. Durch die Förderung von Informationskompetenz und IT-Kompetenz stattet das Bibliothekslernzentrum Studierende, Wissenschaftler und das sonstige Hochschulpersonal mit den Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten aus, die für die volle Partizipation an der 252 Bryant, Joanna; Matthews, Graham; Walton, Graham: Academic libraries and social and learning space. In: Journal of Librarianship and Information Science 42 (2009) S. 8. 253 Vgl. Bennett, Scott: Righting the balance. Library as space: rethinking roles, rethinking space. Washington D.C. 2005, S. 10–24; Torras, Maria-Carme / Saetre, Tove Pemmer: Information literacy education: a process approach: professionalising the pedagogical role of academic libraries. Oxford 2009 (Chandos information professional series); Grebner, Björn / Lamparter, Miriam / Papakonstantinou, Eleni: Analyse von Lernzentren in den USA und in Europa. In: Bibliothek. Forschung und Praxis 34 (2010) S. 171–180. http://www.bibliothek-saur.de/preprint/2010/ ar2660_lernzentren.pdf (26. 07. 2011). 254 Vgl. Möller-Walsdorf, Tobias: Learning Resources Center – An einem Ort recherchieren, produzieren, bearbeiten, drucken und publizieren. In: Bibliothek. Forschung und Praxis 29 (2005) S. 340–343; Gläser, Christine: Die Bibliothek als Lernort – neue Servicekonzepte. In: Bibliothek. Forschung und Praxis 32 (2008) S. 171–182; Wiestler, Sonja: Lernzentren in wissenschaftlichen Bibliotheken – Entwicklung eines neuen Konzepts für das Informationszentrum der Universitätsbibliothek Konstanz. Masterarbeit. Studiengang Bibliotheks- und Informationsmanagement. Stuttgart 2009. http://kops.ub.uni-konstanz.de/volltexte/2009/ 8849/pdf/Masterarb_Sonja_Wiestler.pdf (25. 07. 2011). 255 Siehe unter: http://kwcweb.kwc.edu/library/about.htm (15. 02. 2010).

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informationsbasierten globalen Wirtschaft und Gesellschaft der Zukunft notwendig sind. Das Bibliotheks-Lernzentrum nach US-amerikanischem Muster versteht sich als Partner der Hochschule 256 und ihrer erzieherischen Ziele, wie sie am schon genannten Beispiel des Kentucky Wesleyan College Library Learning Centre (LLC) verdeutlicht werden können: „The purpose of the LLC is to provide information resources and services that support the College’s mission of nourishing, stimulating and preparing future leaders intellectually, spiritually and physically to achieve success in life“ (LLC of Kentucky Wesleyan College: Our Mission). Ähnlich weit reichende Zielsetzungen finden sich an anderen nordamerikanischen Universitäten wie beispielsweise der Harvard University 257, während deutsche Universitäten wie die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg in ihrem Leitbild kaum vergleichbare erzieherische Ziele formulieren, sondern vornehmlich die Vorzüge und Leistungen der eigenen Hochschule heraus stellen 258. Eine Analyse von Lernzentren in den USA und in Europa 259 kommt zu dem Ergebnis, dass man der Forderung nach innovativen Lernumgebungen auf verschiedene Weise nachkommen könne. Die Lernzentren in den Bibliotheken sollten jedoch so gestaltet sein, dass sie unterschiedliche Lernstile – gerade auch im Hinblick auf informelles Lernen – unterstützen.

4.1.4 „Teaching Library“ oder „Learning Library“? Der Begriff der „Teaching Library“ dient als Ausdruck der stärkeren Einbindung der Bibliotheken in das Bildungssystem sowie in den Kontext des Studiums und der Forschung 260, also der Modellierung der Bibliothek als Ort des Lehrens und Lernens mit dem Ziel der Entwicklung und Förderung von Informations- und Medienkompetenz. Ihre Hauptkomponenten sind die pädagogisch-didaktisch basierte Vermittlung von Bibliotheks-, Informations- und Medienkompetenz, die Realisierung eines entsprechend vielseitigen, möglichst fest in das Studium integrierten Veranstaltungs- und Lehrangebots mit virtuel256 Vgl. Spribille, Ingeborg: Die Bibliothek als Partner für Lehrende und Lernende. Modelle aus den USA. In: Bibliothek. Forschung und Praxis (2002) S. 55–65. http://www.bibliothek-saur.de/2002_1/055-065.pdf (04. 08. 2011). 257 Siehe unter: http://www.harvard.edu/siteguide/faqs/faq110.php (16. 02. 2010). 258 Siehe unter: http://www.uni-freiburg.de/universitaet/portrait/leitbild (16. 02. 2010). 259 Vgl. Grebner / Lamparter / Papakonstantinou (Anm. 253). 260 Frühzeitig hat diesen Zusammenhang dargelegt: Mittler, Elmar: The teaching library. In: The LIBER quarterly 7 (1997) S. 573–582.

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ler oder persönlicher Lernunterstützung mithilfe eines pädagogisch-didaktisch qualifizierten Lehrpersonals. Manche Bibliotheken definieren sich als Lernressourcen- oder als Lernzentrum, wie zum Beispiel das Göttinger Learning Resources Center (LRC), das in enger Kooperation mit der Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung mbH Göttingen sowie dem Rechenzentrum der Universität entstanden ist 261. Auch das Projekt VirtualBook an der Fachhochschule Gelsenkirchen bietet Lernprogramme im PC-Pool der Hochschulbibliothek, die sowohl fachlich als auch didaktisch geeignet sind, Studierende dazu zu befähigen, Wissensdefizite selbstständig kompensieren sowie Studieninhalte eigenständig erarbeiten zu können. 262 Bibliothekarische Zwecke und Inhalte rücken bei diesem Ansatz in den Hintergrund oder spielen unter Umständen nur indirekt eine Rolle. Als jüngstes Beispiel kann die neue Bibliothek der Technischen Hochschule Lausanne, das „Rolex Learning Center“, heran gezogen werden, das ein „(...) gigantisches Labor für ästhetische Erfahrung ist“. Das Ziel des Versuchsaufbaus sei es, „das Lernen neu zu lernen“ 263, jedoch bleibt offen, mit welchen didaktischen Konzepten und Lernangeboten dieses Ziel konkret zu erreichen wäre. Die englischen Learning Centres konzentrieren sich auf die technologisch unterstützte Lernressourcenumgebung, im Kontext einer integrierten Informationsinfrastruktur, die von Bibliothek, Rechenzentrum und Medienzentrum getragen wird 264. Die pädagogische Flankierung spielt in manchen Hochschulbibliotheken zwar eine Rolle, jedoch bilden Lehrveranstaltungen der Bibliothek offensichtlich nicht durchgängig ein zentrales Element dieser Einrichtungen. In Australien und in Neuseeland, wo ähnliche Modelle technologisch orientierter Lernzentren zur Förderung von Information Literacy in den Bibliotheken existieren, wird eine intensive Diskussion über die Grenzen solcher pointiert technologisch ausgerichteter Lösungen geführt 265. 261 Vgl. Möller-Walsdorf (Anm. 254). 262 Vgl. Reuter / Trinks-Schulz (Anm. 243). 263 Rauterberg, Hanno: „Freies Schweifen. Eine Bibliothek für die Generation iPod: Die Technische Hochschule in Lausanne will das Lernen neu erfinden – mit wunderbarer Architektur und weitem Blick auf den Montblanc. In: Die Zeit Nr. 10 v. 4. März (2010) S. 54.; siehe ferner: Gabel, Gernot U.: Das Rolex Learning Center in Lausanne. In: B.I.T.online 13 (2010) S. 127–131; Gawlik, Ricarda: Das neue Rolex Learning Centre Lausanne. In: Bibliothek. Forschung und Praxis 34 (2010) S. 181–184. 264 Vgl. Fairhurst, Lindsey / Marek, Doris / Nafzger-Glöser: Auf der Suche nach dem Modell der Zukunft. Die Universitätsbibliothek als Lernzentrum. Eine Studienreise nach England. In: BuB. Forum Bibliothek & Information 58 (2006) S. 124. 265 Siehe dazu: Peacock, Judith: Information literacy education in practice. In Levy, Philippa / Roberts, Sue (Eds.): Developing the new learning development. The changing role of the academic librarian. London 2005, S. 153–180.

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Der Kerngedanke der Lernzentren beinhaltet also die technologische Lerninfrastruktur in der Bibliothek, um eine weitgehend selbstständige Nutzung und Verarbeitung der Lerninformationsressourcen zu erleichtern. Ein Beratungsservice wird, beispielsweise in Göttingen, zwar angeboten, jedoch fehlt es den an Hochschulbibliotheken angegliederten Lernzentren in Deutschland bislang an pädagogisch-didaktisch fundierten Konzepten des Lernens. Meistens ist recht allgemein die Rede von selbstständigem Lernen oder von Lernen in Gruppen 266, ohne dass dieses systematisch-theoretisch ausgeführt wird. Verwiesen wird teilweise auf die steigende Bedeutung informellen Lernens, das ohne kritische Analyse mit selbst gesteuerten Lernprozessen, wie sie die Lernzentren ermöglichten, gleich gesetzt wird. Die Teaching Library basiert auf dem Kerngedanken des Lehrens und Lernens in der Bibliothek, die zum zentralen Lehr-Lernort für die Vermittlung und Förderung von Informationskompetenz wird und sich pädagogisch-didaktischen Sachverstandes bedient. Das informelle (Selbst-)Lernen kann durch die Teaching Library mithilfe virtueller Lernangebote, aber auch durch Lernberatung, sei es unmittelbar am Lernplatz, sei es durch E-Learning-Module unterstützt und gefördert werden. Das skizzierte Modell erfährt in Zukunft unter Umständen nicht unerhebliche Modifikationen und Erweiterungen, auch unter dem Eindruck der entstehenden Lernressourcenzentren nach Göttinger Muster. Einige Hochschulbibliotheken in Deutschland haben zudem die Trägerschaft für universitäre Lernplattformen übernommen und profilieren sich insofern in der Hochschule auf dem Feld der virtuell unterstützten Lehre, einschließlich multimedialer Anwendungen. Als Beispiele dafür sind die Universitätsbibliotheken in Konstanz und in Tübingen zu nennen. Im Mittelpunkt steht der Beitrag der Hochschulbibliothek zu einer neuen Lehr-Lerninfrastruktur mit E-Learning-Unterstützung. Eine Mischform stellt das Lernzentrum mit Lernberatung zur Unterstützung studentischen Lernens dar 267. Hier geht es um die relativ weit gefasste Förderung der Informations(verarbeitungs)kompetenz am „point of need“. Die Teaching Library geht insofern deutlich über die herkömmlichen Bibliothekseinführungen und Nutzerschulungen hinaus, als sie sich nicht auf die einmalige, punktuelle Einweisung in die Benutzung der Bibliothek, der Kataloge und der Informationsmittel beschränkt, sondern im Kontext modular auf266 Vgl. Hohmann, Tina: Neue Lernorte: Learning und andere Grids an der Universität von Warwick. In: Bibliothek. Forschung und Praxis 34 (2010) S. 164; Grebner / Lamparter / Papakonstantinou (Anm. 41) S. 172. 267 Vgl. Sühl-Strohmenger (Anm. 237).

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gebauter Lehrveranstaltungen oder regulärer Semesterkurse, teilweise unterstützt durch virtuelle Lernangebote, auf grundlegende oder längerfristig wirksame Kompetenzen beim Umgang mit wissenschaftlicher Information und wissenschaftlichen Medien abzielt. Sie beinhaltet eine Vielfalt von Veranstaltungsformen, von einzusetzenden Lehrmethoden, von Medien, ferner die Evaluation zur Überprüfung des Lernerfolgs und der Wirkungen von bibliotheksgestützten Lehrveranstaltungen.

4.1.5 Information Commons und Learning Grids Den neu entstehenden Formen informellen, gruppenbezogenen und kommunikativen Lernens trägt das ebenfalls aus dem angloamerikanischen Bereich in das deutsche Hochschulbibliothekswesen übernommene Modell der Information Commons Rechnung 268. Dem selbstständigen, kollaborativen Lernen erwächst eine adäquate Lernumgebung, da die Studierenden zunehmend Zeit außerhalb der Lehrveranstaltungen damit verbringen, zu lesen, zu forschen, etwas zu entwerfen und zu kommunizieren: „The information commons creates an environment that nurtures these activities by providing content in a variety of formats, technologies that might not be affordable to individual students, and spaces built to encourage collaboration and interaction. Outside the classroom, students extend their understanding of the basic course concepts and make the learning their own by investigating a topic and producing a product that integrates it with the content of the course. Doing this type of work engages students in their coursework and the discipline“ 269.

Die Information Commons-Lernumgebung eröffnet also einerseits den Zugang zu ansonsten für die einzelnen Studierenden nicht ohne Weiteres verfügbaren 268 „Commons“ lässt sich im Deutschen am ehesten noch mit dem Begriff der „Allmende“ erfassen, also einem gemeinsam genutzten Areal, hier also: die Wissensallmende, im Sinne eines flexiblen Arbeitsraums, in dem alle komplexen Arbeitsschritte des wissenschaftlichen Arbeitens bruchlos geleistet werden können. Siehe dazu: Gläser (Anm. 254), insbes. S. 176–178; ferner Schoenbeck, Oliver: Platz schaffen für neue Bedürfnisse – ein neuer Lernort auf alten Flächen. In: Bibliothek. Forschung und Praxis 32 (2008) S. 183–187; vgl. auch: Steiner, Heidi M. / Holley, Robert P.: The past, present, and possibilities of commons in academic libraries. In: Reference Librarian 50 (2009) S. 309–332. 269 Lippincott, Joan K.: Linking the information commons to learning. In: Oblinger, Diana J. (Ed.): Learning spaces (chapter 7). Boulder, CO: EDUCAUSE 2006. www.educause.edu/learningspaces (27. 07. 2011).

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Ressourcen, sie stellt andererseits mit ihrer variablen Raumgestaltung den für Zusammenarbeit und Interaktionen zwischen Studierenden geeigneten Rahmen dar. Das mithilfe der Information Commons angeregte selbst organisierte entdeckende und produktive Lernen fördert möglicherweise das Lernengagement in den Kursen und im Fach selbst. Empirische Forschungsarbeiten zum Assessment solcher Information Commons sind bislang nicht bekannt, so dass die tatsächlichen Auswirkungen dieser flexiblen Lernumgebungen auf das Lernen in der Hochschule noch zu erfassen wären. Was ist ein Learning Grid? Die Bibliothek der britischen Universität Warwick betreibt ein Learning Grid und bietet folgende Beschreibung: 270 Auf zwei Stockwerken mit zusammen 1.350 Quadratmetern gibt es Platz für rund 300 Studierende, die dort entweder individuell und selbstständig lernen oder in Gruppen arbeiten können. Verfügbar sind dafür in dem Learning Grid flexible, innovative und integrierte Räumlichkeiten, einschließlich geschlossener Räume für formelle Lehraktivitäten, die auf neuartige Weise das studentische Lernen fördern, vor allem im Hinblick auf Präsentationen, die die Studierenden in ihren Seminaren halten müssen, sowie auf den Einsatz von MultimediaAnwendungen, zum Beispiel bei der Anfertigung von Hausarbeiten. Die Bibliothekare wirken beratend im Hintergrund, daneben können sich die Studierenden webbasierter Ressourcen bedienen, ferner sind studentische Tutoren anwesend. Charakteristisch für ein Learning Grid ist sodann die informationstechnische Infrastruktur mit flächendeckendem WLAN, mit Scannern, mit elektronischen Whiteboards, Videokameras und Videoschnittplätzen. Der Learning Grid betont das informelle Lernen, bei Tolerierung von Handynutzung, begrenzt auch von Essen und Trinken innerhalb des Grid. Das Servicemodell wird von der Bibliothek getragen, jedoch partizipieren auch andere universitäre Einrichtungen (Studierendenvertretung, IT-Abteilung, Zentrum für die Lehre, Zentrum für Schlüsselqualifikationen, Career Centre oder International Office), so dass eine Durchlässigkeit in zentrale universitäre Dienste und Aufgabenbereiche hinein gegeben ist. Man will im Rahmen des Learning Grid den Graduierten bei der Entwicklung notwendiger Fertigkeiten und Fähigkeiten helfen, damit sie in Wirtschaft und Gesellschaft die ihnen zugedachten verantwortungsvollen Aufgaben übernehmen können. Studierende und Lehrende mit außergewöhnlichem Potential sollen rekrutiert und mit bester Unterstützung und besten Hilfsmitteln zu höchster Qualität beim Lernen, Lehren und Forschen befähigt werden. Als Kernziel für das Learning 270 University of Warwick, the library, learning grid: http://www2.warwick.ac.uk/ services/library/grid/newvisitors/what/ (06. 09. 2011).

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Grid in Warwick wird genannt: „To provide students at the University of Warwick with a facility that actively supports the development of study, transferable and professional skills.“ Statistische Angaben zum Nutzungsgrad des Learning Grid an der Universität Warwick 271 zeigen, dass dieser Bereich vor allem bei Bachelor-Studierenden sehr populär ist: Im Semester sind dort 1.500 bis 2.000 Besucher pro Tag zu verzeichnen. Nach Erkenntnissen von Lehrenden an der Universität steigere das Grid die Motivation der Studierenden und trage zu besseren Studienergebnissen bei. Die Nutzer selbst sehen günstige Effekte des Learning Grid hinsichtlich des eigenständigen Lernens, zumal es für das Grid keine Nutzungsordnung gibt. Bemerkenswert ist, dass die Universität Warwick in der Hochschulbibliothek auch einen Research Grid für alle mit Forschung Beschäftigten einschließlich der Master-Studierenden sowie einen Teaching Grid für die Lehrenden geschaffen hat. Dieser neue Bereich dient zum Ausprobieren neuer Lehrtechniken, fungiert also als „Experimental Teaching Space.“ 272 Ähnlich dem Modell der Information Commons orientiert sich das Learning Commons-Konzept an dem wachsenden Bedarf Studierender nach Möglichkeiten zum Gruppenlernen. Dies resultiert teilweise aus den hohen Anteilen des Selbstlernens im Kontext der Bologna-Reform. Learning Commons „(...) functionally and spatially integrates library, information technology and other academic support services so provide a continuum of services to the user, a blending of staff knowledge and skills, and referral to appropriate areas of expertise. It is a dynamic place that encourages learning through inquiry, collaboration, discussion and consultation.“ 273 Ein solches Ensemble lernunterstützender Einrichtungen und Dienste in der Hochschule wäre in der Lage, das forschende Lernen in Gruppen nachhaltig zu fördern.

4.2 Lehr-Lernort Hochschulbibliothek Die Hochschulbibliotheken in Deutschland entwickeln sich also – auch architektonisch-räumlich – zu wirksamen Orten des studentischen Lernens und Arbeitens, weil sie die für das Bachelor- und das Masterstudium geforderten Formen des selbstständigen (informellen) Lernens sowie des Lernens in Lerngrup-

271 Hohmann (Anm. 266) S. 166. 272 Ebd., S. 168 f. 273 McMullen, Susan: US academic libraries: today’s learning commons model. PEB Exchange 4 (2008) S. 1. http://dx.doi.org/10.1787/245354858154 (27. 07. 2011).

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pen besonders unterstützen. Sie bieten bewusst in die Raumgestaltung integrierte, stark aufgelockerte, flexibel nutzbare Lern- und Arbeitszonen (zum Teil nach dem Vorbild der „Information Commons“), sodann Learning Resources Center, die mit Rechnern, Lernsoftware und Peripheriegeräten ausgestattet sind, und Gruppenarbeitsräume oder Gruppenbereiche, die es in dieser Form ansonsten in der Hochschule nur bedingt gibt.

4.2.1 Lernort und Lernkultur Der Begriff des „Lernorts“ ist vor allem in der Berufs- und Erwachsenenbildung geprägt worden: „Lernorte sind die Umgebungen, die Erwachsene zum Zweck des Lernens zeitlich begrenzt aufsuchen: einen Seminarraum, eine Ausstellung, eine Bibliothek. Lernorte sollten Qualitätsstandards erfüllen, z. B. körperliches Wohlgefühl ermöglichen, funktional und zweckmäßig ausgestattet sein, Lernprozesse stimulieren (z. B. durch Poster), ohne durch Reizüberflutung Aufmerksamkeit vom Thema abzulenken. Lernorte sollten flexibel durch die Gruppe gestaltet werden können“ 274. Der Begriff der Lernkultur spielt auch im Zusammenhang mit der Hochschulbibliothek eine Rolle. Unterschieden wird zwischen traditionellen und alternativen Lernkulturen 275: Erstere beruht auf der Annahme einer Trennung von Lehren und Lernen, vom Lernen im Gleichschritt, vom einseitigen Methodenbesitz im Lehr-Lern-Prozess und der Fixierung auf Lerngegenstände und Lerninhalte. Die neue Lernkultur hingegen wendet sich von der Dominanz einer Lehrkultur ab. Sie geht von einer Erweiterung des Bildungsbegriffs verbunden mit der Ausrichtung des Bildungssystems auf einen umfassenden Kompetenzerwerb aus, „(...) welcher insbesondere vor dem Hintergrund der Diskussion um die Einführung von Bildungsstandards eine neue Aktualität erfährt (...). Dies beinhaltet die Einbeziehung von Formen des informellen und nonformellen Lernens, den Trend zu einer Entstrukturierung bzw. einer Entgrenzung von Lernprozessen sowie die Notwendigkeit zum Lebenslangen Lernen.“ 276

274 Siebert, Horst: Stichwort Lernorte. In: DIE. Zeitschrift für Erwachsenenbildung. (2006) S. 20. 275 Vgl. Arnold, Rolf / Lermen, Markus: Konstruktivistische Lernkulturen. In: Gieseke, Wiltrud / Robak, Steffi / Wu, Ming-Lieh (Hrsg.): Transkulturelle Perspektiven des Lernens. Bielefeld 2009, S. 29 ff. 276 Ebd., S. 32.

Lehr-Lernort Hochschulbibliothek

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Hinzu kommen weitere Aspekte, die einen Wandel der Lernkultur bedingen: die wachsende Mediatisierung, Informatisierung und Digitalisierung der Gesellschaft, der Einfluss neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, insbesondere der neurobiologischen Forschung, sodann die veränderten demographischen Rahmenbedingungen aufgrund des Bevölkerungsrückgangs und der Überalterung, die bildungspolitischen Initiativen, wie sie infolge der PISA-Studien gestartet wurden, die neuen Mediengenerationen (Stichwort: Net Generation), schließlich die steigende Heterogenität, Pluralität und Individualisierung in der Gesellschaft, die entsprechend neue Anforderungen an die Gestaltung des Lernens und Lehrens stellen 277. Die wissenschaftliche Reflexion des studentischen Lernens im Kontext der Hochschulbibliotheken bezieht die skizzierten Veränderungen der Lernkultur mit ein und legt ihren Schwerpunkt auf eine konstruktivistische Lernkultur im Sinn der „Ermöglichung eines aktiven und selbsterschließenden Lernens.“ 278 Dabei rücken folgende Themen in den Vordergrund: das eigenverantwortliche und selbstregulierte Lernen, die Vernetzung von Bildungseinrichtungen formeller und informeller Art, den Perspektivenwechsel von der übermäßigen starken Betonung des Fachwissens zu einer höheren Gewichtung des Kompetenzerwerbs und eine dementsprechend kompetenzorientierte, an den Erkenntnissen der neuen Hochschuldidaktik 279 orientierten Lehrstrategie. In dem Maße, wie die Kompetenzentwicklung und die Nachhaltigkeit von Lernprozessen in den Vordergrund des didaktischen Interesses treten, gilt das Augenmerk weniger der Erzeugung als vielmehr der Ermöglichung von Lernprozessen („Ermöglichungsdidaktik“), grob gesagt: im Sinne des „shift from teaching to learning.“ 280 Im Hinblick auf den „Lernort Hochschulbibliothek“ 281, wären die angesprochenen Definitionen zu modifizieren und zu erweitern, weil hier tatsäch-

277 Siehe ebenda. 278 Ebenda. 279 Vgl. Hawelka, Birgit / Hammerl, Marianne / Gruber, Hans (Hrsg.): Förderung von Kompetenzen in der Hochschullehre. Theoretische Konzepte und ihre Implementation in der Praxis. Kröning 2007; Macke, Gerd / Hanke, Ulrike / Viehmann, Pauline: Lehren, Vortragen, Prüfen. Mit Methodensammlung „Besser Lehren“. Weinheim, Basel 2008. 280 Siehe Welbers, Ulrich / Gaus, Olaf: The shift from teaching to learning: Konstruktionsbedingungen eines Ideals. Festschrift für Johannes Wildt zum 60. Geburtstag. Bielefeld 2005 (AHD Arbeitsgemeinschaft für Hochschuldidaktik. Blickpunkt Hochschuldidaktik. Bd. 116). 281 Siehe u. a.: Hütte / Kundmüller-Bianchini / Kustos / Nilges / Platz-Schliebs (Anm. 251); Eigenbrodt (Anm. 243).

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lich auch regelrechte Lehrveranstaltungen stattfinden, man sich also nicht darauf beschränkt, Lernprozesse lediglich zu stimulieren. Die Hochschulbibliothek ist allerdings ein Lernort neben anderen Orten des formellen wie des informellen Lernens in der Hochschule, zum Beispiel dem Fakultäts-/Instituts-/ Seminarbereich mit Seminarräumen und Seminarbibliotheken, mit Gruppenräumen, PC-Pools und mit Laborräumen. Weitere zentrale Einrichtungen der Universität sind das Rechenzentrum mit Übungsräumen und PC-Pools, das Medienzentrum und das Medienlabor (Schnittplätze) sowie Medien-Übungsräume (auch für Vorführungen) und die Virtuellen Lernplattformen (Moodle, CLIX, Ilias, StudIP u. a.). Die Bibliothek selbst umfasst Lesesäle zum Lernen und Forschen, ein elektronisches Lernzentrum, Räume oder Zonen für Gruppenarbeit, Schulungs-/Kursräume, ein Informationszentrum mit einer Informationstheke, verschiedene Medienstandorte, IT-Dienste, Fachreferentenbüros, E-Learning-Angebote und Tutorials. Informelles Lernen ist zudem möglich in der Cafeteria, in der Mensa, auf den Korridoren, in den Bibliotheken und Aufenthaltsbereichen der Institute, in den Studentenwohnheimen, in den Relaxingzonen der Bibliothek, im Rahmen der Internetnutzung sowie der Teilnahme an sozialen Netzwerken wie StudiVZ und Facebook. Die genannten Lernorte in der Hochschule existieren nicht isoliert voneinander, sondern überlappen sich teilweise oder sind miteinander verzahnt (Bibliothek-Rechenzentrum-Medienzentrum oder auch Institutsbereich-Institutsbibliothek oder Bibliothek-Cafeteria). Die Hochschulbibliothek ist also im Raum der Hochschule ein Lernort unter vielen 282, so dass ihr Einfluss auf die Förderung von Schlüsselkompetenzen wie der Informationskompetenz nicht überschätzt, andererseits aber auch nicht unterschätzt werden sollte, wie beispielsweise die Befunde von Befragungen an der Universitätsbibliothek Kassel verdeutlichen 283.

282 Vgl. dazu auch: Deutsche Initiative für Netzwerkinformation e.V. (DINI): Informations- und Kommunikationsstruktur der Zukunft. Zehn Thesen zur Entwicklung von Service und Servicestrukturen für Information und Kommunikation in Forschung, Lehre und Studium. In: Bibliothek. Forschung und Praxis 33 (2009) S. 209–215. 283 Vgl. Braun, Salina: Die UB Kassel als Lernraum der Zukunft. Alles unter einem Dach: Differenzierte Arbeitsplätze, Lernorganisation, Erholung und Entspannung. Berlin 2010 (Berliner Handreichungen zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft. Bd. 268); Braun, Salina: Nutzer – unbekannte Wesen? Was wünschen sich Studierende vom Lernort Bibliothek – Ergebnisse zweier Befragungen an der UB/LMB Kassel. In: ABI-Technik 30 (2010) S. 162–173.

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Nach Erhebungen des HIS (Hannover), beispielsweise im Rahmen des Studienqualitätsmonitors für Baden-Württemberg 284, spielen die Öffnungszeiten der Universitäts- und Hochschulbibliotheken sowie das dort zur Verfügung stehende Angebot an Fachliteratur eine wichtige Rolle im Studienverlauf. In Baden-Württemberg zeigten sich demnach die Studierenden an den Universitäten sehr zufrieden mit den (auch aufgrund der Erhebung von Studiengebühren ermöglichten) längeren Öffnungszeiten. Weniger zufrieden äußern sich die Befragten zur Verfügbarkeit von Räumen für eigenständiges Lernen, dem im Bachelor- und Masterstudium erhöhte Bedeutung zukommt. Hochschulbibliotheken stellen solche Räume, insbesondere für das Lernen in Gruppen, zur Verfügung oder planen solche Räume im Zuge der Bibliotheksneubauten oder Gebäudesanierungen verstärkt mit ein (siehe unten).

4.2.2 Lernwirksamkeit außerschulischer Lernorte Die Aktivitäten der Hochschulbibliothek auf den Feldern der Kompetenzstärkung und der Lernförderung stoßen insofern grundsätzlich auf günstige Voraussetzungen. Zu thematisieren wären sie auch im Kontext von Theorien zur Lernwirksamkeit informeller (außerschulischer) Lernorte, d. h. als Orte informellen Lernens neben den formalen Bildungsinstitutionen (Archiv, Museum, Bibliothek) oder als Institutionen der „beigeordneten kulturellen Bildung.“ 285 Darunter wären im Unterschied zu etablierten Institutionen der Erwachsenenbildung solche Einrichtungen zu verstehen, die nicht primär als Bildungsinstitutionen gelten, sondern ihrem Profil nach Kultur anbieten, kein modularisiertes und rhythmisiertes Curriculum haben, keine Zertifizierung aufweisen und nicht auf Dauer eine Stellung im Bildungsangebot einnehmen. Bibliotheken fallen genauso in diese Gruppe wie Museen. Sie bieten nicht nur Kultur in Form von Objekten, sondern fördern gleichzeitig Aneignungstechniken, „damit Individuen dieses speziellen Aspekts der Kultur in für sie signifikanter Weise habhaft werden und ihre Ich-Kompetenz (...) entfalten können.“ 286 Dazu entwi-

284 Siehe Wank, Johanna: Studienqualitätsmonitor 2009 Baden-Württemberg. Studienqualität und Studiengebühren. HIS: Projektbericht. Hannover 2010. http://www.his.de/pdf/24/sqm2009bawue.pdf (29. 07. 2011). 285 Eggert, Barbara: Der Audioguide als Element der Lernkultur im Museum. In: Gieseke / Robak / Wu (Anm. 275) S. 217. 286 Ebd., S. 218.

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Die Hochschulbibliothek als Ort des Lernens und Lehrens

ckelt das Museum eine differenzierte Lehr-/Lernkultur mit unterschiedlichen Vermittlungsformen und Medien. Der Lernort Museum ist, nicht nur im Zusammenhang mit der Museumspädagogik, schon seit den 1960er und den 1970er Jahren im Zuge der Bildungsreform für Zwecke des Schulunterrichts 287 und der Erwachsenenbildung genutzt worden. Er wird insofern als „ein informelles Lernfeld definiert, in dem sich Besucher freiwillig und selbst den Besuchsverlauf bestimmend bewegen und dabei lernen – im Sinne eines je individuell konstruierten Erfahrungs- und Wissensaufbaus.“ 288 Im Zusammenhang mit der Frage, was Museumsbesucher mit Lernen im Museum und in der Schule verbinden, unterscheiden Thoma/ Prenzel zwischen der konstruktiven und der reaktiven Lernauffassung. Die erstere sieht Lernen als etwas Positives und Produktives, letztere verbindet Lernen eher mit negativen Merkmalen wie sich zwingen, frustriert sein oder büffeln. Grundsätzlich sind diese beiden Lernbegriffe auch bei Studierenden nachweisbar, die allerdings in dem Maße einem konstruktiven Lernbegriff zu folgen bereit sind, wie sie im Studium fortgeschritten sind. Bezüglich des Lernens im Museum heißt es: „Im Gegensatz zur Schule bieten außerschulische bzw. informelle Lernorte aufgrund ihrer Struktur andere Voraussetzungen für die Entwicklung des Lernbegriffs. Die Bedeutung dieser Lernorte nimmt vor dem Hintergrund des lebenslangen Lernens immer mehr zu.“ 289 Charakteristisch für das Lernen in solchen außerschulischen Lernorten sei, „dass die Lernenden selbst auswählen, was, wie, wo und mit wem sie wie lange lernen wollen.“ 290 Ähnlich verhält es sich in der Hochschulbibliothek: Sie eröffnet weitere besondere Einstiege in originäre Lernerfahrungen: den konzentrierten Umgang mit wissenschaftlicher Literatur, das Vertiefen in wissenschaftsgeschichtlich bedeutsame Originalquellen (Handschriften, Frühdrucke, alte Drucke), das Wahrnehmen einer sonst nur schwer erfahrbaren Informationsvielfalt: Buch, Zeitschrift, Zeitung, Landkarte, Bild, Mikrofilm, Datenbank, E-Book, E-Journal, Tonträger, DVD, auch als Quellenbasis für das Forschende Lernen, schließlich das systematische Recherchieren in gedruckten und elektronischen Ressourcen gleichermaßen. 287 Vgl. Thoma, Gun-Brit / Prenzel, Manfred: Was verbinden Museumsbesucher mit Lernen im Museum und in der Schule? In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 12 (2009) S. 64–81. 288 Graf, Bernhard / Noschka-Roos, Annette: Lernen im Museum. Oder eine Kamerafahrt mit der Besucherforschung. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 12 (2009) S. 20. 289 Thoma / Prenzel (Anm. 287) S. 68. 290 Ebd., S. 69.

Die Architektur der Teaching Library

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4.3 Die Architektur der Teaching Library Die architektonische Modellierung der Hochschulbibliothek als Ort des Lernens wird im angloamerikanischen Raum schon seit einiger Zeit diskutiert und voran getrieben. Das Council on Library and Information Resources (Washington D.C.) publizierte 2005 einen Bericht zum Thema „Library as Place“, mit Beiträgen maßgeblicher nordamerikanischer Bibliotheksbauexperten wie Scott Bennett von der Yale University, in dem die traditionellen Rollen der Hochschulbibliothek genauso wie dessen Raumkonzeptionen grundsätzlich in Frage gestellt wurden. 291 Bennett hat diesen Ansatz weiter verfolgt und neuerlich präzisiert: „The transformation of information from a scarce to a superabundant commodity has driven three paradigms in the design of library space. These are the readercentered, book-centered, and learning-centered paradigms. The first two competed inconclusively with one another throughout most of the twentieth century. Revolutionary changes in information technology have only recently made a third design paradigm possible, one focused on intentional (or autonomous) learning. This paradigm frees us from a schoolwork approach to learning and from mere trafficking of information. The challenge before us is to align library space design with the transformational character of intentional learning.“ 292

In dem Maße, wie sich die Information von einer knappen zu einer überreichen Ressource entwickelt hat, entstanden bei der Gestaltung der Bibliotheken drei Paradigmen: Der nutzerzentrierte und der buchzentrierte Sektor konkurrierten im 20. Jahrhundert ergebnislos miteinander, aber im Zuge revolutionärer Veränderungen in der Informationstechnologie bildete sich das lernzentrierte Paradigma, teilweise fokussiert auf intentionalem oder autonomem Lernen. Die große Herausforderung sieht Bennett darin, diesen neuen Aspekt der Bibliotheksgestaltung mit dem transformativen Charakter zielgerichteten Lernens abzustimmen. Bei der Planung und der architektonischen Gestaltung neuer oder sanierter Universitäts- und Hochschulbibliotheken in Deutschland (zum Beispiel in Berlin oder in Bonn) spielt die Ausgestaltung als Lehr-Lernort eine sichtbare Rol-

291 Council on Library and Information Resources: Library as space: rethinking roles, rethinking space. Washington D.C. 2005. http://www.clir.org/pubs/reports/pub129/ pub129.pdf (25. 07. 2011). 292 Bennett, Scott: Libraries and learning: a history of paradigm change. In: Portal: Library and the Academy 9 (2009) S. 181.

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Die Hochschulbibliothek als Ort des Lernens und Lehrens

le 293. Im Zusammenhang mit den „Zehn Geboten“ des englischen Bibliotheksarchitekten Harry Faulkner-Brown, der die Bibliothek als isolierte Funktionseinheit betrachtet, thematisiert Naumann auch die Rolle von Schulungsaktivitäten: „Bei der Auflistung differenzierter Angebote von Bibliotheksflächen ist auffällig, dass auch Flächen für Schulung (unterrichtsbezogene Flächen) gefordert werden. Hiermit vollzieht sich eine erhebliche Aufgabenausweitung gegenüber der herkömmlichen Bibliotheksnutzung hin zu Schulungsorten, für die ein erheblicher Flächen- und Geräteaufwand betrieben werden muss“ 294. Ein anderer für Bibliotheksbauten einflussreicher englischer Architekt – Andrew McDonald – sieht die Hochschulbibliothek nicht isoliert, sondern als „academic heart of the university“, als zentralen Lernort in der Hochschule: „Hierzu muss die Bibliothek eine Vielzahl von Studiermöglichkeiten anbieten, um der wachsenden Unterschiedlichkeit des Nutzerverhaltens im Hinblick auf die verschiedenen Lernstile und Lerngeschwindigkeiten gerecht zu werden.“ 295 Einzelarbeitsplätze, Gruppenarbeitsräume, Kommunikations- und Interaktionsflächen sowie Vortragsräume entsprechen dieser Aufgabenstellung. Angesichts der Nutzung hybrider Informationsangebote in der Bibliothek benötigen die Studierenden für das Lernen und Forschen eine geeignete räumliche Infrastruktur, um sowohl mit klassischen gedruckten Medien als auch mit digitalen Ressourcen arbeiten zu können. „Um als Lernort akzeptiert zu werden, muss jeder Nutzer mit seinen Lerngewohnheiten und Lernbedürfnissen ein auch für akzeptables Angebot an Arbeitsplatzmöglichkeiten finden.“ 296 Jonas Fansa hat die Bibliothek als physischen Ort im Sinne einer ethnographischen Studie mithilfe 14 narrativer Interviews näher untersucht. Die Lernwirksamkeit einer Bibliothek entfaltet sich demnach offensichtlich weniger durch pädagogische Aktivitäten des Bibliothekspersonals als vielmehr im Hinblick auf die „Umgebung mit anderen arbeitenden Menschen und einem ‚Stabilität‘ bietenden Raum.“ 297 Genannt sei auch das Beispiel der Library of the 293 Siehe dazu: Hauke, Petra / Werner, Klaus-Ulrich (Hrsg.): Bibliotheken bauen und ausstatten. Bad Honnef 2009; Hauke, Petra / Werner, Klaus-Ulrich (Hrsg.): Bibliotheken heute! Best Practice bei Planung, Bau und Ausstattung. Bad Honnef 2011; Hauke, Petra / Werner, Klaus-Ulrich (Hrsg.): „Secondhand“ – aber exzellent! Bibliotheken bauen im Bestand. Bad Honnef 2011. 294 Naumann, Ulrich: Grundsätze des Bibliotheksbaus. Von den „Zehn Geboten“ von Harry Faulkner-Brown zu den „Top Ten Qualities“ von Andrew McDonald. In: Hauke, Petra / Werner, Klaus-Ulrich (Hrsg.): Bibliotheken bauen und ausstatten. Bad Honnef 2009, S. 28. 295 Ebd., S. 31 f. 296 Ebd., S. 32 f. 297 Fansa (Anm. 224) S. 71.

Die Architektur der Teaching Library

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University of Technology Sydney (UTS), die für unterschiedliche Lernbedürfnisse und wissenschaftliche Arbeitsformen geeignete Bibliothekszonen geschaffen hat: „UTS Library is trying to create digital learning spaces that mirror and intersect with our physical learning spaces. The latter have been substantially upgraded over the last few years to create a rich, dispersed learning commons that extends well beyond the walls of the university’s libraries. Silent study spaces and a Scholars’ Centre provide spaces for contemplation while open social study spaces and group and presentation rooms support interaction. Other spaces enable communal study as well as discovery and consultation, the traditional library activities“. 298

In Großbritannien initiiert insbesondere das Joint Information Systems Comittee (JISC) Modelle für das architektonisch-räumliche Design der Bibliotheken zur Ermöglichung effektiven Lernens im 21. Jahrhundert 299. Im Sinne der Nachhaltigkeit solcher als Lernzentren konzipierter Bibliotheken sollen folgende Maximen Beachtung finden: Flexibilität, um der aktuellen Pädagogik wie auch neuen pädagogischen Konzepten zu entsprechen; Zukunftsfähigkeit, um die Räume wieder zurück zu bauen und neu zu konfigurieren; Mut, um über bewährte und erprobte Technologien und Pädagogiken hinaus zu blicken; Kreativität, um Lerner und Tutoren unter Spannung zu setzen und zu inspirieren; Unterstützung, um das Potential aller Lerner zu entwickeln; Unternehmungslust, um jeden Raum zu befähigen, verschiedene Zwecke zu unterstützen. Darüber hinaus erwachsen auf lokaler Ebene Impulse für die bewusste Umgestaltung der Hochschulbibliotheken zu Lernräumen, beispielsweise in der Loughborough University 300. An Bedeutung gewinnen diese Überlegungen auch vor dem Hintergrund digitaler Medien, Objekte und Dienste im Serviceportfolio der Hochschulbibliothek, die daneben weiterhin klassische Printmedien in großem Umfang sammelt und vermittelt. Jedoch rückt der Stellenwert des physischen Bibliotheksraums und seiner sinnvollen zukünftigen Nutzung im digitalen Zeitalter in den Mittelpunkt des Interesses. Gläser berichtet über verschiedene Lernzentren im angloamerikanischen Hochschulraum und sieht deren Gemeinsamkeit in der Schaffung ganzheitlicher Konzepte, um dadurch „… nicht nur Teilaspekte wie die technische Infrastruktur bereitzustellen, son298 Byrne, Alex: UTS Library, a learning space like no other. In: inCite 30 (2009) S. 16. http://membership.alia.org.au/lib/pdf/publishing/incite/2009/v30.09.pdf (05. 08. 2011). 299 JISC / Joint Information Systems Committee: Designing spaces for effective learning. A guide to 21st century learning space design. Bristol 2006. http:// www.jisc.ac.uk/media/documents/publications/learningspaces.pdf (26. 07. 2011). 300 Vgl. Bryant / Matthews / Walton (Anm. 252).

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Die Hochschulbibliothek als Ort des Lernens und Lehrens

dern auch Beratung, Information und Schulung, unterschiedliche Arbeitsplätze und -ausstattungen sowie Raum- bzw. Gebäudekonzepte.“ 301 Der Lernort Hochschulbibliothek konturiert sich in dieser Sichtweise wesentlich durch die Schaffung einer technisch-räumlichen Infrastruktur, die offen für die gesamte Breite des Arbeitens und Lernens im Studium ist.

4.4 Zusammenfassung Der Überblick hat ergeben, dass die Funktion der wissenschaftlichen Bibliothek im Kontext studentischen Lernens und wissenschaftlichen Forschens unterschiedliche Bezeichnungen findet, je nach Schwerpunktsetzung und Gestaltung. Die dargestellten begrifflichen Umschreibungen der Hochschulbibliothek in ihrer Funktion für das Arbeiten und Lernen im Studium veranschaulichen die noch nicht abgeschlossene Konturierung dieses neuen Lehr-Lernorts. Soll er primär eine lernwirksame, technologisch komfortable Umgebung schaffen, in der informelles Lernen wie auch selbst organisiertes Lernen der Studierenden unterstützt werden (Learning Library, Learning Grid, Lernzentrum, Information Commons), oder soll er vor allem mithilfe von didaktisch geplanten Kursen und Lehrveranstaltungen intentional und abgestimmt auf die Schlüsselqualifikation Informationskompetenz aktiv die Hochschullehre ergänzen (Teaching Library)? Die wachsende Bedeutung der Hochschulbibliotheken für die Unterstützung studentischen Lernens ist auch im Zusammenhang mit sich wandelnden Lernkulturen zu sehen. Informelles, selbstreguliertes Lernen wird in dem Maße zwangsläufig wichtiger, wie die Bachelor- und Masterstudiengänge ausgeprägte Anteile für das Selbstlernen bedingen, obgleich dieses sicherlich auch teilweise als Gruppenlernen stattfinden kann. Außerschulische Lernorte wie die Bibliothek oder das Museum bieten kulturell und wissenschaftlich relevante Infrastrukturen, deren Lernwirksamkeit sich dadurch ergibt, dass die Lernenden sich des Anregungspotentials dieser Lernorte aus eigenem Antrieb und selbstorganisiert bedienen müssen. Bereits realisierte Bibliotheksneubauten wie auch geplante Neubauvorhaben verdeutlichen, dass sich die Funktion der Hochschulbibliothek für die Lernunterstützung und für die Kompetenzvermittlung in den Raumgestaltungen niederschlägt. Hinzu kommt, dass viele Bibliotheken bestrebt sind, auch im Bestand eine räumliche Lerninfrastruktur zu schaffen. 301 Gläser (Anm. 254) S. 182.

Zusammenfassung

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Dem sich ausdifferenzierenden Informations- und Lernverhalten der Studierenden und der Wissenschaftlern entsprechen Arbeitsplätze in Ruhezonen für das individuelle, konzentrierte Arbeiten, Gruppenarbeitsplätze in festen Räumen oder in kommunikativen Bibliotheksbereichen, elektronische Lesesäle für die gezielte Nutzung digitaler Ressourcen sowie Multimediazentren für die Rezeption der audiovisuellen Medien, für die Bearbeitung solcher Medien, für die Produktion von Filmen und anderer Medien sowie für Videokonferenzen. Aber welche Konzepte haben die Hochschulbibliotheken bislang entwickelt, um sich tatsächlich als aktive Lehr-Lernorte darzustellen? Im Folgenden werden zunächst einige quantitative Zusammenhänge aufgezeigt, sodann vielfach praktizierte Veranstaltungs- und Organisationsmodelle exemplarisch skizziert.

