Tagebücher: Band I: Der Wiener Vasari (1923-1926), Band II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937-1938), Band III: Register 9783205793793, 9783205795452


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Tagebücher: Band I: Der Wiener Vasari (1923-1926), Band II: Mit den Mitteln der Disziplin (1937-1938), Band III: Register
 9783205793793, 9783205795452

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Alexandra Caruso (Hg.)

Erica Tietze-Conrat Tagebücher Mit Geleitworten von Edward Timms und David Rosand Band I : Der Wiener Vasari (1923–1926)

2015

Böhlau Verlag Wien Köln Weimar

Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)  : PUB 174-V21 und PUB 175-V21

Das Projekt wurde gefördert durch den Zukunftsfonds der Republik Österreich. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie  ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Erica Tietze-Conrat, ca. 1920, Foto Hans Tietze, Privatarchiv Filiz Tietze © 2015 by Alexandra Caruso and Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Lektorat, Bibliografie: Brigitte Ott, Wien Korrektorat: Meinrad Böhl, Wien Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Satz: Michael Rauscher, Wien Druck und Bindung: Balto Print, Vilnius Gedruckt auf chlor- und säurefrei gebleichtem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-205-79545-2

Inhaltsverzeichnis

Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Alexandra Caruso  : Zur Edition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

Edward Timms  : Zum Geleit Die Aufzeichnungen einer „tiefverzweigten“ Frau . . . . . . . . . . . . . . . .

17

Alexandra Caruso  : „Der Wiener Vasari“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

Tagebuch 1923 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

Tagebuch 1924 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Tagebuch 1925 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 Tagebuch 1926 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 Alexandra Caruso  : Zur Spanienreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387

5

Meinen Eltern Igor und Maria Caruso sowie Babuschka in Dankbarkeit.

Danksagung

Mein aufrichtiger Dank gilt an erster Stelle der Familie Tietze-Matschiner für das erwiesene Vertrauen, die Freundschaft und großzügige Unterstützung bei der Realisierung dieses Projekts. Von Süheyla Tietze erhielt ich die kostbaren Tagebücher ihrer Schwiegermutter zur Bearbeitung. Filiz Tietze und Kristin Matschiner haben mich geduldig in die Geschichte ihrer Familie eingeführt und mir Korrespondenzen und Fotografien ohne Einschränkungen zur Verfügung gestellt. 2011 verstarb Walburg „Burgel“ Rusch, Tochter von Hans Tietze und Erica Tietze-Conrat, die ich glücklicherweise noch zu ihrem Leben und ihren Eltern hatte befragen können. Für Hilfestellungen danke ich weiters den Angehörigen der Familie Tietze in Australien, den Twardowski-Nachkommen in München sowie in den USA Ruth Lang und dem Reichsman-Clan, der eben auch zur Familie gehört. Für die Möglichkeit, diese Edition bei Böhlau erscheinen zu lassen, bin ich Peter Rauch und Eva Reinhold-Weisz sehr verbunden. David Rosand (New York), der im August 2014 verstorben ist, und ­Edward Timms (Brighton) haben die Edition mit ihren geleitenden Worten geehrt. Die unersetzlichste Mitstreiterin fand ich in Brigitte Ott, die unerschrocken das aufwendige Lektorat besorgt hat. Diese Edition über Jahre hinweg mit Rat und Tat begleitet sowie das Manuskript teilweise bzw. zur Gänze gelesen haben Peter Obendorf (Salzburg) und Sabine ­P lakolm-Forsthuber – ihnen gilt mein besonderer Dank. Ferner danken möchte ich Arif Çağlar, der Erica Tietze-Conrats Originaltagebücher als Erster gelesen und analysiert hat, und der Internationalen Tietze-Gesellschaft, die meine Arbeit trotz eingeschränkter Ressourcen stets tatkräftig gefördert hat. Fachkundig und großzügig freundschaftlich haben Kramar und das „Kollektiv Fischka“ Teile der Bebilderung besorgt. Bernd Kreuter (†), der einen Teil des Nachlasses von Georg und Bettina Ehrlich verwaltet hat, war dem Editionsprojekt mit Interesse und unterstützend gegenübergestanden. Das von ihm begonnene Katalogprojekt der Werke Georg Ehrlichs wird heute von Renate Oberbeck (Salzburg) fortgeführt, die mir auch Abbildungen von Ehrlichs Werken zur Verfügung stellte. Wichtige praktische Unterstützung, wertvolle Hinweise bzw. verschiedenste Abbildungen erhielt ich von Juliane Adler, Maria Amschl, Matthias Apfelthaler (Graz), 9

Danksagung

Hans Aurenhammer (Frankfurt am Main), Elisabeth Ballon, Hans-Wolfgang Bayer (Memmingen), Marietta Behnoush, Gregor-Anatol Bockstefl (Langenzersdorf ), Regina Bühlmann (Bern), John Bunzl, Ayşe Çağlar, Kyra-Margarita Caruso, Peter Chrastek, Ghislaine Courtet (Besançon), Franz Josef Czernin (Rettenegg), M ­ ichael Egger (Graz), Michael Egli (Zürich), Flawia Figiel (Karlsruhe), Lisa Frank, ­Maria Gastager, Ingrid Goddeeris (Brüssel), Valie Göschl, Maria Elisabeth Göttlicher, ­Richard Groß, Monique Hageman (Amsterdam), Erich Hahn, Karl Holubar (Klosterneuburg), Fayssal Hourani, Christine Ivanovic, Birgit Jooss (Nürnberg), Maya ­Jucker (Winterthur), Christian Klemm (Zürich), Christian Klösch, Norbert ­Kluesche (Frankfurt am Main), Beatrix Koll (Salzburg), Almut Krapf, Markus Kristan, Guido Krummenacher (Zürich), Teresa Posada Kubissa (Madrid), Lucia ­Laschalt, ­Tamara Loitfellner, Claudia Luger, Peter Malina, Barbara Maschat, Thomas Maisel, María Jesús Moreno Garrido (Córdoba), Karl Pallauf (New York), Uri Peled, Eckart ­Marchand (London), Ute Perlitz (Memmingen), Gerald Piffl, Erwin Pokorny, Robert Rattray (London), Bernadette Reinhold, Floridus Röhrig (Klosterneuburg), K ­ ristijan Rusuloj, Sepp Schindler (Salzburg, †), Dieter Scholz (Berlin), Dieter Schrage (†), Anneliese Schallmeiner, Birgit Schwarz, Brinton Smith (Los Angeles), Alfred ­S pringer, Anita Stelzl-Gallian, Christian H. Stifter, Paul Tanner (Zürich), Ingrid Tanzberger, Wioletta Was, Eleonore Weber, Claudia Wedepohl (London), Roland Widder, Petra Winter (Berlin), Marina Zittera. Wien, im August 2013

10

Alexandra Caruso

Zur Edition

Der Nachlass von Erica Tietze-Conrat (1883–1958) und Hans Tietze (1880–1954) zerfällt in mehrere Teilnachlässe. Diese befinden sich teils im Besitz der Familie, teils in öffentlichen Einrichtungen und sind bisher nicht systematisch erfasst worden. Die Tagebücher Erica Tietze-Conrats wurden im Nachlass von Professor Andreas Tietze (1914–2003), des zweitältesten Sohnes, entdeckt. Über Jahrzehnte hatte er die Aufzeichnungen verwahrt, offenbar ohne eine Veröffentlichung ernsthaft in Betracht zu ziehen. Erst seine Witwe, Frau Süheyla Tietze, und deren Kinder konnten sich im Jahr 2009 dazu entschließen, sie zur Veröffentlichung freizugeben. Das vorliegende Material lässt sich grob in zwei Teile untergliedern  : 1. die Tagebücher der 1920er-Jahre (umfassen die Jahre 1923–1926) und 2. die Tagebücher von 1937 und 1938. Bereits der erste Eintrag vom 17. April 1923 beginnt mitten im Satz und macht damit deutlich  : Es muss Material verloren gegangen sein. Hinweise auf diesen Umstand finden sich noch an anderen Stellen. Gelegentlich umfasst der verloren gegangene Zeitraum mehrere Wochen. Wann und wie es zu diesen Verlusten gekommen ist, kann heute nicht mehr gesagt werden. Sicherlich kann manches mit den zahlreichen Ortsveränderungen im Zuge von Emigration und Re-Immigration erklärt werden. Eine andere Erklärung liegt möglicherweise in den Schreibblöcken im Format 21 x 13,5 cm, die Erica Tietze-Conrat während der 1920er-Jahre durchgehend verwendete. Diese frühen Aufzeichnungen haben sich als lose Blätter erhalten, beidseitig mit Feder, Tintenblei oder Bleistift beschrieben – „Wenn ich dichten will, nehme ich den Tintenblei, wenn ich zeichnen will, den andern.“ Der Tintenblei ist heute am stärksten verblasst und stellenweise nur schlecht lesbar. Die Einträge sind datiert, gelegentlich wurden mehrere Tage oder gar Wochen unter einem Eintrag zusammengefasst. Der Fortlauf von einem Blatt zum nächsten wird durch den Hinweis „Fortsetzung“ und das jeweilige Datum („Forts. 17.VI.1923“) am linken oberen Seitenrand ersichtlich. Für die Tagebücher der Jahre 1937 und 1938 benutzte Erica Tietze-Conrat Heftchen, „Büchel“ genannt, die sie auf ihren Reisen erwarb. Die Formate der insgesamt fünf erhaltenen Heftchen sind unterschiedlich  : 17,2 x 11 cm (1937/1), 16,4 x 10,2 cm (1937/2), 15,6 x 9,5 cm (1937/3), 16 x 10 cm (1938/1), 17 x 12 cm (1938/2). Hier diente eine Füllfeder als Schreibmittel. 11

Zur Edition

Erica Tietze-Conrat schrieb eigentlich druckreif. Streichungen bzw. nachträgliche Einfügungen sind selten. Eine Ausnahme bilden die Gedichte, an denen herumgefeilt wurde. Der gesamte Text ist in lateinischer Schreibschrift verfasst. Trotz ihrer kleinen Schrift und der engen Zeilenabstände sind die Vorlagen insgesamt gut lesbar – eine große Erleichterung bei der Transkription. Einzelne Stellen, die nicht einwandfrei entschlüsselt werden konnten, wurden mit drei Punkten in eckiger Klammer ([…]) kenntlich gemacht. Unsicherheiten ergaben sich vor allem bei Eigennamen und aufgrund der zahllosen, häufig uneinheitlichen Abkürzungen, die vor allem die Tagebücher der 1930er-Jahre prägen. Der akribische Einsatz dieser Abkürzungen in den Aufzeichnungen der Jahre 1937 und 1938 lässt an die Geduld und Fingerfertigkeit bei Petit-Point-Arbeiten denken und vermittelt einen unmittelbaren Eindruck von Erica Tietze-Conrats rationeller Arbeitsweise. Ihre direkte Entsprechung fanden sie im Katalog der Handzeichnungen venezianischer Maler der Renaissance, der von Erica Tietze-Conrat und Hans Tietze in diesen Jahren vorbereitet wurde.1 Ziel der Edition ist es, die Nähe zum Original so weit als möglich zu wahren. Unumgängliche Bearbeitungsschritte sollen für den interessierten Leser so gut als möglich zurückzuverfolgen sein. Da nach Auffassung der Herausgeberin die Kürzel den Lesefluss stärker hemmen als die eckigen Klammern mit den kursiv eingefügten Ergänzungen, wurden die Abkürzungen aufgelöst. Dass dies einem ästhetisch ansprechenden Schriftbild nicht gerade förderlich ist, steht außer Frage. Das Ergebnis kann und muss als unbefriedigend bezeichnet werden. Fazit  : Ein Mensch ist keine Maschine. Die sanften editorischen Eingriffe als Zugeständnis an das Lesevergnügen beschränken sich auf die Richtigstellung von Eigennamen, wenn diese als gesichert angenommen werden konnten und davon auszugehen war, dass Erica Tietze-Conrat keine spielerische Verballhornung beabsichtigt hatte. Ihre Neigung, Eigennamen mit Geschlechterendungen zu versehen (die Popp – Poppin), verhinderte in einzelnen Fällen eine eindeutige Bestimmung der genannten Person (Gernsheim = Gernsheimer  ? Oppenheim = Oppenheimer  ?). Auf diesen Umstand wird in den Anmerkungen verwiesen. Offensichtliche Schlampigkeitsfehler wurden korrigiert, nur ausnahmsweise, um den Leser nicht unnötig zu verwirren, Satzzeichen eingefügt, formale Uneinheitlichkeiten bei der Datierung (12.X., 12. Oktober) und Orthografie (z. B. von Lehnwörtern wie Koupee bzw. Coupé) belassen. Die Namen Erica Tietze-Conrat und Hans Tietze werden in den Anmerkungen mit ihren Initialen (ETC, HT) wiedergegeben. Eine besondere Herausforderung für die Bearbeitung – wie für den Leser – ist der breite Sprachenfächer, dessen sich Erica Tietze-Conrat ganz selbstverständlich bediente, und der sich von der Sprache der Dichtung bis zur kunstwissenschaftlichen Fachsprache erstreckt. So springt sie von den durch das wienerische Idiom charakterisierten Alltagsschilderungen zur Poesie und zur konkreten Wissenschaftssprache. 12

Zur Edition

Die Weltsprachen Englisch und Französisch, aber auch Italienisch, Holländisch und Spanisch sowie die Sprachen der klassischen Bildung, Latein und Griechisch, werden zwanglos eingebunden. Dabei handelt es sich um einen charakteristischen Aspekt von Erica Tietze-Conrats Geisteswelt, der quasi eins zu eins an den Leser weitergegeben wird. Einzig die spezifischen Wiener Ausdrücke werden, um den (hoch-) deutschsprachigen Lesern die gleichen Voraussetzungen zu gewähren, gekennzeichnet mit * im laufenden Text übertragen. Drei weitere biografische Texte Erica Tietze-Conrats, die sich in verschiedenen Teilnachlässen befinden, sind überliefert und wurden zur Bearbeitung herangezogen  : 1. ein unveröffentlichtes Typoskript  : Erinnerungen an Kindheit und Jugend, entstanden in der Emigration  ;2 2. ein unveröffentlichtes Typoskript zu den wichtigsten Abschnitten von Hans Tietzes Biografie, von Erica Tietze-Conrat nach dessen Tod verfasst, konzipiert aber möglicherweise bereits als Beitrag zum Sammelband zu Ehren seines 70. Geburtstags  ;3 3. Erica Tietze-Conrats Erinnerungen an ihre Studienjahre an der Wiener Universität, verfasst in ihrem letzten Lebensjahr.4 Als wertvolle Quelle, wenn auch nur teilweise gesichtet, erwies sich die umfangreiche persönliche Korrespondenz beider Tietzes. Sie befindet sich teilweise im Privatarchiv von Angehörigen, teilweise in öffentlichen Einrichtungen wie der Wienbibliothek im Rathaus. Aus diesem Archiv wurden vor allem die entsprechenden Jahre des Schriftverkehrs mit den Freunden Georg Ehrlich und Josef Floch zur Bearbeitung herangezogen.5 Zur Kenntnis von Erica Tietze-Conrats fachlicher Entwicklung nach der Emigration war der von Dieter Wuttke herausgebrachte Briefwechsel Erwin Panofskys besonders anregend und informativ.6 Vermutlich unter Erica Tietze-Conrats aktiver Beteiligung ist die von Otto und Hilde Kurz zusammengestellte Bibliografie der Werke Hans Tietzes, jener Erica Tietze-Conrats sowie der gemeinsam verfassten Schriften entstanden. Die Bibliografie ist in dem allerdings erst posthum erschienenen Sammelband zu Ehren von Hans Tietzes 70. Geburtstag veröffentlicht worden.7 Sie diente bei der Bearbeitung als wichtigste Orientierungsquelle für das wissenschaftliche Œuvre der Tietzes. Angesichts der vielen Aufsätze und Rezensionen in österreichischen, aber vor allem internationalen Zeitungen und Magazinen, die in den Tagebüchern Erwähnung finden, ist die umfassende Kurz’sche Aufstellung dennoch als lückenhaft zu bezeichnen. Publizistisch waren Tietzes ursprünglich vor allem nach Deutschland orientiert. Ab den 1920er-Jahren wurde das Spektrum kontinuierlich erweitert  ; die Niederlande, England, Italien, Frankreich und die USA kamen hinzu. Trotz großer Anstrengungen war es auch im Rahmen dieser Bearbeitung nicht möglich, sämtlichen Hinweisen auf bisher nicht bekannte wissenschaftliche Arbeiten Erica Tietze-Conrats nachzugehen. 13

Zur Edition

Auch ihr literarischer Nachlass ist bisher nicht erfasst. Er befindet sich, weitgehend ungesichtet, in Privatarchiven der Familie. Für die Tagebuchedition konnte im Wesentlichen nur festgestellt werden, ob die erwähnten Werke noch erhalten sind. Inhaltlich wurde dieses Material für diese Bearbeitung nicht herangezogen. Aufgrund der großen Menge und spezifischer historischer Gegebenheiten (Nationalsozialismus, Vertreibung) gestaltete sich die Personenrecherche als besonders aufwendig. Insgesamt wurden mehr als 1.500 Personennamen erfasst und nach den wichtigsten Daten (Geburts- und Sterbedatum, Geburts- und Sterbeort, Beruf ) weiterverfolgt. Rund ein Drittel der Erwähnten sind Künstler, den Löwenanteil nehmen jedoch Kunstsachverständige ein (Kunsthistoriker, Museumsleute, Kunsthändler und Sammler). Angesichts des Umfangs beschränken sich die Angaben zu den im Anhang angeführten Personen auf erwähnte Grundinformationen. Weiterführende Hinweise finden sich gegebenenfalls in den Anmerkungen. Als Grundlage für diese Recherchen diente neben einschlägigen Archiven und entsprechender Literatur vor allem das Internet. Ohne das Internet wäre diese Arbeit nicht denkbar gewesen. Weltweit stellen viele Archive, Museen und Bildungseinrichtungen zumindest Findbehelfe, die oftmals für eine Basisrecherche ausreichen, ins Netz. Online-Datenbanken ermöglichen es heute, Quellen einzusehen, die für freischaffende Forscher vorangegangener Generationen nur mit großem Aufwand – bürokratischer wie finanzieller Natur – zur Verfügung standen. Online-Literatur-Projekte gewähren unkomplizierten Zugang zu Büchern. Dennoch mussten unzählige Materialien physisch aufgefunden, eingesehen und aufgenommen werden. Zu Leben und Werk Erica Tietze-Conrats sei an dieser Stelle vor allem auf die Arbeiten von Almut Krapf-Weiler verwiesen, die sich in den vergangenen 30 Jahren ausführlich mit beiden Tietzes, hauptsächlich aber mit Erica beschäftigt hat.8 Eine Bearbeitung ist und bleibt ein Konstrukt. Klar ist, dass eine kritische Edition der Tagebücher bei einer anderen Herausgeberschaft ein anderes Gesicht erhalten hätte – andere Schwerpunkte wären gesetzt worden. Dem kunsthistorisch nicht versierten Leser mögen die Tagebücher Einblick in ein Leben geben, dessen Darlegung sich durch seine Zeitnähe und Präzision bei der Artikulation der Befindlichkeit auszeichnet. Dem Fachpublikum wird die Unwegsamkeit des Schicksals einer Kollegin vor Augen geführt sowie die Möglichkeit gewährt, spezifisch kunsthistorischen Fragestellungen nachzugehen. Als „ideale“ Leser dieser Ausgabe wurden jedoch die Studierenden der Kunstgeschichte anvisiert. Für sie könnten Erica Tietze-Conrats Tagebücher eine praktische Einführung in die von ihnen gewählte Materie darstellen. Das Material liefert ungeahnte Einblicke in die Werkstatt von Kunsthistorikern, in deren Arbeitsweise, die, auch wenn sie heute anders aussehen mag als in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, doch keineswegs als veraltet gelten kann. Erica TietzeConrats Aufzeichnungen veranschaulichen die Verästelungen kunsthistorischer Interessen, die Geschichte von Kunstwerken und Kunststätten sowie die Netzwerke der 14

Zur Edition

Kunstexperten. Und nicht zuletzt lehren sie, dass Skepsis und Beharrlichkeit zu den wichtigsten Eigenschaften auch eines Kunstforschers gehören.

Anmerkungen 1 Hans Tietze/Erica Tietze-Conrat, The Drawings of the Venetian Painters in the 15th and 16th Centuries, New York 1944. 2 Erica Tietze-Conrat, Erinnerungen an Kindheit und Jugend, unveröffentlichtes Typoskript, Privatarchiv Kristin Matschiner. 3 Ernst H. Gombrich/Martin Weinberger/Julius Held (Hg.), Essays in Honor of Hans Tietze 1880–1954, New York 1958  ; Erica Tietze-Conrat, Hans Tietze (March 1st, 1880– April 11th, 1954), unveröffentlichtes Typoskript zu den wichtigsten Abschnitten von Hans Tietzes Biografie, verfasst nach Hans Tietzes Tod, Privatarchiv Kristin Matschiner. 4 Alexandra Caruso (Hg.), Erica Tietze-Conrat, „I then asked myself  : What is the ‚­Wie­ner Schule‘  ?“, Erinnerungen an die Studienjahre in Wien, in  : Bundesdenkmalamt Wien/Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien (Hg.), Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Bd. 59 [Elektronischer Sonderdruck], Wien 2010, 207–218  ; Erica Tietze-Conrat, Erinnerungen an die Studienjahre an der Wiener Universität, unveröffentlichtes Typoskript, verfasst in ihrem letzten Lebensjahr, Privatarchiv Filiz Tietze.

Der Aufbewahrungsort der Originale (1 und 2) ist unbekannt, Kopien sind im Familienbesitz erhalten. Mindestens ein weiterer autobiografischer Text, der in den 1980er-Jahren noch zur Verfügung gestanden hat, ist offensichtlich verloren gegangen. Siehe dazu Bd. II, Alexandra Caruso, „Mit den Mitteln der Disziplin“, S. 17, Anm. 3.

5 Wienbibliothek, Handschriften, Sammlung Hans Tietze/Erica Tietze  ; Handschriften, Teilnachlass Georg Ehrlich. 6 Dieter Wuttke (Hg.), Erwin Panofsky, Korrespondenz 1910 bis 1968, Bd. 3, Korrespondenz 1950 bis 1956, Wiesbaden 2006. 7 Otto Kurz/Hilde Kurz, „A Bibliography of the Writings of Hans Tietze and Erica TietzeConrat“, in  : Ernst H. Gombrich/Martin Weinberger/Julius Held (Hg.), Essays in Honor of Hans Tietze, 1880–1954, New York 1958, 439–453. Neu herausgebracht wurde die Kurz’sche Bibliografie im Rahmen des von Almut Krapf-Weiler zusammengestellten Sammelbands von Werken Erica Tietze-Conrats  : Almut Krapf-Weiler (Hg.), Schriften der Akademie der bildenden Künste, Bd. 5, Erica Tietze-Conrat, Die Frau in der Kunstwissenschaft, Texte 1906–1958, Wien 2007, 268–275. 8 Zu den wichtigsten Schriften über ETC zählen u. a.: Almut Krapf-Weiler, „Erica TietzeConrat (1883–1958) und Alma Mahler-Schindler (1879–1964), eine Begegnung“, in  : Ernst Bacher, Ohne Rauch geht nichts  !, Eine Festgabe zum 50. Geburtstag von Dr. Peter Rauch, 15

Zur Edition

Wien u. a. 1992, 77–84  ; Almut Krapf-Weiler, „Löwe und Eule“, in  : Belvedere, 5. Jg., H. 1, Wien 1999, 64–83  ; Madlyn Millner Kahr, „Erica Tietze-Conrat (1883–1958)  : ‚Productive Scholar in Renaissance and Baroque Art‘“, in  : Claire Richter Sherman/Adele M. Holcomb (Hg.), Contributions in Women’s Studies, Bd. 18, Women as Interpreters of the Visual Arts, 1820–1979, Westport 1981, 301–326  ; Karen Michels, „Kunstgeschichte, paarweise“, in  : Ulmer Verein für Kunst- und Kulturwissenschaften (Hg.), Kritische Berichte, Bd. 30, Nr. 2, Marburg 2002, 32–42.

16

Edward Timms

Zum Geleit Die Aufzeichnungen einer „tiefverzweigten“ Frau

Für den Strukturwandel der Wiener Öffentlichkeit am Anfang des 20. Jahrhunderts waren die Leistungen von Frauen in innovativen Berufen von besonderer Bedeutung. 1905 war Erica Conrat die erste Frau, die das Studium der Kunstgeschichte an der Universität Wien mit einem Doktorat abschloss – sie promovierte über den Bildhauer Georg Raphael Donner. Im selben Jahr heiratete sie ihren Studienkollegen Hans Tietze. Beide sollten zu einflussreichen Kunsthistorikern werden, allerdings in unterschiedlichem Tempo, denn Erica kümmerte sich zunächst um die vier Kinder, die aus der Ehe hervorgingen. Wie sie die Prioritätsfrage löste, geht 15 Jahre später aus ihrem Tagebuch hervor, als sie Gedichte zu schreiben begann. Ein hohes Ziel zu verfolgen hätte verlangt, „Egoist“ zu sein und „Scheuklappen“ zu tragen, doch sie sei viel breiter veranlagt  : „So wie ich erst Frau, Mutter und dann erst Kunsthistorikerin war, so bin ich auch jetzt der viel- und tiefverzweigte Mensch – und dann Dichterin.“ (Eintrag vom 15. August 1923.) In der Wiener Kunstszene waren Ericas Beziehungen ebenso weitverzweigt wie tief verwurzelt. Anfang der 1920er-Jahre, als die hier vorgelegten Tagebücher einsetzen, war die Vernetzung der Tietzes sowohl mit den staatlichen Einrichtungen als auch mit den innovativen Kulturströmungen Wiens weit entwickelt. Persönliche Kontakte pflegte Erica nicht nur mit Beamten aus den Ministerien, sondern auch zu Vertretern der Avantgarde, wie zum Beispiel zu Oskar Kokoschka und Friedrich Kiesler in der bildenden Kunst und Alma Mahler und Josef Matthias Hauer in der Musik. Nicht nur zum bürgerlichen Publikum hatte Erica Tietze-Conrat Zugang, etwa durch kulturgeschichtliche Vorträge in der Urania, sondern auch zu den Lesern der Arbeiter-Zeitung dank freundlicher Kontakte zum Leiter der Sozialdemokratischen Kunststelle, David Josef Bach. Gerade die Kontaktfreudigkeit dieser vielseitigen Frau wird in den vorbildlich kommentierten Tagebüchern belegt. In den Tagebüchern werden zahlreiche solche Begegnungen beschrieben. Am 1. November 1923 zum Beispiel notierte Erica ihre Eindrücke nach einem Besuch bei den „Künstlerinnen“ des Hagenbundes  : „So viele haben mich gekannt – mir war schon ganz unheimlich, wie lang ich schon in d. Betrieb drinnen stecke.“ Nachher sei sie „durch die Stadt mit einer Melodie im Ohr“ zur Galerie Würthle geschlendert, und auf einmal seien ihr fünf Gedichtszeilen eingefallen  : 17

Zum Geleit

„Wir gehen nebeneinander her Und tragen jeder unsere Last – Die Last ist ungleich schwer – Dich quält ein Leid – Und mich das Nimmermehr.“ Durch solche Gedichte erhalten die Tagebücher tiefere Resonanz. Gedichtet hat sie vor allem in der Straßenbahn, während sie zwischen der Wohnung in Döbling und der Inneren Stadt pendelte, wo sie in der Albertina mit der Aussortierung von staatlichen Kunstsammlungen beschäftigt war. Die Zeitkapsel voll faszinierender Bemerkungen über den Kulturbetrieb beleuchtet nicht nur die Sozialgeschichte der Ersten Republik. Darüber hinaus gibt sie die emotionalen Empfindungen einer Frau von 40 Jahren wieder, deren Reflexionen – etwa zu den Themen Altern, Weiblichkeit, Mutterschaft – den Aufzeichnungen einen eigentümlichen Reiz verleihen. Wer einen Überblick über das Feld der kulturellen Produktion in der Ersten Österreichischen Republik gewinnen möchte, kommt bei fast jeder Seite auf seine Kosten. Aufgezeichnet werden Alltagsgespräche, Ferienaufenthalte und Reiseerlebnisse, Frauenschicksale, Familienfeste und der Rhythmus der Jahreszeiten, Entwicklungen in der österreichischen Kulturpolitik und der internationalen Kunstgeschichte, der anschwellende Kulturkampf zwischen ideologischen Gegnern und nicht zuletzt das Dilemma der deutsch-jüdischen Akkulturation. Die von konsensualen Geistern wie Hans Tietze und Erica Tietze-Conrat verfolgte Versöhnungsstrategie im kulturellen Bereich wurde nicht nur durch Überempfindlichkeiten in der Judenfrage durchkreuzt, sondern auch durch eine betont politische Instrumentalisierung der österreichischen Kultur. Ein Beispiel aus den Jahren 1924/25 dürfte hier als Nachweis für die Hindernisse genügen, die die Hoffnungen dieser vielversprechenden Kulturpolitik schließlich vereitelten. Es war nach der Stabilisierung des Staatshaushaltes eine Zeit der Hoffnung, symbolisiert durch die Einführung der Schilling-Währung. Den kulturellen Höhepunkt des Herbstes stellte das von David Bach geleitete Musik- und Theaterfest der Stadt Wien dar. In der antisemitischen Presse wurde das Ereignis als ein weiterer Beweis der „Verjudung“ Wiens abgelehnt. Dies war eine boshafte Verdrehung der Tatsachen, denn die erste Anregung zu dem Fest war von Bundespräsident Michael Hainisch ausgegangen, und an der Programmgestaltung und Finanzplanung waren nicht nur Größen der Sozialdemokratie wie Karl Seitz, sondern auch Vertreter der bürgerlichen Kulturszene aktiv beteiligt. An der Oper sollte die neue Saison mit Karl Goldmarks „Die Königin von Saba“ eröffnet werden, ein am Hofe König Salomons sich abspielendes orientalisches Liebesdrama, das seit seiner Wiener Uraufführung im März 1875 zu einem beliebten Teil des Repertoires zählte. Nun wurde der Leiter der Bundestheater auf einmal von der Angst befallen, die Wahl dieser „jüdischen Oper“ könnte 18

Zum Geleit

von deutschvölkischen Gegnern der Regierungspartei als Sympathiebekundung mit dem Judentum aufgefasst werden. Daher wurde Hans Tietze um den Nachweis gebeten, dass die in der Bibel gefeierte Begegnung zwischen Salomon und der Königin von Saba ikonografisch als Vorwegnahme der Ankunft der Heiligen Drei Könige in Bethlehem zu verstehen sei. Hans Tietze verfasste die erwünschte Notiz, wie wir aus Erica Tietze-Conrats Eintrag vom 1. September 1925 ersehen können. Wer neben den Hauptströmungen der österreichischen Kulturgeschichte auch die Nuancen des deutsch-jüdischen Dilemmas begreifen möchte, findet auch dafür in den hier vorliegenden Tagebüchern eine unverzichtbare Quelle.

19

Alexandra Caruso

„Der Wiener Vasari“

Gleich vorweg sei angemerkt  : Erica Tietze-Conrats Tagebuch ist kein „cahier intime“, in das sie ihre stärksten Empfindungen einfließen ließ. Einblicke in Intimität sind bis auf wenige Einträge ausgespart („Ich will nichts Näheres schreiben“). In diesem Sinn bieten die Tagebücher keinen Blick hinter die Kulissen. Vielmehr präsentiert sich ein Leben als Bühne, als Idealfall einer tätigen und damit meist glücklichen Existenz. Einzig die Furcht vor Einsamkeit kratzt gelegentlich an der Fassade („Ich habe fast täglich schwere Depressionen“). Vorlieben und Interessen erscheinen, wie das Verhalten insgesamt, vollkommen selbstverständlich, kaum werden je Zweifel geäußert. Man hat das Leben im Griff. Die unmittelbaren Verhältnisse sind frei und aufgeklärt, vis-à-vis einer zusehends stärker verschlossenen Umwelt. Somit kann auch oftmals ausgespart werden, worauf man ohnedies keinen Einfluss nehmen kann und will. Dazu gehören die beruflichen Aktivitäten von Ehemann Hans ebenso wie die große Politik. Nur leise, doch beredte Spuren ihres Gefühlslebens lassen sich in den Tagebüchern entdecken  : „Das ist mein äußeres – inneres Leben  ; unscheinbar und doch wie jedes, in der Nähe gesehen, einzigartig“1 – ein Satz, der programmatisch dieser Edition der Tagebücher vorangestellt werden könnte. Und immer wieder sind es die Pausen beim Schreiben, die nach eigenen Aussagen Beweis für die starke „Intensität des Erlebens“ sind („Ich erlebe innerlich viel, mag aber nicht schreiben“). Was ist es also, das sie zum Tagebuchschreiben anhielt  ? Vielleicht ließe sich eine Antwort auch darin finden, wie sie eben jene Schreibpausen erklärt  : „Äußere Veranlassung  : es fehlte mir ein passender Block. Innere Ursache  : ich hab keine Gedichte gemacht.“ Oder  : „Ich schreib am Roman – hab keine Gedichte gemacht, die ich ins Tagebuch eintragen möchte.“ Der chronologische Rhythmus der Tageseinträge steckt demnach das Terrain ab, in das ihre Gedichte einfließen. Tatsächlich sind ihre Tage belegt mit einem „Vielerlei von Tätigkeiten“. Ein freier Kopf bedeutet Muße („Ich hab nicht einen Abend einen freien Kopf“), und diese benötigt sie natürlich zum Dichten. Das Tagebuchschreiben ist also ein Moment des Zu-sichKommens („Ich zeichne, ich dichte. Wann werde ich wieder so ein Leben à mon aise führen können  ?  !“). In Erica Tietze-Conrats frühen Aufzeichnungen nimmt der junge Maler und Grafiker Georg Ehrlich eine herausragende Stellung ein. Er ist ihr Visavis im künstlerischen Schaffensprozess, an seiner künstlerischen Vitalität partizipiert sie („Er hat anscheinend gut gearbeitet und ich hab nach langer Unterbrechung wieder gedichtet“). An seiner Arbeit beobachtet sie die Eigenheiten einer Künstlerexistenz, den 21

„Der Wiener Vasari“

Entstehungsprozess von Kunstwerken („Nur aus der stärksten Teilnahme wächst das Verstehen“). Gegenüber seiner Megalomanie steckt sie wie selbstverständlich zurück („Wir haben über die Kunst und das Leben gesprochen, über seine Kunst, sein Leben und mein Leben“). Gelegentlich wird Ehrlich zu einer Art Ersatzpartner. Reisen und Urlaube werden gemeinsam unternommen. Diese freundschaftliche Nähe erkennt sie an, indem sie ihm, quasi als seine Agentin, das Arbeiten so leicht wie möglich macht. Der Auftrag, sich des Künstlers Ehrlich anzunehmen, sollte bis an ihr Lebensende bleiben. In ihrer Auseinandersetzung mit Kunst oszilliert Erica Tietze-Conrat zwischen dem eigenen schöpferischen Prozess, der empathischen Konfrontierung mit dem Schaffen anderer, der pragmatischen Einstellung einer Künstlermanagerin und der distanziert-historisierenden Betrachtung der Kunsthistorikerin. Wie Ehrlich wäre auch sie gerne ein „Künstler“, „der sich ausschöpft bis aufs letzte, der sich hingibt bis aufs letzte, der alles auslöscht, Willen und Körper, Erlebtes und Ersehntes, damit der Weg frei wird für die Empfängnis“. 2 Oft frustriert, aber nie entmutigt, kämpft sie um künstlerische Anerkennung. Hat sie einmal keine anderen Verpflichtungen, beginnt es „in ihr“ zu dichten. Häufig passiert dies während der Fahrt mit der „Elektrischen“. In diesem Bemühen treibt sie sich bis an den Rand des „Kollaps“. „Nur aus dem Konflikt kann man schaffen. Dann bricht es heraus.“ Die Ärzte sind wegen ihres „Nervenzustands“ beunruhigt. Die „vielspaltige Beschäftigung“ schade ihr. Ob sie nicht das Dichten aufgeben wolle  ? „Ich geh viel spazieren und arbeite immerfort an mir selbst. Die Tagträume schließe ich einfach aus, sodaß mein Bewußtsein immer klar bleibt, durch und durch, bis dorthin, wo die ixe sich so gern zu u’s machen lassen. Ob ich unter diesen Umständen noch werde dichten können  ? Ich lasse es darauf ankommen. In der Zwischenzeit lese ich wissenschaftliche Bücher …“ Das Thema „Dichten“ scheint erst abgeschlossen, als ihr einziger Gedichtband, „Abschied“, illustriert mit Grafiken Ehrlichs, erscheint. Die Einbettung ihrer Lyrik in das Alltagssubstrat spiegelt sich in der chronologischen Abfolge der Gedichte im Band wider.3 Jede Minute wird dem Tag abgerungen, ein vielfältiges und umfangreiches Tagespensum realisiert, gegen alle Widrigkeiten. Erica Tietze-Conrat ist eine Frau mit beeindruckend vielen Ressourcen  : Gelehrte, Dichterin, Kunstagentin, Ehefrau und vierfache Mutter – das wären kurz gesagt die Eckpunkte, zwischen denen sich ihr Leben in jenen Jahren entfaltet. Eine Trennung zwischen Arbeit und Freizeit gibt es nicht. Aus der Arbeit, so wie über sie in den Tagebüchern berichtet wird, scheint das Repetitive, Geistlose, Teil jedes Schaffensprozesses, ausgespart. Und es ist das Schreiben, das alles zusammenhält. Dementsprechend gehen in den Notizen kunsthistorische und künstlerische Aktivitäten, Familienleben, Begegnungen mit Freunden und Bekannten, Ausflüge und Reisen ineinander über. Nie ist Erica Tietze-Conrat – wie Arthur Schnitzler in seinen Tagebüchern – nur trockene Chronistin der täglichen Verrichtungen.4 22

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Tatsächlich wird Erica Tietze-Conrat nur selten durch jene grundlegenden Tätigkeiten gestört, die in den Bereich der Hausarbeit fallen. Die großbürgerliche Welt, in der Frauen repräsentative Aufgaben erfüllen, ist ebenso wenig die ihre. Selbstbewusst definiert sie sich als Mittelstandsfrau. In einer Zeit mit unqualifizierter billiger Arbeitskraft im Überfluss bleibt aber auch einer Mittelstandsfrau Hausarbeit weitgehend erspart. Dafür ist die Haushälterin Therese Kurzweil zuständig. Sie ist die tragende Säule dieses sich in alle Richtungen bewegenden und erweiternden Haushalts. Ohne Theresens Verlässlichkeit wäre die Dynamik der Tietze’schen Unternehmungen nicht denkbar. Quälend sind die Tage, an denen Therese ihren wohlverdienten Urlaub in Anspruch nimmt. Dann bleibt bestenfalls beim Sockenstopfen der Kopf frei für geistige Tätigkeit. Dabei hängt Erica Tietze-Conrat zärtlich an ihren Kindern, allen voran an der kränklichen Jüngsten, dem „Vronili“. Am Wohlergehen ihrer Kinder und an deren kreativer Entfaltung nimmt sie großen Anteil. Auftritte in den für die Kinder verfassten Einaktern erfreuen die Erwachsenen und stärken das kindliche Selbstvertrauen. Um nicht schulmeisterlich zu sein, werden zur Förderung von Anderls Interesse am Malen und Zeichnen Abbildungen ausgewählter Kunstwerke beiläufig strategisch platziert. Doch dem „Verkindeln“ – also jener intensiven Hinwendung zu Kindern, die Frauen für alles Übrige (d. s. auch die geistigen Ansprüche des Ehepartners) „lahmlegt“ –, gilt es, durch berufliches Tun entgegenzuwirken. Während wir über Ehrlich, das klar abgegrenzte Gegenüber, Entscheidendes erfahren, führt Hans Tietze in den Aufzeichnungen ein Schattendasein. Die Bearbeitung tappt möglicherweise genau hier in eine Falle. Als Staatsbeamter, als in der Öffentlichkeit agierende Persönlichkeit, als Kulturjournalist hat Hans Tietze in zahlreichen Quellen eine Vielzahl an Spuren hinterlassen. In den Anmerkungen wächst Hans Tietze zu einer Größe, über deren tatsächliche Repräsentation im Text man geteilter Meinung sein kann. Der Beginn der Tagebuchaufzeichnungen fällt möglicherweise nicht zufällig mit der Gründung von Tietzes „Gesellschaft zur Förderung moderner Kunst in Wien“ (GFMK) im Februar 1923 zusammen. So wie das Dichten für Erica Tietze-Conrat in jenen Jahren die persönlichste Betätigung gewesen ist, galt die GFMK als Hans Tietzes „liebstes Kind“.5 Die GFMK soll die Einstellung der Wiener zur modernen Kunst im Besonderen, vor allem aber eine moderne, d. h. weltoffene und rationale Einstellung im Allgemeinen fördern. Erica Tietze-Conrat erwähnt häufig Veranstaltungen der GFMK, ist aber nur gelegentlich in deren Aktivitäten eingebunden. Berührungen ergeben sich vor allem über den Künstlerfonds, der von der GFMK propagiert und in der beschriebenen Form möglicherweise von Erica Tietze-Conrat erdacht worden ist. Die „Produktivgenossenschaft für Ehrlich“ ist ihr ganz persönliches Projekt. Erica Tietze-Conrat leistet ihren Beitrag zum nicht übertrieben üppigen Familieneinkommen. Zwar verfügt Hans Tietze über ein festes Gehalt als Staatsbeam23

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ter, aber der Haushalt ist groß und die sozialpolitische Stellung von Juden im öffentlichen Dienst zu unsicher, um auf die Einkünfte aus freiberuflichen Tätigkeiten verzichten zu können („Abends Vorträge halten und hören, Menschen empfangen, diese ganze geistige Mondänität, die mir so verhaßt ist. Dazu haben wir beide eine Art Geldpsychose, Angst, daß es nicht ausgeht u. darum dieses scheußliche Gefühl, daß man nichts ‚auslassen‘ darf“). Offensichtlich ist, dass sich viele Kontakte über Ehemann Hans anbahnen. Gelegentlich entsteht dabei ein Interessenkonflikt. Vor allem dann, wenn Hans Tietzes Tätigkeit für das Ministerium ins Spiel kommt. Erica Tietze-Conrat und Hans Tietze sind ein Arbeitsteam im ganz modernen Sinn  ; eine mobile kunsthistorische Forschungs-, Lehr-, und Schreibfactory. Der Markenname Tietze bürgt für Seriosität und trotz der außerordentlichen Menge der Veröffentlichungen auch für Qualität. „Sukzessive formierte sich […] eine Wissenschaftskultur außerhalb der akademischen Anstalten  : in Zirkeln, in privaten Seminaren, in vereinsmäßig geführten akademischen Gesellschaften, in kommunal finanzierten außeruniversitären Instituten und in privaten Projekten. Diese randständigen Gruppen waren zumeist ausgesprochen innovativ  ; sie fanden daher auch in den ausländischen scientific communities zusehends Beachtung.“6 Nicht nur die Handschriften der beiden ähneln einander zum Verwechseln (wobei der Schriftzug des ehemaligen Staatsbeamten neben Erica Tietze-Conrats etwas verspielten und ausladenden Zügen penibler und gleichförmiger wirkt), die Tagebücher geben auch Aufschluss darüber, dass Erica Tietze-Conrat in den frühen 1920er-Jahren Texte verfasste, die unter Hans Tietzes Namen erschienen („für den Hans einen Artikel über Wiener Maler d. Gegenwart, eigentlich über OK, geschrieben“). Bei den gemeinsam verfassten Texten ist eine „Scheidung der Hände“ schwer bis unmöglich. Dass ein derartiges Vorgehen auf die eingeschränkten Möglichkeiten weiblicher Forscher zurückzuführen ist, versteht sich von selbst. Von weiblicher Frustration, die man aus heutiger Sicht in diese Umstände hineinlegen würde, ist nichts zu spüren. Ist Hans Tietze aufgrund seiner öffentlichen Einbindung bei der Wahl seiner Forschungs- und Publikationsthemen grundsätzlich „opportunistischer“ (seine Schwerpunkte liegen u. a. auf Österreich, Wien und dem Barock), so erscheint Erica TietzeConrat hier zwangloser, freier. Das Publizieren unter beider Namen, spätestens ab 1926, ist die Formalisierung einer offensichtlich lang praktizierten Gepflogenheit.7 Ihre Arbeitskraft verkauft Erica Tietze-Conrat angemessen. Öffentlichkeit findet sie neben dem Schreiben vor allem über die „Volksbildung“ – bei Vorträgen und Dichterlesungen in der Wiener Urania. Die Möglichkeit, an einer Universität zu lehren, wofür sie wohl prädestiniert gewesen wäre, erhält sie erst nach Hans Tietzes Tod während ihrer letzten Lebensjahre in den USA. In das feine Räderwerk unterschiedlichster Aktivitäten, von denen aber jeweils nur ein Zubrot abfällt, gehören auch die fluktuierenden, oft aus dem Ausland stammenden Mitbewohner im Haus in der Armbrustergasse in Döbling. Beinahe täglich erweitert sich der Familienkreis um den 24

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einen oder anderen Gast zum Nachtmahl, um einen Mitbewohner, einen Logierbesuch oder ein Austauschkind. Es erscheint an dieser Stelle opportun, aus einem Brief Erica Tietze-Conrats an den befreundeten Josef Floch, der damals bereits seit Längerem in Paris lebte, zu zitieren, da hier die Modalitäten, die dem Aufenthalt der meist jugendlichen Hausgäste zugrunde lagen, recht anschaulich wiedergegeben werden  : „Ich habe mir gedacht, daß ich […] zweierlei Angebote mache  : 1) ein eigenes Zimmer, das geheizt wird, in dem er das Fenster bei Nacht zulassen kann (es wäre Burgls Zimmer, die ja während Hans in Amerika ist, ruhig mit mir schlafen kann), also sehr vornehm u. edel, inkl. ganzer Pension, Licht, Bad, Telephon, Wäsche (ausgenommen die Putzereiwäsche, das sind steife Kragen, Frackhemden) – 10 Sch. täglich und für die Mädchen 15 plus 3, also 18 Sch. im Monat. 2) Falls er sich wirklich entschließen kann, bei Anderl zu wohnen, was sicher sehr gesund ist, eine Abhärtung fürs Leben, wenn er’s aushält, so rechne ich nur 7 ½ Sch. täglich für alles zusammen (siehe oben), das Trinkgeld für die Mädchen – 18 Sch. monatlich – dazu. Falls er mittags nicht zuhaus ist, wird nix [sic  !] abgezogen, aber er bekommt, wenn er es will, kaltes Nachtmahl aufgehoben (und sein Joghurt  !).“8 Zwar stammt das Schreiben an Floch aus dem Jahr 1935, doch kann man angesichts des wohldurchdachten Prozederes davon ausgehen, dass bei früheren Gelegenheiten ähnlich vorgegangen worden war. Der Tietze’sche Haushalt ist ein Netzwerk in Bewegung. Erica Tietze-Conrat hatte eine lapidare Art, Personen zu erwähnen, meist ohne weiteren Kommentar, stets den gleichen Abstand wahrend. Etliche junge Leute werden mal kürzer, mal länger in die Familie aufgenommen. Weder ein Gästebuch hat sich erhalten noch führen die zentralen Meldeakten außer dem Ehepaar Tietze weitere Bewohner für all die Jahre an. Auch Fachkollegen ziehen vorübergehend bei Tietzes ein (Paul Clemen, Gustav Kirstein), so wie sie selbst auch gelegentlich bei Kollegen und Freunden im Ausland logieren (Campbell Dodgson, Josef Floch). Auch Tietzes bewegten sich in jenen halb öffentlichen Zirkeln (Mahler-Werfel, Schwarzwald, Schönberg, Neurath etc.), die Edward Timms so anschaulich in seinem Modell der Kreise für die Zeit um 1910 dargestellt hat.9 Doch gab es für sie auch noch ein häusliches, intimeres Netzwerk, das sich für die Familie zukünftig als besonders tragfähig erweisen sollte. Dank ihrer zahlreichen und rasch wechselnden Begegnungen ermöglicht Erica Tietze-Conrat dem Leser unerwartete Einblicke in den Alltag der Wiener Kunstszene der frühen 1920er-Jahre, die damals, wie kaum je zuvor oder danach, mit der internationalen Avantgarde in Berührung kam. Oft waren diese Treffen „spartenübergreifend“ und fanden in einer Privatwohnung oder einem Atelier statt, etwa bei Kieslers, bei denen junge Theaterleute aus Berlin und Vertreter der niederländischen Bewegung „De Stijl“ zu Gast waren, oder bei Lea Bondi, die ihren neuen Geschäftspartner, den bis heute unvergessenen Galeristen und Publizisten Alfred Flechtheim, in Wien einführte. Fannina Halle war die Wiener Anlaufstelle für die russische Avantgarde, und neben Kunstwissenschaftlern trafen sich in ihrer Wohnung auch 25