5 Konzepte der Teaching Library in deutschen Hochschulbibliotheken Nachdem ehemals weitgehend nur Bibliotheksführungen für Studienanfänger von den Hochschulbibliotheken angeboten wurden, haben diese seit Mitte der 1990er Jahre nach und nach ein differenziertes Veranstaltungsspektrum aufgebaut, das neben Katalog- und Datenbankschulungen die Förderung umfassenderer Informations- und Medienkompetenz bezwecken sollte. Im Folgenden sind die zahlenmäßige Entwicklung der Teaching Library an deutschen Hochschulbibliotheken sowie das Angebots- und Veranstaltungsprofil vorzustellen

5.1 Statistische Daten zum Schulungsangebot der Wissenschaftlichen Bibliotheken Statistische Daten zum Umfang der Schulungsangebote (Hochschulbibliotheken) liefert die Deutsche Bibliotheksstatistik 302 für das Berichtsjahr 2010. Insgesamt haben 241 Wissenschaftliche Universal-/Hochschulbibliotheken Daten eingegeben. Die Zahl der Schulungsstunden belief sich demnach auf insgesamt 48.905 (zum Vergleich 2009: 45.875) bei einem Mittelwert von 233 Stunden pro Bibliothek, die Zahl der Teilnehmenden auf insgesamt 486.470 (zum Vergleich 2009: 444.352) bei einem Mittelwert von 2.420 (Mittelwert 2009: 2.222) Personen pro Bibliothek. In Deutschland gibt es laut Statistischem Bundesamt für den Zeitraum 2009/10 rund 2,119 Mio. Studierende insgesamt, so dass die wissenschaftlichen Bibliotheken etwa 20 bis 25 Prozent aller Studierenden an deutschen Hochschulen mit wenigstens einem Kursangebot erreicht haben dürften. Spitzenwerte bei den Teilnehmerzahlen erreichten im Jahr 2010 die Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek Dresden mit über 16.000 Teilnehmern, die Universitätsbibliothek Leipzig mit weit über 13.000 Teilnehmern, die Staatsund Universitätsbibliothek Bremen, die UB der Ludwig-Maximilians Universität (LMU), die Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt, ferner die Universitätsbibliothek Bielefeld mit 9.000 bis 10.000 Teilnehmern sowie die Universitätsbibliothek Heidelberg mit weit über 8.000 Teilnehmern, die Bayerische Staatsbibliothek München und die Universitätsbibliothek Duisburg-Essen mit 302 Vgl. DBS-Deutsche Bibliotheksstatistik: Variable Auswertung: Wiss. Universal- und Hochschulbibliotheken ‚Kategorien‘ Nr. 177, 178 Berichtsjahr 2010. http://www.hbz-nrw.de/angebote/dbs/ (24. 07. 2011).

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Konzepte der Teaching Library in deutschen Hochschulbibliotheken

über 7.000 Teilnehmern. Sechs weitere Bibliotheken (UB Bamberg, UB der Humboldt-Universität zu Berlin, UB Freiburg, UuLB Jena, UB Regensburg, UB Würzburg) meldeten 6.000 bis über 7.000, und acht weitere Bibliotheken rund 5.000 bis 6.000 Teilnehmer. Die Zahl der gehaltenen Schulungsstunden schwankt beträchtlich und bewegt sich allein in dieser Spitzengruppe von 24 Bibliotheken zwischen rund 300 und rund 2.600 Stunden pro Bibliothek. In der nachfolgenden Übersicht werden diese Daten zu den jeweiligen Studierendenzahlen der betreffenden Universitäten gesetzt: Bibliothek

Schulungsstunden

Teilnehmerzahl

Zahl der Studierenden (WS 2010/11)

SLUB Dresden UB Leipzig SuUB Bremen UB LMU München UFB Erfurt-Gotha UB Bielefeld UB Heidelberg BSB München

2.619 706 709 604 1.941 503 753 878

16.370 13.684 9.449 9.330 9.319 9.044 8.762 7.711

755 757 410 685 690 844 282 525 497 420 390 775 303 526 515 864

7.276 6.797 6.647 6.477 6.312 6.133 6.075 5.956 5.898 5.816 5.549 5.383 5.215 5.139 5.035 5.015

36.000 30.000 18.000 44.000 5.500 17.500 29.000 46.000 (LMU) 26.000 (TUM) 34.000 20.500 19.000 9.000 28.000 23.000 18.500 10.000 16.000 20.500 14.000 36.000 7.000 21.000 10.000 29.000

UB Duisburg-Essen UB Würzburg UuLB Jena UB Bamberg UB HU Berlin UB Freiburg UB Regensburg UB Osnabrück UB Augsburg UuLB Düsseldorf UB Trier UuStB Köln UB Lüneburg UB Kassel UB Konstanz UB Erlangen-Nürnberg

Tab. 1: Schulungsstunden und Teilnehmerzahlen (2010) für 24 wissenschaftliche Bibliotheken (Spitzengruppe)

Auffällig sind die Schwankungen zwischen den Bibliotheken im Hinblick auf den für die Einführungen und Kurse eingesetzten Stundenumfang, bei nicht wesentlichen Abweichungen der dadurch erreichten Teilnehmerzahlen. Im We-

Statistische Daten zum Schulungsangebot

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sentlichen beruhen diese Unterschiede auf den beträchtlichen Größenunterschieden der Kursgruppen. Wegen der begrenzten Personalkapazitäten bevorzugen manche Hochschulbibliotheken, so auch die Universitätsbibliothek Lüneburg 303, die Vermittlung von Bibliothekskenntnissen und von Informationskompetenz im Rahmen von Großgruppenveranstaltungen, auch wenn diese hohe Anforderungen an das Management seitens der Bibliothek stellen 304. In Lüneburg handelt es sich um Hörsaalveranstaltungen mit jeweils 150 Studierenden, die drei Basismodule (Informationskompetenz I–III) durchlaufen. Differenzierte Daten zu den Schulungen der Landes- und Hochschulbibliotheken bietet die gemeinsame Statistik der Arbeitsgemeinschaften zur Informationskompetenz für das Jahr 2010 305: Beteiligt haben sich 66 (2009: 54) Bibliotheken, die insgesamt 215.439 (zum Vergleich 2009: 179.487 und 2008: 118.841) Personen im Rahmen von 13.292 (2009: 10.937 und 2008: 8.415) Veranstaltungen und mit einem Umfang von 20.070 (2009: 16.688) Stunden unterrichtet haben, das entspricht – und 16 Teilnehmern pro Veranstaltung, – rund 200 Veranstaltungen pro Bibliothek, – rund 303 Stunden Schulung pro Bibliothek, – bei einer durchschnittlichen Veranstaltungsdauer von unter 90 Minuten bei 46 Prozent, von 90 Minuten bei 36 Prozent, von 91–180 Minuten bei 16 Prozent und von sonstigem Umfang bei nur 2 Prozent der an der Statistik teilnehmenden Bibliotheken. Die meisten Schulungen umfassten eine Sitzung (98 Prozent), bei etwa 50 Prozent der Teilnehmer handelte es sich um Studierende im Grundstudium oder 303 Vgl. Brauer, Tanja / Ahlers, Torsten / Krumscheid, Juliane / Theis, Nicole / Brünner, Maike: Basiswissen Informationskompetenz I–III an der Universitätsbibliothek Lüneburg. Vermittlung von Informationskompetenz für Studienanfänger an der Leuphana Universität Lüneburg. In: Bibliotheksdienst 44 (2010) S. 288–297. 304 Siehe Juraschko, Bernd: Organisation von IK-Großveranstaltungen als besondere Managementherausforderung. In: Bibliotheksdienst 44 (2010) S. 399–410. 305 Vgl. Gemeinsame Schulungsstatistik 2010. http:// www.informationskompetenz.de/veranstaltungsstatistik/ergebnisse-2010/ (07. 09. 2011). Vgl. dazu auch: Franke, Fabian / Schüller-Zwierlein, André: Unsere Leistungen bei der Vermittlung von Informationskompetenz. Ergebnisse und Trends der gemeinsamen Statistik der bayerischen Universitäts- und Hochschulbibliotheken 2008. In: Bibliotheksforum Bayern 3 (2009) S. 103–107; zum Portal ww.informationskompetenz(et)de insgesamt: Grünleitner, Karin: Das Portal „www.informationskompetenz.de“– Analyse, Bewertung, Perspektiven. In: Bibliothek. Forschung und Praxis 35 (2011). http://www.bibliothek-saur.de/preprint/ 2011/2716-ar_gruenleitner.pdf (24. 07. 2011).

124

Konzepte der Teaching Library in deutschen Hochschulbibliotheken

in Bachelor-Studiengängen, aber auch Studierende im Hauptstudium und in Master-Studiengängen (12 Prozent) sowie Schüler (21 Prozent) bildeten wichtige Zielgruppen. Für 88 Prozent der Veranstaltungen wurde die didaktische Form des Vortrags oder der Präsentation eingesetzt, für 50 Prozent der Schulungen kamen praktische Übungen und für nur 2 Prozent Selbstlernphasen mit E-Learning zum Einsatz. Bei der großen Mehrheit von 78 Prozent der Schulungen handelte es sich um eigenständige Bibliotheksveranstaltungen ohne Einbindung in Lehrpläne, bei immerhin schon 22 Prozent um in Lehrveranstaltungen der Hochschule integrierte Pflicht- oder Wahlpflichtveranstaltungen. Davon waren 4 Prozent als Pflichtangebot mit ECTS-Punkten und 16 Prozent als Wahlpflichtangebot ohne ECTS-Punkte angeboten worden. Bibliothekare mit Diplom (oder vergleichbarem Qualifikationsniveau) stellten mit rund 70 Prozent die Mehrzahl der Dozenten, gefolgt von Angehörigen des wissenschaftlichen (höheren) Dienstes, zumeist Fachreferenten, mit rund 40 Prozent. In begrenztem Umfang (10 Prozent) wirken auch Bibliotheksmitarbeiter im mittleren Dienst bei den Schulungen zur Förderung von Informationskompetenz mit. Bei den inhaltlichen Schwerpunkten dominierten die Bibliotheksbenutzung (rund 67 Prozent), einzelne Kataloge und Datenbanken (rund 57 Prozent) sowie Suchstrategien und Suchtechniken (rund 42 Prozent). Behandelt wurden sodann die Fernleihe und Dokumentlieferung (rund 26 Prozent), die Internetrecherche (rund 13,5 Prozent), die Verarbeitung und Verwaltung der Information (rund 11,5 Prozent) sowie die Informationskompetenz in umfassendem Sinn (rund 8 Prozent). Die fachliche Ausrichtung zeigt, dass rund 43 Prozent der Veranstaltungen fachübergreifend angelegt waren. Auf die geisteswissenschaftlichen Disziplinen entfielen 26 Prozent, auf Rechts-, Sozial und Wirtschaftswissenschaften 17 Prozent und auf Medizin und Naturwissenschaften 10 Prozent, auf die Ingenieurwissenschaften weitere 4 Prozent der Kursangebote. Die Schulungen der Hochschulbibliotheken konzentrieren sich bislang also auf Bachelor- und Masterstudierende, die Bibliothekskurse beinhalten überwiegend Vorträge oder Präsentationen, der Grad der verbindlichen Einbindung in das Studium ist noch nicht sehr ausgeprägt, Aspekte der praktischen Bibliotheksnutzung und der Literatur- bzw. Informationssuche in einschlägigen Bibliotheksressourcen dominieren. Insofern ist es nachvollziehbar, dass die Vermittlungsaufgaben momentan nur zu einem knappen Drittel von akademisch oder wissenschaftlich qualifiziertem Personal wahrgenommen werden, im Wesentlichen aber von Diplomkräften und von vergleichbarem Personal. Aller-

Organisationsmodelle der Teaching Library

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dings gewinnen die für das Informations- und Wissensmanagement wesentlichen Inhaltsfelder der Informationsverarbeitung an Bedeutung. Berücksichtigt man jedoch die formulierten Zielvorstellungen und Standards (siehe unten) der Teaching Library, so wird deutlich, dass erheblich weiter gehende Intentionen zugrunde gelegt werden müssen, mit entsprechenden Konsequenzen für den Personalbedarf. Nur so ließe sich der Anteil der eigentlich anzustrebenden Förderung umfassender Informationskompetenz steigern. Dieses wäre allerdings nicht allein durch zeitaufwändige einzelne Blockveranstaltungen, beispielsweise im Sektor der fachübergreifenden Schlüsselqualifikationen, zu realisieren, sondern wäre auch denkbar in Richtung auf ein über den Studienverlauf verteiltes, modular strukturiertes Konzept zur Vermittlung von basaler, vertiefender und spezialisierter, auf den Studienabschluss oder auf weitergehende Qualifikationsstufen bezogener Informationskompetenz. Verschiedene Hochschulbibliotheken praktizieren bereits ein Misch- oder Diversifikationsmodell, das aus folgenden Komponenten besteht:306 – Einführungsveranstaltung als Präsenzlehre – Faktenwissen und Theorie als E-Learning-Phase oder im freien Selbststudium – Einfache Rechercheübungen mithilfe von E-Learning – Datenbankübungen mit Präsenzlehre – Wiederholungs- und Übungseinheiten mit Präsenzlehre – Abschlussarbeit mit Präsenz. Bei diesem Modell wäre der Personalaufwand der Bibliothek etwas geringer, weil zwei Phasen unter Einsatz von E-Learning konzipiert sind. Dennoch stellt sich die Frage, mit welchen Organisationsstrukturen eine Hochschulbibliothek die Lehrveranstaltungen zur Förderung von Informationskompetenz erfolgreich realisieren könnte.

5.2 Organisationsmodelle der Teaching Library Die Hochschulbibliotheken verwenden unterschiedliche Organisations- oder Geschäftsmodelle für die Organisation der Teaching Library 307: 306 Vgl. Juraschko (Anm. 304) S. 404. 307 Vgl. dazu: Sühl-Strohmenger, Wilfried: Hochschulbibliotheken als Partnerinnen der Lehre. Die Teaching Library kostet Personal, Zeit und Geld. Ein aktueller Überblick. In: BuB. Forum Bibliothek und Information 62 (2010) S. 388–391; Sühl-Strohmenger, Wilfried: Aufwand und Ertrag der Teaching Library: Wie viel Zeit, Geld und Personal sollen / können wissenschaftliche Bibliotheken in Kurs- und Schulungsangebote

126

Konzepte der Teaching Library in deutschen Hochschulbibliotheken

Verteiltes Geschäftsmodell: – Die Vermittlung von Informationskompetenz gehört zum Tätigkeitsportfolio der Fachreferenten oder der sonstigen der wissenschaftlichen Bibliothekare. – Die Bibliothekseinführungen und Katalogschulungen erfolgen durch die Informationsbibliothekare des gehobenen Bibliotheksdienstes (Beispiele: ULB Bonn, UB Freiburg und UB der TU München).

Zuordnungsmodell: – Der für Bibliotheksführungen bereits zuständigen Informationsabteilung oder dem Benutzungsservice werden die neuen Schulungen und Kurse im Sinne einer Erweiterung (Beispiele: UB der FU Berlin, UB Tübingen) zugeordnet – analog dem US-amerikanischen Modell, das die Vermittlung von Information Literacy als Aufgabe des „Reference Department“ sieht 308.

Stabsstellenmodell: – Dieses Modell beinhaltet die Einrichtung eines der Direktion direkt unterstellten Referats Informationskompetenz zur Koordination aller Schulungen und Kurse der Teaching Library (zum Beispiel an der UB Heidelberg: Referat für Schulung, Fortbildung und Informationskompetenz, dem ein Teaching Team zur Seite steht).

Ausgliederungsmodell: – Die Einführungen und Kurse werden aus der Abteilungsstruktur in den „Service“ ausgegliedert (wie beispielsweise in der Universitätsbibliothek Innsbruck).

investieren? In: Bergner, Ute / Göbel, Erhard (Hrsg.): The Ne(x)t Generation. Das Angebot der Bibliotheken. 30. Österreichischer Bibliothekartag Graz 2009. Graz, Feldkirch 2010, S. 137–143 (Schriften der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare/VÖB. Bd. 7); Umlauf, Konrad: Management der Teaching Library. In: Hobohm, Hans-Christoph u. Konrad Umlauf (Hrsg.): Erfolgreiches Management von Bibliotheken und Informationseinrichtungen. 8/3.5. Hamburg. Aktualisierungsstand: Nr. 32/2010, S. 18 ff. (dort eine detaillierte Checkliste). 308 Vgl. Cassell, Kay Ann / Hiremath, Uma: Reference and information services in the 21st century. 2. rev. ed. (Kap. 16) London 2009.

Organisationsmodelle der Teaching Library

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Lehrauftragsmodell: – Die Fachreferenten, die Kursangebote auf den Gebieten Medien- und Informationskompetenz für die Bachelorstudierenden im Rahmen des „Zentrums für Schlüsselqualifikationen“ an der Universität Freiburg anbieten, erhalten (teilweise unvergütete) Lehraufträge. Die Universitätsbibliothek Freiburg ordnet das Geschäftsfeld der Teaching Library organisatorisch der Informationsabteilung des Dezernats Informationsdienste zu, um die Koordination aller Aktivitäten der Teaching Library an einer Stelle zu gewährleisten. 309 Zuständig ist eine Diplombibliothekarin (im Umfang einer halben Stelle) für die Zeit- und die Raumorganisation, für die Erstellung und Pflege der E-Learning-Module, für die Beratung im Lernzentrum. Die Mitarbeiterin hat sich für die Aufgabe zusätzlich qualifiziert, im Hinblick auf Teletutoring, E-Learning und Hochschuldidaktik (Erwerb des Baden-WürttembergZertifikats der Hochschullehre). Zur Zeit zeichnet sich in den Hochschulbibliotheken noch kein einheitliches Geschäftsmodell für die Teaching Library ab, zumal die strukturellen und personellen Rahmenbedingungen zwischen den Bibliotheken nicht wenig differieren. Große Universitätsbibliotheken mit über 100 Personalstellen können den Schulungsbereich besser organisieren als mittelgroße oder gar kleinere Hochschulbibliotheken mit nur 10 bis 20 Personalstellen. Für sie bietet sich eine Kombination von Großveranstaltungen 310 und Phasen des Selbstlernens mit E-Learning-Unterstützung an. Nach einer Studie zur Vermittlung von Informationskompetenz an österreichischen Universitätsbibliotheken im Raum Wien 311 sind nur in zwei von acht Fällen Schulungen als hauptamtliche Tätigkeiten definiert. An den anderen sechs Universitätsbibliotheken wird dies als ein Aufgabenbereich angesehen, „(...) der von den MitarbeiterInnen neben all ihren anderen Aufgaben erledigt werden muss. Lehraufträge werden zum Teil sogar außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt und von der Universität extra bezahlt, da die Tätigkeiten in der Bibliothek ansonsten zeitlich zu sehr belastet werden würden.“ 312 Durch-

309 Vgl. Sühl-Strohmenger (Anm. 237 u. 225). 310 Zur Organisation solcher Großveranstaltungen vgl. Juraschko (Anm. 304). 311 Vgl. Schatovich, Anna: Zur Vermittlung von Informationskompetenz an österreichischen Universitätsbibliotheken. Entwicklung, Status quo und Perspektiven im Raum Wien. Diplomarbeit. 2007. http://eprints.rclis.org/handle/10760/8849 (28. 07. 2011). 312 Ebd., S. 52.

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Konzepte der Teaching Library in deutschen Hochschulbibliotheken

schnittlich seien pro Bibliothek sieben Personen an der Vermittlung von Informationskompetenz beteiligt, allerdings variiert dies von Universitätsbibliothek zu Universitätsbibliothek ziemlich stark. An den Universitätsbibliotheken der Universität für Bodenkultur bzw. der Veterinärmedizinischen Universität arbeitet beispielsweise das gesamte Bibliothekspersonal an der Erstellung von LehrLern-Materialien für die E-Learning-Plattform mit.

5.3 Kursmodelle der Teaching Library Die Hochschulbibliotheken verfolgen häufig nicht ausschließlich ein einziges bestimmtes Konzept zur Förderung von Informationskompetenz, sondern bieten unterschiedliche Modelle teilweise nebeneinander an, je nach Zielgruppen und Rahmenbedingungen 313. Eine wesentliche Rolle für die weitere Zukunft der Teaching Library in Deutschland spielt die Integration der Lehrangebote in das Studium. Diese erfolgt auf dreierlei Weise 314:

Extracurricular (supplementär), ohne konkrete fachbezogene Einbindung in den Studiengang: Diese Variante ist nach wie vor bei den Hochschulbibliotheken verbreitet, wie auch die statistische Auswertung gezeigt hat. Eigenständige Bibliotheksveranstaltungen zur Förderung von Informationskompetenz haben den Vorteil, dass die Bibliothek auf der Basis ihrer eigenen Bedarfseinschätzung sowie ihrer personellen Kapazitäten das Kursprogramm definieren und auf ihrer Homepage veröffentlichen kann. Die Bibliothek muss auch nicht mit den Instituten und Fachbereichen verhandeln und spart dadurch an zeitlichem Aufwand. Der Nachteil besteht in der eventuell mangelnden Anbindung an den wirklichen Bedarf der Studierenden und der Fachbereiche, so dass die Effekte solcher Schulungen für die Erledigung konkreter Semester- und Studienvorhaben eher gering ausfallen könnten.

313 Vgl. Brunner, Antje: Vermittlung von Informationskompetenz. Hochschulbibliotheken in der Lehre. Saarbrücken 2007 [auf der Grundlage der Dipl. Arbeit Studiengang Bibliothekswesen. Fak. für Informations- und Kommunikationswissenschaft an der Fachhochschule Köln, 2006]; Sühl-Strohmenger, Wilfried: Neue Entwicklungen auf dem Weg zur „Teaching Library“ – insbesondere bei den Wissenschaftlichen Bibliotheken. In: Krauß-Leichert (Anm. 13) S. 11–39. 314 Vgl. Sühl-Strohmenger (Anm. 189).

Kursmodelle der Teaching Library

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Intercurricular (integriert), mit eigenem Curriculum und Stundenplan in den Studiengang eingebunden: Die Hochschulbibliothek konzipiert einen fachübergreifenden Informationskompetenzkurs, zum Beispiel im Rahmen des Optionalbereichs oder der Berufsfeldorientierten Kompetenzen (BOK) 315, oder sie bietet in einem Umfang von 2 SWS in verschiedenen Studienfächern Seminare zur fachbezogenen Informationskompetenz an (Einführung in die Informationskompetenz für Germanisten zum Beispiel). Ein Vorteil für die Hochschulbibliothek könnte darin bestehen, dass sie deutlich als eigenständiger Lehrort in der Hochschule wahrgenommen wird, sodann, dass sie ein umfassendes inhaltliches Programm zu den von ihr als wesentlich erachteten Aspekten der Informationskompetenz – Suchen, Finden, Auswählen, Bewerten, Verarbeiten, Präsentieren der Information – zusammen stellen und realisieren kann. Nachteilig könnte der relativ hohe Zeitaufwand, ferner die Beschränkung auf eine recht begrenzte Anzahl von Studierenden und die schwierige Kalkulierbarkeit sein, falls sich nicht genügend Interessenten für den Kurs anmelden. Die Effekte für die Verbesserung umfassender Informationskompetenz auf Seiten der Teilnehmer dürften indes positiver zu bewerten sein als im Fall punktueller Schulungstermine. Intracurricular (eingebettet), in einzelne Kurse/Lehrveranstaltungen kontextspezifisch eingebunden: Vor allem die Fachreferenten in den Universitätsbibliotheken sind bestrebt, im Rahmen thematischer Seminare des jeweiligen Fachbereichs ihr Angebot zur Förderung fachbezogener Informationskompetenz in einem Umfang von zwei bis vier Stunden, teilweise auch angebunden an die Tutorate zu der betreffenden Lehrveranstaltung einzubinden. Hauptvorteil für die Bibliothek ist, dass sie den Aufwand deutlich beschränken kann, dass sie ihr Angebot eng auf die Zwecke der Lehrveranstaltung abstimmen und einen engen Kontakt zum Lehrpersonal aufbauen kann, dass sie dadurch gleichzeitig Akzeptanzvorteile für die Bibliothek insgesamt erzielen kann. Zur Veranschaulichung werden im Folgenden einige Praxisbeispiele für die Teaching Library im Hochschulbereich skizziert. Grob unterscheiden lassen sich Strukturmodelle, die die Gesamtarchitektur des Veranstaltungsangebots einer Hochschulbibliothek beschreiben, sowie Angebotsmodelle, die eine Differenzierung nach der Art der Positionierung von Bibliotheksveranstaltungen im Kontext der Hochschullehre intendieren. 315 Die UB Freiburg beteiligt sich seit zehn Jahren mit dem BOK-Kurs „Strategien zur Recherche, Auswahl und Präsentation von Informationen – Informationskompetenz als entscheidende Schlüsselqualifikation für Studium und Beruf“.

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5.3.1 Stufenmodelle Die gestuften Konzepte der Hochschulbibliotheken entsprechen dem Typ des Strukturmodells und orientieren sich an der jeweiligen Phase des Studiums, zum Beispiel wie folgt: – Stufe A: Allgemeine und fachspezifische Bibliothekseinführungen für Studienanfänger oder für sonstige Neuimmatrikulierte (auch Studienortwechsler) – Stufe B: Katalog- und Datenbankschulungen, Literaturbeschaffung für Studierende in den Anfangssemestern – Stufe C: Fachspezifische Bibliotheks- und Datenbankeinführungen für Fortgeschrittene.

Die den verschiedenen Stufen zugeordneten Inhalte müssen nicht starr aufeinander folgen, sondern können flexibel eingesetzt werden, ja nach Lernvoraussetzungen und Niveau der betreffenden Gruppe sowie den seitens der Dozenten gestellten inhaltlichen Anforderungen an die Bibliotheksveranstaltung. Für Bachelor-Studierende an der Freien Universität Berlin hat die Universitätsbibliothek ein intercurriculares Modul der Informationskompetenz entworfen, das stufenförmig aus den Teilmodulen „Basiswissen“, „Aufbauwissen“ und „Fachinformationskompetenz im Beruf“ besteht 316. Die beiden erstgenannten Teilmodule werden mit jeweils einem Multiple-Choice-Test, das dritte Teilmodul mit einer schriftlichen Projektarbeit abgeschlossen. Die Studierenden beschäftigen sich mit folgenden Inhalten: – Das „Basiswissen“ umfasst Kompetenzen hinsichtlich des Informationsversorgungssystems, sodann bezüglich des Aufbaus, der Struktur und der Nutzung von Nachweissystemen und schließlich bezüglich der Recherche in elektronischen Medien. – Das „Aufbauwissen“ zielt auf Kompetenzen der Literaturbeschaffung, der Internetrecherche, der Auswahl, Aufbereitung und Präsentation von Rechercheergebnissen, des Zitierens und des Umgangs mit Literaturverwaltungssystemen. – Die „Fachinformationskompetenz im Beruf“ erstreckt sich auf die kompetente Auswahl, Nutzung und Bewertung fachbezogener Informationsmittel wie beispielsweise Zeitschriftenartikel, elektronische Volltexte, E-Books, Virtuelle Fachbibliotheken, Digitale Bibliotheken, Internet-Portale. 316 Vgl. Jeder, Andrea / Kowalak, Mario: Von Basiswissen bis Fachinformation. Wie Bachelor-Studierende von den Bibliotheken der Freien Universität Berlin geschult werden. In: BuB. Forum Bibliothek und Information, 59 (2007) S. 799–800.

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Eines der ersten extracurricularen Stufenmodelle zur Förderung von Informationskompetenz hat die Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha realisiert 317 und führt es in modifizierter Form fort: – Stufe A: Die Bibliothek als Arbeitsmittel (Bibliotheksführungen/Orientierung) – Stufe B: Basiskompetenzen (recherchieren, zitieren, exzerpieren, konspektieren, dokumentieren, Literaturverzeichnisse erstellen usw. − fachübergreifend) – Stufe F: Fachlich (Fachrecherche, Fachbestand, Fertigkeiten im Umgang mit Information – fachlich) – Stufe M: Medien- und Kulturgeschichte (Spezialsammlungen, Handschriftenkunde, Buchkunde usw.).

5.3.2 Bibliotheksveranstaltung als fachübergreifendes Wahlpflicht-Angebot Das Modell eines angebotsorientierten, intercurricularen fachübergreifenden Wahlpflichtangebots im Optionalbereich des Bachelorstudiums gibt es zum Beispiel an den Universitäten Bonn 318, Düsseldorf 319, Duisburg-Essen 320 und Freiburg 321, aber auch in Regensburg 322 und an der Technischen Universität 317 Vgl. Schultka, Holger: Bibliothekspädagogik versus Benutzerschulung. Möglichkeiten der edukativen Arbeit in Bibliotheken. In: Bibliotheksdienst 36 (2002) S. 1486–1505; Schultka, Holger: Bibliothekspädagogik. In: Bibliotheksdienst 39 (2005) S. 1462–1488. 318 Siehe Vogt (Anm. 176). 319 Vgl. Nilges, Annemarie / Siebert, Ursula: Informationskompetenz im Curriculum. Das Studienbegleitende Ausbildungskonzept zur Vermittlung von Informationskompetenz der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf. In: Bibliotheksdienst 39 (2005) S. 487– 495; siehe auch: http://www.ub.uni-duesseldorf.de/docs/konzept_ik.pdf (18. 08. 2011). 320 Siehe das differenzierte Angebote (Informationskompetenz Allgemein und Informationskompetenz Schlüsselqualifikationen BA) unter: http://www.uni-due.de/ ub/schulung/schulung.shtml (18. 08. 2011). 321 Vgl. Sühl-Strohmenger, Wilfried / Becht, Michael / Leithold, Franz-J. / Ohlhoff, Ralf / Schneider, Christine: „Informations- und Medienkompetenz“ in den neuen Bachelor-Studiengängen an der Universität Freiburg. In: Bibliotheksdienst 36 (2002) S. 150–159; Becht, Michael / Mayer, Martin / Ohlhoff, Ralf / Sühl-Strohmenger, Wilfried: Wie Bachelor-Studierende Informationskompetenz entwickeln können. Fünf Jahre Erfahrungen mit dem fachübergreifenden Wahlpflichtangebot der Universitätsbibliothek Freiburg. Bibliotheksdienst 41 (2007) S. 1167–1184. 322 Vgl. Iki, Naoka: Die Regensburger Studieneinheit „Informationskompetenz (information literacy)“ (INK) – eine Kooperation von Universität und Bibliothek. In: Bibliotheksdienst 40 (2006) S. 619–624.

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München 323 und an der Universität Graz 324. Sie setzen bewusst in den neuen Bachelor-Studiengängen an und entwickeln ein konkurrenzfähiges Kursangebot zur Vermittlung von Informationskompetenz. Die Ziele dieses Konzepts bestehen vor allem darin, den Studierenden anhand beispielhafter, aktueller Themenstellungen wie „Kopftuchstreit“ oder „Die Welt des Internet“ alle relevanten Phasen des Informationsfindungs- und -verarbeitungsprozesses näher zu bringen, insbesondere einen Überblick über die Kataloge, Datenbanken, Volltextsammlungen sowie den kompetenten Umgang mit wissenschaftsrelevanten Internetsuchmaschinen. Den Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Informationsauswahl, Informationsbewertung und Informationsverarbeitung kommt ebenfalls zentrale Bedeutung zu. Inhaltlich umfasst dieses Angebot die Kenntnis wichtiger Informationsressourcen wie Online-Kataloge, exemplarische Datenbanken, Informationsportale, sodann die Formulierung von Suchanfragen, das Durchführen der Recherche mit verschiedenen Suchoberflächen, das Auswählen und Bewerten der Suchergebnisse, differenziert nach verschiedenen Informationsressourcen (Kataloge, Datenbanken, Volltexte, Internet) und schließlich die Weiterverarbeitung der Information, die Bewertung des Informationsgewinnungsprozesses und das Kommunizieren und Präsentieren der Ergebnisse. Diese Lerninhalte decken sich weitgehend mit den von deutschen Hochschulbibliotheken vorgeschlagenen und für Einführung der Studierenden in das Recherchieren zugrunde zu legenden Standards der Informationskompetenz 325. Als Veranstaltungsformen dominieren die Semesterveranstaltung oder der Blockkurs (Projektkurs). Didaktische Modelle sind der Lehrvortrag (Präsentation), das Lehrgespräch sowie aktivierende Methoden (Workshop, Gruppenar323 Vgl. Geisberg, Gertrud: Die Vorlesung „Informationskompetenz“ der Universitätsbibliothek der Technischen Universität München. In: Bibliotheksdienst 41 (2007) S. 1321–1326; Schlindwein, Birgid B. / Geisberg, Gertrud: Informationskompetenz – Lehrveranstaltung der Bibliothek an der TU München. In: Flitner, Ursula / Warmbrunn, Jadwiga / Warmbrunn, Jürgen (Hrsg.): Kooperation versus Eigenprofil? 31. Arbeits- und Fortbildungstagung der ASpB e.V., Sektion 5 im Deutschen Bibliotheksverband. Karlsruhe 2008, S. 313–328. 324 Das Angebot der Bibliothek wurde 2008 in das neue universitätsweite Basismodul einbezogen, und zwar im Rahmen des Arbeitsbereichs „Selbstmanagement in Studium und Beruf“. Vgl. dazu näher: Hörzer, Birgit Maria: Das universitätsweite Basismodul an der Universität Graz – die Bibliothek als Partnerin in der Hochschullehre. In: B.I.T.online 12 (2009) S. 381–384. 325 Siehe dazu: Franke / Klein / Schüller-Zwierlein (Anm. 115); Niedermair, Klaus: Recherchieren und Dokumentieren. Der richtige Umgang mit Literatur im Studium. Wien; Lizenz: Konstanz 2010 (UTB 3356. Reihe: Studieren, aber richtig).

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beit, Partnerübungen). Das mit Lehraufgaben betraute Bibliothekspersonal wird in pädagogisch-didaktischer Hinsicht qualifiziert 326. Im Rahmen eines Bachelorstudiengangs entspricht der Umfang einer solchen Lehrveranstaltung zwei bis vier ECTS-Punkten (das entspricht 50–100 Stunden Workload). Der Präsenzanteil beläuft sich auf etwa 25 Stunden, manchmal auch weniger. Der Leistungsnachweis erfolgt teilweise durch Hausarbeiten und Prüfungstests, teilweise auch durch aktive Teilnahme am Kurs und an einer Projektarbeit, die während des Kurses zu erarbeiten ist. Die Universitätsbibliothek Duisburg-Essen fördert die Schlüsselqualifikationen der Bachelor-Studierenden im Kompetenzfeld Sachkompetenz durch ein mit einem ECTS-Punkt bewertetes fakultatives Angebot zum wissenschaftlichen Arbeiten und zur Informationskompetenz als fachbezogene Veranstaltung für Geisteswissenschaften, Gesellschafts-, Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie für Wirtschaftswissenschaften 327. Hinzu kommen zwei Kurse zu E-Publishing und zum Umgang mit Literaturverwaltungsprogrammen.

5.3.3 Bibliothekssemesterveranstaltung als fachbezogenes Pflicht-/ Wahlpflicht-Angebot Beispiele für intercurriculare fachbezogene (Wahl-)Pflichtangebote der Hochschulbibliothek gibt es an der Leuphana Universität Lüneburg, an der Technischen Universität München und an der Universität Konstanz. Dort wurde bei der Festlegung der Inhalte und Ziele eine Kombination von Faktenwissen und Kompetenzen angestrebt. Im Vordergrund stehen aktivierende Übungen und der praktische Umgang mit Informationsmitteln. Der Informationskompetenz-

326 Vgl. Fischer, Michael / Blumschein, Patrick: Instructional Design für Kursangebote der Universitätsbibliothek Freiburg: Ein gemeinsames Pilotprojekt des Instituts für Erziehungswissenschaften der Universität Freiburg und der Universitätsbibliothek Freiburg. In: Brauer, Margit (Hrsg.): Bibliotheken und Informationseinrichtungen – Aufgaben, Strukturen, Ziele. 29. Arbeits- u. Fortbildungstagung der ASpB / Sektion 5 im DBV ... 8.−11. April 2003 in Stuttgart. Jülich 2003, S. 231–241; Sühl-Strohmenger, Wilfried: Hochschulbibliothek, Informationskompetenz und pädagogisch-didaktische Qualifizierung: Lehren und Lernen in der Bibliothek − neue Aufgaben für Bibliothekare. In: B.I.T.online 6 (2003) S. 317–326; Reimers, Frank: Die hochschuldidaktische Weiterbildung an der UB Freiburg. Bibliotheksdienst 40 (2006) S. 186–196. 327 Universitätsbibliothek Duisburg-Essen: Informationsveranstaltungen/Schulungen. http://www.uni-due.de/ub/schulung/schulung.shtml (07. 09. 2011).

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kurs besteht aus sieben Teilmodulen, die jeweils im Rahmen einer Doppelstunde behandelt werden 328: – Die Welt der wissenschaftlichen Information – Suchstrategie und erste Recherchen – Bibliografien und Datenbanken I–III (= drei Teilmodule) – Internet – Literaturverwaltung und eigenes Publizieren Als Hausarbeit für den ganzen Kurs und damit auch Leistungsnachweis im Hinblick auf die Leistungspunkte ist von den Teilnehmern eine Recherchedokumentation zu einem selbst gewählten Thema zu erstellen. Eigenständige fachbezogene (Wahl-)Pflichtangebote der Bibliothek für Bachelor- oder für Master-Studierende existieren zur Zeit in 12 Fächern, u. a. in Geschichte (Informationskompetenz für Historiker mit 2 Semesterwochenstunden und bewertet mit 3 ECTS-Punkten im Rahmen des Ergänzungsbereichs), in Politik-/Verwaltungswissenschaft(Informationskompetenz Politik-/Verwaltungswissenschaft für den Master-Studiengang mit 2 SWS und bewertet mit 4 ECTS-Punkten im Rahmen der Studien- und Prüfungsordnung für den Master-Studiengang Politik- und Verwaltungswissenschaft), in der Romanistik (Informationskompetenz für RomanistInnen / Information Literacy for Students of Romance Languages and Literature mit 2 SWS und bewertet mit 3 ECTS-Punkten) sowie in Chemie (Veranstaltungsangebot für das 5. Semester mit einer SWS und bewertet mit einem ECTS-Punkt). Die von der Universitätsbibliothek der TU München konzipierte „Vorlesung Informationskompetenz“ umfasst zwei Semester Wochenstunden und wird mit drei ECTS-Punkten (in einzelnen Studiengängen) bewertet 329. Da diese Veranstaltung an drei Standorten (Stammgelände, Teilbibliothek Mathematik/Informatik, Teilbibliothek Weihenstephan) stattfindet, sind nicht nur die Fachreferenten, sondern auch die Diplombibliothekare der Teilbibliotheken einbezogen. Thematisiert und durch praktische Übungen unterstützt werden: – Informationsquellen, die an der UB der TU München zu finden sind, – Suche und Beschaffung von Literatur, die nicht in der UB der TU München vorhanden ist, – Suche und Beschaffung von Zeitschriftenaufsätzen aus dem Bestand der UB der TU München und außerhalb der TU München, 328 Vgl. Dammeier, Johanna: Informationskompetenzerwerb mit Blended Learning: Ergebnisse des Projekts Informationskompetenz I der Bibliothek der Universität Konstanz. In: Bibliotheksdienst 40 (2006) S. 316 f. 329 Vgl. Geisberg (Anm. 323).

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Fachliteratur: Portale, Datenbanken, Digitale Bibliotheken, Suchmaschinen, Elektronisches Publizieren.

Zu der Vorlesung sind die einzelnen Präsentationen und dazu die entsprechenden Übungsblätter für das eigenständige Vertiefen des Gelernten verfügbar. Bei laborintensiven Studiengängen zeigen sich allerdings, so die bisherigen Erfahrungen an der TU München, Grenzen für die Positionierung einer zweistündigen Semesterveranstaltung. An der Leuphana Universität wurde für die Bildungswissenschaften (Abschluss: B.A.) ein Seminar Information Literacy entwickelt, das zwei Semester Wochenstunden umfasst 330.

5.3.4 Fakultatives Bibliotheks(semester)angebot Beispiele für das Angebot extracurricularer (fakultativer) Bibliotheksveranstaltungen zur Förderung von Informationskompetenz sind die Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München, die Universitätsbibliothek Paderborn sowie die Saarländische Universitäts- und Landesbibliothek Saarbrücken. Die UB der Ludwig-Maximilians-Universität München strebt an, möglichst flächendeckend für alle Fächer fakultative Veranstaltungen der Universitätsbibliothek zur Förderung von Informationskompetenz anzubieten, mit der Perspektive, diese dann sukzessiv intracurricular (verpflichtend) in das Studium einzubinden 331. In Paderborn wird den Fachbereichen − im Sinne einer Serviceleistung der Bibliothek − ein differenziertes Einführungs- und Kursprogramm angeboten, das von der Integration eines Angebots in eine Lehrveranstaltung über eine kooperative Lehrveranstaltung in Absprache mit den Dozenten bis hin zu einer eigenständigen in die neuen Studiengänge eingebundenen Lehrveranstaltung 330 Siehe Drieschner, Elmar / Gaus, Detlef / Pörzgen, Rainer: Informationskompetenz in den Bildungswissenschaften. Neue Wege der Integration fachlicher und bibliothekarischer Lehrangebote an der Universität Lüneburg. In: Bibliotheksdienst 41 (2007) S. 442–451. 331 Vgl. dazu Schüller-Zwierlein, André (Red.): Die Vermittlung der Schlüsselqualifikation Informationskompetenz an der LMU München. Ein Lagebericht. Stand: August 2006. http://epub.ub.uni-muenchen.de/1349/1/lagebericht.pdf (07. 09. 2011); Schüller-Zwierlein, André: Senden auf allen Kanälen. Wie sich die Bibliothek der Ludwig-Maximilan-Universität zur Teaching Library entwickelt, in: BuB. Forum Bibliothek und Information 59 (2007) S. 788–793.

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der Bibliothek, die in die neuen Studiengänge eingebunden ist. Bei einem Großteil dieser Veranstaltungen wird ein bibliothekarisches Schulungsangebot in Lehrveranstaltungen der Dozenten/innen eingebunden. Eher der Einzelfall sind kooperative Lehrveranstaltungen, bei denen eine entsprechende Einheit aufgrund von Absprachen mit den jeweiligen Lehrstühlen seitens der Bibliothek gestaltet wird. Das Programm der Führungen und Schulungen an der Saarländischen Universitäts- und Landesbibliothek Saarbrücken zeichnet sich durch ein breites, auf die einzelnen Fachbereiche zugeschnittenes Profil aus: Es gibt allgemeine und fachspezifische Führungen, sodann spezifische 45- bis 60-minütige Einführungen − bezogen auf Kerndatenbanken und auf Recherchetechniken – für Geisteswissenschaften, für Naturwissenschaften sowie für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Daneben stehen fachübergreifende Angebote für die EJournals und die Dokumentlieferdienste, für das elektronische Publizieren, ferner eine Fortbildung für Lehrer 332.

5.3.5 Eingebetteter Bibliothekskurs als Pflichtangebot Die Universitätsbibliothek Freiburg hat bereits seit einigen Jahren ein entsprechendes Pflichtmodul in ein für alle Studienanfänger des Fachs Romanistik verpflichtendes Proseminar intracurricular integrieren können 333. Seit dem Wintersemester 2007/08 existiert auch für das Fach Soziologie (Bachelor, 1. Hauptfach) ein eingebettetes Modul „Informationsmanagement für Soziologen I“ im Umfang von zwei mal 90 Minuten. Das insgesamt achtstündige (vier mal zwei Stunden) Aufbaumodul „Informationsmanagement für Soziologen II“ findet im 4. Semester, das den Schwerpunkt auf Fachinformationskompetenz legt, statt. In den Wirtschaftswissenschaften sowie in mehreren weiteren Fächern sind ähnliche Pflichtkurse für Studienanfänger fest eingebunden. Die UB Regensburg beteiligt sich mit eigenen Kursen an einem universitären Lehrangebot im Rahmen des auf zwei Semester konzipierten frei kombinierbaren Nebenfachs „Informationskompetenz / Information Literacy (INK)“, das am Institut für Medien-, Informations- und Kulturwissenschaft (IMIK) der

332 Saarländische Universitäts- und Landesbibliothek: Führungen und Schulungen. http://www.sulb.uni-saarland.de/de/service/schulungen/ (07. 09. 2011). 333 Vgl. Sobottka, Gabriele: Vermittlung von Informationskompetenz für die RomanistInnen der Universität Freiburg – eine Projektstudie. In: Bibliotheksdienst 39 (2005) S. 496–508.

Kursmodelle der Teaching Library

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Universität Regensburg angesiedelt ist 334. Im Pflichtbereich des Basismoduls bietet die Universitätsbibliothek ein Seminar und eine Übung von je einer Semester Wochenstunde an. Die Grundlagen der Informationskompetenz werden im Überblick dargestellt und anhand ausgewählter Fragestellungen praxisbezogen vertieft. Behandelt werden Herausforderungen und Möglichkeiten der elektronischen Medien, aktuelle Fragestellungen des wissenschaftlichen Publizierens, die gezielte Recherche in elektronischen Medien, der Umgang mit Literaturverwaltungssystemen oder der Vergleich zwischen Bibliothek und Archiv. Im Wahlbereich gibt es eine Übung zum „Bibliotheks- und Informationswesen des Auslands“, um dadurch der Internationalisierung der Bachelorstudiengänge sowie den Studienschwerpunkten der an der Studieneinheit teilnehmenden Studierenden Rechnung zu tragen.

5.3.6 Additive Kursangebotsmodelle Nahezu alle deutschen Hochschulbibliotheken offerieren ein Spektrum additiver. ergänzender Einführungen und Schulungen zur Bibliotheks- und Informationsnutzung. Einige Hochschulbibliotheken entwickeln spezielle Fortbildungsangebote im Kontext der wissenschaftlichen und beruflichen Weiterbildung an der Universität, auch für das Verwaltungspersonal, das ebenfalls Bedarf an gezielter Informationskompetenz hat. Die Universitätsbibliothek Osnabrück hatte bereits vor einigen Jahren gezielt Lehrerschulungen angeboten 335, die Universitätsbibliothek Marburg engagiert sich in der Lehrerfortbildung mit 90-minütigen Schulungen zur thematischen Recherche anhand von Katalogen und Fachdatenbanken 336. Mithilfe einiger Leitfragen – Was suche ich? Was brauche ich? Wo suche ich? Wie suche ich? – lernten die Teilnehmer, Informationen im Hinblick auf fachbezogene Suchbeispiele zu recherchieren und zu beschaffen. Vor dem Hintergrund der Exzellenzinitiative für die deutschen Universitäten, sodann aber angesichts neuer Herausforderungen durch elektronisches Publizieren, durch entsprechende urheberechtliche Probleme, durch verstärkte Verwertungszwänge (Beachtung des Impact Faktors bei der Auswahl von Fachzeitschriften für die eigenen Artikel) und durch die Anforderungen der E-Science 334 Vgl. Iki (Anm. 322). 335 Vgl. Dauer, Friederike: Lehrerschulungen in Osnabrück. Die etwas andere Art mit dem Problem der Facharbeiten umzugehen. In: Bibliotheksdienst 36 (2002) S. 1506–1510. 336 Siehe Krähwinkel (Anm. 234).

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insgesamt richten sich Angebote der Teaching Library zunehmend auch an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Frühzeitig entwickelte die UB Konstanz im Rahmen des DFG-geförderten Informationskompetenz-Projekts ein entsprechendes Programm zur Förderung der Informationskompetenz Graduierter 337, ferner widmen sich Hochschulbibliotheken in Österreich der Informationskompetenz von Diplomanden, Dissertanten und Doktoranden 338.

5.4 E-Learning in der Teaching Library Das E-Learning 339 oder Online-Lernen 340 ist mittlerweile zu einer auch von den Hochschulbibliotheken verstärkt eingesetzten Form der Lehr-Lern-Unterstützung geworden 341, weil dadurch der personal- und zeitintensive Anteil der Präsenzlehre reduziert werden kann oder weil die Rahmenbedingungen an der betreffenden Hochschule Bibliothekskurse nicht zulassen. Die hochschulinternen Lernplattformen wie zum Beispiel Moodle, CLIX, oder Ilias haben sich mittlerweile – wie auch die oben zitierte KIT-Studie von 2011 erbracht hat – etabliert und werden von den Hochschulbibliotheken für deren Kurs- und Schulungsaktivitäten einbezogen. Favorisiert werden einfach zu erstellende und zu nutzende Tutorials für einzelne Informationsmittel (Kataloge, Datenbanken, E-Journals), für bestimmte ressourcenübergreifende Rechercheoberflächen (beispielsweise EBSCO oder 337 Vgl. dazu Kohl-Frey (Anm. 178). 338 Entsprechende Modelle sowie einen konzisen Überblick über internationale Entwicklungen bei der Informationskompetenz von Doktoranden und Wissenschaftlern gibt in einem demnächst erscheinenden Beitrag: Rohrmoser, Manuela: Informationskompetenz für Doktoranden / Wissenschaftler. In: Sühl-Strohmenger (Anm. 76). 339 Vgl. u. a.: Schulmeister, Rolf: eLearning: Einsichten und Aussichten. München 2006; Dittler, Ulrich / Krameritsch, Jakob / Nistor, Nicolae / Schwarz, Christine / Thillosen, Anne (Hrsg.): E-Learning: eine Zwischenbilanz. Kritischer Rückblick als Basis eines Aufbruchs. Münster, München, Berlin 2009 (Medien in der Wissenschaft. Bd. 50). 340 Vgl. Seel, Norbert M. / Ifenthaler, Dirk: Online lehren und lernen. München, Basel 2009 (UTB. Bd. 3288). 341 Vgl. dazu auch die konzentrierte Übersicht über diverse E-Learning-Konzepte deutscher Hochschulbibliotheken bei Homann (2010, Anm. 66); ferner mit grundlegenden pädagogischen Überlegungen zur Entwicklung von Tutorials für Förderung von Informationskompetenz: Skagen, Therese / Torras, Maria Carme / Kavli, Solveig M. L. / Mikki, Susanne / Hafstadt, Sissel / Hunskar, Irene: Pedagogical considerations in developing an online tutorial in information literacy. In: Communications in Information Literacy 2 (2008) S. 84–98.

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OVID) oder auch für die in einem Fach verfügbare Vielfalt von Informationsressourcen, zum Beispiel „LOTSE“ 342 oder der Freiburger „UB-Tutor“ 343. Diese Art von Tutorials ermöglicht die Unterstützung des Selbstlernens oder auch die Ergänzung der Präsenzlehre im Sinne des Blended Learning. Anspruchsvolleren Zielen sind interaktive Tutorials wie beispielsweise der „BibTutor“ oder „VISION“ 344 verpflichtet. Für die Förderung von Informationskompetenz kommt es darauf an, die für die jeweiligen Zwecke und fachlichen Bezüge geeigneten Programme und Umgebungen beim Online-Lernen einzusetzen, wie es an einigen britischen und US-amerikanischen Hochschulbibliotheken modellhaft geschieht 345, und dabei pädagogische Erkenntnisse, speziell mit Blick auf die Entwicklung von Informationskompetenz, nicht zu vernachlässigen 346. In Zusammenarbeit der Universitätsbibliotheken Dresden, Düsseldorf, Hamburg und Köln wurde das Lerninformationssystem (LIS) entwickelt, konkret umgesetzt in Form des DOT (Düsseldorfer Online Tutorial) 347. Auf Landesebene bildete das DOT den Nucleus des Online Tutorial Nordrhein-Westfalen 348. An der Universität Zürich wurden Erkenntnisse beim Einsatz von E-Learning-Modellen im Rahmen von Bibliothekskursen für Studierende im Fach Medizin gesammelt 349. Die rund 300 Medizinstudierenden der Universität Zürich erhielten in einer von der Hauptbibliothek getragenen Pflichtveranstaltung 342 Vgl. Steiner, Katrin: LOTSE. Ein didaktisches Kunstwerk zur Vermittlung von Informationskompetenz im Internet. Münster 2009. http://lotse.sub.uni-hamburg.de/ blog/wp-content/uploads/2009/06/didakt_konzept_lotse.pdf (28. 07. 2011). 343 Vgl. Universitätsbibliothek Freiburg: UB-Tutor (Reihe). http://www.freidok. uni-freiburg.de/volltexte/43/ (09. 09. 2011). 344 Siehe Hapke (Anm. 79) S. 41–80. 345 Siehe die Beiträge in: Mackey, Thomas P. / Jacobson, Trudi E. (Eds.): Teaching information literacy online. London 2011. 346 Siehe dazu Skagen, Therese / Torras, Maria Carme / Kavli, Solveig M. L. / Mikki, Susanne / Hafstadt, Sissel / Hunskar, Irene: Pedagogical considerations in developing an online tutorial in information literacy. In: Communications in Information Literacy 2 (2008) S. 84–98. 347 Vgl. Ullmann, Nadine / Hauschke, Christian: Personalisiertes Lernen in der Bibliothek: das Düsseldorfer Online-Tutorial (DOT) Informationskompetenz. In: Bibliotheksdienst 40 (2006) S. 466–475; Hauschke, Christian / Ullmann, Nadine: Teaching information literacy with the Lerninformationssystem. In: Australian Academic & Research Libraries 37 (2006) S. 55–60. 348 Vgl. Vogt, Renate: Lernziel Kooperation: das Online-Tutorial Informationskompetenz. In: Lison, Barbara: Information und Ethik. Dritter Leipziger Kongress für Information und Bibliothek. Leipzig, 19. März bis 22 März 2007. Wiesbaden 2007, S. 222–226. 349 Vgl. dazu: Schubnell, Brigitte: Blended Learning: Mittel zur Aktivierung der Studierenden? In: Lison (Anm. 348) S. 230–238.

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eine Einführung in die wissenschaftliche Informationsbeschaffung im Rahmen des Praktikums „Wissenstransfer“, und zwar durch zwei Doppellektionen in Gruppen bis zu 20 Personen mit Hausaufgaben zwischen den beiden Präsenzveranstaltungen. Evaluationsergebnisse zeigten, dass die Studierenden für das Fach nur gering motiviert waren und das Lernangebot schwach bewerteten. Genannt wurden fehlende Anreize wie Prüfungsrelevanz oder andere Leistungskontrollen, begrenzte Anwendungsmöglichkeiten im 1. Studienjahr und der fehlende Bezug der Inhalte zum Studium, die nicht immer optimale Gestaltung der Übung und damit verbunden eine Unterforderung der Studierenden. Mit Hilfe eines Blended-Learning-Angebots – also eines Wechsels von Präsenzphasen und eigenständigem Lernen im Kontext von E-Learning – sollte im Jahr 2006 die Aktivität der Studierenden erhöht und der Inhalt der Lehrveranstaltung langfristig zur Verfügung gestellt werden. Die Studierenden mussten sich mittels des für die Medizinstudierenden konzipierten E-Learning-Kurses die Theorie im Selbststudium aneignen. Auf die Selbststudiumsphase, welche mit einem Online-Test abgeschlossen wurde, folgte eine Doppellektion in Gruppen zur Besprechung von Problemen und zur Vertiefung des Gelernten. Durch den Online-Test und die Schlussveranstaltung in Form einer Übungslektion mussten die Studierenden sich aktiv mit dem Stoff auseinander setzen. Das Tempo konnten sie dabei selber bestimmen. Der E-Learning-Kurs ist frei zugänglich und liegt auf der Virtuellen Ausbildungsplattform Medizin 350, womit der langfristige Zugriff auf den Inhalt gewährleistet wird. Der Kurs wird laufend angepasst und verbessert. Bezogen auf die Rolle, die die Bibliotheken im Bildungsprozess spielen können, wären sowohl der Ansatz des virtuellen Lernens als auch der Verzahnung von virtuellen Lernsequenzen und von Präsenzphasen im Sinne von „Blended Learning“ anwendbar. Die Entscheidung für das eine oder für das andere hängt wesentlich von den personellen Bedingungen der jeweiligen bibliothekarischen Einrichtung sowie von der Reichweite des Lernangebots ab. Für eine kleinere Bibliothek, die über wenig Bibliothekspersonal verfügt, kommt ein umfangreicheres Angebot an Präsenzveranstaltungen nicht in Frage, vielmehr muss sie sich auf wenige und gezielt eingesetzte Einführungen und Kurse beschränken, im übrigen aber – eventuell in Kooperation mit den Fachbereichen – bestrebt sein, Lernen im Netz zu ermöglichen, sei es durch

350 Virtuelle Ausbildungsplattform Medizin (VAM): http://www.vam.unizh.ch (18. 08. 2011).

E-Learning in der Teaching Library

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Online-Tutorials 351, durch Screencasting 352 oder durch sonstige virtuelle Lernhilfen. Im Sinne von „Blended Learning“ wurden im Rahmen einer bibliotheksbezogenen Didaktik geeignete E-Learning-Einheiten entwickelt oder bereits existierende Online-Tutorials eingebunden. Beispiele für katalog- bzw. fachdatenbezogene Tutorials bieten die Universitätsbibliotheken Bielefeld, Harburg, Heidelberg, Kassel, Lüneburg, Tübingen. Verbreitet ist auch das mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) von der ULB Münster didaktisch aufbereitete Schulungs- und Navigationssystem für Studierende und Fachwissenschaftler „LOTSE“ (Library Online Tour and Self-Paced Education). Ein anderer Weg zur besseren Übersichtlichkeit der elektronischen Angebote sowie zur zeit- und ortsunabhängigen Vermittlung an Lehrende, Studierende und Nicht-Hochschulangehörige besteht in der Konstruktion von OnlineTutorials oder Online-Lernhilfen. In einer Vergleichsstudie deutscher und USamerikanischer Online-Tutorials kommt Rauchmann deshalb zu dem Schluss, dass dort in Form der ACRL-Standards ein verbindlicher und allgemein anerkannter Bezugsrahmen für die verbreiteten Online-Tutorials (z. B. TILT der University of Chicago) gegeben ist, die Kurse zu Information Literacy nach dem Muster der „Big6 Skills“ in den Studiengängen fest verankert, zudem interaktiv und ergebnisorientiert gestaltet sind, während dies alles in Deutschland noch nicht der Fall ist 353. 351 Vgl. Rauchmann (Anm. 84); Emmert, Matthias: Online-Tutorials an Bibliotheken: Grundlagen, Analyse ausgewählter Beispiele und Erstellung einer Typologie. Projektarbeit des 2. berufspraktischen Ausbildungsabschnitts an der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg, Studiengang Bibliothekswesen. Erlangen: Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern, 2007. http:// www.opus.ub.uni-erlangen.de/opus/volltexte/2007/584/pdf/Online-Tutorials.pdf (26. 07. 2011); Hapke (Anm. 79). 352 Diese Technik hatte die Universitätsbibliothek Freiburg bereits früher für die Produkton von einzelnen E-Tutorials eingesetzt und auszubauen versucht. Vgl. Straub, Martina: E-Learning: vom Screencasting zum Autorentool – am Beispiel der Universitätsbibliothek Freiburg. In: Lison, Barbara (Hrsg.): Information und Ethik. Dritter Leipziger Kongress für Information und Bibliothek. Leipzig, 19. März bis 22 März 2007. Wiesbaden 2007, S. 227–229; die UB München verwendet Screencasting systematisch und hat eine Pilotfunktion für die landesweite, arbeitsteilig angelegte Herstellung von e-Tutorials insbesondere für die Vermittlung bibliographischer Datenbanken übernommen. Siehe dazu: Söllner, Konstanze: Informationskompetenz „just in time“: Produktion und Einsatz von eTutorials an der UB München. In: Lison (Anm. 348) S. 238–244. 353 Vgl. Rauchmann (Anm. 84) S. 269 ff.

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Ein weiterer Ansatz, Online-Einheiten bei begrenztem Arbeitsaufwand in die Einführungen und Kurse zur Vermittlung von Informationskompetenz einzubauen, ergibt sich mithilfe der Technik des Screencasting, denn dadurch ist es möglich, alle gewünschten Bildschirminhalte und Rechercheabläufe als Film aufzuzeichnen, über Mikrofon zu kommentieren und dann auf der Bibliothekshomepage anzubieten. Das in einer vorausgegangenen Präsenzveranstaltung vermittelte Wissen kann selbstständig am eigenen PC (mit Internetanschluss) nachvollzogen und vertieft werden. Kooperativ erarbeitete Online-Tutorials können ebenfalls Zeit ersparen und einen ökonomischem Personaleinsatz fördern 354, bedingen jedoch eine nicht unproblematische Abstraktion, d. h. es mangelt ihnen an situativen Bezügen. Das Online-Tutorial für die nordrhein-westfälischen Hochschulbibliotheken, das von der regionalen Arbeitsgemeinschaft Informationskompetenz entwickelt wurde, nimmt dieses Risiko bewusst in Kauf, steht dafür aber allen Bibliotheken zur Verfügung. Webinare sind über das Web angebotene seminarähnliche Einführungen in elektronische Informationsressourcen, Produkte und Medien 355. Sie haben den Vorteil, dass sie in der Regel von den Informationsanbietern selbst produziert und für Schulungszwecke aufbereitet werden. Zu bestimmten Uhrzeiten werden sie angeboten und stehen einem bestimmten Nutzerkreis in diesem Zeitrahmen zur Verfügung. In der Regel ist eine vorherige Anmeldung erforderlich, die per Email mit den genauen Zeitangaben und der Teilnahmeprozedur für das betreffende Webinar bestätigt wird. Die Teilnehmer melden sich zu der vereinbarten Uhrzeit an und betreten dann das virtuelle Klassenzimmer. Dort werden sie in verschiedenen Schritten durch das Lernprogramm geführt und

354 Möglich ist so etwas auch in Zusammenarbeit zwischen nur zwei Hochschulbibliotheken, wie das Beispiel des von den Hochschulen Hildesheim und Lüneburg erarbeiteten Tutorials „Bib@InfoLit“ veranschaulicht: Theis, Nicole / Ahlers, Thorsten / Brahms, Ewald / Brauer, Tanja / Krumscheid, Juliane / Ranchel-Calero, Cristina: Das Online-Tutorial Bib@InfoLit – ein Kooperationsprojekt der Universitätsbibliotheken Lüneburg und Hildesheim. In: Bibliotheksdienst 44 (2010) S. 628–636. 355 Siehe dazu grundlegend: Docherty, Karen J. / Faiks, Angi Herold: Webinar technology: applications in libraries. In: Library & technology libraries 25 (2004) S. 211–226; vgl. ferner: Huber, Patricia: Stand und Perspektiven der Vermittlung von Informationskompetenz für die Physik an deutschen Hochschulen. Bachelorarbeit im Studiengang Bibliotheks- und Informationsmanagement an der Hochschule der Medien Stuttgart. Stuttgart 2011, S. 36 f. http://eprints.rclis.org/bitstream/10760/15533/1/ Huber_IK-Physik.pdf. (13. 09. 2011).

E-Learning in der Teaching Library

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haben die Möglichkeit, interaktiv 356 – zum Beispiel per Chat – mit dem Webinar-Moderator Verbindung aufnehmen. Über Voice over IP können sie auch Fragen stellen. Am Ende sollten sie die entsprechende Informationsressource oder das Produkt selbstständig nutzen können. Überprüft wird diese Fähigkeit allerdings nicht mehr, sondern die Einzelnen müssen dann selbstständig auf der Grundlage des im Webinar erworbenen Wissens und Könnens die Datenbank oder sonstige Ressource nutzen können. Die Veranstaltung kann aufgezeichnet und später heruntergeladen werden. Die Saarländische Universitätsund Landesbibliothek bietet für das Literaturverwaltungssystem RefWorks das betreffende Webinar zum Download an 357. Anspruchsvoller sind die Ziele und Intentionen des von der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Harburg gemeinsam mit anderen Hamburger Hochschulbibliotheken und Instituten entwickelten DISCUS-Projekts 358. E-Learning dient zwar auch hier der Förderung von Informationskompetenz und der besseren Orientierung im Dickicht der Internet- und Bibliotheksressourcen, soll jedoch zahlreiche interaktive Lernaufgaben anbieten, die nach und nach bearbeitet werden können. DISCUS ist internet- und datenbankunterstützt, hat ein eigenes XML-Format, bedient sich für die Animationen und Aufgaben des Flash-Programms und ist browser- und plattformunabhängig. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch das Online-Tutorial VISION (Virtuelle Services für Information Online), ein Tutorial der UB der TU Harburg zum Thema wissenschaftliches Arbeiten. Im Rahmen des Projekts „BibTutor“, das vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern, der Firma Brainbot Technologies AG sowie den Universitätsbibliotheken Darmstadt, Hamburg-Harburg, Heidelberg und Kaiserslautern gemeinsam entwickelt wird, werden Navigationswerkzeuge für Bibliotheksbestände so erweitert, dass sie die herkömmliche Suche mit der Befähigung zur selbstorganisierten Aneignung von Wissen eng verzahnen und in den aktuellen Zusammenhang des Informationsbedarfs 356 Vgl. dazu Montgomery, Susan E.: Online webinars! Interactive learning where our users are: the future of embedded librarianship. In: Public services quarterly 6 (2010) S. 306–312. 357 Siehe unter http://www.sulb.uni-saarland.de/de/service/schulungen/refworks/ informationen/1215008016. (14. 09. 2011). 358 Vgl. Hapke, Thomas / Marahrens, Oliver: Spielen(d) lernen mit DISCUS : Förderung von Informationskompetenz mit einem E-Learning-Projekt der Universitätsbibliothek der TU Hamburg-Harburg. In: Ockenfeld, Marlies (Hrsg.): Information Professional 2011: Strategien − Allianzen − Netzwerke. 26. Online-Tagung der DGI. Frankfurt am Main vom 15. bis 17. Juni 2004. Proceedings. Frankfurt am Main 2004, S. 203–217; Hapke (Anm. 79).

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Konzepte der Teaching Library in deutschen Hochschulbibliotheken

stellen. Es handelt sich um einen Rechercheassistenten, der beim Recherchieren selbst zur Förderung von Informationskompetenz beiträgt 359. Die UB Heidelberg produzierte fachbezogene Tutorials, die storybasiert sind und damit sowohl eine günstige situative Einbindung als auch Anknüpfungen für die Identifikation der Studierenden bieten, die sich und ihre Problematik bei der gezielten Bibliotheks- und Informationsnutzung anschaulich wieder erkennen. Die Frequentierung dieser mit einem nicht unerheblichen Arbeitsaufwand herzustellenden „FIT“-Tutorials ist indes sehr ermutigend 360. Im Zusammenhang mit dem Web 2.0 werden in der Hochschuldidaktik zudem Möglichkeiten untersucht, Wikis, Weblogs und Social Software verstärkt für das E-Learning zu berücksichtigen 361.

5.5 Evaluation und Qualitätssicherung der Vermittlung von Informationskompetenz Das Lehren und Lernen bedarf, wenn es auf einigermaßen sicherem Fundament vonstatten gehen soll, notwendigerweise der möglichst kontinuierlichen Messung des während des Lernprozesses erreichten Wissenstandes. Diese Qualitätskontrolle ist auch für Kurse zur Vermittlung von Informationskompetenz unverzichtbar 362. Evaluation ist die systematische Untersuchung des Wertes und Nutzens eines Gegenstandes und dient als Instrument zur Kontrolle (Selbstvergewisserung, Erfolgskontrolle, Qualitätssicherung, Rechenschaft) und zur Entwicklung (Qualitätsverbesserung, Qualitätsentwicklung, Professionalisierung). Mögliche Felder einer Evaluation sind die Zufriedenheit der Teilnehmer, der Lernerfolg, Kosten und Nutzen der Lehrveranstaltung, der Trans359 Vgl. Homann, Benno: Der Rechercheassistent BibTutor – Informationskompetenz erwerben beim Recherchieren, in: Bibliotheksdienst 40 (2006) S. 1296–1310. 360 Vgl. beispielhaft für die Tutorial-Reihe der UB Heidelberg: Homann, Benno: FIT für Medizinstudierende – ein neues Online-Tutorial der UB Heidelberg. In: Theke aktuell 17 (2010) S. 4–7; das gesamte vorbildliche Angebot an Online-Tutorials der UB Heidelberg kann eingesehen werden unter: http://www.ub.uni-heidelberg.de/schulung/ (18. 09. 2011). 361 Siehe Dittler, Ullrich / Kindt, Michael / Schwarz, Christine (Hrsg.): OnlineCommunities als soziale Systeme: Wikis, Weblogs und Social Software im E-Learning. Münster; München; Berlin u. a. 2007 (Medien in der Wissenschaft; 40). 362 Vgl. Schubnell, Brigitte: Qualität in der Vermittlung von Informationskompetenz. In: Hohoff, Ulrich / Schmiedeknecht, Christiane (Hrsg.): 98. Deutscher Bibliothekartag in Erfurt 2009. Ein neuer Blick auf Bibliotheken. Hildesheim, Zürich, New York 2010, S. 199–208.

Evaluation und Qualitätssicherung von Informationskompetenz

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fergrad der erlernten Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten. Unterschieden wird grundsätzlich zwischen summativer (bezogen auf das Endprodukt) und formativer (im Verlauf des Prozesses) Evaluation: „Formative evaluation is typically used to guide program improvement, while summative evaluation is used to determine whether program objectives are being met“ 363. Vier Formen der Evaluation haben sich generell bewährt: – Selbstevaluation (aus der Perspektive des Lernenden, des Lernbegleiters, der Institution), beispielsweise durch ein „Portfolio“, das repräsentative Arbeiten wie Referate, Mindmaps, multimediale Produkte oder Präsentationen enthalten kann. – Peer-Evaluation, beispielsweise durch Kommilitonen, im Sinne eines gegenseitigen Feedbacks. – Formative Evaluation, d. h. die Rückmeldung in einem Beurteilungsgespräch während des Lösungsprozesses, so dass der Lernbegleiter den Entwicklungsstand des Lernenden unmittelbar reflektieren kann, im Sinne einer „fördernden“ Evaluation. – Summative Evaluation, die Bewertung des gesamten Lernprozesses, in der Selbst- und Fremdevaluation zusammenfließen. Anhand standardisierter Bögen werden der Lernprozess des Einzelnen, die Ergebnisse, der Lernstand und die Entwicklung von Kompetenzen, die Effektivität des Problems und des gesamten Moduls beurteilt. Im Schlussgespräch kommt es zur Reflektion der summativen Evaluation. Dummann u. a. nennen mit Blick auf die Hochschuldidaktik folgende, zum Teil ohne großen organisatorischen Aufwand zu realisierende Evaluationsmethoden 364: Lehrveranstaltungsevaluationsfragebogen; Blitzlicht; Punkten, Zufriedenheitsmatrix, Stimmungsbarometer; Impulsfragebogen Smiley; Fischernetz, Kofferpacken; Licht und Schatten; Eisberg; Feedbackrunde; Getroffen; Überprüfung der Erwartungen. Im angloamerikanischen Raum existieren bereits ausgefeilte Evaluations- und Assessment-Instrumente für die Teaching Library 365. Die Evaluation bezieht sich dabei auf die Messung der Effizienz und Zielerreichung eines Konzepts zur Vermittlung von Informationskompetenz, wäh-

363 Scott (Anm. 13) S. 31. 364 Dummann, Kathrin / Jung, Karsten / Lexa, Susanne / Niekrenz, Yvonne: Einsteigerhandbuch Hochschullehre. Aus der Praxis für die Praxis. Darmstadt 2007, S. 146. 365 Vgl. Scott (Anm. 13); siehe auch: Radcliff, Carolyn J.: A practical guide to information literacy assessment for academic librarians. Westport, Conn. 2007.

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Konzepte der Teaching Library in deutschen Hochschulbibliotheken

rend das Assessment sich unmittelbar auf die Effekte des Lehrens mit Blick auf die Lernenden konzentriert: „(...) assessment of student learning provides the ability to know what you are doing in the classroom, know why you are doing it, know what students are learning as a result, and change based on this information“ 366. Für das Assessment der IL-Fähigkeiten und der IL-Fertigkeiten existieren Instrumente wie beispielsweise SAILS und TRAILS, ferner iSkills und CAUL ISS. Zugrunde gelegt sind dabei die im Jahr 2000 von der Association of College & Research Libraries (ACRL) beschlossenen Information Literacy Competency Standards for Higher Education: „The SAILS is a test of the knowledge of each respondent about information literacy based on the American ACRL (American Library Association, 2005) standards 1, 2, 3 and 5. Therefore the tool measures only what people know about information literacy at a general level of abstraction, rather than what they actually do in practice. The CAUL ISS is a self-report inventory that asks each respondent to describe what they do with information. It measures across standards 2 to 6 of the information literacy framework of the Australian and New Zealand Institute for Information Literacy (ANZIIL) (Bundy, 2004). The iSkills provides a simulated computer based test of performance of IL skills. In the higher education environment with access to computers, it is feasible to adopt simulated performance which provides the most direct measure of IL skills“ 367.

In den USA besteht zudem das vom Institute of Museum and Library Services sowie dem U.S. Department of Education geförderte Institute for Library & Information Literacy Education (ILILE) 368 an der Kent State University (Ohio). In enger Kooperation zwischen schulischen Lehrkräften und Medienexperten der Schulbibliotheken sollen dadurch auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene die Bestrebungen zur Entwicklung von Informations- und Medienkompetenz wirkungsvoll unterstützt werden. Am ILILE wurde beispielsweise „TRAILS“ (Tool for Real-time Assessment of Information Literacy Skills) 369 konzipiert, ein elektronisches Werkzeug zur laufenden Messung von Fertigkeiten der Informationskompetenz. Mithilfe von Multiple-Choice-Fragen zu verschiedenen Aspekten der Informationskompetenz soll das bislang erworbene Wissen (Stärken und Schwächen) gemessen werden, und zwar analog zu den jeweiligen Standards der Informationskompetenz auf den verschiedenen Anforderungsniveaus (bezogen auf die Stufen 6 und 9 der High School). Es handelt sich also nicht 366 367 368 369

Ebd., S. 10. Vgl. Catts / Lau (Anm. 90) S. 20 f. http://ilile.org/index.html (18. 08. 2011). http://www.trails-9.org/ (18. 08. 2011).

Evaluation und Qualitätssicherung von Informationskompetenz

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um eine abschließende Evaluation des durch die Lehrveranstaltung erzielten Lernerfolgs, sondern eher um ein lernbegleitendes Messinstrument. Das Projekt „SAILS“ (Standardized Assessment of Information Literacy Skills) 370 wurde 2001 ebenfalls bei der Kent State University (Ohio) und dem ILILE eingerichtet, und zwar getragen wiederum vom Institute for Museum and Library Studies und unterstützt durch die ARL (Association of Research Libraries). Es hat zum Ziel, einen standardisierten Test für Fertigkeiten auf dem Gebiet der Information Literacy zu entwickeln. Den Bibliotheken soll dadurch ermöglicht werden, verschiedene Klassen von IL-Fertigkeiten für Studentengruppen (Kohorten) zu dokumentieren und Felder zur weiteren Verbesserung festzulegen. Das Projekt ist dem Ziel der US-amerikanischen Hochschulbibliotheken verpflichtet, die Informationskompetenz der Studierenden entsprechend den ACRL-Standards optimal und nachhaltig zu fördern. Dazu bedarf es aber eines evaluierenden Instruments, das die Effizienz der Bemühungen der Bibliotheken bei der Förderung von Informationskompetenz nachweisen kann. Den Impact (Wirkung, Auswirkung) von Informationsnutzung in Studium und Wissenschaft sowie der Förderung von Informationskompetenz durch die Hochschulbibliotheken differenziert und zuverlässig zu messen, ist bislang noch nicht überzeugend gelungen. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem konkreten, häufig von Unsicherheit gekennzeichneten Informationsverhalten und der Informationskompetenz, die durch Beratung und Intervention, beispielsweise im Rahmen der „Guided inquiry“ 371, zu verbessern wäre. In Großbritannien existieren Initiativen einer zwischen mehreren Universitäten kollaborativ angelegten systematischen Evaluation der Information Literacy, im Hinblick auf deren Auswirkungen (impact) im Studium: „Finally it proposes a research design for further evaluation work in higher education, combining a new student-focussed framework for information literacy development (already field-tested) and application of concept mapping as a diagnostic tool.” 372 Als ein Zwischenergebnis fand man heraus, dass infolge verbesserter Informationskompetenz die Studierenden die Dienstleistungen und Ressourcen der Bibliothek verstärkt wahrnehmen, dass es eine festere Integration der Informationskompetenz in das fach- und kontextbezogene Lehren und Lernen 370 https://www.projectsails.org/index.php?page=home (18. 08. 2011). 371 Kuhltau: From information to meaning (Anm. 86) S. 71 f. 372 Streatfield, David / Markless, Sharon: Evaluating the impact of information literacy in higher education. In: Libri 58 (2008) S. 102.

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Konzepte der Teaching Library in deutschen Hochschulbibliotheken

gibt, wie auch eine positivere Einstellung des Lehrpersonals gegenüber dem Informationskompetenz-Konzept und der Nutzung entsprechender Materialien durch die Studierenden 373. In dieser Richtung mangelt es in Deutschland bislang an Evaluation der Informationskompetenz-Förderung seitens der Hochschulbibliotheken und der dadurch zu erzielenden Effekte für das Studium. Es gibt begrenzt aussagekräftige Beispiele der Technischen Universität München 374 und der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin 375. Die UB der FU Berlin beteiligt sich mit einem Modul „Informationskompetenz“ am Studienbereich Allgemeine Berufsvorbereitung (ABV) des Bachelorstudiums. Dieses ist kombiniert mit drei weiteren, von der Zentraleinheit Datenverarbeitung (Zedat) der FU verantworteten Modulen: Techniken elektronischen Recherchierens und Präsentierens; Computergestütztes Projektmanagement; Das Internet: Berufliche Nutzung und Präsentation. Die Studienordnung der FU Berlin für den ABV-Bereich definiert die folgenden Studienziele: „Qualifikationsziele dieses Kompetenzbereichs sind die Fähigkeit zur kompetenten Handhabung grundlegender neuer Technologien, zum selbst gesteuerten Lernen und Informieren und die Fähigkeit, Informationen fundiert zu bewerten. Dazu gehören … ein umfassender Überblick über die zunehmend elektronisch vorhandenen Informationsangebote sowie das Erlernen effizienter Recherchetechniken.“ 376 Der Schwerpunkt liegt hier auf der Selbststeuerung der Informationsgewinnung sodann auf dem Überblick über das verfügbare elektronische Informationsangebot, auf der Fähigkeit zu fundierter Bewertung von Information und auf der Recherchekompetenz. Die Berufsqualifizierung wie die persönliche Informationskompetenz sollen gleichermaßen gefördert werden. Einzelne Komponenten dessen, was eingangs dieser Studie als Informationskompetenz definiert wurde, sind nachweisbar, jedoch hat man auf andere offensichtlich verzichtet: die Informationsauswahl und die Informationsverarbeitung. Diese werden dann bei der Beschreibung des Moduls durch die Universitätsbibliothek teilweise wieder eingeführt:

373 Vgl. ebd., S. 106. 374 Vgl. Schlindwein / Geisberg (Anm. 323). 375 Vgl. Jeder, Andrea / Kowalak, Mario / Tatai, Andrea / Buchholz, Petra: „... in der Praxis für mein Studium sehr hilfreich gewesen“. Vermittlung von Informationskompetenz im Rahmen der Allgemeinen Berufsvorbereitung in den Bachelor-Studiengängen der Freien Universität Berlin – ein Erfahrungsbericht. In: Bibliotheksdienst 40 (2006) S. 1416. 376 Ebd., S. 1410.

Evaluation und Qualitätssicherung von Informationskompetenz

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„In dem Modul soll die Fähigkeit vermittelt werden, Informationsbedürfnisse zu erkennen, zu beschreiben, zu reflektieren sowie Informationen situationsgerecht zu finden, zu bewerten und zu bearbeiten. Es soll der effiziente Umgang mit unterschiedlichen Medien sowie allgemeinen und fachlichen Informationsquellen erlernt werden. Qualifikationsziel dieses Moduls ist der zielgerichtete Einsatz von elektronischen und konventionellen Informationsquellen für die berufliche Praxis sowie die Steigerung der persönlichen Informationskompetenz zur Verbesserung der Berufsqualifizierung.“ 377

Dementsprechend ist die Evaluation des Lernerfolgs, die der Vergabe der Leistungspunkte sowie der Benotung zugrunde liegt, nach sieben bereichsbezogenen Beurteilungskriterien mit jeweils vier Stufen der Leistungserbringung aufgebaut. Dominant ist dabei deklaratives Wissen: Wiedergabe der Aufgabenstellung in eigenen Worten, Gliederung anlegen, Berücksichtigung der Quellen, Strategie und Beschreibung der Suchschritte, wissenschaftlicher Ausdruck, Literaturliste. Auf einer vierstufigen Skala werden die unterschiedlichen Leistungsausprägungen eingetragen und in ein Punktesystem umgerechnet. Die zu vergebenden Punkte schwanken pro Kriterium zwischen 8 und 44 Punkten. Diese höchste Punktzahl bezieht sich auf das Kriterium Strategie, Methodik und Dokumentation, also die Fragen, ob die gewählte Recherchestrategie gut erkennbar und gut dokumentiert, ob sie zureichend beschrieben und begründet ist. Mit jeweils maximal 12 Punkten werden das Kriterium „verwendete Informationsquellen“ sowie „Qualität der Ergebnisse / Literaturverzeichnis“ bewertet. Höchste Priorität bei der Evaluation von Hausarbeiten des von der UB der FU Berlin verantworteten Fachinformationskompetenz-Moduls genießen also die für eine effiziente Literaturrecherche erforderlichen Kompetenzen der Anlage einer durchdachten Suchstrategie und deren Dokumentation, während die Auswahl der Informationsquellen und die Qualität der Verarbeitung der Suchergebnisse im Rahmen des Literaturverzeichnisses nicht ganz so hoch gewichtet werden. Bedenkenswert wäre der im britischen Hochschulbibliothekswesen verwendete Begriff der „Evidence-based Information Literacy“, also der evidenzbasierten Informationskompetenz. Man solle denken wie die Wissenschaftler und Herausforderungen der Lerner benennen, Handlungsansätze in die eigene Sitzung bringen, Verbindungen zwischen Assessment und Impactmessung bewerten. Der messbare Lernfortschritt, die Evidenz, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Der engen Kooperation zwischen Bibliothekaren und Lehrenden kommt große Bedeutung zu, der Nähe zu Forschung und Studium. Man müsse

377 Ebd., S. 1411.

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Konzepte der Teaching Library in deutschen Hochschulbibliotheken

auf langfristig wirksames Wissen achten und das Vorher und das Nachher analysieren. Anhand von vier Forschungsansätzen – explorativ, analytisch, interpretativ, evaluatorisch – können die entsprechenden Informationskompetenzen gefördert und gefestigt werden. Die Lernenden erhalten beispielsweise einen wissenschaftlichen Artikel vorgelegt, sollen diesen lesen und sodann mit einem der vier oben genannten Ansätze bearbeiten. Anders als in Deutschland überschreiten diese Konzepte deutlich den eher eng gesteckten Rahmen der verbreiteten „Katalog- und Datenbankschulungen“, um es einmal so zu nennen, und erfassen den Bereich des wissenschaftlich-methodischen Arbeitens. Die Empfehlungen der GWK zu einer neuen Informationsinfrastruktur (s. Anhang F) schlagen eine Zertifizierung der Bibliotheks- und Informationseinrichtungen vor, die entsprechend den zu formulierenden Qualitätskriterien die Vorgaben tatsächlich und nachprüfbar erfüllen. In diesem Zusammenhang sollten zudem konkrete Instrumente zur Messung der durch die Schulungen und Kurse verbesserten Informationskompetenz entwickelt werden 378.

5.6 Zusammenfassung Eine Vielzahl von Bezeichnungen existiert für die Rolle der Hochschulbibliothek im Prozess des studentischen Lernens, die jeweils bestimmte Schwerpunkte setzen wollen, aber letztlich alle auf Ähnliches abzielen: dem Bedürfnis der Studierenden nach einem konzentrierten wie gleichermaßen kommunikativen Lernraum in der Hochschule entgegen zu kommen. Nicht immer ist eine explizite Strategie der Bibliothek für diese Aufgabenstellung sichtbar, sondern pragmatische Planungen und wenig theorielastige Sichtweisen sind vorherrschend. Allerdings könnte dies auch eine gewisse Unverbindlichkeit solcher als „Lernzonen“ ausgewiesener Bibliotheksbereiche nach sich ziehen, wenn keine flankierende Lernberatung, wie bei den Learning Grids der Fall, zur Verfügung steht oder wenn den Nutzern nicht transparent gemacht wird, dass die Bibliothek mithilfe ihrer Teaching Library Einführungen und weiterführende Kurse zur Bibliotheksbenutzung, zur Orientierung über das Medien- und Informationsangebot, zur effektiven Nutzung dieses Angebots und auch zur Organisation des Wissens anbietet. Zu respektieren ist allerdings, dass die Studierenden die Universitätsbibliothek vor allem wegen ihrer Arbeitsplätze zum Zweck 378 Dazu grundlegend: Erpenbeck, John (Hrsg.): Handbuch Kompetenzmessung: Erkennen, Verstehen und Bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis. 2., überarb. u. erw. Aufl. Stuttgart 2007.

Zusammenfassung

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konzentrierten, individuellen Arbeitens aufsuchen. Jede Form des Aufdrängens von unerbetener Unterstützung wäre fehl am Platze. Im Hinblick auf die Aufgabe als Supportstruktur für die Lehre eignet sich der Begriff der Teaching Library besonders, weil er die Intentionalität dieser Aufgabenbestimmung unterstreicht. Es geht zwar um die Schaffung einer umfassenden Lernkultur, die sowohl Lehrangebote wie Kurse und Schulungen zulässt als auch dem informellen Lernen Raum lässt. Dennoch erscheint es ratsam, die in den Begriffsfacetten zum Ausdruck kommende Bandbreite an möglichen Ausgestaltungen des Lernorts Hochschulbibliothek anzuerkennen, die Teaching Library in ihrer Bedeutung für das studentische Lernen also nicht überzubewerten. Eine solche Sichtweise legen auch die oben referierten empirischen Studien zum Informationsverhalten und zur Informationskompetenz nahe, denn den Hochschuldozenten und den Fakultäten wird ebenfalls eine wichtige Rolle für die Verbesserung der eigenen Informationskompetenz zuerkannt. Die existierenden Konzepte der Teaching Library in deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken zeigen, dass es noch keine Klarheit über ein durchdachtes, längerfristiges Konzept der Teaching Library gibt, sondern dass diese sich primär an den jeweiligen lokalen Rahmenbedingungen des Fachstudiums und des fachübergreifenden Bereichs (Optionalbereich) orientiert. Von den drei Formen der Integration des Bibliotheksangebots in das Studium erscheint die intracurriculare Variante als die vorteilhafteste, denn sie erfüllt einige wesentliche Anforderungen an eine erfolgreiche Förderung von Informationskompetenz Studierender: eine enge Abstimmung mit der Hochschullehre, situativer, fachnaher Kontext, die Anbindung an konkreten Informationsbedarf Studierender. Hinzu kommt, dass der von der Bibliothek zu erbringende Aufwand sich auf die Planung und die Durchführung von zwei bis vier Schulungsstunden begrenzt. Dadurch ergeben sich Spielräume für die Etablierung solcher intracurricularer Module in einer Vielzahl von Fächern, so dass die Teaching Library mehr Akzeptanz in der Hochschule finden kann, als wenn sie sich nur auf wenige, eventuell zeit- und personalintensive Semesterveranstaltungen konzentrieren würde. Die eigentlich für die Bibliothek entlastenden E-Learning-Angebote nehmen, wie die vorliegenden statistischen Daten zeigen, bislang nur einen geringen Anteil bei den Schulungsangeboten ein. Die Studierenden haben andererseits Bedarf an elektronischen Lernhilfen, weil sie aufgrund ihres engen Stundenplans die für den Besuch der Bibliotheksveranstaltungen notwendige Zeit vielfach nicht aufbringen können, es sei denn, die Kurse sind fest in das Studienprogramm eingebunden. Der Überblick über E-Learning-Konzepte deutscher

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Konzepte der Teaching Library in deutschen Hochschulbibliotheken

Hochschulbibliotheken hat den Einfallsreichtum bei der Konstruktion von Tutorials veranschaulicht, zeigt jedoch Grenzen beim flächendeckenden ökonomisch vertretbaren Einsatz zentral produzierter Online-Tutorials, wie es die nordrhein-westfälischen Landes- und Hochschulbibliotheken praktizieren. Die bayerischen Hochschulbibliotheken versuchen, mit der koordinierten Produktion von E-Tutorials auf der Basis einer Screencasting-Software zu einer größeren inhaltlichen Breite bei dieser Form der Lernunterstützung zu kommen. Manche Bibliotheken, wie zum Beispiel die UB Bamberg, haben immerhin mehr als 20 solcher E-Tutorials, vornehmlich bezogen auf Literaturdatenbanken, erstellen können 379. Die Hochschulbibliotheken in Lüneburg und in Hildesheim produzierten in bilateraler Zusammenarbeit ein differenziertes OnlineTutorial, das in beiden Hochschulen eingesetzt wird 380. Allerdings mangelt es noch an statistischen Daten zur Nutzung der Tutorials. Ein noch weithin brach liegendes Feld der Teaching Library betrifft die Evaluation und die Qualitätskontrolle. In den USA werden auf nationaler Ebene zentral entwickelte Instrumente wie SAILS und TRAILS von vielen Hochschulbibliotheken bereits eingesetzt, in Deutschland bemühen sich einzelne Bibliotheken um praktikable Maßnahmen der Leistungserfolgsmessung, wie das Muster der FU Berlin zeigt. Andere Universitätsbibliotheken verwenden die auch von der Hochschullehre eingesetzten Evaluationsbögen, allerdings gestatten diese nur bedingt eine differenzierte Berücksichtigung der verschiedenen Dimensionen von Informationskompetenz. Insofern besteht hier noch erheblicher Handlungsbedarf, der in den Empfehlungen des WR und der GWK (KII-Gutachten, siehe Anhang F) zu neuen Informationsinfrastrukturen und zur Rolle der Förderung von Informationskompetenz festgestellt wird.

379 Ersichtlich ist dies aus dem Protokoll der 14. Sitzung der bayerischen Arbeitsgemeinschaft Informationskompetenz vom 20. 7. 2010 (TOP 3). Die Protokolle sind über http://www.informationskompetenz.de/Regionen/Bayern im Internet einsehbar. 380 Vgl. Theis / Ahlers / Brahms / Brauer / Krumscheid / Ranchel-Calero (Anm. 34).

6 Didaktische Anforderungen an die Teaching Library Für die Hochschulbibliotheken als Lehr-Lernorte und für die dort tätigen Bibliothekare ergeben sich neue Rollen im Kontext des Lernens und Lehrens 381: Diese erstrecken sich auf die Zusammenarbeit mit dem Fachbereich und mit anderen Spezialisten für die Informationsversorgung und die Lehre, auf den Entwurf von Unterrichtsprogrammen für den Informationszugang, auf die Unterweisung der Studierenden und der Hochschullehrer im Hinblick auf den Zugang zur Information, unabhängig vom Format oder Ort, und bezüglich der Bewertung der ermittelten Information, auf Beratungsservice für Informationsressourcen, Fragen und Probleme, auf die Entwicklung und Implementation der Informationspolitik, auf den Entwurf von Informationszugangstools, sodann auf die Auswahl, Organisation und Bewahrung der Information in allen Formaten und auf die Führung und Vermittlung bei der Einführung von Informationstechnologien und Sicherung ihrer effektiven Anwendung. Als wesentliche Voraussetzungen, um die Aufgaben der Teaching Library erfüllen zu können, werden genannt 382: Kenntnisse der Erziehungstheorie und ihrer praktischen Anwendung durch das Instruktionsdesign, die Fähigkeit, Lernziele und Lerngegenstände zu beschreiben, die Fähigkeit, Instruktionsprogramme und -materialien, passend zu den Lehrzielen und übereinstimmend mit einer Persönlichkeitstheorie des Lernens und der menschlichen Entwicklung, zu entwickeln, die Fähigkeit, eine Evaluation der Lehrveranstaltungen und der Lehrprogramme auszuarbeiten und durchzuführen. Vor dem Hintergrund der Entwicklung neuer Lernumgebungen in den britischen und in australischen Hochschulbibliotheken müssen sich die Bibliothekare also neuen Herausforderungen auch für ihr Rollenverständnis stellen 383, insbesondere im Hinblick auf eine deutlich erweiterte pädagogische Fundierung des Lernens in akademischen Umgebungen, gepaart mit neuen Methoden der Übermittlung einschließlich elektronischer und vermischter Ansätze. Die 381 Vgl. dazu u. a.: Virkus, Sirje / Metsar, Silvi: General introduction to the role of the library for university education. In: Liber Quarterly 14 (2004) S. 290–305; zur pädagogischen Rolle der Bibliothekare in einem akademischen Umfeld siehe auch: Levy, Philippa: Pedagogy in a changing environment. In: Levy / Roberts (Anm. 196) S. 24– 48. 382 Vgl. ebd., S. 289 f. 383 Vgl. Brophy, Peter: The policy framework: a critical review. In: Levy / Roberts (Anm. 196.) S. 20.

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Didaktische Anforderungen an die Teaching Library

Bibliothekare müssen sich ihrer pädagogischen Aufgabe mehr bewusst sein und alle Dienstleistungen so konzipieren, dass sie zur gesamten Lernumgebung in der Bibliothek passen. Da es für das Lernen und in der Lehren in der Bibliothek keine überzeugenden eigenen pädagogisch-didaktischen Ansätze gibt, auch wenn dazu seit den 1970er Jahren Überlegungen angestellt wurden 384, sind die seitens der Lernforschung angebotenen Theorieansätze hinsichtlich ihrer Geltung für Lehr-Lernaktivitäten im Kontext der Hochschulbibliothek zu berücksichtigen. Die Darstellung der von den deutschen Hochschulbibliotheken für ihre Kursangebote zur Förderung von Informationskompetenz angewandten pädagogisch-didaktischen Grundlagen erstreckt sich auf die didaktischen Ansätze, sodann die Formulierung der Lernziele und die Festlegung von Lerninhalten 385. Die von Schultka konzipierte Bibliothekspädagogik ist bestrebt, die edukativen Arbeitsfelder der Bibliothek umfassend auf den Begriff zu bringen – analog den Verfahrensweisen der Museums- und der Theaterpädagogik. In dieser Perspektive umfasst die Bibliothekspädagogik alles das, was bislang unter „Benutzerschulung“ zu subsumieren war, darüber hinaus aber weitere Aufgaben wie beispielsweise die didaktische Unterstützung von Ausstellungen in der Bibliothek oder die Vorstellung der Buchberufe 386. Besonders prononciert wird aus dieser Perspektive die Einbeziehung des Schul- und Hochschulunterrichts in den Bibliothekskontext vorgeschlagen, einschließlich der Leseförderung und der Schülerbetreuung. Das Erfurter Modell wird im Rahmen der AG Benutzerschulung des Landesverbandes Thüringen im Deutschen Bibliotheksverband auch auf Landesebene weiter verfolgt 387. Das Konzept der Informationskompetenz steht im Zentrum der didaktischen Aktivitäten seitens der Hochschulbibliotheken. Für eine ausreichende theoretische Grundlegung des Konzepts der Informationskompetenz wäre es denkbar, die kognitiven Grundlagen der Informations- oder Wissensverarbei-

384 So Bock, Gunter: Hochschuldidaktische Aspekte des Bibliothekswesens. Überlegungen und Vorschläge zu einer Reform der Einführung von Studenten in die Bibliotheksbenutzung. Dokumentation Fachbibliothek Werksbücherei 19 (1971) S. 33– 40; Bock, Gunter: Einführung in die Bibliotheksdidaktik. Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 19 (1972) S. 301–310. 385 Vgl. Hütte, Mario: Inhalte und Methoden der Vermittlung von Informationskompetenz. In: Bibliotheksdienst 44 (2010) S. 973–985. 386 Siehe Schultka 2002 u. 2005 (Anm. 317). 387 Vgl. Thüringenweite AG Benutzerschulung beim Landesverband Thüringen im Deutschen Bibliotheksverband e.V. (DBV). Kulturelle Bildungsarbeit in Thüringer Bibliotheken. Ein Curriculum. Erfurt 2008.