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politische Aktivisten, etwa Vertreter des „Wiener Kreises“ und der Siedlerbewegung. Die Wohnung des Ehepaars Hilda und Fritz Lampl ebenso wie Hilda Lampls Modeatelier waren Orte der Geselligkeit expressionistischer Literaten, bildender Künstler und Architekten. Indem sie dies alles festhielt, liefert Erica Tietze-Conrat Momentaufnahmen unterschiedlichster Konstellationen progressiver Strömungen. „Ich aber – der Wiener Vasari – muß dort diese für Wiener Künstler charakteristische Anekdote aufzeichnen“, vermerkt sie 1924 im Zusammenhang mit einer kleinlichen Künstlerquerele. In den Erinnerungen an eine Prüfung während ihrer Mittelschulzeit weist Erica Tietze-Conrat an anderer Stelle auf eine für sie charakteristische Herangehensweise hin  : „I think it is typical of my approach to all the problems I ever tackled in my life. I was shown the skeleton of a bird and asked to describe its essential parts. Instead of starting with the wings I drew the attention to a certain bone on which Goethe had commented.“10 Und so sind es in den Tagebüchern auch häufig die scheinbaren „Beiläufigkeiten“, die die Fährte zu bedeutsamen Hintergründen und ungewöhnlichen Persönlichkeiten legen. Folgt man diesen Spuren, erschließt sich nicht selten ein überraschendes Gesamtbild. Als Literatin gehörte Erica Tietze-Conrat keiner Gruppe an. Dass aber ihre Kontakte zu den „linken Expressionisten“ besonders intensiv waren, geht aus den Aufzeichnungen hervor. Auch lassen sich Einflüsse von Menschen festmachen, selbst wenn diese in den Tagebüchern nur selten oder vielleicht gar nicht dokumentiert sind. Das Quellenstudium macht die Beziehungen ersichtlich. So laufen etliche Fäden zu Elisabeth Bergner hin, dieser Muse des Expressionismus. Und auf den ersten Blick mag gerade die Abwesenheit einer weiteren, in jener Zeit äußerst populären Persönlichkeit in den Tagebüchern überraschen  : Der berühmte Satiriker Karl Kraus findet nur einmal indirekt Erwähnung. Dabei hatte Erica Tietze-Conrat – wie wir aus anderer Quelle wissen – in ihrer Jugend dem kontroversiellen Publizisten durchaus stärkeres Interesse entgegengebracht.11 So vielfältig wie die Menschen und deren Tätigkeiten sind die Schauplätze der Tagebücher. Nie handelte es sich um beliebige, stets um wohl gewählte Orte. Bereits die Wohnadresse in Heiligenstadt und die Ausflüge in die Weinberge und zu den Ausläufern des Wienerwalds erweisen sich als Abschreiten einer überdeterminierten Landschaft. Selbst hinter den romantisch-unbändigen Läufen des Tagliamento verbergen sich die Schlachtengebiete des Weltkriegs. Und wenn das Ehepaar durch das ehemals von Österreich okkupierte Norditalien reist, nur wenige Jahre nach dem Ende des Kriegs, mag das an eines von Erica Tietze-Conrats Dramoletten erinnern  : Seite an Seite sind die beiden Protagonisten in ihre selektive Wahrnehmung verstrickt. Dass der Erste Weltkrieg auf jene Generation, die ihn durchlebt hat, prägend wirkte, ist eine Plattitüde. Dennoch ist es bemerkenswert, wie Hans Tietzes „Kameraderie“ aus Weltkriegszeiten, seine organisatorisch-denkmalschützerische Tätigkeit 26

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im Rahmen des „Kunstschutzes im Krieg“, auch auf die Zusammensetzung von Erica Tietze-Conrats Freundes- und Bekanntenkreis Auswirkungen hat. Paul Clemen logierte im Haus  ; die Freunde Guido Kaschnitz, Oswald Kutschera und Hermann Burg (TB Band II) hatten der „Kunstschutzgruppe“ [sic  !] angehört. Die Aspirationen der Frauen, die Erica Tietze-Conrats Aufzeichnungen bevölkern, gehen weit über jene Beschränkung hinaus, die man aus heutiger Sicht einem weiblichen Schicksal zuzuschreiben geneigt ist – ob sie nun als Vertreterinnen der älteren Generation, die noch gänzlich von jeder Erwerbstätigkeit ausgeschlossen gewesen waren, wie Erica Tietze-Conrats Mutter Ida Conrat oder Josefine von Winter, den privaten und familiären Rahmen aufbrechen, indem sie etwa zum „Mittagstisch“ (dieser bürgerlichen Variante des Salons) laden oder die Geschichte ihres weitverzweigten Familienverbands niederschreiben, oder ob sie zu den ersten an der Universität ausgebildeten Frauen gehören – der Altersgruppe Erica Tietze-Conrats –, die mit hoher fachlicher Kompetzenz besondere Vielseitigkeit an den Tag legen, um tatkräftig zu okkupieren, was ihnen zugänglich ist. Dabei bot die Kunstgeschichte in Forschung und Lehre, aber auch in geschäftlicher und sozialer Hinsicht nicht die schlechtesten Voraussetzungen. Selbst Alma Mahler, dem absolutistischen „im Bett Hof halten“ frönend, ist bei dieser Gelegenheit editorisch – und damit ebenfalls qualifiziert – tätig. Andere Frauen sind Unternehmerinnen (z. B. Hilda Lampl und ihre Schwester Fritzi Hohenberg, Lätti Gerstl), verfolgen eine künstlerische Laufbahn (Lilly Steiner, Frieda Salvendy usw.) oder organisieren Mädchenbildung und Volkswohlfahrt (Eugenia Schwarzwald). Den Jüngeren, wie Gaby Ehrlich, Ditta Santifaller oder Liesbeth Askonas (TB Band II), die bereits mit größerer Selbstverständlichkeit eine akademische Laufbahn angetreten haben, stellen sich bereits neue, unüberwindliche politische Hindernisse in den Weg. Im Umgang mit dem eigenen „Jüdischsein“ – oder dem ihrer Angehörigen – gibt sich Erica Tietze-Conrat vorsichtig zurückhaltend, gelegentlich subtil ironisch („ein christlicher Herr“). Ausgeklammert wird das Thema aber nicht. Durch gemeinsame Lektüre, etwa der „Judenbuche“ von Annette Droste-Hülshoff, werden die Kinder behutsam in die heikle Problematik eingeführt. Vielleicht lässt sich auch hier am leisen Umgang mit der Frage ihr eigentlicher Stellenwert erkennen. Liest man genau, so sieht man, dass sie die kolportierten Stereotypen auch bei sich selbst und den ihr Nahestehenden sucht. Auch sie, die Selbstbewusste, hat Angst vor den „verräterischen“ Zügen und geht streng ins Gericht mit jedem, der es nicht versteht, den Rahmen zu wahren („dieser immerhin doch intellektuelle Jude, der sollte die Gedanken [die natürlich jeder Künstler von sich haben muß] besser im Zaum halten …“). Selbstüberschätzung, provokante Exaltiertheit („Berliner Jüdinnen“), provinzielles Verhaftetsein in alten Bräuchen („Mann mit Hut“) – alles unnötige Auffälligkeiten … Das Ambiente, das mit der Republiksgründung noch Anlass zu Hoffnungen gegeben hatte, entwickelte sich schnell hoffnungslos konservativ. Der Kunst das Leben zu 27

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ermöglichen (für Tietzes Ausdruck des Gemeinsinns) – dafür zeigte man sich grenzenlos großzügig. Aber bereits in den Jahren, für die die Tagebücher Zeugnis geben, wurden alle Aussichten zunichtegemacht. „Die stärkste sozio-kulturelle Kraft, die auf die wissenschaftliche Produktion in den zwanziger und dreißiger Jahren in Österreich wirkte, war wohl der Antisemitismus“, schreibt Feichtinger.12 Im allgemeinen Kunstbetrieb sah es nicht besser aus. Die Verteilung auf den Rängen gestaltete sich zusehends rigider. Menschen jüdischer Herkunft wurden von jeder weiterführenden akademischen Laufbahn ausgeschlossen. Gut ausgebildete, qualifizierte Männer – und erst recht Frauen – kamen nicht zum Zug. Etliche spielten daher bereits lange vor dem Jahr 1938 mit dem Gedanken, das Land zu verlassen. Vor allem Künstler setzten dies auch schon früh in die Tat um. Traditionell blickten auch die Familien Tietze und Conrat nach Deutschland, mit fortschreitender Entwicklung erst nach Italien, dann in Richtung USA. 1925 beantragte Hans Tietze seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand. Die Recherchen haben es ans Licht geführt  : Er und seine Mitstreiter sollten wegen ihres Engagements für die Museumsreform, im Konkreten wegen des Dublettenverkaufs (nicht unähnlich Arthur Schnitzlers Professor Bernhardi), vor einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss gezerrt werden. In jener Zeit, als sich der Rücktritt anbahnte, habe sie Hans Tietze geholfen, indem sie ihn an ihren wissenschaftlichen Interessen teilhaben ließ und den Weg frei gehalten hat „for his return to research work at any time“, erinnert sich Erica Tietze-Conrat Jahre später in ihrer unveröffentlichten biografischen Skizze über Hans Tietze.13 Als die Würfel schließlich fallen und Hans Tietze das Ministerium verlässt, gehen für sie Jahre der getrennten Wege, der Einsamkeit und leisen Melancholie zu Ende, und es beginnt, nun gemeinsam mit ihrem Lebens- und Berufspartner, eine Schlemihl-Existenz, eine Zeit der Unbehaustheit, der Entfremdung von der vertrauten Welt. Anmerkungen 1 Erica Tietze-Conrat, „Georg Ehrlichs Frauenbildnisse“, in  : Die graphischen Künste, Bd. 48, H. 1, 1925a, 81–89, 89 [neu herausgebracht in  : Almut Krapf-Weiler (Hg.), Erica Tietze-­ Conrat, Die Frau in der Kunstwissenschaft, Texte 1906–1958, Wien 2007, 236–245, 243]. 2 Erica Tietze-Conrat 1925a, 89 [2007, 243]. 3 Erica Tietze, Abschied, Radierungen von Georg Ehrlich, Wien 1926. 4 Peter Michael Braunwarth, Kommission für Literarische Gebrauchsformen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Hg.), Arthur Schnitzler, Tagebuch, 1879–1931, 10 Bde., Wien 1987–2000. 5 Ernst H. Buschbeck, „Hans Tietze zum Gedenken“, in  : Die Presse, Morgenblatt, 16.4.1954. 28

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  6 Johannes Feichtinger, „Kulturelle Marginalität und wissenschaftliche Kreativität, Jüdische Intellektuelle im Österreich der Zwischenkriegszeit“, in  : ders., Peter Stachel (Hg.), Das Gewebe der Kultur, Kulturwissenschaftliche Analysen zur Geschichte und Identität Österreichs in der Moderne, Innsbruck 2001b, 311–333, 311 [Hervorhebung im Original].   7 Karen Michels, „Kunstgeschichte, paarweise“, in  : Ulmer Verein für Kunst- und Kulturwissenschaften (Hg.), Kritische Berichte, Bd. 30, Nr. 2, Marburg 2002, 32–42.   8 WStLB, Handschriften, Sammlung Hans Tietze/Erica Tietze, J. N. 219.300, Hans Tietze und Erica Tietze-Conrat an Josef Floch vom 8.1.1935.  9 Edward Timms, „Die Wiener Kreise, Schöpferische Interaktionen in der Wiener Moderne“, in  : Jürgen Nautz/Richard Vahrenkamp (Hg.), Die Wiener Jahrhundertwende, Ein­ flüsse – Umwelt – Wirkungen, Wien u. a. 1996, 128–143. 10 Alexandra Caruso (Hg.), Erica Tietze-Conrat, „I then asked myself  : What is the ‚Wiener Schule‘  ?”, Erinnerungen an die Studienjahre in Wien, in  : Bundesdenkmalamt Wien/Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien (Hg.), Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Bd. 59 [Elektronischer Sonderdruck], Wien 2010, 207–218, 209. 11 Erica Tietze-Conrat, Erinnerungen an Kindheit und Jugend, unveröffentlichtes Typoskript, Privatarchiv Kristin Matschiner, 69. 12 Feichtinger 2001b, 311. 13 Erica Tietze-Conrat, Hans Tietze (March 1st, 1880 – April 11th, 1954), unveröffentlichtes Typoskript zu den wichtigsten Abschnitten von Hans Tietzes Biografie, verfasst von Erica Tietze-Conrat nach Hans Tietzes Tod, Privatarchiv Kristin Matschiner, 15.

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Die Aufzeichnungen Erica Tietze-Conrats setzen mitten im Satz abrupt ein. Sie beginnen mit dem Tag der Abreise ETCs aus dem Feriendomizil im salzburgischen Lofer. Ihre drei Kinder Anderl, Burgl und Vroni bleiben in Erwartung des ältesten Tietze-Sohns Christoph (Stoffel) mit der Haushälterin Therese für die restlichen Sommerferien in Lofer zurück. Zum Ausklang ihres Ferienaufenthalts widmet ETC ihrem 8-jährigen Anderl ein Gedicht. (Forts. 17.VI.1923)1 sehr wohlgefühlt. Viel herumgeklettert, die ersten Bärentatzen gefunden, auch seltene Blumen, die niemand im Ort benamsen* konnte, bis Vroni endlich den Lehrer auftrieb. Aus diesem Erlebnis für Anderl ein Gedicht gemacht. Ich hab in den Bergen gefunden Almrausch und Akeley Und noch eine duftende Blume und wußte nicht, welche es sei. Ich mußte arg um sie klettern, Ließ sie um keinen Preis – Die Blätter waren hellgrün, Die Blüten waren weiß. Ich forschte nach ihrem Namen Doch hat mir ein jeder gesagt Und mit dem Kopfe geschüttelt  : „Da bin ich überfragt. Der Lehrer, der weiß alles, Der gibt dir Auskunft gern.“ Er hat mir den Namen verraten  : „Das ist ein Millistern  ! Doch hüte dich vor der Blume, Findst du sie auf hoher Trift, Sie lockt dich mit ihrem Dufte, Doch drinnen ist böses Gift.“

Abb. 1: Arbeitsteilung im Tietze’schen Haushalt: Gelehrte blickt aus ihrem Arbeitszimmer auf Kind und Haushälterin, um 1912.

* benennen

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In der früh um ½ 8 am 17. mit dem Postauto nach Reichenhall. Auto offen, kalt, Regen. Die Kinder grade aufgewacht, Vroni sich noch geräckelt, hat vom Fenster aus nachgewinkt. Auf dem Bahnhof in Reichenhall belustigender Streit (ach so traurig) zwischen einem Wiener Reisenden (Viktualienhändler in 2. Generation) und Bahnbeamten, Selbstgefühl des Wieners wegen seiner Edelvaluta, an die er noch gar nicht gewöhnt ist. Mit dem Briefträger von Lofer gereist, der abgebaut werden soll, weil er im Nebenberuf eine Schnapsbrennerei hat. „Wie komme ich dazu, und nur weil ich fleißig war, daß ich dran glauben muß  !“ Die Leute sind unlogisch, denken nie eine Sache bis ans Ende durch. In Salzburg natürlich lächerliche Paßgeschichten gehabt, die unseren Burokratismus, der ebenso gschaftelhuberisch* wie unauslangend ist, beleuchten. Humplik gesehen und ausgewichen. Dame Skandal gemacht, weil der Gepäckträger ihr das Kofferchen nicht gleich nachgetragen hat, Skandal so Abb. 2: Wohnhaus der Tietzes in Heiligenstadt, Döbling. laut, daß ich mich für die Dame interessierte – wer war’s, natürlich die „Roho“ aus der 37er. Hans hat mich mit Stoffel in Unter-Döbling erwartet. Große Freude. Die beiden Schweinereien betreffen in keiner Weise den Hans. Prüger heiratet u. sucht eine Wohnung u[nd] z[war] will er, daß man im oberen Belvedere („es hängen doch nur 5–6 Bilder in einem Zimmer, da kann man ja zusammenrücken  !“) ihm eine Wohnung gäbe  ! Hat darüber mit Petrin gesprochen. Nr. 2 ist ein Kuhhandel, den der Minister mit d. Menghin abgemacht hat u. jetzt durchsetzen will. Das Haus ist sehr schön gemalt  ; aber die Köchin spinnt, am Mittwoch soll eine neue „Frau Marie“ kommen.2 Hans Tietze, mit Beginn der Republik ins Unterrichtsministerium berufen, ist durch seine führende Stellung bei der Umgestaltung der republikanisch gewordenen Museen sowie durch die Verhandlungen mit den Siegermächten und Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie stark in Anspruch genommen.3 In dieser Zeit arbeitet ETC an einem eigenständigen Weg. Neben ihren Versuchen als Dichterin leistet sie ihren Beitrag zum gemeinsamen Einkommen durch kunsthistorische Tätigkeiten. Sie nimmt an den künstlerischen Ereignissen der Stadt regen Anteil und erfreut sich an ihren vier Kindern. Der intensive geistige Austausch mit dem Maler und Grafiker Georg Ehrlich hilft ihr über die Einsamkeit jener Jahre hinweg. Sie managt Ehrlichs künstlerische Agenden, ermöglicht ihm ein einigerma* wichtigtuerisch

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Abb. 3: Döbling und Ausläufer des Wienerwalds.

ßen sorgenfreies Arbeiten und findet in ihm gleichzeitig ein Gegenüber für eigene künstlerische Anstrengungen. 18.VI. Mit Stoffel viel Ordnung gemacht u. mich von Lofer unterhalten, was ihn dort alles erwartet. Gegen Nachmittag dem Hans den Mantel gebracht, dann mit ihm durch die Stadt zum Ehrlich ins Atelier. Derselbe liebe Mensch, große Fortschritte. Zwei Zeichnungen, große Mädchen, wie von Leibl  ; entzückende Landschaftsaquarelle. Glücklich, daß er von Berlin wieder weg ist. (Er floh, weil er wie seinerzeit Michelangelo einen Bürgerkrieg fürchtet.) „In Berlin kann ich nicht spazieren gehen, denn das vertrag ich nicht, daß ich nur ein bisschen geh u. gleich in einer anderen Stimmung drin bin. In Wien, wenn ich am Stephansplatz steh, spür ich doch, daß draußen der Kahlenberg ist. Das ist Kultur, gewachsen, daß alles zusammen gehört.“ Er las mir eine wundervolle Karte vor, die ihm der Kubin geschrieben hat, der alternde dem jungen Künstler. – 35

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Abends bei Mama, die ich mit vielen Geschichten aus Gastein u. Lofer aufmischte.4 19.VI. Bei Wanick mit dem „Todessprung“, im Vorhinein von der Aussichtslosigkeit überzeugt. In der Elektrischen* hab ich ein kleines Gedicht gehabt. Ich werde es „Erinnerungen“ nennen.5 Erinnerungen Ich war lange krank im Spital. Eine schwere und eine liebe Zeit. Ach Gott, wenn sie auf der Leibschüssel liegen, Sind die Reichen auch arme Leut. Und wenn wir frisch gewaschen In den Vormittag schlafen Haben wir uns wie die Kinder gefreut. Dürfen wir uns nicht bewegen, nicht nach rechts, nicht nach links, weil es der Doktor verboten hat, und unten am Kreuz bist du aufgelegen, Das rohe Fleisch – So schmerzt die Matratze ob weich oder hart, So verfluchst du das Leintuch ob grob oder zart, S’ist einerlei. Und die Schwestern lächeln den lieben Frieden Ihnen und uns. Dann kam ich heraus. Da hatten die Bäume lauter neue Blätter getrieben, Und das Loch bei der Stiege, Wo vom Regen immer die Lacke stand, War mit Ziegeln gefüllt und trocken. Ja, die Zeit draußen war auch nicht stehen geblieben. – – – – – – – – Nachher bei Georg Halle zum Schwarzen**. Der arme kranke Mann, die arme ge* Straßenbahn ** Espresso

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sunde Frau. Dann, im Barockmuseum, wo ich Felix u. Hertha und Stoffel führte, und mir Grimschitz die ersten Korrekturen im Barockkatalog zeigte. Ach ist dieses Museum schön  ! Bei Nebehay Thee getrunken u. wegen der Chodowieckisammlung von Frau Oppenheimer vorverhandelt. Dann bei Steiners in Hietzing soupiert. Sehr gemütlich, Rosen, Erdbeeren und Ribisel* aus dem Garten. Ihr neues Bild [„]die beiden Damen vom hilfswissenschaftlichen Institut[“] ist wirklich famos, ebenso frisch auch eine neue, technisch sehr amüsante Radierung „der Geigenspieler“. Am Rückweg langes Gespräch mit Stoffel über Hackenkreuzler und Sozi. Er für jene, ich – in d. Theorie wenigstens – für diese (eigentlich gegen beide).6 20. Juni 1923 Heut bin ich 40 Jahre alt geworden. Ich hab im Garten Rosen geschnitten u. mich dabei jung gefühlt, als wär ich 14 und schnitte die Rosen im Dornbacher Garten. Hans hat mir eine wundervolle Entwurfszeichnung von Boeckl, gemeistert wie ein Slevogt nur wunderbar jung dazu, geschenkt und ein liebes Bildl von Zülow. Die Mappe von Philippi ist erschienen, der Name vom Hans so groß darauf, als wären die Holzschnitte von ihm. Die Breslauer Kinder können nicht nach Lofer wegen des Marksturzes. Wir haben Heinz eingeladen, als Gast zu kommen.7 21.VI. Früh bei der Ausstellung der Konkurrenz eines Denkmals für „Auslandshilfe“. Schon neugierig auf den I. Preis (Archit[ekt] Lichtblau, Bildh[auer] C. Hagenauer), da wütende Aufregung darüber in der Presse (Archit[ekt] Bauer u. Seligmann). Sehr interessantes Projekt für gotisierendes Denkmal (Pfeiler, am Fuß Zusammenbrechender, wie ein Christus am Kreuzstamm) in der Fassade der Kapuzinerkirche. Bärtige Männer oben „Da soll unsereins noch einmal konkurrieren, wenn solche Franzischkerl** praemiert werden  !“ Das meiste übrige im üblichen Denkmalstil, Vindobonas mit schönen Frisuren etc. Der dritte Preis ein Brunnen, wirklich nur ein Brunnen, sehr interessant. Das ganze nur eine Konkurrenz, nicht zur Ausführung bestimmt.8 Albertina dann  : Marchand, Derain, Segonzacausstellung, die Buschbeck mitgebracht hat  : Manches sehr schön, alles gut. Sehr gut auch ein Kopf von Kars. Die Blätter von Bellange noch immer nicht gefunden. Also wenig in den 5 Wochen meiner Abwesenheit verändert. Dann Museum. Den neu zu erwerbenden Bosch konnte ich nur kurz anschauen (Kreuztragung) da der eben angekommene Glück davor stand. Gegen das neu gehängte Altdorferkabinett hab ich einige Einwände. Gerade dabei, wie das Kabinett für den Duccio für die morgige Kommission hergerichtet wurde. Der Duccio stark u. schön wie als ich ihn zuerst (in Florenz) sah  ; die sienesi* rote Johannisbeere ** katholischer Frömmler

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sche Holzfigur famos. Aber was Moll sonst als Auftakt gekauft haben will, trostlos. (Maria Ender-Moll soll sich gerüchtweise scheiden lassen.) Nach Tisch Dr. Rapaport der Sachen brachte, die er morgen in d. Sezession einreichen will  ; seine Leute drängen ihn u. er hofft, wenn er ausstellen kann, einen Mäzen zu finden. Es sind sehr gute Zeichnungen, aber so klein, daß man ganz dran vorübersehen wird. Mit Stoffel Homer gelesen. Abends Ehrlich, der mir eine wundervolle große Lithogr[aphie] (Proletariermädel) als Geburtstagsgeschenk u. zum Wiedersehen brachte u. eine Rötelzeichnung vom Anderl. Sehr gemütlicher Abend, er erzählte viel von Berlin, auch von Anna Mahler, die dort in tiefster Einsamkeit mit d. Komponist Krenek lebt.9 22.VI. Meine „Legende vom Jüngling der vom Tode gekostet“ abgeschrieben. Nachmittag mit Hans in d. Sammlung Castiglioni, die in unsrer Abwesenheit eröffnet worden war  ; Planiscig hat uns geführt. Wenn was gut war, hat er es gemacht, war’s nicht ganz gelöst, hat ihm Castiglioni dreingesprochen, war’s schlecht hat es Castiglioni allein gemacht. Mich hat es furchtbar enttäuscht u. mißgestimmt. Die Sachen, die erste Qualität haben, gehen unter den anderen schlechten u. überhaupt in der Tapeziereraufmachung unter. Ich freu mich auf die Katalogpublikationen, die endlich wieder den Stücken die notwendige Isolierung schenken werden. Es wirkt wie ein Kreuzenstein ins Florentinische übersetzt. Oder besser wie bei einem großen Kunsthändler, der auf amerikanisch-englische Kunden rechnen muß. Abends war die Maja da u. hat sehr lustige Geschichten aus dem Leben in d. Walfischgasse gemacht. Die Mama ist doch die originellste Frau, die es auf der Welt gibt.10 Die Zeiten, als die Wohnung der temperamentvollen Ida Conrat Zentrum eines musikalischen Zirkels rund um die Person des Komponisten Johannes Brahms gewesen war, lagen Jahrzehnte zurück. Das geräumige Appartement in der Walfischgasse Nr. 12 blieb für ETC bis 1938 ein kommunikativer Ort, an dem sie nicht zuletzt mit ihren beiden Schwestern und deren Angehörigen bei deren gelegentlichen Wien-Aufenthalten zusammentraf. Mehrmals wöchentlich, an den Tagen, an denen ETC in der Albertina beruflich im Einsatz war, aß sie gegen geringes Kostgeld bei der Mutter zu Mittag. 23.VI. Ich habe angefangen, meinen „Tobias“ zu überarbeiten.11 24.VI. bis 30. Juni Das waren schrecklich geschäftige Tage. Öfters bei Dr. Heymann u. dann zu spät zum Nachtmahl* zuhause, weil er immer die interessanteste Mappe findet, wenn man * Abendessen

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schon weggehen muß. Am 27. war Stoffels letzter Schultag mit recht anständigem Zeugnis, dann haben wir den ganzen Nachmittag gepackt u. Unsinn getrieben. Er war so ausgelassen – man muß es bis zum Mistkastl* gehört haben. Und was er alles eingepackt hat  ! 25 Zündhölzlschachteln mit Chemikalien  ! und eine ganze Kiste mit Salpeterlauge, Salzsäure, Schwefelsäure etc. (alles was man zum Mineralien bestimmen braucht), wollte er noch mitnehmen – das hab ich mühsam verhindert. Am 28. ist er fortgefahren und am Nachmittag hab ich den holländischen Logierbesuch Frl. Mieke Schilthuis abgeholt. An einem Orangetuch machte sie sich kenntlich. Sie ist sehr still und freundlich, aber sie kann nicht sehr gut deutsch u. ich muß jeden Witz ein paarmal sagen, bis sie ihn versteht. Gleich am nächsten Tag haben wir sie in den Figaro geschickt u. mit Ehrlich einen sehr netten Abend verbracht. Unser neues Projekt durchgesprochen  : eine Gesellschaft tritt zusammen, die ihm eine bestimmte Summe zusichert, wofür seine ganze Produktion d. Gesellschaft gehört. Ein Teil wird unter die Mitglieder verteilt, der Rest zu Gunsten eines Händlers (der d. Arbeit auf sich nimmt), d. Künstler und d. Gesellschaft verkauft. Dann haben wir die neue Publikation von Porter, Romanische Skulpturen, durchgesehen. Hans hat ein überraschendes Vorbild fürs Tympanon vom Riesentor drin gefunden. Lustiger Abb. 4  : „Die Mama ist doch die originellste Frau …“ – Ida Conrat, 1920er-Jahre. Zufall. Heut (am Samstag) vormittag Akademie, die neugekauften Reliefs angesehen, die das Münchner Nationalmuseum als zweifelhafte Stücke abgestoßen hat. Hier hat sie Werner gehabt, bei dem sie Kris gesehen hat, der Hermann nach vielen Bemühungen hinbrachte  ; dieser aber wollte sich nicht mit so zweifelhaften Stücken einlassen. Bei Werner kaufte sie Nebehay, der sie abdecken lassen wollte. Eigenberger praenumerierte** sie darauf, wenn sie abgedeckt wären, u. als er sie anschauen kann, hatte sie Nebehay eine Stunde vorher verkauft. Damals waren es noch 4 Stück, jetzt aber sind es die 2 bessern, die Eigenberger doch zurückkaufen konnte. Nun bei solchen Irrfahrten sind die Stücke nicht billiger geworden. –12 Dann eine Vandyckskizze u. 5 Rubensskizzen und ein Bild von Steen angeschaut, die Eigenberger in dem Depot nach Beseitigung der Übermalungen entdeckt hat. Bisher galten alle diese Bilder als spätere Kopien. 2 darunter besonders gut  ; er be* Abfalleimer ** Kaufinteresse anmelden

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kommt ein ganz neues Rubenskabinett. Kolig war da, es geht ihm schlecht u. niemand kann ihm helfen  ; seine Produktivität liegt nur im Kinderzeugen, mit dem Malen kommt er halt gar nicht nach.13 1. Juli 1923 Ich fange an den Michael als Novelle zu schreiben, es wird mir furchtbar schwer, weil ich immer ins Drama hinübergerate.14 2. Juli Ehepaar Oppenheimer war da  ; sie wollen also den Chodowiecki verkaufen, dann ein Bild, von dem sie glauben (u. auch nicht) daß es von Hoppner ist, endlich das halbe Haus vermieten. Zu allem versprachen wir unsere Hilfe. Am Nachmittag endlose Einfangerei vom letzten „Piperl“*, Hans wütend u. ich verzweifelt. (Maja u. die Holländerin haben sehr freundlich u. geduldig mitgeholfen.) Dann gegen Abend auf den Kahlenberg, beim Generaldirektor Taussig fragen, ob sie auf die Villa Oppenheimer reflektieren. Sie haben am selben Tag einen Grund am Hungerberg gekauft. Also nicht. Oben d. taubstumme Ambrosi, sieht schön aus wie ein alter Römer, verständigt sich schreibend. Er schrieb dem Hans hin, daß er in d. Ausstellungen nur den Dreck schicke für die dummen Leute … Jetzt fährt er mit 59 großen Skulpturen in die Schweiz zu einer Ausstellung. Eingeregnet. Mäntel ausgeborgt. Um 10 Uhr unten, Johannisfeuer, Johanniswürmchen.15 3. Juli Abends der Kronprinz  ; langes Gespräch über die Novelle (zum Ausfuhrgesetz), die gegen Figdor geht, von Schlosser erfunden u. von Vater Hainisch durchgedrückt wurde. Der Sohn ganz auf Seite des Hans, gegen die Novelle. Nur keine Enteignungen dieser Art, sie bringen uns um unseren Kredit** u. schädigen das Sammelwesen  ! Abends erzählt mir Hans. Ein Amerikaner hat kurz vor dem Krieg dem Kaiser eine Handschrift mit Habsburgerportraits geschenkt u. als Entgelt das Komturkreuz u. die Reproduktion der Handschrift sich ausgebeten. Dann kam der Krieg, er bekam weder d. Kreuz, noch wurde die Reproduktion ihm hergestellt. Nun ist der Amerikaner in Wien. Will die Handschrift zurück. Die hat aber d. Kaiser damals gleich der Bibliothek einverleibt und diese ist seit d. Umsturz staatlich. So will er sie zurückkaufen. Das geht auch nicht, der Wertbestand an Sammlungsobjekten darf nicht verringert werden (laut Friedensvertrag). Ein Ausweg wird gefunden  : die Nonnberger Frauen wollen die Strochnersche Handschrift verkaufen  ; die wird auf 20.000 Schweizer Franken geschätzt, die soll der Amerikaner kaufen u. dann die Nonnberger * Küken ** Ansehen

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Abb. 5  : „Jetzt war ich vielleicht zum 50sten mal bei ihm u. alles, was ich ansah, war mir neu.“ – Albert Figdor in seiner Sammlung, 1920er-Jahre.

Handschrift gegen seine eintauschen. Einverstanden. Nun eine Schwierigkeit. Um seine Handschrift ausführen zu dürfen, muß das Denkmalamt die Erlaubnis geben, Byk muß sie schätzen u. dann erst (nach Zahlung der 17 % Ausfuhrtaxe) kann er sie über d. Grenze nehmen. Nun kann Byk diese Habsburgerhandschrift nicht auf 20.000 Franken schätzen, sie ist höchstens 3.000 wert. Das offenkundig zu machen, ist ihm aber peinlich. Wieder ein Ausweg  : Sie geht als Staatsgut ungeschätzt hinaus, während d. Amerikaner hier die 10.000 Fr[anken] f. d. Strochnersche Handschrift hinterlegt (Er ist ein Historiker u. will eine Geschichte der Habsburger schreiben – dazu braucht er die Portraits u. d. Handschrift). –16 Mit Emil Reich, diesmal mit mehr Erfolg wegen Oppenheimerhaus telephoniert.17 4. Juli Ein Gedicht gemacht, das mich schon lange quälte. 41

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Vieux Riche Sie haben mich öfter schon gesehen Und gingen eine Strecke hinter mir her, Wenn ich Brot holte oder Kartoffel – Und dachten – – die Witwe von einem Beamten Oder höhern Militär. Mein Kleid ist einfach, doch gut gehalten  ; Dunkelgrau, das schmutzt nicht sehr – Die Stoffe sind unverwüstlich, die alten, Die von früher her. Auch der Schnitt ist gut – – zwar nicht modern – Bei einer Frau von einigen vierzig Jahren Sah ichs auch sonst nicht gern, Wenn sie mit jeder Mode ging. Sie wundern sich, sie haben gedacht, Daß ich älter bin, nein, ich fing An grau zu werden schon als junge Frau Der Krieg hat mich grau gemacht … Vielleicht haben Sie noch gesehen, Daß ich – Beim Gehen – Mit der Spitze vom Schirm vor mich – Hintaste  ; ich bin nicht blind – S’ist nur weil mir Brillen lästig sind Himmlischer Vater, jetzt hab ich gelogen  ! Und ich wollte doch die Wahrheit sagen – Das ist ja eben der Jammer Und darum habe ich überhaupt davon angefangen, Das ist ja die Schande, die mir das Blut Treibt in die alten Wangen. Ich taste nicht vor mich hin, Weil ich kurzsichtig bin. Das Weiße hier Vor mir Auf dem Pflaster Ich stochere mit dem Schirm Drin herum – Wenn es raschelt, ist es Papier – 42

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Ich seh’ mich um – Niemand da – Vielleicht raschelt es nicht, Vielleicht bleibt es stumm. Ach ich such – ach ich such – – Vielleicht ist es ein Taschentuch. Einer hat es verloren Und es hat ihm bis heut nicht gefehlt – Es sind so viele im Kasten, Daß er sie niemals zählt. S’ist erst im Staub gelegen, Dann fiel Regen, Die Menschen gehen in den Gassen herum Und treten drauf. Wehrlos liegt es hier. Wenn es raschelt, ist’s Papier – Doch vielleicht bleibt es stumm. Einmal hab ich eines gefunden Und mein Mann hat sich danach gebückt Und wir lachten wie die Kinder Denn ein kleines M war eingestickt – Und ich heiße Marie – Dann haben wir es nachhause genommen Und vergessen. Und als es aus der Wäsche gekommen, Hat es das Mädchen in den Kasten gegeben. Damals hatte ich noch ein Mädchen und eine Köchin. Ja, das war ein leichteres Leben. Ich hab ihr das Taschentuch geschenkt. Es war aus Batist und auch sie Hieß Marie. Heut muß ich alles alleine machen, – Er ist gelähmt, mein Mann. Es ist nur so schwer, Wenn man gar nichts nachschaffen kann. Und ich hielt so viel auf meine Sachen. Am Besen die Borsten von Stroh Sind ausgefallen – Das Staubtuch ein Lumpen – 43

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Das kränkt mich so. Drum kann ichs nicht lassen Geh ich durch die Gassen Mit dem Schirm zu tasten Vor mich her – Drin der Kasten, Ach mein schöner Wäschekasten Mit den rotseidenen Bändern, Ist leer. Das Weiße hier Wenn es raschelt ist’s Papier Ich seh mich um – Vielleicht raschelt es nicht, Vielleicht bleibt es stumm. Ich such, ich such Ein Taschentuch, ach ein Tuch – Und dann zur Funke die Zeichnungen von Maja angeschaut  ; alle nicht sehr gut, weder besonders ähnlich, noch seherisch. Aber eine der zwei gut gezeichnet. Mir war’s peinlich, aber ich hab’s ihr doch gesagt. Blieb dann länger, um sie wieder heiter zu bekommen. Der Fehler unsererseits. Maja nicht das richtige Modell für sie. Sie war wieder nach Indien gereist, hat einige Aquarelle davon mitgebracht. Ich mußte mir Indien ansehen, auf die Heizung steigen, dann zum Fenster hinaus, in der Regenrinne stehen, vier kleine Töpfe mit Kaktussen drinnen  ! Sie hatte nasse Augen, als ich mich nach ihr umsah. In der Elektrischen wieder gedichtet.18 Adele Zorn heißt meine Madame, (So nennt man bei uns die Hebamme). Sie arbeitet sonst nur bei Aristokraten. Unter einem Baron Ist ihr noch keiner ans Licht geraten Gar nicht von Adel Ist mein Mann. Wir strengen uns halt mit dem Trinkgeld an. Ich schenke ihr noch dazu Ein Paar gestrickte Schuh. Sie hat bisweilen über Kälte geklagt Über Kälte in den Füßen – Mir fehlte der Mut 44

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Sie ihr anzubieten Sie hat sie genommen, Sie hat gesagt, Sie wären für den Winter gut – Das Trinkgeld, glaub ich, war hoch genug, So nebenbei dankte sie dafür  ; Und mit der Tasche, die sie beim Kommen trug Ging sie und stand noch in der Tür, Und lobte das Kind noch über den grünen Klee, Wie lang es sei, wie rosig, wie schwer Und wie es dem Vater ähnlich säh Und wie es genau so gewesen dort und dort Und zählte noch einmal die schönen Häuser her, Doch ließ sie diesmal die Titel fort. Beim Gürtel war ich fertig und kam furchtbar ins Gähnen.19 5. Juli 1923 Heut war Ehrlich da, er will mich modellieren u. schon morgen anfangen. Ich tu ihm gern den Dienst, fürchte nur, daß es mir sehr viel Ruhe nehmen wird. Dann bei Figdor, der alte Herr jetzt 80 geworden, rührend gut gehalten, aber geschwollene Füße, muß viel liegen. Jetzt war ich vielleicht zum 50sten mal bei ihm u. alles, was ich ansah, war mir neu. So geht es jedem bei ihm. Über die Stummheit der kleinen Holländerin war er ganz fassungslos. Das Projekt „Produktivgenossenschaft für Ehrlich“ geht gut, derzeit 7 Mitglieder. Grimschitz und wir zeichnen zusammen eine Aktie. Ich habe Ehrlich meine Ballade vorgelesen „Sie haben mich öfters gesehen …“ Ich möchte, daß er sie illustriert. Er weiß noch nicht, ob er’s kann, er glaubt, es geht ihm zu nah. Es tut ihm zu weh. Er sagt, es ist das Persönlichste, das er seit langem gelesen. –20 Den ganzen Nachmittag in der Albertina die, dem Erzherzog gehörigen Blätter, Deutsch des 19. Jhs für die Schätzung bzw. Ausfuhr herausgesucht. Schöne Zeichnungen von Makart, sonst meistens Dreck […] […] eine Büste von mir angefangen. Ich aber daweil* ein Gedicht gemacht.21 In der Vorortebahn Steigt eine junge Frau ein – Fest und weich ist Und warm * unterdessen

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Abb. 6  : Wien, Verkehrskarte.

Ihre Brust unter dem lichten Battist. Einen Säugling hält sie im linken Arm Und ein zweites Kind, das auch noch klein, Führt sie an der rechten Hand. Zwei stählerne Ringe Tragen die geblumte Tasche, Sie hängt sie an den Hacken in der Wand, Drinnen sind unten die wichtigen Dinge, Windeln und Semmeln und allerhand, Darauf dann Ein beschädigter Hampelmann. Der Säugling schreit – Sie lacht, 46

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Öffnet den Knopf vorn am Kleid Und im Nu Hat sie die Brust frei gemacht – Ein Taschentuch deckt sie zu. Dann Kirschen fürs zweite Kind Doch beißt sie zuerst die Kerne heraus, Weil die gefährlich sind. Und Mit einer Serviette von Papier – Ja, das muß sein – Reibt sie den Mund, Den rotschwarzen Kirschenmund, Wieder rein. Immer hat sie zu tun, Sie duftet warm Und es dunkeln ihr Halbmonde unterm Arm. Meine Kinder sie sind schon erwachsen  ; Die Tochter ist Lehrerin Im dritten Bezirk Und der Sohn bei der Bahn In einem Gütermagazin. Der Posten ist heute nicht leicht Doch vor zwei Dutzend Jahren – – Wie die Zeit verstreicht – Da waren Auch sie noch klein  ; Ich aber konnt niemals – So – so – so – selbstverständlich Mit ihnen sein. Meine Augen wurden feucht Und meine Hände bebten, Legt ich sie in den Wagen, In den Kinderwagen hinein, Und ich dankte dem Himmel, Daß sie lebten  ; Und wenn sie ruhig lagen, Kniete ich leise in ihre Stille – Da durfte ich bisweilen sehen 47

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Wie Ihre Augen mit den Wolken – – gehen. Die Zeit blieb stehen. Nachmittag Barockmuseum mit Ehrlich u. der Holländerin – aber es war finster, Gewitterwolken, gar kein Sonnengitter auf der bleiernen Kaiserin.22 Dann ein Sprung bei Mama, die mir eine entzückende Goldkette zum altgoldnen Kleid gab. Abschied von Maja, die sehr schwer wegfährt. Ich habe rheu­ma­t[ische] Schmerzen an der rechten Hand, die auch anschwoll. Abends bei Planiscig, der gegenüber dem Burggarten wohnt mit einem Balkon über die Ringstraße. Wundervoller Eindruck. Sternennacht über den dichten Bäumen der Straße u. des Parks  ; dazu die Lichter der Autos und Elektrischen rot, weiß, gelb und Großstadtlärm mit der Orchestermusik aus dem Garten untermischt. Zum erstenmal ganz Großstadtgefühl, so ungewohnt in Wien, wo es uns kein Impressionismus beibrachte. Monet, Signac etc. haben uns Paris so sehen gelernt, wir haben nur Romantiker für Wien gehabt. In einem bequemen Stuhl saß ich lange auf dem Balkon u. verlor zweimal kurz nacheinander die Sinne. Ein süßes aber doch bisschen unheimliches Gefühl – zum erstenmal bei fremden Abb. 7  : „Die bleierne Kaiserin“ – Franz Xaver Messerschmidt, Maria Theresia, 1764–1766. Leuten. Die Frau bisschen wie eine Soubrette, aber die wundervollen blonden Haare sind schon ein wenig weiß. – Sehr pikant. Sonst einfach. Mit dazugelernten kunsthist[orischen] Interessen. Ich trank schnell 2 Schalen Schwarzen u. 3 Stamperln Schnaps u. die Ohnmacht kam nicht wieder. Riesengroße Detailaufnahmen von Riccio angeschaut, die ins neue Buch von Pl[aniscig] kommen sollen. Die Wohnung sonst wie der kleine Castiglione, aber weil eben reduziert in Größe und Fülle sehr angenehm wirkend. Hans sehr lieb beim Nachhausegehen. Aspirin, Fieberträume, früh auf.23 7.VII.1923 Streckstuhl unterm Nußbaum, Aspirin. Dann Ehrlich, der Gottseidank die Lust am Modellieren wieder verlor u. mit seinem Ton abzog. Um 4 dann bei ihm, wo ich Stößl, Lampl u. einem Architekten Berger den Todessprung vorlas. Sie waren wirklich ganz entzückt davon und ergingen sich im Schimpfen über die Theaterdirektoren. Sie lobten alles  ; auch die Schwächen, zu denen sie den allzumilden Schluß rechneten. Ach 48

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Abb. 8  : Der Schriftsteller Otto Stoessl.

Abb. 9  : Fritz Lampl, expressionistisches Multitalent.