Grundlagen des Lehrens und Lernens

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tung abzuklären, sowohl unter Bezug auf Erkenntnisse der Psychologie des Lernens 388, der Pädagogischen Psychologie 389, der Instruktionspsychologie 390, der Informationspsychologie 391 oder der Neurobiologie 392 sowie im Hinblick auf synthetische Ansätze, wie beispielsweise das ULM-Modell 393.

6.1 Grundlagen des Lehrens und Lernens Lernen zielt auf eine Verhaltensänderung des Lernenden ab, und zwar in Richtung auf die zugrunde gelegten Lernziele. In der neueren pädagogisch-psychologischen Lehr-Lernforschung 394 dominieren die Ansätze des darbietenden Lehrens (J. P. Ausubel) und des entdeckenlassenden Lehrens/Lernens (J. S. Bruner). Allerdings besteht die Tendenz, diese zwei Modelle nicht mehr als Gegensätze zu betrachten, sondern nach Möglichkeiten der wechselseitigen Kombination zu suchen. Unterricht und Lernen werden nicht mehr nur als Aktivität der Lehrperson, sondern vor allem auch des Lernenden selbst angese388 Siehe zum Beispiel: Seel, Norbert M.: Psychologie des Lernens. Lehrbuch für Pädagogen und Psychologen. 2. Aufl. München, Basel 2003. 389 Vgl. u. a.: Renkl, Alexander (Hrsg.): Lehrbuch Pädagogische Psychologie. Bern u. a. 2008, insbes. S. 109–153; Hasselhorn / Gold (Anm. 51). 390 Vgl. Klauer / Leutner (Anm. 100). 391 Vgl. Mangold (Anm. 114). 392 Vgl. Roth (Anm. 247). 393 Vgl. Shell, Duane F. / Brooks, David W. / Trainin, Guy / Wilson, Kathleen M.: The unified learning model: how motivational, cognitive, and neurobiological sciences inform best teaching practices. Dordrecht, Berlin 2010. 394 Vgl. dazu und zum Folgenden insgesamt: Klauer / Leutner (Anm. 100); Straka, Gerald A. / Macke, Gerd: Lern-Lehr-Theoretische Didaktik. 4. Aufl. Münster 2006 (LOS – Lernen, Organisiert, Selbstgesteuert); ferner Macke, Gerd / Hanke, Ulrike / Viehmann, Pauline: Lehren, Vortragen, Prüfen. Mit Methodensammlung „Besser Lehren“. Weinheim, Basel 2008 (Pädagogik); Seel, Norbert M.: Psychologie des Lernens. Lehrbuch für Pädagogen und Psychologen. 2. Aufl. München, Basel 2003; Winteler, Adi: Professionell lehren und lernen. Ein Praxisbuch. 3. Aufl. Darmstadt 2008; SühlStrohmenger, Wilfried / Straub, Martina: Pädagogische Überlegungen und didaktische Ansätze zur Vermittlung von Informationskompetenz an der Universitätsbibliothek Freiburg, in: Raffelt, Albert (Hrsg.): Bibliothek − von außen und von innen. Aspekte Freiburger Bibliotheksarbeit. Für Bärbel Schubel. Freiburg i. Br. 2008; S. 123–146 (Schriften der Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau; Bd. 28). http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/5000/ (10. 09. 2011); Sühl-Strohmenger, Wilfried: Neugier, Zweifel, Lehren, lernen …? Anmerkungen zur Didaktik der Teaching Library. In: Bibliotheksdienst 42 (2008) S. 880–889; Hanke, Ulrike / Straub, Martina / Sühl-Strohmenger, Wilfried: Informationskompetenz professionell fördern. Ein Lehrbuch zur Didaktik von Bibliothekskursen. Berlin, Boston 2012 (im Druck).

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Didaktische Anforderungen an die Teaching Library

hen, im Sinne eines selbstregulierten Prozesses der Konstruktion von Wissen (Konstruktivismus). Im Rahmen einer komplexen, differenzierten Lernumgebung kann das Lernen herausgefordert werden, indem eine entsprechend geeignete Lernumwelt mit Lernberatung zur Verfügung steht. Dies sollte zu der nach wie vor notwendigen direktiven Unterrichtung durch Lehrpersonen hinzukommen, möglichst durch Schaffung realitätsnaher, problemorientierter Lernanlässe. Der Lehrende soll nicht in erster Linie Wissen und Können übermitteln, ohne dieses allerdings auszuschließen, sondern soll im oben genannten Sinne anregend, unterstützend und fördernd tätig sein, um dadurch die Aneignung und Entwicklung der Lerntätigkeit und für die Entwicklung der Lernenden zu sorgen – durch Gestaltung der pädagogischen Interaktion, Kommunikation und Kooperation mit den Lernenden. Die klassischen, bewährten Mittel erzieherischen Handelns wie das Anregen von Fragen, das Wecken von Neugier, die Ermutigung zu eigenständigen Gedanken tragen wesentlich zum Lernerfolg bei. Es geht also um einen entwicklungsfördernden Unterricht, der vom eigenregulierten, kooperativen Lernen ausgeht, fremdregulierte Hilfe durch den Lehrer erfährt, um auf der dritten Stufe eigenreguliertes Lernen auf höherem Niveau der Anforderungsbewältigung zu erreichen. Der Konstruktivismus oder die subjektive Didaktik sehen Verstehen als begriffliche Operation des Lerners selbst, der sein Denken selbst baut und konstruiert, wie beim entdeckenden Lernen. Jedes Individuum macht sich von der Wirklichkeit und der Umwelt ein unverwechselbares eigenes „Bild“: Es wählt aktiv die Information und die Umweltanteile aus, die seinen Bedürfnissen und Erfahrungen, seinen Zielen und bisherigen (Er-)Kenntnissen entsprechen. Der Lehrende soll die Aneignung und Entwicklung der Lerntätigkeit anregen und für die Entwicklung der Lernenden sorgen – durch Gestaltung der pädagogischen Interaktion, Kommunikation und Kooperation mit den Lernenden. Die bewährten Mittel erzieherischen Handelns wie das Anregen von Fragen, das Wecken von Neugier, die Ermutigung zu eigenständigen Gedanken tragen wesentlich zum Lernerfolg bei. Das expositorische (darbietende) Lernen nach J. P. Ausubel basiert wesentlich auf der Integration neuen Wissens in die vorhandene kognitive Struktur des Lernenden. Allerdings stellt sich dann das Problem, wie das vorhandene Wissen jeweils festgestellt werden kann. Denkbar wäre ein kurzer Eingangstest, beispielsweise bezogen auf ein Thema für eine Katalogrecherche. Ungeachtet dessen besteht weitgehende Einigkeit dahingehend, dass folgende Grundlagen des Lehrens und Lernens wichtiger Bestandteil der pädagogisch-didaktischen Qualifikation für die Teaching Library erforderlich sind:

Grundlagen des Lehrens und Lernens

– – – – – –

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Planung und Analyse des Unterrichts Aktivierende Lehr-Lern-Methoden Medieneinsatz bei der Lehre / E-Learning Grundlagen der Kommunikation Kollegiale Beratung 395 Evaluation, Lernerfolgskontrolle.

Die Planung von Lehrveranstaltungen hat zunächst das grundlegende „didaktische Dreieck“, das aus dem Lehrenden, dem Lehrstoff und den Lernenden besteht, zu berücksichtigen. Diese Punkte bedürfen jeweils einer gewissen Reflexion und bestimmter Entscheidungen. Dabei fließen Bedingungsfelder (externe Bedingungen, d. h. gesellschaftliche wie organisatorisch-strukturelle Bedingungen und interne Bedingungen, d. h. insbesondere die Motivation und die Lernvoraussetzungen der Lernenden) ein. Mithilfe einer Planungsmatrix können diese Dimensionen und Planungsfelder übersichtlich dargestellt werden. Die Grundlagen der Unterrichtsplanung erstrecken sich auf die Entscheidungsfelder: Kursthema, Zielgruppe, Festlegung der Zeitplanung, Auswahl der Lerninhalte, die Lehr-/Lernmethoden (Vortrag, Lehrgespräch, Gruppen-/Partnerarbeit, Übung), auf die Einbeziehung von geeigneten Medien und schließlich auf die Lernerfolgskontrolle. Auch für Kurse der Teaching Library ist eine entsprechende didaktische Planung unverzichtbar 396. Die gewählten Sozialformen des Lernens hängen von den jeweiligen Zielsetzungen des Einführungs- oder Schulungskurses, aber auch von den Gruppengrößen ab. Obwohl die Vorlesung, der Lehrvortrag, keine aktivierende Form des Lehrens darstellt, bietet sie sich nicht selten für Bibliotheksveranstaltungen an. Aufgrund einschränkender Rahmenbedingungen, nicht zuletzt im Hinblick auf die Personalausstattung sowie enge terminliche Vorgaben, haben die Bibliotheken es häufig mit größeren Teilnehmergruppen zu tun, so dass der Lehrvortrag (oder auch das Impulsreferat) zumindest als Einstimmung und Grundlegung des Schulungskurses nahe liegt.

395 Siehe dazu auch: Renner, Jens: Neue Kooperationen in der Lehre. Kollegiales Feedback und externe Methodenberatung zur Verbesserung der Informationskompetenzvermittlung durch Fachhochschulbibliotheken. In: BuB. Forum Bibliothek und Information, 60 (2008) S. 527–528. 396 Eine solche detaillierte Planung bieten: Dannenberg, Detlev / Haase, Jana: In 10 Schritten zur Teaching Library – erfolgreiche Planung bibliothekspädagogischer Veranstaltungen und ihre Einbindung in Curricula. In: Krauß-Leichert (Anm. 13), S. 101– 135.

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Didaktische Anforderungen an die Teaching Library

Einige didaktische Prinzipien erscheinen also für Bibliothekskurse besonders nützlich zu sein: Angeknüpft werden sollte an den Erfahrungen und Erwartungen der Lernenden, die Lernaufgaben sollten Praxis- und Studienbezug aufweisen, die Lehrkräfte sollten sich um einen Wechsel zwischen aktiven und reflexiven Phasen bei ihrem Unterricht bemühen, Lernen sollte sowohl individuell als auch in Gruppen stattfinden. Eine große Rolle beim Lerntransfer, also bei der Übertragung von Wissen auf neues Lernen, auf neue Kontexte, spielt das träge Wissen (inert knowledge), das zwar vorhanden ist, bei Bedarf aber nicht eingesetzt wird 397. Für eine erfolgreiche Lehrstrategie ist es erforderlich, die Lernenden zu befähigen, bereits erlernte Prinzipien, Gesetzmäßigkeiten oder Strategien auf neue Probleme zu übertragen. Wesentlich für den Prozess des Lerntransfers ist also die Aktivierung des Vorwissens 398. Offene Methoden der Vorwissensaktivierung sind beispielsweise das Brainstorming, das Mappingverfahren oder das Berichtenlassen von Erfahrungen. Fokussierte Lehrstrategien zur Vorwissensaktivierung sind der Einsatz des Advance Organizer als vorstrukturierender Lernhilfe (beispielsweise in Form einer Mindmap) nach Ausubels Theorie des expositorischen Lernen 399, das Fragestellen, das Veranschaulichen anhand konkreter Beispiele oder Fälle, sowie der Einsatz von Analogien. Dazu sind möglichst authentische Problemstellungen, die nahe an den Erfahrungen der Lernenden gewählt sind, hilfreich. Renkl 400 betont besonders die Bedeutung der Beispiele, und zwar handelt es sich um ausgearbeitete Lösungsbeispiele, die Wissen generieren und festigen sollen. Die Lösungsbeispiele sollten „Selbsterklärungen“ auslösen, d. h. die Lernenden müssen durch die Qualität der generierten Selbsterklärungen dazu gebracht werden, sich die Aufgaben selbst zu erklären, also Zusammenhänge zu erkennen und den gesamten Verstehensprozess metakognitiv zu überwachen 401. Lernen sollte an bestimmte Anlässe und Problemauslöser geknüpft werden, so dass seitens des Lehrenden ein entsprechend situiertes und problemorientiertes Lehren 402 gefordert wird. Es handelt sich um einen stark lehrergesteuerten Unterrichtsstil, der sich insbesondere für die Vermittlung neuen Stoffs in gut strukturierten Wissensgebieten eignet, also auch für die hier interessierenden Inhaltsfelder der Informationskompetenz. 397 398 399 400 401 402

Siehe Klauer / Leutner (Anm. 100) S. 141. Vgl. Krause / Stark (Anm. 118) Vgl. dazu u. a.: Straka / Macke (Anm. 394). Vgl. Renkl (Anm. 389). Siehe auch: Hasselhorn / Gold (Anm. 51) S. 268. Ebd., S. 274 ff.

Lehrstrategie MOMBI als Modell für Bibliothekskurse

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Sodann plädiert Renkl für das Lernen durch Selbsterklären von Lösungsbeispielen, vor allem in frühen Lernphasen. Es geht dabei im Kern um das Verständnis eines „Domänenprinzips“, also beispielsweise die Anwendung der Boole’schen Logik. Wenn allerdings den Lernenden zu früh Aufgabenbeispiele gestellt werden, ehe sie das Domänenprinzip wirklich verstanden haben, führt das zu unbefriedigenden Ergebnissen, weil viele Lernende die Beispiele nur oberflächlich oder passiv verarbeiten. Sie sollen aber in die Lage versetzt werden, durch das Lösen von ausreichend vielen Beispielaufgaben strukturgleiche Aufgaben selbstständig zu lösen. Allerdings müssen die Lernenden über Aufforderungen oder durch ein Kurztraining angeregt werden, aktiv Selbsterklärungen vorzunehmen, um dadurch auch Transferleistungen auf Aufgaben mit abgeänderter Struktur zu fördern. Gerade darauf kommt es im Hinblick auf die mithilfe der Informationskompetenz zu bewältigenden vielfältigen Anforderungen der Informationsbewältigung wesentlich an. Für den Zusammenhang mit den neuen Studiengängen und dem – auch informellen – Lernen in der Bibliothek spielt das Lernen in Gruppen eine wichtige Rolle. Beim kooperativen Lernen 403 arbeiten die Lernenden in kleinen Gruppen, um sich beim Erlernen von Kenntnissen und Fertigkeiten gegenseitig zu helfen. Es handelt sich um ein aktives, selbstständiges und soziales Lernen. Die Lehrperson tritt in den Hintergrund. Auch motivationale und emotionale Lernziele sollen erreicht werden. Besonders erfolgversprechend kann kooperatives Lernen gefördert werden, wenn „die Mitglieder der Lerngruppe je für einen Teilaspekt des Lerninhalts, aber gemeinsam für die Erreichung des Gesamtziels verantwortlich werden.“ 404 Im Rahmen von Bibliothekskursen zur Informationskompetenz gelingt dies beispielsweise durch projektorientierte Veranstaltungen, in denen die Studierenden beispielsweise ein aus mehreren Teilen bestehendes Dossier in Kleingruppen, dann aber auch gemeinsam zusammen stellen müssen 405.

6.2 Lehrstrategie MOMBI als Modell für Bibliothekskurse Ein auf den oben skizzierten lerntheoretischen Grundlagen entwickeltes didaktisches Modell müsste einerseits geeignet sein, der Aktivierung der Moti403 Vgl. ebd., S. 284 ff.; siehe auch: Huber, Günter L.: Lernen in Gruppen / Kooperatives Lernen. In: Mandl / Friedrich (Anm. 116) S. 261–272. 404 Huber (Anm. 403), S. 266. 405 Vgl. Becht / Mayer / Ohlhoff / Sühl-Strohmenger (Anm. 321) S. 1180–1183.

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Didaktische Anforderungen an die Teaching Library

vation und des Vorwissens der Lernenden Raum zu geben, sodann verschiedene Instruktionsphasen im Wechsel mit vertiefenden Übungsphasen zu ermöglichen, die die Bildung von Schemata begünstigen. Dadurch ergäben sich zugleich Möglichkeiten des selbst organisierten Lernens, das in der Hochschulbibliothek mit seiner Lerninfrastruktur indirekt unterstützt werden könnte. Als für Bibliothekskurse zur Förderung von Informationskompetenz geeignete Lehrstrategie bietet sich vor diesem Hintergrund das von Hanke vorgeschlagene „Model of Model Based Instruction / MOMBI“ 406 an, das wesentliche lehr-lerntheoretische Erkenntnisse berücksichtigt. Vom Zweck her ähnlich wie ein Advance Organizer dient die erste Phase des Provozierens dazu, die Kursteilnehmer für das Thema zu sensibilisieren, Neugier zu wecken, ein mentales Modell zu bilden und das Vorwissen zu erkunden. Der Lehrende kann dabei eine geeignete Karikatur, ein Cartoon oder auch eine entsprechend provokative Aussage bringen wie zum Beispiel: „Ein Bibliothekskatalog ist doch gegenüber Google nichts mehr wert und sollte nicht weiter angeboten werden!“ Kognitive wie emotional-affektive Vorgänge können gleichermaßen initiiert werden. Die daraus möglicherweise entstehende lebhafte Diskussion wird dann in die nächste Phase des Lerngeschehens überführt, das Aktivieren. Die Teilnehmenden lernen mithilfe eines Arbeitsblattes oder einer Aufgabenstellung selbstständig, aktivieren dabei ihr vorhandenes Vorwissen (zum Beispiel bezogen auf die Suche nach Fachliteratur in einem elektronischen Bibliothekskatalog), suchen nach weiterer Information und erarbeiten beispielsweise ein Szenario der gezielten Recherche im Bibliothekskatalog nach Büchern zu einem eigenen Thema, mit dem Ziel, zu einem entsprechenden Wissensschema zu gelangen, das auch für andere Beispielaufgaben wirksam werden kann, entsprechend dem instruktionsbasierten Ansatz. Als nächste Phase folgt die des Informierens, in der die Lehrenden Orientierung und Unterstützung anbieten, dadurch im Sinne von Scaffolding – ein wesentliches Moment der kognitiven Meisterlehre − die Entstehung einer Art Gerüst begünstigen. Denkbar ist dafür ein kurzer Lehrvortrag, ein Lehrgespräch oder eine Präsentation: Anhand des Online-Kataloges einer Hochschulbibliothek erläutert der Dozent die Funktion der normierten Schlagwörter, der Boole’schen Operatoren und der angebotenen Suchlimits für bestimmte Zeiträume, Publikationsformen oder Sprachen. Die Literaturrecherche kann bei

406 Siehe dazu: Hanke, Ulrike: The model of model-based instruction. In: Ifenthaler, Dirk / Pirnay-Dummer, Pablo / Spector, J. Michael (Eds.): Understanding models of learning and instruction. New York 2008, S. 175–186.

Lehrstrategie MOMBI als Modell für Bibliothekskurse

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Verwendung solcher Instrumente präziser angelegt werden als durch die einfache Suche mit einem Stichwort oder einem Verfassernamen. Das Integrieren und Festigen bezieht sich auf die Integration eines vorher gebildeten mentalen Modells und das Festigen dieses Modells im Sinne eines Schemas. Die neue Information wird mit dem Vorwissen verknüpft, so dass ein neues mentales Modell entsteht. Damit diese jedoch längerfristig, also im Langzeitgedächtnis gespeichert werden kann, muss der Prozess mehrfach und abgewandelt für verschiedene ähnliche Beispiele wiederholt werden. „This process is called schematization, and is a process of abstraction and generalization. As soon as a mental model has been schematized, constructed several times, and stored in an abstracted and generalized way as a schema, we can say, that the new information and its handling have been learnt.” 407 Insofern ergibt sich daraus nach dem MOMBI-Modell die abschließende Phase des Übens. Ein umfassendes modellhaftes Lernarrangement wurde beim Arbeitsbereich Informationswissenschaft der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Chur entwickelt: „Das DIAMOND-Konzept beschreibt ein umfassendes Lernarrangement mit einer umfassenden Integration multipler Lehr-/Lernkontexte und Perspektiven und basiert auf den Grundannahmen des Konstruktivismus“ 408. Im Rahmen von DIAMOND werden insofern – auch unter Bezugnahme auf Mandl/Kopp 409 − die lernpsychologische Erkenntnisse, dass Lernprozesse nach Möglichkeit situiert angelegt werden und in einen sozialen Kontext eingebettet sein sollen, explizit berücksichtigt. Der sozialen Interaktion gilt besonderes Augenmerk bei der Modellierung auch der elektronischen Lernumgebungen, denn DIAMOND zielt auf die Realisierung von Blended Learning und den Einsatz unterschiedlicher Lernszenarien ab. Phasen der Instruktion 407 Hanke, Ulrike / Huber, Elke: Acceptance of model-based instruction among students in Spanish and mathematics. In: Spector, J. Michael / Ifenthaler, Dirk / Isafas, Pedro / Kinshuk / Sampson, Demetrios (Eds): Learning and instruction in the digital age. New York, Dordrecht, Heidelberg, London 2010, S. 228. 408 Bauer, Lydia / Böller, Nadja / Hierl, Sonja: DIAMOND. Didactical Approach for Multiple Competence Development. Chur 2009, S. 19 (Churer Schriften zur Informationswissenschaft. Bd. 35). http://www.fh-htwchur.ch/uploads/media/CSI_35_ Bauer_Boeller_Hierl.pdf (24. 07. 2011); Bauer, Lydia / Böller, Nadja / Herget, Josef / Hierl, Sonja: Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz in der Hochschullehre: Das DIAMOND-Konzept. In: Arbido 22 (2007) S. 35–39. 409 Vgl. Mandl, Heinz / Kopp, Birgitta: Aspekte didaktischen Handelns von Lehrenden in der Weiterbildung. Department Psychologie, Institut für Pädagogische Psychologie. Forschungsberichte. Nr. 180. München: Ludwig-Maximilians-Universität 2005. http:// epub.ub.uni-muenchen.de/742/1/Forschungsbericht180.pdf (19. 07. 2011).

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Didaktische Anforderungen an die Teaching Library

und der Teilnehmeraktivierung, möglichst als kooperatives Lernen in PeerGruppen und nahe am jeweils konkreten Anwendungswissen, sollen sich abwechseln.

6.3 Selbstgesteuertes Lernen in der Teaching Library Bei selbstgesteuertem Lernen 410 handelt es sich um ein Lernen, das aus den selbst generierten Gedanken der Lernenden und aus jenen Verhaltensweisen resultiert, die systematisch auf das Erreichen ihrer Lernziele ausgerichtet sind. Das bedeutet, dass die Lernenden sich die Lernziele selbstständig setzen, angemessene Techniken und Strategien auswählen und einsetzen müssen. Das eigene Lernverhalten muss beobachtet und bewertet werden, genauso die Effektivität des Strategieeinsatzes 411. Für das „Selbst-Lernen“ existieren in der Fachdiskussion zahlreiche Termini: selbstgestaltetes Lernen, selbstbestimmtes Lernen, autodidaktisches Lernen, eigenaktives Lernen, selbstreguliertes Lernen, selbstorganisiertes Lernen, selbstgesteuertes Lernen, autonomes Lernen, selbstgestaltetes Lernen 412. Ungeachtet dieser – auch vom semantischen Gehalt her – verschiedenen Umschreibungen kämen Selbst-Lernprozessen in der Weiterbildung einige zentrale externe Handlungsdimensionen zu, und zwar die Bestimmung über die Teilnahme am Lernprozess, die Bestimmung der Lernziele, der Lerninhalte, der Lernmethoden, der Lernmedien, des Lerntempos, des Lernorts sowie die eigene Bewertung des Lernprozesses 413. Im Kontext der Hochschulbibliotheken, die teilweise nur über geringe Personalkapazitäten verfügen, spielt das informelle (selbstregulierte) Lernen 414, das es durch entsprechende lernförderliche Infrastrukturen zu unterstützen gilt, eine große Rolle. Das Learning Resources Center der Staats- und Universi410 Vgl. Hasselhorn / Gold (Anm. 51) S. 299 ff. 411 Vgl. Straka, Gerald A.: Lernstrategien in Modellen selbst gesteuerten Lernens. In: Mandl / Friedrich (Anm. 116) S. 390–404. 412 Vgl. Walber (Anm. 20) S. 78. 413 Vgl. ebd., S. 81. 414 Siehe Overwien, Bernd: Informelles Lernen. Definitionen und Forschungsansätze. In: Brodowski, Michael / Devers-Kanoglu, Ulrike / Overwien, Bernd / Rohs, Matthias / Saliner, Susanne / Walser, Manfred (Hrsg.): Informelles Lernen und Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. Opladen & Farmington Hills, MI 2009, S. 23–34 (Beiträge aus Theorie und Praxis).

Selbstgesteuertes Lernen in der Teaching Library

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tätsbibliothek Göttingen mit einer vielfältigen technischen Lerninfrastruktur bildet ein markantes Beispiel dieser Konzeption. Auch die Universitätsbibliothek Freiburg hat bereits Ende der 1990er Jahre ein Lernzentrum mit rund 40 PC-Arbeitsplätzen geschaffen, das zusätzlich eine Lernberatung mit bestimmten Sprechzeiten anbot. Unter informellem Lernen ist – in Anknüpfung an eine Definition der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2001 – das Lernen im Alltag, am Arbeitsplatz, in der Familie und in der Freizeit zu verstehen, nicht strukturiert und nicht auf Zertifikate bezogen, meistens nichtintentional. Dadurch unterscheidet es sich grundlegend vom formalen Lernen, das institutionell geprägt, planmäßig strukturiert ist und mit anerkannten Zertifikaten abschließt 415. Informelles Lernen kann insofern unterstützt werden, als anregende Lernumgebungen geschaffen und die Fähigkeit zur Selbststeuerung gestärkt werden. Die Europäische Kommission empfiehlt, den Grad der Intentionalität aus der angenommenen Perspektive der Lernenden zu ergänzen. Sie unterscheidet demzufolge formales Lernen, das in einer Bildungs- oder Ausbildungseinrichtung stattfindet, nicht-formales Lernen, das weder in einer Bildungseinrichtung stattfindet noch zertifiziert ist, und informelles Lernen, das im Alltag, am Arbeitsplatz, im Familienkreis oder in der Freizeit stattfindet, üblicherweise auch nicht zu einer Zertifizierung führt. In den meisten Fälle ist es nichtintentional oder inzidentiell, also beiläufig 416. Zur quantitativen Dimension des informellen Lernens existieren recht unterschiedliche Angaben, die von einem Anteil des informellen Lernens zwischen 70 und 90 Prozent ausgehen, ohne solide empirische Basis 417. Inwieweit findet in der Hochschulbibliothek informelles Lernen statt? Handelt es sich nicht überwiegend um intentionales Lernen? Deutlich trennen lässt sich dies nicht, denn eigentlich lernen die Studierenden in der Bibliothek zielorientiert für ihr Studium, also nicht beiläufig, andererseits bietet ihnen die Fülle der dort verfügbaren Informationen und Medien eine Reihe von Anlässen zu nichtintentionalem Lernen. Dies gilt prinzipiell auch für die oben behandelten Lernzentren im Kontext der betreffenden Hochschulbibliotheken. Konstitutives Merkmal des studentischen Lernens in einem solchen Lernzentrum ist das ei415 Ebd., S. 26. 416 Vgl. Vgl. Overwien, Bernd: Stichwort. Informelles Lernen. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 8 (2005) S. 345 f. 417 Vgl. Rohs, Matthias: Quantitäten informellen Lernens. In: In: Brodowski, Michael / Devers-Kanoglu, Ulrike / Overwien, Bernd / Rohs, Matthias / Saliner, Susanne / Walser, Manfred (Hrsg.): Informelles Lernen und Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. Opladen & Farmington Hills, MI 2009, S. 35 (Beiträge aus Theorie und Praxis).

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Didaktische Anforderungen an die Teaching Library

genständige Lernen, entweder individuell oder in Gruppen. Informelles Lernen meint jedoch in erster Linie das inzidentielle, nicht zielgerichtete Lernen in Familie, Freizeit oder am Arbeitsplatz. Die Hochschulbibliothek als Teaching Library wäre nach diesem Verständnis also eine den formalen Bildungseinrichtungen – hier: der betreffenden Hochschule – nahe stehende Institution. Dass sie daneben mit ihren vielfältigen Kommunikationsbereichen auch informelles Lernen ermöglicht, bleibt dabei unbestritten. Sie unterstützt das informelle Lernen durch individuelle Beratung bei der Informationssuche und Informationsverarbeitung im Rahmen von Studien- und Forschungsprojekten sowie durch die Förderung des persönlichen Wissensmanagements.

6.4 Pädagogisch-didaktische Qualifizierung und Fortbildung Bibliothekare, die an der Hochschulbibliothek Schulungen und Kurse durchzuführen haben, verfügen in der Regel nicht über die nötigen didaktischen Grundkenntnisse und praktischen Fertigkeiten, um erfolgversprechend lehren zu können. Bereits in der ersten Bestandsaufnahme im Jahre 2004 zur Teaching Library in Deutschland 418 wurde dieser Aspekt deutlich hervorgehoben. Holger Schultkas Bibliothekspädagogik beruht auf einem reflektierten pädagogischdidaktischen Handeln der Bibliothekare, und er initiiert in Thüringen Workshops zur Didaktik für Bibliothekare (im Rahmen des dortigen DBV-Landesverbands). Die Bibliotheksverbände bieten – teilweise in Zusammenarbeit mit den regionalen Arbeitsgemeinschaften zur Informationskompetenz – ebenfalls didaktische Fortbildungen an. Viele Hochschulbibliotheken führen auf lokaler Ebene unter Einbeziehung der Hochschuldidaktik oder der pädagogischen Institute Workshops zur Planung und Durchführung von Bibliothekskursen durch 419. Auch in der bibliothekarischen Ausbildung wird diese Aufgabe mehr

418 Vgl. Lux / Sühl-Strohmenger (Anm. 13) S. 41 ff. 419 Siehe dazu zum Beispiel: Sühl-Strohmenger (Anm. 326); Reimers (Anm. 326); im Rahmen eines konzisen Überblicks: Gran, Meike: Didaktik und Methodik von Präsenzveranstaltungen zur Vermittlung von Informationskompetenz an Hochschulbibliotheken: Grundlagen, Modelle, Perspektiven. Studiengang DiplomBibliothekswesen. Fakultät für Informations- und Kommunikationswissenschaften Fachhochschule Köln 2008.

Pädagogisch-didaktische Qualifizierung und Fortbildung

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und mehr gesehen 420. Dennoch bestehen auf dem Gebiet der didaktischen Qualifizierung von Bibliothekaren noch große Defizite. Andererseits gibt es nicht wenige Bibliothekarinnen und Bibliothekare, die ein ausgesprochenes Talent zum Auftreten vor Gruppen und zur Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten haben. Diese müssen natürlich auch fortgebildet werden, jedoch haben sie schnell einen Zugang zur Didaktik gefunden und machen vieles intuitiv richtig. Das gibt es ähnlich in anderen Bildungsbereichen (vom Kindergarten bis zur Hochschule) auch: Nicht alle guten Lehrkräfte sind dies nur aufgrund einer didaktischen Ausbildung, allerdings gilt dies eben nur in Ausnahmefällen. Wie eine didaktisch Qualifizierung von Bibliothekaren inhaltlich gestaltet werden könnte, soll im Folgenden anhand eines Praxisbeispiels veranschaulich werden. Der Verfasser führt gemeinsam mit einer Erziehungswissenschaftlerin einen jährlichen didaktischen Kurs als zweitägige Blockveranstaltung im Rahmen des Masterstudiengangs für Bibliotheks- und Informationswissenschaften an der Universität Zürich durch. Dieser bei der Philosophischen Fakultät angesiedelte Weiterbildungsstudiengang wird von der Zentralbibliothek Zürich betreut. Auf die Thematik Informationskompetenz entfallen insgesamt 36 Lektionen (à 45 Minuten) 421, von denen 16 die Methoden der Vermittlung von Informationskompetenz umfassen, also die didaktischen Grundlagen und die Lehrstrategien. Das inhaltliche Kursprogramm erstreckt sich auf die nachfolgend aufgeführten Themen: Methoden der Vermittlung von Informationskompetenz (16 Lektionen) Lernziele: Die Studierenden kennen unterschiedliche Methoden zur Vermittlung von Informationskompetenz im Rahmen von bibliothekarisch verantworteten Lehrveranstaltungen. Sie sind in der Lage, unterschiedliche pädagogische und didaktische IK-Konzepte kritisch zu reflektieren.

420 Hinzuweisen wäre auf eine vorbildliche Initiative in Hamburg: Schulz, Ursula: Trainingswerkstatt für Teaching Librarians. Hamburger Studierende lernen das Unterrichten / WebQuests für Lehrende und Praktiker. In: BuB. Forum Bibliothek und Information 59 (2007) S. 807–811. 421 Auf den Webseiten der Zentralbibliothek Zürich kann das Curriculum des MASStudiengangs eingesehen werden, dabei auch die Lektionen für den Bereich „Informationskompetenz“: http://www.mas-biw.uzh.ch/curriculum/Aufbau6.pdf (18. 09. 2011).

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Didaktische Anforderungen an die Teaching Library

Insbesondere kennen sie wesentliche theoretische Grundlagen des Lehrens und Lernens und können dabei neuere Erkenntnisse der Kommunikationsforschung berücksichtigen. Sie wissen, wie ein Lehrplan konzipiert wird, und wie man die für Bibliothekskurse relevanten Lernziele, Lerninhalte, Methoden und Medien mit Blick auf verschiedene Stufen der curricularen Einbindung (extra-, intra-, intercurricular) formuliert bzw. anwendet. Lerninhalte: – Ansätze der „Bibliotheksdidaktik“ der 1970er Jahre im Kontext „Benutzerschulung“ – Neuere Modelle der IK-Vermittlung durch wissenschaftliche Bibliotheken: Bibliothekspädagogik, Hochschuldidaktik, Informationsdidaktik – Grundlagen des Lehrens und Lernens: Vergleich des Instruktionsparadigmas (Frontalunterricht) mit dem Problemlöseparadigma (Handlungsorientierter Unterricht, Selbstorganisiertes Lernen) – Grundlagen der didaktischen Planung (Entscheidungs-/Bedingungsfelder) – Konstruktionselemente eines Lehrplans mit Umsetzung auf IK-Inhalte und mit Berücksichtigung von IK-Standards – Rolle von Lehrenden – Lehrstrategie des klassischen Dreischritts – Planung einer IK-Lehreinheit – Kollegiale Beratung zu den Planungsentwürfen – Didaktische Aspekte des E-Learning/Blended Learning – Konzepte der Lernerfolgskontrolle bzw. der Evaluation von Lehrveranstaltungen Dozenten: Dr. W. Sühl-Strohmenger, Universitätsbibliothek Freiburg i. Br. Dr. U. Hanke, Institut für Erziehungswissenschaft, Universität Freiburg i. Br.

In ähnlicher Form könnten die bibliothekarischen Ausbildungsstätten in Deutschland im Rahmen des Ausbildungsthemas Informationskompetenz ein Modul zu den methodisch-didaktischen Prinzipien bibliotheksgestützter Schulungen und Kurse integrieren, sofern sie es nicht in Teilen bereits realisiert haben. In dem Zürcher Studiengang bringen die Teilnehmer teilweise berufspraktische Erfahrungen mit, sind jedoch bislang begrenzt mit den Aufgaben einer Teaching Library vertraut gewesen. Sie gewinnen durch das MAS-Studium durchaus vertiefte Einblicke in das Verständnis von Informationskompetenz, für die Aufgabe der Förderung dieser Kompetenz durch wissenschaftliche Bibliotheken und schließlich für die Beschäftigung mit didaktischen Grundlagen. Sie erhalten die Gelegenheit, eigene Bibliotheksveranstaltungen unter Bezugnahme auf die vermittelten und gemeinsam besprochenen didaktischen Konzepte zu planen und im Plenum vorzustellen. Dabei wird ihnen der Nutzen einer durchdachten Unterrichtsplanung bewusst. Ein nicht unwesentlicher Aspekt der didaktischen Qualifizierung von Bibliothekaren betrifft die Auseinandersetzung mit der Lehrerrolle. Diese partiell an-

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zunehmen, fällt nicht immer leicht, zumal Vorbehalte gegenüber pädagogischem Impetus verbreitet sind. Andererseits erweist es sich als nachteilige Erfahrung, wenn keine reflektierte Identität als Lehrperson existiert, man jedoch einer Kursgruppe in Seminarstärke oder sogar in dreistelliger Großgruppendimension zu besserer Informationskompetenz verhelfen soll. Manche Bibliothekare lehnen eine solche Rollenübernahme ab, weil sie eben ursprünglich den Lehrberuf gerade nicht hatten ergreifen wollen. Im Kontext der Teaching Library müssen sie sich nun damit auseinander setzen, wenn sie erfolgreich lehren wollen. Das persönliche Auftreten, das rhetorische Vermögen, das kommunikative Handeln spielen dabei eine große Rolle – zum Beispiel in Kenntnis der wesentlichen vier Aspekte zwischenmenschlicher Kommunikation nach Schulz v. Thun 422: Wir teilen Sachinformationen mit (Sachaspekt), wir drücken aus, wie wir zum Empfänger der Nachricht stehen (Beziehungsaspekt), wir stellen uns selbst dar (Selbstdarstellungsaspekt) und wir versuchen, die Studierenden in ihrem Denken, Fühlen und Handeln zu beeinflussen (Aufforderungsaspekt). Die Empfänger der Botschaft hören diese also gewissermaßen mit vier Ohren, und wir wissen nicht immer, auf welchem Ohr die Studierenden bevorzugt hören: Sachohr, Beziehungsohr, Appellohr oder Selbstoffenbarungsohr. Daraus ergeben sich wesentliche Merkmale kompetenter Kommunikation: – Sachaspekt (ES): verständlich reden, analytisch zuhören, sachlich bleiben – Beziehungsaspekt (WIR): aktiv zuhören, Gefühle ansprechen, Rückmeldung geben – Selbstdarstellungsaspekt (ICH): Ziele klären, eigene Meinung darlegen, ICH- Botschaften aussenden – Aufforderungsaspekt (DU): Fragen stellen, Argumente vortragen, Fair play. Die Auseinandersetzung mit solchen kommunikationspsychologischen Erkenntnisse kann im Hinblick auf erfolgreiches Lehren und Coachen in der Bibliothek genauso hilfreich sein wie die Aneignung einiger didaktischer Essentials und Verhaltensweisen. Im Rahmen eines ganztägigen didaktischen Fortbildungsworkshops, der von ausgewiesenen Didaktikern, eventuell in Kooperation mit einem versierten „Teaching Librarian“, geplant und abgehalten werden sollte, können zentrale Kenntnisse und Fähigkeiten des Lehrens und Unterrichtens erworben werden.

422 Siehe u. a.: Schulz von Thun, Friedemann: Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Hamburg 2011 (Miteinander reden: Bd. 1 / Rororo; 62717).

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Didaktische Anforderungen an die Teaching Library

6.5 Zusammenfassung Ohne Kenntnisse der Zusammenhänge des Lernens und Lehrens und ohne eine fundierte didaktische Planung sind erfolgversprechende Lehraktivitäten der Teaching Library kaum zu verwirklichen. Die Bibliothekare selbst müssen sich ihrer in diesem Zusammenhang ihrer pädagogischen Rolle bewusst werden und sie annehmen. Andererseits wäre es unrealistisch, wenn den Bibliothekaren, die Schulungen und Kurse zu betreuen haben, ähnlich breite lehr-lerntheoretische Kenntnisse abverlangt würden, wie sie reguläre Lehrkräfte in Schule und Hochschule mitbringen sollten. Grundkenntnisse, des Lehrens und Lernens, wie sie oben skizziert wurden, sowie ein pragmatisches, nicht zu aufwändiges didaktisches Modell nach dem Beispiel von MOMBI sollten für die Zwecke der Teaching Library genügen. Wichtige didaktische Bezugspunkte für Bibliothekare der Teaching Library beziehen sich zum einen auf die Ermittlung des Vorwissens der Lerngruppe, an dem anzuknüpfen wäre, sodann auf die Bedeutung eines strukturierten Kursablaufs, der einzelne Phasen, wie sie MOMBI darbietet, unterscheidet. Das Festigen und Üben neuer Lernschritte, damit der Transfer des Gelernten auf ähnliche, strukturgleiche Aufgaben gelingen kann, genießt einen hohen Stellenwert. Der Online-Katalog bietet genügend viele Anknüpfungspunkte für das Erlernen einfacher und komplexer Suchstrategien, die dann aber auf den Umgang mit anderen ähnlichen Ressourcen übertragen werden sollen. Zwar ist die konstruktivistische Forderung, dass der beste Lernerfolg durch die Aktivierung der Lernenden sei, mittlerweile Gemeingut, jedoch sollte der sinnvolle Einsatz von Lehrvortrag, von Präsentation und von gezieltem Üben ebenfalls nicht vernachlässigt werden. Zu erlangen wären die geforderten pädagogisch-didaktischen Grundqualifikationen im Rahmen von Fortbildungen oder bereits im Zuge des bibliothekswissenschaftlichen Studiums. Es ginge weniger um allgemeine didaktische Seminare, sondern um das für den Bedarf der Teaching Library notwendige Grundverständnis des Lehrens und Lernens, um das Handwerkszeug für die Kursplanung, um die Kenntnis einiger bewährter Lehrmethoden sowie um den sinnvollen Medieneinsatz zur Unterstützung der Lehraktivitäten. Der Auseinandersetzung mit der Lehrerrolle, auch im Hinblick auf ein situationsgerechtes kommunikatives Handeln, sollte genügend Raum gegeben werden. Es wäre jedoch eine verkürzte Sichtweise, wenn jegliches Lernen in der Bibliothek als zielgerichtetes, intentionales Lernen angesehen würde. Vielmehr nimmt im Rahmen der Bachelor- und Masterstudiengänge das selbstorgani-

Zusammenfassung

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sierte, teilweise informelle Lernen einen erheblichen Stellenwert ein. Eine nach Vorbild des Learning Grid gestaltete Lernumgebung mit flankierender Hilfe und Beratung durch die Bibliothekare wäre dafür hilfreich.

7 Die Teaching Library – ein Rahmenmodell Im Folgenden soll ein Rahmenmodell der Teaching Library für deutsche Hochschulbibliotheken umrissen werden. Die Bezugspunkte ergeben sich aus den Analysen und Überlegungen der vorausgegangenen Abschnitte, insbesondere auch aus den Erkenntnissen zum sich wandelnden Informationsverhalten junger Menschen und aus den Befunden im Hinblick auf die zu verbessernde Informationskompetenz. Ferner sind die sich in den vergangenen Jahren heraus kristallisierenden Praxismodelle der Teaching Library angemessen zu berücksichtigen, sodann die neueren Empfehlungen der maßgeblichen Hochschul- und Wissenschaftsgremien in Deutschland, ferner die Verlautbarungen der Bibliotheks- und Informationsverbände.

7.1 Kritische Einwände gegen die Teaching Library Zunächst aber sollen einige kritische Einwände aus dem Bibliothekswesen selbst, die sich mit der Rolle der Hochschulbibliotheken als Teaching Libraries befassen, nicht übergangen werden. Die Kritikpunkte werden hier allgemein, ohne konkrete Zuweisungen zu den Kritikern selbst, aufgeführt. Teilweise liegen sie auch gar nicht in publizierter Form vor, sind aber dem Verfasser aus seiner Kenntnis des deutschen Bibliothekswesens gut bekannt. Die Kritik erstreckt sich vor allem auf folgende Aspekte: – Bibliotheken sollten sich auf ihr Kerngeschäft der Bereitstellung und Erschließung von Büchern, Zeitschriften und sonstigen Medien sowie auf die klassischen bibliothekarischen Serviceleistungen konzentrieren, anstatt sich auf das Glatteis der personalintensiven Teaching Library zu begeben. – Bibliotheken wollten Informationskompetenz vermitteln, ohne dass ein echter Bedarf bestehe. – Die Teaching Library würde von den Fachreferenten funktionalisiert, die damit ein neues Betätigungsfeld suchten. – Die Angebote der Bibliotheken zur Vermittlung von Informationskompetenz lägen beim Niveau weit unterhalb dessen, was mit Informationskompetenz eigentlich gemeint sei. – Für Einführungen und Schulungen würde viel zu viel Zeit und Personal aufgewendet – das lohne sich nicht. – Die Flut der Veröffentlichungen zu den Themen Teaching Library und Informationskompetenz täusche darüber hinweg, dass in der Realität der Hochschulbibliothek die Akzeptanz beim Bibliothekspersonal noch nicht

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Die Teaching Library – ein Rahmenmodell

ausreiche und dass noch viele praktische Fragen bei der nachhaltigen Verankerung ungelöst seien. Nicht wenige (vor allem jüngere) Bibliothekarinnen und Bibliothekare verspürten mittlerweile schon einen Überdruss an der Thematik der Teaching Library und der Informationskompetenz – sie wollten sich lieber den konkreten praktischen Lösungen widmen.

Zweifellos treffen einige dieser kritischen Bemerkungen Kernprobleme bei der Etablierung der Teaching Library: Nicht gelöst ist die Integration der neuen Aufgabe in das Leitbild und das Geschäftsmodell, auch die Konzeption eines bedarfsgerechten Veranstaltungsangebots der Bibliothek (Inhalte) stellt die Hochschulbibliotheken vor einige Probleme, wie auch die Gestaltung eines zielgruppenorientierten Angebots, die Vermarktung des Angebots in der Hochschule, die Schaffung einer räumlichen und einer virtuellen Lehr-Lern-Infrastruktur in der realen und der virtuellen Bibliothek, die Rekrutierung eines Schulungsteams in der Bibliothek, die pädagogisch-didaktische Qualifizierung des Schulungsteams 423, die optimale Integration der Bibliotheksveranstaltungen in die Studiengänge einschließlich der Modularisierung des Angebots, sodann die Entwicklung und Integration geeigneter E-Learning-Angebote zur Unterstützung der Präsenzveranstaltungen. Wenn diese offenen Fragen gelöst werden können, wären vermutlich einige der oben genannten Kritikpunkte hinfällig. Andererseits belegen die kritischen Argumente ein bekanntes, nicht auf das Bibliothekswesen beschränktes Problem: Innovationen und die Etablierung neuer Arbeitsfelder stoßen bei einigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Skepsis, weil sie von vertrauten Denkmustern abrücken müssen und sich eventuell angstbesetzten Herausforderungen stellen müssen. Vor Lerngruppen zu sprechen, mit ihnen gemeinsam etwas zu erarbeiten, einen Lehrplan mit Lernzielen zu entwerfen, sich Gedanken über Lehrstrategien und Lernstile zu machen, sinnvolle Leistungsnachweise zu entwickeln, alles das impliziert Offenheit für Neues und eigene Lernfähigkeit. So ist es unumgänglich, als Dozent(in) selber über detaillierte Kenntnisse und Fähigkeiten in Bezug auf Informationsressourcen, auf Informationszugänge und auf das Wissensmanagement zu verfügen, um die entsprechende Informationskompetenz bei den Studieren423 Vgl. dazu u. a.: Fischer, Michael / Diez, Anke: Hochschuldidaktische Qualifizierung von Diplombibliothekaren/-innen für die Durchführung didaktisch fundierter Bibliotheksveranstaltungen für Studierende. Vortrag auf dem 95. Deutschen Bibliothekartag 2006 Dresden. www.opus-bayern.de/bib-info/volltexte/2006/220/ pdf/Veroeffentlichung_Dresden_Fischer_Diez.pdf (25. 07. 2011).