Gott, es sind lauter abgetakelte (Stößl) oder noch nicht arrivierte (Lampl) Existenzen. Mir ist eigentlich so ein Umgang mit Literaten sehr unangenehm. Die Fachausdrücke, das Gewerbemäßige, dort wo ich eigentlich nur das tiefste Herzensbedürfnis drin sehe. Ehrlich, der von einer ganz anderen Ebene hinkommt, ist mir das viel liebere Publikum. Ich darf mich aber nicht beklagen, denn der Eindruck war wirklich sehr sehr ehrlich u. groß  ! Ehrlich hat uns so viel u. Köstliches zu essen gegeben – mir hat das Herz weh getan – – – so ein armer Bursch. In der Elektrischen hab ich gedichtet. –24 8.VII. Und es heute am Streckstuhl fertig gemacht. Ich habe sie lange nicht geseh’n Mein Gott, die Stadt ist so groß. Und man hat immer so viel zu tun – Aber ich habe oft an sie gedacht. Ich hörte einmal, daß sie schizophren In einer Heilanstalt untergebracht, Aber sie durfte frei In der Stadt spazieren Auch gelegentlich nachhause geh’n, Weil sie nie etwas Schlimmes gemacht. 49

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Ich hab so eine Scheu Vor Irren Von jeher schon. Heut früh Traf ich sie In Mariahilf. Wir blieben vor einer Auslage steh’n. Ich fand nicht den alten Ton  : Mir war’s so schwer Und ich mußt mich zwingen Und konnt es doch nicht Ihr ins Gesicht Zu seh’n. „Was treibst du  ? Wie geht’s dir  ? Wo kommst du her  ? Da schau nach diesen, Man möcht’s nicht glauben, nach diesen Nägeln such ich, es ist zu dumm Schon seit neun Uhr in ganz Mariahilf herum.25 Seite fehlt (Forts. 10.VII.1923) unten, als ob ich zuviel gesprochen oder gelächelt hätte. Sicher wegen der dummen Medizinfresserei. 11.VII. Heut geht’s endlich besser, ich bleib noch zuhause u. nähre mich mit Pulverchen, vielleicht ist es dann morgen ganz gut. Streckstuhl, Strümpfe gestopft u. ein Gedicht gemacht. Vielleicht das 5. der Wiener Bänkel. Kein Mond, doch hell Die Sterne. Dazu das viele elektrische Licht Vom Kobenzlhôtel.26 Ganz in der Ferne Musik. Ein Walzerlied Zieht Durch die Luft – sinkt Dann Nieder und 50

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Schmiegt Sich rund An die Hänge  ; liegt Auf der Wiese wie Tau. Ach das ist alles nicht für mich Ich Bin eine alte Frau. Eine Gesellschaft kommt vorbei Zwei und zwei Die Mädchen in lichten Blusen Sie sind vom Lachen Müd – – Hinterdrein Geht einer allein – Das muß so sein – Ja, Er spielt für die andern ein Lied Auf der Harmonika. Ich ging neben ihm In einer solchen Nacht Müd gelacht. Und wußte seinen Namen Kaum. Die Worte kamen So fremd auf mich zu – Er sprach sie doch – – Die Worte kamen Von irgendwoher Mit großen Augen Und buntem Staub Auf den Flügeln  ; Hielten den Atem an Schaukelten stumm Im Raum, Flogen zurück dann Und schauten 51

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Sich nicht um. An den Lindenbäumen Bette Das Laub In Träumen. – Ich aber Lebte Ach ein kleiner Wind weht Über den Hang  ; Jetzt mitten in der Nacht Ist er aufgewacht  ; Die Zahnradbahn geht Schon lang Nicht mehr. Schon viele Jahre lang Nicht mehr Sträucher stehn im Geleise. Manchmal schmerzt Altwerden sehr, Und die Erinnerungen, Die lieben, An denen man doch so hängt, Schmerzen noch mehr. 12.VII. Gestern abends war Dr. Schwarz (zum ersten Mal) bei uns. Sehr nett, langweiliger Tonfall. Heut vormittag Frl. Leisching im Namen der Volksbildungssektion bez[iehungsweise] des Schulbücher-Verlages mich aufzufordern ein Buch über d. österr[eichische] Skulptur von – bis zu schreiben. So lang ich will. Mit so viel Bildern ich will. Meinetwegen. Die Bedingungen sind nicht die allerbesten …27 So so heiß. Zu Mittag hab ich zu viel Salat gegessen … Auch war ich für heut Nachmittag auf Alleinsein eingestellt u. Mieke (Holländerin) war dann da. Kurz, etwas nervös jetzt … 13.VII. Gestern abends Salvendy u. Zirner  ; ich so müde, daß ich auf meinem Streckstuhl fast eingeschlafen bin. Sie haben in Italien viel gemalt, sogar auch verkauft. Fach­ gespräche, Ausstellungswesen u. s. w. Heute mit Mieke in Mariahilf, dieses trocken shopping gehen (siehe trocken rauchen) ist so traurig, wenn auch in Mariahilf die Versuchung für mich nicht so groß ist. Im österr[eichischen] Werkbund dann gläserne 52

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kleine Tiere gesehen, weiße Igel mit blauen Spitzen – Grashüpfer – Vögel. Frl. Leisching, die mich gestern fast geworben hätte, heute telephonisch auf Wunsch des Hans abgesagt. Mittag bei Mama, dann zum Schwarzen bei Georg Halle, der eine sehr sehr gute Zeichnung von Philippi erworben hat. „Es dichtet“ in mir …28 14. Juli 1923 Gestern abends war Frau v. Mikuli da  ; Mieke hat eine Karte für die Rückreise bekommen u. war sehr verzweifelt darüber, da sie noch gern bleiben möchte. Und immer noch keine Erlaubnis aus Utrecht. Am liebsten möchte sie aus Holland fort – wie jeder Holländer, den ich kennengelernt habe …29 Das Gedicht, vielleicht bisschen süß – es ist eben der Versuch, eine frühere Stimmung wiederzurufen … Der Garten – Nein du Laß meine Hand Und sieh mich nicht an, Sonst kann Ich dir nicht erzählen Wie’s früher war, Bevor ich dich gekannt. Weißt du Das Schönste war doch Der Garten – eigentlich nur Ein bewachsener Hang – nein, Viel schöner noch War die Mauer herum  ; Die kahle Wand Um den Hang – Und der tiefe Graben Mit den Haselstauden Der Mauer entlang. Und Drinnen im Garten Der Brunnen – so tief  ! Nie Fand man den Grund. Dort unten warten Die Goldmarie und die Pechmarie  ; 53

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Oft rief Ich sie Und spielte mit ihnen Im Schatten Der Tannen, Wenn mich am Brunnenrand Der verwunschene Frosch Und der goldene Ball Gelangweilt hatten. Du hörst nicht zu, Erzähl du. – – Ich saß Ganz still Und paßte, bis eine Marille Fiel Ins Gras. Kaum Hatte ich Hosen bekommen Bin ich selbst hinauf Auf den Baum. Du hörst nicht zu. Erzähl du. – – Ich saß Auf der Bank Im Traum. Seite fehlt (Forts. 15.VII.1923) – Das sagt man so – Und gerade zuvor Waren alle froh Gewesen und hatten gelacht. Ich sah mich nach der Schwester um – Sie stand am Fenster – „Schwester, bitte, was macht Die alte Frau im drübern Saal, Die immer 54

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So lieb mit mir war  ?“ Die Schwester blieb Lange stumm Und ließ mich warten – „Sie tragen Gerade den schwarzen Schwager Durch den Garten Unten – zum Leichenwagen.“ So hab ich mir das stärkste Erlebnis vom Mai 1921 von der Seele geschrieben. Sie war Witwe eines Polizeimannes und hatte Darmkrebs. Wenn sie sich wusch, sah ich ihren armen Rücken, der immer so erschütternd zuckte vor mir. Und war so gut zu mir  !30 16.VII.1923 Heut fährt die Holländerin fort. Gestern haben wir noch spät abends einen Spaziergang über den Himmel auf d. Kobenzl gemacht. Es war ganz finster, ein entnervender Sturm ging und Wetterleuchten am Horizont. Wir trafen keinen Menschen. Es war gewiß schön – ich hatte aber solche Angst – vor Mördern und Schatten, raschelnden Blättern – also vor dem Wind. Ich habe gewiß zehnmal auf dem Weg mit dem Leben abgeschlossen. Mitternacht waren wir unten. Zurück war es besser, weil wir da über die geölte Kurvenstraße hinuntergingen und also nur die (wirkliche) Gefahr liefen, von den Autos überfahren zu werden. –31 Heute Mittag reiste die Holländerin schweren Herzens fort. Sie bekam ohne Rauferei einen Platz, da es heute der erste teure Tag war. In der Albertina holte Ehrlich die restlichen Gedichte ab  ; morgen hat der die Besprechung mit d. Verleger. Er fragte mich, wie viel ich für d. Gedicht verlange. Mein Gott, woher soll ich das wissen … Da Kiesler morgen Vormittag herauskommt, um den „Tobias“ kennen zu lernen, ging ich schon gegen ½ 5 aus d. Albertina heim um ihn aus den vielen Einflickungen etc. bisserl lesefertig zu machen. Heute ist es schwül u. bisserl weinerlich am Himmel oben. Seite fehlt (Forts. 17.VII.1923) und das letzte Stück Geh Ich mit dir 55

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An die Tür Steh ich steh Ich stütz mich auf dich So ist es gut – Und das Was kommen muß, Tut Nicht weh. 18.VII.1923 Gestern abends Georg Halle u. Frau. Zwei gläserne Rehe mitgebracht, sehr zerbrechlich. Nachtmahl im Garten, Hans von einem Viech am Aug gestochen, ganz geschwollen, er hat’s gar nicht gemerkt. Dann kam Ehrlich u. brachte mir 2 Probendrucke (Lithos) von einer alten Frau, die er jetzt gemacht hat. Er spielte mit einer kleinen Katze, die sehr melancholisch blieb, da sie offenbar gut gehalten war u. den Weg nachhause vergessen hatte. Ich ließ sie Milch trinken. – Als Halles weg waren, las ich Ehrlich obiges Gedicht vor, das Nummer 7 werden soll, er sagte das ist d. Beste (wie jedesmal). Gestern war doch noch Kiesler da gewesen u. war eigentlich platt gedrückt vom Tobias (ich etwas weniger) er sagt  : Ganz Realismus u. doch spürt man überall die vierte Dimension. Auf seinen Rat hin schrieb ich der Bergner, ob sie wirkl[ich] entschlossen sei, d. Stück zu spielen. Ehrlich teleph[onierte] mir, daß Hübsch (Thyrsosverlag) prinzipiell einverstanden sei aber wegen meiner Honorarforderung noch mit dem Hans reden würde – ich schrieb expreß an Alma (bez[iehungsweise] Werfel) u. schickte das Gedicht mit dem Taschentuch (das einzige getippte) u. fragte, wie hoch im Preis diese Ware stehe.32 19.VII. Gestern früh Albertina. Müd gearbeitet. Lustiges Blatt von Russ (um 1830  ?) gefunden, Abschied d. 3 Brüder Muhrauer (böhmische Dragoner  ?) von ihrem sterbenden Vater – wie eine Karikatur nach David oder Füger. Herrlich lustig. Mittag bei Mama. Abends war Tikkanen bei uns. Er war aus Helsingfors bei Schnee u. Eis fortgefahren u. hat nur einen dicken Anzug mit. Hier schwitzt er mehr meta sudans. Feine Gelehrtenstirn. Spricht ununterbrochen. Schnarrend, darum anstrengend. Alter Herr. Sehr lieb. „Mir ist zumut als wär ich daheim in Finnland unter alten Freunden, so wohl fühl ich mich bei ihnen.“ Er ging bald nach 9 Uhr u. wir ließen ihn. Regen, trüb. Heute zuhause ein Gedicht  :33

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(Vroni). Sie ist die Jüngste. Sie ist die Jüngste … Sie kam zur Welt Im letzten Jahr Vom Krieg, da nichts mehr, Auch um Geld, Um vieles Geld, Zu haben war – Und wir, Wir hatten keines. Ach ihre zarte Haut Blieb auch im Sommer weiß – Sie war viel krank. Ich mußte ihr das Haar, Das lang und lockig war, Kurz schneiden. Es machte ihr so heiß. Ich kniet’ an ihrem Bett – Die armen Füße leiden – Sie fragen  : Warum Müssen wir es tragen. Die armen Hände lächeln In Geduld. Ich weine – Es ist meine – Meine Schuld. Um ihre Stirne steht Ein Heiligenschein – Die Augen, ach die Augen Verzeihen. Mein Mann – Liebt das Kind. Im Winter jede zweite Nacht Hat er Überstunden – In der Kälte Überstunden – 57

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Gemacht. Dann Haben wir einen Ort gefunden – Und ich hab’s hinausgebracht – Aufs Land Hinaus – Die Bäurin stand Vor dem weiß gekalkten Haus – Und ein schwerer Birnbaum spannt’ Seine Arme aus. Schüchtern hat sie das Haar Dem Kind aus der Stirn gestrichen … Als es heimisch war, Bin ich fortgeschlichen. Sie nahm Mein Kind bei der Hand – Und ich sah durch den Zaun, Wie sie Futter streute – Und die Henne kam Und mein Kind – Mein Kind sich freute. Die Bäurin schreibt  : Sie hat zugenommen Und rote Wangen bekommen. Und nie ist die Zeit ihr lang Und nie Ist’s ihr lang – Morgen hol ich sie – Nachhaus. – Ich ließe sie Gern noch dort in den Herbst hinein. Aber das Geld ging aus. Ich hab nur so Angst – Ach Kinder dürfen Vergeßlich sein – Daß sie mich nicht erkennt – Und die andre Mutter nennt. 58

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Ich meine, das soll Nummer 7 werden und das mit dem Buben [„]Erst saß er mir im Arm[“] – das letzte. 20.VII. Im Bett Grabbe, Napoleon, Hannibal. Wunderbare Nebenrollen. Witzig. Am späten Nachmittag Frau Steiner – den Damen Zirner u. Fischer scheint ihr Portrait gar nicht gefallen zu haben. Es hat sie sehr betroffen. Abend Reichel von der Albertina. Sehr ein lieber u. auch armer Mensch. Belastet von Sorgen u. möchte genießen, möchte Musik machen …34 Spät ins Bett. Wenig geschlafen. Die Ungarn haben ihre Listen geschickt. Sie verlangen alle Bilder etc., wo die hl. Elisabeth vorkommt (nächstens werden die Schlesier u. Polen auch diese hl. Elisabethianen verlangen), dann alle Corvina u. überhaupt jede Sache die einmal irgendwie Ungarn gestreift hat. Hans hat sofort scharf abgewiesen u. jetzt werden d. Listen verarbeitet …35 21.VII. Heut kam ein Brief von Dodgson, seine Frau war 9 Wochen auf d. Tod krank. Ich glaube, wir werden wieder nicht hinfahren, es ist doch eine große Zumutung Logierbesuch unter solchen Umständen …36 Alma schreibt mir ganz entzückt über d. Gedicht (Taschentuch). Ich soll 15 % verlangen, wenn ich davon Vorschuß bekomme, desto besser, sonst im Nachhinein verrechnet „Verkaufe sie nicht, sie sind zu gut dazu …“ 22.VII. Gestern hat Fannina Halle uns ihren Kokoschka zum Aufheben gebracht, das Bild die [„]Flucht nach Egypten[“]  ; ich hab’s ins kleine Zimmer gehängt u. den Kars ins Speiszimmer in den Erker hereingenommen. Es wird uns schwerfallen, uns von diesem Bild OK zu trennen. Ich hab heut den Versuch gemacht, mich in einem Gedicht zu objektivieren. Und das, um ganz gewaltsam anzufangen, mit einem Gedicht über d. Nachtschmetterlinge, die mir doch die unheimlichsten Gesellen sind.37 Nachtschmetterlinge Ich bin nach dem Bad Und trockene mich Mit dem Frottiertuch Ab. Drei weiße Gespenster Kleben am Fenster – Mit runden Blicken In den toten Höhlen 59

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Schaun Sie das Graun Mir über den Rücken. Ich wecke Sie mit dem Schein Der Lampe – und Lasse sie ein. An der Decke Oben im kreisenden Glanz, Keuchen sie ihren Totentanz – Und von einer Ecke In die andre Ecke Fegen Ihre Flügel – Mit den letzten Schlägen Fallen sie ins Buch. Zucken und – Schlafen ein. Ein Fetzchen Fließpapier, Liegt es hier – Einsames Blatt vom Baum – Rest der aus einem Traum In den Tag herein … Heut früh kam überraschenderweise der alte Glückselig. Er wollte einen Artikel sich ausborgen, den Hans 1916/17 in d. Kunstchronik übers Expertisieren geschrieben. Im Jänner fuhren d. Antiquitätenhändler auf 6 Wochen nach Egypten u. Jerusalem … Dazu könnt ich mich kaum entschließen …38 23.VII. Heut vormittag viel im Hause geholfen, Matratzen in d. Garten getragen, alles für mich zu schwer. Zwischendurch ein Gedicht aus vergangenen Stimmungen heraus. Kollegen Heute früh – oder gestern – Haben wir uns auf der Straße gesehen – Wir hätten können Einer am andern vorübergehen – 60

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Und wollten es auch – Und blieben Doch stehen. Ich begleitete ihn dann ins Bureau Denn er sagte, er habe Eile – Wir standen vor seinem Haus So … Eine Weile – Dann brachte er noch ein Stück Mich zurück … Ach wenn ich einsam bin, Weiß ich, was ich will. Straff gespannt Ist die Zeit – Und die Ewigkeit Sitzt in meiner Hand Und das Flügelschlagen Hält still … Abends wieder – An den runden Tisch Mit der roten Politur – Setzt er sich nieder, Mir gegenüber. Und ich weiß jeden Strich In seinem Gesicht – Und lieb ihn nicht. Ich laß ihn nur Um mich. Und ich spreche … Spreche das, was ich plane Und wes das Herz mir voll, Was ich ahne, Was ich erst formen soll – Meinen Schatz und meine Not Spreche alles herunter – Spreche alles tot. 61

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Ich bin fertig. Arm wie eine Kirchenmaus. So so Gern – möcht ich nachhaus. Er steht auf – und – Ich zu ihm mit gequältem Mund  : – Hier sperrt man zu  ; ich bin froh Daß ich dich getroffen. Dort drüben am Eck Ist noch offen … 24.VII. Gestern Nachmittag bei Georg Halle, der wundervolle Graphik von Barlach gekauft hat (auch Chagall, Fiori, Nolde, Lautrec) u. vor allem Vlaminck. Einen Degas hab ich ihm eingeredet … Unsre Wiener Sammler gehen nicht auf „Marken“ wie die Berliner. Sie kaufen nicht, weil d. Autorität eines Publizisten oder der hohen Bewertung dahinter steht. Halle z. B. hat den Namen Vlaminck nie gehört gehabt – er hat ihn also für sich „entdeckt“. Dann Rendezvous bei Ehrlich mit Hans, dem ich aber vor dem Haus der Halleleute auf der Straße begegnete. Er kam vom Haarschneider, da Therese mit d. Schere in Lofer ist … Ganz ausgezeichnete Zeichn[ungen], sogar Aktzeichn[ungen], die doch immer langweilig sind, gesehen u. auch das Bild vom Judaskuss, nach einjähriger Unterbrechung bei der Abb. 10  : Georg Ehrlich, Therese Kurzweil, um 1923. es sehr gewonnen hat. Abends bei Frl. Bondi (Würthle) in der Leopoldstadt. Das Haus sonderbarerweise in dieser Umgebung u. obwohl es neu ist mit Palaiscachet – die Leute noch sonderbarer, Nichten einer Schwägerin, die wie eine entwässerte Wasserleiche aussah u. immer komplett einfach simpel geisteskrank sprach. Ihr zweites Wort war  : ich bin nämlich so patriotisch u. dann erzählte sie Appercus über die „Majestät“ des alten Kaisers (Wilhelm), über Bismarck, wie sie vor 30 Jahren in der Provinzpresse zu lesen waren. Neben dem witzig grotesken Großstadtmenschen Flechtheim, der „geboten“ wurde, eine Sensation. Während des Essens (ein richtiges Kunsthändler – 62

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(jüd[ische] Kunsthändler) – essen an Üppigkeit) tauchte ein alter Mann auf, wurde ringsherum unter dem Namen Dr. Kohn vorgestellt, behielt den Hut auf, setzte sich an d. Tisch, aß nicht u. ging, nachdem er sein Deplacement eingesehen hatte. Nachher kamen Rathe u. Dolbin, ersterer besprach mit Flechtheim eine Fioriausstellung, letzterer skizzierte, d. h. karikaturierte herum. Flechtheim (ich sagte ihm „sie haben den publiziertesten Kopf den’s gibt“) ist nicht zu verfehlen (Difficile est, satiram non scribere). Flechtheim erzählte viele Anekdoten, vor allem von Liebermann. Da sie gewiß alle im „Querschnitt“ stehen (das ist seine Zeitschrift) schreib ich sie nicht auf. Von Clemen erzählte er, daß er sich immer Schuppen auf den Rockkragen gebe, damit man glaube, er habe wirkl[ich] Haare u. keine Perücke …39 Wir mußten zu Fuß nachhaus (Steiners sogar bis nach Hietzing  !) um 2 h löschten wir aus. Aber ich hörte noch ½ 4 schlagen u. war um ½ 7 schon wach. Fahr jetzt hinein den Oeuvrekatalog für Ehrlich machen.

Abb. 11  : „Sie haben den publiziertesten Kopf den’s gibt“ –

Otto Dix’ (1891–1969) Porträt des Kunsthändlers Alfred 25. u. 26.VII. Die Radierungen hab ich fast bis zu Ende fer- Flechtheim, ca. 1926. tig gebracht, den Rest muß er jetzt alleine machen. Jedes Blatt, das mir gefiel wollt er mir schenken und Zeichnungen – ich nahm aber nichts. Er drängte u. endlich erklärte ich es ihm. Bin augenblicklich so absolut geldlos, daß ich mir nichts kaufen könnte – darum darf ich auch nichts geschenkt nehmen. Eine unvollendete Radierung eines Narren nahm ich mir, ein Selbstportrait. In den Abzug sind die Füße mit Tintenblei hineingezeichnet …40 Am 25. waren wir, Hans u. ich, über Land. In Heiligenkreuz, aber bei Gutenstein, aber bei Sitzenberg. Schönes Barockschloß von 1738 mit einer um 2 Dezenien späteren Kirche, darin Maulpertschfresken (Auffindung d. Kreuzes) u. 2 Maulpertsch­ altarbilder (Hl. Wendelin u. Franz Xaver) diese stark eingeschlagen. In d. Schloßkapelle Trogerfresken. Auch sehr sehr gut. Harmlose, liebenswürdige Leute, ein Vetter von Albert Figdor, ein Pflanzenphysiolog hier an d. Universität, – seine Frau eine Schwester des Anatomen Hochstetter („der Mann ohne Überzieher“). Da die Kunst um 1 Uhr erschöpft war, war das sich daranschließende Familienleben (bis

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Abb. 12  : Wien, Innenstadt.

der Wagen uns um 6 wieder zur Bahn brachte) etwas anstrengend. Im Personenzug gut ausgeruht. Erst im Finstern zuhaus. Ein Bahngedicht gemacht. Im wesentlichen fertig – heute früh nur mehr „geputzt“. Ich glaube, man kann es beliebig verlängern, wie überhaupt d. Eisenbahnreisen.41 Auf dem letzten Geleise Eisenbahnwagen Mit Rindern drin – Ihr langsames Gebrüll Steht in der Nacht. Sie fragen  : Wohin Werden wir gebracht  ? – – In den Magen Zu großer Stadt … 64

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Für ein hundertstel Sekunde Macht Ihr sie satt. – Abgeblendet ist das Licht. Die vier in den Ecken Haben ihre Mäntel und Wetterkragen An die Nägel gehängt Und verstecken In den Falten ihr Gesicht. Sie schlafen. Mitten unter den vielen Leuten Kreisen sich ein ihre Einsamkeiten. Mir gegenüber Eingezwängt Ein schlafendes Paar … Sein dürftiger Hals bricht Über ihr Haar, Grau Und schlicht – Sie drängt Sich an seine Brust. Armselige Geste – Reste vergessener Lust Andre Schläfer … Neben mir eine Frau Mit einem schlafenden Kind Sonntagsmüd. Sie riecht Nach Wiese Und neben ihrem Arm Ein Marienkäfer Kriecht … Auf dem Gang draußen ein Schwarm Ausflüglergelichter Hohlspiegelgesichter – Einer beginnt 65

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Ein Lied … Die andern lachen es fort, – Bevor’s noch Farbe hat – Vom Wind Verwehtes Blatt … Wir halten Auf der Strecke – Einer in der Ecke Zuckt aus den Falten Hinauf zum Licht  : Sind wir schon dort  ? – – Nein, Wir sind noch nicht – In der Stadt, in der Stadt Noch nicht  ! Laternenschein Schwingt auf und nieder Den Zug entlang – Wir fahren wieder. 27.VII. Gestern nachmittag bei Lotte Edlauer Nervenheilanstalt Rosenhügel. Es war furchtbar. Nach der Depression jetzt ein manischer Zustand, man will sie nicht mehr dortbehalten. Sie hat immer hohen Puls, roten Kopf u. spricht ohne Unterbrechung Stunden u. Stunden. Geistvoller u. logischer als jemals zuvor. Viel von Verfolgungswahn ist schon dabei. Wenn ich ihr manches auszureden versuchte, unterbrach sie mich immer  : Ich bitt dich  ! Du nimmst mir meine Krankheitseinsicht u. da komm ich gleich unter Kuratel* – Sie schimpft auf alle Psychiater. „Jeder muß verrückt werden, wenn er immer u. in allem beobachtet wird.“ Es ist das sicher ein Circulus. – Mit einem Kopf so groß wie ein Wasserschaff kam ich Abend zu Steiner, wo ich mit Hans u. Kaschnitz einen sehr gemütlichen Abend verbrachte. Leider hab ich ihn selbst nicht ganz ausgenießen können, weil ich von dem Besuch vorher zu abgespannt war. Aus einer Jungmädchenerinnerung, über die ich oft mit meiner großen Schwester Ilse lache, ist ein Gedicht geworden.42 * Pflegschaft

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Die Schwestern kommen heim vom Ball. Marie hat blonde Haare die Um die Stirne wie Champagnerwein moussieren Elise der schönsten Hals – und Ist auch sonst Weiß und rund. S’ist drei Uhr früh – Für eine Tanzunterhaltung nicht spät – Wenn nur der Tag Morgen Bisschen später anfangen tät. Sie huschen durchs Stiegenhaus*. Die Zugluft weht Den Kerzenstummel aus. Sie fürchten sich … Fürchten sich vor allerhand, Vor Dieben und Kellerratten – Und vor dem Schatten An der Wand. Am meisten fürchten sie sich Vor Augen – Ach Augen gibt’s überall … In ihrem Zimmer ist’s heimelich – Sie kriechen Aus ihren Kleidern Und streichen die Falten glatt – Und riechen Sich satt An den Blumen Die jede bekommen hat – Und erzählen einander vom Ball. Dort haben sie sich Gar nicht gesehen – Nur in der Pause * Treppenhaus

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Vom Weiten beim Buffet Und dann im Saal Einmal Walzten* sie in der Näh. Jetzt sind sie gar nicht müde … Und statt ins Bett zu gehen, Bleibt Marie Vor dem Spiegel stehen – Löst die Frisur Und kämmt Mit dem Staubkamm ihr Haar – In aller Gemütlichkeit. Das geschieht Selten nur, Fast nie – Denn es nimmt ihr Zu viel Zeit. Und Elise – hockt auf dem Bett – Und schneid’t Sich die Nägel an den Zehen … Und ohne Eile Manikürt sie mit Crème Und macht Die Ränder glatt mit der Feile … Als wären’s die Hände. Und so Geht die Nacht Zu Ende. 28.VII.1923 Heut Mittag ist Alf gekommen. Wunderbar braun gebrannt aber doch moralisch kollabiert. Er ist nämlich auf den allerhöchsten Berg nicht hinaufgekommen u. später dann hat er sogar einen Ischiasanfall gehabt, den er sich an einem warmen See ausheilen mußte. Alt geworden …43 * Walzer tanzen

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Der Brief Die Burgl spricht ganz tief Und legt ihre Stirn in gewichtige Falten  : „Heut schreib ich einen Brief. Dem Papa Da schreib ich alles, alles hinein – (Und im Predigerton) „Alles auf Erden“ – Dann seufzt sie und sagt  : „Das wird sehr schwer sein Und sehr lang werden.“ Das war beim Frühstück – nachher Hat sie’s vergessen  ; Geht spielen mit der Anni und der Toni – Das sind Sommergästekinder. Und mit ihrer Schwester, der Vroni Ballschupfen, Tempelhupfen. Sie ist die Schnellste und gewinnt – Da fällt’s ihr wieder ein – Das muß auch in den Brief hinein. Zum Essen Kommt sie zurück Springt Im Wechselschritt – Das letzte Stück Auf einem Bein Und bringt Einen Riesenhunger mit. Nach Tisch Ist der Flitschepfeil* fort In den Wald ist’s nicht weit … Dort Sind die Beeren reif – Alle zur gleichen Zeit. * sehr schnell

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Der Himmel ist blau wie die Ewigkeit … Eichkatzl* mit buschigem Schweif Raschelt hinauf den Stamm … Sie bückt sich und hockt Im Moos und brockt Und find’t hinterm Stein – Einen Eierschwamm** Da fällt’s ihr wieder ein – Das muß auch in den Brief hinein. Und da Auf einmal ist sie satt. Streicht sich die Schürze glatt Und das Haar. Das in die Stirne fällt, Ordentlich und nett, Wie sich’s gehört und geht Langsam manierlich Aus dem Wald heraus Ins Haus Setzt sich breit an den Tisch, Wählt das Briefpapier, Drauf ein Taubenpaar In Silhouette. Steckt sich dann Eine neue Feder an – Schreibt  : Lieber Papa  ! Wie geht es dir  ? Mir Geht es gut. Hier Ist’s schön. Jetzt aber muß ich Schlafen gehn Deine Burgl. N. B. Ich hab ein Eichkatzl gesehen Ganz in der Näh. –

* Eichhörnchen ** Pfifferling

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Abb. 13  : Hans und Erica Tietze, Oscar Kokoschkas Doppelporträt von 1909 – ein Highlight der österreichischen Moderne im Museum of Modern Art (MoMA) in New York.

30.VII. Gestern war wieder ein qualvoll windiger Sonntag. Ich bin am Ende mit meiner Nervenkraft. Sehne mich nach einer schweren Krankheit, damit ich mich endlich wieder einmal geliebt fühle. Die täglichen Enttäuschungen (jeder Briefträger gibt eine neue) und die entnervende Dichterei haben mich auf den Hund gebracht. Abends sagt ich es dem Hans und daß ich sobald als möglich von Wien fortwill. Nachts schlief ich schwer u. träumte, daß er die Muxl Kalbeck liebe u. sich von mir scheiden lassen wolle. Als er sah, wie fassungslos ich war, gab er die andre auf. Ganz niedergebrochen bin ich erwacht. Mein Gott, er kennt sie gar nicht die arme laute Frau, die seit vielen Jahren mit dem Prof. Luithlen verheiratet ist. Aber ist das nicht ganz gleich. Es war ja doch nur die (determinierte) Fortsetzung meiner Tagesstimmung. Noch dazu hat ihn Ehrlich heute gezeichnet u. ganz anders, als wie ich ihn immer sah. Für mich war er durch das gestraffte Jugendbild OK’s fixiert. Jetzt ist so viel ganz Trauriges, Durchlittenes in diese straffe Form hineingeschlafft. Ich habe weinen müssen, als ich die Zeichnung sah.44 Was kann dieser Bub davon wissen – ahnen. – Ich hab’s immer gesagt  : Kinder haben ist nichtaltern können. Jetzt weiß ich’s  : Kinder haben ist auch Sterbenkönnen. Schlechter Metteur – mitten in eine tote Stelle vom Roman hinein kommt das „Fortsetzung folgt“. 71

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31.VII.1921 [verschrieben  : 1923] Hans war gestern sehr gut zu mir. Vor allem hat er mir doch erst meine Abreisekarte für Donnerstag besorgt. Nachmittag bei Bruno Kern, der vor allem antike u. ein paar gute Quattrocentostücke hat. Die Photogr[aphie] eines Marmortorsos hab ich abends gleich dem Kaschnitz weiter geschenkt. Von Eger kam ein Brief d. h. die Kopie eines Briefes, den er einem Bühnenverlag in Berlin mit meinem Todessprung schickte. Heute Stiegenläufer* für die (ab morgen) erhöhte Kinderzulage gekauft. Es reichte nur über einen Stock. Warum hab ich nicht mehr Kinder.45 Ringstraße, Juli und heiß. Bei der Haltestelle, wo man nach Hernals Umsteigt, Im Schatten der Litfaßsäule – Schwarzer Kegel auf weiß – Sitzt ein Invalid – Den Kopf zur Säule geneigt – Und geigt Ein schütteres Lied. Der Straßenlärm schluckt den Ton. An Stirn und Hals Narben, die lange schon Verwachsen sind. Er geigt und geigt – Und ist blind Ist das noch ein Mensch – Individuum mit Ichgefühlen  ?  ! Nein. Ein Seufzer Großstadtluft Und eine Nase voll Parfum – Staub und Autoduft – Eckstein In Person – Abhub** von Edelsinn – Billiger Zoll, Den jeder Schuft Für seine Seligkeit Hinschmeißen soll.

* Treppenläufer ** Rest

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Wer bringt ihm zu essen – Und geleitet ihn dann, Daß er seine Notdurft verrichten kann  ?  ! Wer führt ihn Abends nachhaus  ? Und wohin  ? Wohin nachhaus  ?  ! Du – Bist das linke Bein Du – Bist das rechte Bein – Kannst du noch stehen  ? Eins und zwei, eins und zwei – Kannst du noch gehen  ? Oder schläft er hier auf dem Stein – Im Bogenlampenschein – Und der Schatten der Litfaßsäule Deckt ihn zu  ? Erlaubt das die Polizei  ? Und streckt die Finger zur Ruh Wenn das blaue, das letzte Licht Der Straßenbahn vorbei …? 46 1. August 1923 Letzter Tag in Wien. Brief von Kurt Wolff wegen der französischen Graphik, auch Holzschnitte dazunehmen. 15–17. Kann ich das  ? Habe bis auf die gewisse Neuerwerbung von der Albertina nie einen französ[isch] primitiven Holzschnitt gesehen. Und ist das nicht eine unnötige u. altmodische Verbindung – Holzschnitt u. Stich derivieren doch verschieden u. gehen doch auf ganz verschiedene Dinge aus. Alles wird schon für die morgige Abreise gerichtet, d. h. für die Kinder gebacken. Ehrlich mit Schwester sollen mit mir reisen, er hat aber die Eisenbahnbillets verloren oder sind sie ihm gestohlen worden  ! Mein Rucksack ist gepackt, ich muß ja um ½ 6 früh aus d. Haus. Heute abgekühlt und Regen nach einem mehrstündigen Gewitter heut Nacht.47 6. August Viele Tage Pause. Am 2. bin ich mit Ehrlich nach Salzburg gereist  ; Hans hat mich zur Bahn gebracht u. den Platz für mich gesucht. Im Wartesaal große Tafel  : „Nicht 73

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laufen und stoßen, Plätze genug.“ Nur wenige mußten tatsächlich stehen u. nur solche, die in späteren Stationen einstiegen. Trotzdem lief alles u. ich fühlte den hinreißenden Atem des Hastens. Ich saß am Eck u. Ehrlich visàvis  ; wir sprachen nur wenig miteinander. Er hatte Zahnweh, auch war ihm schwindlig u. ich labte ihn mit meinem Schwarzen. Sein höchster Höhepunkt ist Schauspielkunst, ja noch mehr Filmkunst. Da kann ich halt gar nicht mit. Ein Hochwürden aus Kremsmünster, älterer Mensch, ungewöhnlich soigniert, unterhielt sich lange mit mir. Wurde aber schließlich sonderbar aggressiv, packte mich am Handgelenk, an den Schultern, um die Hüften um mir die Aussicht zu zeigen. Ich weiß nicht, ob bewußt oder nur agitatives Temperament. In Salzburg ließ ich Ehrlich weiterfahren u. begab mich in die Arme von Herrn und Frau Runberg, die mich abholten u. so lieb u. anstrengend wie immer waren. Rührend ihre Liebe zu Stoffel, jedes Wort von ihm wird ins Erinnerungsalbum gelegt …48 In der Stadt spaziert, wo eine Musikkapelle in d. andre überfließt. Tiefblauer Himmel. Ein Blick in die Franziskanerkirche, wo die Chorsäule wie ein Riesenpalmbaum zur Sonne wächst. Am 3. früh nach Lofer über Reichenhall  ; furchtbarer Eindruck von d. deutschen Geldentwertung. Vom Autobus aus vor d. Botenwirt das Vronerl, beim Ankommen die Burgel gesehen. Die Buben nachher erst vom Wald heimgekehrt. So groß die Freude war, so abspannend auch. Gesteigert durch ein ganz ungeheures Gewitter gleich nach Tisch. Am Kirchturm gegenüber Wetterläuten, ich bin dabei eingeschlafen auf ein paar Minuten, so niedergebügelt war ich. Grad während des Gewitters hat Ehrlich Wohnung gesucht u. etwas über dem Eberlwirt hinauf in Scheffsnoth gefunden. Er war ebenso abgespannt wie ich, nur durch andre Eindrücke, nach Lofer gekommen (Autopause mit 4stündigem Warten in der Vorgewittersonne) nur noch gesteigert durch den starken Eindruck des Amlandeseins, nach langer Zeit zum erstenmal. Nach d. Nachtmahl ging ich mit ihm auf der Straße spazieren u. sah, wie er langsam Verhältnis zur Umgebung bekam. Am nächsten Morgen (4.) machte ich noch im Bett das Gedicht, das mehr meine persönlichen Gefühle für ihn (er schmilzt mir viel mit d. Stoffel zusammen) faßt, als sonst Qualität hat.49 Du warst zerpflückt von der Reise. Übervolles Coupé. Schwindel und Autopanne, Schwarzer Kaffee Aus der Flasche. Fluchen, Kunstgespräche und registrierte Gegend, Gasthauspreise Dann – Und Wohnungssuchen. 74

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Arm kamst du her Und klein Nun wird es Nacht. Die Farben schlafen ein Und fallen stumm Wie Blätter von den Bäumen Zweigen. Die grauen Ewigkeiten steigen – Und auf der Erde neigen Sich die Frauen. Schicksalsschwer Die Ruh Erwacht – Und du beginnst zu schauen

Abb. 14  : Stadtansicht von Lofer, vor 1900.

Ich seh dir zu – Ich will ja nichts von dir … Nur meinen Arm Um deine Schultern legen – Doch du, Du darfst nicht merken. Daß ich’s tu … Und fühlen, wie Die Knabenspröde dir zerbricht. – – Du bist mein Sohn – und doch – Ich wag es nicht. Am nächsten Tag war ich vormittag mit den Kindern bei dem Tennisplatz, Stoffel hat Mutterkorn gebracht, das er in einem Feld aufgelesen, die Kleinen haben mit d. Ball gespielt. Ich sommermüde auf der Bank. Nach Tisch nahm Ehrlich die Vroni mit nachhaus (u. Burgel zur Begleitung) und hat sie gezeichnet. Gegen Abend mit ihm u. den Buben ins Loferer Hochtal, das immer noch das Schönste. Am Sonntag dann mit den Buben auf dem Grubhörndl, verlaufen u. 7 Stunden gebraucht (Anderl 5 ½) bis zur Loferer Alm hinunter. Weg schlecht, Aussicht oben unendlich. Anderl vor mir, ohne Hemd marschiert. Auf d. Alm Therese + Mädeln, langes Ausruhen, hinunter mit selbstkomponierten Marschliedern, weil d. Anderl so müd war. Viel Gelächter, harmlos. Freiluft. Blase, wo der Schuh geschnürt ist, aufgeschundenes Schienbein, herrlich geschlafen. Am Morgen war um ½ 6 Ausfahrt zum Musikfest nach Salzburg. Ein Auto mit Trachten (Bürgerwehr) 2. Preis, das zweite mit rotbebuschten Musikanten, einer davon mit alter Hose von Stoffel (d. h. Militärhose vom Hans) daran 75

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neue Streifen lichtrot genäht. 4. Preis. Zurückgekehrt, sehr sehr zerlottert mit lauter Gicksern* in den Waldhörnern. Tanz draußen auf d. Postplatz mit Rampenlicht von den stehenden Autolaternen. Heute ausruhen, zuhause, Kopfwaschen, Geldzählen (traurig ausgefallen), Brief vom Hans, darin Ankündigung, daß Alf heiratet, aber bei uns wohnen bleiben will. Ich hab’s kommen gesehen.50 7. August 1923 Ehrlich war in Reichenhall, Ausflug dieses lebensunfähigen (und darum kunstgeborenen) Menschen ist eine komische Unglücksiade. Radgefahren, um Geld zu sparen, in Unken anderen Sattel genommen, in 3 ½ Stunden erst in Reichenhall gewesen, dann zurück per Auto, das aber d. Rad nicht mitnehmen konnte, sondern erst heute nachbringt, sodaß er d. Sattel nicht in Unken wieder umtauschen konnte. Er kam ganz spät erst an u. so nervös, daß ich ihn mit Therese ein ganzes Stück zurückbegleitet habe. Heut früh bin ich allein im Wald u. lebe in den Erinnerungen an das Grubhörndl.51 Im Tal das Nebelmeer Die grauen Spitzen der Bäume Ragen heraus  ; In ihren Augen tauen Die Träume – Die Äste hängen schwer Im Schlaf Am Himmel oben Das strahlende Licht – Den weiten Horizont herum Blauen Die Berge, lächeln stumm In den innern Kreis herein, Wo der nahe Stein Mit den Schorfen Und Den Kuppen rund, Von Riesentieren aufgeworfen, Sich überschreien. Alle haben sie Namen – * falsche Töne

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Namen für die Untersicht. – Ich weiß es nicht. Lieg hier, Die Arme unterm Kopf verschränkt … Der Duft Vom Almrausch beglückt mich so – Ich bin Ganz harmlos froh. Atme die Luft, ach die Luft – – Und schlaf ein. Meine Sünden –   ? die muß ich mir Verzeihn. Mein Gott, wer kann wider die Natur –, – – Das Ticken an meinem Ohr  ? Puls, Puls, Oder Armbanduhr  ? 8.VIII.1923 Gestern nachmittag waren wir alle drüben bei Ehrlich u. Vroni wurde im Garten aquarelliert (mit Unterzeichnung). Zum ersten Mal das Leuchten der Augen erreicht. Ich saß dabei und erzählte Märchen  ; sie saß gut, aber aß dabei drei Marmeladebröter, was für d. armen Ehrlich gewiß störend war. Dann sah ich mit Anderl die andern Sachen an, die er gearbeitet hatte. Das jüngste (3 Monate) Kind mit der Bäuerin, richtiges Ehrlichmodell, ein paarmal [–] u. schöne, wirklich groß gesehene Landschaften. Anderl hatte viel Freude, aber auch gute Kritik. Ehrlich ist so verliebt in ihn u. Vroni – ich bat ihn, es den Kindern nicht so zu zeigen. Nach d. Nachtmahl ging ich mit ihm spazieren u. wir sprachen über Kunst, seine Kunst, über Farben u. Material. Seine Anschauungen sind nicht neu für mich, aber aus dem Mund des Selbsterlebenden, Schaffenden doch sehr wertvoll. Wir saßen dann vor dem Spritzenhäusel u. hörten d. Musikprobe zu. Dann wurde ich plötzlich müde und ließ ihn dort u. ging schlafen. Während wir saßen kam ein Herr u. eine Dame vorüber mit 2 großen Hunden, die ich schon voriges Jahr gesehen hatte. „Ich bin immer neidisch, wenn ich einen Mann mit einer Frau schlafen gehen seh“ – es rang sich ihm hart heraus. Noch nie hatte ich etwas so persönliches von ihm gehört. Ich bekam tiefes Mitleid mit dem einsamen Künstler, sagte aber kein Wort. – Heut früh lange Rechnerei mit dem Hausherrn, die mir Zeit u. Energien verschlang  ; um 11 Uhr erst oben im Wald u. ein kleines Gedicht. Meine Wäsche liegt nach dem Dutzend gezählt In den Laden – 77

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Und wenn ein Stück Verloren geht, Quält Mich der Schaden. – Ganz arm Will ich sein – Dann Schaut mich niemand an … Will An der Ecke stehen – Und warten still, Bis mir einer was gibt – Und von Haus zu Haus An die Türen gehen … Für heute – Reicht’s aus Zum Leben. Sie sind gut, Die Leute – Und geben … Ich aber gebe nichts zurück – Darf danken, danken für alles Und meine Lippen beben Vor Glück. Am Nachmittag war ich mit den Kindern im Loferer Hochtal u. bin dort auf einer Bank gesessen, habe Stoffels siebartige Strümpfe gestopft u. dazu homerische Sagen erzählt. Die Buben sind in der Wiese verteilt herumgelegen u. haben zugehört. Die Mädeln pflückten einen Becher voll Erdbeeren. Dann kamen Bekannte von den Kindern, der Boby mit seiner Emma u. sie zogen mit zur Schaukel ab. Ich ging durch den Wald hinunter u. während ich den Kühen ausweichen mußte, die zur Abendmahlzeit im Tal hinaufstiegen, schrieb ich in mein Taschenbuch – Gutenacht Grad bin ich aufgewacht – Doch meine Augen halt ich fest Geschlossen – 78

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Und drüber liegt mein Arm – Und läßt Kein Licht Herein. Den Tag, den will ich nicht – Ich träume noch Die Nacht. Wir saßen – Allein und sommermüd Auf einer Bank – Vor einem Haus – Und durch das Fenster klang Musik heraus Die Krusten Lösten sich und Flügel bebten In Farben, die sich selbst Bestaunen mußten. Wir sprachen nicht, – nur Töne Schwebten Von mir zu dir – Von dir zu mir – Ins Lied. Dann sagst du  : Gutenacht – Und gehst. Das Klingt mir noch im Ohr  : Das Gutenacht, das Gutenacht  ? –  –  –  – Wer sprach das Gutenacht  ? Wer hat’s gehört  ? Bin ich es noch  ? Darf ich es sein  ? Nein. Ich bin’s nicht mehr Der Arm liegt schwer Auf meinen Augen – später hinzugefügt  : 79

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Der Arm liegt schwer Auf meinen Augen Nein. Ich bin’s nicht mehr. 9.VIII.1923 Wenn ich nur besser schlafen könnte. Meine Schmerzen lassen mich nicht tief u. mit Erquickung ausruhen, heut haben sie mich geweckt u. fast 2 Stunden lang wach gehalten. Stoffel hat mir vom Strahlendruck erzählt, der unsre Pflanzen(Algen)sporen durch alle Himmel auf andre Sterne trägt u. umgekehrt. Mir ist ein Gedicht daraus geworden, weil ich doch nie auch bei meinen Kindern nicht – geschweige denn beim Hans, der mir immer das Rätsel bleibt, ganz ins Tiefste sehe. Seelen. Sie fliegen, fliegen durch den Raum – – Sie schlafen Und ducken ihr Gesicht Ins Gefieder Sie frieren auch, doch weckt sie’s nicht Im Traum Sie träumen süß und schwer – Vom Leben träumen sie – Und fallen nieder – Und wissen Den Traum nicht mehr. Ich seh dich an Befangen – Wo kommst du her  ? Sag – Und warum – Kann – Ich nie – Zu dir gelangen, Ganz nah zu dir – Sag – Deine Heimat lag Weit von hier – Und dein Licht War meines nicht  ? 80

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Abb. 15  : Ehrlichs Zeichnung der bettlägerigen Erica Tietze-Conrat entstand 1923 in Lofer.

10.VIII. Gestern abend Theater, das selbe Stück wie voriges Jahr ( Junggesellensteuer) gute Komik, gelacht, Freude über […] schönes Schuhplatteln, sehr müde und sehr gut geschlafen. Früh auf meinem Platzerl, beim Pavillon (Anderl sagt Babylon) stellenweise von schwatzenden Sommerfrischlern gestört. Ich sah sie sehr böse an, ärgerte mich dann über mich selbst, weil ich wirklich komisch in meinem Zorn ausgesehen haben muß. Mein Name Er liegt schon lang In einem gläsernen Sarg – Und niemand kommt, der ihn weckt … Und war einmal doch Leben und Blut – 81

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Und stieg und sang Mit Raketen In die Nacht – Zerlacht In Sterne – Und Glut. Ich war Das Geburtstagskind – Die Schultern schmal – Einsam im festlichen Kleid … Warum die andern so lustig sind  ? Die Schule. Ach – Der Familiennamen macht Sich breit – Das fremde Gesicht – Lateinische Lettern  ! Der andre – Kommt hintendrein – Gebückt – Erdrückt – In kindlichem Kurrent – Man sieht ihn fast nicht. Im Gymnasium erst – Da schrumpft er ein – Ein E und ein Punkt. Und man glaubt, Man ist schon wer … Dann kamst du – Und ich wollte Meinen alten Namen nicht mehr – Deine guten Hände Lösen die Falten, Die verklebten. Und Blumen, Die verborgen lebten, Schauen hervor 82

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Und neue Namen küssen mich Ins Ohr – Und alle sind Verweht, nur einer blieb Den gabst nicht du Den gab Das Kind … Daneben wuchsen Titel zu. Die ganze schwere Leiter der Karriere – Alle Nuancen drape – Und für […] Bekannte, Indifferentes Blau, Ehrbar und würdevoll  : Gnädige Frau. Mein Name liegt lange schon In einem gläsernen Sarg. Und niemand kommt, der ihn weckt. Weiße Socken, kleine Schuhe stehen Am Wegrand. Tupfe mit den Zehen In den Tau Der Wiese – Es ist verboten – Das kurze Kleid heb’ ich Mit der Hand, Daß es nicht naß wird – – Vom Hause ruft jemand – – Am Nachmittag im Loferer Hochtal, allein. Stoffel war auch dort, spielte aber mit Boby, bez[iehungsweise] las Bobys Emma, für die er anscheinend ein Faible hat, die […] Deutschlands vor. Ich schrieb dem Hans u. setzte mich dann zu ihm u. diktierte ihm die erste Szene zu Seitzens Polterabendstück. Dann gingen alle nachhause u. ich saß oben, auf dem Hügel am Dorfeingang, schaute in die Dämmerung und schrieb.

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Du und ich Aufrecht stehst du – Mit gestreckten Armen – Hände greifen Empor – Siehst weit hinaus In die Fernen – Und das Lied von den Sternen Zwingst du herab In dein Ohr. Du – Ich Liege und fühle mich liegen – Genieße die Schwere. Bienen summen am Haus. Um mich – vielleicht – Lärm – Und Getriebe. Meine Augen sind zu. Und es wartet die Liebe. – Es ist ein bißchen wie ein Bild von Munch. Aber es ist sicher wahr – für mich und andre – vielleicht überhaupt bisserl zu allgemein gefaßt u. darum banal wirkend. 11.VIII.1923 Gestern abend ein langes Gespräch mit Georg Ehrlich über Kunst – diesmal über meine. Er sagt (ich glaube richtig), das oder jenes aus einer Stimmung heraus schreiben – sich los schreiben, das heißt noch nicht Dichter sein, weil der Zusammenhang mit den Menschen fehlt, für jemanden schreiben, sein Persönlichstes objektivieren – Bauen – das ist erst der Beruf. Ihn ausüben heißt rücksichtslos gegen sich selbst, losgelöst, einsam. Ich blieb stumm u. wußte doch, daß für mich keine Wahl ist. In der Nacht schlief ich ganz ganz schlecht und träumte ganz kurz dreimal. Vroni war krank, war im Spital, ich fragte nach ihr. „Sind sie die Mutter  ?“ sagte die Schwester. Schon ganz vernichtet sagte ich  : Ja. „Es steht sehr schlecht. Es ist jede Hoffnung ausgeschlossen, daß die Kleine aufkommt.“ Es zerriß mich und ich schrie mich wach. In der Früh – diesmal früher als sonst, kam sie zu mir ins Bett. Als ich ihr feingliedriges süßes Körperchen neben mir spürte, da wurde ich ganz voll Gelöbnissen. Sie fühlte meine Andacht und lag ganz still in meinem Arm. Am Abend noch ein wunderbares Gespräch mit 84

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Anderl. Er faßte mit feinem Humor u. seiner künstlerischen Lebenseinstellung die Erlebnisse des Tages vom Schwimmbad bis zur Platzmusik (immer war er der Außenstehende) zusammen. Das war die reichste Stunde des Tages, der sonst durch das Auftauchen der weiblichen (3 gliedrigen) Familie Ehrlich und ein Gewitter, das aber nicht alle Elektrizität löste, ganz zerfahren war. Nach d. Gewitter war ich mit den Buben spazieren, Zyklamen pflücken u. hörte mit Anspannung aller Nerven Stoffels Marsroman zu. Als er mir von der Theorie der Erdentstehung durch Radium erzählte, hatte ich wieder ein Eckchen kosmisches Hochgefühl, das mich versöhnte.52 12.VIII. Heut nacht hab ich ganz wundervoll geschlafen – zum allererstenmal so tief und gut. Keines der das friedliche umzäunte Dorfleben charakterisierenden Geräusche hat mich geweckt. Sogar das Hauskind unten in der Stube drang nicht ganz herein, obwohl es wegen aufschwellenden Impfblattern unruhig war. Gestern hat d. Musik so schlecht gespielt, ein paar fehlten überhaupt, zwei gingen mitten drin fort, den anderen tat der Arm weh – alle sind sie geimpft, weil in d. Schweiz u. einem Nachbartal Blatternfälle waren. Ich hab in der Früh den Anderl zu Georg Ehrlich gebracht, bin aber gar nicht ins Haus gegangen, sondern hab mich hierher in die Einsamkeit von Steinen und Wiesenfetzen verzogen u. mein Gedicht, mit dem ich schon in der Früh um 6 aufgewacht bin, aufgeschrieben.53 Er fand Im Wald den blondgelockten Knaben Im Silberkleid. Der nahm Ihn bei der Hand – Und zeigt ihm seinen Garten … Er pflückt’ Die reife Frucht, die schwer Zur Erde hing Und lag – Und träumt’ den ganzen Tag – Bis ihm der Garten und das Kind entschwand. Und als er wiederkam – Ging Er gebückt – Weiß war Sein Haar – Niemand im Dorf Hat ihn erkannt. 85

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Ich schlief die ganze Nacht Und träumte nicht. Und als ich wiederkam Da war’s mein Zimmer nicht mehr Und der Spiegel an der Wand Zog ein fremdes Gesicht. Die Sorgen, Die abends noch, als ich las, In den Seiten verborgen – Klingen Mit großen Augen und Zum Weinen verzerrten Mund – Die lagen – Falten Glatt gestrichen – Und Gesichter, ein wenig verblichen, Ein wenig allgemein gehalten, Puppen in Schachteln In Geraden Leicht zu übersehen In den Laden. Und noch etwas, ich suche Noch etwas – Und weiß nicht, was es war, Und wo ich’s suchen muß. Nur war es gut. Und ließ ein kleines Stück Blauen Himmel zurück Und einen Kuß Blut. War’s eine Hand, die Über die Stuhllehne fiel  ? Ein Blick Aus gesenkten Lidern  ? Ein Wort, das traf  ? Ach ein Wort … Ich kann’s nicht fassen Traumlos war mein Schlaf. Die Nacht Hat reinen Tisch gemacht. 86

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15.VIII. Wieder ein ganz blauer Tag – und von den Schweden ein Brief, daß sie also am 18. reisen u. von Hans einer, daß er mich um diese Zeit erwartet. Am Vormittag war ich im Wald u. hab mir dann das Bild angeschaut, Ölskizze auf Papier, das Ehrlich vom Anderl gemacht hat. Sehr viel gutes drin – sehr viel vom Anderl – aber es fehlt die Feinheit u. Zurückhaltung. Am Abend war ich allein auf dem Hügel vor dem Loferer Hochtal u. hab von hier zum erstenmal Abschied genommen – fast hätt ich geschrieben  : Abschied gesungen, denn in der Tat hab ich den Anfang immer vor mich hingesummt, nach einer ganz banalen Melodie. Abschied von Lofer 1923 So schwer fahr ich fort – So schwer, Als wenn’s mein letzter Sommer wär’. Vielleicht übers Jahr, Bin ich weit Von hier – Und seh nur mehr Die kahle Wand – Und daran Die hilflosen Betten, Die man So bequem nach allen Seiten schieben kann. Sie stehen einander so nah – Und jedes taucht In die Einsamkeit. Vielleicht übers Jahr – Bin ich gar nicht mehr da … Ich knie ins Moos – Klaub Fichtennadeln – Sie sind Ganz alt – Und haben keinen Tropfen Farbe mehr – Und duften noch nach Wald – Ich hab euch lieb – 87

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Ach ihr verrinnt Ins Moos … Ich halt auch nicht – Und meine Finger weinen Mir im Schooß … Ganz einsamer Abend. Und heute im Bett. Eulenberg, auf halbem Wege – aber kann nur wenig lesen. Ehrlich war einen Sprung da, ganz entzückt von Anderls erstem Ölgemälde, aus dem Weggekratzten seiner Palette gemalt. Mein Portrait – besser ein Portrait. Ehrlich sagt, wie von Jawlensky u. hat Recht. Am Nachmittag hat mich Ehrlich 3x sehr gut gezeichnet. 2 Blätter gehören mir. Und um 15 wieder im Bett. Ehrlich hat sich am Fuß im Bad verletzt, rostiger Nagel, Angst vor Blutvergiftung, Schmerzen, geschwollen – das wesentliche aber einfach Nervenbündelei. Arzt dagewesen, es ist nichts. Entspannt zugleich mit dem Gewitter. Wir haben lange u. sehr sehr klar miteinander gesprochen. Jeder Mensch der ein hohes Ziel hat u. es verfolgt, mit Scheuklappen verfolgt ist schön. Wenn er auch einsam u. Egoist sein muß. Ich bin ganz anders. Viel breiter und tiefer im Blut. Ganz im Mann, dem ich was sein kann u. will, weil ich ihn immer noch lieb hab – u. ganz in den Kindern. So wie ich erst Frau, Mutter und dann erst Kunsthistorikerin war so bin ich auch jetzt der viel- u. tiefverzweigte Mensch – und dann Dichterin. Gewitter kaum Angst gemacht. Früh zu Bett, gut geschlafen. Den Stoffel hab ich gleich in der Früh nach Salzburg geschickt, begierig, wann er wiederkommt.54 16.VIII. Heut früh bedeckt. Auch leichtes Nieseln. Ich war allein spazieren u. sprach vor mich hin, sehr froh. Ich hier – du dort –. Wir seh’n einander nicht. Am dicht Verhang’nen Fenster Flattert noch das Licht. Vorbei Ist das Gewitter Es neigen Sich die blassen Schrägen … Regen … Wir sind Wundersam frei 88

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Auch wenn wir schweigen, Sind wir frei. Und wenn wir reden, Heben sich die Stimmen Klar und ohne Süßen Zwei köstliche Pokale Schweben sie im Raum und singen In Linien ihrer Reigen Und klingen Tief, Wenn sie sich grüßen. Von Georg Halle eine widerliche Karte von der Jungfraunbesteigung. (Warum eigentlich widerlich  ?) und ein sehr sehr lieber Brief vom Hans, in dem gar nichts drinnen steht. Am liebsten würde ich morgen fortreisen … Es ist heut so initiatives Wetter – man wird ordentlich packlustig.55 17. und 18. August Schon in Reisestimmung. Gestern abends mit Ehrlich sehr langes Kunstgespräch, das mich „entwicklungsgeschichtlich“ sehr gepackt hat. Zum erstenmal steht er der Natur als reiner Maler („wie ein Malerg’sell“) gegenüber, keine Kompositionen […] beherrschen ihn, in die er die Natur einfügt, die er in die Natur hineinsieht – seitdem er hier ist, hat er noch keine Komposition gemacht. Man spürt dieselbe Unbeschwertheit in den Porträts, die er hier gearbeitet hat. Ich glaube, er ist einen großen Schritt weiter gekommen. Er erzählt mir immer, wie er als Kind zur Kunst gestanden ist, Anfangsjahre, Kunstgewerbeschule. Zukunftspläne Arbeit, Arbeit, nur Arbeit. Inszenierungen, zu denen ihn die Bergner vielleicht rufen wird, locken ihn u. doch wieder nicht. Man lernt viel dabei, sehr viel „Räumlichkeit“, aber es zerstreut doch sehr. Wir sind in allen künstlerischen Fragen aufeinander eingesehen (Malerisch ich auf ihn, dichterisch er auf mich). –56 Den letzten Tag schon fast mehr in den Gedanken des Nachhauskommens verbracht. Sensation d. Bibliothek, wenn man sie nach längerer Unterbrechung wieder betritt, der laute Ton wird gedämpft. Dazu Hans am Landungssteg. Ich steh vor dir Braun gebrannt. Dein Blick Hält mich gefangen, – Und deine Hand Liebkost das Sommerglück 89

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Auf Stirn und Wangen. – Zu dir komm ich zurück. Was bring ich mit –   ? Das ist mein Haus und deines. In unserm Garten sind Die Früchte reif –   ! Und dort – War es nicht so  ? Begann doch erst – Begann doch erst der Schnitt  ?  ! Der Sommertraum Entglitt – Und fand In einer Spielzeugschachtel Raum Weißt du, ich war verreist – Ich war allein – Und es war schön. Ich tret ins Haus hinein. Die Bücher an der Wand Sind eingepackt in Schleier – Und braun verhängt Das Wort – Zur ernsten Feier … Am Abend letzte Platzmusik. Stoffel mit dabei, Mutter und Schwestern Ehrlich, Ehrlich selbst, Dr. Payer-Gartenegg oder wie dieser arme Teufel heißt. Ehrlich fragt ihn  : „Das will ich sie immer schon fragen, sie schauen so schwer leidend aus. Was fehlt ihnen  ?“ Nun aber ist Dr. P. wirklich krank, von Kindheit an schon. Narbe im Gehirn, nervenkrank – sodaß die Frage ihm sehr peinlich war. Alle brachten mich nachhaus u. gingen. Da lief Ehrlich noch einmal zurück u. brachte mir „nur ein Taschentuch“, das ich ihm für sein verwundetes Haxel* geborgt hatte. Ein starkes Gewitter mit einem unerhörten Guß** muß sie noch am Rückweg erwischt haben.57

* Bein ** Regenguss

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19.VIII. Reisetag. Autobus Eisenbahn, die Schweden in Linz. Abends […] in einer regenlosen Stunde Pöstlingberg. Die Stadt ganz rot, Himmel grau u. schwarz, dazwischen orangefarbene Windstreifen. Ich war in der früh sehr nervös, bis wir im Auto saßen, dann stellte ich mich ganz auf meine Buben ein, die beide sehr lieb waren  ; Anderl ganz beobachtendes Kind, Stoffel großer Bruder u. Reisekavalier – und auf beides sehr stolz. Wie lange werde ich noch das Nicht- u. Nichtschlafen aushalten können  ?  !58 20.VIII. Heut sollen wir also per Schiff weiter  ! Bei diesem Wetter scheint es mir eine ganz verfehlte Sache zu werden … Schnürlregen*.59 21.VIII. Ja Schnürlregen. Den ganzen Tag hat es gespritzt. Übervoll, dichtgedrängt, gesessen, gestanden. Kalt, von überall hat es durch die Plachen** gespritzt. Anderl bald müd vom Schauen u. fahren auf meinem Schoß gelegen, geschlafen. Von Klosterneuburg ab, zum Aussteigen eingepreßt gestanden, wachsende Erregung der Kinder, Nachhausekommen nach so vielen vielen Wochen, die bekannten Gegenden, der Papa … Laotses Worte im Ohr  : Sie alle gehen nachhause. Hans u. Alf sind dann nach d. Nachtmahl um die Mädeln nach Hütteldorf gefahren, diese sehr munter angekommen. Endlich, endlich gut geschlafen. Alma hat dem Dr. Bach von mir erzählt (Allmächtiger bei d. Arbeiterzeitung u. an d. Theatern) u. ein Gedicht (Taschentuch) gezeigt. Dieser hat es gleich am nächsten Tag ohne Namen (u. leider auch unkorrigiert) als Feuilleton in d. Arbeiterzeitung gebracht. Eine Zeile („damals hatte ich noch ein Mädchen u. eine Köchin“) ist gestrichen, wahrscheinlich um das ehemals gutbürgerliche Milieu zu unterdrücken  ! Mir ist das eigentlich sehr sehr ekelhaft. Hans hat mit Bach telephoniert, er will mit mir reden, noch andre Gedichte bringen, Honorar etc. Ich muß ihn heute antelephonieren u. habe nichts wie Widerstände.60 23.VIII. Vormittag bei Dr. Bach. Ich hab ihm „Sie ist die Jüngste …“ und „Straßenmusikant“ gebracht. Er will Skizzen, Novellen. Ich erzählte ihm von meinen Mißerfolgen bei den Theaterdirektoren, er will innerhalb 8 Tagen meinen Todessprung lesen. Ich glaube, er ist ein großer Faktor im Wiener Bühnenwesen, wegen der Arbeiterorganisationen, die immer [ein] paar Abende aufkaufen. Ich habe, wie immer wenn etwas nicht auf d. 1. Anhieb gelingt, gar keine Hoffnung. Gestern abends hab ich noch dem Hans meine Loferer Gedichte vorgelesen, es war aber wieder eine traurige Stunde. * anhaltender Regen ** Plane

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Ich kann es ihm so stark nachfühlen. Wenn er dichten würde, ich möcht ihm doch die Augen auskratzen. Ich seh es, wie er [sich], mit dem starken Wunsch über [sie] hinauszukommen mit seinen Widerständen herumschlägt. Ich kann nichts tun u. leide sehr darunter. Ich muß wieder ein Drama schreiben, das ist dann besser. Oder sonst etwas – nur keine Gedichte. Sie sind eben das Persönlichste  !61 24.VIII. Ich muß ganz die Schweden leben … Gestern nachmittag holte ich sie ab und ging mit ihnen „Volksleben“ genießen. Das interessierte sie am meisten. Wir kamen durch die Judengasse, wo die jungen u. alten Kleiderverkäufer vor ihren Geschäften (alte Hosen) standen u. saßen. Sie hatten solche Typen nie gesehen und Herr Runberg war so glücklich, daß er mir mitten auf der Straße vor Dankbarkeit die Hand schüttelte. An diesem sommerwarmen Nachmittag (flauer Geschäftsgang) kamen mir diese Männer plötzlich so tragisch ernst vor u. es war mir direkt ein physischer Schmerz, daß ich sie so „vorzeigte“ u. damit prostituierte. Für meine schärferen Augen war nur so ganz wenig Unterschied zwischen diesen Köpfen u. dem Stoffel, der harmlos lachend neben mir ging. Nur die Einstellung ist anders …62 Dann fuhren wir in d. Prater  ; erst Nobelallee, dann Wurstelprater. Die Schweden machten d. Tour mit d. Riesenrad, dann mit Stoffel die Hochschaubahn* (Glücklich kreischen zu dürfen), Watschenmann, Eierschießen. Ein 2. (neuer) Watschenmann ist aufgestellt  : ein Judenbub. In einem stillen Winkel vier Kasten mechanisches Theater, einer datiert 1882  ; für 100 K[ronen] kann man Bleikugeln kaufen u. mit diesen das Theater in Bewegung setzen. Almhütte innen, und Bauernhof, ein Einsiedler, der läutet, während sich neben ihm eine Kapellentür öffnet u. den Altarschrein zeigt. Kinderwiege bewegt sich, Bäurin buttert, Kuh schlägt mit Schweif, Bauer setzt sich auf der Ofenbank auf. Mehrere Figuren haben nicht mehr mitgeknaxt u. die Köpfe nicht mehr mitbewegt  ; kaputt, der Mann auf der Ofenbank legte sich nicht mehr ganz um, blieb in d. Luft hängen …63 Eine Reklame für den d. Zirkus dahinter, große Estrade wie Quacksalber auf holländ[ischem] Bild. Ausschreier darauf, 20jährig, blonde lange Haare, Brille, ganz ausgepumpt. Bei ihm 2 kleine spielende Affen, die er lieb hat, die ihn lieb haben. Sonst ganz einsam – unten Publikum, kontaktlos. Oben er ganz fertig u. noch viele Stunden Arbeit vor sich. Hauptattraktion ein Halbmensch, Mädchen mit Affenkopf. Man hat ihn nicht gesehen, rosa Sack darüber. Das (8jährige) Kind schnäuzte sich aber immer hinein und straffte dadurch die Form deutlich  : Mikrokephal. Unartikulierte Laute. Kann nicht einmal gehen. Mich packte das Grausen … Nachtmahl beim Eisvogel, Hans u. Alf kamen auch hin. Ach, mir tut’s so leid um das viele Geld, das Herr Runberg ausgegeben hat. * Achterbahn

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24.VIII.1923 Ich möchte den ganzen Tag schlafen, alle Nachträge von Lofer hol ich nach. Hab ein Gedicht angefangen, bin drüber eingeschlafen. Gestern mit F[ritz] Lampl telephoniert, der möchte den Todessprung an S. Fischer schicken, möglichst bald, solang seine Befürwortung in Berlin frisch im Gedächtnis ist. Der Merkur in München, wie alle Zeitschriften, eingegangen. Mit Hock gesprochen, er soll mir das M[anu]s[kript] zurückgeben  ; dieser liest es gerade zum Zweitenmal, ist mitten drin u. möchte es mir Sonntag vormittag bringen, „da es ihn so sehr interessiert“. Wieder eine neue Blase, die traurig platzen wird. Auch mit Ulmann teleph[oniert] wegen „Dr. Funkes Sorgen“. „Das ist wirklich ein sehr hübsches Lustspiel, aber ein Ensemblespiel – ich hab es dreimal daraufhin angeschaut aber nicht möglich eine Starrolle zu machen. Bei uns an allen 3 Bühnen nur Gäste, die ihre Stücke selbst mitbringen  ; wir haben so schlecht gezahlte Kräfte, daß nie ein anständiges Ensemble herauskommt etc.“ Ich soll ihn besuchen, er wird schauen, mir einen guten Rat geben zu können. – Ich geb mir Mühe, all diese Dinge ganz sachlich, ohne Betonung zu referieren.64 25.VIII. Ich möchte den gewissen „Lieben Gott“ zu einer richtigen tragenden Rolle ausleben lassen. Vielleicht so, daß ein junges Mädel sich in ihn verliebt u. wirklich an ihn glaubt – was ihm den Rest gibt. Der Mensch, der sich ausgeschaltet hat u. nicht mehr zurück in d. Aktivität kann. Ich hab gar keine innere Muße. Die laufenden Angelegenheiten, Geldangst. Unsre ganzen deutschen Einnahmen, c. die Hälfte unsres Budgets, verpufft. Wir werden auch wohl nicht nach Paris fahren können, Anderl braucht Sandalen …65 Gestern waren wieder die Schweden da, es war recht gemütlich – u. gleich nach d. Nachtmahl fuhren sie stadtwärts. Ich stopfe den ganzen Tag Taschentücher – da kann ich dabei im Kopf rege sein. Jetzt hat Rapaport telephoniert – er will mir Sachen zeigen kommen. Er sehnt sich so nach Ehrlich, mit ihm zusammen hat er viel intensiver arbeiten können. – Er kam … Seine Sachen sind mir wie immer eine Verlegenheit. Sehr viel Begabung – aber ich sehe nicht den Weg, wie er vom Dilettantismus zum zuverlässigen Können kommt. Dieses weichliche Herumspielen mit dem Selbstmord, der immer als letzte Aushilfe bleibt, ist mir zuwider. Überhaupt die ganze Süßlichkeit des Menschen …66 26.VIII. Der „Straßenmusikant“ und „Sie ist die Jüngste“ als Feuilleton in d. Arbeiterzeitung. Nachmittag langes Gespräch mit Hock, der mir jedes dramatische Talent abspricht, der Todessprung nur als Novelle geeignet, ich solle meine Begabung ins Epische einströmen lassen. Abends die Schweden zum letztenmal, ich abgespannt zum Umfallen.67 93

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27.VIII. Heut früh Therese auf Urlaub gereist. Ich stopfe, beaufsichtige die Kinder u. vermisse meine schön kontemplative Muße. Dazu kommt noch, daß ich mich für Mittwoch beim Zahnarzt angesagt habe … Ehrlich schreibt, daß er aquarelliert – aber keine Landschaften … Am Nachmittag Sprechprobe von Alfs Polterabendstück König Adolph Gustavs Ende und Glück. An die Alma referierend geschrieben u. d. Gedicht  : Mein Name – geschickt. 29.VIII. Gestern abends war de Nicola hier, der die italienischen Bilder bei Castiglioni katalogisiert. Es war sehr heiter u. gemütlich. Erzählte von Berensons Reinlichkeitswahn, der sich vor allem gegen die Fliegen richtet. Er fragte mich, was ich jetzt arbeite u. als ich sagte  : delle Poesie – hielt er es für einen Scherz. Heut früh beim Zahnarzt, da der gewisse Weisheitszahn keinen Gegenzahn hat, so hielt er es für besser ihn herauszuziehen als ihn zu bekrönen. Und mir war es aus Gründen des Portemonnaies auch lieber. So ging mein einziger Weisheitszahn dahin. Nachher Zittern, Benommenheit, sonderbarerweise auch Halsweh von der Injektion. Trotzdem Galerie, den ganz entzückenden neuen Dürer von 1505 anschauen. Z[um] T[eil] nur untermalt, wundervoll unberührt, reine Freude. Ebenso der Velasquez aus irgendeinem Stiegenhaus d. Hofburg. Wirklich so hat nur ein einziger Mensch malen können. Es hat mich ganz glücklich gemacht. Vroni fragt  : „Kann man mit einem Tschechen Glas durchbohren  ?“ Allgemeines Fragezeichen. „Weißt du, der Stoffel hat ihn in seiner Werkzeugtasche am Rad.“ Anderl (natürlich) verstand zuerst, daß sie einen – Franzosen meinte …68 Für meine heutige geistige Leere hab ich wenigstens die Entschuldigung der Zahnoperation. Stoffel gestern im Naturhistorischen, wo ihm der abgebaute Schneckendirektor Sturany einige in Lofer gefundene Exemplare bestimmte. Heut früh sollte er mit seiner ganzen Ausbeute wiederkommen. Bei der Toilette wurde ich sogar zurate gezogen  ; die Farbe der Strümpfe paßte ihm nicht recht zu den Schuhen u. sogar die Schuhe mußte ich begutachten, es wären einige Nägel herausgefallen, ob das was macht … So viel Ehre ist Sturany sicher seit seiner Bräutigamszeit (?) nicht wiederfahren.69 30.VIII. Gestern abends war der Maler Floch da  ; gar so still, wohlerzogen, gemäßigt – kurz langweilig. Er hat eine Mappe voll mit Zeichnungen aus Palästina gebracht  ; er war fast 3 Monate auf Reisen. Die Zeichnungen sind aber direktes Bildervorstufenmaterial, Studienblätter, graphisch uninteressant. Wir haben nichts kaufen können u. das hat uns sehr weh getan …70 Herr Steiner hat Bedenken mit Paris, weil er zu wenig Geld hat  ; wir zerstreuen die Bedenken, sie nehmen ohnedies mehr mit als wir, wir werden schon auskommen. 94

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Abb. 16  : Erica Tietze-Conrat mit ihren vier Kindern (v. l. n. r.)  : Burgl, Stoffel, Vroni, Anderl.

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31. August Gestern abends bei Nebehay. Ich fuhr mit d. Vorortebahn nach Hütteldorf u. dort holte mich ein Auto ab  ; große Gesellschaft Börner u. Artarias von der Branche, dann sein Hauptkäufer Herr Ingenieur Cschechowitza (?) oder wie er heißt, dann Stix mit Frau, Dr. Schwarz u. Grimschitz. Hummer, Suppe, Ente, Obst, Käse. Dazu die richtigen Weine. Am Schluß ein wieder bereitgestelltes Auto, das Stixes u. uns heimbrachte. Wenn wir d. Hälfte des ausgelegten Geldes bar bekommen hätten, könnten wir eine Woche länger in Paris bleiben. Derzeit halten wir bei 23 Pfund  ; dazu kommen noch die englischen Universitätsvorträge Mitte September u. heute eine Einladung vor Zürcher Studenten zu sprechen, die Hans ganz gut am Rückweg absolvieren kann (Brief Hugelshofers). Heut früh hab ich „das Madl“ vom Alf eingeladen, sie wird nächste Woche kommen. Er schnitt furchtbare Abb. 17  : Albrecht Dürers „junge Venezianerin“, Gesichter u. dann sprach ich lange von den Wider1505 – heute noch Zugpferd des Kunsthistorischen ständen, die wir haben u. er versicherte mich, daß das Museums in Wien. Madl am meisten Angst hätte. Damit erklärte ich mich dann für befriedigt. Aber es hilft uns allen nichts …71 Anderl fragte mich  : „Haben wir in unserem Magen, ich mein überhaupt in unserm Körper drinnen etwas Grünes  ?“ – Hans hat schon die Züge für Paris herausgesucht … 1. September 1923 So fängt heute ein Monat an, auf den ich mich sehr freue. Reisen  ! – Sonst bin ich ja in dieser entsetzlich trostlosen Stimmung, aus der nur irgendeine goldene Frucht, die mir ganz reif, ohne Vorfreude u. Erwartung, in den Schoß fällt, mich herausreißen könnte. Heut ist Ehrlich hier gewesen, der Kontrast mit dem Land, die drückende Luft hier, hat ihm stark zugesetzt. Er will erst seine Sachen im Wechselrahmen zeigen u. hat sie darum ins Atelier mitgenommen. Er hat ganz lächerlich jung ausgeschaut u. nach Rasur gerochen u. ich hab nicht gut mit ihm sprechen können. Ich muß ihn wieder arbeiten sehen. Das Zimmer vom Seitz mit seiner einseitigen Lichtquelle ist nicht sehr für ihn geeignet  ; höchstens zum Zeichnen. – –72 Heut hab ich zum ersten mal dem Wind zugehört u. meine Gelangweiltheit distanziert.

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Draußen quält sich der Wind, Wirft eine Schürze voll Äpfel ins Gras, Die noch ganz unreif sind – Leer steht der Baum. Hat nichts mehr zu verschwenden – Und kann sich nicht besinnen Und trauern – Denn wieder und wieder Streift ihn der Wind nieder. Ich spielte mit innigen Händen Um einen Traum. Den wollt ich mir gewinnen In den Tag hinein – Und bin ihm nachgehangen Zu alten Stunden. Wie lange mocht es dauern  ? Wie lange durft es sein  ? – Augenblick – Ewigkeit – Foulard In Zauberei. Dann mußte er verrinnen – Und war Für immer vorbei.

Abb. 18  : Josef Floch, Am See Genezareth, Palästina-Mappe, 1923.

Die Lichter sind verschwunden – Der Wind fiel über sie her … Nichts freut mich mehr … Es läppert sich der Stunden Trostlose Litanei … Leer bin ich – leer. 2. September Gestern, ganz spät abends / wir waren schon alle im Bett / ist Therese gekommen. Jetzt werde ich wieder freie Zeit haben. Vorher hatten wir mit Alf den August abgerechnet u. dann viel Spaß gehabt. Wenn wir so miteinander lachen, so muß ich immer denken, was er für Bauchweh haben muß, wenn er ans Heiraten denkt. Meistens ist er ja jetzt kein sehr angenehmer Gesellschafter in seiner erst hungrigen, dann schläfrigen Nach-Coitusstimmung. Das wird aber nach d. Heirat nicht anders werden, wenn er weiter bei uns wohnen bleibt. 97

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3. Sept[ember] Gestern vormittag Familie Steiner im Auto zur „1. Pariser Konferenz“, wie sie die Entrevue auf einer adhoc gewidmeten Zeichnung vom Campfer See nannte. Nachmittag Ehrlich u. Schwester  ; er hatte die Zeichnungen vom Anderl, Vroni u. mir mitgebracht, die Hans und Alf ganz ausgezeichnet gefallen haben. Hans konstatierte sofort den ganz neuen Strich, ebenso (ganz selbständig) der Alf und Ehrlich will es nicht glauben …73 Wir haben die Zeichnung von der Vroni als gotisches Christkindl zu den anderen drei geschenkten dazu erworben u. gleich gerahmt (den Svabinsky herausgenommen, den wir ohnedies abgeben möchten). Ich war gestern den ganzen Nachmittag grenzenlos nervös, eigentlich schon seit in der Früh die Vroni über die Stiege hinunterrutschte u. am Kreuz weh tat. Sie hat so gebrüllt mit ganz ewig langen Pausen zwischen den Schreien … 4. Sept[ember] Gestern früh in der Elektr[ischen] Ehrlich getroffen, d. h. er war im hintern Wagen mit seinem Materialienkoffer u. ich im vorderen. Da es überdies regnete, konnten wir Hero u. Leander spielen. Er glaubt, daß aus d. Geschichte mit Hübsch nur deswegen nichts geworden ist, weil er darüber gesprochen hat (Aberglaube). Zahnarzt, Putzen, Auf Wiedersehen Anfang März. Von Sandwichsmen (ganzer Zug, Burschen u. Greise, pfeifend u. manchmal ganz langsam, ohne Kontakt mit den […] Plakaten ober ihnen) verleitet, „Messetreiben“ in d. Innern Stadt besichtigt, d. h. nur ein paar Modeauslagen, vor allem Braun am Graben, wundervoll geschmackvoll. Beim Stix Rendezvous mit Hans. Nicht allererste Degaszeichnungen gesehen, eine amüsante Kopie nach Signorelli-Engel. Entzückende Tänzerin von Rodin (!). Die Ehrlichschen Portraits gezeigt. Von Vronili sehr begeistert  ; bei meinem Schwarzen sagte Stix, daß Ehrlich jetzt den Strich OKs habe (was sicher nur eine äußerliche Ähnlichkeit ist, da es beiden auf ganz verschiedene Dinge ankommt.)74 Dann zeigt Hans meine braune Zeichnung  : „Aber etwas so Durchgeistigtes kann der Kokoschka heute nicht mehr machen“ – und die andern stimmten restlos in d. Lob ein … Dann ging ich mit Hans zur Würthle, die aber die Kubinausstellung noch nicht eröffnet hat …75 Am Weg fragte er mich, womit ich meine Toiletten für Paris komplettieren wolle, bez[iehungsweise] müsse. Mein Gott, womit soll ich anfangen  ?  ! da kann ich ebenso gar nicht anfangen … Mittag bei Mama, der ich viel Heiterkeit brachte. Dann zuhaus, langer Brief an Carla. Heut früh das Gedicht, an dem ich schon seit Tagen herummurkse, nach einer andern Richtung geführt u. zuende gebracht. Merkwürdig, wie ich jetzt gar keine Lust habe, meine Gedichte vorzulesen. Vielleicht gefallen sie mir selbst nicht so  ? Das 98

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letzte kennt auch noch niemand – mir schwebt so eine Mutter wie die Frau Ehrlich vor.76 Verbrauchte Mutter Sie sind Mir alle vier Über den Kopf gewachsen – Und reden sie Mit mir, So ist es wie Mit einem Kind. Ganz heiter nur und harmlose Sachen, Und lachen – Halt Kindereien … Das tut mir manchmal weh – Doch weil ich seh, Es macht sie froh, Lass’ ich es sein … Es war nicht immer so – Sie waren doch auch einmal klein – Und kamen mit ihren Schmerzen Zu mir allein. Sie wollen mich schonen … Gewiß. Ich bin nicht gesund Wie früher einmal – Die Füße sind schlecht – Und – Mit dem Herzen – Geht es nicht recht. Es war so viel zu tun Die Jahre lang – Das Gewöhnliche schon, im Haus … Und dann – Kinder sind viel krank … 99

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Ja, man Schöpft sich täglich aus Bis – auf den Grund – Und hat nicht viel Zeit für Morgen zu sorgen … Ich seh in den Spiegel hinein Und mein’, Ich bin kleiner geworden. Sie sind Mir alle vier Über den Kopf gewachsen – Und reden sie Mit mir, So ist es wie Mit einem Kind. Lachen, ach Lachen – Sie glauben, vielleicht, ich kann Sie nicht verstehen Und lassen mich die Schmerzen, Die doch jeder durchmachen Muß, nicht sehen … 5. September Gestern ein toller Nachmittag. Erst Wäscherinskandal vor meiner Türe  : („ich war immer in den feinsten Häusern“), dann Ehrlich, der Vroni aquarelliert, dann eine Stunde lang ein malender Magistratsbeamter, der Hans u. mich erst für einen in d. Sezession ausstellenden Maler namens Velim, dann für sich interessieren wollte. (Sponsel portraitiert, dieser ihn auf seine Villa eingeladen „in meiner Gesellschaft ist auch eine Tänzerin, die gewiss mit Vergnügen ihren schönen Körper in d. Dienst d. Kunst stellen würde[“]). Dann Albertina, langes Gespräch mit Reichel wegen Hempels Abgangsabsichten – endlich „einen Jux will er sich machen“ im Burgtheater. Ganz gute Einzelrollen, sehr gute Regie. Wenn man sich einstellt, ist es sehr lustig, – sonst tief melancholisch. Hans sagt  : „Man muß sehr achtgeben, daß man nicht in die ganz tiefe Melancholie hineinkommt.“ Mit Ehrlich vormittag im Museum, den Velasquez u. Dürer anschauen. Glück kam mit Valentiner, der wie ein Jüngling aussieht, dazu …77 Mir hat Ehrlichs Urteil über die Bilder Spaß gemacht  ; vor allem über den Dürer, der ihm so unberührt wie er ist „genau so schlecht wie ein Bild von unsereinem heute“ erschien. Auch dann über Velasquez, „wie viel ergreifender muß diese Prinzessin in Wirklichkeit gewesen sein – wenn man denkt, dieses Kind mit aller seiner kindlichen 100

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Lebendigkeit in diese kaiserliche Tracht eingesargt und wie ungern es ruhig Modell steht u. doch muß – das müßte herrlich sein“. Sein Lieblingsbild war früher von Leonhard Beck der hl. Georg – „weil so viel drauf erzählt wird“ – Über Bilderkonservieren „Man sollte jedes Bild nur unter Glas geben, das konserviert genauso wie ein Firnis, wird nicht braun wie dieser und hat noch den Vorteil des Luzidmachens der Farbe“ –78 Dann Albertina, Gespräch mit Hempel wegen d. Stelle in Graz (abgebrochen), das französische Graphikbuch (Druck) und Münchener Neuerwerbungen, die Stix mitgebracht hat (unbedeutend). Rendezvous mit Hans bei Nebehay, drei ausgezeichnete Kolbezeichnungen ausgesucht, die wir mit Schieleblättern bezahlen. Diese waren beim Nebehay gekauft u. haben uns immer mißfallen – wie sich’s jetzt herausstellt, sind es Blätter von seinem Schwager – Fälschungen.79 6.IX. Gestern abends Grimschitz u. Ehepaar Steiner. Grimschitz kam schon um 7, ich zeigte ihm die Zeichnungen von Ehrlich, die ich dahabe (Anderl, Vroni, das 3. Blatt von mir). Er war sehr sehr entzückt u. beschloß, sich auch von ihm portraitieren zu lassen. Frau Steiner brachte französische ganz neue Novellen mit … 7.IX. Gestern abends die Braut vom Alf, Schwamm drüber. Eine Kateridee mit so einem unbedeutenden Menschen etwas andres als eine Liebesnacht zu verbringen. Mein Gott, ist das ein ganz armer Teufel, daß er sich zu diesem Schritt entschließen konnte  !  !  ! 29 Jahre alt, ganz hübsch, blond – aber wirklich – so wie Alf es ausdrückte – die Geistigkeit der Burgel …80 Heut früh war ich beim Bach, der mich in der Kunststelle empfing. Unser Gespräch war sehr kurz, er war so nervös, daß er sich entschuldigte, er könne sich nicht setzen, – wurde überdies durch Hofrat Bittner unterbrochen (Vorstellung – dann „ihr Name ist mir geläufig von d. wundervollen Gedichten, wirklich sehr schön“ …), dann durch Antelephonierung vom kleinen Umansky, der sich nach einer Novelle aus d. Russischen übersetzt erkundigte („Ich muß ihnen sagen, ich hab sie nicht verstanden“). Bach sagte zu mir  : „Ihr Stück hat mich sehr sehr interessiert, ich reise heute abends zu einem Theaterdirektor u. will ihn dazu bringen, daß er es liest.“ Ich sagte ihm, wie mir sein günstiges Urteil gerade jetzt gelegen komme, da ich nach einem Gespräch mit Hock, der mir jede dramatische Begabung absprach, kollabiert bin. „Der ist ein Aff“ sagte Bach im Ton unwilliger Überzeugung. „Aber er ist Germanist u. Theaterdirektor zugleich, jedes allein würde schon genügen, seine NichtZuständigkeit verständlich zu machen. Nein, lassen sie sich das nicht zu Herzen gehen.“ Dann bekam ich für die drei als (2) Feuilletons erschienenen Gedichte 200.000 K[ronen], ließ ihm noch 2 Gedichte dort (Verbrauchte Mutter u. Abschied (von Lo101

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fer)), die Wasserleiche, nur zu seiner Lektüre, weil sie sicher für eine Tageszeitung ungeeignet ist – u. ging. Ich war in guter Stimmung, aber sehr vorsichtig, daß nur ja keine neuen Hoffnungen aufkämen …81 Nach einigen notwendigen Einkäufen Albertina, Sachen für Kurt Wolff herrichten (französ[ische] Graph[ik]), die Hans ihm morgen zeigen soll. Hier auch die ausgesuchten Blätter für die Ausstellung französ[ischer] Zeichnungen 18. Jhs mit Stix u. Reichel besichtigt, bei der Gelegenheit ein Blatt von Watteau (Schauspieler, rechts hinten 2 angedeutet), das viel zu schwach war, eliminiert. Ein Jammer, daß die Albertina auch hier unter ihren besten Blättern immer die kitschigsten Motive u. die finischedten* Zeichnungen gekauft hat. Auch d. gute Erzherzog Albert hat halt nur die der erzherzögl[ichen] Mentalität entsprechenden Zeitgenossen erworben.82 8. Sept[ember] Am Nachmittag gestern Rendezvous mit Hans bei Ehrlich, der die Aquarelle u. ein in Berlin gemachtes Ölbild (Knabe mit seiner Frühlingsvision) zeigte. Hans war sehr sehr froh über das Gesehene. Er will immer alles kaufen. Am Rückweg bei Grünwald eingekehrt, wo wir auch mit Floch zusammentrafen. Abends Feuerwerk auf d. Sportplatz, die Kinder waren von Felix eingeladen. Ich im Bett. Während des Geknatters eingeschlafen. Dann große Angst um die Kinder wegen Gedränge, glücklich über ihre jubelnden Stimmen. Heut früh sagte Hans von Vronerls Zeichnung (mit Ball)  : „Ich glaube, Abb. 19  : Konstantin Aleksandrovič Umanskij Ehrlich ist doch nicht zum Portraitmaler sondern zum verfasste nach dem Weltkrieg den ersten Bericht über die neue russische Kunst, 1920. Landschafter geboren. Ich glaube nicht, daß er so eine Zeichnung wie diese oder gar wie deine in einem Bild festhalten könnte. Wenn er so ein Bild malen könnte wie deine Zeichnung, so wäre das etwas ähnliches wie der Aretino von Tizian.“ … „Am besten gefällt mir von seinen Sachen überhaupt das Aquarell „buckliges Mädchen“ – fuhr er fort. – Das ist doch keine Landschaft – „Aber doch etwas ähnliches“, schloß er lachend …83 9.IX. Also gestern vormittag hat sich Kurt Wolff die französ[ische] Graphik angeschaut u. daraufhin entschlossen, die Publik[ation] zu machen. Zur Mappe von meinen Gedichten u. Ehrlichs Graphik steht er auch sympathisch, möchte aber erst natürlich * zur Gänze ausgeführt

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Abb. 20  : Georg Ehrlich, Vronerl mit Ball, 1923.

die Gedichte lesen. Ich hab’ ihm 16 abgeschrieben, die ganz lyrischen ausgeschieden, auch die Zusammenkunft mit der verrückten Lotte u. das zu sentimentale Spitalsgedicht … Nous verons. Mit Felix Gespräch über Alfs Heiratsabsichten  ; er meint  : ich soll doch ihm abreden – vielleicht wartet er nur darauf … 10.IX.1923 Gestern nachmittag hat Ehrlich den Hans gezeichnet  ; sehr gut – aber mir nicht so lieb, daß ich’s besitzen möchte – Kurz, das richtige Blatt zum Verschenken. Abends wundervollen Spaziergang zur Zahnradbahn hinauf – so schöner klarer Herbsttag. Zwischen den kritzelichen Weinstöcken singende Gesellschaften, zweit und zweit, weicher Schlenderrhythmus. Hinunter nach Grinzing, übervoll, Autos …84 103

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Abb. 21  : Romantische Wiener Landschaft – Blick von den Heiligenstädter Weinbergen auf die Kirchtürme der Innenstadt, Balthasar Wigand, um 1820.

Nach d. Nachtmahl Gespräch mit Alf, das dieser scheinbar erwartet hat. Er ist zu weit gegangen, kann nicht mehr zurück – es ist ein Experiment, das er versucht – bei dem er möglicherweise draufgeht. Es hat sich nicht gut gesprochen … 11.IX.1923 Ehrlich hat gestern nachmittag die Vroni auf dem Sofa beim Seitz liegend sehr gut gezeichnet u. ist dann in der Stadt zum Vortrag von Hauer. Ich habe lieber den Hans bei der Elektrischen abgeholt u. damit viel Freude gehabt. Er kam erst mit der vierten Elektrischen – immer d. Warten im Dunkel, dann das spielerische Einbiegen des Vehikels, das Ausgießen der Menschen – endlich der liebe Mensch …85 Heute erst Albertina, die kaschierten Portraits von mir u. Vroni abgeholt, zum Haberditzl gebracht, der sie vielleicht 20 Minuten lang angesehen u. drüber gesprochen hat. Dieses liebevolle sachliche Eingehen, dieses Gefühl d. Verantwortlichkeit dieses Menschen ist wundervoll. Die Blätter haben ihm ausgezeichnet gefallen, alle, jedes für sich, besonders aber der Schritt von dem einen zum zweiten Portrait, der Schritt über OK hinaus. Alma will ihr OK-Portrait verkaufen, am liebsten an die Galerie – verlangt 104

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aber 2000 Dollar, eine unerhört große Summe, wenn man bedenkt, daß sich der alte Wucherer Reichel für das Stillleben mit d. Hammel mit 1000 Doll[ar] begnügt hat. Mittag bei Mama, die mir u. a. Familientratsch, den Tod der Tante Tale erzählt hat …86 Bei Ehrlich im Atelier einen Sprung, ihm d. Ra­ die­r[ungen] angegeben, die die Albertina besitzt  – dann bei Tante Brüll, die immer noch lebt (bald 84) ihre Leute quält, sich von ihnen verfolgt fühlt – aber im großen ganzen doch ein heiterer Narr ist. Die Schreierei in ihre tauben Ohren so anstrengend, daß ich gegen ½ 7 halbtot nachhaus kam.87 12.IX. Heut kam ein Brief vom Komponisten Křenek, ob OK in Wien ist …88 Schwangere oder Sommer in Wien Man muß nicht jedes Jahr hinaus Aufs Land, Es ist auch hier schön Auch hier Schließlich, man kann ja Spazieren gehen … Ganz nah Von mir dem Haus, wo wir wohnen Ist ein e Anlage durchgestrichen Garten. Ein wenig Zwar blutleer zwar Ist das Gras Wie die Füllung im Seidenpapier Häcksel aus Papier – In einer Bonbonière. Und auf dem Laub Der Kastanien Bäume liegt auch oft Der weiße Straßenstaub – Doch geben sie guten Schatten … Im Rhythmus der Unter den GasLaternen stehn

Abb. 22  : Franz Martin Haberditzl, Direktor der Österreichischen Galerie Belvedere  : Egon Schiele, Kreidezeichnung, 1917.

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Braungestrichene Bänke aus Holzlatten Mit Gußeisenlehnen – Alle gleich. Und in der Mitte Ist sogar ein Teich – Da war Einmal Wasser drin Mit Schwänen … Er ist betoniert Und der Wind Kehrt die welken Blätter hinein … Wär’ ich allein – Und nicht so viel Kommen und Gehn – Es könnte wirklich sein Ein vornehmer Garten … Könnt es sein Es ist sonderbar, Wie viele Frauen man sieht, Die – hier geblieben sind – Die ein Kind Erwarten. Seh ich nur die Hände, Die müßig im Schoß liegen Offene Fragen – Weiß ich es schon … Bald biegen sich, Die Arme und schmiegen sich An den Schooß Leib Sie sind noch nicht so weit Wie ich – Bald Sie tragen Noch schüchtern das – Kleid … Wir gehen Schwer Und kennen die Scham nicht mehr – Und lachen zu unserm Leid. Das kann kein Mann verstehen, – 106

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Wie reich Wir sind … Zu meinem Hab ich aufgesehen Alle Zeit – Jetzt ist er mir Ein Kind Am Nachmittag erste Sitzung für mein Bild bei Ehrlich, Hans hat mich abgeholt – abends sehr müd. Eigentlich sitz ich nicht, sondern lieg ich auf d. Sofa. Wir sprechen nicht miteinander. Ich hab sogar schlafen können. 13.IX. Hans erzählt mir, daß er bei dem Akt den Tausch des Defregger (Zitterspieler) gegen Füger etc. die Photogr[aphie] jenes nicht beilegte, sondern dazuschrieb  : Phot[o­ graphie] kommt nach, damit der Minister, der doch sicher auf d. Defregger fliegt, nicht nachträglich Bedenken bekäme. Des Spasses wegen erzählte Hans dieses Detail dem Petrin. Als dieser aber d. Defregger sah, begann er Bedenken zu bekommen  : Was wird d. Presse darüber wieder schreien etc. – Hans wurde wieder einmal an d. Niveau erinnert, mit d. er zu rechnen hat – denn offenbar hat auch in Petrin d. Defregger warme Saiten angeschlagen. –89 Nachmittag die zweite Sitzung für mein Bild, dann Abend bei Steiners, sehr gemütlich, heiter – das Seebild aus d. Engadin nicht gelöst – ganz schwache Zeichnungen … 14.IX. Früh bei Felix, mit ihm Brom u. Adalin gekauft für Paris. Dann Albertina, dort mit Stix gesprochen, der sehr angeregt war durch Anfrage Morgans (Artaria) wegen Rembrandtdoubletten. Dann 3. Sitzung bei Ehrlich, ganz kurz, Bild angeschaut. Stimmung  : sonniger Herbst. Braun, rot, Ruhe, Verinnerlichung. Sehr ähnlich  : Schön – auch schon koloristisch. Einige Kleinigkeiten noch nicht gelöst – müssen erst gemacht werden. Hoffentlich kann er es – sehr schwer für einen Graphiker dieses „Vollenden“. Mittag bei Mama, die mir meine Filigrankette in eine lange Goldkette von d. Urgroßmutter umtauscht. Dazu noch das Schlangenketterl mit dem blauen Email gab, das zu Großmamas Ring gehört. Viel Freude, liebe alten Schmuck …90 Abends Pogany (der bei einer neuen Kunstzeitschrift als Redakteur untergekommen ist, sehr arm, herzergreifend durchbeutelt – ich hab ihm einen Aufsatz über OK versprochen). Dann Van Bercken, der mir unerhört den Hof machte (nicht auf Leben u. Tod – sondern um sich einen Weg zu einer Ausstellung in Wien zu ebnen), indem er in d. Stadt u. die Menschen hier sich verliebt zeigte. Man kann in keiner anderen 107

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Stadt leben als nur in Wien – das hören wir halt gerne … Graphische Blätter angeschaut, u. a. hat ihm die Radierung mit d. beiden Mädchen der Funke sehr gut gefallen. Ja richtig, bei dieser war ich heut Nachmittag. Es ist eine furchtbare aber ganz stille und einsame Tragödie, wie diese Frau mit ihrer Kunstidee und ihrem Körper ringt bis ins Maniake und Hans hat ganz recht, wenn er sagt, logischer Weise müßte sie ermordet werden, das wär der einzig motivierte Schluß dieses Lebens. – 15. September Alma will ihr Portrait von OK verkaufen, am liebsten der Galerie, um 2000 Dollar. Mir tut das sehr weh – heut hat sie zum zweitenmal darüber an Hans geschrieben … 16. September Heut ist der Geburtstag von Christl Kerry – sie ist meine direkteste Kousine und ich weiß kaum, wo sie lebt. Von meinen ebenso nah Verwandten väterlicherseits, weiß ich nicht einmal die Namen …91 Gestern Nachmittag war der jüngere Holländer aus dem Bernatzikhaus bei uns und hat so viel Freude mit dem frühen OK gehabt u. mit den letzten Ehrlichblättern. Die eine Zeichnung vom Anderl hab ich ihm um 300.000 K[ronen] verkauft (stehender Akt) – er holt sie sich am Dienstag oder Mittwoch, will sie dem anderen Holländer (Gendringen) schenken. Dann Puppenspiel von dem Ehepaar Fränkel-Rothziegel in d. Pyrkergasse 1 u. zw[ar] Faust nach dem Kralikschen Text – es hat aber weder d. Erwachsenen noch d. Kindern Freude gemacht. In einer der letzten Bänke saß ein Idiotenbub, der kaum gehen kann und tierische Laute während d. Stückes u. d. Pausen ausstieß. Heimweg mit Ottmann u. Ehrlich – der Burgl auf der Hohen Warte – auf die Caféhausböschung begleitet, da sie „einen Wunsch“ hatte. Heut früh ist Hans schon um 6 h aus dem Haus, mit den englischen Studenten in die Wachau. Wir haben Burgls Geburtstag heute „vorausgefeiert“  ; großer Schatten, da Boby Münzberg (Sommergast aus Lofer) für heut nachmittag absagte.92 17.IX. Gestern nachmittag ging es mit Maria Luithlen gelegentlich so laut zu, daß ich ein wenig aus der Haut gefahren bin. Dann aber einsamer Spaziergang – alles wieder gut … Hans gegen 11 Uhr zurück, sehr vergnügt von dem Ausflug – in Dürnstein Volksfest mit Tanz, heiter ohne Roheit. Heut früh meine Granaten zum Schätzen geschickt – trag sie nie, mag sie nicht. Besser was andres. Mamas Rahmen paßt glänzend, sodaß Ehrlich mein Bild gut einfügen kann, wenn’s einmal trocken ist. Es sieht unter Glas wundervoll aus. Die Hände sind jetzt ganz ganz fertig – die doch, solang sie noch naß waren, ganz offen waren. In der Albertina hat mich Stix wieder einmal 108

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in der Ausstellung Probe geführt. Ich machte dazu meine Bemerkungen, das ganze summiert sich zu einem Vortrag …93 Dann Van Bercken, der eine Tintorettozeichn[ung] (hl. Familie), die der Suida für einen Savoldo verkauft hatte u. die die Bum als Tintoretto bestimmt hatte, mit einem Mailänder Tintoretto zusammenbrachte, den Hadeln in d. Zeitschr[ift] f[ür] b[il­ dende] K[un]st abbildet. Doppelt ehrenvoll für die Bum, die Zeichnung im Burlington als Tintoretto publiziert zu haben – unverständlich aber, daß sie einen Aufsatz Hadelns, der doch jeden Aufsatz benützt, um Invektiven gegen sie hineinzusetzen, nicht kennt  ! Heut kam ein sehr warmer anonymer Brief von einem Leser d. Arbeiterzeitung über meine Gedichte – u. ein Brief Kiesler, der mir rät, das M[anu]s[kript] des Tobias dem Döblin einzuschicken, da er bei dem Kleistpreis heuer Preisrichter ist. Ich tele­ph[onierte] gerade an Lampl, um es ihm vorzulesen, bevor ich es zu diesem Zweck tippen lasse …94 19.IX. Zu jenem anonymen Brief möchte ich dazu bemerken, er handelt vor allem über die „Verbrauchte Mutter“ – Stoffel las ihn u. sagte mir  : „Mir scheint, die hält das auch für wahr, was du schreibst.“ Dieser Grad der Natürlichkeit ist wundervoll – Gestern war ein sehr bewegter Tag. In d. Früh schon telephonierte Buschbeck, ich solle am Vormittag in Schönbrunn mit führen, da Ottmann abgesagt habe. Es war ganz gewittrig u. vieles klappte nicht, wie immer wenn so geschäftige Menschen wie Buschbeck etwas arrangieren. Prof. Pribram ging auch mit, da er nie in Schönbrunn gewesen war u. drohte mir immer mit einem epileptischen Anfall, den er gewöhnlich bei Schloßführung infolge von Nervosität bekommt bez[iehungsweise] simuliert, um loszukommen. Nach Tisch Führung in d. Stephanskirche, riesig voll, inAbb. 23  : Erica Tietze-Conrat, „Wasserleiche“ – folge Regens das „Äußere“ sehr kurz  – aber noch Durch den Selbstmord des jungen Barons am lange nicht so kurz wie der Hans, der mit seiner viel Wasserfall in Bad Gastein kam Leben in die viel größeren Gruppe nicht in die Ostkapellen hinein verschlafene Kurgesellschaft … konnte. Sein Vortrag am Vormittag, zu dem er aus einem Wirbel von Geschäften, recht unpräpariert ging, war so gut wie noch nie – der Chefarchitekt von London hat ihn eingeladen, ihn in London zu wiederholen …95 Dann trafen wir Rapaport, der seine geschickten Tuschzeichnungen in d. Würthleauslage ausgestellt hat u. eine sogar schon verkauft hat. Er erzählte mir, daß „die Wasserleiche“ am Sonntag in d. Arbeiterzeitung erschienen sei (sehr froh, wieder zu 109

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Geld zu kommen). Dann Atelier Ehrlich, Hans sehr sehr froh über d. Bild, das er gleich kaufte. Es ist auch wundervoll, der Rahmen u. vor allem d. Glas stehen ihm auch sehr gut. Hans meint, daß er noch an d. Händen bisserl was auflockern soll. Um 6h Sitzung der 10 Ehrlichinteressenten in d. Albertina, die sehr gut verlief. Die Albertina hat u. a. die 3. Zeichnung von mir weggekauft, die wir ursprüngl[ich] für d. Alf haben wollten, aber die uns dann so gut gefiel, daß wir sie auch noch für uns behalten wollten. Da kann man nichts machen. Wir haben einen wundervollen Rötel­ akt genommen zu den beiden andern (Vroni u. Hans). Ich hab’ für Halle 2 Aquarelle (Lofer mit See u. Mädchen) genommen u. die liegende Vroni. Frau Menczel hat die Mondlandschaft haben wollen u. Ehrlich hat gesagt, die möchte er für sich behalten. Ich weiß, warum – und bin sehr froh darüber. Alle haben gekauft (nur Dr. Frankl will erst das nächstemal, wenn das Geriss* um die Sachen nicht mehr so groß u. eine ruhige Wahl möglich ist) und alle waren eigentlich sehr aufnahmsfreudig. Eine gute Stimmung, die zum großen Teil auch Stix zu verdanken war, der sich für jedes Blatt im Interesse der Albertina bemühte, es dadurch hervorhob und dann, als es umworben wurde, den andern überließ.96 26.IX.1923 Das ist eine lange Pause und dazwischen liegen nicht nur viele viele Stunden, sondern mehr noch viele viele Kilometer. Wir sind seit vorgestern (Montag) abend in Paris. Die letzten Tage in Wien waren so gehetzt wie möglich. Ich hab am letzten, den ich zuhaus verleben wollte, noch Besorgungen für d. Hans übernommen, sodaß mir die Zeit des zum letztenmal Auskostens vom „Zuhaus“ nicht blieb. Am Mittwoch bin ich noch einmal dem Ehrlich gesessen  ; dann hat er das Bild signiert vorn u. auch an der Rückseite u. wir waren beide sehr zufrieden, obwohl er eigentlich schon das nächste sah. Jetzt ist es während unserer Abwesenheit in d. Staatsgalerie, Hans richtet aus, daß es d. Haberditzl sehr gut gefällt, besonders d. Kopf. Abends hab ich Lampls u. Frau Kiesler (ihn lehnte ich ab, er mußte ins Nebenzimmer) den Tobias vorgelesen. Grand succès. Nachher stritten sie sich eigentlich nur darum, welches der 3 Stücke den Kleistpreis bekommen würde. Daß er mir sicher sei, galt als ausgemacht (o diese Kinder  !) Dann ob das Wiener od. d. Berliner Publikum das richtige wäre u. ähnliche Zweitrangigkeiten. Am Samstag (21.) früh fuhren Ehrlich u. ich voraus, da die andern 2. Kl[asse] und durch die Nacht nachkommen wollten. Wir kamen bis Wörgl. Es war voll, aber wir hatten gute Fensterplätze, ein wundervoller Reisetag, blau, schöne Wolken, dann ganz klare Mondnacht. In Wörgl dazu phantastische Bodennebel. Er erzählte mir viel von Elisabeth Bergner u. Lehmbruck – u. von ihr und ihm selbst. Wenn wir allein miteinander sind, sprechen wir uns sehr sehr gut. Als wir nach d. Nachtmahl spazieren gingen, sprach er nur über Kunst u. Künstler. Ich * Andrang