Überregionale Empfehlungen zur Förderung von Informationskompetenz

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den und den Wissenschaftlern fördern zu können. Auch diese Anforderung begünstigt manchmal Abwehrhaltungen. Das nachfolgende Rahmenmodell der Teaching Library könnte vielleicht einen Beitrag dazu leisten, auch den skizzierten kritischen Einwänden und den Abwehrhaltungen innerhalb des Hochschulbibliothekswesens konstruktiv zu begegnen und sie tendenziell abzubauen.

7.2 Überregionale Empfehlungen zur Förderung von Informationskompetenz Dominierten in den 1990er Jahren und über die Jahrtausendwende hinaus die lokalen Realisierungen des Lehr-Lernorts Hochschulbibliothek 424, so ist jetzt die Tendenz erkennbar, auf der Grundlage von Standards der Informationskompetenz und mit klarem Bezug auf zentrale Anforderungen des Studiums und der Forschung die Teaching Library in die Überlegungen für zukunftsfähige Informationsinfrastrukturen zu integrieren. Einige dieser Empfehlungen wurden oben bereits im Zusammenhang mit der Behandlung des Themas Informationskompetenz angesprochen, sollen aber im Folgenden mit Blick auf das zu entwickelnde Rahmenmodell der Teaching Library noch detaillierter betrachtet werden. Die DINI-Empfehlungen zu neuen Informations- und Kommunikationsstrukturen (s. Anhang C) legen den Akzent auf der engen Zusammenarbeit von Bibliotheken, Rechenzentren und Medienzentren, da in diesem Verbund die für den Umgang mit der Medien- und Informationsvielfalt notwendigen Kompetenzen vielseitig und mithilfe neuer Lehr- und Lernszenarien – sowohl ELearning als auch Blended Learning – gefördert werden könnten: „Die Hochschulbibliotheken sind gemeinsam mit Rechen- und Medienzentren gefordert, Lernzentren einzurichten, die ein umfassendes Angebot analoger und digitaler Informationen in Verbindung mit Einzel- und Gruppenarbeitsplätzen, moderner technischer Ausstattung und kompetenter Beratung durch Informations-, Medien- und IT-Spezialisten bieten“. Nach britischen und amerikanischen Vorbildern seien Beratungs- und Serviceangebote am besten kooperativ oder integriert unter einem Dach zu betreiben. Die Einrichtung von Lernzentren erfordere neben erheblichen Investitionen auch einen kulturellen Wandel in den Hochschulen hin zu lebendigen und kommunikativen Lernorten. 424 Dies belegt auch die exemplarische Übersicht diverser lokaler Modelle der Teaching Library in Deutschland, die der Verfasser 2004 gemeinsam mit Claudia Lux vorgelegt hat: Lux / Sühl-Strohmenger (Anm. 13) S. 111 ff.

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Die Teaching Library – ein Rahmenmodell

Der Verein Deutscher Bibliothekare (VDB) möchte mit seiner Hamburger Erklärung aus dem Jahr 2009 (s. Anhang E) insbesondere für die Zwecke der neuen Studiengänge die Entwicklung von Informationsinformationskompetenz durch wissenschaftliche Bibliotheken fördern. Empfohlen wird die Orientierung an den Standards der Informationskompetenz für Studierende, sodann eine ausreichende didaktische Qualifizierung des mit Lehraufgaben befassten Bibliothekspersonals, die Schaffung ausreichender personeller Kapazitäten für die Teaching Library, eine feste Einbindung der Kurse in die Studiengänge sowie ein kooperatives Vorgehen aller Verbände, Einrichtungen und Netzwerke auf dem Gebiet der Informationskompetenz. Anvisiert wird eine Bündelung der vielen lokalen und regionalen Projekte und Aktivitäten, um die Förderung der Informationskompetenz von Studierenden wirklich nachhaltig leisten zu können. Bereits im Jahr 2003 hatte der VDB mit dem Deutschen Hochschulverband (DHV) einen Vertrag (s. Anhang D) geschlossen, in dem die Förderung von Informationskompetenz Studierender als dringlich bezeichnet wurde und die Hochschulbibliotheken sich auf lokaler Ebene dieser Aufgabe annehmen sollten, in engem Zusammenwirken mit den Hochschullehrern. Der Dachverband für die Verbände des deutschen Bibliotheks- und Informationswesens Bibliothek BID erarbeitete 2011 Empfehlungen zur Medien- und Informationskompetenz (s. Anhang G), die zugleich in die Beratungen der Enquêtekommission des Deutschen Bundestages zum Thema „Internet und digitale Gesellschaft“ eingebracht wurden. Gegenstand des Papiers sind sowohl die öffentlichen und die wissenschaftlichen Bibliotheken als auch der sonstige Informationssektor einschließlich der Informationswissenschaft. Die studiumsbezogene Informationskompetenz, wie sie unter erheblicher Mitwirkung der Teaching Library verbessert werden soll, ist als fachübergreifende Kompetenz in Rahmencurricula zu verankern und als Voraussetzung für die Akkreditierung von Studiengängen anzuerkennen. Eine Akkreditierung von Bachelorund Masterstudiengängen kann demnach nur erfolgen, wenn sie ein mindestens zweisemestriges, jeweils zwei Wochenstunden umfassendes, fächerbezogenes Modul der Medien- und Informationskompetenz beinhalten. Dadurch soll ein zielgerichtetes Studieren gefördert und Schlüsselkompetenzen für die berufliche Qualifikation in der Informationsgesellschaft erworben werden. Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) schließlich hat von der Kommission Zukunft der Informationsinfrastruktur (KII) Empfehlungen erarbeiten lassen, an der auch eine Arbeitsgruppe von Bibliotheks- und Informationsspezialisten für das Unterthema Informationskompetenz und Ausbildung mitwirkte. In den entsprechenden Teilen des Papiers (s. Anhang F) wird der hohe Stellenwert von Informationskompetenz in Studium und Forschung be-

Überregionale Empfehlungen zur Förderung von Informationskompetenz

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tont. Begründet wird dies mit Studien zum Informationsverhalten sowie zu den Nutzererwartungen. Hingewiesen wird auch auf die frühen internationalen Vorbilder aus dem angloamerikanischen und dem skandinavischen Bibliothekswesen, wo die Information Literacy als wichtiges Aufgabengebiet der Hochschulbibliotheken anerkannt wurde. Hervorgehoben werden in dem KIIPapier die vielen lokalen Aktivitäten in Deutschland, jedoch seien die Mängel in der überregionalen Vernetzung und Steuerung auf nationaler Ebene nicht zu übersehen. Betont wird zudem die wichtige Rolle der Bibliothekarsausbildung, da die Vermittlung von Informationskompetenz bereits frühzeitig in das Portfolio der beruflichen Qualifizierung aufgenommen werden müsse. Allerdings sei ein langfristiger Erfolg aller Bemühungen erst absehbar, wenn es auf nationaler Ebene eine zentrale Koordinationsinstanz gebe, die auch für die Wirksamkeitsforschung (Impact) hinsichtlich der von den Bibliotheks- und Informationseinrichtungen durchgeführten Kurse zur Informationskompetenz zuständig sei: Gesprochen wird von einem zentralen Dienstleister, der an eine vorhandene Institution mit der notwendigen Verwaltungsinfrastruktur anzubinden sei. Diese Instanz koordiniert und organisiert Vorhaben zur Förderung der wissenschaftlichen Informationskompetenz in Deutschland, sie betreut ein zentrales Portal und baut dieses systematisch aus zu einer umfassenden Plattform für Unterrichts- und Informationsmaterialien aus, die lokal leicht nachnutzbar sein sollen. Sodann würde sie Standards für die Entwicklung nachnutzbarer Angebote vorgeben, Fortbildungsveranstaltungen für lehrende Bibliothekare organisieren, Gütesiegel für Hochschulen vergeben, die sich vorbildlich und erfolgreich um die Informationskompetenz ihrer Angehörigen kümmern, Informationsangebote in Bezug auf die Nutzerbedürfnisse und die Usability prüfen und bewerten und schließlich internationale Kontakte pflegen. Die zentrale Dienstleistungseinrichtung würde eng mit wissenschaftsnahen Informationseinrichtungen kooperieren und sich deren Fachkompetenz bedienen. Sie müsste allerdings über hinreichend Projektmittel verfügen, um bedarfsgerecht und flexibel Aufträge zur Erstellung von Informations- oder Unterrichtsmaterialien erteilen, Fortbildungen durchführen und Studien zur Erfolgskontrolle an geeignete Partner vergeben zu können. Fraglich ist bei diesen Empfehlungen, wie sie zur gewachsenen dezentral angelegten Struktur der Teaching Library und der Informationskompetenz-Förderung passen. Die Auslagerung von Aufgaben und Zuständigkeiten an eine zentrale Agentur birgt latent immer die Gefahr, dass lokal vorhandenes Engagement und organisatorische Kreativität geschwächt werden könnten, wenn dieses Potential nicht fruchtbar in die zweifellos notwendige zentrale Dienstleistungsinstanz eingebunden oder durch diese gestärkt wird. Über die dem

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Die Teaching Library – ein Rahmenmodell

Dienstleister zugedachten Aufgaben wäre noch Übereinkunft herzustellen. Die Aufgabe der didaktischen Qualifizierung könnte eventuell sinnvoller im regionalen Rahmen durch die existierenden Arbeitsgemeinschaften und Netzwerke zur Informationskompetenz, in Zusammenarbeit mit den Hochschuldidaktikzentren oder den Hochschulen mit Fachbereichen zum Bibliotheks- und Informationswesen wahrgenommen werden. Auch bieten die bisherigen Erfahrungen mit der Nachnutzbarkeit von Projektergebnissen allgemein oder von kursbegleitenden Materialien für Bibliotheksveranstaltungen zur Informationskompetenz wenig Anlass zum Optimismus, denn nach wie vor zwingen die vielen lokalspezifischen Implikationen der Informationsnutzung im Hochschulbereich zu entsprechend differenzierten Lehrmitteln der Bibliothek. Den Empfehlungen der KII mangelt es insofern – ungeachtet des höchst verdienstvollen Ansatzes einer nationalen Strategie – an der überzeugenden Verbindung dezentraler und zentraler Komponenten. Die genannten Empfehlungen der Verbände und der Gremien stecken den übergeordneten Rahmen ab, innerhalb dessen ein zukunftsorientiertes Modell der Teaching Library unter Einbeziehung der skizzierten Praxismodelle einzelner Hochschulbibliotheken denkbar wäre. Im Folgenden sollen die Konturen eines solchen Rahmenmodells entworfen werden.

7.3 Komponenten eines Rahmenmodells Das hier vorgestellte Rahmenmodell der Teaching Library in einer mittleren bis größeren Hochschulbibliothek speist sich einerseits aus den Erkenntnissen aufgrund der oben dargestellten Untersuchungen zum Informationsverhalten und zur Informationskompetenz, sodann aus den bereits existierenden Lernortmodellen und Ausbildungskonzepten der Hochschulbibliotheken, andererseits aus den übergeordneten Empfehlungen des Wissenschaftsrats, der GWK und der Bibliotheksverbände.

7.3.1 Grundlegung und Begründung Die Hochschulbibliothek stellt im Kontext ihrer genuinen Aufgaben der Beschaffung, Erschließung und Bereitstellung wissenschaftlicher Literatur und Information einen neuen Lehr-Lernort in der Hochschule dar: „The library is the central academic focus of the university and plays a strong social role in

Komponenten eines Rahmenmodells

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the learning, teaching and research processes within the institution.“ 425 Zur Geltung bringt sie diese Rolle als – „Teaching Library“, die zur wirksamen Unterstützung der Hochschullehre im Hinblick auf die für den Studienerfolg wesentliche Schlüsselqualifikation Informationskompetenz und damit auch zur Methodenausbildung einen Beitrag leistet, sowie gleichzeitig als – „Learning Library“, die im Rahmen einer dem sich wandelnden Informationsverhalten der Studierenden angemessenen, differenzierten Lerninfrastruktur. das individuelle und das Gruppen-Lernen unterstützen, beispielsweise durch eine räumliche Gestaltung nach dem Modell der „Information Commons“. Im Zusammenhang mit der Bologna-Reform im Hochschulwesen gewinnen die Schlüsselqualifikationen immer mehr an Bedeutung, da sie den Hochschulwechsel innerhalb des europäischen Hochschulraums erleichtern. Für das wissenschaftliche Arbeiten und Forschung unter den heterogenen Bedingungen der digital geprägten Informationswelt kommt der Informationskompetenz hohe Bedeutung für ein die effiziente Informationssuche und -verarbeitung zu. Die Studienanfänger verfügen, wie vorliegende empirische Untersuchungen belegen, nicht in ausreichendem Maße über die notwendigen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten für eine erfolgreiche Informationspraxis. Die Hochschulbibliothek am Scharnier von Wissensspeicherung, Wissensaneignung und Wissensmanagement bietet eine geeignete Unterstützungsstruktur für die von der Hochschullehre zu leistende Methodenausbildung und Förderung der Studierenden 426.

7.3.2 Integration der Teaching Library in die Hochschule Die Universitätsbibliothek unterstützt in ihrer Funktion als Learning Library indirekt die universitäre Lehre, bietet also mit ihren Medien- und Informationsangeboten, mit ihrer architektonisch und räumlich flexibel gestalteten Arbeitsumgebung in den Lesesälen, ihren Gruppenarbeitsräumen und freien Kommu425 Zit. n. Naumann (Anm. 294) S. 31. 426 Siehe auch: Volz, Sibylle: Hochschulbibliotheken vermitteln Informationskompetenz: Ein Vergleich ausgewählter Konzepte für die gestuften Studiengänge. Berlin 2007 (Berliner Handreichungen zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft, Bd. 186). http://webdoc.sub.gwdg.de/ebook/serien/aw/ Berliner_Handreichungen/186.pdf (28. 07. 2011).

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Die Teaching Library – ein Rahmenmodell

nikationszonen (Information Commons) vielfältige Lernmöglichkeiten. Die Unterstützung kann sich auf informationstechnische Infrastruktur im Sinne eines Learning Resources Centre beziehen, kann aber auch eine architektonischräumliche Gestaltung nach dem Modell der Information Commons bedeuten. Die Lernunterstützung erfolgt durch tutorielle Flankierung mithilfe von E-Learning-Angeboten oder auch durch persönliche Lernberatung seitens der Informationsbibliothekare. Die Hochschulbibliothek stellt sich als „Teaching Library“ dar, indem sie die Förderung der Informationskompetenz durch zielgruppenorientierte, (nach Vorwissen, Studiensituation) differenzierte Schulungs- und Kursangebote, gehalten von didaktisch qualifizierten Bibliothekaren, in enger Abstimmung mit der Lehre betreibt. Ihre wesentlichen Lehr-Lernziele sind – angesichts einer hybriden, unübersichtlichen Wissenslandschaft – die Vermittlung und Förderung von Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten auf den Feldern der Bibliotheks- und Medienkunde, der Literatur- und Informationsrecherche, der Auswahl und Bewertung von wissenschaftlich relevanter Information und ihrer Verarbeitung im Hinblick auf ein persönliches Wissensmanagements und auf die Bildung neuen Wissens. Diese Zielsetzungen sind differenziert für die unterschiedlichen Zielgruppen und Niveaustufen zu präzisieren. Eine Teaching Library kann in verschiedenen Schritten in der Hochschule etabliert werden: – Nach dem Muster der UB München wird eine Bestandsaufnahme für die Fakultäten und Fachbereiche erarbeitet, aus der ersichtlich wird, wie der Stand der Informationskompetenz Studierender (und eventuell auch der Wissenschaftler selbst), auch aus der Sicht der Instituts- und Seminarleitungen, beurteilt wird, welche Maßnahmen zur Verbesserung der Informationskompetenz für notwendig erachtet werden und wie diese praktisch umgesetzt werden sollen, unter Mithilfe der Hochschulbibliothek (Zentralbibliothek oder Fakultäts-/Fachbereichsbibliothek). – Die Hochschulbibliothek erarbeitet sodann – nach dem Düsseldorfer Vorbild möglichst im Einvernehmen mit der Hochschul- und Fakultätsleitung – ein Kurskonzept, das in die Studiengänge eingebunden ist oder das teilweise bei den fachübergreifenden Schlüsselqualifikationen angesiedelt ist. – Die Hochschulbibliothek kommuniziert dieses Konzept innerhalb der Hochschule, insbesondere unter Mitwirkung der Fachreferenten, die auf Fachbereichsebene die Einbindung des Schulungsangebots zu bewerkstelligen haben.

Komponenten eines Rahmenmodells



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Die entstehende Teaching Library bedient sich der hochschulinternen elektronischen Vorlesungsverzeichnisse für die Ankündigung der Kurse und der Lernplattformen für Online-Tutorials und für sonstige elektronische Lehrmaterialien.

Das Bemühen um eine Etablierung der Teaching Library in der Hochschule sollte durch ein differenziertes Marketing unterstützt werden: – Am wirkungsvollsten lässt sich die Teaching Library vermarkten, wenn sie auf einen festgestellten oder einen offensichtlichen Bedarf bei den Fächern nach einer Förderung der Informationskompetenz Studierender reagiert. Die Hochschulbibliothek muss dann lediglich ein durchdachtes Schulungsund Kurskonzept erarbeiten und dieses mithilfe eigener oder hochschulinterner Medien, einschließlich des Studierenden-Newsletter und der Hochschulzeitung, verbreiten, eventuell einen markanten Flyer gestalten und wirkungsvolle Präsentationen („Roadshows“) vor Ort in der Hochschule veranstalten. – Auf der Bibliothekshomepage muss die Teaching Library mit ihrem Veranstaltungsangebot gut sichtbar sein, und sie sollte auch im Raum der Bibliothek physisch präsent sein. – Manche Hochschulbibliotheken wie zum Beispiel die UB Bamberg, die UB Würzburg und die KIT-Bibliothek Karlsruhe sind mit ihren Service- und ihre Kursangeboten in Facebook präsent und erreichen darüber Zielgruppen, die eventuell nur über einen universitätsinternen Newsletter nicht anzusprechen gewesen wären.

7.3.3 Zielgruppen und Ziele Die wichtigsten Zielgruppen für die Kursangebote der Hochschulbibliothek sind in erster Linie die Studierenden, sodann die Wissenschaftler, ferner Schüler der gymnasialen Oberstufe, insbesondere der Seminarkurse bzw. Seminarfacharbeitsklassen der Jahrgangsstufen 11/12 427. Die Hochschulbibliotheken setzen mit ihren Schulungsaktivitäten also bereits frühzeitig bei den kommenden Studierenden an. 427 Siehe dazu Sühl-Strohmenger 2004 u. 2011 (Anm. 56); ferner grundsätzlich zum Seminarfach: Pabst-Weinschenk, Marita / Thiel, Bertram: Dialogisch Lernen im Seminarfach. Handbuch für Kommunikation und wissenschaftliches Arbeiten. Alpen 2009.

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Die Teaching Library – ein Rahmenmodell

Gymnasialschüler Bei den Einführungen der Landes-, Universitäts- und Hochschulbibliotheken für Schüler der gymnasialen Oberstufe 428 stehen – legt man die Bildungspläne beispielsweise des Landes Baden-Württemberg zugrunde 429 – folgende Lernziele im Vordergrund: – selbstständig mit Literatur, Information und Medien im Kontext des Internet wie auch der Bestände wissenschaftlicher Bibliotheken umgehen können, – im Sinne des grundlegenden Wissensmanagements fachwissenschaftliche Information recherchieren und analysieren können, – im Bereich des Medieneinsatzes Wörterbücher und Lexika themengerecht und kundig verwenden können, – fähig sein, geeignete Suchdienste zu finden und einzusetzen, insbesondere Bibliographien – vor allem in Form zugänglicher Datenbanken – auswerten können, – neue Medien einsetzen, – mit dem Internet kompetent umgehen können. Das Netzwerk Informationskompetenz Baden-Württemberg hat vor einigen Jahren den Versuch unternommen, einige standardähnliche Empfehlungen für solche von den wissenschaftlichen Bibliotheken für Gymnasialschüler durchgeführten Veranstaltungen zu formulieren 430. Nicht untypisch für das Angebotsprofil einer wissenschaftlichen Bibliothek ist zum Beispiel dieses von der UB Würzburg für Gymnasien und Berufliche Oberschulen offerierte Programm 431: 428 Siehe dazu Sühl-Strohmenger, Wilfried: Hilfe im Kampf gegen die Informationsflut: Angebote wissenschaftlicher Bibliotheken für Gymnasiasten: Ein Überblick. In: BuB. Forum Bibliothek und Information 63 (2011) S. 530–535. 429 Vgl. Landesbildungsserver Baden-Württemberg: Bildung stärkt Menschen. Bildungspläne. Für die Schulart Gymnasium. http://www.bildung-staerktmenschen.de/unterstuetzung/schularten/Gym (15. 09. 2011). 430 Vgl. Netzwerk Informationskompetenz Baden-Baden-Württemberg: Angebote für die gymnasiale Oberstufe. http://www.informationskompetenz.de/regionen/badenwuerttemberg/angebote-fuer-die-gymnasiale-oberstufe/ (15. 09. 2011). 431 Siehe dazu: Universitätsbibliothek Würzburg: Bibliothekseinführungen für Schüler. http://www.bibliothek.uni-wuerzburg.de/service0/einfuehrungen/schulklassen/ (14. 05. 2011); vgl. auch: Hämmer, Viola / Südekum, Karl H.: Die Universitätsbibliothek für Schüler – Angebote der UB Würzburg. In: Bibliotheksforum Bayern 3 (2009) S. 78– 82; Schwägerl, Birgit / Hämmer, Viola: Neue Angebote für Schüler. Veränderungen im Zuge des G8 an der Universitätsbibliothek Würzburg. In: Bibliotheksform Bayern 5 (2011) S. 6–9.

Komponenten eines Rahmenmodells

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Kurze interaktive Einführung mit den wichtigsten Informationen rund um die UB Praxisnahe Arbeit am PC anhand von typischen Suchbeispielen (Grundkenntnisse zur Literatursuche im Katalog der UB sowie in der fachübergreifenden Aufsatzdatenbank IBZ (Internationale Bibliographie der Zeitschriftenliteratur) Besprechung der Suchbeispiele (mit Tipps, z. B. zur Fernleihe) Hausrundgang (Lesesäle, Leihstelle und Informationszentrum), mit Aktivierungen vor Ort: nach Literatur suchen, die zuvor am PC ermittelt worden war.

Das Basiswissen zur Literatursuche sowie ein ausführliches Lösungsblatt zu den Übungsbeispielen sollen den Schülern bei der späteren Literatursuche zu Ihrem eigenen Thema als "Spickzettel" dienen. Auf speziellen Informationsseiten für Schüler bietet die UB Würzburg sodann Informationen zu den Schülerfragestunden. Mit der Gründung von G8-Gymnasien und den damit verbundenen „Doppeljahrgängen“ entwickelte die UB Würzburg ein Konzept für große Gruppen von bis zu 55 Teilnehmern. Die Resonanz der Gymnasien auf das Engagement der wissenschaftlichen Bibliotheken beider Einführung von Schülern in die Bibliotheksnutzung und in die Grundlagen der Literatursuche ist durchweg ermutigend. Auch auf Seiten der Hochschulen werden die günstigen Effekte für die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit gesehen. Die Universitätsbibliothek bemüht sich um die kommenden Studienanfänger, indem diese bereits im Vorfeld des Studiums mit den Beständen und den Nutzungsmöglichkeiten einer großen Bibliothek vertraut gemacht werden. Die Bibliothekare, die sich der Aufgabe mit viel Elan widmen, treffen ganz überwiegend auf motivierte Schülergruppen und Lehrkräfte, denn für den Erfolg der jeweiligen Seminarfacharbeit könnte sich die Bibliothekskenntnis positiv auswirken. In einigen Bundesländern, so in Bayern, wurden Befragungen im Hinblick auf den Bedarf der Schulen sowie auf die Kursangebote der Hochschulbibliotheken speziell für Gymnasialschüler durchgeführt 432. 432 Vgl. dazu Vgl. Franke, Fabian / Pfister, Silvia / Schüler-Zwierlein, André: „Hätten wir personelle Valenzen, würden wir uns um stärkere Nutzung bemühen“. Eine Umfrage zur Vermittlung von Informationskompetenz an Schüler an den bayerischen wissenschaftlichen Bibliotheken. In: Bibliotheksdienst 41 (2007) S. 1307–1320; siehe auch: Gorski, Martin: Informationskompetenz im Spannungsfeld zwischen Schule und Universität. Beobachtungen zum Informations- und Suchverhalten in der gymnasialen Oberstufe und im Studium. In: Bibliotheksdienst 42 (2008) S. 738–761.

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Die Teaching Library – ein Rahmenmodell

Bei den Studierenden – der Hauptzielgruppe – sind weitere Differenzierungen sinnvoll, und zwar bezogen auf die verschiedenen Phasen des Studiums und der weiteren wissenschaftlichen Karriere:

Studienanfänger – Bibliotheksbenutzung und Orientierung (Zentralbibliothek und dezentrale Bibliotheken) – Grundlagen der ICT-Literacy – Suchen und Finden von einführender Literatur – Grundkenntnisse über wichtige Informationssuchsysteme für elektronische Medien – Kenntnisse des Ausleihsystems, der Präsenzbenutzung, der Verwaltung des Ausleihkontos – Wissen, wo und wen man in der Bibliothek fragen kann Grundstudium 1.−3. Semester Bachelor – Vertiefte Fertigkeiten der Literatursuche im Online Katalog – Grundlagen der Datenbankrecherche – Auswählen, Bewerten, Verarbeiten von Information für die Semesteroder die Hausarbeit Hauptstudium 4.−6. Semester Bachelor/Master – Vertiefte Kenntnisse der Fachinformationsressourcen (E-Journals, E-Books, Fachportale) – Fundierte Recherchekompetenzen in Katalogen und Datenbanken – Umgang mit wissenschaftlichen Internetsuchmaschinen – Praktische Einführung in die Literaturverwaltung – Wichtige Urheberrechtsfragen und Grundprinzipien der Informationsethik (Plagiarismus-Problem) Examenssemester – Auffrischung früher erworbener Ressourcen- und Recherchekenntnisse – Spezielle, themenorientierte Ressourcenkenntnis für aktuelle Prüfungsvorhaben – Überblick über Möglichkeiten elektronischen Publizierens – Vertiefte Recherchekompetenzen, über eine Vielfalt von heterogenen Informationszugängen und Informationsressourcen, einschließlich der

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wissenschaftsbezogenen Internetsuchmaschinen sowie der Virtuellen Fachbibliotheken Gute Kenntnisse von Tools der Wissensorganisation

Graduierte/Postgraduierte/Promovierende – Auffrischen von Ressourcenkenntnis – Vertiefung der Ressourcenkenntnis, themen- und projektbezogen, insbesondere auf dem Gebiet der elektronischen Publikationen und der digitalen Dienste – Auffrischen von Recherchekompetenzen – Vertiefen von Recherchekompetenzen, einschließlich ICT-Literacy – Kenntnisse und Fertigkeiten rund um das elektronische Publizieren, insbesondere per Open Access – Umgang mit Zitationsdatenbanken wie Web of Science – Ermittlung des Impact Factors für internationale Fachzeitschriften anhand des Journal Citation Reports – Umgang mit Fachinformationsportalen und Virtuellen Fachbibliotheken – Differenzierte Kenntnisse und Fertigkeiten der Wissensorganisation bezogen auf heterogene Quellen, zum Beispiele mithilfe eines Literaturverwaltungsprogramms oder eines Web 2.0-Dienstes (Social Software, Social Tagging) – Urheberrecht und Informationsethik. Ein Beispiel für den Beratungsbedarf von Wissenschaftlern sei kurz dargestellt: Eine Forschungsgruppe Palliativmedizin benötigt für ihre Recherchen aus soziologisch-sozialwissenschaftlicher, aus erziehungswissenschaftlicher, medizinischer, juristischer für und aus psychologischer Sicht Kenntnisse und Recherchefertigkeiten für die einschlägigen Fachdatenbanken PsycINFO, Psyndex, PubMed, Embase und Scopus. Sie wendet sich an den Fachreferenten der Universitätsbibliothek mit der Bitte um eine Einführung und Beratung. Man ist also weniger an Informationskompetenz generell interessiert, sondern an der Recherchekompetenz für die projektbezogenen Informationsressourcen. Dies gilt in gleicher Weise für ein Kursangebot der UB Freiburg im Rahmen der Internationalen Graduiertenakademie (IGA) zur vertieften Literaturrecherche und zur Wissensorganisation mithilfe einschlägiger Literaturverwaltungssysteme. Die UB Erlangen-Nürnberg bietet im Rahmen der Graduiertenschule der Friedrich-Alexander-Universität im Themenschwerpunkt „Gute wissenschaftliche Praxis“ spezielle Kurse für Promovierende zum wissenschaftlichen Publi-

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zieren einschließlich der Bibliometrie, zu sozialen Netzwerken für Wissenschaftler und zur Kunst des effizienten Recherchierens sowie zum Umgang mit Literaturverwaltungsprogrammen an. Ähnliche Initiativen entwickeln zunehmend auch andere Universitätsbibliotheken. Der Bedarf an Kursangeboten zur Förderung von Informationskompetenz der Studierenden wird sowohl seitens der Hochschullehrenden selbst konstatiert, ist aber auch, wie oben gezeigt wurde, durch verschiedene weitere empirische Erhebungen dokumentiert. Demnach sind die Kompetenzen auf dem Gebiet der Recherche nach elektronischer Fachinformation vorwiegend autodidaktisch erworben wurden und dementsprechend lückenhaft. Die Präferenzen der Studierenden liegen einseitig auf den gängigen Internetsuchmaschinen, während die qualitativ hochwertige Fachinformation, wie sie die Hochschulbibliotheken anbieten, bei weitem nicht ausgeschöpft werden, insofern nicht in gewünschter Weise für den Studienerfolg wirksam werden können. Als wichtig für den Erfolg solcher Kursangebote gilt zunächst, dass die Schulungen fach- und themennah konzipiert sein, sodann, dass sie auf Akzeptanz seitens der Studierenden stoßen müssen. Weniger Bedarf lässt sich für allgemeine, fachunabhängige Schulungen der Bibliothek konstatieren, die keine direkte Rückbindung zu konkreten Lern- und Studienzusammenhängen aufweisen. Eine Ausnahme bilden Angebote für spezielle Zielgruppen wie beispielsweise emeritierte oder pensionierte Professsoren, die ihre rudimentär vorhandenen Kenntnisse der Literatursuche wieder auffrischen wollen oder erstmals überhaupt mit elektronischen Informationsressourcen in Kontakt kommen wollen. Die Standards der Informationskompetenz für Studierende beinhalten zum einen deklaratives Wissen: domänenspezifische und domänenübergreifende Sachverhalte wie urheberrechtliche Bestimmungen oder verschiedene Informationszugänge (Fachdatenbanken, interdisziplinäre Volltextdatenbanken, Bibliothekskataloge, fachbezogene und allgemeine Suchmaschinen). Die Standards umfassen zum anderen prozedurales Wissen: Suchanfragen formulieren, konkrete Recherchen durchführen, vom Literaturnachweis zum Volltext gelangen, Recherche-Ergebnisse exportieren und verarbeiten können. Bloom entwarf für die Analyse von Lernzielen eine Taxonomie der kognitiven Lernziele, die Krathwohl um eine Taxonomie der affektiven Lernziele ergänzte 433. Für Zwecke der Analyse und Selbstevaluation von Hochschullehre 433 Vgl. Anderson, Lorin W. / Krathwohl, David R.: A taxonomy for learning, teaching, and assessing. A revision of Bloom’s taxonomy of educational objectives. Abridged ed. New York, Munich et al. 2001.

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wurde diese Taxonomie von der Hochschuldidaktik der Universität Zürich aufgriffen 434. Die sechs Kategorien der kognitiven Prozessdimension und darauf bezogene beispielhafte Prozesse 435 sind, hier mit veranschaulichenden Themenbeispielen für Bibliothekskurse zur Informationskompetenz: 1. Erinnern: Auf relevantes Wissen zur Suche nach wissenschaftlicher Information im Langzeitgedächtnis zugreifen. 1.1 Erkennen: Die Suchoptionen eines Online-Bibliothekskatalogs (wieder)erkennen. 1.2 Erinnern: Sich den Nutzen der Recherche mit Schlagwörtern in Erinnerung rufen. 2. Verstehen: Literaturnachweisen in Katalogen und Datenbanken Bedeutung für die eigene Themenstellung zuordnen. 2.1 Interpretieren: Bibliographische Beschreibungen von Titelnachweisen interpretieren. 2.2 Veranschaulichen: Beispiele von Medienarten (Buch, Zeitschrift, Aufsatz) nennen und deren Charakteristika darstellen. 2.3 Klassifizieren: Wissenschaftlich relevante Medien und Information durch Schlagwörter oder Tags klassifizieren. 2.4 Zusammenfassen: Eine kurze Zusammenfassung von themenrelevanten Literaturnachweisen schreiben. 2.5 Folgern: Aus den mithilfe von Informationsrecherchen gefundenen Quellen neue Aspekte für die Themenstellung herleiten. 2.6 Vergleichen:Rechercheergebnisse aus unterschiedlichen Informationsressourcen (Katalog, Datenbank, Internet) vergleichen. 2.7 Erklären: Die gewählte Suchstrategie bei der Datenbankrecherche erklären. 3. Anwenden: Die Literaturrecherche in einer Fachdatenbank ausführen oder verwenden 3.1 Ausführen: Kontrolliertes Vokabular für die Recherche verwenden. 3.2 Implementieren: Bestimmen, welche Fachdatenbanken für die Fragestellung heranzuziehen sind. 4. Analysieren: Die Rechercheergebnisse aus der Suche in unterschiedlichen Ressourcen (Kataloge, Datenbanken, Volltexte, Internetsuchmaschinen) hin434 Siehe Universität Zürich. Bereich Lehre: Arbeitsstelle für Hochschuldidaktik (2010). Taxonomie-Matrix zur Analyse und Selbstevaluation von Hochschullehre (TAMAS). Dossier Unididaktik 10 (1). http://www.afh.uzh.ch/HochschuldidaktikAZ/DU_Tamas_def.pdf. 435 Anderson / Krathwohl (Anm. 433) S. 67 f.

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sichtlich ihrer Relevanz für das gestellte Thema vergleichen und miteinander in Beziehung setzen Lerninhalte in ihre konstituierenden Elemente zerlegen und bestimmen, wie diese untereinander zu einer übergreifenden Struktur oder einem übergreifenden Zweck verbunden sind. 4.1 Differenzieren: Zwischen relevanten und irrelevanten Informationen bei der Recherche in Google Scholar unterscheiden. 4.2 Organisieren: Die in den verschiedenen Nachweissystemen gefundenen Informationen im Rahmen eines Literaturverwaltungssystems organisieren. 4.3 Zuordnen: Die nach einer Literaturrecherche gefundenen Titel den jeweiligen Abschnitten der geplanten Abhandlung zuordnen. 5. Beurteilen: Urteile zur Qualität der gefundenen Information abgeben aufgrund von Kriterien oder Standards. 5.1 Überprüfen: Feststellen, ob die für die Informationsrecherche gewählten Suchbegriffe im Hinblick auf die Themenstellung plausibel sind. 5.2 Bewerten: Entscheiden, welche Suchergebnisse aus den umfangreichen Trefferlisten für das Arbeitsvorhaben passend sind. 6. (Er-)Schaffen: Die mithilfe von Literatur- und Informationsrecherchen ermittelten Ergebnisse und Elemente zu einem kohärenten oder funktionierenden Ganzen zusammen setzen; Informationen zu einer neuen Wissensordnung oder einer neuen Struktur zusammenfügen. 6.1 Generieren: Eine Hypothese zu einem Studienthema formulieren. 6.2 Planen: Eine Disposition zu einer Seminararbeit schreiben. 6.3 Entwickeln: Eine umfassende systematische Literaturübersicht zu einem Forschungsthema konzipieren und realisieren. Die Zieldimensionen der ACRL-Standards (Association of College and Research Libraries) 436 könnten als Groblernziele für die Lehrpläne der Teaching Library herangezogen werden. Diese sollten Lernziele mittlerer Dimensionierung und Fein-Lernziele mit konkreten Inhaltsbestimmungen und angestrebten Kompetenzen enthalten. Im Curriculum müssten dann die weiteren Festlegungen der Inhalte, Methoden und Unterrichtsmittel erfolgen. Bei der Förderung von Informationskompetenz selbst können folgende Lernziele zugrunde gelegt werden: 436 Vgl. Association of College and Research Libraries / ACRL:.Objectives for Information Literacy Instruction: A Model Statement for Academic Librarians. Approved by the ACRL Board Jan. 2001. http://www.ala.org/ala/mgrps/divs/acrl/ standards/objectivesinformation.cfm (24. 07. 2011).

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Die Studierenden und Wissenschaftler sollen in die Lage versetzt werden, ihren Informationsbedarf möglichst genau zu definieren und die entsprechenden Informationsressourcen ermitteln zu können. Die Studierenden und Wissenschaftler sollen konkrete Suchanfragen formulieren und diese nach den jeweiligen Retrievalmöglichkeiten der gewählten Informationsquelle in konkrete Recherchen umsetzen. Die Studierenden und Wissenschaftler sollen in die Lage versetzt werden, die gefundenen Rechercheergebnisse zu bewerten und daraus die brauchbaren Nachweise selektieren zu können. Die Studierenden und Wissenschaftler sollen befähigt werden, vom Nachweis der Literatur in Katalogen oder Datenbanken den Weg zum vollen Dokument, möglichst in elektronischer Form, zu finden. Die Studierenden und Wissenschaftler sollen befähigt werden, die Ergebnisse ihrer Informationsrecherchen exportieren und für ihre konkreten Zwecke verarbeiten zu können. Die Studierenden und Wissenschaftler sollen bei der Informationsarbeit die wichtigsten rechtlichen Aspekte und ethischen Forderungen kennen und berücksichtigen.

7.3.4 Curriculum und Lehrplan Beispiele ausgearbeiteter Curricula zur Vermittlung von Informationskompetenz durch Hochschulbibliotheken liegen im deutschsprachigen Raum bislang kaum vor 437, anders als etwa in Australien und Neuseeland, wo indes eine spezielle Einrichtung, das ANZIIL, für die Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Informationskompetenz im Hochschulsektor zuständig ist. Eine Ursache für die bislang noch schwach ausgeprägte Berücksichtigung der Informationskompetenz in den Lehrplänen der Schule und in den Studienplänen der Hochschulen liegt in der erst rudimentären Verankerung der Bibliotheksangebote im Studium, sodann in der unzureichenden personellen und finanziellen 437 Über die Problematik der Integration bibliothekarischer Angebote in Hochschulcurricula berichtete frühzeitig: Hapke, Thomas: Vermittlung von Informationskompetenz. Erfahrungen bei der Integration in das Curriculum an der TU Hamburg-Harburg. In: Bibliotheksdienst 34 (2000) S. 819–834; für die Universität Konstanz vgl. Kohl-Frey, Oliver: Modularisierung, E-Learning und die Einbindung in Studienpläne. Zur Vermittlung von Informationskompetenz an der Universitätsbibliothek Konstanz. In: Bibliothek. Forschung und Praxis 29 (2005) S. 42–48.

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Die Teaching Library – ein Rahmenmodell

Ausstattung der Bibliotheken als Lehr-Lernort. Investiert wird vielfach primär in die Verbesserung der informationstechnischen Infrastrukturen in den Bibliotheken (Arbeits- und Lernpools), weniger aber in den Ausbau von Schulungsräumen, die Beschaffung von Lernsoftware, die Erweiterung und die pädagogisch-didaktische Qualifizierung des mit Lehraufgaben betrauten Bibliothekspersonals. Ein Lehrplan legt die übergreifenden Ziele im Sinne des Erziehungs- oder Bildungsauftrags einer Einrichtung fest und umreißt die Inhalte. Demgegenüber werden in einem geschlossenen Curriculum alle Lernziele, Unterrichtsmethoden und Unterrichtsmittel (Medien) festgelegt. Zur Zeit existieren im deutschen Hochschulbibliothekswesen nur vereinzelt Beispiele eines ausgearbeiteten Curriculums für die Teaching Library. Die beiden Begriffe werden häufig synonym verwendet, obwohl sie unterschiedliche Bedeutungen haben. Insofern wird im Folgenden von „Lehrplan“ gesprochen, jedoch sind dabei durchaus curriculare Elemente mit eingeschlossen. Ein Lehrplan für die Teaching Library könnte – in Anlehnung an die Architektur der ACRL-Standards – wie folgt strukturiert werden:

Standard/Lernziel: Themenorientierte Informations-/Medienrecherchen konzipieren und durchführen, die gefundene Information bewerten und verarbeiten können − anhand von mindestens zwei wichtigen Fachdatenbanken (Stufen 3, 4, 5, 6 der Taxonomie von Bloom)

Indikatoren: – Anhand von beispielhaften Suchanfragen zwischen Stichwort (Keyword) und Schlagwort (Subject Heading, Deskriptor) bzw. zwischen „Precision“ und „Recall“ unterscheiden können – Anhand von beispielhaften Suchanfragen die wichtigsten Boole’schen Operatoren (AND, OR, NOT) verwenden können. Anhand von Beispielthemen Suchanfragen auch mithilfe von Trunkierung, von Indices, von Thesauri formulieren können – Anhand von Beispielthemen Suchstrategien entwickeln und flexibel für die Literaturrecherche verwenden können – Anhand von beispielhaft ermittelten Trefferlisten geeignete Rechercheergebnisse auswählen und in die Literaturverwaltung oder in eigene Textdateien (Literaturverzeichnis) exportieren können.

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Inhaltsfelder: – Zwei Fachdatenbanken / Fachthesauri, Datenbankindices / Verwendung Boole’scher Verknüpfungsoperatoren Didaktik/Methodik: – Blended Learning unter Einsatz von E-Tutorials / Lehrervortrag (auch unterstützt durch Powerpoint-Folien bzw. durch Online-Vorführung im Internet und/oder Online-Lernhilfe / Tutorial) – Lehrgespräch – Übung / Partnerarbeit / Teilnehmeraktivierung Medien: – Übungsrechner mit Internetzugang – Powerpoint-Unterstützung Lernziel „Informationsbewertung“ Das Lernziel „Bewertung der Information“ stellt komplexe Anforderungen an die Lernenden, wie die von Bargheer differenziert aufgeführten Kriterien für die Evaluierung von Internetressourcen verdeutlichen 438 (s. Abb. unten). Die Bewertung müsste einerseits nach inhaltlichen Kriterien wie der Urheberschaft der besagten Quelle, dem Vertrieb, der Zielgruppe, der inhaltlichen Kohärenz, der inhaltlichen Abdeckung, andererseits nach formalen Kriterien wie der Nutzbarkeit hinsichtlich der Oberfläche, der Art des Zugriffs, der Struktur der Ressource, ferner nach technischen Merkmalen wie erfolgen. Das von Bargheer entworfene Kriterienraster dient zwar in erster Linie dazu, die für den bibliothekarischen Nachweis in Online-Katalogen oder Fachportalen relevanten frei verfügbaren Internetquellen begründet auswählen zu können, eignet sich aber durchaus auch für die Imformationskompetenz-Stufe der Bewertung, obwohl dafür nicht alle der aufgeführten Merkmale in gleicher Weise von Bedeutung sein dürften, sondern primär die Merkmale Urheberschaft, inhaltliche Kohärenz und inhaltliche Abdeckung, ferner Struktur der Ressource.

438 Vgl. Bargheer, Margo: Qualitätskriterien und Evaluierungswege für wissenschaftliche Internetressourcen. Ein Report für die bibliothekarische und dokumentarische Praxis. Report zum DFG-Projekt „Datenbankbasierte Clearinghouses im Kontext digitaler Bibliotheken“. Göttingen 2002, S. 41. http://webdoc.gwdg.de/ ebook/aw/2003/bargheer/v10.pdf (21. 07. 2011)

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Die Teaching Library – ein Rahmenmodell

Inhaltliche Kriterien

Formale Kriterien

Kontext der Information

Inhalt Informationsgehalt

Form und Präsentation

Technische Merkmale

Urheberschaft – Verantwortlichkeit für den Inhalt – Autor – Herausgeber

Inhaltliche Kohärenz – Validität – Autorität – Genauigkeit

Nutzbarkeit (usability) – Layout / Design / Ergonomie der Benutzeroberfläche – Suchen / Navigieren / Hilfe

Nutzbarkeit (usability) – Datenformate – Metadaten – internationale Standards

Vertrieb – Verleger (Publisher) – Distributor Zielgruppe Relation zum Informationsraum – Verortung im Thema – Verortung im Medium – Backlinks – Feedback

Inhaltliche Abdeckung – substantieller Gehalt – Vollständigkeit der Informationen – Einzigartigkeit/ Originalität (im Hinblick auf Primär- bzw. Sekundärinformation) Inhaltsform – Gliederung der Information – zeitliche Gültigkeit – Beschreibung (Metadaten)

Zugriff (accessability) – Zuverlässigkeit – Sicherheit

Zugriff Schnittstellen (accessability) – Nutzer und – Barrierefreiheit Medium – Zugriffs– inter- und reglementierung intramediale Struktur der Schnittstellen Ressource – Datenumfang – Datenstruktur – Grenzen der Ressource – Impressum – Metadaten

Abb. 5: Kriterien für die Evaluierung von Internetressourcen (nach Bargheer, 2002)

7.3.5 Musterlehrplan der Teaching Library Die Lerninhalte der Teaching Library ergeben sich aus den Anforderungen, die die digitale Informationswelt im Kontext wissenschaftlicher Bibliothek stellt 439. Es handelt sich um die verschiedenen Informationsressourcen und Medien (Buch, Zeitschrift, Datenbank, multimediales Objekt, Internetressource), um Informationszugänge wie Kataloge, Suchmaschinen, Portale).