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erinnerte ihn daran, daß er mich selbst gebeten hatte, als wir nach Lofer fuhren, nicht in d. […] über Künstler zu sprechen – „Die Landschaft ist mir zu stark, ich halt sie nicht aus – drum sprech ich über diese Sachen“ – entschuldigte er sich. Am Sonntag Gottesdienst, Gruppen von Bauern auf d. Platz, die d. Wandlung mitten unter ihren Geschäften mit dem Hut in d. Hand mitmachten. Dann stiegen wir in d. Zug, wo Hans u. Steiners eine gute Nacht gehabt hatten u. wesentlich frischer war als ich, die der Kirchturm nicht schlafen ließ. Auswanderer im Zug, wenig Platz, von Buchs aus beisammen, Schweizer Wagen (3. Kl[asse]) mit Klosettpapier  ! Großer Eindruck. Wir lehren „Monsieur George“ ohne Erfolg französisch.97 Nachts um ½ 11 in Basel. Waschen, ach Waschen  ! Adalin, Schlafen. Gemütlicher Morgen. Erst mit Hans, der dann erst richtig auftaute, dann Dom, Terrasse auf d. Rhein  ! und Galerie (Stärkster Eindruck trotz Witz u. Familie Holbein, die Bilder von Man[uel] Deutsch). Abfahrt, Zoll- u. Paßrevision gleich in Basel  ; Ehrlichs Zigaretten werden verdächtigt, er muß daraufhin seinen Koffer öffnen, was erst im letzten Augenblick geht. Ein Paar Schuhe, die er ohne sie auch nur ein einzigesmal zu tragen eingepackt hat, müßen verzollt werden (4 ½ francs). Hans u. er springen im letzten Augenblick in den Zug. Reise eintönige Gegenden, dröhnender Lärm, kurzer Wagen, …98 30.IX.1923 Wieder eine Unterbrechung und jetzt lohnt es sich wirklich nicht, die täglichen Berichte zu rekonstruieren. Wir sind passabel untergebracht, das Zimmer finster, aber sehr sehr ruhig, sodaß wir gut ausruhen können. Die Stadt ist das hinreißendste, das man sich denken kann. Ich denke fast nie an Wien zurück – wenn aber, so seh ich es ganz ganz klein wie einen schönen aber doch ganz kleinen Schmuckgegenstand. Wir gehen abends gelegentlich aus u. kommen meist erst nach Mitternacht nachhaus. Im Casino de Paris eine Revue Rubens, Toilettes, Chapeaux – die blödesten sentimentalen Einkleidungen u. dazu d. fabelhafteste Aufmachung. Als Höhepunkt immer die nackte Frau – die mit den zarten Brüsten für mich immer etwas keusches reines hat. Sogar hier in dieser Umgebung. Im Lapin agile der grotesk stickigen Künstlerkneipe auf d. Montmartre sind die Couples vor oder nach d. Erschöpfung auch immer etwas ganz natürliches für mich. Ich kenne keine Prüderie mehr, sehe nur den amoren omnipotentum überall u. überall. Gewiß kein einziger Herrscher u. nicht agens für jeden u. immer – wenn aber oben auf, dann Ehrfurcht vor jeder Gestaltung. Auch Kunst, alte u. neue. Am stärksten diese. Aber nicht bei den Theoretikern Gris, Braque, Metzinger – nein, viel mehr geh ich mit bei Le Fauconnier, von dem wir bei J. Billiet das ganze Material der nächsten Ausstellung gesehen haben. Ich sitze gerade auf einer Wiese im Wald von St. Cloud – am anderen Ende der Wiese auf 2 Plaids unsre Gesellschaft, vermehrt von Ehrlichs persischen Freunden … 111

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1. Oktober 1923 Wieder unterbrochen worden, um unsre Plaids herum begannen die Fußbälle zu fliegen u. d. Schaukeln zu hutschen*, da brachen wir unsere Zelte ab, verschenkten gruppenweise die zu viel von den jungen Leuten gekauften Raisins, die schwer transportabelsten Reste unseres Dejeuner sur l’herbe und gingen auf die Terrasse. Schade, daß d. Riesenrad beim Eiffelturm abgerissen wurde – so sieht er ganz fata morgana aus. Rückfahrt wieder zu Schiff, sehr voll. Ohne Ungeduld, ohne Drängerei. Nachher demonstrierte der persische Architekt Guevrekian die Pläne, die er zum Salon d’Automne schickt (Familien-, Atelierhaus, Hôtel), stark parisien – Loos kam dazu u. putzte alles sehr maniak u. doch wieder sehr geistreich zusammen u. jeder einzelne von uns gab ihm nachher ein Zuckerl **  – dann beim Essen vor allem Loos selbst, der ihm alle guten Bissen u. Süßigkeiten auf d. Teller legte. Auch ein Wiener Student war mit, […] der elend französisch u. ebenso schlecht deutsch spricht. Nachher Café de la Rotonde – eine dekolletierte Negerin mit Pariser Lächeln in dem barbarischen Gesicht – Moissi Kogan der russische Bildhauer auch noch an unseren Tischen. – Diesmal schon um 12 im Bett – Ehrlich, der Perser u. Loos noch spazieren gegangen.99 Abb. 24  : Das Pariser „Riesenrad“ wurde 1923 abgerissen. 15. Okt[ober] 1923 Wieder eine ganz lange Pause, gewiß wäre es sehr vernünftig gewesen, in Paris alle Tage zu schreiben – aber es war einfach nicht möglich. Physisch schon. Und dann  : ich bin keinen Augenblick zu mir selbst gekommen. Zusammengekommen mit Chagall (affektierte Dame trotz Hosen), ein Abend mit Le Fauconnier (doktrinärer Anek­dotenonkel), Besuch bei Poiret – hundert Kunsthändler – dann letzter Tag noch Pellerin mit dem ganz starken Eindruck der Cézannes. Dem Ehrlich ist d. Geld ausgegangen u. wir haben ihm unter die Arme gegriffen u. so das Bild von mir abgezahlt. Folge davon  : nach der Rückkehr großer finanzieller Kladderadatsch, den ich noch gar nicht überschauen kann, wie wir uns wieder herauswuzeln*** sollen. Lili hier, wir haben sie von Ehrlich zeichnen lassen. Flechtheim kommt Dienstag abends und Lia Rosen, die „kleine Schauspielerin“, die wir am Rückweg in der Bahn kennengelernt haben. Darüber will ich jetzt eine Novelle schreiben. –100 * schaukeln ** Bonbon *** befreien

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Abb. 25  : „affektierte Dame trotz Hosen“ – Marc Chagall, Selbstporträt, 1922/23.

18.X.1923 Die Novelle war so schlecht, so ohne Distanz, daß ich sie am Abend wieder zerrissen habe. Ich bin immer müd u. hab trotzdem nicht einen Augenblick innere Muße. Gestern abends ist Lili weggefahren. Ich friere zuhause u. fühle mich nur im Bett wohl. Am 16. abends waren Flechtheim u. Lia Rosen da u. ich habe mit gutem Erfolg Flechtheim Gedichte von mir vorgelesen. Vielleicht, daß daraus doch ein Verlagsgeschäft wird. Ehrlich hat mir sein Aquarell „Mondnacht in Lofer“ gebracht u. ich freu mich sehr damit. Voll Erinnerungen an Natur und Ruhe in der Natur, die ich diesen Sommer in alle Falten meiner Seele gezogen habe – voll Erinnerungen – obwohl ich nie eine Mondnacht in Lofer erlebt habe. Draußen wird der große Nußbaum vor meinem Fenster umgehauen. Ich mache, als ob ich es angeschafft hätte, bin aber 113

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ins Tiefste erschüttert, kann gar nicht hindenken – so ein Jammer. Gerade sank ein Hauptast hin u. an meinem Schreibtisch wird es ganz hell. So findet man bei jedem Schritt Dinge, die sich nicht wiedergutmachen lassen. Wir haben jetzt sehr enge finanzielle Verhältnisse, da wir gar keine Einnahmen aus Deutschland haben. Seit 3 Tagen wieder die Butter im Haushalt gestrichen. 19.[X.] Gestern erster Kurs bei Halles. Frau Jaray tut nicht mit, dafür eine Frau Lederer, die eine der 10 Radiererinnen (Mendl) war u. in ihrer Geschmacksrichtung auf jenem Punkt stehen geblieben ist (übrigens noch mit d. Verschärfung seit 15 Jahren nicht mehr gearbeitet zu haben). Mir ist die Stunde eine Qual u. ich bekam eine Stimmbänderlähmung am Ende, wie immer, wenn mich etwas während des Vortrages irritiert. Philippi gesprochen – er reicht heute seine Crematoriumentwürfe ein. Abends Hans in d. Universität abgeholt, Frau Dr. Kurth erzählte von d. Depressionen des Kris. Gewiß in Folge der Grippe u. dann überhaupt ein kränklicher Bursch. Kommt sich neben, d. h. unter Hermann unnötig vor (wehrt sich gegen die dortige niederdrückende Atmosphäre), wacht auf und weint etc. Seine Mutter verzweifelt. Hans wird ihm eine bestimmte Arbeit übertragen … Heut vormittag die Novelle vom Lieben Gott begonnen, 4 Seiten geschrieben, dann anderthalb Stunden mit d. Vroni spazieren gewesen u. a. beim Grab Mahlers. Nachmittag „Rembrandt als Erzieher“ gelesen, mit viel Freude und Aphorismen von Goethe über Kunst.101 20.X.1923 Ich habe fast täglich schwere Depressionen. Ganz ohne Grund d. h. mit einem an den Haaren herbeigezogenen Anlaß. Mir tut es auch des Hans’ wegen weh, den ich damit quäle. Gestern abends war Philomena Blaschitz hier. Sie ist jetzt Leiterin des Konservatoriums der Ursulinerinnen in d. Johannesgasse u. reist 2x im Monat auf 3 Tage nach Salzburg zu den dortigen Ursulinerinnen, wo sie ihre Kurse in konzentrierten Foren weiter führt. Sie hat mir eigentlich einen starken Eindruck gemacht mit ihrer Fähigkeit und ihren 100 % roten Blutkörperchen. Und noch eine eigenartige Gabe besitzt sie  : Fiebernde durch Handhalten zu entfiebern. Sie fangen zu schwitzen an u. schlafen ruhig ein …102 Heut vormittag in großer Ruhe wieder 1 ½ Seiten an meiner Novelle geschrieben. Nicht mehr, weil mich Therese zum Kopfwaschen abholte. Heut ist erst am Nachmittag die Sonne durch den Herbstnebel durchgebrochen. Man ahnt nur den blauen Himmel. Stoffel ist heut mit seiner Schule in Stockerau  : Flugwochenausflug. Gestern um 9 kam noch ein Expreßrohrpostbrief vom Rat Berl, der uns zur Urne für die bürgerl[ich]-demokratische Partei drängen möchte. Da aber der Oberbaurat Leopold Bauer Kandidat ist, den wir als reaktionäres Schadentier kennen u. dessen 114

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Position wir darum nicht stützen wollen, wird’s ihm nicht gelingen. Da seine (Berls) eigene Frau christl[ich]-sozial wählt, d. h. Seipel u. sein Sanierungswerk wählt, wird ihn unsre Andersgläubigkeit nicht überraschen. Aber wen  ? Hans sagt „wenn ich wüßte, wie der Wahlkampf ausgeht, wüßte ich auch, wem ich meine Stimme geben möchte – der Minorität nämlich“. Siegen die Christl[ich]-Sozialen, so geht d. Sanierung ungehindert weiter, dann hätte ich gern die Sozialdemokraten gewählt, um gegen die Auswüchse der Christl[ich]-Sozialen, diese furchtbare Parteipolitik z. B. im Unterrichtsamt gearbeitet zu haben.103 20.X.1923 Gestern nachmittag bei Laske mit Hans zusammengetroffen, dann zu Steiners, wo wir gemütlich wie immer den Abend verbrachten. Viele Anekdoten über Jungnickel – auch über Frau Trenkwald, u. a. daß sie bei irgendeinem Jubiläum ihres Gatten (50. oder 60.? Geburtstagsfest) auf ihm reitend wie Phyllis auf Aristoteles hereingekommen wäre u. die Gäste zur Gratulation aufgefordert hätte. Man muß sich Trenkwald dazu denken, diesen vornehmen, ganz zugeknöpften, liebenswürdig lächelnden weißbärtigen Herrn und daneben diese Närrin, um das grotesk unverständliche d. Situation zu verstehen. Ich spreche am Nachhauseweg mit Hans darüber – wie doch das tiefere erotische Gründe haben müsse u. wie es doch sonderbar sei, wie man nicht einen einzigen Zug im Gesicht Trenkwalds wiederfinden könne, der diese Abnormitäten erklären würde. Hans sagt  : „Es sind diese erotischen Dinge die tiefsten Geheimnisse im Leben eines Menschen, viel tiefer als alles Intellektuelle, das sich darüber schiebt u. d. Ausdruck bestimmt.“ Heut früh war ich erst d. Bilder zu Tischler zurücktragen, das Pastell von OK u. die frühe Zeichnung von OK, die wir d. ganzen Sommer in Pension gehabt hatten. Das Pastell möcht er gerne verkaufen, gibt es für 15 Millionen – Hans wird morgen mit Haberditzl reden. Er wollte es eigentlich gegen den C[arl] Hofer bei Würthle umtauschen, den ihm aber die Staatsgalerie weggekauft hat. Hans wird morgen mit d. Haberditzl reden. Ich hab seine neuen Bilder gesehen – alles ganz nett, aber nirgends aus einer letzten Notwendigkeit herausgeschöpft. Ein kleines, sehr leicht u. zart gemaltes Stilleben möcht er am liebsten in die Staatsgalerie bringen. Ich hab ihm zugeredet, es d. Haberditzl zu zeigen. Nachher hab ich Hans bei Fannina abgeholt u. bin mit ihm wählen gegangen. Hans hat einen leeren Zettel gewählt – ich sozialdemokratisch. (Wie gesagt, zur Stärkung der Majorität).104 21.X.23 Heute heiratet der Alf. Natürlich weiß ich nichts Offizielles darüber. Ich fühle mich nicht wohl u. mache darum lauter Besuche. Erst Haberditzl, die neuen Donnerstatuetten mir angesehen, die wirklich viel besser sind als die Parallelen im Kunst­ hist[orischen] Museum. Nachmittag bei Fröhlich-Bum, die mir konstant Busen und Beine zeigte – die Frau muß Ostentativistin sein. – 115

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Dann bei Erny, der mir von der gehirnerweichten Mutter erzählte, Frau v. Winter, die in Rohatetz, endlich Frau Menczel, die etwas für den Laske tun will. Er soll fast gar nichts verkaufen und so viel auf sich haben.105

Abb. 26  : Hans Tietzes Bruder Felix mit Tochter „Margaretl“.

22.X.23 Früh bei Hertha mit Ehrlich, der sich das Margaretel anschaute, ob er es portraitieren kann. Dann Gespräch mit Hertha, die in anderen Umständen ist u. im Dilemma, ob sie es dabei lassen soll oder etwas dagegen tun. Finanzielle u. Wohnungsgründe sprechen gegen ein 3. Kind, dazu noch ihr Verkindeln, das sie zu jeder andern Sache  ; vor allem für d. Felix lahmlegt. Ich riet ihr aus einem höhern Aberglauben nichts gegen d. schon Empfangene zu tun, aber durch berufliches Arbeiten das Verkindeln aufzuhalten … Dann Rendezvous mit Hans in d. Albertina, wo wir die neuen Zeichnungen, die Meller anbietet, sahen. Entzückendes Blatt Gefangennahme Louis XVI, das (ohne Grund wohl) David heißt – großartiger Rodin u. Toulouse-Lautrec, den wir als „verkauft“ bei Gobin in Paris gesehen haben. Dieser übrigens in Wien, ich hab ihn zu Ehrlich geführt – er hat aber gemeiner Weise nur gelobt, nichts gekauft.106

24.X.1923 Führung in d. Sezession  ; ganz gute Ausstellung, aber weiß Gott nichts himmelstürmendes. Wundervoll ein Portrait von Makart, von Dora Gabillon. Romako zumeist jenseits der Grenze zum Kitsch. Die Staatsgalerie hat wirklich die besten Bilder von ihm u. muß dem Herrn Dr. Reichel keine mehr abkaufen. – Vroni kommt mit ihrer Semmel zu mir ins Bett. „Du, riech  !“ Es riecht wie jede warme Semmel. „Weißt du, sie war schon kalt, ich hab sie unter meinen Füßen gewärmt  !“ – Am Naschmarkt einen Korb mit Obst füllen lassen, damit zu Kieslers mich bei der Frau für die Abschrift des Tobias bedankt. Der Kleistpreis war schon verteilt, bevor mein Manuskript dort war. Kiesler hat mir seine Theaterausstellungspläne entwickelt. Hoffentlich kommt es dazu – denn er will dann den Tobias aufführen. Ich glaube an nichts, nichts mehr. Ich hab ein paar Gedichte vorgelesen – mit ungeheurem Erfolg, der mich wie immer ganz melancholisch machte.107 116

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25.X.1923 Ich war den ganzen Tag im Bett, hab z[um] T[eil] meinen Vortrag für Montag (Einleitung zur Serie holländ[ische] Malerei des 17. Jhs., springe für Hans ein) durchgedacht, aber nur mit großer Anstrengung, da ich mich auch mit einem Gedicht trage. Ruy Blas von Viktor Hugo gelesen, mit viel Vergnügen. Abends Grimschitz u. Dr. Winkler aus Berlin. Sehr lustig, vor allem durch Grimschitz, der von seinem Besuch bei Kasparides erzählte, der dem Staat 70 Bilder schenken will, die Grimschitz mühsam auf 30 herunterhandelte. Natürlich kann nicht ein einziges in d. Galerie aufgehängt werden. Herrliches Wetter, in der Sonne 22° R. Hans war bei Laske, traf die Frau, will auch so eine Rente für ihn einrichten, die direkt an die für Ehrlich angeschlossen werden soll. Er fuhr dann zu Frau Weininger, (die gerade in den Prater fahren wollte u. ihn mitnahm), um sie für Laske zu werben.108 26.X.1923 Heut zum erstenmal meinen Vortrag in einem bißchen durchgesprochen. Schlecht. Keine Konzentration, oder nur mit direkter Vergewaltigung. – Klingt Dir dein Ohr  ? – Ich Denk an dich – Möchte dir tausend Dinge erzählen – Nie Hast du Zeit Für mich. Das weißt du sicher nicht, Daß um sieben in der Früh Der Bäcker wieder ins Haus Die Semmeln bringt – Und daß am Bach Beim Beethovengang – Komm doch heraus – Unsre Bank Wieder steht, Weil niemand mehr In den Wiener Wald Holz stehlen Geht Komm doch heraus, Noch ist’s nicht kalt – Nur 117

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Die Maronibrater Wärmen sich, Als wenn’s schon Winter wär’. Das gehört dazu … Heiße Maroni – Die lieb ich sehr – Weißt du … Lach mich nicht aus – Wenn ich allein Bin – dann Bin ich Eigentlich Doch noch klein. Vielleicht acht Jahre nur … Geht’s dir denn anders  ?  ! Sag, wie alt Bist du –   ? Und wann Flog dein Ballon, Der grad noch knisterte Ins Blaue übers Dach Davon  ? Du ihm nach … Noch steht Der dicke Mann Beim Burgtheater Er hält nur schwer An der weißen Schnur Sein Rudel Gegen den Wind – Und einmal – Denk dir – War ich noch Im Wurstelprater – Aber nicht weit … Dort sind Die Bäume Schon Ganz kahl – Und von den Buden 118

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Weht es Feindlich her Wie – Nun  ? – wie – Erzählte Träume. So schnell geht es Vorbei. Ich – Hab schon viele weiße Haare … Als wenn’s schon Winter wär’ … Und du –   ? Nie Seh ich dich …109 27.X. Ganzen Vormittag draußen in der Sonne gesessen. Erst das M[anu]s[kript] vom Hans gelesen „Die soziale Funktion der Kunst“, das mir einen ganz starken und ausweitenden Eindruck gemacht hat. Dann wieder der blöde Vortrag. Vronili leise um mich herum gespielt u. jedesmal beim Vorüberkommen mir einen Kuß gegeben. Nach Tisch Rendezvous mit Hans Ecke Peter Jordan- und Blaasgasse. Bloß dünnes Kleid, goldene Herbstfarben, Höhe mit glücklichem Blick über alle unsere Berge. Haus absolut uninteressant, Baumeisterhaus im üblen Sinn. Langsamer Weg nachhaus. Die Füße frühlingsschwer. Zur abendlichen Jause Ehepaar Steiner, mit dem wir per Pippsi (Autolein) in Čapeks W. U. R. fuhren. Ein sicher anregendes Tendenzstück mit dem ganz[en] Plus u. Minus eines solchen. Guter Rohstoff, hätte besser verarbeitet werden müssen. Dialog unwitzig, auch fehlt der tragische Zusammenhang des letzten Aktes zu den früheren. Das neue erste Paar der Robotermenschen müßte mit den früheren durch eine Liebesahnung verbunden sein. Elend gespielt. Die Dekoration Kieslers sehr gut, aber für diese nicht mitzieherische Spielerei verpufft. Frau Steiners viel gemalter Schleierfisch, den sie 7 Jahre großzog, ist ins Jenseits entschwommen.110 28.X. Heut reist Hans nach Budapest. Ich hab mir im Frühjahr geschworen, daß ich mitfahre – und kann jetzt nicht, weil wir kein Geld haben. Es geht mir sehr sehr nah. – Hans will in d. Verhandlungen nichts nachgeben, wird also vielleicht das ganze finanzielle Abkommen zwischen Österr[eich] und Ungarn zum Scheitern bringen. Seit 14 Tagen bemüht er sich vergebens den sogenannten Minister zu einer Unterredung zu bekommen, um ihn über den Stand d. Dinge zu unterrichten. Gestern um ½ 2 119

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noch Gespräch mit Hohenauer (Präsidialist*), der noch einmal den Versuch machen wollte, überzeugt von d. Wichtigkeit der Angelegenheit. Hans zu Hohenauer  : „Sehen Sie, ich war doch der bessere Psychologiker, es ist nicht zu dieser Unterredung gekommen.“ Hohenauer  : „Warten Sie noch einen Augenblick, ich will es doch noch versuchen.“ Nach 5 Minuten telephoniert Hohenauer an Hans  : „Der Minister läßt sagen, daß es ihm leider mit der Zeit nicht ausgeht und er den Herrn Hofrat bitten läßt, den österr[eichischen] Staat nach bestem Wissen u. Gewissen zu vertreten.“ Hans  : „Ich lasse dem Herrn Minister bestens danken, wenn er es mir nicht gesagt hätte, so hätte ich das gar nicht gewußt.“ Gestern fand ich noch einen Brief von Dr. Robert Friedmann vor, er will also doch jetzt meinen Tobias komponieren u. bittet um das Manuskript. – – –111 Hans ist fortgefahren  ; wir haben ihn alle fünf zur Elektrischen begleitet nach einem so friedlichen Mittagessen, bei dem wir den Kindern allen ihren Willen ließen. Jetzt nimmt mich die ganze Melancholie der Einsamkeit gefangen, trotzdem ich bei den Kindern sitze … 29.X.1923 Gestern hat noch Zimmermann teleph[oniert], der zu einer Auktion nach Wien gekommen ist – er wird wohl morgen herauskommen. Ehrlich ist zu seiner Schwester aufs Land hinaus gefahren, will die letzten schönen Tage zum Landschaftern ausnützen. Ich stelle mir Wöllersdorf wunderbar flach vor. Hab dem Hans einen langen Brief geschrieben. Ich habe mich teleph[onisch] für heute Abend nach dem Vortrag bei Dr. Friedmann angesagt, unter dem Vorwand, daß ich ihm d. Manuskript bringen will – eigentlich möcht ich aber Musik hören. Ich will ihn bitten, daß er mir etwas aus der eben fertig gewordenen Oper  : Von einem der auszog das Gruseln zu lernen – vorspielen soll.112 30.X.1923 Gestern der Vortrag in der Urania, ganz ausverkauft, sehr gut gesprochen. Nachher Sandor Wolf u. Schwester gesprochen, die mich zur Mutter mitnehmen wollten. Ging aber nachtmahlessend über den Ring zu Friedmann der mir 2 Bilder aus seiner Märchenoper vorspielte. Hab keinen Eindruck davon getragen u. bin überzeugt, daß er meinem Stoff nicht gewachsen ist. Heut früh erst Nebehay wegen des Everdingen fragen, der richtig noch nicht verkauft ist, was ich sodann gleich Frau Pick in der Albertina (Führung Zeichnung XVIII.) weitergab. Unsre in Paris gekauften Zeichnungen sind anvisiert, dürften Freitag ankommen, Stix reist an diesem Tage auf c[irca] 14 Tage nach Italien ungeschickt, weil Halle, der immer schon danach fragt, so lange warten muß. Dann zu Mama, wo mich Zimmermann anrief, daß er morgen mit der * Ministerialbeamter

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Abb. 27  : Der Maler Georg Ehrlich in den Bergen beim „Landschaftern“, ca. 1930.

Frau herauskommt. Mir wäre er allein lieber gewesen. Auch Ehrlich telephonierte noch, ob ich mir sein Bild anschauen kommen möchte. Ja, aber gleich, da ich wegen d. Salvendy herausmuß. Wieder einmal die Bergner auswendig unter Benutzung d. Radierung „Tänzerin“  ; schöne Farbenharmonie, sehr einfach – z[um] T[eil] auch überzeugend – aber viele Fehler durch das auswendigmalen  ; steht auch noch schlecht. Wir haben uns viel gestritten, ganz ins Theoretische gekommen. „Vielleicht ist so ein Bild schlecht, aber ich muß es malen, um meiner tiefsten Absichten bewußt zu werden, die ich vor dem Modell nie so stark hören kann.“ Gewiß ein Standpunkt. Meiner dagegen  : Viel nach d. Modell malen, damit dann das Auswendige nirgends ausläßt. – Dann zeigte er mir noch eine entzückende Zeichnung von d. Tänzerin Impekoven. Sie ist 19 Jahre alt u. sieht aus wie ein geschlagenes Kind. Er ist ganz glücklich mit ihr, hat noch nie so einen schönen Menschen gesehen … und hat sich Freikarten für uns für den 1. Nov[ember] ausgebeten. Zuhaus dann Salvendy, die viel klagte, sehr tapfer ist – und der ich gar nicht helfen kann.113 121

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31.X.1923 Gute Nachricht vom Hans. Friedmann schreibt mir, daß er den Tobias nicht vertonen kann (Worte zu bedeutend, zu schwer etc). Tant mieux. Heute wieder ein ganz blauer sonniger Tag. Ich bin die Kahlenbergstraße hinauf bis zum Hutterstrasserhaus u. habe gelegentlich auch auf meinem roten Tuch beim Marterl* oben am Weggraben gesessen.114 Noch glüht das Laub – Im letzten Sinnentaumel Totbereit – Noch hält es sich – Nur gelbe Blätter zittern Und lösen sich – Wie überlebtes Leid … Und fallen In den Staub Und knittern Unter meinen Füßen … Und Wegarbeiter halten Mittagsruh Und ihre Röcke hängen An den Gittern. Und Tauben drängen um die Stöcke Und sinken tief In feuchte Schollen Und ihre prallen Bälge schließen Geheimnisvolle Feuer zu. Wir gehen Frühlingsschwer und grüßen Verlegen in das rote Licht – Und unsre Augen sehen Vorbei und wollen Ihre Träume nicht Gestehen. 1.XI.1923 Gestern nachmittag war Frau Kiesler hier u. hat (unnötigerweise) den Kindern Chokolade mitgebracht. Am Nachmittag teleph[onierte] Zimmermann, ob er außer seiner * Bildstock

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Frau noch die Dame, bei der sie wohnen am Abend mitbringen darf. Ich sagte nicht sehr freundlich ja u. amen dazu. Es war eine Frau Nögerath oder sonstwie u. sah aus wie eine Puppe – andres trat auch im weiteren Verlauf nicht zutage. Die Frau ist hübsch, nicht mehr in der ersten Jugend u. von so einer selbstverständlichen u. ihr natürlichen Art des Aussprechens, daß es fast angenehm klingt. Sie scheint sich förmlich wohlig darin zu fühlen u. verletzt darum nicht. Beim Speisen sagte sie zu unserm OK-Portrait hinüber  : „Das Bild würd ich verkaufen – (und dann zu mir) Meinen sie nicht  ?“ Ich zurück mit derselben Liebenswürdigkeit  : „Ich bin gar nicht dieser Meinung.“ Dadurch war die Frage abgetan. Noch während des Desserts kamen die beiden Holländer, die meine Einsamkeit trösten wollten u. sehr erstaunt waren, mich in so großer Gesellschaft gefunden zu haben. Es wurde sehr wenig gemütlich u. ich war froh, als um 10h Hans ankam u. die Gäste sich verzogen …115 Die Verhandlungen scheinen diesmal nicht so furchtbar anstrengend gewesen zu sein wie das letztemal, schon weil sie in Extragruppen geführt wurden u. Hans darum nicht im Finanzministerium „tagen“ mußte, wo die Gratiszigarren ihm Nikotinvergiftung bringen konnten. Nun wird es sich darum handeln, ob die Ungarn in eine Abtrennung von d. Kulturfragen von den Finanzfragen eingehen, wie es der Hans vorgeschlagen hat. Wenn nicht so gelten noch immer „die Listen“ als Grundlage der meritorischen Unterhandlungen ev[entuell] vor einem Schiedsrichter, soweit hat Hans Petrovich an die Wand gedrückt, daß dieser zugab, daß die in den Listen aufgezählten Stücke nur diese Grundlage bilden sollen, von der sie einen Prozentsatz zu erreichen hoffen  ! In der Früh teleph[onierte] Ehrlich u. gab sich mit mir ein Rendezvous in der Renaissancebühne. – Dem Zim[mermann hab ich 100.000 K[ronen] für Kaschnitz mitgegeben, weil er solche furchtbaren Dinge gerade aus Bayern erzählt hat.116 2.XI.1923 Gestern abends mit Ehrlich bei Niddy Impekoven. Stärkster künstlerischer Ausdruck – besonders für mich durch die fabelhafte Ähnlichkeit mit dem Vronili. Nur wenn sie in Ruhe ist. Wenn sie dann in ihren hemmungslosen Ausdruck, so stark wie Wahnsinn, übergeht, macht sie mir fast Angst – wieder weil ich an Vronili denke. Am wundervollsten in Violett in den Bach-Tänzen, als altgold-Schalk in Chopin … Nachhaus zufuß gegangen. Ehrlich erfuhr aus d. Zeitung, daß sich die Bergner mit einem Regisseur verlobt hätte. Er konnte sich alles vom Herzen sprechen – –117 Am Nachmittag Gaby Ehrlich, dann Ehrlich, der sich entschlossen hat, Vroni zu malen (ich bin schuld, sagt er, weil ich das auswendige Malen ihm ungesund finde) und Floch. Ich war sehr müde und enerviert, vor allem durch ein theoretisches Kunstgespräch, ausgehend von atonaler Musik.

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3.XI. Vormittag mit Vroni u. Anderl bei Ehrlich im Atelier, Vroni brav „gestanden“, ich bis zur Heiserkeit ein Märchen erzählt. Therese holte d. Kinder zu Mama ab, ich allein zu den „Künstlerinnen“, die im Hagenbund kollektiv die Wände pflastern. Trostlos. Die alten und die neuen. Ein paar nette Aquarelle von d. Zirner. Habe „die Mütter“ gesprochen. Aus d. Baronin Krauß weht das ganze ärarische Österreich her. Brav aber überlebt. So viele haben mich gekannt – mir war schon ganz unheimlich, wie lang ich schon in d. Betrieb drinnen stecke. Bei Mama oben, die durch einen Brief aus München noch verstimmter ist als gewöhnlich, meine Eierlein verzehrt. Dann zur Funke, die aber Portraitsitzung hatte, durch die Stadt mit einer Melodie im Ohr zur Würthle geschlendert.118 Wir gehen nebeneinander her Und tragen jeder unsre Last – Die Last ist ungleich schwer – Dich quält ein Leid – Und mich das Nimmermehr. Zeichnungen von französ[ischen] Kubisten, Purrmann und eine besonders schöne (verkaufte) von C. Hofer. Um ¾ 5 bei Berls gejausnet, Projekt der Haustheaterbelebung (Kiesler  !) vorgeschlagen. Einigen Anklang gefunden. Zuhause Laskes, mit denen Hans besprach, dasselbe mit ihnen wie mit Ehrlich zu versuchen.119 4.XI. Herrliches Wetter. Mit Hans u. den Kindern (ohne Überkleider) oben am Burgstall hängengebliebene Weintrauben gepflückt und gegessen, auch Hagebutten – alles sehr sauer. Nach Tisch im Kirchenkonzert Mozart „Requiem“ Heiligenstätt[er] Pfarrkirche. Viele abgerissene Sätze, zwischen denen die heilige Handlung ausfällt – das stört. Wie ändern  ? Stellenweise tief erschüttert – Zumeist nicht aufgepaßt. Hans mag die Novelle „Der arme Liebe Gott“ nicht, er sagt, sie ist ganz trocken erfunden – u. hat recht. Ich schreib sehr ungern Novellen. Gab sie wieder in die Schreibtischlade.120 5.XI. Heute kamen die Stücke von Döblin zurück  : „Meine Dame, vielen Dank für Ihre Zusendung. Der Kleistpreis ist schon im September von mir vergeben worden. Vielleicht fragen Sie nächstes Jahr bei dem betr[effenden] Preisrichter an. Ihr sehr ergebener Dr. Döblin.“ Sehr deprimiert. Obwohl ich das schon gewußt hatte, doch auf einen Rat – einen Weg gewartet. Gelegentlich fällt mir doch das viele Hinunterschlucken schon sehr schwer – Vroni mit Therese alleine zu Ehrlich geschickt. Gerade teleph[onierte] der Generalkommissar Dr. Zimmermann, daß Hans ihm d. 124

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Broschüre „Über d. Zukunft der W[iener] Mus[een]“ zugeschickt hat und er mit ihm darüber sprechen möchte. Ob es am Mittwoch um ½ 7 sein könne. Ich daraufhin  : Hans hat Universitätsvorlesung von 6–7, ob es nicht um ¼ 8 sein könne. Wenn keine Verständigung erfolgt, erwartet ihn also Zim[mermann] um ¼ 8 in d. Johannesg. 5. Ich bin sehr neugierig …121 6.XI. Das war gestern ein ganz zerlemperter* Tag. Am Schluß noch ein guter, fast runder Eindruck bei Calderons „Über allen Zauber der Liebe“ im großen Konzerthaussaal. Burgtheateraufführung mit Wohlgemut als Circe.122 Immer am Weg gesungen (also doch noch zum Lied zusammengewachsen –) Wir gehen nebeneinander her Und tragen jeder unsre Last – Die Last ist ungleich schwer – Dich Quält ein Leid – Und mich – Der Weg ist weit – Und mich Das Nie – nie – mehr … Was du erlitten hast Ist Ungerechtigkeit Und hätt’ nicht dürfen sein – Und faßt Dich tief ins Blut hinein – Und lebt doch in der Zeit Und geht vorbei – Wenn’s noch so sehr Aus allen Wunden schreit Glaub mir, die Last Ist ungleich schwer. Dich quält ein Leid – Ich weiß, der Weg ist weit – Mich quält das Nie – nie – mehr. Ich glaube aber, die Melodie war eigentlich nicht von mir, sondern eine Bachkantate. Hans hat mich bei der Elektrischen oben abgeholt. Er hat lange warten müssen, * zerrissen

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weil das Stück später aus war, als wir gedacht hatten. Wir waren vergnügt miteinander. Wenn ich mit ihm zusammen bin, spüre ich meine Depression weniger als sonst, schon weil ich mich vor ihm zusammennehme. Zu allen seinen Aufregungen muß er nicht auch noch meine Enttäuschungen dazu tragen. 7.XI. Erst die längsten Grimmärchen vorgelesen, während Vroni saß. Dann Albertina. Tante Anna, Hertha. Letztere weil gestern die Entscheidung fallen sollte, ob sie das Kind, mit dem sie im ersten Stadium schwanger ist, behalten solle oder nicht. Mein Felix hat’s durchgesetzt und sie ist sehr unglücklich, zeigt es ihm aber nicht. Bei Felix erreicht mich Hans teleph[onisch], Sitze zu Fidelio, Wildbrunn. Ich nahm Hertha, die am Tag vor dem Eingriff steht, mit. Es war der stärkste Genuß, der reinste und erweiterndste, den man sich erträumen kann. Hertha war sehr glücklich u. ich auch für sie. Vor allem aber für mich selbst. Nie mehr geh ich in diese Oper ohne d. Hans. Ich war schon so froh, daß er mich abholte …123 8.XI. Gestern früh brachte ich Vroni hinein, ging dann zur Eröffnung der überaus reizvollen Kolbeausstellung in den Theseustempel. Der „Ausschuß“ der Gesellsch[aft] wurde photograph[iert], es waren wahnsinnig viel Bekannte da und noch mehr haben wir, da wir um 12 weggingen, verfehlt. Unsre Zeichnungen, sagten uns alle Leute, seien die schönsten. Ich hab natürlich nicht mehr gewußt, welche wir ausgewählt hatten u. Hans auch nicht, so schwer war uns ja damals die Wahl gewesen. Merkel will uns demnächst in seinem Atelier sehen, damit Hans unter dem Eindruck seiner Bilder mit Merkels Hausfrau spreche – ihr mit aller Energie auseinandersetzen solle – wer Merkel eigentlich sei, damit d. Mietprozeß, der über ihm schwebe, zurückgezogen werde  ! So einen Auftrag hat Hans wohl nie gehabt  ! Um ½ 1 Albertina, wo ich Herrn Halle seine für ihn gekauften Zeichnungen vorführte. Der Millet hat ihm vor allem gefallen – ist auch sehr schön …124 Dann schnelles Essen bei Mama, Sitzung Vroni’s bei Ehrlich, wo uns Stoffel holte. Er durfte d. Bild anschauen, ich noch nicht. Dann Nachmittag bei Alma, die wundervoll in ihrem violetten Samtschlafrock* ausschaut. Sie trägt dazu ganz goldige Haare … Erzählte mir viel von Křenek, der eine arisch-ärarische Bestie ist u. Anna vollkommen aussaugt – ausnützt. Las mir Werfels Brief über Křenek vor. Dann sprach ich ganz vom Herzen weg u. Eindruck machend wegen des OK-Bildes, das sie verkaufen will. Ich glaube, sie wird es jetzt doch nicht tun, event[uell] wenn Haberditzl es will, so viel davon nachlassen, daß es als „Spende“ gelten kann. Sie muß halt ihr Geld so * Morgenmantel

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Abb. 28  : Oskar Kokoschkas Porträt von Alma Mahler (um 1913), hier in Alma Mahler-Werfels Wohnung in den USA, heute im National Museum of Modern Art, Tokyo.

anlegen, daß sie möglichst viel davon bekommt, denn sie hat ja den größten Teil ihres amerikanischen Geldes eingebüßt (60.000 D[ollar]), dadurch daß sie es zu Anfang d. Krieges in österr[eichische] Kriegsanleihen gewechselt hat u. besitzt nur mehr 20.000 D[ollar], von denen sie auch Anna mit 28 Mill. K[ronen] erhält. Ich hab ihr zugeredet den Munch an dem sie sehr hängt, zu verkaufen u. sie will es gern tun. Sie ist halt doch ein Mensch mit wunderbarer Spannweite. Z. B. jetzt mit d. Tochter. Die will am liebsten zurück, mit Křenek ganz zur Mutter. Nein, das tut Alma nicht, sie kann nicht immer diese 2 Leute an sich haben, von denen der eine ihr gar nicht nahe steht. Und überhaupt, sie ist d. Tochter ganz entwöhnt. Erst hat sie nichts von sich hören lassen u. jetzt ist sie wieder da und will – „Ich bin kein Baum“ – Das ist etwas so seltenes, daß eine Mutter über die Kinder hinauswächst.125 Am Rückweg noch Dr. Gross getroffen, den ich unter anderem für das Projekt der Künstlerrenten gewann u. der demnächst auch mit einer „Liste“ Mäzene erscheinen wird. Sehr verspätet kam Hans nachhaus, der nach der Vorlesung also noch bei Zimmermann gewesen war. Hans sehr sehr befriedigt. Zim[mermann] hat die Broschüre wirklich gelesen, („ganz anders wie die Leute hier“), war vollkommen orientiert, auch 127

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mit d. Verwertung d. Hofburg einverstanden, der Doubletten etc. Hans deutete an, wie er sich die Vereinfachung d. musealen Verwaltung vorstellte, Zim[mermann] sagte, er würde dem Minister einen Brief schreiben (natürl[ich] ohne Hans oder d. Broschüre zu nennen), in dem er ihn ersuche, Vorschläge betreffs einer vereinfachten Verwaltung der wissenschaftl[ichen] etc. Institute zu machen. Nun bleibt noch die Frage offen  : Wird der Minister diesen Brief als Akt behandeln  ? Und wenn ja, wird Prüger ihn allein beantworten  ?, entweder alles ist ohnedies großartig oder sachlich auf Grund des kurzen Elaborates, das Hans dem Prüger vor c[irca] 10 Monaten gegeben hat – oder wird Hans als Referent ihn zur Beantwortung bekommen …126 In der österr[eichischen] Volkszeitung war ein langes Feuilleton über die Broschüre vom Hans, vorn Trara u. hinten Trara u. dazwischen fünf Spalten Exzerpt aus d. Broschüre. Stoffel liest es u. sagt zum Hans  : „Das ist doch unerhört, alle deine Phrasen schreibt er einfach ab  !“ Ich sag zum Hans  : „Diesmal geht es gegen dich nicht nur immer gegen mich …“ Wir haben so gelacht über d. Buben.127 Das mit d. Theaterausstellung soll wirkl[ich] perfekt werden, die Stadt Wien will mittun, Hans spricht darüber nächste Woche mit Bach. Wenn dann wirklich ein Stück von mir aufgeführt werden könnte  ! Ich spreche darüber mit Hans. Er sagt  : „Nein, wenn es von d. Gesellsch[aft] ausgeht, kann ich es nicht zugeben.“ Ich zu ihm  : „So wirst du eben aus der Gesellsch[aft] austreten – mir zuliebe …“128 Heute vormittag bin ich zuhaus u. habe mich für meinen heutigen Vortrag mit Rembrandt beschäftigt, bin dann ein wenig ins Bibellesen gekommen (Simson). Frau Ruault-Frappart möchte mit mir eine Kunstgeschichtestunde verabreden.129 10.XI.1923 Von vorgestern abends an  : da ging ich nach Halles, wo ich für meine Bemühungen in Paris eine schöne Tasche u. für die Stunden d. doppelte Honorar bekam (200.000 pro Stunde) zu G. E. mich ausruhen. Es war sogar warm, ich schwieg mich sehr vergnügt aus u. er zeichnete mich. Er war sehr verstimmt. Erstens gelingt ihm jetzt überhaupt nichts, zweitens der Besteller des Portraits von dem kleinen Buben war da gewesen u. es hatte ihm keine der Zeichnungen gefallen. Das Aquarell sei gut aber nicht ähnlich. „Und wissen Sie, das ist ein junger, sehr feiner Architekt und versteht etwas“ – schloß er bekümmert. Nach 9 Uhr bei Kiesler im Atelier große Assemblé von Ingenieuren, Dichtern, Künstlern, Kunsthistorikern (u. a. Dolbin, Ermers, Fannina Halle, Csokor, ein schreckl[icher] Schauspieler u. Jude Rodenberg), immer wieder durch Zwischenrufe u. Diskussionen unterbrochener Vortrag von dem Berliner Maler Richter, der als Vertreter der (unrichtig benannten) Konstruktionisten (Oud in R’dam) auftrat. Erst um 3h Früh im Bett. Sehr vergnügt. –130 Gestern vormittag dann mit Vroni bei Ehrlich, der mich das Bild sehen ließ. Viel besser als d. Tänzerin, aber noch immer nicht so gut wie mein Bild. Schön im Ausdruck, nur fehlt mir d. Transparente der Haut. Mir kommt auch die Farbenharmonie, 128

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Hintergrund blau u. Haare rotbraun bißchen kitschig vor, das hab ich mich aber nicht zu sagen getraut, weil ich mir nicht das feinste Farbensentiment zutraue. Nachhause mit Hainisch gefahren, dann bis gegen 5 geschlafen u. abends Elternversammlung. Komisch wie jedesmal, ich selbst einen fulminanten Vortrag gegen d. Märchenfilm gehalten, einstimmiger Erfolg bei Eltern u. Lehrern, nur Dr. Richter hat nicht verstanden um was es sich […] handelt, ein Vater stellte d. Antrag, daß ein Mitglied d. Elternversammlung in den Ausschuß der Filmberatungsstelle bei d. Stadt Wien gewählt würde, – das wurde aber inzwischen zurückgestellt, weil d. Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind. So wäre ich fast in eine Filmprüfungskommission gekommen, die ich nie ins Kino gehe  ! Zuhause dann Alf mit Frau, lustig u. schmerzlos.131 11.XI.1923 Früh bei Floch – nicht da – dann Funke, wo ich Frau Dolbin traf, die so lange blieb, daß ich das mit Funke begonnene Gespräch wegen Künstlerrentengeschichte nicht beenden konnte. Mittag bei Halles – ohne Sensationen – dann Mama u. zur Jause bei Frau Frappart, wo ich jeden Samstag also zur Stunde kommen soll. Reich, Idee protzig, trostlos, entmutigend. Hans holte mich ab. Buschbeck hat für seine Enquete im Tagblatt über Zukunft d. Museen an verschiedene Leute geschrieben, sie mögen Stellung nehmen. U. a. auch an den Hofr[at] Petrin, den Chef des Hans. Nun kam dieser gestern zum Hans u. bat ihn, Hans möge ihm das Konzept aufsetzen. Er könne alles, nur d. Literarische sei er nicht imstande  ; was d. Inhaltliche betrifft, identifiziere er sich vollkommen mit d. Broschüre, sodaß es der Hans ganz nach seinem Wunsch niederschreiben könne. Abends bei Steiners, furchtbar viel gelacht, gute Aktzeichnungen gesehen, sehr abgespannt nachhause gekommen (mit der blauen). Das Kind von Theresens Bruder ist gestern früh gestorben, ein Leichenbegängnis soll angeblich in der Vornehmheit, wie sich’s d. Mutter wünscht, 2 ½ Millionen kosten (Verbrennen ist viel billiger, aber d. Frau so überkatholisch, daß sie es nie zugeben würde), Geld ist keines da. Ich kann nicht helfen. Heut früh war Floch da u. ich besprach alles mit ihm, er war sehr einverstanden. Zum erstenmal geheizt. Das tut gut. Stoffel sagt  : „Das ist fast ein so großes Fest wie Weihnachten.“ Ein Gedicht, das seit gestern abends in mir lebt niedergeschrieben.132 Es treiben Im grauen Nebel weiße Und gelbe Riesenbälle – Und grelle Silberfälle Brechen aus den Scheiben – Und reichen Übers Pflaster halbe Kreise, Die Milch und Blut 129

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In grüne Masken bleichen. Und Strahlenaugen ziehen Todesschauer Und schleudern Straßenkot In Zentrifugen – und glühen Höllenrot, Wenn sie entweichen. Und an die Mauer Schreiben Geheimnisvolle Mächte Die Phantasie Von Zweck und Name – Das falsche Menetekel der Reklame – Und sprühen Um starre Silhouetten Zum Widerschein, Den violetten. – Mein Gott Können diese Menschen noch In Zimmer hinein, In warme geheizte Zimmer –   ? Jedes allein Oder zu zwein Sitzen und trinken Tee aus Tassen, Die sie mit beiden – Mit beiden Händen fassen –   ? Sinken In weiche Stühle zurück – Tauchen in Augen Ganz nah – Fühlen, ein Lied – Fühlen, ein Glück Ist da … Nein, Sie sind alle tot. Nur das viele Licht Spiegelt in ihrem Blick – 130

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Sie sehen nicht. Mit den Düften Toter Blumen Schwirren Worte Klirren Lachen – Im geschminkten Gesicht. Hier – im Schatten dieser Tür – Ich dräng mich An dich, an dich – Spür Meine Hüften Du – unter dem Kleid – Nimm mich – ich lebe  ! Im Schatten der Tür … Dann hat mich Hans lieber draußen gehabt – „ich kann nicht arbeiten, wenn daneben einer explodiert“ – und ich bin in die Dämmerung hinaus, hab gleich den Philippi getroffen und aufs Krapfenwaldl mitgenommen. Es war sehr entspannend – fast zu sehr. Er kennt sich gar nicht aus u. mit seiner ganz tiefen trockenen Stimme erzählt er mir  : „Daß ich so ganz unorientiert bin, das ist schon fast eine Krankheit bei mir. Das war aber immer schon so. Wissen’s als kleines Kind, da hab ich mich immer verloren. Immer hat mich mein’ Mutter suchen müssen.“ Er hat uns Zeichnungen mitgebracht, aus denen Hans sich 2 aussuchen sollte, das hätte er mit ihm ausgemacht, als ihm Hans die 250.000 K[ronen] [für die] Einleitung d. Mappe schenkte. Wir wählten 2 ganz gute Blätter … Er ging u. wir räumten sie gleich weg, weil wir doch die Funke, die eifersüchtige Funke, erwarteten. Ebenso das Bild von Ehrlich …133 12.XI. Staatsfeiertag. Mit größter Langeweile Fackel u. Wolkenkuckucksheim gelesen. Auch Babbitt (aber vergnügt).134 13.XI.1923 Vormittag zuhause, Anderl u. Burgel verschnupft. Anderl liest in Stoffels Büchern über d. Wachsen des menschlichen Embryo … Nach Tisch bei grauem Nebel weggegangen. Zuerst Frau Dvořák, die wie ein junges Mäderl aussieht, Minka stolz wie eine „Dorfschöne“, Giserl sehr herzig, Hund gekläfft. Sind das Menschen, die so ein Rabenvieh aushalten  ?  ! Also sie haben zu Stoffels Fest zugesagt. Dann bei Ehrlich, der eine 2. diesmal ganz einfache, aber sehr gute 131

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Zeichnung f. d. Alf machte. Um 7 im österr[eichischen] Mus[eum], Vortrag v. Hans über die Strömungen d. modernen Kunst, meisterhaft aufgebaut u. gesprochen. Saal ganz voll. Unerhört viel Bekannte. Ich nachher zu Hans  : „Es waren so viel Künstler da wie bei einer Protestversammlung gegen dich.“ Nachher mit Steiners, Feigls, Jungnickel, Ehrlich, Fixlein, Salvendy, Zirner im Caféhaus. Hans einstimmig gefeiert worden.135 14.XI.1923 Heut hab ich, angeregt durch Ehrlichs Zeichnung gestern, ein Gedicht gemacht, das mir schon tagelang einfach vom Wetter aus in den Gliedern liegt. Ich will es, wie Ehrlich seine Zeichnung, auch November nennen. November Die feinen Nebeltropfen stehen An meinem Tuch. Ich glaub Es ist zu feucht, Ich sollt schon längst Nachhause gehen – Naß ist mein Haar – Die Äste weinen Schwer Und in der Erde ruht Das tote Laub Der Baum löscht aus. Ich weiß nicht mehr, Wie alles war – Könnt ich nur schon Die kleinen Lichter unten sehen – Dann wär alles gut. Mich friert so sehr Und hab doch Immer noch Etwas gewußt, – An das ich gern zurückgedacht Das mir warm gemacht – 132

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Heut Ist alles leer Und nichts mehr da Das mich ein bißchen freut. 15.XI.1923 Gestern nachmittag bei Emmy Kriser, die mir eine „Unehrenhaftigkeit“ von Philippi erzählte. Akt der Not. Abends Hauerkonzert. Mir war es ein ganz reiner, ein ganz einfacher Eindruck. Es fehlt mir die ganze Bildung – Verbildung – die sich für musikalische Leute hemmend dazwischen stellt. Es klingt wie Bach mit Stimmungsbetonung. Georg Halle ganz verrückt vor Stolz u. Größenwahn u. Glück, weil er Hauer schon vor 10 Jahren entdeckt hat u. ihm die Druckkosten bezahlt hat – daß er diesen Tag der Vergeltung erleben durfte  ! Tausend Bekannte – schon widerlich. Hans war nach der Vorlesung u. müde da flüchteten wir gleich nachhause.136 16.XI.1923 Also gestern nachmittag war endlich d. Feier für Alfs Vermählung  ; das von mir in Lofer verfaßte Theaterstück „König Adolph Gustavs Ende und Glück“ wurde von d. Kindern mit viel Erfolg aufgeführt. Erst war d. Generalprobe schon im Speisezimmer, wo die Nische mit Leintüchern als Bühne eingerichtet war. Dann kam Ehrlich u. brachte die Zeichnungen von mir mit, die dem Hans sehr gut gefielen. Inzwischen wurden d. Kinder vom Friseur Franz, dem Filius unserer Köchin geschminkt u. mit falschen Bärten versehen  ; Anderl hatte wirklich ein richtiges Altmännergesicht u. sah ungemein behäbig zwischen den Leintüchern heraus. Stoffel glich eher d. schwarzen Richelieu als d. blonden Gustav Adolph. Sonst aber wundervoll mit Waffen ausgestattet, ein schwarzer Plüschhut von mir, zu dem die Therese eine schwarze Straußenfeder geliehen hatte, mit weißem Spitzenkragen u. rotem Ordensband. Vronili als „Troßbube Stoffel“ in Anderls ausgewachsenem schwarzen Samtanzug, wie Stoffel mit weißem Spitzenkragen, roter Seidenscherpe u. einem roten Filzhut auf den blonden Locken. Wir fanden sie alle entzückend, wenn auch etwas kitschig, aber Ehrlich meinte, daß das Gesicht in diesem Farbendreiklang (schwarz-weiß-rot) gerade gut zur Geltung käme. Burgerl als Jugend in ihrem etwas ausgewachsenen „Silbernen Kleid“, aber die Schuhe leider etwas allzusehr ausgedient (die neuen sollen erst zu Weihnachten eintreffen) sie sprach sich immer beruhigend zu  : „Man sieht es gar nicht, daß sie zerrissen sind. Man sieht doch nicht gerade auf die Füße.“ … Alf war sehr gerührt und es war auch wirklich sehr herzig. Von den zwei Zeichnungen hat er sich dann die ausgesucht, auf der mein Kopf liegt. Die vom Hans würde nachgeliefert – haben wir ihm versprochen. Feierliches Nachtmahl mit Alkohol …137 Heut vormittag Führung im Barockmuseum  ; die Damen haben sich über die Nasen des Maulpertsch und die Exzentrik des Permoserschen Eugen aufgehalten u. ihre 133

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gewöhnliche Gelangweiltheit in […] Gähnen und Begeisterung gelöst. Nachher bei Haberditzl, dem ich d. Legler ( Jedlerseelandsch[aft]) spendete (für seinen Verkauf ). Er meint, es sei eines d. köstlichsten Bilder seiner Masse. Dann einen Sprung zu Nebehay, und zu Mama, der ich von Nebehays Antrag wegen d. Autographensammlung Mitteilung machte.138 17.XI. Vormittag mit Vroni – ich glaub das letztemal – bei Ehrlich im Atelier. Jetzt will er das Bild ganz trocknen lassen u. dann lasieren. Nachmittag erste Stunde bei Frapparts. Ich habe meist gesprochen. Primitivste Laienvorstellung Rembrandts Helldunkel. Das gibt es doch nicht, daß eine Bettdecke von sich selbst leuchtet  ! (Ich erkläre u. a. zwecks Ausdruck werden alle diese Nebendinge ins Dunkel gesetzt u. die Ausdrucksträger ins Licht). „Das muß ich sagen, das hat er sich bequem gemacht, der Rembrandt  !“ Hans hat wieder eine fördernde Sitzung über d. Neue Hofburg gehabt. Immer einen Schritt weiter – jedenfalls hat er sein Projekt gegenüber d. bestehenAbb. 29  : „Exzentrik“ – Balthasar Permoser, den einen neuen Bau aufzurichten (unten GjölbaApotheose des Prinz Eugen, 1717–1721, Österreichische Galerie Belvedere. schi – oben Gobelinmuseum) (Kostenvoranschlag gemacht von Theiss 18 Milliarden) nicht drohend herausziehen müssen. Abends Sitzung betreffs des Ermersmuseum  ; es wird eine Verbindung mit d. Gesellschaft angestrebt, um nicht die Kräfte zu zersplittern. Da d. Stadt Wien dahinter steht, könnte ein Haus auch für d. Gesellschaft herausschauen. Hans hat am Abend schon d. ganze Projekt ausgearbeitet bis in den Blumenladen im Souterrain.139 18.XI. Sonntag. Um 10h erst aus d. Schlafzimmer erschienen. Besuch bei Fannina Halle, einen langen Speech Dr. Neuraths über Siedlungswesen in Wien, dem Bauwillen d. Proletariers etc. mit geteilten Gefühlen zugehört.140 19.XI. Im Bett. Nachmittag Besuch von Mizzi Berl, die sich also von Ehrlich zeichnen lassen will. Abends Kiesler u. Frau, Lia Rosen. Kiesler sollte die Schrift von Alma „graphologisieren“, hatte aber wenig Erfolg. Hielt sie z. B. für eine Männerschrift 134

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u. s. f. Ich sagte ihm nicht, von wem d. Brief sei – aber Lia Rosen erkannte die Schrift sofort und sympathisierte mit jeder Alma deprezierenden Analyse. Sie muß ein unangenehmes Erlebnis mit Alma gehabt haben. Hans war bei Bach wegen d. Theaterausstellung, jetzt werden wir sehen wie d. Sache weitergeht. Meinen „Todessprung“ hat Bach dem Bernau (Raimundtheater) gegeben – aber trotz dieser Protektion scheint Bernau es nicht aufführen zu wollen. Warum ich ihm nicht wieder etwas schicke  ?  ! 20.XI. Im Bett. Viel telephoniert – u. a. Kiesler für Montag bei Alma angesagt. Von der Arbeiterzeitung kamen 160.000 K[ronen], woraus ich entnehme, daß alle Gedichte, die ich ihm gegeben habe, erschienen sind. Wenn ich nur wüßte, welche es waren … Alma sagt mir, Lia Rosen sei eine Mauerassel u. sie habe ihr vor Jahren einmal wegen Intrigierereien bei Lili Luser (gegen Alma) in einem Brief das Haus verboten. Mein Gott, sie ist mir ja auch sehr unsympathisch – aber sie tut mir sehr sehr leid.

Abb. 30  : Alma Mahlers Schriftbild – „Kiesler sollte die Schrift von Alma ,graphologisieren‘.“

21.XI.1923 Verzweifelter Brief von Kaschnitz  ; d. Geld, das wir ihm geschickt haben, will er zur Rückreise nach Wien verwenden. Hans wird gleich einen von den deutschen Kunsthändlern bei der Albertinaauktion (Gilhofer) ansprechen, der ihm noch Geld überbringen kann.141 22.[XI.] Nachmittag bei Stefferl, der sehr gern an einer solchen Gemeinschaft teilnehmen möchte. Dann bei Ehrlich die Mizzi Berl eingeführt – mit dieser endlich in d. Urania, wo eine Hamburger Vaganten (?) truppe ein Paradiesspiel des 14. Jhs. sehr eindrucksvoll aufführte. 23.XI. Den gestern angefangenen Sketch heut früh fortgeführt – dann Führung im Museum bei Rembrandt. Der Sketch macht mir wenig Freude – Problem  : einen leichten Dialog zu schreiben. Auf der Elektr[ischen] nach langjähriger Pause wieder einmal Pan von Hamsun durchgejubelt – durchgelitten. Ein beängstigendes Buch. Abends mit Hans im Akademietheater Thad[däus] Rittner Wölfe in d. Nacht. Ein unmögliches, 135

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ganz konstruiertes Stück – aber einige witzige Situationen im 2. u. 3. Akt. Mäßig gespielt – aber ein Kind von etwa 10 Jahren, in d. Bewegungen wie die kleine Gropius, auch in der Sprache – glänzend.142 24.XI. Mein Sketch ist fertig. Ich glaub, der Schluß ist verhaut. Jetzt will ich aber erst ein bisserl Distanz gewinnen. Frau Conrad-Billroth leiht unter den von mir (d. h. Haberditzl) vorgeschlagenen Bedingungen den Krüger ins obere Belvedere.143 25.XI. Gestern nachmittag bei Ehrlich, der statt meine Zeichnung auszubessern eine Radierung (auf Kupfer) machte und dann eine Zeichnung, die aber nicht fertig wurde, da ich zu Frapparts zur Stunde mußte. Hans hat gestern dem Minister einen Brief geschrieben, er ist doch seit 6 Wochen zur Ladung gemeldet u. d. Minister braucht immer Ausreden u. empfängt ihn nicht. Das muß den Grund haben „daß d. Minister mit d. Amtsführung nicht zufrieden“ ist  ; daß Anschuldigungen gegen ihn vorliegen – er ersucht, ihm Gelegenheit zu einer Rechtfertigung zu geben. Am Abend zeigt Hans uns (Stoffel u. mir) das Buch Alt-Wien, dessen erstes Exemplar er gestern bei Schroll bekam. Anderl erzählte mir unlängst  : Das ist so schön, wenn ich in der Früh lang im Bett liege, da hör ich immer zu, wie die Vögel in der Veitsch hin- u. her schlüpfen. Das rieselt so nett … –144 Und heut sagt er  : Wieso kommt es  : wenn in einer Klasse voll Buben ein einziges Mädel ist, so wird es verehrt – u. wenn in einer Klasse voll Mädeln ein einziger Bub ist, so wird er ausgelacht  ?  ! – 26.XI.1923 Also gestern war Stoffels 2. großes Fest mit Minka u. Giserl – u. Frau Prof. Dvorak, die wir dann gegen 6h zu Fannina Halle mitnahmen. Dort war Riesengesellschaft, Kieslers, Neurath, Eidlitz, Csokor, Menczel, Steiners, Laske, Ehrlich, Wallerstein (Berlin), Strnad etc. Fannina wollte immer eine kunstschmuserische Diskussion* heraufbeschwören – anschließend an Hans’ letzten Vortrag – Hans hat sich aber geweigert – Sie wollte aber doch immer „zusammenfassen“ u. so mußte erst Csokor vorlesen (Rote Straße – dann zwei Bilder aus einem neuen Stück) u. dann Eidlitz eine sehr schöne Novelle „Wladimir“. Ich habe dann mit Eidlitz gesprochen u. ihm erzählt, daß ich vor ein paar Tagen dem Bach eine Novelle mit einem verwandten Problem (Rückkehr vom Tode – ich meine die Legende vom Jüngling, der vom Tode gekostet) geschickt habe. Eidlitz  : „Sind sie die Erica Tietze  ?“ (Ich sag ja) „Ich habe Bach vor 3 Tagen gesprochen, er hat mich angepackt und mir von der Novelle vorgeschwärmt – * intimes Gerede über Kunst

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er möchte eine Zeitschrift gründen, um sie abzudrucken – weil die Arbeiterzeitung für diese Dinge wirklich nicht der Ort ist.“ –145 Ehrlich hatte einen ganz neuen Anzug an u. war ganz ganz glücklich u. geehrt damit. Alle Leute glauben, daß er 1,800.000 K kostet – und ich hab ihn doch nur um die Hälfte gekauft. Bei der Sitzung am Vormittag war Frau Berl mit. Natürlich geht es nicht mit offenen Haaren – aber der Kopf von Mizzi hat ihm diesmal schon besser behagt. Aber die Mutter gefällt ihm viel besser. Die möchte er viel lieber zeichnen. Er ging dann zum Chat Noir, weil Flechtheim aufgeschienen ist. Wir blieben noch bis gegen ½ 10 – ich widmete mich fast ausschließlich Frau Menczel – machte ihr den Hof, – die Börse steht ja jetzt besser, vielleicht gibt sie Künstlern mehr. Gegen 8 kamen die Dvorakkinder mit den ganzen Buben geführt von Stoffel u. einer hielt an mich eine Dankrede.146 28.XI.1923 Am Montag war ich den ganzen Tag grenzenlos enerviert, weil ich zu keiner Arbeitssammlung kommen kann. Abends dann außerordentliche Elternversammlung, Organisierung der Wiener Kinder für Deutsche Kinder, vom Schulrat wird verlangt, daß die Eltern, jeder in seinem Sprengel, einsammeln sollen. Ich habe Hans und mich für Samstag 7–9 bei der Endstation der 38ger gemeldet. Eine richtige Grinzingerin, die ich schon kenne, weil sie immer dreinredet u. Urwuchs markiert, erregte viel Heiterkeit durch ihre Heurigenkenntnis u. Bereitwilligkeit bei den Heurigen zu sammeln. Gestern war ich beim Ehrlich die Zeichnungen etc. aussuchen, die er in d. Hagenbund schicken will. Frau Prof. Dvorak war gleichzeitig dort u. wirkte etwas lähmend. Da die besten Blätter verkauft sind, war die Wahl sehr schwer. Die eine Zeichnung von Mizzi Berl war besonders gut – meiner Meinung nach sogar ausreichend, daß er sie nicht mehr kommen lassen muß. Höchstens zur letzten Kontrolle. Ich riet ihm, die Zeichnung auszustellen u. bei Berls hat niemand etwas dagegen, sofern es natürlich „ohne Namen“ geschieht …147 Nachmittag führte ich bei Alma den Kiesler ein – der sie sehr geschickt behandelte. Sie abonnierte „G“, die neue Zeitschrift, die er redigieren soll (G = Gestaltung) u. er bat sie, auch Mitarbeiterin zu werden. Frau Irene Hellmann (Redlich-Schwester, die stellenweise mit anwesend war) wirkte furchtbar retrospektiv. Werfel kam auch und machte gute Witze, gemeinsam mit Hans, der mich abholen kam. Vortrag von Behrens über Wechselwirkung der Künste, sehr durchgearbeitet, aber wenig klar ­herausgebracht – das Interessante daran der alte Mann, der doch eine der stärksten Potenzen war, und sich jetzt mit aller Verzweiflung Mühe gibt, mitzuhalten. Es war ungeheuer voll und elend sauerstofflose Luft. Fannina, die neben uns saß, war wie auf Nadeln, weil sie nachher mit uns zu der Eröffnung des kleinen Moskauer Künstlertheaters gehen wollte und Behrens immer noch nicht aufhörte. Dieses Theater dann in der Riemergasse war nicht viel anders als „der blaue Vogel“, harmlos, hübsch zum Anschauen 137

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und ganz gleichgültig. Ich drang in den Hans, daß wir vor Schluß nachhause gingen. Eidlitz war auch mit u. ich konnte ihm für sein Drama danken, das er mir mit Widmung zugeschickt hatte. – (Mosesgeschichte – nicht zwingend). Hans redete mir zu, daß ich auf eine Weile fortreisen soll und ich will es so gerne tun. Ganz inkognito. –148 Heut früh mit Frapparts in d. Akademie. Vor d. Aert de Gelder, er  : „Das ist eine Beleuchtung, wie sie in d. Natur nicht existiert – sie stört mich aber nicht – aber wenn einer ein Bild malt, und er malt den Säbel an die rechte Seite oder die Orden an die rechte Brust – das irritiert mich furchtbar –.“ Gestern abends mit der Kunsthandlung Flechtheim-Bondi bei Steiners – unerhört langweilig und andauernd – um 1h erst mittels Auto von jenen sehr verärgert zuhause. Gestern vormittag Bibel gelesen – die Geschichte des Saul – Nachmittag Leben Rembrandt bei Halles. Dr. Benesch hat einen Brief „der Zuhörer“ bekommen (d. h. die Uranialeitung, die es dummerweise ihm gegeben hat), daß er zu schwer vortrage – jetzt ist er beleidigt u. gibt die weiteren Vorträge ab (an Buschbeck, glaub ich.) Lili Fröhlich-Bum fragte Frau Steiner  : „Ist es wirklich wahr, daß die Erica Tietze die Kunstgeschichte an d. Nagel gehängt hat und nur mehr dichtet  ?“ Ehrlich hat das Bild von der Vroni in die Staatsgalerie gebracht – alle finden, daß es ein großer Fortschritt ist. Es wird dort gerahmt (weil ich doch den Legler inkl[usive] Rahmen gespendet habe, und mir dafür einen Rahmen ausgebeten habe). –149 Heute herrliches Frühlingswetter, Vroni u. ich haben die Kinder abgeholt u. sind mit ihnen (ohne Mäntel) lange spazieren gegangen. Babbitt von Sinclair Lewis ausgelesen. Ein ausgezeichnetes Buch. 2. Dezember 1923 Gestern vormittag hab ich mir die Novelle Saul in d. wichtigsten äußeren Momenten skizziert. Gegen Abend bei Ehrlich im Atelier, (genachtmahlt), die Zeichnungen der Felixschen Kinder angeschaut u. ausgewählt u. viele Dinge besprochen. Wir kommen einander sehr nah. Dann bei Lampls, erst im Hausflur […] getroffen, dessen Braut sich beim Hausmeister ein Schuhbandel richtete. Er hatte nicht d. Absicht hinaufzukommen, Hemmungen, die Dame redete ohne Erfolg zu, wir auch – gingen dann. Es hatte sicher eine Viertelstunde gedauert. Nach einer weiteren Viertelstunde kam die Dame allein hinauf. Oben waren fast nur Damen (7), ein Knabe Sonnenschein, der nach mehreren tschechischen Dichtern seine Vornamen bekommen hatte, Mandarinen, Kastanien, Tee und Eierkognak. Gegen 10 zogen alle ab bis auf eine Schwägerin u. wenige Minuten später traten wie in einem Verschwörungsstück drei Architekten auf. Damit wurde die Situation nicht amüsanter und ich ging unter wiederholtem Hinweis auf die letzte Elektrische ab. Es war ehrlich langweilig gewesen u. ich hab beschlossen, daß es das letztemal war. Hans kam erst um 2h zufuß nachhaus, er hatte sich bei Bondis ganz gut unterhalten, vor allem an dem traditionellen Gansbraten u. Gurkensalat vergnügt …150 138

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Stoffel hatte inzwischen in unser beider Namen für die „Deutschlandhilfe der Gemeinde Wien“ mit dem Schlemmer eingesammelt u. war dabei durch einen 50.000 K[ro­­nen]schein, den er sich beim Schaukal holte, herausgerissen worden. Heut vormittag war eine Frau Eggers hier, ehemalige Schauspielerin, jetzt Kunstgewerblerin in Breslau, aus valutarischen Gründen auf Reisen, derzeit Hüte bei Frau Swoboda arbeitend. Trostlos breslauerisch angezogen, daß ich sie niemandem empfehlen möchte. Hans schrieb nach Zürich, wo er im Jänner (um den 9.) zwei Vorträge halten soll. Statt des einen (Kokoschka), zu dem er sich von den späteren Arbeiten Diapositive versorgen mußte, schlug ich ihm „die Wiener expressionistische Malerei“ vor mit d. Untertitel OK, Schiele und Georg Ehrlich – worauf er einging. Für das 2. Thema muß noch ein „ziehenderer“ Titel gefunden werden.151 5. Jänner 1923 [verschrieben  : 5. Dezember 1923] Sonntag spät abends war noch der Doktor Popp da, nach jahrelanger Abwesenheit vorübergehend in Wien. Montag hab ich die Ausstellungen von Schiele (Nirenstein) und die französ[isch-]österr[eichische] bei Flechtheim-Bondy angesehen mit der Kunstübersättigung, an der ich schon eine ganze Weile jetzt laboriere. Im Hagenbund war Jury u. Rappaport wurde abgewiesen – Ehrlich soll (wie mir Floch später mitteilte) weit überragend sein u. ein eigenes Kabinett bekommen. Nachmittag Spazieren mit einfacher Musik im Gemüt – abends Kolig u. ein hungernder deutscher Maler, dem Alf (der zufällig da war) alle Reste auf d. Teller legte ([…] – Talent Durchschnitt). Dienstag Halle Kurs in d. Albertina, Rembrandtradierungen. Da nur 3 Damen bei d. schlechtem Wetter gekommen waren, ist es wirklich genußreich gewesen. Mittag bei Berls, der sich nach einem Tanagratheater für sein Bureau erkundigte. Dann Atelier Floch mit gemütlichem Plausch. Er hatte den Boden (wohl mir zu Ehren) ganz frisch gestrichen u. war bei dieser Gelegenheit um seine ganzen Nahrungsvorräte bestohlen worden. Die Bilder sind gut, sehr gleichartig, konsequent. Mit ihm zu Kieslers Vortrag, der wirklich sehr geistvoll u. trotz der großen Länge sehr packend war. Ich war nachher als erster bei ihm im Künstlerzimmer, hab ihm gratuliert – er war ganz kollabiert u. sein Kopf sah dadurch wirklich schön aus. Heut’ früh gab mir Therese die Christkindlbriefe der Kinder. Für Vroni hat Anderl geschrieben – dieser u. sein eigener in Goldfarbe. Anderl schreibt  : Liebes Christkind – Ich bitte um ein dickes schönes Buch, und um eine Krawatte von buntem Tuch, Einen Radiergummi und eine Feder, und einen Bleistift von echtem Ceder, und einen Christbaum mit vielen Kerzen, mit vielen Fischen und vielen Herzen. Anderl. Burgls Brief fängt an  : Ich wünsche mir meine große Puppe. Das ist die Puppe, die alljährlich zu Weihnachten kommt und Ostern verschwindet.152 14. Dezember 1923 Das war eine lange Pause. Ich bin am 6. in der Früh gleich nach dem Nikolo mit 139

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­einem Rucksack auf dem Buckel* nach Küb gefahren  ; habe mich dort im Küber Hof, bei Frau Rella einquartiert und fünf Tage in der Einsamkeit zugebracht. In der Früh alle Tag vom Bett aus durch das weitgeöffnete Fenster das Erwachen des Tages mitgemacht, eines ganz blauen Tages mit dem Schneeberg als Blickziel. Am Vormittag 2–3 Stunden spazierengegangen, nach Tisch dann zu schreiben angefangen, mit kleinen Unterbrechungen bis ½ 10. Dann gute Nacht. Gäste fast gar keine. U. a. ein Durchschnittstyp Herr Sein von d. Kreditanstalt, nett und lieb eine Nichte der Frau, Hertha Heßhaimer, die Tochter des Offizierradierers, der auch gereimte Aphorismen von sich gibt …153 Ich hab das erste Kapitel vom Saulroman geschrieben u. muß es mir noch überlegen, ob es eine Novelle für sich sein kann. Es ist das lyrische, oder idyllische Vorspiel, in dem aber alle Möglichkeiten der künftigen Charakterentwicklung schon angelegt sein müssen. Nun könnte man diese als in großen Zügen bekannt voraussetzen – und somit hätte d. Kapitel als Novelle seine Berechtigung. – Dienstag abends kam ich nachhaus, weil mir der Montag einsetzende Post etc. streik keine Ruhe mehr ließ. Hans war gerade an diesem Tag nach Brünn zu einem Vortrag „über moderne Kunst“ gereist und kam erst Mittwoch abends zurück. Mittwoch vormittag war ich Weihnachtseinkäufe machen, dann auf einen Sprung im Hagenbund, wo wirklich eine frische nette Ausstellung ist. Sicher alle an Ethos und sonderbarer Weise auch menschlicher Reife hoch überragend der an Jahren so junge Ehrlich  ; gewiß vor allem durch mein Portrait, um das auch der ganze ihm eingeräumte Raum aufgebaut ist. Am Nachmittag Kopfwaschen, dann in einem halben Stündchen ein Weihnachtsspiel gereimt. Stoffel-Krampus, der sich beklagt, daß d. Christkind die ganze Ruten-Pädagogik vom 6. mit seinen Gaben wieder aufhebt und dieses darum auf seinem Weg hinunter zu d. 4 Haderlumpen** d. Armbrustergasse aufhalten will. Er bedient sich dabei der Burgl-Sternschnuppe, die durch die Annäherung an das Vroni-Christkind, diesem den Schnupfen bringt. Äskulap heilt ihn u. d. Christkind kann zur großen Wut des Krampus doch wieder hinunter u. Bescherung halten. Gestern vormittag Eislers Rembrandt als Landschaft mit viel Verdruß gelesen (zur Vorbereitung). Nachmittag 2 Stunden gehalten, dazwischen bei Würthle die (3) Bilder vom jungen Frankl angeschaut. Sehr begabt, Linie Böckl. –154 Heute geht wieder d. Telephon  ! Ehrlich teilt mir mit, daß seine Mutter erkrankt ist u. er sie ins Rudolfinerhaus bringt. Von Dvorak d. Aufsatz über Schongauer (Die Kunstgeschichte als Geistesgeschichte) gelesen.155 15. Dez.[ember] Früh Bücher f. Kinder in d. Grinzinger Schule ausgesucht. Dann bei Nebehay, die * Rücken ** Herumtreiber

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3 Kolbezeichn[ungen], die uns gehören, agnosziert und d. große figurale Bild von Boeckl mit einigem Eindruck angeschaut, (großes Paar (nackte Frau) im Freien). Sehr vital – roh, bißchen spätkokoschkig – andere sagen, sie hätten es f. einen OK gehalten (z. B. Cassirer, der derzeit in Wien ist.) Eröffnung d. Neuerwerbungen d. Albertina in der Sezession. Wundervolle Ausstellung – Auswahl, vor allem Franzosen des 19. Jhs. Mittag bei Georg Halle, wo ich unser Alt-Wien überreichte – siehe da die Frau hatte schon ein Exempl[ar] als „Clou“ für d. Gatten eingekauft gehabt. Dann Kurs bei Frappart, Hans teleph[oniert] mir, ich könnte den Klubsaal am 6. Jänner in d. Urania haben. Ich lehnte ab. Ein Sonn- und Feiertag, das ist zu viel d. Guten. Am Spätnachmittag bei Ehrlich, der einen tiefgehenden Katzenjammer hatte, den ich ihm wegsprach, bez[iehungsweise] wegsprechen ließ. Dann Vorlesung Eidlitz in d. Albertina. Bekannte (nur) Sachen, schlecht fragmentiert. Am Nachhauseweg den Hans mit Ehrlichs Katzenjammer gequält …156 20. Dezember 1923 Tagelange Pause. Am Sonntag (16.) hab ich dem Hans das 1. Kapitel „Saul“, das ich in Küb geschrieben hab’, vorgelesen und es hat ihm gut gefallen. Für mich steht es noch nicht da. Das liegt gewiß an der Länge, an der Undramatik u. daran, daß es ja ein Teil nur ist, mit „Forts[etzung] folgt“. Am Dienstag war ich bei einer 21jäh­ r[i­gen] Malerin u. Graphikerin Grete Hammerschlag, die ein Atelierzimmer in d. Himmelpfortg[asse] 3 hat, so gut wie unheizbar. Petroleumlampe, sitzt oben ganz mutterseelenallein u. malt, zeichnet, schneidet in Holz Dirnen, Zuhälter, Wurstelpraterstimmung. Herzergreifend. Montag (ich hab ganz vergessen) hat Hans in Hietzing an der Schule seinen Vortrag über moderne Kunst gehalten u. nachher Rast bei Steiners. Sehr langweilig. Steiners haben mich eingeladen, am 12. Jänner bei ihnen (im Anschluß an Kammermusik) etwas vorzulesen. Ich habe weder angenommen noch abgelehnt. Zalozieckyj hat von einem magnetischen Wunderdoktor (Gratzinger) erzählt, bei dem er jetzt wegen seines Buben ist  ; er läßt die Patienten, bevor sie entmagnetisiert werden einen Baum, ein Haus, vor allem aber einen Menschen (in ganzer Figur) zeichnen u. siehe da, jeder zeichnet bei dem Menschen jene Körperstelle hinein, wo er seine Krankheit sitzen hat. Z. B. ein Ischiaskranker zeichnete einen Menschen von vorn u. d. Gesäß dazu von rückwärts  !157 21. Dezember 1923 Gestern habe ich nach einer langen Tramwayfahrt, bei der ich fast erfroren bin, um Christbaumsachen von der Hellerfabrik, Ilse in d. Walfischgasse begrüßt. Ivo ist sehr herzig, sehr intelligent u. graziös, Ilse sieht wieder ganz gut aus, die Fabrik in Allach ist in andere Hände übergegangen, sie ist nur mehr künstlerischer Beirat, ohne Procura – also auch ohne Sorgen. Seither ist sie sehr glücklich. Nachmittag große Kinderjause im Unterrichtsministerium, alle Kinder des Hauses zwischen 3 und 14 141

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Jahren – von uns also 3, von Baron Löwenstein 7 (im ganzen hat er 8) – mit d. Eltern eingeladen. Frau Zeissl Anderle nach 18 Jahren wieder gesehen. Sie war damals meine Schülerin. „Sie wissen gar nicht, mit welcher Verehrung ich heute noch an ihnen hänge, sogar meine Kinder kennen sie schon.“ Drei ganz kleine Mäderln, sehr schlecht beinander – die Mutter auch. Zuerst kam eine berufliche Märchentante u. erzählte Dornröschen u. Frau Holle zu bunten Projektionsbildern (Frau Kienzel). Dann las die uralte Frau Willbrandt-Baudens den Tannenbaum von Andersen vor, dann haben Buben einen acapella-Chor von Mendelsohn gesungen, einer dann solo die Uhr von Löwe – dann Buxbaumquartett einen entzückenden Mozart gespielt – dann der Minister eine sehr menschliche Rede gehalten, die darin gipfelte, daß die Kinder ihm vor d. Weihnachtsbaum versprechen sollen, immer, auch wenn sie groß sind, auch wenn Berg u. Tal dazwischen liegt, zu Weihnachten bei den Eltern zu sein – dann wurde ein großer Baum enthüllt und wieder von d. Buben gesungen (na­ tür­l[ich] „Stille Nacht“), dann sagte ein degagierter Bub ein Gelegenheitsdankgedicht (hausgemacht) auf – dann endlich Bescherung, (jedes ein Buch mit ministerieller Widmung) und wirklich sehr üppige Jause. Die Kinder waren sehr befriedigt und angeregt, ich sehr abgespannt weil ich jedesmal, wenn dunkel gemacht wurde, vor Rührung heulte. –158 Abendabschluß Vortrag von Glück über den neuen Dürer u. Velasquez. Zu ersterem hat er alles erzählt, was er über Dürer bis 1507 weiß, ebenso viel richtiges wie falsches u. hat in der Hypothese gegipfelt, daß das neue Bild Dürers erste venezianische Geliebte ist (eine Hypothese, die m[eines] W[issens] auf einen Witz Wildes zurückgeht). Sein Vortrag ist eigentlich eine Vorlesung. Da das Manuskript stellenweise schlecht getippt war, nicht einmal eine flüssige Vorlesung. Es war ziemlich leer. Erstens so kurz vor d. Feiertagen und dann – man kennt ihn schon als wenig blendenden Redner. 23.XII. Freitag abends waren Kaschnitz, Ehrlich, Alf u. Frau da – wir haben Christbaumsachen gebunden und dazu 2 Flaschen Wein getrunken von der Spende des Herrn Wolf, die am selben Tag als Weihnachtsspende eingelaufen war. Vorher war d. Verleger Haybach hier, der sich im Lauf d. Jänner entschließen will, ob er das Buch mit Ehrlich u. mir macht oder nicht. Er stellte sich als der Gatte einer jungen Frau dar, die ich während des Krieges bei Zweybrück kennen gelernt hatte  ; er war damals (5 Jahre lang) in sibirischer Gefangenschaft u. die Frau ein selten ernster u. ehrlicher Mensch in Sorge, ob sie sich nicht in diesen Jahren des Lebens über d. Mann hinaus entwickeln würde, was zu Entfremdung führen müsste. Samstag noch Besorgungen gemacht – die letzten –, noch Stunde gehalten, Hans hat mich abgeholt – im Michaeler Durchhaus eine Bettlerin mit einem Kind im Arm, sie hat d. Kind immer gezwickt, daß es laut aufbrüllte, dann – als d. Passanten Geld spendeten – es getröstet u. 142

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diese herzerschreckende Komödie immer wieder wiederholt. Wie muß man d. Welt lieben u. um sie leiden können, um solche Dinge verzeihen zu können …159 Nach langer Zeit wieder einmal ein Gedicht gemacht. Unter Menschen Festliches Licht – Leute herum – Ach so viele Leute – Sie tragen Alle ihr Abendkleid Und ihr Abendgesicht – Reden und lachen Und Fragen – Und hören die Antwort nicht. Ich weiß zwei Stühle um einen Tisch, Leere Wände, Im Ofen die letzte Glut – Die Hände Lauschen Und hören rauschen Dein und mein Blut. Ich muß nicht Deine Hand halten – Wenn ich nur weiß, du bist da, Bist du mir wundersam nah. Festliches Licht – Ich seh’ es nicht – Ohne Ende Reden und Lachen – Reden und Lachen verklingt – Und mein fremdes Kleid Und mein fremdes Gesicht Löschen aus. – Und die Zeit Sinkt, In die Ewigkeit. – 143

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25.XII.1923 Also gestern war Weihnachten. Ungeheuer viel Sachen u. tiefste Friedlichkeit. Zuerst oben bei d. Kindern das kleine Weihnachtsspiel von Krampus, Sternschnuppe, Christkind u. Äskulap, das ganz überraschend für Hans war u. ihm viel Freude machte. Ehrlich war wieder ganz verliebt in die Vroni, die in ihrem langen Nachthemd als Christkindl entzückend aussah. Dann die Bescherung, ich bekam eine Schreibmappe, Eau de Cologne, Galoschen, Regenschirm, schwarzen Spitzenshawl, eine Glasvase und wundervolle Bonbons (vor allem eine hölzerne Bonbonniere von Figdor, die ich einmal für Briefe verwenden kann). Dann den illustr[ierten] Bauer als Millionär von Raimund, eine lavierte Federzeichnung, Auffindung Mosis von Feigl, eine Pastell von Stefferl, das mir bei ihm im Atelier so gut gefallen hatte (Landschaft mit Pferden) und eine Zeichnung von Tischler. Ehrlich war sehr deprimiert, er fühlte sich mit seinem Selbstporträtspiegel und seiner warmen Unterhose zu reich beschenkt und es kostete viel Mühe, ihn zu beruhigen. Endlich gestand er, daß er uns d. Porträt von der Vroni schenken wollte, es auch schon zu diesem Zweck hergerichtet hatte, aber sich doch nicht entschließen konnte, es herauszubringen weil er erstens „kein Weihnachten“ feiert, zweitens unsren Widerstand fürchtete. Ich nahm das Bild mit großer Freude an. Es wird noch farbig für „d. Zelt“ photographiert und kommt dann, er wird es selbst aufhängen. Dem Hans habe ich noch das neue Buch von Worringer „Anfänge d. Tafelmalerei“ und von Friedländer „Altdorfer“ auf den Tisch gelegt  ; sie waren beide am Morgen zufällig gekommen. Ach es war so ein liebes, herzerfreuendes Fest. Den Tee tranken wir in d. Bibliothek, Ehrlich rauchte noch bei mir eine Zigarette u. Hans ging zu den Kindern hinein, sie saßen auf der Erde und spielten Quartett u. selbsterfundene andere Spiele mit Quartettkarten. Wir hörten die lieben eifrigen Stimmen herein mit den ganz unterschiedenen menschlichen Timbres, alle aber so freudig und lieb zueinander und lauschten hinaus u. sprachen gedämpft miteinander, um hören zu können. Dann ging Ehrlich weg und wir hatten ein ganz alleiniges Abendessen, alle 6, unten im Speisezimmer, was schon allein eine Feierlichkeit bedeutet …160 Heute war Ilse mit dem Ivokind den ganzen Tag da, es ging toll zu, ebenso toll wie das Gewitter heut früh um 6h mitten in den großen Schnee hinein. Ich hab lauter telephonische Gespräche geführt und Dankbrieferln geschrieben – fehlt nur noch der an Dr. Figdor und bin so müd von der vielen Kindlerei den ganzen Tag lang. Mein Vronili hat heute den ersten Zahn unten beim Spielen (schmerzlos zu ihrem großen Staunen) verloren. 26.XII. Hansens Aufsatz über das Dvorakbuch für die N[eue] Freie Presse gestern gelesen  ; und dann (auf meine Anregung hin) hat Hans vorgelesen  : die Judenbuche wundervoll. Auch Moorgedichte von der Droste. Vormittag Felix mit Frau u. Kindern, ers144

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terer sehr glücklich mit der Zeichnung von Ehrlich, während Mama so verzweifelt über die Lilis war, daß ich sie gegen ein Buch Alt-Wien umzutauschen versprach (ebenso ein Fiasko das Porträt der Mizzi Berl beim Vater u. Verwandten). Mittag Frl. Funke, die zu unserer Verzweiflung uns bis ½ 6 langweilte. Ich habe niemals noch so sehr mein Nachmittagsschläfchen vermißt wie heute. Dann schnelle Präparation von Frans Hals für die morgige Hallestunde da ich vormittag mit Berls in die Wiener Porzellanfabrik fahre. Abends mit viel Erfolg ein von mir gezeichnetes Frage- u. Antwortspiel mit d. Kindern gespielt u. ganz zum Schluß hat Hans d. Judenbuche zuende gelesen. Wundervoll erzählt u. wundervoll im Rätsel stehen geblieben. –161 Heinz ist heut mit halbtägiger Verspätung aus Breslau angekommen. 28.XII. Gestern vormittag die neue Wiener Porzellanfabrik im Augarten mit viel Interesse aber mit künstlerischem Mißvergnügen besichtigt (mit Ehepaar Berl u. Ilse). Dann die Kleinplastikausstellung im Theseustempel, wo die Flügeltüren in d. Schnee hinaus offen bleiben mußten, da das Oberlicht durch seine dicke Schneedecke d. Raum verfinstert hat. Endlich Kunsthist[orisches] Museum, den provisorischen Einbau des 17er Saales angeschaut  ; vor allem Freude bei der bei dieser Gelegenheit von d. Wand heruntergekommenen […] Madonna. Nachmittag Kurs bei Halles, Ehrlich holte mich ab u. wir gingen zusammen durch die 10grädige Kälte, über d. knirschenden Schnee zu Lampls. Ich erzählte ihm, daß ich ihn am Morgen, als er mich wegen des Kinos, in das er mit mir gehen wollte (Raskolnikow  !) antelephonierte, gehaßt habe, wirklich gehaßt. Und er erzählte mir, daß er nach dem Weihnachtsabend bei uns, als er nachhause kam, einen Kollaps gehabt hätte, so furchtbar habe ihn die Bescherung bedrückt u[nd] z[war] wenn er sich’s recht überlegte, weil der Spiegel auf einem Stuhl gestanden war. (Er sah dauernd so betont geschenksmäßig aus). Wer von uns beiden ist d. größere Narr  ?  ! Lampl las erst einen 1. Akt von einem modernen Faustdrama vor (Schlaraffen), dann ein 4aktiges, mit Pro- u. Epilog versehenes Lustspiel à la Sommernachtstraum, aber mit sehr gutem 3. und 4. Akt vor, endlich Gedichte. Es dauerte weit über 3 Stunden. Es waren, wie immer, noch Verwandte da. Er dichtet ganz anders wie ich u. das macht mir am meisten Spaß, weil ich doch immer glaube, alle Menschen müssen gleich sein. Am Nachhauseweg war es noch kälter geworden. Ich aber hatte Pelz u. Schneeschuhe u. fror nicht. Ehrlich wärmte seine Hände in meinem Muff. Zuhause hatte Hans in der Bibliothek geheizt u. mein Nachtmahl hergerichtet u. wir erzählten einander vom Tag und ich wollte gar nicht schlafen gehen.162 29.XII. Heute mit Anderl, Stoffel u. Heinz in Lampls Glasbläserei „Bimini“, wo uns der Bläser ein Bouket blies, das mir Lampl in eine Vase steckte. Anderl bekam 2 Pin145

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guine. Es war wundervoll zuzuschauen u. hat d. Kindern auch großen Spaß gemacht. Immer noch paar Nullgrade u. sehr viel Schnee. Ich habe ganz lebendig von der Bergner geträumt, die ich, da sie immer irgendwie einer Radierung od. Lith[ographie] Ehrlichs gleich sah, trotz aller Verflüchtigungen erkannte.163 31.XII. Gestern war wieder ein Stoffelfest, das gut ­ausfiel. Abends mit Ilse bei Frau von Winter, Gedichte vorgelesen, mir wurde nicht warm in den großen schwach geheizten Räumen und den andern, glaub ich, auch nicht sehr. Heute viel Post u. a. Hansens Schweizerreise hinausgeschoben (2. […] Mai), was mir in anbetracht der schrecklichen Schnee- u. Verkehrsverhältnisse nur sympathisch ist. Silvesterstimmung, die Kinder können das Samstag verfaßte Stück Abb. 31  : Bimini-Glasfigur. „Neujahr zieht ein“ noch nicht, Ilse modelliert Vronili, (Pogany ist überglückl[ich] mit meinem OKmanuskript.) Mit Hans Jahresbilanz gemacht, wir haben nur Gewinn u. Ausweitung aufzuzählen gewußt, am Ende hat sich Hans daran erinnert, daß wir schließlich in diesem Jahre auch unser Vermögen verloren haben …164 Noch auf demselben Blatt beginnen die Einträge zum Jahr 1924. 1. Jänner 1924 Prosit Neujahr  ! Ich bin so eine Fortwurstlerin* jetzt, daß ich mir schon gar nichts bestimmtes mehr versprechen will. Reisen  ? Arbeiten  ? Ich lebe von der Hand in d. Mund. Wir haben gestern bei der Bücherbilanz mit 30 + abgeschlossen, trotzdem wir die italien[ische] Städteliteratur gegen das Zeichnungsinventar (Louvre) getauscht haben. Hans ist so wunderlieb mit mir, hat mir eine Karte zur Jüdin v. Toledo (Moissi) für den 2. gekauft. Das Theaterstück geht noch nicht sehr gut, dafür hat Anderl in d. Nacht um ½ 11 noch der Therese ein selbstverfaßtes Gedicht auf die 12 Monate diktiert. 2. Jänner. Gestern war Ehrlich da und hat uns die „Vroni“ gebracht und den Spiegel mitgenommen. Wir haben große Freude mit dem Bild. Aber in das Speisezimmer neben * eine, die ohne Plan weiterarbeitet

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meines kann es nicht gehängt werden, es ist viel zu leicht u. schadet meinem Bild. So daneben sieht man erst den Fortschritt … Ehrlich war erst um 7h früh nachhause gekommen und in ganz durchwachter Stimmung  ; hat, erzählt, daß er gleich nach d. Krieg in d. W[iener] W[erkstätte] gearbeitet hat eine Frau die ein Reh umschlingt, eine Keramik, die gleich verkauft wurde. Und daß er von Dr. Moufang an der Karlsruher keramischen Werkstätte auf ein Jahr verpflichtet werden sollte – fast entschlossen war, aber dann doch bei seinem graphischen Leben blieb. Er will jetzt Entwürfe für Glas arbeiten … Von Steiners aus Mönichkirchen einen lieben Brief bekommen  ; Wetter kalt und sonnig.165 Anmerkungen 1 Die Tagebuchaufzeichnungen umfassen eine Ansammlung loser Blätter. Mit diesem Hinweis auf „Fortsetzung“ überschrieb ETC jedes neue Blatt des gleichen Tageseintrags. Beim transkribierten Text wurde dieser Verweis in der Folge weggelassen. 2 „Roho“ ist ein Spitzname für eine nicht weiter ermittelbare Person.

„37er“ – Straßenbahn Nr. 37.



Der Ferienort Lofer (Land Salzburg) ist von Salzburg aus am besten über das sogenannte „Deutsche Eck“, das heißt via Reichenhall, zu erreichen.



In der Zeit der deutschen Hyperinflation war die Österreichische Krone die vergleichsweise stärkere Währung.



Familie Tietze wohnte in der Armbrustergasse im 19. Wiener Gemeindebezirk Döbling. Döbling setzte sich aus den ehemaligen Wiener Vororten Unterdöbling, Oberdöbling, Grinzing, Heiligenstadt, Nussdorf, Josefsdorf und Sievering zusammen. Die ehemals selbstständigen Dörfer wurden 1892 eingemeindet. Heiligenstadt war das Wohnviertel der Tietzes.

„Humplik gesehen und ausgewichen“ – gemeint ist der Bildhauer und Maler Josef Humplik, siehe Tietze-Conrat 1921a. „Prüger heiratet u. sucht eine Wohnung“ – trotz häufiger Bedenken den Platzmangel in der Galerie und Fragen der Sicherheit betreffend, stehen einzelne Bereiche von Schloss Belvedere bis heute – vor allem Familien höherer Beamter und deren Nachkommen – als Privatwohnungen zur Verfügung. Viktor Carl Prüger von Marchwalden, der eine solche prestigeträchtige Wohnung gerne bezogen hätte, war damals Leiter der Präsidialsektion im Unterrichtsministerium.

„Ein Kuhhandel“  – der nationalkatholische Ordinarius für Urgeschichte, Oswald Menghin, propagierte romantisch-schwärmerisch die Rückkehr des deutschen Volkes zu dessen vorindustriellen agrarischen Wurzeln und bekämpfte, u. a. als Mitglied der „Deutschen Ge147

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meinschaft“, Freimauer, Juden und den Bolschewismus. Am 11. März 1938 gehörte er dem sogenannten „Anschlusskabinett“ als Unterrichtsminister an. Zu diesem Zeitpunkt war der christlichsoziale Emil Schneider Unterrichtsminister (Geehr 1986).

Mit Frau Marie, der langjährigen Köchin im elterlichen Haushalt, verband ETC viele Kind­heitserinnerungen. Seither ist „Frau Marie“ eine Metonymie für Köchin.



Leodegar Petrin, ab 1923 Vorstand der neuen Kunstabteilung im Unterrichtsministerium, „war maßgeblich an den 14 Jahre dauernden Verhandlungen mit Ungarn beteiligt, die 1932 einen Abwehrerfolg gegen die ungarischen Ansprüche auf österr. Kunstbesitz brachten“ (Brückler/Nimeth 2001, 201  ; TB 1923, 20.7.).