439 Vgl. zum Beispiel: Sühl-Strohmenger (Anm. 9).

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Aus den Lehrzielen (Soll) sowie den Ausgangsbedingungen der Lernenden (Ist) wird der Lehrplan oder das Curriculum entwickelt 440: Der demzufolge gewählte Lehrstoff ist in Teilziele zu zerlegen, die wiederum in eine günstige Sequenz zu bringen sind – das Curriculum. Unterschieden wird zwischen einem Spiralcurriculum und dem epochalen Lehrgang. Bei dem spiralig angelegten Lehrplan wird mit den untersten Ebenen von Teilzielen begonnen, dann auf die darüber liegenden fortgeschritten und dabei immer wieder auf frühere Stufen zurückgegangen. Der epochale Lehrgang besteht aus längeren Perioden, in denen eine bestimmte Thematik vertiefend behandelt wird, ehe dann eine weitere Thematik folgt, die ebenfalls eine längere Zeit bearbeitet wird. Daneben gibt es den synthetischen Lehrgang, der in der Hierarchie ganz unten beginnt und sich dann nach und nach hoch zum übergeordneten Ziel arbeitet, sowie den analytischen Lehrgang, der umgekehrt mit dem obersten Ziel beginnt und dann Zug um Zug die nötigen Teilkenntnisse und Voraussetzungen schafft. Das Neue wird also in bereits Bekanntes eingebettet. Aufgrund der heterogenen Zielsetzungen und Zwecke, mit der eine Teaching Library im Raum der Hochschule konfrontiert wird, beschränkt sie sich nicht auf eine bestimmte Form des Lehrplans, sondern alle der oben genannten Typen werden zweckorientiert angewandt. Der Lehrplan sollte, unter Berücksichtigung der verschiedenen Zielgruppen und Anforderungsstufen, Aussagen zu den Lehrzielen, den Lehrinhalten und den Methoden oder Medien enthalten. Im Folgenden soll dies beispielhaft anhand eines eigenen Modells veranschaulicht werden, das bereits 2003 441 konzipiert und jetzt im Licht neuer Entwicklungen und Erkenntnisse zur Teaching Library in modifizierter Form dargeboten wird. Unabhängig von den jeweiligen lokal gesetzten besonderen Schwerpunkten – ein Beispiel dafür wäre die Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf 442 – finden sich bei vielen Hochschulbibliotheken die folgenden Inhaltsfelder für Kurs- und Schulungsangebote: – Orientierende Angebote und Kurse für die Zielgruppen Schüler, Studienanfänger/Studienortwechsler, Erstbenutzer des außeruniversitären Bereichs (Informationskompetenz Stufe 1)

440 Siehe Klauer / Leutner (Anm. 100) S. 41 ff. 441 Vgl. Lux / Sühl-Strohmenger (Anm. 13) S. 170 ff. 442 Vgl. Nilges / Siebert (Anm. 319).

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Die Teaching Library – ein Rahmenmodell

Grundlegende Einführungen und Kurse für Studienanfänger, Studierende im Grundstudium bzw. im Bachelor-Studium (1.−3. Semester) und im Master-Studium (1./2. Semester), Studierende im Seniorenstudium (Informationskompetenz Stufe 2) Aufbauende Kurse für Studierende im Hauptstudium, im BachelorStudium (4.−6. Semester) bzw. im Master-Studium (3./4. Semester) (Informationskompetenz Stufe 3) Vertiefende Kurse für Examenskandidaten, für Interessenten aus dem Lehrkörper und aus dem Forschungsbereich (Informationskompetenz Stufe 4).

Diesen vier Stufen, die nicht zwingend aufeinander aufbauen müssen, können – unter Berücksichtigung der bereits vielenorts geübten Praxis sowie der Erfordernisse lebenslangen Lernens (Schlüsselqualifikationen) – jeweils bestimmte Standards/Lernziele, Indikatoren, Inhaltsfelder und didaktisch-methodische Empfehlungen zugeordnet werden. Die jeweiligen lokal- und studiengangspezifischen Vorgaben an der Hochschule bleiben dessen ungeachtet der zentrale Bezugsrahmen für den Lehrplan der Teaching Library, jedoch könnte das nachfolgende Modell Anregungen für die Konkretisierung der von der Bibliothek geforderten Inhalte bieten.

Informationskompetenz Stufe 1 = ORIENTIERUNGSSTUFE Lernziel 1 Fähigkeit zur räumlichen/virtuellen Orientierung in der jeweiligen Hochschulbibliothek mit ihren verschiedenen Funktionsbereichen erlangen. 1/1 Indikatoren: a. Auf einem unkommentierten Gebäudeplan die betreffenden Funktionsbereiche der Bibliothek ohne Hilfsmittel benennen können. 1/2 Inhaltsfelder: b. Virtueller oder realer Rundgang durch die Bibliothek 1/3 Didaktik/Methodik: c. Präsentation, Erläuterung (Erweiterungsmöglichkeiten beispielsweise durch „Bibliotheksrallye“ oder „Bibliotheks-Quiz“ oder „Karussell“), d. Anschaulichkeit bzw. Komplexitätsreduktion

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Lernziel 2 Kenntnis der Grundlagen von Information, Informationssuche und Informationsbeschaffung anhand des lokalen Literatur-/Mediennachweissystems und der lokalen Literatur-/Medienverfügbarkeit. 2/1 Indikatoren: a. Anhand eines Suchbeispiels (Autorenname, Titel(stich)wort) die betreffenden Titelnachweise im Onlinekatalog ermitteln können. b. Anhand von beispielhaft im Onlinekatalog ermittelten Titelnachweisen unterschiedliche Verfügbarkeiten (Ausleihbestand, Freihandbestand, Präsenzbestand; dezentral oder außeruniversitär verfügbarer Bestand) feststellen können. c. Anhand geeigneter Suchbeispiele unterschiedliche Medienarten bzw. Informationstypen identifizieren können. 2/2 Inhaltsfelder: e. Hauptfunktionen des lokalen (elektronischen) Katalog- sowie Ausleihsystems f. Formen der Bereitstellung von Literatur, Information und Medien in der Bibliothek Medienarten Buch, Zeitschrift bzw. Non-Book-Form/Print-/E-Medien g. Informationstypen: primäre (z. B. Erstveröffentlichung, Brief, Urkunde), sekundäre (z. B. Biographie, Rezension, Wörterbucheintrag) bzw. tertiäre Form (Bibliothekskatalog, Zeitschriftenindex, Bibliographie), in gedruckter und in elektronischer Form. 2/3 Didaktik/Methodik: h. Präsentation, Lehrervortrag, Powerpoint-Folien oder Online-Vorführung i. Übung, Teilnehmeraktivierung Lernziel 3 Auf der Homepage der lokalen Hochschulbibliothek hinsichtlich wichtiger elektronischer Informations-/Medienangebote navigieren können. 3/1 Indikatoren: a. Einstiegsseiten für die lokal verfügbaren elektronischen Datensammlungen/Datenbanken und elektronischen Zeitschriften finden und aufrufen können. b. Einstiegsseiten für überregional verfügbare elektronische Kataloge finden und aufrufen können. Einstiegsseiten für Dokumentlieferdienste finden und aufrufen können.

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Die Teaching Library – ein Rahmenmodell

3/2 Inhaltsfelder: c. Homepage der lokalen Hochschulbibliothek d. Einzelne elektronische Informationsangebote in Auswahl, nach lokalen Gesichtspunkten 3/3 Didaktik/Methodik: e. Präsentation, Lehrervortrag, Online-Vorführung f. Online-Hilfe (Screencasting, Tutorial o. ä.) g. Übung, Teilnehmeraktivierung

Informationskompetenz Stufe 2 = GRUNDLAGEN/BASISSTUFE Lernziel 4 Themenbezogene Informations- und Medienrecherchen anhand der lokalen / regionalen / überregionalen Kataloge konzipieren und durchführen können. 4/1 Indikatoren: a. Anhand eines vom Nutzer selbst genannten Themas eine stichwort- bzw. schlagwortgestützte (bzw. ggf. der jeweiligen Aufstellungssystematik angepasste) Katalogrecherche durchführen können. b. Die aufgrund einer stichwort-, schlagwort-/Systematik-gestützten Literaturrecherche im Katalog erzielten Treffer auf zunächst fünf bis zehn geeignete Nachweise reduzieren können. c. Die Funktionen des Katalogs als Suchmaschine nutzen können (Drill down, Facetten) 4/2 Inhaltsfelder: d. Lokale Kataloge (OPAC) e. Regionale und überregionale Katalogsysteme (KVK, Regionale Verbundsysteme) f. Schlagwortsystem, Systematik 4/3 g. h. i. j.

Didaktik/Methodik : Präsentation, Lehrervortrag, Powerpoint-Folien und/oder Online-Vorführung Lehrgespräch Übung, Teilnehmeraktivierung, auch durch Partnerarbeit Online-Hilfe (Tutorial, o. ä.)

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Lernziel 5 Die für die eigenen (Studien-)Fächer wichtigen Fachdatenbanken und sonstigen Fachinformationsressourcen aus einer Vielfalt von Angeboten auswählen können. 5/1 Indikatoren: a. Aus einer Zusammenstellung von verschiedenen, lokal verfügbaren Fachdatenbanken jeweils die für das betreffende Studienfach oder die wissenschaftliche Fragestellung wichtigsten auswählen können. b. Aus einer Zusammenstellung sonstiger Fachinformationsressourcen die für das betreffende Studienfach oder die wissenschaftliche Fragestellung wichtigsten Angebote auswählen können. c. Den Unterschied zwischen standortgebundenen Nachweissystemen (Kataloge) und standortunabhängigen Nachweissystemen (bibliographische Datenbanken) kennen. 5/2 d. e. f g. h.

Inhaltsfelder: Bibliographische Fachdatenbanken Fachübergreifende bzw. Interdisziplinäre Datenbanksysteme Datenbankinformationssystem (DBIS) Regensburg Fachinformationsportale (Virtuelle Fachbibliotheken) Internetportale/-suchmaschinen, auch mit fachlicher Untergliederung

5/3 i. k. l. m.

Didaktik/Methodik: Präsentation, Lehrervortrag, Powerpoint-Folien und/oder online Lehrgespräch Projektarbeit, Teilnehmeraktivierung Online-Hilfe (z. B. Tutorials der Virtuellen Fachbibliotheken – Beispiele: Virtuelle Fachbibliothek Politikwissenschaft ViFaPol; Virtuelle Fachbibliothek Wirtschaftswissenschaft EconBIZ )

Lernziel 6 Informationsrecherchen und Informationsverarbeitung anhand von mindestens zwei wichtigen Fachdatenbanken themenorientiert anlegen und durchführen können. 6/1 Indikatoren: a. Anhand von beispielhaften Suchanfragen zwischen Stichwort (Keyword) und Schlagwort (Subject Heading, Deskriptor) bzw. zwischen „Precision“ und „Recall“ unterscheiden können.

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Die Teaching Library – ein Rahmenmodell

b. Anhand von beispielhaften Suchanfragen die wichtigsten Boole’schen Operatoren (AND, OR, NOT) verwenden können. c. Anhand von Beispielthemen Suchanfragen mithilfe von Trunkierung, von Indices, von Thesauri formulieren können. d. Anhand von Beispielthemen Suchstrategien entwickeln und flexibel für die Literaturrecherche verwenden können. e. Anhand von beispielhaft ermittelten Trefferlisten geeignete Rechercheergebnisse auswählen und exportieren können. 6/2 f. g. h.

Inhaltsfelder: Wichtige Fachdatenbanken Fachthesauri, Datenbankindices Grundlagen der Boole’schen Logik

6/3 Didaktik/Methodik: i. Blended Learning (Mix aus Präsenzunterricht und E-Learning-Sequenzen) k. Lehrervortrag (auch unterstützt durch Powerpoint-Folien bzw. durch Online-Vorführung im Internet und/oder Online-Lernhilfe / Tutorial) l. Lehrgespräch m. Übung / Partnerarbeit / Teilnehmeraktivierung

Lernziel 7 Internetressourcen anhand unterschiedlicher Suchmaschinen themenorientiert ermitteln können. 7/1 Indikatoren: a. Anhand beispielhafter Themenstellungen Suchanfragen in verschiedenen Suchmaschinen formulieren können b. Recherchemöglichkeiten verschiedener Suchmaschinen kennen und anwenden können. c. Reichweiten der durch Suchmaschinen im Internet erschlossenen Informationen kennen. d. Selektierende Zusatzfunktionalitäten von Suchmaschinen verwenden können. 7/2 e. f. g.

Inhaltsfelder: Welt des Internet und die Informationsexplosion Internetsuchmaschinen Suchlogik, Trunkierung, Browsing

Komponenten eines Rahmenmodells

7/3 h. i. k. l.

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Didaktik/Methodik: Präsentation, Lehrervortrag, Powerpoint-Folien und/oder online im Internet Projektarbeit Übung, Teilnehmeraktivierung Online-Hilfe (Tutorial)

Informationskompetenz Stufe 3 = AUFBAUSTUFE Lernziel 8 Unterschiedliche Publikationstypen zur gezielten Quellenbeschaffung identifizieren und bewerten können. 8/1 Indikatoren: a. Auf der Basis von Rechercheergebnissen (Trefferlisten) in Literaturdatenbanken jeweilige Publikationsformen (Monographie, Buchkapitel, Buchbeitrag, Zeitschriftenaufsatz, Literaturbericht) identifizieren können b. Zu den ausgewählten Rechercheergebnissen die zugehörigen Quellen mithilfe der zur Verfügung stehenden Dienste gezielt beschaffen können. 8/2 c. d. e. f.

Inhaltsfelder: Publikations-/Medienarten Fachzeitschriften (Printform, elektronische Form) Elektronische Zeitschriftenbibliothek (EZB) Fernleihe, Dokumentlieferdienste (Subito, Online-Fernleihe der regionalen Verbundsysteme, klassische Fernleihe)

8/3 g. h. i. k.

Didaktik/Methodik: Präsentation, Lehrervortrag, Powerpoint-Folien Lehrgespräch Projekt-/Partnerarbeit Übung, Teilnehmeraktivierung

Lernziel 9 E-Journals und digitale Volltextsammlungen selbstständig für das eigene Studienvorhaben nutzen können. 9/1 Indikatoren: a. Anhand einer beispielhaften Zusammenstellung von 10 Zeitschriftentiteln jeweils die Verfügbarkeit als elektronische Vollversion ermitteln können. b. Anhand von Einstiegsseiten der Verlage/Anbieter gezielt bestimmte Artikeln aus den betreffenden Fachzeitschriften ermitteln können.

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Die Teaching Library – ein Rahmenmodell

c.

Innerhalb von umfassenden Archiven für elektronische Zeitschriften (z. B. JSTOR) anhand bestimmter Themenstellungen mithilfe der angebotenen Rechercheoberfläche nach Artikeln recherchieren können. d. Anhand lokal oder überregional (im Internet) verfügbarer Volltextsammlungen wissenschaftlich brauchbare Volltexte ermitteln können. 9/2 Inhaltsfelder: e. Elektronische Zeitschriftenbibliothek (EZB) f. Provider/Verlage von elektronischen Zeitschriften (Einstiegsseiten im Internet), einschließlich Open-Access-Publikationsserver g. Journal Storage (JSTOR) als Beispiel für ein E-Journal-Archiv mit voller Recherchefunktionalität h. Lokale Volltextserver der Hochschulbibliothek für Hochschulschriften i. Regionale und überregionale Volltextserver für Hochschulschriften k. Volltextsammlungen im Internet Didaktik/Methodik: l. Präsentation, Lehrervortrag, Powerpoint-Folien und/oder online m. Lehrgespräch n. Projektarbeit o. Übung, Teilnehmeraktivierung p. Online-Hilfe (z. B. Tutorial)

Informationskompetenz Stufe 4 = VERTIEFUNGSSTUFE Lernziel 10 Die wissenschaftliche Qualität von Fachzeitschriften einschätzen können. 10/1 Indikatoren: a. Anhand von beispielhaft zusammengestellten Zeitschriftentiteln die „peerreviewed“ Zeitschriften ermitteln können. b. Anhand von beispielhaft zusammengestellten Zeitschriftentiteln die Zitierhäufigkeit (Times Cited) ermitteln können. c. Anhand von Zitationsdatenbanken den internationalen Rangplatz (Impact Factor) bestimmter Zeitschriftentitel ermitteln können. 10/2 Inhaltsfelder: d. Fachdatenbanken mit Berücksichtigung des Kriteriums „peer reviewed“ (z. B. PsycINFO)

Komponenten eines Rahmenmodells

e. f.

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Fachdatenbanken mit Berücksichtigung von „Times cited“ (z. B. PsycINFO) Zitationsdatenbanken (z. B. Science Citation Index oder Journal Citation Reports)

10/3 Didaktik/Methodik: g. Präsentation, Lehrervortrag, Powerpoint-Folie und/oder online im Internet h. Lehrgespräch i. Übung, Teilnehmeraktivierung k. Online-Hilfe (Tutorial u. ä.)

Lernziel 11 Informationen zur selbstständigen Medien- oder Informationsverarbeitung und zur Präsentation und Kommunikation der Ergebnisse bewerten können. 11/1 Indikatoren: a. Anhand einer Trefferliste Informationen auswählen und hinsichtlich ihrer Ergiebigkeit für die betreffende Themenstellung bewerten können. b. Exportfunktionen (Ausdruck, Abspeichern, Emailversand) anhand verschiedener Fachdatenbanken anwenden können. c. Ein gängiges Literaturverwaltungsprogramm (z. B. EndNote) für den Import von Literaturnachweisen aus Fachdatenbanken anwenden können. d. Planung und Technik des elektronischen Publizierens auf dem lokalen Hochschulserver beherrschen. Die Ergebnisse einer Informationsrecherche vor einer Gruppe präsentieren können. 11/2 e. f. g. h. i.

Inhaltsfelder. Trefferlisten aufgrund von Katalog-, Datenbank- oder Internetrecherche. Exportfunktionalitäten verschiedener Fachinformationsressourcen. Literaturverwaltungsprogramme (z. B. Reference Manager, EndNote, Citavi, Zotero) Elektronisches Publizieren Präsentationstechniken, Kommunikationsmodelle

11/3 k. l. m.

Didaktik/Methodik: Präsentation, Lehrervortrag, Power-Point-Folien und/oder online im Internet Übung, Partner-/Gruppenarbeit Online-Hilfe (z. B. Tutorial, Manual)

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Die Teaching Library – ein Rahmenmodell

Lernziel 12 Rechtliche und ethische Implikationen der Informationsgewinnung und Informationsverarbeitung erkennen und berücksichtigen können. 12/1 Indikatoren: a. Korrekt die übernommenen Informationen nach einem anerkannten Zitierformat zitieren können. b. Urheberrechtliche Bestimmungen bei der Informationsverwendung beachten. c. Urheberrechte von Autoren und Verlagen kennen und beachten. d. Ethische Implikationen der Informations- und Medienverwendung berücksichtigen. 12/2 Inhaltsfelder: e. Zitierregeln nach DIN und nach internationalen Regeln (z. B. APA-Style, Chicago-Style) f. Urheberrechtliche Bestimmungen g. Informations- und Medienethik, insbesondere hinsichtlich des Plagiarismus 12/3 Didaktik/Methodik: Lehrervortrag i. k. Lehrgespräch

7.3.6 Einbindung des Schulungs- und Kursprogramms in das Studium Folgende Schritte scheinen für eine nachhaltige Einbindung des Kursangebots in das Fachstudium von zentraler Bedeutung zu sein: – Analyse zum Status der Informationskompetenz auf der Ebene der Fächer und Bedarfserhebung, – Kommunikation durch die Fachreferenten und/oder Institutsbibliothekare an die Bibliotheksbeauftragten der Fächer oder an die Institutsleitungen, – Favorisierung des in bestimmte grundlegende, methodisch ausgerichtete Seminare „eingebetteten Bibliothekskurses“ als Pflichtangebot (ohne eigene ECTS-Punkte oder Leistungsnachweise), – Verankerung der Bibliotheksveranstaltungen zur Förderung von Informationskompetenz möglichst in den Studienverlaufsplänen und den Prüfungsordnungen, – Festlegung längerfristiger Ansprechpartner seitens der Hochschulbibliothek und seitens der Fakultäten, Fachbereiche, Institute und Seminare.

Komponenten eines Rahmenmodells

201

Das Angebot der Teaching Library sollte „nachhaltig“, auch unter Berücksichtigung von Standards, von Evaluation und Assessment gestaltet werden und zwar durch – Verankerung im Leitbild der Bibliothek, – Priorität auf Direktionsebene, – Definition des Kursprogramms mit ausdrücklichem Bezug auf die Standards, – Informationskompetenz für Studierende (abgestuft nach verschiedenem Anforderungsniveaus), – Sicherung der Lernerfolgskontrolle durch Tests oder sonstige Leistungsnachweise, – Überprüfung der Zielerreichung des Kursprogramms durch Evaluation, in der Regel durch Teilnehmerfeedback.

7.3.7 Personelle Kapazitäten In einer mittleren bis größeren Hochschulbibliothek muss ein gewisser personeller Aufwand 443 für die Realisierung der Teaching Library berücksichtigt werden. In Anlehnung an Erfahrungswerte aus dem Schulbereich wären bei einer Unterrichtseinheit von 90 Minuten insgesamt 180 Minuten Vorbereitung anzusetzen (zweifache Unterrichtsdauer). Im Hochschulbereich gilt beim Arbeitsaufwand für Dozenten ein Anrechnungsfaktor von 1,0 für eine Unterrichtsstunde, von 0,5 für ein Praktikum. Bei multimedialen Lehrangeboten erhöht sich der Anrechnungsfaktor für den Erstaufwand auf 2–4 Stunden (pro Unterrichtsstunde). Bei der Kalkulation des Aufwandes sind der technische Aufwand, das Beantworten von Emails, die Teilnehmerdokumentation und das Bearbeiten von Leistungsnachweisen nicht zu vernachlässigen. Sodann ist zu unterscheiden zwischen Erstaufwand und Folgeaufwand (bei Wiederholen derselben Veranstaltung). Der Erstaufwand fällt bei der Planung eines neuen Kursangebotes oder bei der grundlegenden Überarbeitung eines bestehenden Angebots an, beispielsweise mit Blick auf neue Ressourcen oder veränderte Interfaces und Features bei Online-Katalogen oder Datenbanken. Gegenstände der Planung 444 sind (geschätzte Prozentanteile an der Gesamtplanung): Festlegung der Kursinhalte (20 Prozent), didaktische Reflexion 443 Siehe dazu Sühl-Strohmenger (Anm. 307). 444 Siehe dazu auch die – nicht auf inhaltliche Aspekte beschränkten – Standards bei: Nilges, Annemarie / Reessing-Fidora, Marianne / Vogt, Renate: Standards für die Vermittlung von Informationskompetenz an der Hochschule. In: Bibliotheksdienst 37 (2003) S. 463–465.

202

Die Teaching Library – ein Rahmenmodell

und Entscheidung einschließlich der Anfertigung einer Planungsmatrix (20 Prozent), die Vorbereitung der Methoden (10 Prozent), der Einsatz von Medien, eventuell unter Berücksichtigung von E-Learning-Einheiten (10 Prozent), die Anfertigung von Lernmaterialien (Handout, Infoblätter) (20 Prozent), Planung der Instrumente für eine Lernerfolgskontrolle (10 Prozent), die personelle und räumliche Planung (5 Prozent), die Ankündigung und das Marketing (5 Prozent). Veranschlagt werden für die Planung eines 90-minütigen Kurses mindestens 4 × 90 Minuten = 360 Minuten (6 Stunden). Der Folgeaufwand oder die Vorbereitung einer bereits geplanten und mehrfach durchgeführten Lehreinheit umfasst das Einstellen oder Kopieren von Lernmaterialien, das Vorbereiten des Raum, die Teilnehmerdokumentation, die Erfüllung der Anforderungen des Prüfungsamts. Veranschlagt werden 30 Minuten. Für die Durchführung einer Veranstaltung von 90 Minuten sind etwa 15 Minuten Vorlauf und 15 Minuten Nachbereitung zu veranschlagen, also insgesamt 120 Minuten. Die momentan von den größeren Hochschulbibliotheken für Schulungsaufgaben bereit gestellten Personalkapazitäten sind – auch vor dem Hintergrund steigender Kurs- und Teilnehmerzahlen − deutlich zu knapp bemessen. Für eine eigentlich wünschenswerte Ausweitung des Kursangebots auf weitere Zielgruppen in und außerhalb der Hochschule reicht das Personal nicht aus – eine volle Stelle wäre eigentlich das Minimum − oder muss intern entsprechend umgeschichtet werden, zu Lasten anderer Geschäftsfelder. Bei mittleren und kleineren Hochschulbibliotheken wäre eine solche Personalberechnung allerdings unrealistisch, hier sind die Aktivitäten der Teaching Library nur über zusätzliche Hochschulmittel für diesen Zweck, durch interne Umschichtungen von Tätigkeiten oder durch weniger personalintensive Angebotsformen, mit Flankierung durch E-Learning, zu leisten.

7.3.8 Didaktische Qualifizierung und Fortbildung des Bibliothekspersonals – – –

Bibliotheksinterne Fortbildungen (Training on the Job, mit Coaching und kollegialer Beratung), Hochschulinterne Fortbildung mithilfe der Hochschuldidaktik oder eines vorhandenen pädagogischen Instituts, Externe Fortbildung bei einer bibliothekarischen Ausbildungsstätte, einem didaktischen Workshop der Bibliotheksverbände oder der regionalen Arbeitsgemeinschaft zur Informationskompetenz,

Zusammenfassung



203

Gegenstände der Qualifizierung sind Grundlagen des Lehrens und Lernens, Lehrstrategien, Prinzipien der Unterrichtsplanung, Auswahl und Einsatz von Lehrmethoden und unterstützenden Medien, Lernerfolgskontrolle/ Leistungsnachweis, Evaluation, Reflexion der Lehrerrolle.

7.3.9 Kooperationen in und außerhalb der Hochschule – –

– –

– – –

Zusammenarbeit mit Rechenzentrum und Medienzentrum im Hinblick auf ein arbeitsteilig abgestimmtes Kursprogramm (Muster ZEDAT Berlin), Gezielte einzelne Kursangebote, gemeinsam geplant und durchgeführt von Bibliothekaren und von Mitarbeitern des Rechen-/Medienzentrums im Bereich der fachübergreifenden Schlüsselqualifikationen (Beispiel: Persönliches Wissensmanagement), Kooperation mit Studiendekanen und Studienreformkommission, Kooperation mit Fakultäten, Instituten und Seminare, auch bezüglich etwaiger Forschungsprojekte und Sonderforschungsbereiche, an denen die Bibliothek mitwirken kann, Kooperation mit Exzellenzclustern, Graduiertenschulen, sofern an der Hochschule existent, Kooperation mit Bildungseinrichtungen (Gymnasien, Lehrern und Schulbehörden), Kooperationen mit regionalen Bibliotheksnetzwerken und dem angedachten zentralen Fachbeirat nach dem KII-Empfehlungen.

7.4 Zusammenfassung Das skizzierte Rahmenmodell beinhaltet eine Definition und eine Begründung der Teaching Library, sodann die Bestimmung der Zielgruppen und der Lernziele, auch im Zusammenhang mit den Standards der Informationskompetenz. Im Kern bietet es einen differenzierten Lehrplan, der die verschiedenen Anforderungsstufen der Informationskompetenz zugrunde legt, die oben dargelegten Befunde der empirischen Studien zum Informationsverhalten zu berücksichtigen versucht und den grundlegenden didaktischen Erkenntnissen Rechnung trägt. Dieser Entwurf erhebt nicht den Anspruch, für jede Hochschulbibliothek gleichermaßen geeignet zu sein. Er ist entstanden mit Blick auf eine mittelgroße Universität wie zum Beispiel die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

204

Die Teaching Library – ein Rahmenmodell

Dort wurden in den vergangenen Jahren bereits erhebliche Anstrengungen von der UB unternommen, um ein breitgefächertes Schulungs- und Kursangebot zu realisieren, einschließlich der frühzeitigen Einbindung in die neu entstehenden Bachelorstudiengänge 445. Nach und nach rekrutierte die Bibliothek ein Team bestehend aus Fachreferenten und Diplombibliothekaren, die – nach einer kompakten hochschuldidaktischen Fortbildung – eine steigende Zahl von Veranstaltungen zu organisieren und zu realisieren hatten. Aufgrund langjähriger Erwerbungskooperationen innerhalb des Freiburger Bibliothekssystems konnten sie dabei auf ein kooperativ angelegtes Netzwerk zurückgreifen. Die Teaching Library war auf dieser Grundlage eher in der Universität zu etablieren und in das Studium einzubinden, als wenn solche begünstigenden Rahmenbedingungen nicht bestanden hätten. Insofern verdankt sich das oben skizzierte Rahmenmodell, das für kleine, mittlere und größere Hochschulbibliothek unterschiedlich umfassend zu verwenden ist, nicht zuletzt den Freiburger Erfahrungen. Einige Erfolgsfaktoren dieser Entwicklung sind – neben den schon genannten Erkenntnissen aus den Studien zum Informationsverhalten und zur Informationskompetenz sowie den überregionalen Empfehlungen – in das Modell eingeflossen.

445 Siehe u. a.: Sühl-Strohmenger, Wilfried: Bibliothek als Lehr-Lern-Zentrum – Neue Bachelor- und Master-Studiengänge ad portas: Der Bologna-Prozess und die Vermittlung von Informationskompetenz durch Hochschulbibliotheken. In Enichlmayr, C. (Hrsg.). 28. Österreichischer Bibliothekartag 2004. Generalthema: Bibliotheken – Fundament der Bildung. Tagungsband / 21.−25. September. Linz 2005, S. 101–119 (Schriftenreihe der Oberösterreichischen Landesbibliothek).

8 Schluss und Ausblick Unter den Bibliothekaren der Hochschulbibliotheken besteht – ungeachtet einzelner kritischer Einwände – ein zunehmendes Interesse, von der Betonung der Nutzerschulungen zu einer Bevorzugung der Informationskompetenz überzugehen. Allerdings nimmt das Training von grundlegenden Recherchefertigkeiten anhand der Bibliothekskataloge und einschlägiger Fachdatenbanken sowie die Vermittlung eines medienkundlichen Verständnisses noch breiten Raum ein, auch aufgrund entsprechender Nachfrage. Auch bedarf es der Unterstützung seitens der Hochschullehrer, die sich selber dieser Herausforderung nicht so stark verpflichtet fühlen oder sie nicht wahrnehmen können. Die Bibliothekare müssen fundierte Erfahrungen in der Informationstechnologie mitbringen oder erwerben, unabhängig davon, ob man in einer traditionellen Bibliotheksstruktur oder Seite an Seite mit Kollegen der IT-Abteilung in einem konvergenten Dienst arbeitet. Es wächst zudem die Notwendigkeit, auf Ressourcen zu fokussieren, die die Bibliothek nicht besitzt, zu denen sie aber Zugänge bieten kann. Sowohl lizenzierte als auch frei verfügbare Ressourcen müssen kombiniert innerhalb eines integrierten Recherche- und Präsentationssystems zusammen gebracht werden, wie es zum Beispiel die neuen suchmaschinenbasierten Online-Kataloge der Hochschulbibliotheken beinhalten. Hinzu kommt eine mögliche neue Rolle der Bibliothekare bei der Unterstützung der Kreativität der Hochschullehrer, indem neue Dienste wie e-print und Repositorien für Lernobjekte eingeführt werden, die im Kern bedeuten, eine Rolle als Verlag oder als Verteiler einzunehmen 446. Die Funktion von Bibliotheken und Bibliothekaren bei der Vermittlung und Förderung von Informationskompetenz ist also vielschichtig und kann langfristig nur in der Kooperation mit den anderen Bildungseinrichtungen (Schule, Hochschule, Weiterbildung) erfolgreich sein. „In einer solchen Kooperation gewinnen die Schulen und Hochschulen in den Bibliotheken kompetente Medienpartner, die sie professionell darin unterstützen, die Informationskompetenz der Lernenden zu verbessern. Umgekehrt schärfen die Bibliotheken durch die Kooperation ihr Profil als ‚Informationsexperten‘.“ 447 Wie die Darstellung gezeigt hat, bietet mittlerweile fast jede Hochschulbibliothek Einführungen, Schulungen und Kurse zur Bibliotheksbenutzung und zur Informationskompetenz an. Die Deutsche Bibliotheksstatistik und die gemeinsame Statistik unter „http://www.informationskompetenz.de“ belegen 446 Vgl. u. a. Sühl-Strohmenger (Anm. 9) S. 224 ff. 447 Siehe Dannenberg, Detlev: Zur Förderung von Informationskompetenz in Deutschland. In: Arbido 3 (2005) S. 19 f.

206

Schluss und Ausblick

den steigenden Umfang an Schulungsstunden und an Teilnehmern. Allerdings bedeutet diese Entwicklung auch eine starke Herausforderung für die Hochschulbibliotheken, die für ihre Teaching Library in dem Maße durchdachte inhaltliche und didaktische Konzepte entwickeln müssen, wie auch die Erwartungen der Studierenden und der Wissenschaftler im Hinblick auf eine nachhaltige Förderung ihrer Informationskompetenz steigen. Im Unterschied zu den Anfängen der Teaching Library in den 1990er Jahren besteht das Problem eben nicht mehr primär darin, Akzeptanz als Lehr- und als Lernort in der Hochschule zu finden, sondern diese mittlerweile vielfach als selbstverständlich betrachtete Funktion wirkungsvoll und in der nötigen Vielseitigkeit ausfüllen zu können. Die Teaching Library hat sich, auch wenn der Begriff nicht immer explizit verwendet wird, als markanter Ausdruck für die Bemühungen einer Hochschulbibliothek als unterstützender Lehrort in der Hochschule durchgesetzt. Dabei beansprucht er nicht, das Instruktionsprinzip zu verabsolutieren, zu Lasten selbstregulierten informellen Lernens, für das die Bibliothek ebenfalls die Infrastruktur zur Verfügung stellt. Vielmehr ist er offen für lernwirksame Umwelten, wie sie ein Lernzentrum oder ein Learning Grid bieten. Allerdings bedürfen diese Lerninfrastrukturen sinnvollerweise eines unterstützenden Beratungsservices und auch regulärer Kurse der Bibliothek. Da diese möglichst eng mit den Fachbereichen, den Dozenten und den Tutoren, ferner den anderen zentralen Einrichtungen wie dem Rechenzentrum und dem Medienzentrum kooperieren sollte, ergibt sich idealerweise ein Lernnetzwerk mit günstigen Effekten für den Studien- und Forschungserfolg. Allerdings erhöht dies auch die Komplexität einer Teaching Library. Die folgende Mindmap veranschaulicht diese Vielschichtigkeit:

Abb. 6: Rahmenmodell der Teaching Library Hochschulbibliothek

Schluss und Ausblick

207

Ergänzende Tabelle zur Mindmap (Abb. 6): Teaching Library Hochschulbibliothek HauptKnoten

Thema

Unterpunkte

A

Begründung

Unterstützung des Studiums Unterstützung der Forschung Informationsvermittlung als Kernaufgabe Bibliothek als Lernort

B

Didaktik, Lehrstrategie

DYMIK DIAMOND MOMBI Grundlagen des Lehrens und Lernens

C

Informationsverhalten Studierender

Google-Generation E-Shopping Bouncing ICT-Literacy nicht überschätzen Probleme der Informationskompetenz – Orientierung – Mengenbewältigung – Auswahl und Bewertung

D

Informationskompetenz

Standards – Bedarfsermittlung – Ressourcenauswahl – Suchstrategien – Informations-/Literaturauswahl – Informationsbewertung – Wissensorganisation – Urheberrecht, Ethik – Publizieren, Präsentieren Modelle – ISP-Modell von Kuhltau – SCONUL „Information Literacy Landscape“ – ACRL Standards – Big6-Skills

E

Organisation

Stabsstelle Zuordnung zum Info-Service Schulungsteam → Didaktische Qualifizierung Lehrauftrag

F

Integration in das Studium

Extracurricular Intercurricular Intracurricular

208

Schluss und Ausblick

HauptKnoten

Thema

Unterpunkte

G

Zielgruppen

Schüler Studienanfänger Fortgeschrittene Examenssemester Graduierte, Doktoranden Wissenschaftler

H

Ziele

Orientierung in heterogenen Informationsumgebungen Studienerfolg durch mehr Informationskompetenz Schlüsselqualifikation Informationskompetenz für Lebenslanges Lernen Bessere Forschung durch spezielle Informationskompetenz Unterstützung neuer Informationsinfrastrukturen

I

Lehrplan

Anbindung an Studienverlaufsplan und Fachcurriculum Differenzierung nach Ausbildungs-/ Studienphasen Ziele, Inhalte, Methoden, Medien festlegen

K

Kooperationen

Andere Bibliotheken Bibliotheksnetzwerke Rechenzentren Medienzentren Bildungseinrichtungen

L

Hochschule

Supportstruktur – Hochschullehre – Forschung – Lernort – Schlüsselqualifikationen Fakultät/Fachbereich – Fachcurriculum – Fachreferent – Tutorat Studiengänge – Bachelor – Master – Staatsexamen – Promotion

Schluss und Ausblick

209

HauptKnoten

Thema

Unterpunkte

M

Learning Library

Informelles Lernen Selbstlernen Learning Grid Information Commons Beratung, Coaching

N

E-Learning

Blended Learning Lernplattform E-Tutorial Webinar

O

Angebotsformen, Kursmodelle

Integrierter Bibliothekskurs (intercurricular) – Fakultativ – Wahlpflicht – Pflichtkurs Eingebettetes Modul (intracurricular) – Proseminar/Seminar – Tutorat Fakultatives Angebot (extracurricular) – Bibliothekseinführung – Katalogschulung – Datenbankeinführung – Literaturverwaltung – u. a. m.

P

Lernerfolgskontrolle

Schriftlicher Test Lerntagebuch, Lernportfolio Hausarbeit Übungsaufgaben

Q

Evaluation, Assessment

Teilnehmerfeedback (Blitzlicht usw.) Summativ oder formativ Nach Vorbild von SAILS, TRAILS Impact-orientiert Evidenzbasiert

R

Marketing

Plakat, Flyer, Newsletter Info-Veranstaltungen Roadshow vor Ort Vorlesungsverzeichnis Facebook (Social Networks)

210

Schluss und Ausblick

Der hauptsächliche weitere Forschungsbedarf sollte sich erstrecken auf – die weitere empirisch-systematische Erhebungen des studentischen Lernund Arbeitsverhaltens im Kontext von Internet, Bibliothek und privatem Lernbereich, sodann – die differenziertere Beschreibung der Merkmale und der Ausprägungen von Informationskompetenz, – die mit den Zielen und Inhalten der Studienpläne abgestimmten Standards und Lehrgegenstände der studiums- und wissenschaftsbezogenen Informationskompetenz, – die bestmögliche Form der inhaltlichen und didaktischen Integration von entsprechenden Bibliotheksveranstaltungen in die Curricula sowie – die Messung der Effekte von verbesserter Informationskompetenz für den Studien- (und auch den Forschungs-) Erfolg (Wirkungsforschung), – die Entwicklungsforschung sowohl bezogen auf den Lehr-Lernort Bibliothek als auch auf die sich wandelnde Informationspraxis von Studierenden und Wissenschaftlern, – die Konzeption einer differenzierten Veranstaltungsstatistik. Nach rund zwanzig Jahren Teaching Library in Deutschland stellt sich am Schluss die Frage, was erreicht worden ist und was noch zu tun bleibt, welche Fehlentwicklungen es eventuell gegeben hat. Die im Rahmen der Teaching Library verfolgten Ziele und konkreten Gegenstandsbereiche entsprechen zur Zeit nur bedingt den komplexen Intentionen, die mit dem Verständnis von Informationskompetenz verbunden sind: – Insbesondere die Problemlösefähigkeiten und Beurteilungskompetenzen bezogen auf den selbstständigen Umgang mit wissenschaftliche Medien und Informationsressourcen sind vielfach nicht oder nur unzureichend integriert. – Der Akzent der Kurse liegt noch zu stark auf der Gruppe der Studienanfänger, sodann nehmen die Schülereinführungen breiten Raum ein, mit entsprechenden Folgen für die knappen Personalkapazitäten der Bibliothek. – Die Fortgeschrittenen sind demgegenüber noch kaum in den Fokus der Teaching Library gerückt. – Neue Herausforderungen ergeben sich zudem infolge der Nachfrage Graduierter, Postgraduierter und Wissenschaftler, die spezielle Anforderungen im Hinblick auf ihre Forschungsvorhaben stellen, die weit über das Niveau dessen hinaus gehen, was in einer Einführung für Studienanfänger vermittelt wird.

Schluss und Ausblick







211

Die Realisierung der Teaching Library müsste in noch engerem Kontakt zu den Fakultäten, Instituten und Seminaren erfolgen und enger in das Studium eingebunden sein 448. Die informationstechnischen Kenntnisse und Fertigkeiten Studierender sind in der Vergangenheit tendenziell überschätzt worden, wie neuere Studien erbracht haben, d. h.: Der ICT-Literacy muss das Augenmerk im Rahmen der Förderung von Informationskompetenz insgesamt besonders gelten. Der Tendenz zum „e-shopping“ und zur Bevorzugung des Metawissens wäre dadurch zu begegnen, dass die Teaching Library die Eingrenzung gefundener Information auf eine überschaubare, für die Fragestellung wirklich relevante Menge einigermaßen gründlich geprüfter Ouellen und Zitate anstrebt.

Insofern relativiert sich der Stellenwert von Standards und Modellen der Information Literacy oder der Informationskompetenz, denn diese beruhen vornehmlich auf den Vorstellungen der Bibliothekare bezüglich anzustrebender Ziele und Inhalte für informationskompetente Menschen. Als übergeordneten Bezugsrahmen muss es solche Modelle auch weiterhin geben, jedoch sollten sie stärker durch die empirisch ermittelten Erkenntnisse im Hinblick auf die bevorzugte Informationspraxis junger Menschen gesättigt sein. Der Ansatz evidenzbasierter Informationskompetenz könnte insofern weiterhelfen, anstatt zu sehr von einem theoretisch-abstrakten Rahmen der Information Literacy auszugehen. Das am Schluss des Buches skizzierte Rahmenmodell der Teaching Library versucht einen Kompromiss, indem es zwar von Standards ausgeht, diese aber in die offensichtlich verschiedenen Phasen und entsprechenden tatsächlichen Bedarfslagen des Studiums und der wissenschaftlichen Forschung einbettet.

448 Dazu sei hingewiesen auf den mir von der Verfasserin dankenswerterweise zur Kenntnis gegebenen Preprint des Beitrags von: Keller, Alice: „Subject Librarians“ in Großbritannien: von der Bestands- hin zur Benutzerorientierung (erscheint voraussichtlich 2012 in: Bibliothek. Forschung und Praxis): In Großbritannien zeichnet sich ein Wandel des Fachreferats an wissenschaftlichen Bibliotheken ab. Während in den vergangenen Jahrzehnten fachspezifische und bestandsorientierte Aufgaben im Vordergrund gestanden hätten, seien heute kommunikative, organisatorische und didaktische Fähigkeiten gefragt. Das Ziel bestünde darin, eine enge Vernetzung zum Lehrkörper der Universität aufzubauen und die Bibliothek stärker in die Lehre und in die Vermittlung von Informationskompetenz einzubinden.

212

Schluss und Ausblick

Lernort Bibliothek – zwischen Wunsch und Wirklichkeit 449, so könnte man es auf den Begriff bringen. Allerdings scheint die Lücke zwischen beidem sich zunehmend zu schließen, auch wenn noch einiges zu tun bleibt. Die Teaching Library der deutschen Hochschulbibliotheken ist auf einem guten Weg.

449 Vgl. Vgl. Büning, Petra / Möllers, Beate: Lernort Bibliothek – zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Ein Pilotprojekt des Landes Nordrhein-Westfalen. In: ProLibris 15 (2010) S. 85–88.

9 Anhang A. ACRL-Standards der Information Literacy (2000) Information Literacy Competency Standards for Higher Education Developing lifelong learners is central to the mission of higher education institutions. By ensuring that individuals have the intellectual abilities of reasoning and critical thinking, and by helping them construct a framework for learning how to learn, colleges and universities provide the foundation for continued growth throughout their careers, as well as in their roles as informed citizens and members of communities. Information literacy is a key component of, and contributor to, lifelong learning. Information literacy competency extends learning beyond formal classroom settings and provides practice with selfdirected investigations as individuals move into internships, first professional positions, and increasing responsibilities in all arenas of life. Because information literacy augments students’ competency with evaluating, managing, and using information, it is now considered by several regional and disciplinebased accreditation associations as a key outcome for college students. For students not on traditional campuses, information resources are often available through networks and other channels, and distributed learning technologies permit teaching and learning to occur when the teacher and the student are not in the same place at the same time. The challenge for those promoting information literacy in distance education courses is to develop a comparable range of experiences in learning about information resources as are offered on traditional campuses. Information literacy competencies for distance learning students should be comparable to those for „on campus“ students. Incorporating information literacy across curricula, in all programs and services, and throughout the administrative life of the university, requires the collaborative efforts of faculty, librarians, and administrators. Through lectures and by leading discussions, faculty establish the context for learning. Faculty also inspire students to explore the unknown, offer guidance on how best to fulfill information needs, and monitor students’ progress. Academic librarians coordinate the evaluation and selection of intellectual resources for programs and services; organize, and maintain collections and many points of access to information; and provide instruction to students and faculty who seek information. Administrators create opportunities for collaboration and staff development among faculty, librarians, and other professionals who initiate infor-

214

Anhang A: ACRL

mation literacy programs, lead in planning and budgeting for those programs, and provide ongoing resources to sustain them. Standards, Performance Indicators, and Outcomes [Anmerkung: Nur für Standard One sind die Outcomes komplett dargestellt, nicht aber für die anderen Standards. Siehe die vollständige Fassung der ACRL-Standards unter: http://www.ala.org/ala/mgrps/divs/acrl/standards/informationliteracycompetency.cfm]]

Standard One The information literate student determines the nature and extent of the information needed. Performance Indicators: – The information literate student defines and articulates the need for information. Outcomes Include: Confers with instructors and participates in class discussions, peer workgroups, and electronic discussions to identify a research topic, or other information need Develops a thesis statement and formulates questions based on the information need Explores general information sources to increase familiarity with the topic Defines or modifies the information need to achieve a manageable focus Identifies key concepts and terms that describe the information need Recognizes that existing information can be combined with original thought, experimentation, and/or analysis to produce new information – The information literate student identifies a variety of types and formats of potential sources for information. Outcomes Include: Knows how information is formally and informally produced, organized, and disseminated Recognizes that knowledge can be organized into disciplines that influence the way information is accessed Identifies the value and differences of potential resources in a variety of formats (e. g., multimedia, database, website, data set, audio/visual, book)

Anhang A: ACRL

215

Identifies the purpose and audience of potential resources (e. g., popular vs. scholarly, current vs. historical) Differentiates between primary and secondary sources, recognizing how their use and importance vary with each discipline Realizes that information may need to be constructed with raw data from primary sources – The information literate student considers the costs and benefits of acquiring the needed information.

Outcomes Include: Determines the availability of needed information and makes decisions on broadening the information seeking process beyond local resources (e. g., interlibrary loan; using resources at other locations; obtaining images, videos, text, or sound) Considers the feasibility of acquiring a new language or skill (e. g., foreign or discipline-based) in order to gather needed information and to understand its context Defines a realistic overall plan and timeline to acquire the needed information – The information literate student reevaluates the nature and extent of the information need.

Outcomes Include: Reviews the initial information need to clarify, revise, or refine the question Describes criteria used to make information decisions and choices Standard Two The information literate student accesses needed information effectively and efficiently. Performance Indicators: – The information literate student selects the most appropriate investigative methods or information retrieval systems for accessing the needed information. [Outcomes] – The information literate student constructs and implements effectively-designed search strategies. [Outcomes]

216

Anhang A: ACRL



The information literate student retrieves information online or in person using a variety of methods. [Outcomes] – The information literate student refines the search strategy if necessary. [Outcomes] –

The information literate student extracts, records, and manages the information and its sources.