3 Zum ersten Mal hatte HT im Jahr 1918 in einem Memorandum festgehalten, wie er sich eine zeitgemäße Umgestaltung der ehemals kaiserlichen Sammlungen mit ihrem charakteristischen Aufbau vorstellte. Dabei galt es, eng miteinander verwobene Fragen der Verwaltung, der räumlichen Unterbringung und Sammlungserweiterung zu lösen. Nur großzügige Entschlossenheit sei imstande, den Museen die einzigartige Gelegenheit, die der Augenblick des Zusammenbruchs mit der dadurch notwendig gewordenen Neuordnung bot, zu nutzen. Aufgrund jenes Memorandums war HT vom damaligen Unterstaatssekretär Otto Glöckel 1919 schließlich ins Staatsamt für Inneres und Unterricht berufen und mit den Agenden der Kunstmuseen betraut worden. Aber bereits 1923 wurde er im Zuge einer innerministeriellen Umstrukturierung in seinen Kompetenzen wieder stark eingeschränkt. Zur Umgestaltung der Wiener Museen nach dem Ersten Weltkrieg, zu HTs Reformprogramm und den internationalen Verhandlungen siehe Posch 1992  ; Posch 1997  ; Krapf-Weiler 2004. 4 Georg Ehrlich hatte nach dem Krieg einige Jahre in München und Berlin verbracht (siehe die Kurzbiografie in Bd. III). Ab 1923 hielt er sich wieder vorwiegend in Wien auf, dessen Wahrzeichen (Stephansplatz mit Stephanskirche und Wiener Hausberg Kahlenberg) er romantisch verklärte, während die bürgerkriegsähnlichen Verhältnisse der Weimarer Republik ihn auf eine Ebene mit Michelangelo hoben, der gezwungen gewesen war, angesichts der Unruhen um die Medici aus Florenz zu fliehen. „Der Mensch wirkt zart, heiter, voll ängstlichem Aberglauben  ; aber der Wille ist zäh, die Zähne sind zusammengebissen“, beschreibt ETC den jungen Künstler (E. Tietze 1926, 23  ; Kurz 1956, 22). Ehrlich hatte Alfred Kubin eine Radierung, „Der Narr“, gewidmet (Hoerschelmann 1997, o. S.).

Bad Gastein (Bundesland Salzburg) – Kurort in alpiner Hanglage.

5 „Todessprung“  – unveröffentlichtes Theaterstück ETCs, im Nachlass enthalten (TietzeConrat unveröff./b). 6 Die Aufzeichnungen zeigen, dass sich u. a. auch der Unternehmer Georg Halle von ETC beim A ­ ufbau seiner modernen Sammlung beraten ließ. Halle sowie seine Frau Marianne verüb­ten – vermutlich nach dem totalen finanziellen Zusammenbruch – im Dezember 1935 ge­mein­sam Selbstmord (WStLA, Todesfallaufnahme, GZ  2A  3/36, Georg Halle). Der Kunsthändler Roland Widder (Wien) erzählte im Gespräch mit der Herausgeberin, dass um das Jahr 2000 eine Vielzahl von Grafiken Georg Ehrlichs aus dem ehemaligen Eigen148

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tum Georg Halles (mit Widmungen Ehrlichs an Halle) auf dem Kunstmarkt auftauchte. Sie sollen von einer Verwandten der Halles auf den Markt gebracht worden sein (Roland Widder im Gespräch mit der Verfasserin am 5.4.2012).

Das Barockmuseum wurde 1923 im Unteren Belvedere als eigenständiges Museum im Verband der Österreichischen Galerie (heute Belvedere) errichtet. Das Museum gilt als gemeinschaftliche Schöpfung HTs und des Direktors der Galerie, Franz Martin Haberditzl. „Die Einrichtung der Österreichischen Staatsgalerie, dann der Österreichischen Galerie, die mit der Aufstellung des Barockmuseums durch Haberditzl begann, gilt als Tietzes gelungenste Schöpfung.“ (Krapf-Weiler 2004, 174.)



Bruno Grimschitz war zu diesem Zeitpunkt Direktionsassistent in der Österreichischen Galerie. Viele Jahre später, mit dem „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland, übernahm Grimschitz zuerst die kommissarische Leitung der Österreichischen Galerie  – Direktor Haber­ditzl wurde in den Ruhestand versetzt – und wurde anschließend zu ihrem Direktor.



Österreichische Galerie, Wien, Das Barockmuseum im Unteren Belvedere, Katalog, Wien 1923.



Das Ehepaar Lilly und Hugo Steiner lebte in einer von ihrem Freund, dem Architekten Adolf Loos, im Jahr 1910 errichteten Villa im noblen 13. Wiener Gemeindebezirk Hietzing. Dieses erste von Loos errichtete Einfamilienhaus gilt als ein Schlüsselbau der modernen Architektur. Hugo Steiner, Unternehmer in der Textilbranche, war Schulkollege von Karl Kraus gewesen und hatte diesen mit Adolf Loos bekannt gemacht. Lilly Steiner hatte ihre formelle Ausbildung von 1884–1904 an der „Kunstschule für Frauen und Mädchen“ erhalten. Sie begann als Radiererin und fand erst nach und nach den Weg zur Ölmalerei. Um 1917 trat sie erstmals als Künstlerin an die Öffentlichkeit. 1921 widmete ETC ihr einen längeren Aufsatz  : „Lilly Steiner“, in  : Die bildenden Künste, 4, 1921 (Tietze-Conrat 1921b  ; Plakolm-Forsthuber 1994, 275  ; Meder 2008a).





Vermutlich stand die politische Unterhaltung, die ETC mit dem vierzehnjährigen Stoffel führte, unter dem Eindruck mehrerer Gewalttaten und blutiger Zusammenstöße, die zwischen Nationalsozialisten und Sozialdemokraten im Frühjahr 1923 in Wien stattgefunden hatten (z. B. die „Schlacht auf dem Exelberg“), siehe dazu Botz 1976, 262–263.

7 Dornbach ist eine ehemals selbstständige Gemeinde im Westen Wiens, die 1892 in den 17. Wiener Bezirk eingemeindet wurde. Von 1889–1914 befand sich dort die „Sommerfrische“ der Familie Conrat. Einen Überblick über ETCs Biografie gibt Krapf-Weiler 2007c.

Der Maler Herbert Boeckl galt Anfang der 1920er-Jahre als aufstrebende Hoffnung der modernen österreichischen Malerei.



Robert Philippi, Zehn Holzschnitte, Mit einem Vorwort von Hans Tietze, Leipzig-Wien 1923.



Heinrich-Lutz und Maja Fraenkel sind die Kinder von ETCs nach Breslau verheirateter Schwester Lilli Fraenkel-Conrat (siehe Bd. III, Familienstammbaum, S. 12). 149

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8 Ein von Camillo Castiglioni im Jahr 1923 zur „Förderung der bildenden Kunst“ zur Verfügung gestellter Geldbetrag war einem Wettbewerb zur Gestaltung eines „AuslandshilfeDenkmals“ gewidmet. Das „Ausland“ sollte für die während der Hungerjahre nach dem Weltkrieg geleistete Hilfe geehrt werden. Unter 75 Einsendungen ging der erste Preis an den Entwurf von Architekt Ernst Lichtblau und Bildhauer Carl Hagenauer. Vor allem der geplante Standort des Denkmals an der Kapuzinerkirche (Ruhestätte der Habsburger) und die am Modell angebrachte Legende, die auf die Verantwortung der Habsburger am Elend des Weltkriegs hinwies, sorgten für Erregung. Wieder einmal polemisierten vor allem die Kulturredakteure der „Neuen Freien Presse“, Leopold Bauer und A. F. Seligmann, gegen Künstler und Kunstwerk. Das Modell wurde schließlich durch einen aufgebrachten Ausstellungsbesucher zerstört. Der Entwurf für den von ETC erwähnten Brunnen stammte von den Architekten Anton Wilhelm (  ?) und Waldemar Leers (  ?). (Seiter 1998  ; zum Wettbewerb siehe Kristan 1992, 199–210.) 9 Ausgestellt wurden auch jene modernen Grafiken, die der Kunsthistoriker Ernst Buschbeck als Vorstandsmitglied der „Gesellschaft zur Förderung moderner Kunst in Wien“ (GFMK  ; zur GFMK siehe TB 1923, 24.–30.6., 8.11.) auf Reisen für die Albertina ausgewählt und für die staatliche Sammlung eingekauft hatte.

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An- und Verkaufswünsche sowie Tauschaktionen seitens der staatlichen Museen wurden durch eine 1919 vom Unterrichtsamt eingesetzte „Museumskommission“ zusammengestellt. Die Auswahlentscheidungen hatten einstimmig zu erfolgen. Anschließend musste diese Vorauswahl der alliierten Reparationskommission im Rahmen eines vierteljährlichen Berichts zur Genehmigung vorgelegt werden. Der einflussreiche Maler Carl Moll gehörte der ministeriellen Museumskommission an (siehe dazu auch Posch 1997).



Hieronymus Bosch, Kreuztragung Christi, Kunsthistorisches Museum (KHM), Wien, erworben bei Goudstikker in Amsterdam.



Gustav Glück, erster Kunsthistoriker als Direktor der Gemäldegalerie des KHM, Wien.



Der Ankauf des Gemäldes von Duccio di Buoninsegna dürfte nicht zustande gekommen sein.



Vermutlich schrieb ETC irrtümlich Ender statt Eberstaller. Maria Moll, die Halbschwester Alma Mahlers, hieß nach ihrer Verheiratung Eberstaller.



Carl Moll, der Stiefvater Alma Mahlers, war eine widersprüchliche Persönlichkeit. HT bezeichnete den Maler, Mitbegründer der Wiener Secession, Galerieleiter und Ausstellungsorganisator als die in einem „gewissen Sinn bemerkenswerteste Erscheinung des Wiener Kunstlebens an der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert“. Immer wieder stoße man auf diesen Mann, der „ohne ein öffentliches Amt zu bekleiden oder im künstlerischen Vereinsleben eine führende Rolle zu spielen, durch bloßes Einsetzen seiner Persönlichkeit all das erstrebt hat, was anderwärts durch Organisation der Kräfte erzielt wurde“ (Tietze 1921a, 123). Der Komponist Ernst Krenek, der als Lebensgefährte und Kurzzeitehemann Anna Mahlers eine Zeit lang der Familie angehörte, erinnerte sich an Moll folgendermaßen  : „Seine Leistungen als Maler wurden nur wenig beachtet, und er schien sich viel mehr mit

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seiner kaufmännischen Begabung nützlich zu machen, denn er handelte mit Gemälden und anderen Kunstgegenständen von hohem Wert, die er in entlegenen Orten in Italien und in anderen Ländern entdeckte und deren Transport zu dankbaren Kunden er organisierte.“ (Krenek 1998, 395.)

Zu Rudolf „Ray“ Rapaport siehe Pollatschek 1933.

10 „Legende vom Jüngling der vom Tode gekostet“ – unveröffentlichte Erzählung ETCs, im Nachlass enthalten (Privatarchiv Kristin Matschiner).

Zunehmend hatte der unter anderem durch Börsenspekulationen zu großem Reichtum gelangte Camillo Castiglioni seine anfänglich bescheidene Sammlung ausgebaut. Der Schwerpunkt seiner Sammeltätigkeit lag auf Werken der italienischen Kunst. Als sein wichtigster Berater fungierte der Kustos der „Estensischen Sammlung“ (Sammlung des ermordeten Thronfolgers Franz-Ferdinand von Österreich-Este) Leo Planiscig. 1923 erschien im Verlag Schroll in italienischer und deutscher Sprache ein von Planiscig bearbeiteter monumentaler, prunkvoller Katalog  : „Bronzestatuetten und Geräte der Sammlung Castiglioni“ (Planiscig 1923). Bereits 1924 verlor Castiglioni durch Fehlspekulationen den Großteil seines Vermögens wieder. 1925 und 1926 kamen die bedeutendsten Kunstwerke in Amsterdam bei Frederik Muller zur Versteigerung. Laut HT, der stets die Verdienste Castig­lionis um die Förderung der Künste betonte, hatte Castiglioni mit derselben „Energie und Impetuosität“ gesammelt, die auch für seine finanziellen Unternehmungen charakteristisch gewesen waren. Das Ergebnis sei eine Sammlung von sehr großem Umfang gewesen, „in der jedoch die überragenden Einzelstücke gegenüber der breiten Masse von Durchschnittsware stark zurücktraten“. Persönliche Besitztümer Castiglionis wurden 1935 zur Tilgung von Steuerschulden zwangsversteigert (Tietze 1925b  ; ÖStA, AVA, BMU, 15 Kunstwesen, Sammlungen Castiglioni).



„Tapeziereraufmachung“ – Tapetenhängung, barocke Hängung, bei der die Bilder vertikal, eines über das andere, gehängt werden.



Burg Kreuzenstein (Bundesland Niederösterreich) – auf den Resten einer mittelalterlichen Festung war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Burg im historistischen Stil (romanisch-gotisch) errichtet worden (Kreuzenstein, EBIDAT, Burgendatenbank des europäischen Burgeninstituts).

11 „Tobias“ – „Die Hochzeit des Tobias“, unveröffentlichtes Theaterstück ETCs, im Nachlass enthalten (Privatarchiv Kristin Matschiner). 12 August Heymanns Wohnung beherbergte rund 270 an den Wänden hängende Bilder und Stiche, eine Aquarell- und Handzeichnungssammlung in Mappen (ca. 5.000 Stück), eine Grafiksammlung (20.000–30.000 Blätter), Miniaturen, Plaketten, Bücher usw. Die Aquarell- und Handzeichnungssammlung umfasste in der Hauptsache österreichische Maler des 19. Jahrhunderts und der Barockzeit, die Grafiksammlung und die Bücher umfassten hauptsächlich Viennesia und Austriaca (BDA-Archiv, Ausfuhr 1922, K 5/2, Z. 532, Heymann August Dr., Privatier in Wien I. Teinfaltstr. 1). Der Nachlass Dr. Heymann wurde 1935 versteigert. 151

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Wolfgang Amadeus Mozart, Le nozze di Figaro (Die Hochzeit des Figaro), Libretto ­ orenzo da Ponte (1749–1838), Uraufführung 1786. L



Die von HT im Februar 1923 gegründete „Gesellschaft zur Förderung moderner Kunst in Wien“ (GFMK) hatte bereits mit der Umsetzung des hier umrissenen Modells der Künstlerförderung begonnen. Laut Vereinsstatuten sollten von ausgesuchten Künstlern Werke erworben und anschließend unter den Förderern und Stiftern der GFMK verlost werden. Förderer erhielten ein Los, Stifter zwei. In den Vereinsakten der GFMK wird ETCs Name weder im Vorstand noch unter den Mitgliedern angeführt, sie gehörte ihr somit offiziell nicht an. Dennoch wurde die Tätigkeit für den hier skizzierten Künstlerfonds, im Besonderen für Ehrlich, in den folgenden Jahren ihr ganz persönliches Projekt (WStLA, Vereinsarchiv, Verein zur Förderung moderner Kunst in Österreich, 8589/37). Neben der „Förderung der Sammeltätigkeit seiner Mitglieder“ gehörte die „Erweckung und Förderung moderner Gesinnung auf allen Gebieten geistigen Lebens“ zu den Zielen des Vereins (zur GFMK siehe Caruso 2008, 14).



Porter Arthur Kingsley, Romanesque Sculpture of the Pilgrimage Roads I, Boston 1923.



„Riesentor“ – Westportal des Wiener Stephansdoms, 13. Jh.



Zu Ernst Kris siehe TB 1923, 19.10.



Antiquitätenhandlung Albert Werner, Wien 1, Augustinerstraße 8.

13 Robert Eigenberger, zu diesem Zeitpunkt Kurator der Sammlung. In der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste „brilliert die flämische, katholisch-dynastisch ausgerichtete Malerei der südlichen Niederlande vor allem mit einer reichen Auswahl an Werken des Malerfürsten Peter Paul Rubens“ (Gemäldegalerie, Akademie der bildenden Künste).

„Seine Produktivität“ – ironische Anspielung auf Anton Koligs reichen Kindernachwuchs.

14 Eine Novelle „Michael“ ist im Nachlass nicht enthalten. 15 Unklar bleibt, um welche Immobilie von Felix und Marie von Oppenheimer es ging. Bis zum Zeitpunkt von Felix Oppenheimers Selbstmord – nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Dritte Reich  – lebte die Familie im Palais Todesco in der Kärntnerstraße 51 im 1. Wiener Gemeindebezirk. Oppenheimer war Mitbegründer und Präsident des angesehenen „Vereins der Museumsfreunde“ (1918/19 hervorgegangen aus dem 1912 gegründeten „Öster­reichischen Staatsgalerie Verein“).

Ingenieur Oskar Taussig, Generaldirektor der Österreichischen Bundesbahnen.



Hungerberg (242 m) – im 19. Wiener Gemeindebezirk.



Der Bildhauer Gustinus Ambrosi war nach einem Unfall seit seiner Kindheit taubstumm.

16 Mit „Kronprinz“ war Erwin Hainisch, Sohn des damals amtierenden Bundespräsidenten Michael Hainisch, gemeint. Hainisch war zu diesem Zeitpunkt noch Student der Kunstgeschichte. Seine weitere berufliche Laufbahn sollte im Denkmalamt stattfinden. 152

Das 1918 erlassene Ausfuhrverbotsgesetz (StGBl., Nr. 90 vom 5.12.1918) wurde 1923 no-

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velliert (BGBl., Nr. 80 vom 10.2.1923). Es machte nun auch die Ausfuhr von „Gegenstandsgruppen“ aus Privatsammlungen von der Genehmigung durch die Denkmalbehörde abhängig, wenn diese aufgrund ihres „geschichtlichen, künstlerischen oder kulturellen Zusammenhangs“ als ein „einheitliches Ganzes“ angesehen werden konnten. Inoffiziell wurde die Novellierung auch als „Lex Figdor“ bezeichnet. Bundespräsident Michael Hainisch, dessen Wort im Bundesdenkmalamt als „Befehl“ galt, hatte zu „schärferen Maßnahmen gegen den Kunstsammler Albert Figdor“ geraten (Brückler 1994, 15, 17). Schon vor dem Ersten Weltkrieg waren Verhandlungen Figdors mit dem österreichischen Staat, seine Sammlung als Ganzes zu übernehmen, aufzustellen und auch als „Sammlung Figdor“ kenntlich zu machen, ergebnislos verlaufen. Verärgert hatte Figdor daraufhin 1914 die Sammlung seiner in Deutschland lebenden Nichte vermacht. Durch die Gesetzesnovellierung sollte die Ausfuhr zur Erbin verhindert werden. Das Gesetz war mit Bescheid des Wiener Magistrats vom 15.6.1923 dann auch unverzüglich auf die Sammlung Figdor angewandt worden (ÖStA, AVA, BMU, 15 Kunstwesen, fasc. 3038, Sammlungen Castiglioni, Figdor, Palffy, Zl. 21573). Als Nachfolger Max Dvořáks an der Universität war Julius von Schlosser an prominenter Stelle in die Entscheidungen eingebunden. Dvořák galt als „Vater des Ausfuhrverbotsgesetzes“.

„Ursprünglich war die Ausfuhrabgabe auf Kunstgegenstände mit einem Schätzwert von mehr als 30.000 Kronen beschränkt, im März 1921 von 5 % auf 12 % und im September 1922 für Antiquitäten auf 17 % erhöht.“ (Brückler 1994, 13.) Diese Maßnahme brachte den Kunst- und Antiquitätenhandel praktisch zum Erliegen. 1924 kehrte man (per Erlass des Bundesministeriums für Finanzen) dann wieder zu den 10 % zurück.



„Gebetbuch für Hans Strochner“ – in Gastein verfertigt, um 1510. Über den Ausfuhrvorgang selbst finden sich – vermutlich, weil die Handschrift als Staatsgut deklariert worden war – keine Aufzeichnungen in den Ausfuhrakten des Bundesdenkmalamts Wien.



1920 war aus der ehemals kaiserlichen Hofbibliothek die Nationalbibliothek hervorgegangen (seit 1945 Österreichische Nationalbibliothek).



Ein Sachverständiger namens Byk konnte nicht eruiert werden.

17 In ihren unveröffentlichten Erinnerungen berichtet ETC, Emil Reich habe sich nach dem finanziellen Ruin und der Trennung ihrer Eltern als ein „niemals versagender helfender Freund“ der Mutter erwiesen. Auch habe er mehrere Jahre hindurch „sehr schüchtern“ versucht, ETC zu einer Heirat zu bewegen (Tietze-Conrat unveröff./a, 35). Reich, Professor für Praktische Philosophie und Ästhetik an der Universität Wien, gilt als einer der Pioniere der Erwachsenenbildung in Österreich (siehe dazu Emil Reich, Historiografie). 18 Maja Fraenkel, Tochter von ETCs Schwester Lili Fraenkel-Conrat.

Dass die Malerin Helene Funke selbst je in Indien gewesen wäre, ist nicht überliefert. Mög­ licherweise steht die Bemerkung im Zusammenhang mit dem generellen Interesse, das Indien in dieser Zeit in Künstlerkreisen entgegengebracht wurde. Hermann Hesses (1877– 1962) Roman „Siddhartha“ war z. B. 1922 erschienen.

19 Hauptverkehrsstraße „Gürtel“  – ähnlich der innerstädtischen „Ringstraße“ als Kreissegment um den Wiener Stadtkern geführt. 153

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20 „Die Sammlung Dr. Figdors ist ein Lebenswerk  ; das Werk eines fleißigen Lebens, dem Gott die biblischen siebzig Jahre geschenkt hat  ; das Werk eines zielbewußten Lebens. Das Vielerlei der Richtungen, die Fülle der Einzeldinge werden in dem eindeutigen Willen des Sammlers gehalten. Das was er sucht, ist nicht Kunst in dem üblichen abstrakten Sinn des materialisierten Vorstellungsbildes  ; es ist jene Kunst, die von Können herkommt  ; es ist die gute Arbeit, die er in irgendeinem Ding, das Menschenhand gefertigt hat, wertet. Es ist eine sittliche Handwerksehrlichkeit, die er von dem Kunstwerke fordert. Vor diesem Gewissen muß ein präzis gearbeiteter Maßstab, an dem die Ziffern der einzige Schmuck sind, genau so bestehen wie ein Gemälde des Hieronymus Bosch“, charakterisierte ETC diese herausragende Privatkollektion in ihrem Aufsatz „Gotische Formmodelle und die Sammlung Figdor“, der 1919 in „Kunstchronik und Kunstmarkt“ erschien (Tietze-Conrat 1919b, 690). „It would be justifiable to call him the greatest European collector of his time“, so Ernst Buschbeck zu Albert Figdor, in  : Buschbeck 1927, 5.

Projekt „Produktivgenossenschaft“ – im Frühjahr 1924 stellte HT in der Wien-Nummer von Paul Westheims „Kunstblatt“ das Projekt „Künstlerfonds“ der Öffentlichkeit vor  : „Zwischen Konjunktur und Stagnation eingeklemmt“, habe der Künstler jede „bürgerliche Würde“ verloren. Es gelte daher, seiner Loslösung vom Publikum entgegenzuwirken und den Künstler „zu ‚kapitalisieren‘ oder besser zu ‚sozialisieren‘“ (Tietze 1924c). Das sehr persönliche Verhältnis zwischen Künstler und Fonds erinnert an die tatkräftige Unterstützung, die der Architekt Adolf Loos zu Beginn des Jahrhunderts dem Künstler Oskar Kokoschka zuteilwerden ließ. Während er dem Maler Porträtaufträge vermittelte, hatte Loos sich verpflichtet, all jene Werke anzukaufen, die die Porträtierten selbst nicht zu erwerben beabsichtigten. So wie jetzt für Ehrlich und andere Künstler hatten auch Tietzes in jenen Jahren unter ihren Verwandten und Bekannten zahlreiche Aufträge für Kokoschka eingeholt.



Zu Grimschitz siehe TB 1923, 19.6.



Dies ist der Auftakt der künstlerischen Zusammenarbeit zwischen dem Maler Georg Ehrlich und der Dichterin ETC, die 1926 mit der Veröffentlichung des Bands „Abschied“ ihren Höhepunkt und Abschluss fand (E. Tietze 1926, TB 1926, 27.3.).

21 Die Graphische Sammlung Albertina war aus der Vereinigung der ehemals erzherzoglichen Sammlung und der Kupferstichsammlung der ehemaligen Hofbibliothek entstanden. ETC war in der Albertina mit der Aussortierung jenes Materials befasst, das der frühere Eigentümer Erzherzog Friedrich als Privatvermögen zurückerhalten sollte, da es nicht dem Fideikommiss unterlag und somit auch nicht per Gesetz vom 3.4.1919 („Habsburgergesetz“, StGBl., Nr. 209) staatlich geworden war. Dazu gehörten rund 3.800 Zeichnungen und 4.600 druckgrafische Werke, die während Erzherzog Friedrichs Verwaltung zwischen 1895 und 1919 erworben worden waren (Dossi 1998, 42).

Unklar ist, ob etwa Ehrlich bereits an einer Büste von ETC arbeitete.

22 Franz Xaver Messerschmidt, Maria Theresia im ungarischen Krönungsornat, Österreichische Galerie Belvedere, Wien. 154

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23 Ringstraße – eine im 19. Jahrhundert anstelle der alten Stadtmauern angelegte Prachtstraße um den alten Stadtkern. Der Burggarten liegt an der Ringstraße zwischen Staatsoper, Hofburg und Albertina.

Leo Planiscig, Andrea Riccio, Wien 1927.

24 Zwischen 1906 und 1911 publizierte der Schriftsteller und Theaterkritiker Otto Stoessl – im Brotberuf Beamter bei der Wiener Nordbahn – in der „Fackel“. Karl Kraus (1874–1936) blieb er bis zu dessen Tod freundschaftlich verbunden. 1920 erschien Stoessls erfolgreichster Roman „Das Haus Erath“, 1923 folgte „Sonnenmelodie“. Formal war Stoessl dem Realismus des 19. Jahrhunderts verhaftet (Sonnleitner 1989). Im Klappentext zu Stoessls „dramatischer Sage“ „Der Hirt als Gott“ (erschienen in der Reihe „Die Gefährten“) charakterisierte Fritz Lampl Stoessls Stil folgendermaßen  : „Man nenne sein Werk unmodern und ich will es als Lob gelten lassen. Denn freilich ist hier die Sprache noch gesättigt vom Geist einer schöneren Welt, meisterlich, ohne Willkür und ohne Geste, hier wirbeln nicht Welten bengalisch vorüber, Leben ist noch erfüllt von Lebendigem, in gleichem Maße heimatlich und ohne starre Transzendenz. Hier lebt das breite Leben des Alltags in seiner Buntheit, wunderliche Gestalten und Geschicke begleiten und erläutern es, und es sind immer wieder dieselben treuen Vaganten, liederlichen Bürger, Halbnarren und praktischen Träumer, die er schildert. Doch wie im Leben der geringsten Kreatur aller Schmerz und alle Lust des Schöpfers lebendig ist, so weitet sich dies beschränkte Abbild des Tages zu grenzenloser Ahnung und rührt die Menschen als Erinnerung.“ (Lampl 1920.)

Fritz Lampl zählte zu den vielseitigen Begabungen, wie sie im Expressionismus häufig zu finden sind (vgl. dazu Storch 1994). Zwischen 1912 und 1923 erschienen unter anderem in Ludwig von Fickers (1880–1967) Zeitschrift „Der Brenner“ seine in „ruhig naturmetaphorischem Ton“ gehaltenen Gedichte, „deren eleg. Stimmung mehr an Rilke als an das O-Mensch-Pathos seiner Weggefährten“ erinnere (Ohrlinger 1989). Tatsächlich ging Lampls Bekanntheit als Lyriker kaum über jene expressionistischen Kreise hinaus. 1923 gründete er die Glasbläserwerkstatt „Bimini“ (TB 1923, 29.12.). Die beiden Brüder von Lampls Ehefrau Hilda waren die Architekten Arthur und Josef Berger (TB 1923, 2.12.).

25 Mariahilf – populäres Einkaufsviertel im 6. Wiener Gemeindebezirk. 26 Das Schlosshotel Cobenzl, an der Höhenstraße im 19. Wiener Gemeindebezirk gelegen, wurde 1966 abgerissen. 27 Der Kunsthistoriker Heinrich Schwarz hatte 1921 zu den „Anfängen der Lithographie in Österreich“ promoviert (Schwarz 1921). Nach einem Jahr als Volontär in der Albertina trat er 1923 in die Österreichische Galerie ein. In den 1930er-Jahren entwickelte sich Schwarz zu einem der führenden Fotohistoriker. 1938 wurde er aus „rassischen Gründen“ aus der Österreichischen Galerie entlassen.

Der k. k. Schulbücherverlag, gegründet 1773, wurde später als Österreichischer Schulbücherverlag fortgesetzt.

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Vermutlich handelte es sich bei der Mitarbeiterin der Volksbildungssektion um eine Tochter Eduard Leischings, der im Jahr 1887 den „Wiener Volksbildungsverein“ initiiert hatte.



Unter Unterstaatssekretär Otto Glöckel wurde ein Regulativ für die Organisation des Volksbildungswesens erlassen (Erlass vom 30.7.1919, Z.  16.450). Das Volksbildungsamt war dem Unterrichtsamt unmittelbar nachgeordnet.

28 Möglicherweise wollte HT den Eindruck vermeiden, dass seine Frau aufgrund seiner Tätigkeit im Ministerium Aufträge erhielt.

Geschäftslokal des „Österreichischen Werkbunds“ – Wien 9, Türkenstraße 3.

29 Frau von Mikuli – konnte nicht eruiert werden.

Mieke Schilthuis – Austauschschülerin.

30 In den frühen 1920er-Jahren machte ETC eine schwere Erkrankung durch, die mit einem längeren Spitalsaufenthalt verbunden gewesen war. Die Begegnung mit der todkranken Witwe eines Polizeibeamten, die sie damals wohl erlebt haben muss, hielt sie in diesem Gedicht fest. Zu den produktiven Begleiterscheinungen ihrer Erkrankung Vgl. auch TB 1924/8.2. 31 Fußmarsch über die Hügel des 19. Wiener Gemeindebezirks von dem „am Himmel“ genannten Pfaffenberg (419 m) zum Latisberg (492 m), umgangssprachlich „Kobenzl“ („Cobenzl“) genannt. 32 Die „vierte Dimension“, die Zeit, war zentraler Topos der Moderne.

Es dürfte sich nicht um den ersten Brief gehandelt haben, den ETC in Sachen ihres „Tobias“ an Elisabeth Bergner, die damals in Berlin gerade ihren internationalen Durchbruch feierte, geschrieben hatte. Im Nachlass Walburg Rusch, Privatarchiv Kristin Matschiner, ist ein Antwortschreiben der Bergner – allerdings aus dem Jahr 1922 aus München – enthalten. Offenbar um ihre Meinung zum Stück und im Besonderen zur Figur der Sara befragt, schrieb Elisabeth Bergner  : „‚Die Hochzeit des Tobias‘ hab ich zweimal allein und einmal mit meiner Freundin Maria Moissi gelesen. Wir waren beide ja so beglückt. Frau Moissi findet ebenso wie ich die Sprache der Sara zu bemüht, um restlos zu überzeugen oder zu erschüttern, aber das ist im Grunde nur Äußerlichkeit und im Falle einer Einstudierung leicht zu ändern. Eine Aufführung würde mich kolossal interessieren. Ich glaube, dass mir die Sara sehr liegt. Jedenfalls würde ich die Wirkung des Stückes zuerst bei einer Matinee und auf ein erlesenes Publikum ausprobieren.“ (Elisabeth Bergner an ETC, Pension Göring, München 4.2.1922.)

Alma Mahler und ETC hatten einander bereits in der Grundschule, dem von beiden gleichermaßen gehassten „Institut Hanusek“, kennengelernt. In der Zeit um 1900 hatte die talentierte Alma Schindler dann häufig an den musikalischen Gesellschaften im Hause Conrat teilgenommen und war dabei auch auf die Töchter des Hauses getroffen, wobei sich vor allem mit Erica eine Freundschaft entwickelte. Alma fand, Erica sei „ein gescheites Frauenzimmer“ und „lieb“, während Erica wiederum von Almas Schönheit und „geistiger Spannweite“ beeindruckt war. Schließlich sei die Freundschaft zu ihr die einzige gewesen, die Alma während der Ehe mit Gustav Mahler weiterpflegen durfte, so ETC in ihren un156

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veröffentlichten Erinnerungen (Beaumont/Rode-Breymann 1997, 501, 587  ; Tietze-Conrat unveröff./a, 35, 58  ; Krapf-Weiler 2007c, 283, 284). 33 Karl Russ, Abschied der drei Brüder Muhrauer, um 1830  ?

Helsingfors – Helsinki.



„Sie ist die Jüngste“ – ETC, selbst die Jüngste von drei Schwestern, hatte zu ihrer Jüngsten ein besonders inniges Verhältnis. Geboren in den späten Kriegsjahren, gab die Gesundheit Vronis oft Anlass zur Besorgnis. Veronika Tietze starb schließlich im Alter von nur neun Jahren, im Juni 1927, an Gehirnhautentzündung. Das Gedicht erschien 1926 in ETCs Ge­ dichtband „Abschied“ (TB 1926, 27.3.).

34 Kritikerin von Lilly Steiners Porträtkunst war neben Katherina Zirner vermutlich die Malerin und Grafikerin Maria Fischer.

Christian Dietrich Grabbe (1801–1836), Napoleon oder Die hundert Tage, Drama, 1831  ; Hannibal, Tragödie, 1935. Grabbe gilt als Wegbereiter des Realismus auf der Bühne.



Anton Reichel, Kustos der Graphischen Sammlung Albertina und während der Zeit des Nationalsozialismus Direktor des Hauses. In späteren Jahren trat Reichel zusehends auch als Komponist von Liedern und Sonaten an die Öffentlichkeit.

35 Vor allem die Verhandlungen mit Ungarn zogen sich bis zum Abschluss eines Übereinkommens im Jahr 1932 hin. Laut § 208 des Vertrags von St. Germain standen den Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie nur jene Güter zu, die auf ihren jeweiligen Gebieten gelegen waren. „Wenn sich Österreich trotzdem mit den ungarischen Forderungen beschäftigen wird, so kann dies nur auf Grund einer der im Artikel 196 des Friedensvertrages von St-Germain vorgesehenen freien Vereinbarung geschehen, die Gegenstände, die zum kulturellen Erbe einer der Sukzessionsnationen gehören, in ihre geistige Heimat zurückbringen sollen. Dann wird aber Österreich nicht der gebende Teil sein, sondern Gegenforderungen zu stellen haben“, so der ministerielle Unterhändler HT in den Erläuterungen seiner Aufgaben in der Zeitschrift „Kunstchronik und Kunstmarkt“ (Tietze 1919/1920).

„Wenn die Ungarn immer wieder versuchten, ihre finanziellen Ansprüche an Österreich mit den kulturellen zu verbinden, so ist in dieser Phase in Österreich anstatt des Bundeskanzleramts und des […] Unterrichtsministeriums das Finanzministerium in der Führung der Verhandlungen immer mehr in den Vordergrund getreten  ; Fiskalisten waren aber […] niemals Freunde der kulturgeschichtlichen Sammlungen und zeigten stets Neigung, unvermeidliche Zahlungen durch rücksichtslose Preisgabe ideeller Werte zu vertreten.“ (Lhotsky 1974, 202–203.)



Zum Thema Ungarn siehe auch TB 1923, 28.10., 1.11.; TB 1924, 19.3., 21.3.

36 Campbell Dodgson war von 1912–1932 Leiter der Abteilung „Prints and Drawings“ im British Museum (Campbell Dodgson, Dictionary for Art Historians). Trotz Verhinderung kann der geplante „Logierbesuch“ bei Dodgson als ein gutes Beispiel für die Gegenseitigkeit jener häuslichen Kontakte angesehen werden. Zu Dodgson siehe TB 1937/2, 28.5. 157

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37 Zu Kokoschkas Ölbild „Flucht nach Ägypten“ (um 1911) aus der Sammlung Fannina Halle siehe Wingler 1956, Abb. 28, 299  ; zu Schriften HTs über Kokoschka siehe ebd., 366–377. 38 Hans Tietzes Artikel „Sollen kunsthistorische Expertisen honoriert werden  ?“, in dem er sich – als einer der ersten Kunsthistoriker – kritisch mit der Frage des Expertisenwesens auseinandersetzte, war im März 1917 in der Zeitschrift „Kunstchronik“ erschienen (Tietze 1917). 39 Therese Kurzweil, die den Tietze’schen Haushalt über fünf Jahrzehnte und gegen alle Widrigkeiten zusammenhielt, stammte aus der 75 km von Wien gelegenen südmährischen Stadt Znaim (Znojmo).

Palaiscachet – Stadtpalais mit unscheinbarer Fassade, aber repräsentativem Innenleben.



1920/21 hatte Ehrlich im Münchner O. C. Recht Verlag eine lithografische Mappe zur Bibel herausgebracht. In diesem Zusammenhang entstanden eine Reihe von Grafiken zum „Judaskuss“. Möglicherweise arbeitete er auch an einem Ölbild mit diesem Sujet. „Georg’s religious beliefs are rooted in superstition. As a child little was done to make him adhere to the faith of his fathers, yet he was attracted and moved by the direct humanity of the figures of the Old Testament, so moved that he was able to translate them into artistic visions. He was equally moved, however, by the figures of the New Testament. He did not see the contrast between the people of the New Testament and those of the Old as the antithesis between classicism and Judaism, which ‚Christian Art‘ of all centuries has always emphasized.“ (Tietze-Conrat 1956a, 14  ; siehe dazu auch Oberbeck 2004, 11–14.)



Lea Bondi war Inhaberin der modernen Galerie Würthle in der Wiener Innenstadt. Ihre Privatwohnung lag in der Leopoldstadt, dem von vielen Juden aus Osteuropa bewohnten 2. Wiener Gemeindebezirk (Untere Augartenstraße 38). Bondi stammte aus Deutschland. Durch eine Kooperation von Bondi und Alfred Flechtheim ab Sommer 1923 wurde die Galerie Würthle Wiener Dependance der Galerie Flechtheim. Würthle fungierte aber auch für andere Galerien, wie die Galerie Simon (Paris) und den Grafikverlag Paul Cassirer, als Wiener Dependance. Die meisten Maler aus ETCs Umfeld wurden von Bondi-Würthle vertreten (u. a. Ehrlich, Frankl, Funke, Tischler, Merkel). Zu Bondi – Flechtheim siehe Schweiger 1995, 26. Eine der ersten Aktivitäten Flechtheims in Wien war die gemeinsam mit der GFMK zusammengebrachte Ausstellung des Bildhauers Ernesto de Fiori. Flechtheims auffallende Erscheinung wurde von vielen zeitgenössischen Künstlern festgehalten und diente später den Nationalsozialisten als Vorlage für die diffamierende Darstellung eines „prototypischen Juden“.



Der Kunsthistoriker Kurt Rathe und der Karikaturist Benedikt Fred Dolbin gehörten, wie Bondi, dem Vorstand der GFMK an.



„Behielt den Hut auf“ – Hinweis auf einen orthodoxen Juden.



Zu Paul Clemen siehe TB 1924, 12.6.; TB 1938/2, „letzter Mai“.

40 Das Vorhaben, ein Verzeichnis der Werke Georg Ehrlichs zu erstellen, wurde fast 90 Jahre später von Renate Oberbeck erneut in Angriff genommen. 158

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„Auf der Radierung sieht Ehrlich, halb Kind, halb Greis, einem Menschen gleich, der einen Narren aus sich macht. Es ist die Maske, die er am liebsten trägt, eine Schutzmaske.“ (Tietze-Conrat 1925a, 81.)

41 Die Beschreibung bezieht sich auf Schloss und Pfarrkirche Heiligenkreuz-Gutenbrunn.

Das genannte Fresko, „Die Auffindung des Heiligen Kreuzes“ von Franz Anton Maulbertsch, befindet sich in der Vierungskuppel der Pfarrkirche und stammt von 1758. Das in einen Seitenaltar integrierte Marmorretabel enthält zwei signierte Blätter von Maulbertsch (1758), links  : hl. Wendelin, rechts  : hl. Franz Xaver. In Schloss Heiligenkreuz wurde die Marienkapelle 1733–1735 als frei stehende Wallfahrtskapelle errichtet und ab 1755 in den Schlossbau integriert. Dort stammt das Kuppelfresko, eine Darstellung der Himmelfahrt Mariä (1735), von Paul Troger (Aichinger-Rosenberger/Benedik 2003, 765–769).



Der Pflanzenphysiologe Wilhelm Figdor lehrte als außerordentlicher Professor an der Wiener Universität.

42 In der ersten Hälfte der 1920er-Jahre gehörte auch der Kunsthistoriker und Archäologe Guido Kaschnitz von Weinberg zum engeren Freundeskreis der Tietzes. Kaschnitz hatte u. a. bei Max Dvořák studiert und 1914 im Fach Archäologie promoviert. 1916 war er zum Kriegsdienst eingezogen und der „Kunstschutzgruppe“ HTs in Venetien zugeteilt worden.

1929 legte Kaschnitz in einer Rezension zur 2. Auflage von Alois Riegls „Spätrömischer Kunstindustrie“ den Ansatz zu der von ihm begründeten Variante der Strukturforschung vor (Bruck u. a. 1959  ; Keller 1965  ; Schwingenstein 1977, 312  ; Bieber 1967  ; zu Kaschnitz siehe auch TB 1938/1, 19.2.).

Ilse von Twardowski-Conrat, die älteste Schwester ETCs, war Bildhauerin. Ihre Ausbildung hatte sie in Wien bei Josef Breitner (1864–1930) und in Brüssel bei Charles van der Stappens erhalten. In Ilses Wiener Atelier lernte ETC ihren späteren Ehemann HT kennen. Mit dem preußischen General Ernst von Twardowski verheiratet, lebte Ilse ab 1914 in München. 1920 wurde Tochter Elisabeth (Ivo) geboren. Als Twardowski-Conrat von ihrer bevorstehenden Deportation in ein Konzentrationslager erfuhr, verübte sie 1942 Selbstmord (Plakolm-Forsthuber 1994, 276). 43 Der Jurist und spätere Präsident des Oberlandesgerichts Wien Adolf „Alf“ Seitz war einer der frühesten Mitbewohner in der Armbrustergasse 20. Seit der gemeinsamen Zeit am Schottengymnasium war er eng mit HTs jüngerem Bruder Felix befreundet gewesen. Vater Siegfried Tietze (1843–1930) hatte schließlich auch die Vormundschaft über den verwaisten jungen Mann übernommen. Da die beiden älteren Tietze-Söhne sich bereits aufmachten, das Haus zu verlassen, lud er Alf ein, gemeinsam mit ihm und Felix zu leben. Unter den heutigen Nachkommen der Tietzes heißt es, Alf hätte, als sich das frisch verheiratete Paar zum Bau eines eigenen Hauses entschloss, HT und ETC aus seiner Erbschaft einen Kredit gewährt, was ihm im Gegenzug ein Wohnrecht im Haus sicherte. Auch habe Seitz sich während der NS-Zeit als „rassisch“ nicht Verfolgter darum bemüht, das Haus für die Familie Tietze zu erhalten (Kristin Matschiner im Gespräch mit der Herausgeberin, Jänner 2007  ; Seitz unveröff.). 159

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44 Erwähnte Porträtzeichnung, die Ehrlich von HT anfertigte, konnte bisher nicht zugeordnet werden. Das einzige bekannte Bildnis ist später datiert.

Oskar Kokoschka hatte 1909 das Doppelporträt der beiden Tietzes gemalt  – sie waren damals in ihren Zwanzigern. Das Gemälde befindet sich heute in der Schausammlung des Museum of Modern Art (MoMA) in New York. Es kann als frühes Zeugnis für das aufrichtige Interesse angesehen werden, das Tietzes zeitlebens dem Künstler entgegenbrachten. 1959 – ein Jahr nach ETCs Tod – wurde in der Bayer Gallery in New York eine Ausstellung zu Kokoschka gezeigt, die noch von ihr kuratiert worden war. Von ETC stammte das Vorwort im Katalog, und auch das Doppelporträt hatte neben anderen Werken aus der Sammlung Tietze als Leihgabe des MoMA einen seltenen Gastauftritt (The Bayer Gallery 1959).

45 In der Akte Figdor im Österreichischen Staatsarchiv erscheint der Name Bruno Kern auf einer offiziellen Einladungsliste des Bundesministeriums für Unterricht („Herr und Frau Bruno Kern, I., Reichsratsstraße 17“). Dies legt den Schluss nahe, dass es sich um eine bekannte Sammlerpersönlichkeit in Wien gehandelt haben muss (ÖStA, AVA, BMU, 15 Kunstwesen, Sammlungen Castiglioni, Figdor, Palffy, Zl. 6826).

Guido Kaschnitz unterstützte den Leiter des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom, Walther von Amelung, beim Anlegen einer Fotosammlung antiker Skulpturen, die schließlich in die von von Amelung und Paul Arndt (1865–1937) publizierte Reihe „Einzelaufnahmen antiker Skulpturen“ Eingang fand (Diepolter 1953).



Paul Eger hatte gemeinsam mit den Brüdern Hans und Felix Tietze, mit Adolf Seitz und Stefan Hock dem „Akademischen Verein für Kunst und Literatur“ angehört, der in den ersten Jahren des Jahrhunderts „literarisch wertvolle dramatische Werke der älteren und neueren Literatur, für die die Leiter der normalen Theater kein Interesse zeigten, zur öffentlichen Aufführung“ brachte (Seitz unveröff., 216–233). 1923 war Eger Intendant am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg.

46 Hernals – 17. Wiener Gemeindebezirk. 47 ETCs Buch „Französischer Kupferstich der Renaissance“ erschien schließlich 1925 ohne die Inkludierung von Holzschnitten im Kurt Wolff Verlag, einem der bedeutendsten Verlage des Expressionismus (Hall/Renner 1992, 285). „Die gegenwärtige, namentlich in Wien, gepflegte Kunstbetrachtung von universeller Empfänglichkeit mußte, alles verstehend und alles verzeihend, eines Tages auf die Gebilde eingehen, die uns französische Maler und Goldschmiede des 16. Jahrhunderts hinterlassen haben“, so der etwas ironische Tonfall Max J. Friedländers in einer Rezension von ETCs Band, „An Dürer, Michelangelo, an alle Phasen der manieristischen Kunstübung wird gedacht und das entlegene Land in die geistesund formengeschichtliche Weltkarte eingezeichnet.“ (Friedländer 1926.) 48 Kremsmünster – Benediktinerabtei im Bundesland Oberösterreich.

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Offenbar hatte Sohn Stoffel einmal einen Ferienaufenthalt beim schwedischen Ehepaar Runberg absolviert.

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49 Franziskanerkirche – älteste Kirche Salzburgs (13. Jh.).

Scheffsnoth – heute ein Ortsteil von Lofer, Bundesland Salzburg.

50 Mutterkorn – Pilzinfektion an der Ähre von Getreide  ; enthält giftige Alkaloide.

Grubhörndl (1.747 m) – höchster Gipfel der Loferer Alm.



ETC verwendet noch die Bezeichnung „Musikfest“, die vor der offiziellen Einsetzung der Salzburger Festspiele im Jahr 1920 üblich gewesen war. Die „Internationalen Salzburger Musikfeste“ hatten noch in unregelmäßigen Abständen stattgefunden.

51 Unken – Gemeinde im Saalachtal, Bundesland Salzburg. 52 Georg Ehrlichs Mutter Rosa Ehrlich, geb. Kohn, sowie die beiden Schwestern Gabriele „Gaby“, verh. Loewy, und Susanne, verh. Rosenberg. Susanne zog später nach Amsterdam, Gabriele Loewy-Ehrlich emigrierte in die USA. 53 Blattern – Pocken  ; die Schweiz wurde zwischen 1921 und 1923 zum letzten Mal von einer Pockenepidemie heimgesucht. 54 Herbert Eulenberg, Auf halbem Wege, Stuttgart 1921. Die Werke Herbert Eulenbergs erfreuten sich in den 1920er-Jahren großer Beliebtheit. Er stand den linken, aktivistischen Expressionisten in Deutschland nahe.

Im Nachlass von Professor Andreas Tietze befinden sich einige seiner Kinderzeichnungen. Er hat zeitlebens gerne gemalt und gezeichnet.

55 Die Jungfrau (4.158 m) – ein Gipfel der Berner Alpen. 56 Ehrlich hatte von 1912–1915 bei Oskar Strnad und Franz Cizek (1865–1946) an der Wiener Kunstgewerbeschule gelernt. Das erste Porträt Elisabeth Bergners hatte Ehrlich 1921 angefertigt. „Auch als Typus bleibt sie immer sie selbst, bleibt immer – das Modell, das der Künstler wieder und immer wieder neu studieren muß.“ (Tietze-Conrat 1926a, 24.) 57 Es handelte sich um den Juristen und Maler Robert Pajer-Gartegen. Er gehörte der Künstlervereinigung „Hagenbund“ an. 58 Pöstlingberg (539 m) – Hausberg der Linzer. 59 Sie fuhren von Linz die Donau abwärts nach Wien. 60 Welche Worte Laotses aus dem „Tao te king“ ETC konkret im Ohr klangen, konnte nicht nachvollzogen werden.

Die Fahrt mit dem Schiff von Klosterneuburg in Niederösterreich nach Wien dauert heute ungefähr 30 Minuten.



Vom Bahnhof Wien-Hütteldorf ging es mit der Vorortebahn nach Hause.



David Josef Bach begann 1904 als Musikkritiker der „Arbeiter-Zeitung“ (AZ), ab 1917 war er Chefredakteur des Feuilletons und der Kunstsektion der AZ. Er war Schöpfer der legendären Arbeitersymphonie-Konzerte (1905–1934). 1919 wurde ihm die Leitung der 161

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„Sozialdemokratischen Kunststelle“ übertragen. Die Bezeichnung „Allmächtiger“ für Bach schien damals in Wien die Runde zu machen, denn ähnliche Worte sind auch vom Komponisten Erich Wolfgang Korngold (1897–1957) überliefert, der sich in einem Brief über Bach als den „Allmächtigen und, wie ich hoffe, auch der Allgütige“ äußerte (zitiert nach Warren 2006, 121). 61 Seit 1919 bemühte sich die Kunststelle durch besondere Veranstaltungen, günstige Eintrittskarten und diverse volksbildnerische Maßnahmen, das Interesse jener Menschen zu wecken, denen der Zugang zu Kunst und Kultur traditionellerweise verwehrt war. 62 Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zu der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg war das Gebiet um die Judengasse im 1. Wiener Gemeindebezirk ein Ausläufer des sogenannten Textilviertels, im Volksmund auch „Fetzenviertel“ genannt, mit zahlreichen Geschäften jüdischer Kleingewerbetreibender (Feurstein/Milchram 2001, 66). 63 Der Prater, eine weitläufige öffentliche Parkanlage im 2. Wiener Gemeindebezirk, der Leopoldstadt, besteht noch heute zu großen Teilen aus Auenlandschaft. Bis ins 19. Jahrhundert war die Prater Hauptallee beim Wiener Adel als Ausflugsziel sehr beliebt. Der als „Wurstelprater“ bekannte Vergnügungspark befindet sich im äußersten Westen des Pratergeländes. „Der Watschenmann ist eine mannsgroße Jahrmarktsfigur im Wiener Prater mit dunkelfarbigen wulstigen Gesichtszügen. Man versetzt ihr eine Watschn (Ohrfeige), wobei sie einen charakteristischen brummenden und klappernden Laut ausstößt. Die Stärke des Schlages wird mit einem Zeigerinstrument gemessen. Der Watschenmann gilt als ‚etwas für Kraftmeier/Angeber oder für jedermann zum Abreagieren‘.“ (Watschenmann, Wikipedia.) Dass außer diesem Watschenmann mit negroiden auch einer mit semitischen Zügen in Verwendung genommen wurde, konnte zwar nicht verifiziert werden, überrascht allerdings wenig. 64 Der Germanist Stefan Hock ist ein Bekannter HTs aus der Zeit des „Akademischen Vereins für Kunst und Literatur“ (gegr. 1901) (Seitz unveröff., 216  ; TB 1923, 31.7.).