Standard Three The information literate student evaluates information and its sources critically and incorporates selected information into his or her knowledge base and value system. Performance Indicators: – The information literate student summarizes the main ideas to be extracted from the information gathered. [Outcomes] –

The information literate student articulates and applies initial criteria for evaluating both the information and its sources. [Outcomes] –

The information literate student synthesizes main ideas to construct new concepts. [Outcomes] –

The information literate student compares new knowledge with prior knowledge to determine the value added, contradictions, or other unique characteristics of the information. [Outcomes] – The information literate student validates understanding and interpretation of the information through discourse with other individuals, subject-area experts, and/or practitioners. [Outcomes]

Anhang A: ACRL

217



The information literate student determines whether the initial query should be revised. [Outcomes] Standard Four The information literate student, individually or as a member of a group, uses information effectively to accomplish a specific purpose. Performance Indicators: – The information literate student applies new and prior information to the planning and creation of a particular product or performance. [Outcomes} –

The information literate student revises the development process for the product or performance.

[Outcomes] –

The information literate student communicates the product or performance effectively to others. [Outcomes] Standard Five The information literate student understands many of the economic, legal, and social issues surrounding the use of information and accesses and uses information ethically and legally. Performance Indicators: – The information literate student understands many of the ethical, legal and socio-economic issues surrounding information and information technology. [Outcomes] – The information literate student follows laws, regulations, institutional policies, and etiquette related to the access and use of information resources. [Outcomes] – The information literate student acknowledges the use of information sources in communicating the product or performance.

218

Anhang B: DBV

B. Deutscher Bibliotheksverband e. V.: Standards der Informationskompetenz für Studierende Präambel Wissen und Information sind zu zentralen Ressourcen gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklung geworden. Nach dem Grundprinzip des lebenslangen Lernens ist die Informationskompetenz eine wesentliche Schlüsselqualifikation und Voraussetzung für die aktive Teilhabe an der Wissensgesellschaft. Informationskompetenz ist unabhängig von Lebensalter, Bildungsstand, Fachrichtung oder beruflichem Umfeld zu verstehen als die eine komplexe Fähigkeit, Informationen selbstorganisiert und problemlösungsorientiert effizient zu suchen, zu finden, zu bewerten und effektiv zu nutzen. Bibliotheken haben traditionell die Aufgabe, Informationen bereitzustellen und benutzerfreundlich aufzubereiten. Zunehmend sehen sie ihre Rolle nun auch in der aktiven Unterstützung bei der Entwicklung von Informationskompetenz: Nur für informationskompetente Nutzer sind ihre riesigen Informationssammlungen auch wirklich zugänglich. Orientiert an den jeweiligen Zielgruppen gestalten Bibliotheken vielfältige Angebote: Informationskompetenz wird in unterschiedlichen Lernszenarien, an verschiedenen Lernorten und in digitalen Lernwelten erworben. Die Hochschulbibliotheken stehen vor einer besonderen Herausforderung: Der Bologna-Prozess hat die Rolle der Schlüsselqualifikationen in der Hochschullehre gestärkt, und speziell die Informationskompetenz wird in ihrer Bedeutung für ein erfolgreiches Studium und die Vorbereitung auf das Berufsleben allgemein anerkannt. Die Hochschulbibliotheken haben es übernommen, die Studierenden in eigenen Lehrveranstaltungen und durch Hilfestellungen zum Selbststudium bei der Entwicklung ihrer Informationskompetenz zu betreuen und anzuleiten. Sie betrachten die Vermittlung von Informationskompetenz als eine ihrer Kernaufgaben. Um die Arbeit der Bibliothekare als Partner in der Hochschullehre nachhaltig sinnvoll integrieren zu können, ist ein Konsens herzustellen, was unter Informationskompetenz im Studium verstanden wird und an welchen Indikatoren dies festzumachen ist. Diese Definition und Strukturierung des Gegenstands soll mit den hier vorgelegten Standards geleistet werden. Sie sollen sowohl den Studierenden als auch den Lehrenden der Studienfächer Orientierung geben und die Koordinierung erleichtern. Dabei hängt jedoch die konkrete Bewältigung von Informationsproblemen von vielerlei Faktoren ab. Fachliche Anforderungen, lokale und regionale Be-

Anhang B: DBV

219

dingungen sowie Wissen, Fertigkeiten, fachliche Qualifikationen und persönliche Einstellungen des Informationssuchenden spielen hier u. a. eine Rolle. Aus diesem Grund wird die Ausgestaltung der Standards mit Lehrinhalten und didaktischen Konzepten bewusst nicht in die abstrakt formulierten Standards aufgenommen. Auch die Formulierung konkreter Kriterien zur Beurteilung von Informationskompetenz ist vom jeweiligen Einsatzkontext abhängig und wird daher ausgeklammert. Angesichts der dynamischen Entwicklung der Informationstechnik und der Suchräume sind diese Inhalte zudem kontinuierlich zu aktualisieren und neu zu gewichten. Erster Standard: Die informationskompetenten Studierenden erkennen und formulieren ihren Informationsbedarf und bestimmen Art und Umfang der benötigten Informationen. Indikatoren: Die informationskompetenten Studierenden – definieren und artikulieren ihren Informationsbedarf, – kennen unterschiedliche Arten und Formate der Information mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen, – berücksichtigen Kosten und Nutzen der Beschaffung benötigter Informationen, – sind in der Lage, Art und Umfang der benötigten Informationen zur Lösung eines Problems zu überprüfen und gegebenenfalls zu modifizieren.

Zweiter Standard: Die informationskompetenten Studierenden verschaffen sich effizient Zugang zu den benötigten Informationen. Indikatoren: Die informationskompetenten Studierenden – wählen die am besten geeigneten Recherchesysteme und Recherchemethoden aus, um Zugang zur benötigten Information zu erhalten, – entwickeln effektive Suchstrategien, – nutzen unterschiedliche Recherchesysteme und Suchstrategien zur Beschaffung von Informationen.

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Anhang B: DBV

Dritter Standard: Die informationskompetenten Studierenden bewerten die gefundenen Informationen und Quellen und wählen sie für ihren Bedarf aus. Indikatoren: Die informationskompetenten Studierenden – kennen Kriterien zur Beurteilung von Informationen, – beurteilen Menge und Relevanz der gefundenen Informationen und modifizieren gegebenenfalls die Suchstrategie, – reflektieren ihren Informationsstand als Ergebnis eines Informationsprozesses. Vierter Standard Die informationskompetenten Studierenden verarbeiten die gewonnenen Erkenntnisse effektiv und vermitteln sie angepasst an die jeweilige Zielgruppe und mit geeigneten technischen Mitteln. Indikatoren: Die informationskompetenten Studierenden – exzerpieren, speichern und verwalten die gewonnenen Informationen und ihre Quellen, – nutzen die geeigneten technischen Mittel zur Präsentation ihrer Ergebnisse, – vermitteln ihre Ergebnisse zielgruppenorientiert. Fünfter Standard Die informationskompetenten Studierenden sind sich ihrer Verantwortung bei der Informationsnutzung und -weitergabe bewusst. Indikatoren: Die informationskompetenten Studierenden – befolgen Gesetze, Verordnungen, institutionelle Regeln sowie Konventionen, die sich auf den Zugang und die Nutzung von Informationsressourcen beziehen, – sind sich der ethischen, rechtlichen und sozio-ökonomischen Fragestellungen bewusst, die mit der Nutzung von Information und Informationstechnologie verbunden sind.

Anhang C: DINI

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C. DINI e. V.: Informations- und Kommunikationsstruktur der Zukunft (2009) Deutsche Initiative für Netzwerkinformation e.V. (DINI): Zehn Thesen zur Entwicklung von Service und Servicestrukturen für Information und Kommunikation in Forschung, Lehre und Studium (...) These 4: Hochschule als Lehr- und Lernort In Folge des Bologna-Prozesses mit seinen weit reichenden Reformen der Studiengänge und aufgrund der aktuellen technologischen Entwicklungen kommt es zu wesentlichen Veränderungen der Hochschule als Lehr- und Lernort. Zugleich ist mit erhöhten Anforderungen der Studierenden an die Qualität der Lehre, der Dienstleistungen und der Infrastruktur zu rechnen. Mit der Einführung von Studiengebühren in einigen Bundesländern werden die Wünsche nach Verbesserungen im Bereich Lehre und Studium noch zunehmen. Die Hochschulen sind gefordert, hierzu geeignete Maßnahmen zu ergreifen und ihre Entwicklungspläne entsprechend anzupassen. Der Bologna-Prozess hat für Studierende und Lehrende Reformdruck und -tempo in einem bisher nicht gekannten Ausmaß verstärkt. Dies wirkt sich elementar auf die Studiengangsstrukturen und die -inhalte, auf Organisationsabläufe in den Hochschulen, auf Prozesse in den Verwaltungen und Entscheidungen der Studierenden aus. Durch die Umstellung auf die zweistufigen Studiengänge (Bachelor/Master) und das Leistungspunktesystem (ECTS) soll ein gemeinsamer europäischer Hochschulraum geschaffen werden, um die Mobilität der Studierenden und die Internationalisierung der Hochschulen insgesamt zu fördern. Dies bedingt auch, dass das Studium in den neuen Strukturen – den Anforderungen der Wissensgesellschaft entsprechend – stärker selbstorganisiert, handlungsorientiert, netzgestützt und interaktiv verläuft und durch IT-basierte kollaborative sowie kommunikative Komponenten unterstützt wird. Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, die Hochschule als Lehr- und Lernort neu zu bewerten und die geeignete Basis für neue zukunftsfähige Lehrund Lernszenarien zu schaffen. Dies betrifft sowohl die Neugestaltung von realen Lernräumen auf dem Campus als auch die Bereitstellung von virtuellen Lernumgebungen, die nahtlos in die IT-Infrastruktur der Hochschulen eingebunden sind. Bislang getrennte Informationsdienste müssen gekoppelt und in personalisierten Portalen zusammengeführt werden.

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Anhang C: DINI

Neben der Bereitstellung multimedialer Lehr- und Lernmaterialien muss auch dem zunehmenden Anspruch nach kollaborativen und interaktiven Funktionen der Lernmanagementsysteme entsprochen werden, die u. a. die soziale Vernetzung im virtuellen Raum ermöglichen (zum Beispiel Wikis und Blogs). In Folge der sich verändernden Lehr- und Lernszenarien werden zusätzliche Arbeitsplätze und -räume für Einzelne und für Gruppen in den Hochschulen intensiver als je zuvor nachgefragt. Die Studierenden erwarten und benötigen modern ausgestattete PC- und Gruppen-Arbeitsplätze sowie Möglichkeiten zur Nutzung, Verarbeitung und Produktion digitaler Medien. Die Hochschulbibliotheken sind gemeinsam mit Rechen- und Medienzentren gefordert, Lernzentren einzurichten, die ein umfassendes Angebot analoger und digitaler Informationen in Verbindung mit Einzel- und Gruppenarbeitsplätzen, moderner technischer Ausstattung und kompetenter Beratung durch Informations-, Medien- und IT-Spezialisten bieten. Nach britischen und amerikanischen Vorbildern sind die Beratungs- und Serviceangebote am besten kooperativ oder integriert unter einem Dach zu betreiben. Die Einrichtung von Lernzentren erfordert neben erheblichen Investitionen auch einen kulturellen Wandel in den Hochschulen hin zu lebendigen und kommunikativen Lernorten. DINI wird – Empfehlungen zur strategischen Ausrichtung im Bereich virtueller Lehre und von Blended-Learning-Szenarien geben, – Empfehlungen für den Einsatz von Lernmanagementsystemen, Web-Services und Web-Portalen entwerfen, – Hochschulen über Einrichtung und Konzeption von Lernzentren informieren und Experten als Berater vermitteln sowie – Empfehlungen und Standards für die Ausstattung und Gestaltung von Lernzentren erarbeiten. Beispiel Learning Centre – Neue Formen der Nutzung von Informations- und Mediendiensten bieten Lernzentren, wie sie beispielsweise in Großbritannien als Learning Centres oder in den Vereinigten Staaten (hier unter dem Begriff: Information Commons) anzutreffen sind. – So ist das Learning Centre der Sheffield Hallam University durchgehend 24 Stunden geöffnet. Es verzeichnet 10.000 Besuche von Studierenden und Lehrenden am Tag und davon alleine 1.400 zwischen 21.00 und 9.00 Uhr. Auch in Deutschland entstehen mittlerweile zahlreiche Zentren (mit sehr unterschiedlichen Bezeichnungen).

Anhang C: DINI

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Entscheidend für den Erfolg dieser Lernzentren ist eine Kombination von Bibliotheks- und Informationsangeboten, Informations- und Medientechnik auf hohem Niveau einschließlich der Möglichkeiten zur Medienproduktion. Neben der individuellen Nutzung der Angebote stehen jederzeit auch Spezialisten zur Beratung zur Seite. Das Beispiel Sheffield Hallam University macht deutlich, wie die Integration von Dienstleistungen der Informationsserviceeinrichtungen einer Universität zu einer hohen Akzeptanz und qualitativen Verbesserung der Lehr- und Studiensituation führen kann. These 5: Umsetzung neuer Lehr- und Lernszenarien Wesentlich für die Umsetzung neuer Lehr- und Lernszenarien sowie die Nutzung moderner Lehr- und Lernräume sind adäquate Serviceangebote durch die Informationsserviceeinrichtungen der Hochschulen. Lehrende und Studierende erwarten eine professionelle Unterstützung bei der Entwicklung und dem Einsatz multimedialer Lehr- und Lernmaterialien, bei der Konzeption von Blended-Learning-Szenarien sowie bei der Vertiefung ihres Wissens in den Bereichen Informations- und Medienkompetenz im Rahmen von Weiterbildungsangeboten zu Schlüsselqualifikationen. In Folge neuer curricularer Rahmenbedingungen und aktueller technologischer Entwicklungen haben sich die Anforderungen der Lehrenden und Studierenden an die Informationsserviceeinrichtungen erheblich verändert und erweitert. In Ergänzung der Präsenzlehre sind eine Vielzahl virtueller Lehrangebote entstanden. Für die Konzeption, Produktion und den Einsatz dieser multimedialen Lehr- und Lernmaterialen ist häufig eine Kooperation der Lehrenden mit Spezialisten aus den Informationsserviceeinrichtungen unumgänglich. In der Regel geht es dabei um mediendidaktische, gestalterische oder technische Fragestellungen, die gemeinsam erörtert und gelöst werden. Ebenso müssen Aktivitäten für den hochschulübergreifenden Einsatz dieser Lehr- und Lernmaterialien unterstützt werden. Bei Einführung und Erprobung neuer Lehr- und Lernszenarien (z. B. Blended Learning) ist die fachliche Beratung durch IT- und Medienexperten ebenso hilfreich wie die pädagogisch-didaktische Begleitung. Bei der Nutzung des Internet hat sich in jüngster Zeit ein immenser Wandel vollzogen, indem die bislang gängige Rolle der Nutzer als „Konsument von Inhalten“ durch eine aktivere Rolle abgelöst wurde, in welcher der Nutzer selbst sowohl Konsument als auch Produzent von Inhalten sein kann. Neue Lehr- und Lernarrangements auf der Basis von Sozialer Software (Web 2.0) mit interaktiven, kommunikativen und kollaborativen Elementen setzen zusätzliches Wissen und neue Kenntnisse in diesem fachlichen Umfeld voraus.

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Anhang D: VDB/DHV

Um diesen Anforderungen effizient zu begegnen, ist eine enge Zusammenarbeit von Informationsserviceeinrichtungen, Fakultäten und zentralen Verwaltungen erforderlich. Zusätzliche Investitionen und eine nachhaltige Verstetigung von bislang über Drittmittel geförderten Personalstellen, z. B. für die Umsetzung von E-Learning-Strategien, sind unumgänglich. Darüber hinaus werden von den Informationsserviceeinrichtungen zunehmend Lehrangebote eingefordert, die Lehrende und Studierende auf die sich stetig verändernden technologischen Rahmenbedingungen sowie die neuen Herausforderungen in Studium und Lehre vorbereiten und begleiten. Die Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz ist zu einem zentralen Aufgabengebiet der Informationsserviceeinrichtungen geworden und muss als wichtiger Bestandteil der Curricula zur zeitgemäßen Schlüsselqualifikation betrachtet werden. DINI wird Empfehlungen erarbeiten für – die notwendigen Support-Strukturen und Dienstleistungsangebote zur Produktion und zum Einsatz digitaler Medien in der Lehre, – die Konzeption und die Nutzung neuer Lehr- und Lernszenarien, – die Entwicklung und den Einsatz von Lehrangeboten der Informationsserviceeinrichtungen insbesondere im Bereich der Schlüsselqualifikationen, – Qualifizierungsmaßnahmen für Lehrende und Studierende zur Informations- und Medienkompetenz sowie – Konzepte für Beratungs- und Serviceangebote zur Unterstützung von Lehre und Studium.

D. Vertrag zwischen dem Verein Deutscher Bibliothekare und dem Deutschen Hochschulverband (2003) Initiative zur Erlangung von Informationskompetenz an deutschen Universitäten Der Deutsche Hochschulverband und der Verein Deutscher Bibliothekare sind der Auffassung, daß eine solide Informationskompetenz der Studierenden ein wichtiger Standort- und Wettbewerbsfaktor für die deutschen Universitäten im 21. Jahrhundert ist. Unter Informationskompetenz als unabdingbarem Teil der Studierfähigkeit aller Studierenden sind dabei vor allem die Fähigkeiten zur selbständigen Informationssuche aus einer Vielzahl von elektronischen und konventionellen Quellen, die gezielte Informationsbeschaffung und die durchdachte Bewertung und Verarbeitung der gefundenen Informationen im Rahmen einer wissenschaftlichen Themenstellung zu verstehen. Sowohl das auf

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Eigeninitiative beruhende Lernen als auch die Wissensrezeption durch Lehre werden entscheidend durch diese Fähigkeit bestimmt. Sie ist fächerübergreifend eine Schlüsselkompetenz für ein effizientes Studium. Die vertragschließenden Verbände streben an, im Interesse der Studierenden lokale Initiativen ihrer Mitglieder zur Stärkung der Informationskompetenz zu fördern. Unabhängig von für notwendig erachteten Regelungen in den Studienordnungen geht es den Verbänden darum, vor Ort sowohl modellhafte Erprobungen als auch die systematische Umsetzung in allen Fächern nachdrücklich zu ermutigen. Ziel ist es, in den kommenden Jahren – die Studierenden zur kompetenten und umfassenden Nutzung der Hochschulbibliothek zu befähigen; – die Studierenden die Nutzung aller für sie relevanten bibliotheksbezogenen Produkte und Service im Universitätsdatennetz zu vermitteln; – den Studierenden spezielle Aufbaukurse anzubieten. Hierfür sind Initiativen in Kooperation der lokalen Vertreter beider Verbände erforderlich. Sie richten sich an die Fakultäten/Fachbereiche, die Institute, die zentralen Einrichtungen der Hochschulen an die Hochschulleitungen. 27. 01. 2003 DEUTSCHER HOCHSCHULVERBAND Univ.-Prof. Dr. Hartmut Schiedermair, Präsident

VEREIN DEUTSCHER BIBLIOTHEKARE Dr. Wolfgang Dittrich, 1. stellv. Vorsitzender

E. Hamburger Erklärung des Vereins Deutscher Bibliothekare e. V. (VDB) Wissenschaftliche Bibliotheken in Deutschland unterstützen die neuen Studiengänge durch die nachhaltige Förderung von Informationsund Medienkompetenz 1. Informations- und Medienkompetenz sind unverzichtbare Schlüsselqualifikationen für ein erfolgreiches Lernen, Studieren und Forschen, insbesondere auch mit Blick auf die Bachelor- und die Master-Studiengänge. Die dort geforderten hohen Anteile selbstorganisierten Lernens setzen eine gut fundierte Informationskompetenz voraus. Sie beinhaltet differenzierte Fähigkeiten der Re-

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Anhang E: VDB

cherche, der Auswahl, der Bewertung und der Verarbeitung von wissenschaftlich relevanten Informationen und Medien sowie die Beachtung rechtlicher und ethischer Implikationen. Diese Kompetenzen müssen frühzeitig entwickelt und gefördert werden, um den wachsenden Herausforderungen der digitalen, durch das Internet geprägten Wissensgesellschaft begegnen zu können. 2. Wissenschaftliche Bibliotheken sind zentrale Orte des Lernens und Forschens. Sie stellen enorme Wissensressourcen, räumlich-technische Infrastruktur und professionelle Beratungs- und Serviceleistungen bereit. Im Rahmen eines bedarfsorientierten Programms an Schulungen, Kursen und Lehrveranstaltungen können sie deshalb an der Förderung von Informations- und Medienkompetenz auf lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene noch nachhaltiger mitwirken, als sie es bereits seit langem tun. Dabei bemühen sie sich um die Kooperation mit den Fachbereichen, Instituten und Bildungseinrichtungen 3. Die Förderung der Informations- und Medienkompetenz erfolgt durch in das Studium fest eingebundene verpflichtenden Module oder Seminare, durch in Proseminare eingebettete Angebote, durch eigenständige fakultative Lehrangebote der Bibliotheken und durch die Unterstützung informellen Lernens. Als Lernort stellt die Hochschulbibliothek Lernressourcen sowie Lernarbeitsplätze für das individuelle Lernen und für das Lernen in Gruppen zur Verfügung. Es gibt Präsenzveranstaltungen und E-Learning-Angebote, die von didaktisch zu qualifizierendem Bibliothekspersonal entwickelt und getragen werden. Die Lehrangebote der Hochschulbibliotheken sind nach Möglichkeit verbindlich in die Studienpläne und Prüfungsordnungen aufzunehmen und mit ECTS-Punkten zu bewerten. 4. Hauptsächliche Zielgruppen der Bibliothekskurse/-veranstaltungen und des Lernorts Bibliothek sind Studienanfänger, Studierende im Grund- und im Hauptstudium, Examenssemester und Wissenschaftler. Außerdem bieten die wissenschaftlichen Bibliotheken Programme für Schüler der gymnasialen Oberstufe im Rahmen der Seminarkurse und des Seminarfachunterrichts als Beitrag zur Förderung der Studierfähigkeit an. Im Jahr 2008 führten laut Deutscher Bibliotheksstatistik (DBS) die 236 wissenschaftlichen Universal- und Hochschulbibliotheken insgesamt über 44.000 Schulungsstunden für rund 394.000 Personen durch. 5. Die Leitlinien für die inhaltliche Ausgestaltung der Kursangebote bilden die vom Deutschen Bibliotheksverband verabschiedeten „Standards der Informationskompetenz für Studierende“. Diese setzen folgende Schwerpunkte: – Bibliotheks- und Ressourcenkenntnis (Medientypen)

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– –

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Fähigkeiten und Fertigkeiten im eigenständigen Umgang mit Katalogen, Datenbanken, digitalen Volltextsammlungen, Internetsuchmaschinen, neuen Medien – jeweils unter Berücksichtigung des Fachbezugs Fähigkeiten und Fertigkeiten der fundierten Literatursuche, insbesondere der gezielten Auswahl von wissenschaftlich relevanten Informations- und Medienressourcen, der Bewertung und Auswahl sowie der Verarbeitung von Informationen (Literaturverwaltungssysteme) Kenntnisse rechtlicher Grundlagen (Urheberrechte/Copyright usw.) und ethischer Implikationen (Zitieren, Plagiarismus usw.) weitere für das Studium wichtige grundlegende methodische Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die nach Absprache mit den Fachbereichen und Instituten von Bibliothekaren vermittelt werden können (Lern- und Schreibstrategien, Präsentationstechniken u. ä.).

Diese Kompetenzen sollten Eingang finden in die entsprechenden Module der Bachelor- und Master-Studiengänge. 6. Die von den Universitäts- und Hochschulbibliotheken durchgeführten Schulungen und Kurse zur Informations- und Medienkompetenz unterliegen der laufenden Evaluation und Lernerfolgskontrolle, die auch im Rahmen von mündlichen und/oder schriftlichen Prüfungen vorgenommen wird. 7. Die Universitäts- und Hochschulbibliotheken können die mit der Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz verbundenen Aufgaben langfristig und nachhaltig nur wahrnehmen, wenn sie in ausreichendem Umfang über − didaktisch geschultes − Bibliotheks-Lehrpersonal, über die notwendige, lernförderliche räumliche und technische Infrastruktur, einschließlich der für die virtuelle Lernunterstützung unabdingbaren Softwarelizenzen, verfügen und mit den erforderlichen Lehr- und Prüfungsberechtigungen sowie der Berechtigung zur Vergabe von ECTS-Punkten ausgestattet sind. Die Universitäts- und Hochschulbibliotheken gelten in diesem Sinne als anerkannte LehrLernorte für Informations- und Medienkompetenz zur Unterstützung der Hochschullehre und des von den Studierenden der Bachelor- und Master-Studiengänge verstärkt geforderten selbstständigen Lernens. 8. Um die in diesem Grundsatzpapier aufgeführten Ziele der Universitätsund Hochschulbibliotheken auf dem Gebiet der nachhaltigen Förderung von Informations- und Medienkompetenz verwirklichen zu können, setzt sich der Verein Deutscher Bibliothekare e. V. (VDB) für ein gemeinsames, abgestimmtes Handeln des Dachverbandes Bibliothek Information Deutschland (BID), des Deutschen Bibliotheksverbandes (DBV), des Berufsverbandes Information Bib-

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liothek (BIB), der Deutschen Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationspraxis e. V. (DGI) und der unter http://www.informationskompetenz. de zusammengeschlossenen regionalen Arbeitsgemeinschaften und Netzwerke (zur Zeit: Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland, Sachsen, SchleswigHolstein, Thüringen) ein. Da es auf europäischer und auch auf internationaler Ebene seit längerem breite Bestrebungen zur Vermittlung von Informationsund Medienkompetenz durch Bibliotheken gibt, soll auf entsprechende Aktivitäten seitens des deutschen Bibliotheks- und Informationswesens im Rahmen der IFLA und des European Network for Information Literacy (EnIL) Bezug genommen werden. (Verabschiedet vom Vereinsausschuss des VDB am 9. November 2009 in Hamburg)

F. KII: Gesamtkonzept für die Informationsinfrastruktur in Deutschland (2011) Empfehlungen der Kommission Zukunft der Informationsinfrastruktur(KII) im Auftrag der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz des Bundes und der Länder

April 2011 (Auszug) B 127–B 138 (ohne die Fußnoten des Originaldokuments) AG Informationskompetenz/Ausbildung 0. Executive Summary Das Erlernen von effizienten Methoden und die Beherrschung von effektiven Verfahren zur Informationsbewältigung stellt eine wachsende Herausforderung in Bildung und Forschung dar. Eine Grundvoraussetzung einer wettbewerbsfähigen und innovativen Forschungsarbeit, für geschäftskritische Entscheidungen sowie für ein erfolgreiches lebenslanges Lernen ist dabei die Entwicklung von Informationskompetenz. Unter Informationskompetenz verstehen wir die Fähigkeit, Informationsbedarf zu erkennen, Informationen zu ermitteln und zu beschaffen sowie Informationen zu bewerten und effektiv zu nutzen. Die Vermittlung von Informationskompetenz als Schlüsselqualifikation unterstützt und fördert die Entwicklung der Wissenschaften und den Forschungsprozess,

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ist daher als Exzellenzaspekt anzusehen und ein zentrales Anliegen zur Unterstützung der zukünftigen Informationsinfrastruktur in Deutschland. Eine systematische Vermittlung von Informationskompetenz findet in Deutschland derzeit vor allem zu Beginn des Studiums statt, allerdings nicht flächendeckend. Die Aufgabe wird hauptsächlich von den wissenschaftlichen Bibliotheken übernommen, weitere Akteure sind die überregionalen Institutionen der Fachinformation sowie zu einem noch geringen Teil Universitätsangehörige als Fachdozenten. Hochschulen und Universitäten mit informationswissenschaftlichen Fachbereichen betreiben Grundlagenforschung zur Ausprägung der und Vermittlung von Informationskompetenz und bilden die Experten aus, das Thema ist hier curricular verankert, die Forschung zu Konzepten aber ausbaufähig. Das Wissen um die Bedeutung von Informationskompetenz muss prinzipiell in allen Teilen der Gesellschaft verankert werden. Bezogen auf die Wissenschaft und Forschung sollte die Vermittlung bereits in der Schule ansetzen und weitergehend an den Universitäten und Hochschulen flächendeckend, systematisch und mit modernen und aktuellen Unterrichtsmaterialien, die auch hohen pädagogisch-didaktischen Ansprüchen genügen, erfolgen. Bei der Ausbildung der Experten müssen alle Aspekte und Formate moderner Informationsangebote berücksichtigt und muss das Wissen entsprechend weitergegeben werden. Handlungsbedarf besteht hier zum einen bezüglich der personellen und mittelbezogenen Ausstattung der Akteure. Der Schulungsaufwand muss deutlich erhöht werden, um nicht nur eine Grundversorgung der Studierenden, sondern auch eine kontinuierliche Aus- und Weiterbildung weiterer Experten, beispielsweise für die Schule, zu erreichen. Zum anderen müssen die Institutionen der überregionalen Fachinformation stärker in die Vermittlung der fachbezogenen Informationskompetenz und Ausbildung der Experten einbezogen werden. Aus Nutzersicht sollten intuitiv zu bedienende, intelligente Systeme zur Informationsrecherche und -bereitstellung zur Verfügung stehen. Forschung und Entwicklung zu diesem Zweck sowie Aktivitäten zur Standardisierung, Akkreditierung und Zertifizierung von Schulungsmaterialien müssen intensiviert werden. Als wesentliches Element zur stärkeren Vernetzung und überregionalen Kooperation der Akteure, auch zur Erzeugung bisher kaum vorhandener Synergieeffekte, wird die Einrichtung einer überregionalen, zentralen Koordinationsstelle – möglichst angegliedert an eine bestehende Organisation – inklusive zentraler Plattform für die Informationsvermittler und Kompetenzträger empfohlen.

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1. Hintergrund Das Erlernen von effizienten Methoden und die Beherrschung von effektiven Verfahren zur Informationsbewältigung stellt eine wachsende Herausforderung in Bildung und Forschung dar. Eine Grundvoraussetzung einer wettbewerbsfähigen und innovativen Forschungsarbeit, für geschäftskritische Entscheidungen sowie für ein erfolgreiches lebenslanges Lernen ist dabei die Entwicklung von Informationskompetenz. Sie ist eine Schlüsselqualifikation in der Wissenschaft, unerlässlich zur Bewältigung der Informationsflut und eine gesellschaftspolitische Aufgabe, um demokratische Entscheidungsprozesse zu fördern. Unter Informationskompetenz (IK) verstehen wir die Fähigkeit, auf die Problemstellungen in den Wissenschaften und der Forschung bezogen, Informationsbedarf zu erkennen, Informationen zu ermitteln und zu beschaffen sowie Informationen zu bewerten und effektiv zu nutzen. Die Vermittlung von Informationskompetenz unterstützt und fördert die Entwicklung der Wissenschaften und den Forschungsprozess und ist daher ein zentrales Anliegen der zukünftigen Informationsinfrastruktur in Deutschland. Herausforderungen bestehen unter den folgenden Aspekten: – Dynamik der Informationslandschaft: Standards und Konzepte der Vermittlung von Informationskompetenz haben sich den Folgen der Informationsexplosion, der hohen Veränderungs-Dynamik bei den neuen Informations- und Kommunikations-Technologien und insbesondere bei den Informationsinhalten anzupassen. – Wandel der Forschungsproduktion: Nicht nur die dynamische Informationslandschaft, auch die wechselnden Umgebungen für das wissenschaftliche Arbeiten (E-Science, virtuelle Forschungsumgebungen, Forschungsdaten) müssen Eingang in die Betrachtungen zur Informationskompetenz finden. – Individuelles Informationsverhalten: Einhergehend mit der Verbreitung und der Verbesserung von Endnutzersystemen können bzw. müssen Wissenschaftler ihre Informationsbedürfnisse individuell erfüllen, ohne Vermittlung durch Informationsspezialisten. Dies erfordert eine erhöhte Informationskompetenz im Umgang mit den Systemen. Disziplinäre Unterschiede in Informationsverhalten, -angeboten sowie Zugang und Recherchemodi müssen berücksichtigt werden. – Außeruniversitäre Informationskompetenz: Informationskompetenz ist nicht nur eine Fähigkeit, die Universitätsangehörigen (bzw. nur Studenten) vermittelt werden sollte, sondern als gesellschaftliche Herausforderung an-

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gesehen werden muss. Dazu gehören nicht nur außeruniversitäre wissenschaftliche Einrichtungen, sondern vor allen Dingen auch Unternehmen, deren Informationskompetenz einen direkten Einfluss auf die Entwicklung der Gesellschaft hat. Fehlendes Problembewusstsein: Die Vermittlung von Informationskompetenz vollzieht sich in einem Umfeld, das gekennzeichnet ist durch bibliothekarisch geprägte, hohen Qualitätsstandards genügende Erschließungsmethoden und Rechercheinstrumente auf der Seite der Informationsanbieter, denen auf der Nutzerseite eine ausgeprägte Kommunikationskultur und zunehmende Tendenz zur unkritischen Informationsbeschaffung über Google, Wikipedia u. ä. gegenübersteht. Eine der großen Herausforderungen wird es sein, beide Welten einander anzunähern.

2 Status Quo in Deutschland 2.1 Lokale Aktivitäten Seit dem Erscheinen der sog. SteFi-Studie 2001 engagieren sich die deutschen Hochschulbibliotheken verstärkt mit systematischen Angeboten zur Kompetenzentwicklung ihrer Nutzer und kooperieren lokal mit Fachbereichen, Rechenzentren und Multimediazentren. Hauptzielgruppe sind die Studierenden, in geringerem Maße werden jedoch auch Doktoranden, Wissenschaftler und andere Bibliotheksnutzer geschult. Im Jahr 2009 wurden in den wissenschaftlichen Bibliotheken 45.000 Schulungsstunden geleistet. Damit wird aber nur ein Teil der insgesamt 400.000 Studienanfänger pro Jahr erreicht. Spezielle Angebote für Oberstufenschüler zur Unterstützung des Übergangs von der Schule zur Hochschule können nur vereinzelt angeboten werden. Bei der Zielgruppe der Wissenschaftler stehen Inhalte wie elektronisches Publizieren, Urheberrecht und fachspezifische Recherchekompetenzen im Vordergrund und werden von den Bibliotheken nach individuellem Bedarf angeboten. 2.2 Regionale Kooperationen Die Bibliotheken nutzen bei der Vermittlung von Informationskompetenz ELearning-Angebote als Ergänzung zu den Präsenzschulungen. An einigen Universitätsbibliotheken sind Online-Tutorials erstellt worden, die von anderen Bibliotheken nachgenutzt und teilweise angepasst werden. Einen weiteren Baustein im lokalen Angebot bilden geeignete Online-Tutorials und Webinare kommerzieller Anbieter (i. d. R. Datenbankproduzenten). Die wissenschaftlichen Bibliotheken, die in der Vermittlung von Informationskompetenz aktiv sind, haben sich nach dem Vorbild der AG Informationskompetenz Nordrhein-

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Westfalen (seit 2002) und dem Netzwerk Informationskompetenz Baden-Württemberg (seit 2003) überwiegend in regionalen Netzwerken oder Arbeitsgemeinschaften zusammengeschlossen. Organisationsgrad und -form der einzelnen Initiativen sind unterschiedlich; gemeinsam sind ihnen jedoch die Ziele, durch den regelmäßigen Erfahrungsaustausch und die Fortbildung ihrer Mitglieder sowie durch die Bereitstellung nachnutzbarer Materialien eine höhere Qualität und Effizienz zu erreichen. 2.3 Überregionale Zusammenarbeit und zentrale Dienste Wesentliche Komponente der überregionalen Vernetzung ist die Plattform http://www.informationskompetenz.de. Sie dient der kooperativen Sammlung und dem Austausch von Informationen und Materialien sowie der Durchführung und Präsentation einer gemeinsamen Veranstaltungsstatistik. Die Plattform wird vom Deutschen Bibliotheksverband (dbv) im Rahmen des Kompetenznetzwerks für Bibliotheken (Bibliotheksportal) technisch betrieben und redaktionell von einem Team aus Vertretern der regionalen Arbeitsgemeinschaften betreut. Es gibt kein Budget für die technische und inhaltliche Weiterentwicklung. Verschiedene Verbände haben die Bedeutung der Informationskompetenz für Wissenschaft und Gesellschaft erkannt und engagieren sich mit eigenen Aktivitäten: Der Deutsche Bibliotheksverband(dbv) hat nationale Standards für die Informationskompetenz von Studierenden verabschiedet; der Verein Deutscher Bibliothekare (VDB) hebt in der sog. „Hamburger Erklärung“ die Rolle der Bibliotheken bei der Vermittlung von Informationskompetenz hervor; die Deutsche Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationspraxis e. V. (DGI) setzt sich insbesondere für die Vermittlung von Informationskompetenz an Schulen sowie in Unternehmen ein. Zu nennen ist außerdem die neue Arbeitsgruppe Informationskompetenz von Bibliothek & Information Deutschland (BID), die die Erfahrungen der Einzelverbände zusammenträgt und zum Zwecke der Politikberatung ein Strategiepapier „Informationskompetenz für Bildung, Beruf und Gesellschaft“ erstellt. 2.4 Forschung und Ausbildung Universitäten und Fachhochschulen mit bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Fachbereichen erforschen methodische, didaktische und pädagogische Grundlagen der Vermittlung von Informationskompetenz und ordnen sie in den historischen und handlungspraktischen Kontext des menschlichen Informationsverhaltens ein. Besondere Bedeutung kommt den bibliothekarischen Ausbildungseinrichtungen zu, die Informationskompetenz als wesentli-

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chen Bestandteil in ihre Studiengänge integriert haben und somit die Voraussetzung schaffen, dass die aktuellen Forschungsergebnisse durch ihre Absolventen in die Praxis der Informationskompetenzvermittlung einfließen. Einige dieser Einrichtungen führen auch regelmäßig entsprechende Fortbildungen für Bibliothekare durch; hier existiert jedoch kein flächendeckendes Angebot. 3 Internationaler Kontext Das Thema wird in der internationalen Informationsszene seit mindestens 20 Jahren diskutiert, in verschiedenen Ländern zu verschiedenen Zeiten und in unterschiedlicher Tiefe. Informationskompetenz wird heute übergreifend gesehen als essentieller Bestandteil des lebenslangen Lernens. In Konsequenz daraus wird länderübergreifend eine Ausbildung auf allen Stufen der (Schul-)Bildung für notwendig betrachtet. Vorreiter bei der Vermittlung von Informationskompetenz sind die USA, wo das Thema Mitte der 1980er Jahre verstärkt in den Fokus rückte. Neben den USA gibt es in fast allen Regionen und Ländern der westlichen Welt Einrichtungen, meist im Zusammenhang mit Bibliotheken, die sich der Verbreitung der Ideen der Informationskompetenz verschrieben haben. Hier sind u. a. zu nennen: Australien, Skandinavien, Kanada, Frankreich, Großbritannien. Günstige politische Rahmenbedingungen, staatliche Förderprogramme, die frühzeitige Vermittlung von Informationskompetenz in der Schule, die Formulierung von Standards, Implementierung von Modellen, Einrichtung einer zentralen Clearingstelle und „Information Literacy“ als Positivkriterium für die Evaluierung von Bildungseinrichtungen haben dafür gesorgt, dass das Thema in der Schul- und Hochschulausbildung fest verankert ist. Beispielhaft für die zunehmende internationale Aufmerksamkeit ist die IFLA (International Federation of Library Associations and Institutions) zu nennen. Aus dem ursprünglichen Round Table, einer in der Hierarchie der Organisation eher locker angebundenen Diskussionsgruppe „User Education“, ist seit 2002 die offiziell anerkannte „Information Literacy Section“ geworden. Diese Sektion betreibt auch zusammen mit der UNESCO das Informationsportal „The international information literacy resources directory“. Die UNESCO unterhält weiterhin eine eigene Website zum Thema „Information and Media Literacy“. Wie auch national steht die internationale Bewegung allerdings in den meisten Ländern vor der Herausforderung, die Frage nach der Informationskompetenz aus dem inneren Kreis der Informationsspezialisten in das allgemeine Bewusstsein und damit auch auf die politische Ebene zu heben.

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4 Nutzererwartungen Die Zielgruppen für die Vermittlung von Informationskompetenz im Bereich Wissenschaft und Forschung sind Studierende, Hochschullehrer und Wissenschaftler – zusammengefasst als Endnutzer – sowie die Informationsvermittler (meist Bibliotheksangehörige) selbst. Für die Vermittler von Informationskompetenz ist es wesentlich, dass sie die Erwartungen und Voraussetzungen der Endnutzer kennen. Die Evaluierung der Angebote und Ermittlung der (End-)Nutzererwartungen kann über direkte Befragungen, teilnehmende Beobachtungen, Feld- und Laborexperimente oder auch die Auswertung prozessproduzierter Daten erfolgen. Die Vermittler selbst müssen stets auf dem neuesten Stand der technischen und fachlichen Entwicklungen der Informationsinfrastruktur sein. Sie benötigen daher Weiterbildungsmöglichkeiten, einen intensiven Austausch untereinander, mit Fachwissenschaftlern und mit den Hochschulorganen sowie flexible, modulare und wiederverwendbare Lehrmaterialien. Hochschullehrer und Wissenschaftler beklagen oftmals die mangelnde Informationskompetenz der Studierenden. Allerdings sind auch ihnen bestimmte Ressourcen oder Suchtechniken nicht bekannt, obwohl sie subjektiv zufrieden mit den Ergebnissen ihrer eigenen, internetbasierten Suchen sind. Die Erwartungen der Studierenden sind insbesondere zu Beginn des Studiums schwierig zu bestimmen, da bei ihnen ein noch geringeres Problembewusstsein zu erkennen ist als bei den Wissenschaftlern. Verschiedene Studien haben unterschiedliche Aspekte der Informationskompetenz junger Leute untersucht. Schwerpunkte waren hier meist das Suchverhalten und der Umgang mit gefundener Information. Da Wissenschaftler einen vergleichsweise hohen Zeitanteil mit der Recherche und Informationsbeschaffung verbringen, ist für sie ein schneller Zugriff auf relevante, insbesondere auch fachspezifische Information, wesentlich. Die Erwartungen der Studierenden sind insbesondere zu Beginn des Studiums schwierig zu bestimmen, da bei ihnen ein noch geringeres Problembewusstsein zu erkennen ist als bei den Wissenschaftlern. Verschiedene Studien haben unterschiedliche Aspekte der Informationskompetenz junger Leute untersucht. Schwerpunkte waren hier meist das Suchverhalten und der Umgang mit gefundener Information. Gerade unerfahrene Nutzer sind über heute weit verbreitete Suchmaschinen eine schnelle und intuitive, aber unkritische Beschaffung meist nicht verifizierter Information gewohnt. Neben der Vermittlung eines Grundverständnisses guter wissenschaftlicher Praxis ist es für die nachhaltige Wirksamkeit der Schulungsmaßnahmen zur Informationskompetenz wichtig, die technische Infrastruktur den Bedürfnissen anzupassen und die

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Relevanz der gefundenen Information sicher zu stellen. Auch ethische und legale Fragestellungen der Informationsnutzung sollten berücksichtigt werden. Studierende benötigen und erwarten durchaus Hilfe bei der Informationspraxis, auch weil sie angesichts der Informationsflut bezüglich ihrer Aufnahme- und Aufmerksamkeitskapazität zunehmend überfordert sind. OnlineSysteme (vermehrt auch mit sozialen Funktionalitäten, Social Software) und eLearning-Module, die für den Bedarfsfall zeitlich unabhängig als Nachschlagequelle zur Verfügung stehen sollten, werden von der heutigen Studierendengeneration als selbstverständlich betrachtet. 5 Handlungsbedarf – Visionen 5.1 Entwicklung der Rahmenbedingungen für die Vermittlung von Informationskompetenz Die Heterogenität und Komplexität der im Internet verfügbaren wissenschaftlichen Inhalte wird kontinuierlich zunehmen. Neben Textdokumenten spielen zunehmend auch andere Objekte eine Rolle, wie z. B. Archivalien, Bildmaterialien, Multimedia oder Forschungsdaten. Innovationspotenzial besteht in der Schaffung geeigneter Umgebungen und Werkzeuge, um das Auffinden relevanter Informationen zu erleichtern und so den Schulungsbedarf in Hinblick auf Recherchetechniken zu reduzieren. Das Ziel sind umfassende und flexibel anpassbare Suchräume, die unter einer einheitlichen Oberfläche die Suche nach allen verfügbaren Medien sowie möglichst auch deren unmittelbare Bereitstellung ermöglichen. Wesentliche Aspekte sind Integration von Nachweisen, Vereinheitlichung von Zugriffswegen, intuitive Benutzerführung, linguistische Unterstützung, situationsbezogene Online-Hilfen, Web2.0-Funktionalitäten sowie die Einbettung in virtuelle Lern- und Forschungsumgebungen. Gegenüber den Aspekten Recherche und Beschaffung werden die Fragen der Analyse, Bewertung und Weiterverarbeitung/-verwendung wissenschaftlicher Information stark an Relevanz zunehmen. 5.2 Handlungsbedarf Aufwertung der Informationskompetenz Vielfach fehlt den Wissenschaftlern das Problembewusstsein, dass über verbesserte eigene Informationskompetenz wertvolle Informationen schneller aufgefunden werden, durch umfassende methodische Kenntnisse „guter wissenschaftlichen Praxis“ die Arbeit und die Arbeitsorganisation effizienter gestaltet werden und sich dadurch ein greifbarer Nutzen ergeben kann. Als Dozenten geben sie der Entwicklung von Informationskompetenz bei ihren Studierenden nicht immer den nötigen Stellenwert. Um diese Grundhaltung bei Lehrenden

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und Studierenden zu ändern, ist Aufklärungsarbeit nötig. Marketingaktionen müssen zentral organisiert und professionell gestaltet sein, mit dem Ziel, den Nutzen von Informationskompetenz im Rahmen der jeweiligen Fachwissenschaft zu verdeutlichen, die Rolle der Informationsvermittler als Partner der Wissenschaftler zu stärken und Informationskompetenz als Schlüsselkompetenz zu einem selbstverständlichen Bestandteil der Curricula sowie des wissenschaftlichen Arbeitens auf exzellentem Niveau zu machen. Die Vermittlung von Grundlagen bereits in der Schule, und hier besonders unter dem Aspekt der kritischen Bewertung von Information, kann wertvolle Voraussetzungen für den späteren Zugang zu den wissenschaftlichen Angeboten schaffen. Elektronisches Publizieren In zunehmendem Umfang bieten Hochschulen und Fachinformationseinrichtungen auch Infrastruktur für das elektronische Publizieren für Wissenschaft und Forschung an. Daraus folgt, dass bei der Informationskompetenzvermittlung für diese Zielgruppen auch die umfassende Information über diese Angebote und deren Potenzial bereitgestellt werden muss. Da in diesem Bereich bei Themen wie Langzeitarchivierung, Lizenzierung, Virtuelle Forschungsumgebungen oder Forschungsdaten eine sehr dynamische Entwicklung zu beobachten ist, besteht kontinuierlich Weiterbildungsbedarf. E-Learning und Blended Learning E-Learning-Angebote können bei der Vermittlung von Informationskompetenz sinnvoll als Ergänzung der Präsenzveranstaltungen und als Hilfestellung genutzt werden. Die benötigten Module sollten in der Regel zentral bereitgestellt werden, da die Inhalte weitgehend nicht lokalspezifisch sind und der vergleichsweise hohe Aufwand für die professionelle Aufbereitung und Pflege solcher E-Learning-Angebote so nur einmal anfällt. Die konkrete Konzeption von Blended Learning-Veranstaltungen wird dagegen von den lokalen Gegebenheiten und von Spezifika des Fachs abhängig sein. Daher sind die Adaptierbarkeit und die Möglichkeit der Einbindung zentral erstellter Bausteine z. B. in lokale Lernplattformen ebenfalls wichtige Anforderungen. Unterstützung und Fortbildung der Lehrenden Lehrende der Informationskompetenz können durch zentral organisierten Informationsaustausch und Fortbildungsangebote wirksam unterstützt werden. Wünschenswert ist ein zentrales, gut strukturiertes, systematisch ausgebautes, bedarfsorientiertes und leicht nachnutzbares Angebot von Unterrichtsmaterialien jeder Art. Hierzu sollte ein (bestehendes) Portal zum zentralen Sammel-

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und Informationspunkt mit integrierter Recherche sowie zu einer Publikationsplattform ausgebaut werden. Alle verzeichneten Inhalte sollten regelmäßig auf Aktualität überprüft und durchgängig inhaltlich erschlossen werden. Hierzu müsste auch das Metadatensystem auf der Grundlage internationaler Standards weiterentwickelt werden. Evaluierung und Beratung Die Institutionen der überregionalen Fachinformation sollten regelmäßig Fortbildungen anbieten, die gezielt auf die Informationskompetenzvermittlung eines bestimmten Fachs vorbereiten und dabei z. B. fachspezifische Didaktik und die Nutzung von Fachdatenbanken berücksichtigen. Für alle zentral erstellten Angebote wird eine wissenschaftlich fundierte Qualitätssicherung, bestenfalls durch Akkreditierung und Zertifizierung, und Beratung erforderlich sein. Diese Kompetenz sollte an einer zentralen Einrichtung aufgebaut werden. Ein weiteres Desiderat ist die Entwicklung von standardisierten Werkzeugen zur Messung und Evaluierung von Umfang, Effektivität und Effizienz der Aktivitäten zur Vermittlung von Informationskompetenz. Erste Ansätze sind durch die Einführung einer gemeinsamen Veranstaltungsstatistik dreier Bundesländer bereits gemacht worden, die erstmals eine überregionale und differenzierte Vergleichbarkeit des Leistungsangebots ermöglicht. Sie sollte auf weitere Bundesländer erweitert und technisch optimiert werden. Darüber hinaus besteht dringender Bedarf zur Entwicklung von webbasierten Evaluierungsinstrumenten für Online-Tutorials und Schulungen. Dabei ist sowohl an Erhebungen zur Teilnehmerzufriedenheit (Feedback-Fragebögen) als auch an Instrumente zur Kompetenzmessung bei den Teilnehmern (Testverfahren) zu denken. 6. Querschnittsthemen 6.1 Standards/Normen Standards und Konzepte zur Vermittlung von Informationskompetenz sind in den Hochschulen seit über 15 Jahren durch die Aktivitäten von Bibliotheken und Fachverbänden im internationalen und nationalen Raum bekannt. Sie wurden zuletzt im Rahmen der reformierten Studienordnungen des BolognaProzesses über die Fächer hinweg im grundständigen Studium verortet, zur Verbesserung der Lehre integriert und mit unterschiedlichem Erfolg akzeptiert. Die Ausdifferenzierung der Standards und Elemente der IK-Vermittlung nach der „Association of College and Research Libraries“. Davon ausgehend wurden national weitere Standards, Konzepte und Modelle zur Definition und Vermittlung der Informationskompetenz entwickelt, wie z. B. das DYMIK ist bibliotheksaffin und dokumentarisch geprägt sowie auf

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die Zielgruppe des „information literate student“ ausgerichtet. Sie beschränkt sich auf die Beantwortung der klassischen Fragen von Informationsermittlung und Literaturversorgung. (Dynamisches Modell der Informationskompetenz) und die Standards der Informationskompetenz für Studierende des Deutschen Bibliotheksverbands (dbv). Eine Weiterentwicklung von Standards ist infolge der dynamischen Entwicklung der Informationslandschaft wesentlich für einen systematischen und konzertierten Ansatz der Entwicklung von Informationskompetenz. Für eine wünschenswerte Akkreditierung und Zertifizierung von Ausbildungsmaterialien sind Standards zu entwickeln. 6.2 Aspekte der Ausbildung Der Wandel der Informationsinfrastruktur bringt anspruchsvolle neue Aufgaben mit sich. Sowohl im technologischen als auch im organisatorisch-methodischen und fachlichen Bereich wird Expertenwissen auf dem neuesten Stand benötigt. Dafür muss geeignetes Personal aus und fortgebildet werden, das zum einen die Anforderungen bzgl. der Etablierung und Fortführung der neuen Aufgaben einlösen kann, zum anderen ist eine forschungsbasierte Perspektive nötig, damit neue, innovative Entwicklungen stets Eingang finden können. Für die Ausbildung sind verschiedene informationswissenschaftliche Disziplinen (wie z. B. die (Medien)-Informatik, die Informationswissenschaft) in Vernetzung mit den Fachwissenschaften an den Universitäten und Fachhochschulen gefragt. Die Vertreter dieser Wissenschaftsbereiche müssen dafür sorgen, dass Informationsinfrastrukturthemen Bestandteil der Curricula (sowohl der einzelnen Fächer als auch der Informationswissenschaften) sind und genügend Experten für diesen wichtigen Bereich ausgebildet werden, auch in pädagogischdidaktischer Hinsicht. Dies bedeutet, dass die Themen mit entsprechender Gewichtung Eingang in Forschung und Lehre finden müssen, was durch kooperative Projekte zwischen Universitäten und Infrastruktureinrichtungen befördert werden kann, aber auf der wissenschaftspolitischen Seite die Etablierung von adäquaten Förderstrukturen voraussetzt, die der Wichtigkeit von Informationsinfrastruktur für die Exzellenz von Wissenschaft und Forschung Rechnung tragen. 7. Ressourcenabschätzung Eine seriöse Ressourcenabschätzung ist aufgrund fehlender statistischer Daten nur für einen Teil der Akteure möglich. Die an der Deutschen Bibliotheksstatistik teilnehmenden wissenschaftlichen Bibliotheken haben für 2009 45.000 Schulungsstunden für alle Zielgrup-

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pen gemeldet. Einschließlich Organisation, Vorbereitung der Schulungen, Erstellen von Tutorials ergeben sich in Summe 100.000 bis 150.000 Stunden, die Bibliothekare des höheren und gehobenen Dienstes vor Ort geleistet haben, das entspricht rund 100 Stellen. Dazu kommt die Mitarbeit am Portal. Der tatsächliche Bedarf zur Schulung von Studierenden lässt sich aus der Zahl der Neueinschreibungen (ca. 400.000 in den Jahren 2008/2009) und dem angestrebten Umfang der Schulungsmaßnahmen errechnen. Als Minimum ist eine Einführungsschulung mit einem Umfang von 2 Stunden im ersten Fachsemester bei 20 Teilnehmern/Kurs sinnvoll, dazu eine Aufbauschulung gleichen Umfangs im weiteren Studienverlauf. Allein die flächendeckende Betreuung der Erstsemester bringt also einen Aufwand von 40.000 Stunden/Jahr mit sich. Ein entsprechender Bedarf für die Aufbauschulung ist hinzuzurechnen, ebenso die Schulungsmaßnahmen für die nicht-studentischen Zielgruppen. Insgesamt ist daher mindestens eine Verdopplung des derzeitigen personellen Aufwands bei den Bibliotheken notwendig, um ein flächendeckendes Schulungsangebot aufzubauen. In Abhängigkeit von den lokalen Gegebenheiten der jeweiligen Hochschulen können auch umfangreichere Schulungsmaßnahmen (etwa Übungen mit 2 SWS) sinnvoll sein. Eine fachliche Anbindung an die Institute/ Fakultäten, mindestens eine Kooperation mit diesen ist wünschenswert, um die disziplinspezifischen Gesichtspunkte von Informationskompetenz zu berücksichtigen. Ressourcen auf der überregionalen Ebene sind bisher kaum vorhanden. Dies gilt zum einen für die als dringend notwendig erachtete Einrichtung einer zentralen Koordination der Aktivitäten und Bereitstellung von Materialien (Portal), zum anderen auch für die wünschenswerte stärkere Einbeziehung der Institutionen der überregionalen Fachinformation. Für eine Intensivierung der Zusammenarbeit sowie Schulungsangebote sind hier zusätzliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Synergien lassen sich insbesondere durch eine höhere Vernetzung und zentral koordinierte gemeinsame Aktivitäten erzeugen. So könnte der Aufwand für die Erstellung qualitativ hochwertiger Schulungsmaterialien bei zentraler Bereitstellung und effektiver Nutzung durch die lokalen Akteure wesentlich reduziert werden. Nicht zu vernachlässigen ist ebenfalls der Aspekt, dass durch eine „Grundsteinlegung“ bereits in der Schule die Ausbildung zu Beginn des Studiums in Teilen reduziert bzw. auf speziellere Anwendungsfälle konzentriert werden könnte. Insofern sollte dem Aspekt der Lehreraus- und -weiterbildung ein höherer Stellenwert eingeräumt werden. Wünschenswert wäre hier eine semesterbegleitende Veranstaltung, um alle Aspekte der Informationskompetenz zu behandeln und einen zusätzlichen Schwerpunkt auf die methodisch-

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didaktischen Vorgehensweisen ihrer Vermittlung zu legen. Auch hier sind zusätzliche Ressourcen und Mittel für entsprechende Lehraufträge notwendig. 8. Aufgaben und Rahmenbedingungen Für die Vermittlung von Informationskompetenz sind unterschiedliche Gruppen von Kompetenzträgern wesentlich. Das hier skizzierte Zukunftsszenario beschreibt deren Aufgaben- und Funktionsverteilung unter optimierten Rahmenbedingungen. Lokale Ebene An den Hochschulen wird durch zielgruppenorientierte Maßnahmen die Informationskompetenz der Studierenden und der Wissenschaftler gefördert. Ziel ist es, als Informationskompetenz-Partner für Forschung und Lehre allen wissenschaftlich Arbeitenden und denen, die es werden wollen, die erforderlichen Grundkenntnisse und Arbeitstechniken nahezubringen, sie für die unterschiedliche Zuverlässigkeit von Informationsquellen zu sensibilisieren und sie zu befähigen, unter Verwendung zentral bereitgestellter Orientierungshilfen selbständig für neue Fragestellungen alle relevanten Informationen zu beschaffen und zu bewerten. Eine wichtige Funktion haben dabei die Bibliothekare. Gemeinsam mit den Fachdozenten vermitteln sie den Studierenden den effektiven und kritischen Umgang mit wissenschaftlicher Information und bedienen sich dabei unterschiedlicher Lehrformen. Diese Schlüsselkompetenz ist integriert in Pflichtmodule der Studiengänge, eng verzahnt mit den fachwissenschaftlichen Anforderungen des jeweiligen Studienabschnitts. Die Bibliothekare reagieren flexibel auf die speziellen Bedürfnisse in ihrer Hochschule und passen verfügbare Lehrmaterialien, Handreichungen und Tutorials soweit erforderlich an die lokalen Gegebenheiten an. Neben den Bibliothekaren in Hochschulen leisten auch Fachwissenschaftler, Informationsfachleute, Patentspezialisten und Bibliothekare in unterschiedlichen wissenschaftlichen Einrichtungen einen wichtigen Beitrag zur Vermittlung von Informationskompetenz. Dienstleister Ein zentraler Dienstleister, angebunden an eine vorhandene Institution mit der notwendigen Verwaltungsinfrastruktur: – koordiniert und organisiert Vorhaben zur Förderung der wissenschaftlichen Informationskompetenz in Deutschland,

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betreut ein zentrales Portal in technischer und redaktioneller Hinsicht und baut dieses systematisch aus zu einer umfassenden Plattform für Unterrichts- und Informationsmaterialien, die lokal leicht nachnutzbar sind, gibt Standards für die Entwicklung nachnutzbarer Angebote vor, organisiert Fortbildungsveranstaltungen für die Dozenten der lokalen Ebene, vergibt Gütesiegel für Hochschulen, die sich vorbildlich und erfolgreich um die Informationskompetenz ihrer Angehörigen kümmern, evaluiert Informationsangebote in Bezug auf die Nutzerbedürfnisse und die Usability, pflegt internationale Kontakte.

Diese Dienstleistungseinrichtung kooperiert eng mit wissenschaftsnahen Informationseinrichtungen und bedient sich deren Fachkompetenz. Sie verfügt über hinreichend Projektmittel, um bedarfsgerecht und flexibel Aufträge zur Erstellung von Informations- oder Unterrichtsmaterialen, zur Durchführung von Fortbildungen oder zur Durchführung von Studien zur Erfolgskontrolle an geeignete Partner vergeben zu können. Für die Entwicklung und Bereitstellung fachspezifischer Angebote verfügen die Zentralen Fachbibliotheken, Fachinformationszentren, Datenarchive und Sondersammelgebietsbibliotheken über das notwendige Expertenwissen. Sie erbringen Dienstleistungen unmittelbar für die Endnutzer, aber insbesondere auch für die Dozenten aus Bibliotheken, Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen, die Informationskompetenz vermitteln. Über die Virtuellen Fachbibliotheken und andere Fachportale gelingt es ihnen, die Wissenschaftler direkt anzusprechen. Die Vermittlung fachspezifischer Informationskompetenz an die Informationsvermittler für die Endnutzer ist diesen Einrichtungen als Aufgabe zu übertragen. Vernetzung und Steuerung Die in direktem Kontakt mit dem Endnutzer stehenden Dozenten der lokalen Ebene benötigen eine übergreifende Struktur, die es ihnen ermöglicht, ihre Erfahrungen auszutauschen, Kooperationen einzugehen, ihre Anforderungen an zentrale Dienstleister abzustimmen und zu artikulieren und in der Öffentlichkeit mit einer Stimme zu sprechen. Zu diesem Zweck sollte ein überregionales Gremium gebildet werden, das als Fachbeirat die Arbeit des zentralen Dienstleisters steuert.

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Aufgaben Aus dem Handlungsbedarf und dem beschriebenen Zukunftsszenario ergeben sich die folgenden Empfehlungen, die zusammengenommen ein tragfähiges Konzept von Informationskompetenz bewirken und eine umfassende Vermittlung adäquater Kenntnisse ermöglichen: – Grundlegende Aspekte der Informationskompetenz müssen bereits in den Schulen gelehrt werden, um den jungen Zielgruppen von Anfang an eine reflektierte Informationsnutzung näher zu bringen. Dies setzt auch eine Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte voraus. – Die Universitätsbibliotheken sind in ihrer Aufgabe zu unterstützen, die Grundversorgung an Informationskompetenzvermittlung in allen grundständigen und weiterführenden Studiengängen, aber auch für das wissenschaftliche Personal zu leisten. Hier ist eine intensive Kooperation mit entsprechenden Vertretern aller wissenschaftlichen Disziplinen nötig, die für eine Verankerung der Informationskompetenz in den Curricula sowie für die laufende Einforderung der entsprechenden Kenntnisse sorgen müssen. – Die Universitäten mit informationswissenschaftlichen Schwerpunkten sind für den wissenschaftlichen Nachwuchs und die Expertenausbildung zuständig. Die Etablierung von (fach)informationswissenschaftlichen Professuren, die Informationskompetenz als Thema in Lehre und insbesondere auch Forschung vertreten, ist zu forcieren. Forschungsergebnisse müssen direkt in die Konzepte zur Vermittlung von Informationskompetenz eingehen, entsprechende Forschungsprogramme sind auf- bzw. auszubauen. Weiterhin ist eine kontinuierliche Weiterbildung für die im Kontakt mit dem Endnutzer stehenden Kompetenzträger zu etablieren. Dies soll am besten in enger Kooperation zwischen Universitäten mit informationswissenschaftlichen Schwerpunkten einerseits und den Fachinformationszentren, Zentralen Fachbibliotheken und Virtuellen Fachbibliotheken andererseits erfolgen. – Für die Entwicklung, den Aufbau und die Pflege intelligenter Systeme und zentraler, effektiver Organisationsformen, die die Vermittlung von Informationskompetenz kontinuierlich unterstützen, müssen entsprechende Mittel und Ressourcen bereit gestellt werden.

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G. Bibliothek & Information Deutschland (BID): Medien- und Informationskompetenz Immer mit Bibliotheken und Informationseinrichtungen! Empfehlungen von Bibliothek & Information Deutschland (BID) für die Enquete-Kommission ‚Internet und digitale Gesellschaft‘ des Deutschen Bundestages Stand: 14. Februar 2011 Herausgegeben von der Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände Bibliothek & Information Deutschland (BID) e. V. (Auszug) Zusammenfassung der wichtigsten Empfehlungen für Bund, Länder und Kommunen Medien- und Informationskompetenz ist eine Kernaufgabe von Bibliotheken und Informationseinrichtungen – die Politik sollte dies nutzen! Die Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz an Menschen aus allen sozialen Schichten, aus allen Altersgruppen und mit den unterschiedlichsten Bildungs- und Informationsinteressen ist seit vielen Jahren eine Kernaufgabe von Bibliotheken und Informationseinrichtungen in Deutschland. Unter Titeln „Wie nutze ich das Internet sicher? Wie formuliere ich meinen Informationsbedarf? Wie finde ich Literatur oder Informationen zu …? Was finde ich mit Google, was nicht? Wie muss ich das Urheberrecht beachten? Wie zitiere ich richtig? Was ist ein Plagiat? Wie nutze ich Datenbanken?“ bieten Bibliotheken vielfältige Kurse an. Im Jahr 2009 haben Hochschulbibliotheken insgesamt über 46.000 bedarfsorientierte Schulungen, Kurse und Lehrveranstaltungen angeboten, mit stark steigender Tendenz (Deutsche Bibliotheksstatistik − DBS 2009). Mehr als ein Fünftel aller Studierenden in Deutschland besucht jedes Jahr solche Veranstaltungen. Entsprechende E-Learning-Angebote werden weiterentwickelt. Das Gleiche gilt für die Bibliotheken in kommunaler oder kirchlicher Trägerschaft. In den Öffentlichen Bibliotheken wurden im Jahr 2009 rund 100.000 Einführungsveranstaltungen in die Bibliotheks- und Mediennutzung einschließlich des Internets durchgeführt (DBS 2009). Damit diese erfolgreiche Arbeit auch in Zukunft wesentlicher Bestandteil der digitalen Gesellschaft bleibt, hält die BID (Bibliothek und Information

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Deutschland – Bundesvereinigung deutscher Bibliotheks- und Informationsverbände e. V.) die Umsetzung folgender Empfehlungen auf Bundes-, Landesoder Kommunalebene für dringend notwendig: Für den Bund: Durchführung eines bundesweiten Gipfels für Medien- und Informationskompetenz! Dieser Gipfel soll die Sensibilisierung der Gesellschaft für eine zukunftsorientierte Medien- und Informationskompetenz über das einfache Googlen hinaus fördern, damit sachgerechte Schlüsselkompetenzen für die Zukunft der Informationsgesellschaft in allen Bildungsphasen und für lebenslanges Lernen vermittelt werden. Dieser Gipfel soll die bisher in die Diskussion nicht einbezogenen Aktivitäten und Erfolge der Bibliotheks- und Informationseinrichtungen bei der Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz politisch unterstützen und die Akteure mit den Verantwortlichen für Bildung und Wissenschaft in Schule und Hochschule sowie in der Erwachsenenbildung vernetzen. Für die Länder: Soweit noch nicht geschehen: Verabschiedung von Bibliotheksgesetzen, in denen Medien- und Informationskompetenz als wichtige Kernaufgabe von Bibliotheken und Informationseinrichtungen für die digitale Gesellschaft festgelegt wird. Aufnahme von Medien- und Informationskompetenz in die Curricula aller Schultypen und Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz in den Schulen durch Vernetzung von Schulen, Bibliotheken und Informationseinrichtungen. Umsetzung der Empfehlung aus dem Bologna- Prozess: Verankerung von Informations- und Medienkompetenz als fachübergreifende Kompetenz in Rahmencurricula und als Voraussetzung für die Akkreditierung von Studiengängen. Akkreditierung von Bachelor und Masterstudiengängen nur, wenn sie ein mindestens zweisemestriges, jeweils zwei Wochenstunden umfassendes, fächerbezogenes Modul der Medien- und Informationskompetenz beinhalten. Dadurch wird ein zielgerichtetes Studieren gefördert und es werden Schlüsselkompetenzen für die berufliche Qualifikation in der Informationsgesellschaft erworben. Für die Kommunen: Finanzierung der personellen Basis für die Vermittlung von allgemeiner Medien- und Informationskompetenz durch die öffentlichen Bibliotheken einer Kommune.

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Stärkung und Unterstützung der spielerischen Vermittlung von Medienund Informationskompetenz durch die öffentlichen Bibliotheken in Zusammenarbeit mit Kindergärten und im Vorschulalter. Enge Zusammenarbeit von Bibliotheken und Schulen nach dem Vorbild vorhandener Spiralcurricula bei der Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz an Schüler aller Altersstufen. Förderung der Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz durch öffentliche Bibliotheken für kleine und mittlere Unternehmen, für Arbeitslose und Senioren zur Stärkung ihrer wirtschaftlichen und persönlichen Chancen in der Informationsgesellschaft. Vision 2020: Informationssouveräne Bürger in Bildung, Beruf und Gesellschaft Der kompetente Umgang mit Information ist eine wichtige Voraussetzung für die Verwirklichung der informationellen Selbstbestimmung der Menschen in unserem Land und ermöglicht ihnen die Teilhabe an der digitalen Gesellschaft der Zukunft. Medien- und Informationskompetenz ist ein wichtiger Standortfaktor für die ‚Bildungsrepublik‘ und den Forschungsstandort Deutschland. Der kompetente Umgang mit Information fördert die Lernkultur, ermöglicht Innovation in Wissenschaft und Forschung und ist eine wichtige Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg. Er trägt zur Steigerung der individuellen Lebensqualität und persönlicher Chancen der Menschen in unserem Land bei, indem er Kreativität und Ideenreichtum erst ermöglicht. Eine frühzeitige Vermittlung dieser Schlüsselkompetenzen durch Informationsfachleute und Bibliotheksspezialisten, der Erwerb von Medien- und Informationskompetenz bereits in der ersten Schulphase und mit spielerischen Elementen in der Vorschule, der Transfer der dort erworbenen Kenntnisse in Hochschule und Wissenschaft sowie in Wirtschaft und Gesellschaft werden im Jahr 2020 unverzichtbar sein für eine wettbewerbsfähige Lehre und Forschung, für innovative Entwicklungsarbeit, für wirtschaftliche Entscheidungen, für lebenslanges Lernen und die Informationssouveränität der Menschen in Deutschland. Diese erweiterte Medienkompetenz entspricht dem Bedürfnis nach Schnelligkeit und Einfachheit der gezielten digitalen Informationsvermittlung, und auch nach der Zuverlässigkeit der Information. Sie trägt damit den Anforderungen einer komplexen Informationsgesellschaft Rechnung. (...) Die folgenden Vorschläge bedürfen der politischen Unterstützung der Enquetekommission und der Schaffung von Voraussetzungen durch die zuständigen politischen Ebenen:

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Curriculare Verankerung von Medien- und Informationskompetenz in der Lehrerausbildung und der Lehrerfortbildung. Kostenloser Zugang (oder mit niedrigem Pauschalpreis) für Schulen und Öffentliche Bibliotheken zu schnellen Netzverbindungen ggf. durch den Aufbau eines kooperativen technischen Netzwerkes zwischen den Ländern. Auflage eines Bundesprogramms: „Öffentliche Bibliotheken im Netz“ zum flächendeckenden Ausbau der Dienstleistungen von Öffentlichen Bibliotheken auf dem Gebiet der Medien- und Informationskompetenz. Öffentliche Bibliotheken werden so zum selbstbestimmten Lernort und Partner der Schulen für Medien- und Informationskompetenz. Gezielte Maßnahmen sollten im Bereich der Datenbankangebote (‚Nationallizenzen‘) und der technischen Ausstattung über die nächsten fünfzehn Jahre gefördert werden. Aufbau eines bundesgeförderten Medienkompetenznetzwerks, das Öffentliche Bibliotheken und Schulen zur Dokumentation und zum Austausch von best practice Beispielen aus dem Bereich der didaktischen Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz nutzen können. Entwicklung von kommunalen Bildungskonzepten, mit dem Ziel, die Öffentlichen Bibliotheken, die Schulbibliotheken und die Schulen als aktive dauerhafte Partner in der örtlichen Bildungslandschaft zu vernetzen. Kein Schüler darf zukünftig ohne eine Basis der Medien- und Informationskompetenz die Schule verlassen! Bibliothekare und Informationsspezialisten unterstützen den kompetenten Umgang mit der Informationsflut Die Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz ist für Bibliothekare und Informationsfachleute zu einer Kernaufgabe geworden. Sie vermitteln dabei die Fähigkeit, Informationen zu recherchieren, zu selektieren, zu bewerten und zu verarbeiten – unter Beachtung rechtlicher und ethischer Implikationen. Die Strategie der Informationssuche und -nutzung stimmen sie auf den Bedarf des Einzelnen ab und versetzen ihn in die Lage Informationen und Informationsumgebungen aktiv nutzen zu können. Bibliothekskunden sind aktive Produzenten von digitalen Informationen geworden. Bibliotheken als Garanten für den freien Zugang zur Information haben diesen Bedarf erkannt und ihre Angebote und Dienstleistungen entsprechend erweitert. Sie sind zu Lernorten geworden, an denen professionelle Beratung erfolgt, neue Medienformen praktisch erprobt und die dafür nötigen Kompetenzen vermittelt werden. Wie sieht die Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz konkret aus? – Beispiele

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(...) An der Bibliothek der Universität Konstanz wurden in zwei Projekten Konzepte zur systematischen Förderung von Informationskompetenz von Studierenden entwickelt und in die Fachcurricula integriert. Mit einem vom badenwürttembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) geförderten Projekt (2003–05) wurden, prototypische Kurse für Bachelor-Studierende samt E-Learning-Tutorials für eigenständige Lehrveranstaltungen mit ECTS-Punkten in elf Fächern entwickelt. Das zweite, durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt (2006–07) zielte auf die systematische Förderung der Informationskompetenz bei Doktoranden oder Masterstudenten. Im Rahmen dieses Projektes wurden systematische Erhebungen zum Informationsverhalten und zum subjektiven Informationsbedarf von Studierenden durchgeführt und neue Konzepte unter Berücksichtigung von Erfahrungen ausländischer Hochschulsysteme, insbesondere der USA und Chinas, entwickelt. Die erstellten Konzepte werden für das Lehrangebot der Universität Konstanz mit eigenen Mitteln weiterentwickelt und von zahlreichen anderen Hochschulbibliotheken nachgenutzt. Weitere Informationen unter http://www.ub.uni-konstanz.de/en/services/teaching-library.html bzw. http://www.ub.unikonstanz.de/bibliothek/projekte/informationskompetenz/ publikationen.html

Die Universitätsbibliotheken Chemnitz, Freiburg, Heidelberg und Konstanz entwickelten E-Learning-Plattformen für die Realisierung von Blended-LearningKonzepten, in denen Präsenzveranstaltungen durch Online-Termine ergänzt werden. Weitere Informationen unter: http://www.informationskompetenz.de/

Als komplementäre Lernangebote zur Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz werden an einigen Hochschulen virtuelle Lernumgebungen bzw. Online-Tutorials angeboten. Ein überregionaler kooperativer Ansatz wurde an der Universitätsbibliothek Münster mit dem System „LOTSE“ (Library Online Tour and Self Paced Education) gewählt. Dabei handelt es sich um ein modular aufgebautes Programm, das in Form von kurzen Tutorials dazu anleitet, für die wissenschaftliche Arbeit das Internet effektiv zu nutzen, Suchstrategien zu entwickeln, Datenbanken zu nutzen und Plagiate zu vermeiden. Fachspezifische Lernmaterialien werden in Kombination mit Navigationshilfen angeboten und können nach lokalspezifischen Kriterien ergänzt werden. An der Universitätsbibliothek Heidelberg wurde ein storybasierter Ansatz entwickelt, bei dem u. a. interaktive Lernmaterialien in Analogie zur Erstellung

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einer Hausarbeit präsentiert werden. Die Tutorials sollen eine Alternative zu Präsenzschulungen bieten und wurden beispielsweise für gymnasiale Oberstufenschüler und Studierende der Medizin realisiert. Weitere Informationen unter http://www.ub.uni-heidelberg.de/schulung/

Auf der Webseite der Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilian-Universität München werden E-Tutorials angeboten, die klar und verständlich die komplizierte Nutzung verschiedener Fachdatenbanken exzellent erläutern, so dass mit minimalem Zeitaufwand Studierende und Wissenschaftler befähigt werden, komplexe und kompetente Recherchen zu erledigen. Auch Basiskompetenzen werden optimal im E-Tutorial vermittelt. Weitere Informationen unter http://videoonline.edu.lmu.de/tutorials/ub/wie-finde-ich-literatur

Die Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz im Hochschulbereich ist in den letzten fünfzehn Jahren zu einer der zentralen Aufgaben von Bibliotheken und Informationseinrichtungen geworden. Mit der „Hamburger Erklärung“ 2009 des Vereins Deutscher Bibliothekare (VDB) und den 2009 vom Deutschen Bibliotheksverband (dbv) verabschiedeten „Standards der Informationskompetenz für Studierende“ unterstützen die wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland die neuen Lehrangebote und machen so die Entwicklung von Informations- und Medienkompetenz zu ihrem Programm. Was wird jetzt benötigt? Der Bedarf nach Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz in Bibliotheken ist groß, die entsprechenden Angebote sind oft nicht ausreichend: Nur jede dritte Kommune in der Größe von 5.000 bis 10.000 Einwohnern unterhält eine eigene Bibliothek mit Fachpersonal, das die Vermittlung von Medienund Informationskompetenz im Studium erlernt hat. Es fehlt die verbindliche Integration der Öffentlichen und Wissenschaftlichen Bibliotheken in die Bildungsplanung der Bundesländer und in die berufliche Aus- und Fortbildung. Es fehlen entsprechende Zielvorgaben und Standards. In die bestehenden Lehrpläne und Curricula muss Medien- und Informationskompetenz und ihre methodische Vermittlung als Lehrangebot aufgenommen werden und insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen von Wissenschaft und Wirtschaft laufend aktualisiert werden. Empfehlungen für politische Entscheidungsträger in Bund, Ländern und Kommunen

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Im Hochschulbereich konnte Medien- und Informationskompetenz als neuer Aufgabenbereich der Bibliotheken bislang am besten etabliert werden. Aber gerade im Hinblick auf die in den neuen Studiengängen geforderten fachübergreifenden Methoden- und Schlüsselkompetenzen ist ein systematischer Ausbau notwendig. Erste Voraussetzungen hierfür sind geschaffen. Ergänzende Maßnahmen sind jedoch nötig, da insbesondere die personelle Situation der Hochschulbibliotheken eine alle Fächer abdeckende Vermittlung von Medienund Informationskompetenz in vielen Fällen nur bedingt zulässt. Daher ist die Schaffung einer zentralen Einrichtung, die entsprechende Entwicklungsarbeit übernehmen und die Umsetzung begleiten könnte, dringend notwendig. Eine solche Einrichtung würde folgende Aufgaben wahrnehmen: Zusammenführen aller relevanten Informationen zur Medien- und Informationskompetenz in einem bundesweit geförderten Informationsportal (z. B. auf der Basis von http://www.informationskompetenz.de) mit bewertendem und empfehlendem Charakter. Zertifizierung oder Entwicklung und Anwendung eines Gütesiegels für Medien- und Informationskompetenz aus dem BMBF. Identifizierung von Erfolgsbeispielen. Ausbau der Kooperation existierender und Initiierung neuer lokaler, regionaler, bundesweiter sowie internationaler Aktivitäten auf dem Gebiet der Medienund Informationskompetenz. Initiierung der Forschung zur Relevanz von Medien- und Informationskompetenz in ihrer fachlichen, methodischen sowie pädagogisch-didaktischen Dimension. Entwicklung von Evaluationsmethoden zur Erforschung des nachhaltigen Nutzens von Informations- und Medienkompetenz für den Studien- sowie den Berufserfolg in Zusammenarbeit mit pädagogischen und psychologischen Forschungseinrichtungen. Weiterentwicklung der Standards und Indikatoren der Medien- und Informationskompetenz unter Einbeziehung von Hochschulverbänden und Bildungsträgern. Kooperation mit weiteren Initiativen, wie z. B. der Kommission zur Zukunft der Informationsinfrastruktur (KII) in Deutschland. Beratung von Politik, Wirtschaft und Verwaltung. Damit die eingangs genannten Ziele im Jahr 2020 erreicht werden, empfiehlt Bibliothek & Information Deutschland die Umsetzung weiterer Maßnahmen:

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Für die Schul- und Berufsbildung (...) Für die Hochschulen Stärkung der neuen Aufgaben der Bibliotheken im Bereich des Wissensmanagements (z. B. Unterstützung von Erfolg und Wettbewerbsfähigkeit der Forschung durch Forschungsdatenmanagement, Rechercheunterstützung, elektronisches Publizieren, E-Science, Bibliometrie, Fragen des Urheberrechts und der Lizenzierung, Aufbau von Open-Access-Servern, Plagiaterkennung) und bei der Sicherung der Grundlagen guter wissenschaftlicher Praxis. Weiterentwicklung von länderübergreifenden Standards der Medien- und Informationskompetenz, differenziert nach Fächern und Niveau. Erweiterung der Ausbildungscurricula von Bibliothekaren und Informationsfachleuten um Methoden der Informations- und Medienkompetenz unter Berücksichtigung von Evaluationsmethoden. (...) Impressum: Das Papier wurde erstellt von der AG Informationskompetenz der BID: Benno Homann (VDB), Michael Reisser (BIB), Barbara Schleihagen (dbv), Dr. Luzian Weisel (DGI), Redaktionelle Bearbeitung: Dr. Monika Brass (BID) Verantwortlich für den Inhalt: Prof. Dr. Claudia Lux (BID)

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4: Abb. 5: Abb. 6:

Information Search Process (ISP)-Modell von Kuhltau (2004) Informationskompetente Person nach SCONUL (2011) Nutzung elektronischer Ressourcen durch Studierende (OCLC/de Rosa 2005, p. 31) Mediennutzung im Studium (Karlsruher Mediennutzungsstudie von Grosch/Gidion 2011) Kriterien für die Evaluierung von Internetressourcen (nach Bargheer, 2002) Rahmenmodell der Teaching Library Hochschulbibliothek (Mindmap)

Register ACRL 5, 36, 38, 141, 146, 147, 186, 188, 213, 214 Assessment 31, 108, 146, 147, 149, 201 Augsburg 74, 81, 82, 122 Australien 4, 74, 105, 187, 233 Bachelor 17, 18, 22, 23, 24, 26, 43, 70, 73, 83, 84, 109, 113, 118, 124, 130, 131, 132, 133, 134, 136, 148, 168, 174, 182, 192, 204, 208, 221, 225, 227, 244, 247 Bamberg 34, 122, 152, 179 Berlin 1, 3, 6, 18, 20, 21, 24, 25, 27, 28, 29, 33, 74, 99, 112, 115, 122, 126, 130, 138, 144, 148, 149, 152, 155 Bibliotheksbenutzung 124, 150, 154, 182, 205 Bibliothekspädagogik 154 BibTutor 139, 143, 144 Bielefeld 6, 15, 17, 18, 22, 29, 74, 110, 111, 121, 122, 141 Big6-Modell 30, 31, 141 Bildung 1, 11, 12, 20, 21, 36, 51, 98, 100, 113, 141, 160, 162, 163, 178, 204, 228, 230, 232, 233, 244, 245 Blended Learning 26, 134, 139, 140, 141, 161, 173, 189, 196, 223, 236 Bologna 17, 109, 177, 204, 218, 221, 237, 244 Bonn 70 Boole’sche Logik 159, 160, 188, 196 Bremen 121, 122, 228 CIBER 49, 51, 52, 53, 55, 58, 64, 93 Citavi 41, 47, 69 CLIX 112, 138 Curriculum 26, 101, 102, 113, 129, 131, 154, 157, 165, 186, 187,

188, 191, 210, 224, 236, 238, 242, 244, 248 Datenbank 2, 11, 48, 52, 60, 61, 62, 63, 69, 70, 72, 73, 77, 83, 89, 124, 132, 134, 135, 138, 141, 185, 187, 193, 195, 227, 243, 247 DBV 154 Deutscher Hochschulverband 224 DIAMOND 161 Didaktik 5, 28, 30, 102, 141, 164, 189, 192, 193, 194, 195, 196, 197, 198, 199, 200, 237 Diplomanden 138 DISCUS 143 Doktoranden 138, 183, 231, 247 Dokumentlieferung 72, 124 Dresden 4, 99, 121, 122, 139, 172 Duisburg 121, 122, 131, 133 Düsseldorf 131, 191 DYMIK 30, 32, 237 Düsseldorf 6, 74, 122, 131, 139 E-Book 60, 62, 130 EconBIZ 195 ECTS 86, 87, 124, 133, 134, 200, 221, 226, 227, 247 E-Journal 60, 61, 62, 70, 72, 73, 136, 138, 193, 197, 198 E-Learning 106, 127, 141, 143, 157, 196, 202, 224, 247 Elektronisches Publizieren 7, 26, 29, 133, 199 EndNote 41, 47, 69, 199 Erfurt 121, 122, 131, 144, 154 Erlangen 122, 141, 183 E-Science 7, 29, 230 Essen 108, 121, 122, 131, 133 Evaluation 6, 30, 49, 59, 107, 144, 145, 147, 148, 149, 153, 201, 227 Evidence-based Information Literacy 149 Exzellenzinitiative 137 Facebook 45, 55, 112, 179, 209

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Register

Fachcurriculum 208 Fachinformation 15, 16, 22, 47, 65, 130, 184, 229, 237, 239 Fachreferent(in) 71, 127 Fernleihe 72, 94, 124, 181, 197 Forschendes Lernen 6, 109 Forschung 1, 2, 7, 9, 10, 13, 15, 16, 20, 21, 22, 23, 25, 26, 28, 37, 38, 39, 42, 44, 50, 51, 57, 59, 64, 72, 74, 75, 76, 79, 80, 97, 98, 99, 102, 103, 104, 105, 106, 107, 109, 111, 112, 123, 141, 149, 173, 174, 177, 187, 221, 228, 229, 230, 232, 234, 236, 238, 240, 242, 245, 247, 249, 250 Freiburg 20, 72, 74, 84, 85, 98, 99, 104, 106, 122, 126, 127, 129, 131, 133, 136, 139, 141, 155, 163, 247 Geisteswissenschaften 66, 124, 133, 136 Gemeinsame Wissenschaftskonferenz 44, 174 Göttingen 99 Graduierte 16, 138 Graz 34, 72, 126, 132, 144 Großbritannien 4, 36, 44, 49, 51, 55, 58, 74, 102, 117, 147, 222, 233 Großgruppenveranstaltung 123 Göttingen 18, 36, 46, 99, 105, 106, 163, 189 Hamburg-Harburg 141, 143 Harburg 143 Harvard 104 Hausarbeit 73, 134, 182, 209, 248 Heidelberg 30, 74, 121, 122, 126, 141, 143, 161, 247 ICT-Literacy 33, 34, 44 IFLA 5, 29, 42, 75, 80 Ilias 112, 138 Impact Factor 137 Information Commons 102, 107, 109, 118, 177, 178, 222 Information Literacy 29, 141, 186 Information overload 71

Informationsauswahl 45, 46, 47, 94, 101, 132, 148 Informationsinfrastruktur 3, 25, 44, 105, 173, 174, 228, 229, 230, 234, 238, 249 Informationskompetenz 1, 3, 5, 6, 9, 11, 14, 16, 18, 20, 21, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 32, 33, 34, 36, 37, 38, 39, 41, 42, 43, 44, 45, 48, 63, 64, 65, 66, 67, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 78, 79, 80, 81, 82, 84, 85, 86, 87, 89, 92, 93, 94, 95, 96, 98, 99, 101, 103, 106, 112, 118, 123, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 134, 135, 136, 137, 139, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 149, 154, 159, 160, 164, 171, 173, 174, 175, 177, 178, 184, 185, 187, 191, 192, 194, 197, 198, 201, 204, 205, 210, 213, 218, 219, 224, 225, 226, 228, 229, 230, 231, 232, 233, 234, 235, 236, 237, 238, 239, 240, 241, 242, 243, 244, 245, 246, 247, 248, 249, 250 Informationsverarbeitung 12, 13, 18, 33, 34, 40, 41, 45, 46, 47, 75, 94, 101, 125, 132, 148, 164, 195, 199, 200 Informationswachstum 47, 49, 53, 55, 79, 93 Informationswissenschaft 9, 13, 26, 28, 33, 40, 44, 68, 74, 78, 80, 99, 112, 161, 174, 177, 228, 232, 238 Informelles Lernen 4, 106, 112, 113, 162, 163, 164, 226 Ingenieurwissenschaften 21, 124, 133 Instant Messaging 60, 102 Internet 3, 12, 14, 15, 16, 20, 25, 29, 39, 46, 47, 48, 51, 56, 57, 58, 60, 65, 69, 70, 71, 72, 73, 75, 77, 79, 80, 81, 82, 83, 85, 90, 92, 94, 130, 132, 134, 139, 143, 148, 174, 185, 189, 196, 197, 198, 199, 210, 223, 226, 235, 243, 247 Jena 122

Register

JSTOR 198 Kassel 112, 122, 141 Kommunikation 15, 16, 29, 32, 33, 54, 57, 63, 79, 82, 96, 102, 112, 156, 157, 167, 179, 199, 200, 221 Konstanz 9, 13, 70, 74, 103, 106, 122, 132, 133, 134, 138, 247 Kulturwissenschaft 136 Köln 74, 122, 139 Learning Centre 104, 105, 222 Learning Grid 107, 108, 109, 118, 150, 169 Lebenslanges Lernen 24, 75, 110 Lehrer 101, 112, 136, 156 Lehrerfortbildung 98, 137, 246 Lehrerrolle 166 Lehrerschulung 137 Lehrplan 79, 172, 187, 188, 191, 203 Lehrstrategie 42, 44, 111, 158, 159, 165, 166, 172 Leipzig 121, 122, 139, 141 Lernplattform 92, 106, 112, 138, 179, 236 Lernportfolio 209 Lerntagebuch 78, 209 Lernzentrum 4, 99, 102, 103, 104, 105, 106, 117, 163, 173, 222, 223 Leseförderung 154 Literaturverwaltung 40, 47, 133, 143 London 5, 37, 46, 49, 50, 56, 58, 67, 74, 97, 100, 105, 126, 139, 161 LOTSE 139, 141, 247 Loughborough 117 Lüneburg 122, 133, 135, 141, 142 Master 18, 22, 23, 24, 26, 43, 68, 70, 73, 74, 84, 109, 113, 118, 124, 134, 182, 192, 204, 208, 221, 225, 227 Medienzentrum 173, 208, 222 Medizin 21, 88, 97, 124, 139, 140, 248 Mendeley 41 Metawissen 40, 47, 48, 53, 93 MOMBI 159, 160, 161, 168 Moodle 112, 138

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Multitasking 47, 51 München 3, 6, 14, 28, 29, 35, 36, 45, 47, 48, 69, 70, 74, 97, 99, 121, 122, 126, 132, 133, 134, 135, 138, 141, 144, 148, 155, 161, 178, 248 Naturwissenschaften 88, 97, 124, 136 Neuseeland 4, 74, 105, 187 Nordamerika 4 Nürnberg 122, 141 OCLC 45, 56, 60, 61, 63, 69, 94, 95 Österreich 138 Online-Katalog 7, 16, 40, 60, 61, 68, 70, 71, 72, 73, 85, 106, 124, 132, 138, 160, 185, 190, 193, 194, 195, 205 Online-Tutorials 141, 143 Osnabrück 122, 137 Paderborn 36, 135 Peer-Review 17 Pflichtkurs 124, 136, 200 Plagiarismus 21, 75, 76, 200, 227 Plagiat 39, 77, 78 Promotion 26, 208 Präsenzveranstaltung 57, 94, 95, 125, 138, 139, 140, 172, 223, 226, 236, 247 Qualitätskontrolle 6, 144 Rechenzentrum 173, 208, 231 Regensburg 79, 122, 131, 136, 195 Repositorium 17 Research Grid 109 ResearchGate 41 Roadshow 72, 209 Saarbrücken 81, 128, 135, 136 Schlüsselqualifikationen 17, 18, 19, 21, 43, 75, 78, 118, 129, 135, 177, 192, 218, 224, 228, 230 SCONUL 30, 36, 37, 38, 39 Screencasting 141, 152 Seminarfachunterricht 226 Seminarkurs 20, 179, 226 Sheffield 222, 223 Skandinavien 4 Sozialwissenschaften 3, 71, 98

256

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Staatsexamen 26, 208 Standards 5, 19, 36, 37, 38, 41, 42, 44, 58, 79, 125, 132, 141, 146, 147, 173, 174, 175, 184, 186, 188, 190, 192, 201, 210, 213, 214, 218, 219, 222, 226, 230, 232, 233, 237, 238, 241, 248, 249, 250 SteFI-Studie 26, 65, 66, 67, 68, 70, 71, 79, 81, 84, 86 StudIP 112 Suchmaschine 17, 45, 52, 53, 60, 61, 62, 63, 65, 70, 71, 72, 77, 79, 89, 95, 135, 184, 190, 196, 234 Suchstrategie 39, 81, 90, 124, 168, 188, 196, 219, 247 Sydney 117 Teaching Grid 109 Thüringen 154 TILT 141 Trier 122 Trunkierung 188, 196 Tutorat 208, 209 Tübingen 75, 106, 126, 141 UNESCO 32, 75, 146, 233 Urheberrecht 200, 227

USA 67 VDB 24, 28, 174, 225, 227, 228, 232, 248, 250 ViFaPol 195 Virtuelle Auskunft 61, 62 Virtuelle Fachbibliothek 26, 183, 195, 241, 242 VISION 143 Vorlesungsverzeichnis 209 Vorwissen 46, 48, 158, 160, 161, 178 Wahlpflichtkurs 124, 131 Warwick 106, 108, 109 Web 2.0 7, 28, 29, 55, 92, 98, 144, 223 Webinar 142, 209, 231 Whiteboard 108 Wien 36, 46, 48, 127, 132 Wikipedia 58, 59, 63, 85, 89, 92, 231 Wirtschaftswissenschaften 21, 69, 90, 124, 133, 136 Wissenschaftsrat 3, 24, 25, 44, 97 Wissensmanagement 3, 5, 48, 93, 164, 178, 250 Yale 115 Zotero 41, 47 Zürich 2, 10, 35, 36, 139, 144, 185