„Dr. Funkes Sorgen“ – ETCs unveröffentlichtes Dramolett ist im Nachlass enthalten (Privatarchiv Kristin Matschiner). Ein Zusammenhang mit der Malerin Helene Funke ist nicht ersichtlich.



Mit „Ulmann“ ist höchstwahrscheinlich der Schriftsteller und Theaterfachmann Ludwig Ullmann gemeint, zu diesem Zeitpunkt Redakteur und Theaterreferent bei der „Wiener Allgemeinen Zeitung“ (Lunzer 1993).

65 ETCs Novelle „Der arme Liebe Gott“ ist im Nachlass nicht enthalten. 66 Die Maler Rudolf „Ray“ Rapaport und Ehrlich teilten sich offenbar eine Zeit lang ein Atelier. 67 „Sie ist die Jüngste“ – siehe TB 1923, 19.7. Beide Gedichte sind außerdem in ETCs Gedichtband „Abschied“ (E. Tietze 1926) erschienen (TB 1926, 27.3.). 68 Der Gemäldekatalog der Sammlung Castiglioni ist nicht mehr erschienen  ; von 1918– 1925 bestand eine Zusammenarbeit von De Nicola und Berenson (Giacomo De Nicola, L’Enciclopedia Italiana). 162

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Diego Rodríguez de Silva y Velázquez, Infantin Maria Theresia, KHM, Wien.



Albrecht Dürer, Bildnis einer jungen Venezianerin, 1505, KHM, Wien  ; 1923 aus Warschauer Privatbesitz erworben (Tietze/Tietze-Conrat 1937a, 22).

69 Naturhistorisches Museum (NHM), Wien. 70 Josef Floch hatte von 1913–1918 an der Wiener Akademie der bildenden Künste ­studiert. 1919 wurde er Mitglied der Künstlervereinigung Hagenbund. Im Anschluss an seine erste Ausstellung in Wien reiste er im Frühjahr 1923 durch Palästina und Ägypten. Daraus ging die Mappe „Palästina“ mit 10 Lithografien hervor, zu der ETC das Vorwort verfasste (Tietze-Conrat 1924i  ; TB 1924, 30.3., 2.4.). ETC und HT waren stets bemüht, die Arbeit Flochs tatkräftig zu fördern (zu Josef Floch siehe Pallauf 2000  ; außerdem TB 1938/2, 24.9.). „1923 habe ich sie kennen gelernt und nie den Kontakt verloren  : Wieviel Interesse und Verständnis und Liebe sie gezeigt hat  !“ (Tagebucheintrag von Josef Floch am 12.12.1958, dem Todestag ETCs, in  : Pallauf 2000, 77.) 71 Beim Hauptkäufer Nebehays handelte es sich um den Ingenieur Edwin Czeczowicka. Der Industrielle musste nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten Österreich verlassen. Christian Nebehay beschreibt die enge Verbindung seines Vaters mit dem Sammler, in  : Nebehay 1983, 210–214  ; zu Czeczowicka siehe auch Lillie 2003, 275–279.

Alfred Stix, der Tietzes an jenem Abend in seinem Wagen nach Hause brachte, war ab Juli 1923 Direktor der Graphischen Sammlung Albertina und wurde im Hinblick auf die „Verjüngung“ der Sammlungsbestände der staatlichen Museen ein wichtiger Bündnispartner HTs. Er gehörte dem Vorstand von HTs GFMK an. 1934 schließlich wurde Stix Leiter der Gemäldegalerie und „Erster Direktor“ des Kunsthistorischen Museums und somit ein wichtiger Exponent der Kulturpolitik des autoritären Ständestaates. Dieses Faktum sowie sein Einsatz für moderne Kunst bewirkten, dass er im Nationalsozialismus seiner Ämter enthoben wurde. Dass er jedoch emigrieren musste, scheint nicht gültig belegt.



Details zur Vortrags- und Lehrtätigkeit HTs im Ausland konnten bisher nicht konsequent erhoben werden.



Walter Hugelshofer war zu diesem Zeitpunkt noch Student an der Universität Zürich. Offenbar hatte er eine Einladung an HT ausgesprochen.

72 Zu Adolf Seitz siehe TB 1923, 28.7. 73 „1. Pariser Konferenz“  – ab 1927 waren Steiners ständig in Paris ansässig. Möglich aber, dass erste Vorbereitungen für die Übersiedlung des Ehepaars Steiner nach Paris bereits auf diese Zeit zurückgehen. 74 Die Wiener Messe wurde zweimal jährlich an verschiedenen Standorten in der Stadt abgehalten.

Das noble Modehaus Braun am Graben in der Wiener Innenstadt bestand noch bis zum Jahr 2004.

75 Ausstellung Alfred Kubin, Galerie Würthle, Wien 1923. 163

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76 Die Kunsthistorikerin Carla de Jonge, die ETC auch persönlich sehr schätzte, war zu diesem Zeitpunkt Kuratorin am Centraal Museum in Utrecht (Vgl. TB 1937/2, 18.5.). 77 Anton Velim (1892–1854), Maler, Grafiker

Das Gespräch fand mit dem Kustos der Albertina, Anton Reichel, statt (TB 1923, 20.7., 7.9.). Der deutsche Kunsthistoriker Eberhard Hempel war zwischen 1921 und 1923 an der Albertina tätig.



Johann Nestroy, Einen Jux will er sich machen, Posse mit Gesang, 1842.



Der deutsche Kunsthistoriker und ehemalige Assistent Cornelius Hofstede de Groots und Wilhelm von Bodes (1845–1929), Wilhelm R. Valentiner, war mit Unterbrechungen bereits seit 1909 in den USA ansässig. Er war Kurator der Abteilung „Decorative Arts“ am Metropolitan Museum in New York und Herausgeber der Zeitschrift „Art in America“ (Wilhelm Reinhold Otto Valentiner, Dictionary of Art Historians).

78 Leonhard Beck, Der hl. Georg kämpft mit dem Drachen, um 1515, KHM, Wien. 79 Wahrscheinlich handelte es sich bei den Kolbe-Zeichnungen um jene Blätter, die 1930 in der Ausstellung der „Privatsammlung Hans und Erica Tietze“ in der Österreichischen Galerie gezeigt wurden  : Georg Kolbe, sitzender weiblicher Akt, lavierte Federzeichnung  ; Liegender weiblicher Akt, lavierte Federzeichnung  ; kauernder weiblicher Akt, lavierte Federzeichnung. Zur Tietze’schen Privatsammlung siehe TB 1924, 23.6.

Der Maler Anton Peschka, der mit Schieles Schwester Gertrude (1894–1981) verheiratet war, imitierte Schieles Malstil.

80 Wie bei kaum einer anderen Stelle in den Tagebüchern stellte sich hier die Frage, ob es im Sinn ETCs war, ihre Aufzeichnungen ungekürzt zu veröffentlichen. Vielleicht hätte sie später selbst diese beleidigenden Äußerungen – deren legitimer Ort ein Tagebuch ist – einem Gefühl der Eifersucht zugeschrieben. Es ist offensichtlich, dass sie Adolf Seitz sehr gern mochte. 81 In den frühen 1920er-Jahren schickte Anatolij Lunačarskij (1875–1933) den jungen Konstantin Umanskij in den Westen, um dort die Kunst der Sowjetunion, die damals noch von der radikalen Avantgarde dominiert war, zu propagieren. 1920 erschien Umanskijs Buch „Neue Kunst in Russland 1914–1919“, der „seit den Kriegsjahren erste Bericht über die russische Kunst“ (Umanskij 1920, 69). Das Vorwort dazu hatte Leopold Zahn (vgl. TB 1925, 5.7.) verfasst. Umanskij, der als besonderes Sprachentalent galt, war offenbar trotz seiner offiziellen Mission genötigt, sein Geld selbst zu verdienen. 1945 kam er, ab 1943 Botschafter in Mexiko, bei einem Flugzeugabsturz in der mexikanischen Hauptstadt ums Leben (Sizonenko 2000).

Zu Stefan Hock siehe TB 1923, 24.8.



Zur „Wasserleiche“ siehe TB 1923, 19.9.

82 Ausstellung in der Albertina, französische Zeichnungen des 18. Jahrhunderts. Kustos Anton Reichel war neben seiner kunsthistorischen Tätigkeit auch Komponist, dies dürfte den Kontakt zu ETC freundlicher gestaltet haben (TB 1923, 20.7.). 164

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83 Tizian, Porträt des Pietro Aretino, 1545, Galleria Palatina, Palazzo Pitti, Florenz. 84 Charakteristisch für Grinzing ist sein dörflicher Charakter mit zahlreichen Weinschenken, den sogenannten „Heurigen“ (benannt nach dem jungen Wein des „heurigen“ Jahres), sowie seiner von vielen Wienern als „lieblich“ empfundenen sanft hügeligen Landschaft mit Wäldern und Weingärten. Grinzing, bereits im 19. Jahrhundert ein beliebter Ausflugs- und Sommerfrischeort, gehört auch heute noch zu den von Touristen besonders gerne aufgesuchten Teilen Wiens. 85 1923 erschien Josef Matthias Hauers Schrift „Deutung des Melos. Eine Frage an die Künstler und Denker unserer Zeit“ (Leipzig-Wien-Zürich). „Da schuf etwa im Jahre 1920 der Wiener Josef Matthias Hauer durch Aufstellung zweier Prinzipien die Grundlage zur Zwölftonmusik. Zum einen unterscheidet er einen rhythmischen und einen melischen Pol. Dem rhythmischen weist er die Leidenschaften, das Ithyphallische, das Fantastische, dem melischen das Göttliche, Harmonische, das Geistige zu. Damit öffnet er wieder den Weg zu einer klaren Musik. Zum Zweiten postulierte er, der gleichschwebenden temperierten Skala folgend, die Gleichwertigkeit der 12 Töne innerhalb der Oktave. Daraus fließt sofort die Aufstellung eines neuen Liniensystems, das die 12 Töne zur Grundlage hat, denn Kreuz und Be sind ja Begriffe, die das Spielen in gewissen Tonleitern zugrunde haben. In den Zwölftonspielen Hauers entwickeln sich diese Gedanken in ihrer reinsten Form. In einer Tonfolge von 12 Tönen, in denen jeder Ton der zwölfstufigen temperierten Skala einmal – und nur einmal – enthalten ist, entfaltet sich der reine Melos, in dem der Rhythmus völlig aufgegangen ist und nur mehr innerhalb Melos als Periodizität erkennbar wird.“ (Förster 1976.) 86 Franz Martin Haberditzl, wie HT und ETC Schüler der beiden Hauptvertreter der Wiener Schule der Kunstgeschichte, Alois Riegl (1858–1905) und Franz Wickhoff (1853–1909), war von 1915–1938 Direktor der Staatsgalerie, später Österreichischen Galerie im Belvedere. Er galt wie Glück und Eigenberger als Rubens-Spezialist. Mit seinem Amtsantritt fand er sich beständigen Angriffen von konservativen Künstlern und Kritikern ausgesetzt. Dennoch wurde ihm „bald von Freund und Feind großer Respekt entgegengebracht“ (Kugler 2004, 183). Ab 1920 war der an schwerem Gelenkrheumatismus leidende Haberditzl an den Rollstuhl gefesselt. Unter seiner Direktion kam es zur Aufgliederung in drei Museen  : Barockmuseum im Unteren Belvedere (1923), Galerie des 19. Jahrhunderts im Oberen Belvedere (1924), Moderne Galerie mit der Kunst des 20. Jahrhunderts in der Orangerie des Belvederes (1929).

Eine Tante Tale ist bei den Nachkommen ETCs nicht mehr bekannt.

Kokoschkas „Stillleben mit Hammel und Hyazinthe“ von 1910 wurde 1922 durch die Öster­ reichische Galerie Belvedere angekauft. Oskar Reichel war einer der frühesten Sammler der Werke Kokoschkas. 87 Laut einer Aufstellung hatte die Albertina von 1923–1930 20 Radierungen sowie neun Lithografien vom Künstler erworben, außerdem eine Federzeichnung („Liegender Akt“) sowie eine ETC darstellende Braunstiftzeichnung (ÖStA, AVA, 15 A–B1, U2, fasc. 3159, Albertina 1930, Überprüfungskommission). 165

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Mit „Tante Brüll“ war wohl Marie Brüll, geb. Schosberg, gemeint, die Witwe des Komponisten Ignaz Brüll (1846–1907) (Gaugusch 2011, 339). Dabei handelte es sich um eine Bekanntschaft, die auf die Zeit zurückging, als das Ehepaar Conrat in seinem Haus Freunde und Bewunderer von Johannes Brahms versammelte.

88 Ungefähr zu dieser Zeit hatte die Zusammenarbeit Ernst Křeneks mit Kokoschka begonnen. Ergebnis war Křeneks Oper „Orpheus und Eurydike“ (Opus 21), basierend auf Kokoschkas gleichnamigem Bühnenstück von 1919. 89 ÖStA, AVA, U2, 15 B1, fasc. 3168, 1919–1926, Staatsgalerie, Nr. 14974, 11.9.1923  : „Defreggers ‚Zitherspieler‘ künstlerisch unerfreulich, musealer Aufbewahrung keinesfalls würdig“, gezeichnet Haberditzl. Handschriftliche Anmerkung HT  : „Photographien für den Vierteljahresbericht kommen nach.“ 90 „Brom u. Adalin“ – Schlafmittel.

Diese Stelle gibt einen kurzen Einblick in Verschränkungen des internationalen Kunsthandels mit den öffentlichen wie privaten Sammlungen. Die Dublettenaktion der Albertina stellt  – so wie ähnliche Schritte in anderen Häusern  – im Hinblick auf die öffentliche Resonanz, die sie hervorrief, ein außergewöhnliches Geschehen im Museumsbetrieb zwischen 1920 und 1925 dar. In Bezug auf die Durchsetzung der Museumsreform war sie zweckmäßig und rational. Der Verkauf von Dubletten  – d. h. von Druckgrafiken, die in mehreren ganz gleichwertigen Exemplaren vorhanden waren – brachte dringend benötigte Geldmittel. Gleichzeitig stieg das Interesse des Handels und der Sammler sowie staatlicher Kontrollinstanzen und des Fiskus. Der amerikanische Magnat John Pierpont Morgan jr., dessen „Pierpont Morgan Library“ in New York kurz vor der Eröffnung stand, war nur einer von vielen international renommierten Sammlern und Museumsmännern, die sich für die Dubletten der Albertina interessierten. Morgan wurde bei seinen Ankäufen von der Kunsthandlung Artaria vertreten.

91 ETCs Cousine Christine „Christl“ Kerry war Malerin. Die meiste Zeit verbrachte sie in Altaussee im steirischen Salzkammergut, das von ihr in vielen Bildern festgehalten wurde.

ETCs Großvater hatte seinem ältesten Sohn, dem Vater Christl Kerrys, einen größeren Besitz in Altaussee gekauft. „Bis 1889 [als der Großvater seiner Tochter Ida zum Ausgleich einen Garten in Dornbach schenkte, Anm. der Hrsg.], also die ersten sechs Jahre meines Lebens, war Altaussee fuer uns die Sommerheimat gewesen. Wenn ich heute in eine Sommerfrische in Vermont oder sonstwo komme, vergleiche ich sie immer unbewusst mit dem Eggelgut in Alt Aussee.“ (Tietze-Conrat unveröff./a, 42.)

92 Die jungen Holländer waren vermutlich im Haus der Josefine Bernatzik (  ?), der Witwe des Staatsrechtlers Edmund Bernatzik (1854–1919), zu Gast. Villa Bernatzik, Springsiedelgasse 28, Heiligenstadt, 1912/13, Architekt  : Josef Hoffmann.

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Das Künstlerehepaar Karl Fränkel und Anna Fränkel-Rothziegel brachte in seinem Puppentheater Richard Kraliks „Volksschauspiel vom Doctor Faust“ (Erneuerung durch Kralik), Wien 1895.

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Der Kunsthistoriker und Kunstkritiker Franz Ottmann war Sekretär des „Vereins der Museumsfreunde“ und Autor in der von HT von 1919–1923 herausgebrachten Zeitschrift „Die bildenden Künste“.



Hohe Warte – verbauter Hügel in Döbling  ; Villenviertel.



„Mit den englischen Studenten“ – vermutlich handelte es sich um Studenten der Wiener Internationalen Hochschulkurse, die von HT zu den im Donautal „Wachau“ gelegenen kunsthistorischen Sehenswürdigkeiten geführt wurden.

93 Dürnstein – Städtchen an der Donau in Niederösterreich  ; Haupttourismusattraktion in der Wachau. 94 Lili Fröhlich, geb. Bum, war nach ETC die zweite Frau, die an der Wiener Universität im Fach Kunstgeschichte promoviert hatte. Ihre Dissertation (1910) war dem venezianischen Maler und Radierer Andrea Meldolla, genannt „Schiavone“, gewidmet (Fröhlich-Bum 1913). Von 1923–1934 war sie als freie Mitarbeiterin mit der Erstellung der Gesamtkataloge der Graphischen Sammlung Albertina (Stix/Fröhlich-Bum 1926  ; dies. 1932) befasst. Sie war Autorin zahlreicher wissenschaftlicher Arbeiten. 1939 emigrierte Fröhlich-Bum mit ihrem Ehemann, dem Kunsthändler Otto Fröhlich (1873–1947), nach England (Fröhlich-Bum, in  : Wendland 1999a, 180–183  ; Feichtinger 2001a, 408–409).

Die von Stix erworbene Kohlezeichnung von Tintoretto („Maria mit Kind und hl. Josef“) war von Lili Fröhlich-Bum in ihrem Aufsatz „Some Unknown Venetian Drawings in the Albertina“ in „The Burlington Magazine for Connoisseurs“ (Fröhlich-Bum 1923a) erstmals als Tintoretto publiziert worden. Der Hinweis auf eine vorangegangene Veröffentlichung durch Detlev von Hadeln findet sich schließlich als Nachtrag einige Nummern später (Fröhlich-Bume 1923b).

95 Führungen durch das ehemals kaiserliche Schloss Schönbrunn und in der Kathedrale St. Stephan.

Ernst Buschbeck gehörte in den 1920er-Jahren zu den engsten Mitarbeitern HTs. 1920 wurde Buschbeck vom Kunsthistorischen Museum ebenfalls ins Unterrichtsministerium berufen, um an der Museumsreform und den Verhandlungen mit den Siegermächten und Nachfolgestaaten mitzuwirken. Buschbeck war Kunstreferent beim „Neuen Wiener Tagblatt“ und stellte gemeinsam mit HT dringliche museale Fragen in Zeitungsartikeln zur öffentlichen Diskussion. Er gehörte außerdem dem Vorstand der GFMK an  ; 1923 kehrte er an die Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums zurück.



Prof. Pribram – kann nicht mit Sicherheit zugeordnet werden.



„Verbrauchte Mutter“ – Gedicht (TB 1923, 4.9.).

96 Der Vorstandsvorsitzende der GFMK, Dr. Emil Frankl (TB 1925, 2.11.), agierte hier als Einkäufer für die GFMK (zum Künstlerfördermodell der GFMK siehe TB 1923, 24.–30.6., 8.11.).

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ETCs Novellette „Die Wasserleiche“ erschien im Feuilleton der „Arbeiter-Zeitung“ am 16.9.1924 (Tietze-Conrat 1924d). Ein junger rumänischer Baron, Kriegsheimkehrer, stürzt sich in Bad Gastein beim Wasserfall über die Brücke in die Tiefe. Mit dem Selbstmord kommt Leben in die verschlafene Kurgesellschaft. Eine Belohnung für das Auffinden seiner Leiche wird ausgesetzt …

 97 Staatsgalerie (ehemals „k. und k. Österreichische Staatsgalerie“), veraltet für Österreichische Galerie (seit 1921).

Der Bildhauer Wilhelm Lehmbruck hatte die junge Elisabeth Bergner 1917 kennengelernt. Die unerwiderte Liebe für die Bergner soll mit ein Grund für Lehmbrucks Selbstmord im Jahr 1919 gewesen sein. Der Dichter Albert Ehrenstein, seit 1912 mit Bergner befreundet, riet ihr damals, Hilfe beim Individualpsychologen Alfred Adler zu suchen (Bolbecher 1993, 16).



Reise ETC und HT mit Ehrlich und Ehepaar Steiner im September/Oktober 1923  : Wörgl (A) – Buchs (CH) – Basel – Paris (F) – Saint-Cloud.

  98 Dom – Basler Münster, 12./16. Jh.

Galerie im Kunstmuseum Basel, 17. Jh. – „weltweit erstes öffentliches bürgerliches Kunstmuseum“ (Kunstmuseum Basel, Museum für Gegenwartskunst).

  99 „Dejeuner sur l’herbe“ – Anspielung auf das Gemälde von Édouard Manet (1832–1883), „Frühstück im Grünen“ („Le Déjeuner sur l’herbe“), Musée d’Orsay, Paris.

„La grande Roue de Paris“, im Jahr 1900 im Rahmen der Weltausstellung unweit des Eiffelturms errichtet, war 1923 abgerissen worden.



1925 sollte Adolf Loos, nachdem er mit der Stadt Wien als Bauherrin gebrochen hatte, nach Paris übersiedeln. Bei seinen Besuchen in der französischen Hauptstadt versammelte er inzwischen dort ansässige Schüler und Mitarbeiter um sich. Zu diesen gehörte der in Konstantinopel geborene Architekt Gabriel Guevrekian. Dieser hatte von 1915–1919 an der Wiener Kunstgewerbeschule studiert. Zwischen 1921 und 1933 lebte er vor allem in Paris. An Projekten bzw. ausgeführten Werken von Guevrekian für das Jahr 1923 nennt Élisabeth Vitou  : „Projet de villa en ciment armé. Projet d’hotel-relais. Boutique ‚Le Sacre du Printemps‘“ (zitiert nach Negar 2002, 135  ; Meder 2008a, 121).

100 Die große Kunstsammlung des mit vielen kubistischen Malern befreundeten Pariser Modezars Paul Poiret wurde ab 1925 verkauft.

Der Margarinefabrikant August Pellerin besaß gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine der umfangreichsten Sammlungen von Werken Paul Cézannes.



Die Schauspielerin Lia Rosen wurde von vielen Künstlern und Intellektuellen der Zeit gefeiert. In Berlin gehörte sie zu Max Reinhardts (1873–1943) Ensemble.

101 Erna Mendel, verh. Lederer. Der „Radierklub Wiener Künstlerinnen“ bestand von 1903– 1914 und verlegte in regelmäßigen Abständen Mappenwerke, bestehend aus zehn bis zwölf Radierungen. 168

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Frau Jaray ist nicht eindeutig zuordenbar.



Vermutlich handelte es sich um Entwürfe für die Feuerhalle am Wiener Zentralfriedhof, für deren Gestaltung 1921 ein Wettbewerb ausgeschrieben worden war. Realisiert wurde schließlich 1923 der Entwurf des Drittgereihten, Clemens Holzmeister.



Zu Ernst Kris, dem Cousin von Dr. Betty Kurth, siehe TB 1923, 24.6.–30.6.; TB 1937/2, 29.5. Welche Arbeit Kris von HT übertragen wurde, ist nicht bekannt.



Insgesamt fünf Jahre, von 1922–1927, war Bettina „Betty“ Kurths Cousin, der junge Kunsthistoriker Ernst Kris, als unbezahlte wissenschaftliche Hilfskraft in der Abteilung für „Plastik und Kunstgewerbe“ des Kunsthistorischen Museums unter der Leitung von Hermann J. Hermann (Nachfolger von Julius von Schlosser) tätig (Ernst Kris, in  : Wendland 1999a, 387  ; zu Kris siehe TB 1937/2, 29.5.).



Betty Kurth (Promotion 1911) gehörte mit ETC (1905) und Lili Fröhlich-Bum (1910) zur ersten Generation weiblicher Kunsthistoriker an der Wiener Universität. Aufschluss über zahlreiche Parallelen in der Organisation des beruflichen Alltags von ETC und Betty Kurth gibt der Aufsatz von Monica Stucky-Schürer (2009)  ; zu Kurth siehe TB 1937/1, 21.4.



„Novelle vom lieben Gott“ – unveröffentlichtes Werk ETCs, im Nachlass nicht enthalten.



Gustav Mahler war in einem Ehrengrab auf dem Grinzinger Friedhof im 19. Wiener Gemeindebezirk beigesetzt worden. Der Entwurf zum Grabstein stammte von Josef Hoffmann.



ETC hat hier das Werk des „Rembrandtdeutschen“ (August Julius Langbehn) vermutlich nicht zum ersten Mal zur Hand genommen. 1890 (bei Hirschfeld in Leipzig – anonym) erschienen, lag das Buch 1922 in seiner 84. Auflage vor – ein Bestseller also. Aus heutiger Sicht mutet der sprunghaft-aphoristische Text, der den Niederländer Rembrandt als den „vollkommenen Deutschen“, als „Künder einer neuen Gesellschaft“ charakterisiert, abstrus an. Verwerfung von Modernität und der rationalistischen Tradition wären, nach Fritz Stern, das eigentliche Thema dieses Werks. Dennoch war „Rembrandt als Erzieher“ bei zahlreichen prominenten Kunstwissenschaftlern auf positives Echo gestoßen. Wilhelm von Bode hatte nach Erscheinen des Buchs eine umfassende und wohlwollende Besprechung (Bode 1890) verfasst, und der Rembrandt-Forscher Carl Neumann (1860–1930) widmete dem Werk in seiner umfangreichen Studie zu Künstler und Werk insgesamt acht Seiten (Langbehn 1890  ; Stern 2005, 170  ; Neumann 1922).

102 Der Orden der Ursulinen verfügte zwar über kein Konservatorium, jedoch befanden sich im Gebäude in der Johannesgasse 8 im 1. Wiener Gemeindebezirk eine von den Ursulinen unterhaltene Lehrerinnenbildungsanstalt und verschiedene Mädchenbildungseinrichtungen. Es ist anzunehmen, dass Philomena Blaschitz an einer dieser Schulen Musik unterrichtete. 103 Die erste österreichische Segelflugwoche fand vom 13.–21.10.1923 am sogenannten Waschberg bei Stockerau in Niederösterreich statt.

„Sanierungswerk“ – Bundeskanzler Ignaz Seipel (1922–1924, 1926–1929) hatte im Ok169

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tober 1922 mit Vertretern der britischen, französischen, italienischen und tschechoslowakischen Regierungen zur Stützung der österreichischen Finanzen das Genfer Protokoll unterzeichnet. „The Geneva Protocol succeeded in restoring the state’s finances, but at the same time led to mass redundancies among civil servants and to a rapid increase in unemployment.“ (Botz 1980, 203.)

Die 1918 durch Vertreter des Wiener Bürgertums gegründete „Bürgerlich Demokratische Partei“ (1923  : „Bürgerlich Demokratische Arbeitspartei“) richtete sich in ihrem Programm zwar auch an die Arbeiterschaft, stand ideologisch aber nicht der Sozialdemokratie nahe, sondern vertrat dezidiert wirtschaftsliberale Ziele  ; bei den Wahlen vom 21. Oktober 1923 erhielt sie nur 0,6 % der Stimmen, stärkste Partei wurden die Christlichsozialen unter Bundeskanzler Ignaz Seipel (Ergebnisse der Nationalratswahlen 1919–1930, Wahlen.cc, Das Portal zu Politik und Wahlen). „Das auffallendste Ergebnis der Wahlen vom 21. Oktober 1923 war der starke Stimmenverlust der Großdeutschen. […] In erster Linie war dies darauf zurückzuführen, daß die den ‚Deutschnationalen‘ nahestehenden, beziehungsweise sie bereits politisch ablösenden Nationalsozialisten ihre Anhänger zur Wahlenthaltung aufgerufen hatten. Umso mehr sah Seipel im Ergebnis der Wahlen einen persönlichen Auftrag, das Genfer Sanierungswerk zu Ende zu führen. Die sozialdemokratische Partei, die in Wien ihre Position mächtig ausgebaut hatte, kündigte neuerlich ‚verschärfte und verstärkte Opposition‘ an.“ (Rennhofer 1978, 385 [Hervorhebungen im Original].)



Architekt und Baurat Leopold Bauer verbreitete seine ambivalente, tendenziell jedoch antimoderne Kunstauffassung unter anderem ebenfalls im Feuilleton der „Neuen Freien Presse“.

104 Das Bildmotiv des von Phyllis gerittenen Philosophen Aristoteles, der so der Lächerlichkeit preisgegeben wird, geht auf eine mittelhochdeutsche Verserzählung zurück und wurde von vielen Malern, u. a. von Kokoschka (1913), wiedergegeben. Diese Passage verweist auf einen Topos der Wiener Moderne  : Eros als Schlüssel zum Verständnis der Psyche.

Es handelt sich um das Gemälde von Carl Hofer, „Mädchen mit Blattpflanze“, 1923. Es ging im Rahmen der Kooperation Flechtheim-Würthle an die Österreichische Galerie Belvedere.

105 Zu Lili Fröhlich-Bum siehe TB 1923, 17.9.

170

Ernst „Erny“ Ebenstein war seit Studentenjahren eng mit HT und später auch mit ETC befreundet. Er war Sohn des Herrenschneiders Ernst Ebenstein (1843–1919), dessen Geschäftslokal auf dem vornehmen Wiener Graben von Loos entworfen worden war. Der alte Ebenstein hatte sich von Kokoschka porträtieren lassen und sich als Sammler vor allem von Werken des Kunstgewerbes und der Bildhauerei einen Namen gemacht. Sein ältester Sohn Ernst hatte das Interesse an bildender Kunst geerbt und Kunstgeschichte studiert, schließlich übernahm er jedoch das elterliche Schneidergeschäft (Frimmel 1913, 297).

Tagebuch 1923



In Rohatetz (damals k. k. Österreich, heute Tschechische Republik) lag die Zuckerfabrik von Josefine von Winters Vater. In der von ihr verfassten Familienchronik schildert Josefine von Winter ihre glücklichen Erinnerungen an Kindheit und Jugend, die sie mit diesem Ort verband (Winter 1927).



Die Rechtsanwaltsgattin Rosa Menczel, die gemeinsam mit ihrem Mann zum Freundeskreis Arthur Schnitzlers gehörte, sollte offenbar als Mäzenin für den Maler Oskar Laske gewonnen werden.

106 Margarethe Tietze, die Tochter von HTs Bruder Felix und dessen Frau Hertha, sollte von Georg Ehrlich porträtiert werden.

1924 gelangten rund 100 französische Zeichnungen aus der Sammlung Simon Meller in die Albertina. Zum Ankauf von Simon Meller und Maurice Gobin siehe ÖStA, AVA, BMU, 15 Museen, Albertina, GZ. 4013-III/24.

107 Hans Makart, Porträt Dora Fournier Gabillon, 1879/80, Wien Museum.

Oskar Reichel besaß die größte private Sammlung von Werken Anton Romakos. Aus seiner Liebe zu Romako entwickelte sich schließlich sein Interesse für Kokoschka, Vgl. dazu TB 1923, 11.9.



Der „Naschmarkt“ ist ein ausgedehntes Marktgebiet heute im Zentrum von Wien. Seinen Namen erhielt der Markt offiziell im Jahr 1905 (ursprünglich „Aschenmarkt“).

108 Victor Hugo, Ruy Blas, Drama, 1838.

Zu Bruno Grimschitz siehe TB 1923, 19.6.



Bei Dr. Winkler handelte es sich höchstwahrscheinlich um Friedrich Winkler, seit 1915 leitender Bibliothekar der Berliner Museen (TB 1937/1, 24.4.).



Als der Maler Eduard Kasparides (auch Casparides) schließlich im Juli 1926 verstarb, hatte er der Österreichischen Galerie in seinem Testament 30 seiner Bilder mit der Auflage vermacht, diese unter seinem Namen als Stifter dem Publikum zugänglich zu machen. Die Schenkung wurde schließlich – auch, um keinen Präzedenzfall zu schaffen – von der Galerie (und somit vom österreichischen Staat) nicht angenommen (ÖStA, AVA, U2, 15 B1, fasc. 3168, 1919–1926, Staatsgalerie, Gz. 22580-I/Kst.a, Legat des akademischen Malers Eduard Kasparides).



ETC las die Temperatur offenbar von einem älteren Thermometer ab, das noch in Grad Réaumur („R“) maß. 1901 wurde die Celsius-Skala amtlich eingeführt. 1 °R = 0,8 °C, d. h. 22 °R = 27,5 °C.



Bei Frau Weininger handelt es sich möglicherweise um Marianne Weininger (1883–1966), Schwägerin des Philosophen Otto Weininger (1880–1903). Marianne Weininger und ihr Mann Richard (1887–1979) waren als Mäzene bekannt (Pfäfflin 2005, 305).

109 Beethovengang – „Lieblingsspazierweg“ Beethovens in Heiligenstadt (Döbling). 110 HTs Aufsatz „Die soziale Funktion der Kunst“ erschien schließlich 1925 im „Jahrbuch für 171

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Soziologie“ (Tietze 1925a). Bereits im Wintersemester 1919/20 hatte HT an der Wiener Universität eine Vorlesung zu diesem Thema angekündigt, die dann allerdings ausgefallen war.

Das Haus Ecke Peter-Jordan-Straße/Blaasstraße im 19. Wiener Gemeindebezirk wurde nicht eruiert.



Karel Čapeks Drama „R. U. R.“ (tschechisch „Rossumovi Univerzální Roboti“) aus dem Jahr 1920 erschien in deutscher Übersetzung unter dem Titel „W. U. R.  – Werstands Universal Robots, Utopisches Kollektivdrama in drei Aufzügen“ (Prag-Leipzig 1922). Bereits bei der deutschen Uraufführung des Stücks in Berlin 1922 hatte Friedrich Kiesler die Ausstattung gestaltet und damit große Erfolge gefeiert.



Zu Aquarien bzw. Fischen, beliebten Motiven Lilly Steiners, siehe Tietze-Conrat 1921b.

111 Ungarn – siehe TB 1923, 20.7., 1.11.; TB 1924, 19.3., 21.3.

Dr. Robert Friedmann, Musiker, Konzertpianist, Bankbeamter, „gest. nach dem Juni 1938“ (Gaugusch 2011, 778).

112 Zum Zeitpunkt seines Wien-Besuchs war Ernst Heinrich Zimmermann Direktor des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg. Offenbar erschien er HT als gewichtiger und weniger bornierter Ansprechpartner in Sachen Museumsreform als die zuständigen Instanzen in Wien. Zwischen 1915 und 1918 war Zimmermann Direktionsassistent an der Staatsgalerie (d. i. Österreichische Galerie Belvedere) unter Franz Martin Haberditzl gewesen. Eine Anekdote zu den Anfängen der Bekanntschaft zwischen HT und Zimmermann findet sich bei Winter  : „Daß ihm [Zimmermann] antisemitisches Gedankengut nicht fremd war, nicht fremder jedenfalls als es auch seinem Onkel Wilhelm von Bode war, der wie viele seiner Zeitgenossen im Kaiserreich einen gewissen ‚Salon-Antisemitismus‘ pflegte, zeigt schon eine briefliche Äußerung Zimmermanns aus dem Jahr 1912, als er – 26jährig – an Bode schrieb (in Bezug auf den möglichen Kandidaten für eine Assistentenstelle am Kunsthistorischen Institut in Florenz, Hans Tietze, den Zimmermann wärmstens empfahl)  : ‚Falls Du über Wien nach Florenz fährst, kannst Du ihn Dir ja persönlich ansehen. Seine jüdische Abstammung sieht man ihm kaum an (Goldschmidt, Friedländer und selbst Glück sehen weit verdächtiger aus)  ; zudem ist er getauft.‘“ (Winter 2013, 12.)

Gemeinde Wöllersdorf in Niederösterreich.

113 ETC, „Zur holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts“, Semesterkurs, Wiener Urania.

172

Die Volksbildungseinrichtung „Urania“, gegründet 1898, war aus dem „Niederösterreichischen Gewerbeverein“ hervorgegangen und verfügte österreichweit über rund 65 Zweigstellen. In ihrer politischen Ausrichtung war sie tendenziell bürgerlich-konservativ. Deshalb überrascht es nicht, dass in ihr kunsthistorische Themen in Form von Vorträgen, Exkursionen und Führungen seit jeher gut verankert waren. HT hatte bereits 1906/07, ETC 1911/12 mit einem Vortragsprogramm an der Urania begonnen. Im österreichischen Volkshochschularchiv finden sich zu ETC insgesamt 34 und zu HT an die 80 Einträge. Diese Tätigkeiten, die bescheiden renumeriert waren, lieferten ein beständiges

Tagebuch 1923

Zubrot für den Tietze’schen Haushalt. Beide stellten ihre volksbildnerischen Vortragsreihen mit der Stabilisierung des Kleriko-Faschismus ein (HT 1933/34, ETC 1934/35) (Österreichisches Volkshochschularchiv).

Der wohlhabende burgenländische Weingroßhändler Sándor Wolf begann um 1900 mit dem Aufbau einer privaten Kunstsammlung (archäologische Objekte, Kunst und Kunsthandwerk sowie Judaika), die er der Öffentlichkeit mittels eines eigenen Museums zugänglich machte. 1938 floh Wolf nach Palästina. Wolf gehörte auch dem Urania-Verein an. Der Junggeselle hatte sechs Schwestern, von denen zu diesem Zeitpunkt noch fünf am Leben waren.



„Unsre in Paris gekauften Zeichnungen“  – in jenen Jahren der republikanischen Umgestaltung der Museen empfanden engagierte Kunsthistoriker und Kunstkenner es als staatsbürgerliche Selbstverständlichkeit, qualitätsvolle Werke für staatliche, aber auch private Sammlungen ausfindig zu machen und deren Erwerb anzuregen.



Dr. Robert Friedmann, Wien 1, Maximilianstraße – heute Mahlerstraße (Gaugusch 2011, 778).



Abbildungen zweier Zeichnungen Ehrlichs von der jungen Tänzerin Niddy Impekoven in Tietze-Conrat 1925a, 82, 83.

114 Zum Hutterstrasserhaus in der Kahlenberger Straße konnte nichts herausgefunden werden. Carl Hutterstrasser (1863–1942), Komponist und Inhaber der Bösendorfer Klavierfabrik, gehörte in ETCs Jugend zum musikalischen Bekanntenkreis der Eltern. 115 Auch mit dem Verleih von Kokoschkas Doppelporträt waren Tietzes sehr zurückhaltend. 1938 konnte es, so wie andere Kunstwerke aus der Sammlung Tietze, vermutlich dank der Hilfe von Frederick Hartt aus Österreich herausgeschmuggelt werden (siehe dazu TB 1938/1, 16.4.). In finanzieller Not boten Tietzes das Gemälde schließlich 1939 über Vermittlung des ebenfalls emigrierten Kunsthändlers Hugo Feigl (1889–1961) dem Direktor des Museum of Modern Art in New York, Alfred H. Barr (1902–1981), an. Der Ankauf konnte über Mrs. John D. Rockefeller jr. finanziert werden (Vgl. dazu Natter 2002, 74  ; zum Doppelporträt siehe TB 1924, 23.6.). 116 Gemeint ist Elek Petrovics, Direktor des Museums der Schönen Künste in Budapest und somit unmittelbarer Gegenspieler der österreichischen Vertreter bei der Verteilung des habsburgischen Kunstnachlasses. Zu den Verhandlungen mit Ungarn siehe TB 1923, 20.7., 28.10.; TB 1924, 19.3., 21.3.

Renaissancebühne (1920) in Wien 7, Neubaugasse 38  – ehemalige Volksbühne (1912), heute Theater der Jugend.



Von 1918–1923 lebte Kaschnitz als Verlagslektor in München, anschließend übersiedelte er nach Rom.

117 Elisabeth Bergner heiratete den Regisseur Paul Czinner erst nach ihrer Emigration aus Deutschland 1933 in London. 173

Tagebuch 1923

118 Es handelte sich um die Jahresausstellung der „Vereinigung bildender Künstlerinnen Öster­reichs“ (XI/1923) in den Räumen der Künstlervereinigung Hagenbund. Von den Vertretern der etablierten Künstlervereinigungen waren es die „Hagenbündler“, denen sich ETC seit deren Anfängen am stärksten verbunden fühlte. Wobei die radikalsten Jahre des Hagenbunds in die Zeit um 1910/11 fallen. Im Unterschied zu anderen Vereinigungen hatte er auch eine größere Zahl jüdischer Mitglieder. Frauen wurden erst ab 1925 als außerordentliche Mitglieder aufgenommen (zum Hagenbund siehe Natter 1993a).

Die Bezeichnung „die Mütter“ ist möglicherweise eine euphemistische Form für den als herablassend empfundenen Begriff „Mäzen“ respektive „Mäzenin“. Die Malerin und Mitbegründerin der „Vereinigung bildender Künstlerinnen“ (gegr. 1910, Wien), Helene von Krauß, stammte aus einer Familie hochrangiger k. k. Staatsbeamter.

119 „bei Berls“ – der Industrielle Oscar Berl lebte mit Ehefrau Flora und den drei Töchtern Marie „Mizzi“, Irene (1907–  ?) und Charlotte (1902–1941  ?) in einer luxuriös ausgestatteten Wohnung am Schottenring in der Wiener Innenstadt (Klösch unveröff.). Zu den Wohnverhältnissen der Berls siehe TB 1925, 28.12. Vor allem Flora Berl und die älteste Tochter Mizzi zeigten sich an Kunst interessiert. So gehörten sie dem „Verein der Museumsfreunde“ als fördernde Mitglieder an.

Noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts waren in Wien Haustheateraufführungen im privaten bürgerlichen Rahmen, aber auch in öffentlichen Gaststätten äußerst populär. Sie wurden polizeilich bespitzelt und, da man moralische Verderbnis der Jugend, politische Verschwörung, aber auch Konkurrenz für offizielle Theaterbühnen befürchtete, durch kaiserlichen Erlass schließlich drastisch eingeschränkt (Heßelmann 2002, Anm. 183, 211, 212).

120 Burgstall – 295 m hoher Berg in Döbling.

Wolfgang Amadeus Mozart, Requiem in d-Moll (KV 626), 1791.



ETCs Novelle „Der arme Liebe Gott“ ist im Nachlass nicht enthalten.

121 Alfred Döblin verlieh den Kleist-Preis 1923 an die Schriftsteller Wilhelm Lehmann (1882–1968) und Robert Musil (1880–1942).

174



1923 erschien die Flugschrift „Die Zukunft der Wiener Museen“, in der HT auf 62 Seiten ein weiteres Mal seine Vorstellungen von einer zeitgemäßen Umgestaltung der Wiener Museen zusammenfasste. Zum ersten Mal hatte er dies 1918 in einem Memorandum getan, aufgrund dessen er in das Unterrichtsamt berufen worden war. Abermals stellte er die grundsätzliche Frage, von welchem Geist das österreichische Musealwesen weiterhin geprägt sein solle  : „Soll es der der Resignation sein, der sich damit begnügt, ein [aus] eine[r] glänzende[n] Vergangenheit überkommenes Gut zu behüten, oder der Geist aufbauenden Wagemuts, der daraus immer neue Werte gewinnen zu können die feste Zuversicht hat  ; soll unser Museumswesen rein retrospektiv oder soll es aktiv sein  ?“ (Tietze 1923a, 6–7.)



Zu Zimmermann siehe TB 1923, 29.10.

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122 Pedro Calderón de la Barca, Über allen Zauber die Liebe (El mayor encanto amor), Komödie, 1635. 123 Tante Anna – Anna Peters (siehe Bd. III, Familienstammbaum, S. 12).

Der Ehe von Hertha und Felix Tietze entstammten zwei Kinder (Margarethe, geb. 1919, und Hans Roderick, geb. 1921).



Ludwig van Beethoven, Fidelio, Oper, op. 72, Uraufführung 1805, Helene Wildbrunn als Leonore.

124 Die Ausstellung mit Skulpturen Georg Kolbes wurde vom 7.11.–3.12.1923 im Ausstellungsraum der Stadt Wien, dem „Theseus-Tempel“ im Volksgarten, abgehalten und war eine Gemeinschaftsveranstaltung der GFMK mit der Kunsthandlung Nebehay. Das Vorwort zum Katalog hatte der Direktor der Österreichischen Galerie, Franz Martin Haberditzl, verfasst, der dem Vorstand der GFMK angehörte.

Mit „Ausschuss“ ist der Vorstand der GFMK gemeint, dem bei der Gründung neben Haberditzl unter anderem angehörten  : Lea Bondi (Galerie Würthle), Emil Frankl (Rechtsanwalt, Mäzen), Wilhelm „Wolko“ Gartenberg (Kunstsammler), Fannina Halle (Kunsthistorikerin, Kulturanthropologin), Kurt Rathe (Kunsthistoriker), Felix Steinitz (Bankier, Kunstsammler), Alfred Stix (Leiter der Graphischen Sammlung Albertina) und als Spiritus Rector Hans Tietze. Später kamen dann außerdem Ernst Buschbeck (Kunsthistoriker) und Hugo Steiner (Unternehmer) zum Vorstand dazu. Die erwähnten Fotos sind bedauerlicherweise nicht erhalten.

125 Ernst Kreneks Vater war ein aus Böhmen stammender Beamter des k. k. Kriegsministeriums in Wien (Krenek 2004, 606). In seiner Autobiografie äußerte sich Krenek in ähnlichen Kategorien zu seiner jugendlichen Geliebten und deren Mutter Alma  : „Es mag sein, daß das jüdische Blut, das Anna von ihrem Vater geerbt hatte – ihre Mutter war so ‚arisch‘ wie nur möglich – die vorzeitige Reife bewirkt hatte, die bei Orientalen gewöhnlich zu dem zu finden ist.“ (Krenek 1998, 393.) Weiter heißt es in Kreneks Erinnerungen  : „Als wir beschlossen hatten, unsere Liebe ganz auszukosten, waren nicht die geringsten Heiratsabsichten im Spiel. Zu jener Zeit war es durchaus üblich, daß ein Liebespaar in einer Wohnung oder in anderen geeigneten Verhältnissen zusammenlebte, ohne die traditionellen Zeremonien, die als eine Art überholte Bürokratie betrachtet wurden.“ (Ebd., 397.) Krenek wiederum äußerte sich über die finanziellen Hintergründe im Haushalt MahlerWerfel folgendermaßen  : „Ich habe nie richtig gewußt, woher das Geld kam, um diesen aufwendigen Haushalt zu führen. Man sagte, daß Mahler einen Teil seiner New Yorker Einnahmen in Amerika gelassen hatte, wo sie während des Krieges treuhändisch verwaltet wurden (glücklicherweise, wie Alma sagte, sonst wären sie vergeudet worden), und daß Alma von diesem Geld lebte, seit es ihr nach dem Krieg zurückerstattet worden war.“ (Ebd., 414.)

Bernadette Reinhold vom Oskar Kokoschka-Zentrum der Universität für angewandte 175

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Kunst Wien ist der Auffassung, dass es sich bei dem Kokoschka-Gemälde um das Porträt Alma Mahlers (um 1913, heute im National Museum of Modern Art, Tokyo) handelte (Wingler 1956, Abb. 78, 302).

Zum Verkauf des Gemäldes „Sommernacht am Strand“ (auch  : „Mondlandschaft“) von Edvard Munch, ein Geschenk von Walter Gropius an Alma zur Geburt der gemeinsamen Tochter Manon, an die Österreichische Galerie kam es vor dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Mahler-Werfel stellte das Bild der Galerie 1937 leihweise für zwei Jahre zur Verfügung. Nachdem das Ehepaar Mahler-Werfel 1938 vor den Nationalsozialisten geflohen war, verkaufte der Stiefvater Mahler-Werfels, Carl Moll, das Gemälde 1940 – wohl ohne deren Einverständnis  – an die Österreichische Galerie. Rückforderungen Mahler-Werfels nach dem Krieg blieben ergebnislos. Erst ein Restitutionsverfahren nach dem Rückstellungsgesetz 1998 (gemäß § 3 BG vom 4.12.1998, BGBl., Nr. 181) führte im Jahr 2006 zur Rückgabe des Bildes an die Erben von Alma Mahler-Werfel (Vgl. dazu Fürnsinn 2009).

126 Unklar, wer mit Dr. Gross gemeint war.

Zu Zimmermann siehe TB 1923, 29.10.

127 Zur Broschüre „Die Zukunft der Wiener Museen“ siehe TB 1923, 5.11. 128 1924 kam es bei der Ausrichtung des Musik- und Theaterfests der Stadt Wien zu einer Kooperation der Stadt Wien mit HTs GFMK. Die Initiative des Fests ging auf David Josef Bach zurück. Die GFMK übernahm die Organisation der beiden Großausstellungen „Ausstellung internationaler Kunst“ und „Internationale Ausstellung neuer Theatertechnik“. 129 Frau Ruault-Frappart – vermutlich die Witwe des 1921 verstorbenen Tänzers, Choreografen und Schauspielers Louis Ruault-Frappart (1832–1921) (Louis Ruault-Frappart, Österreichisches Biographisches Lexikon). 130 Kieslers Verbindung zu den Konstruktivisten im Umkreis der Zeitschrift „De Stijl“ hatte sich zu dieser Zeit vertieft. Der Maler Hans Richter, seit 1922 Mitglied von „De Stijl“, war in den frühen 1920er-Jahren vor allem mit dem avantgardistischen Film beschäftigt ( John Frederick Kiesler, in  : Thieme/Becker 1927, 586  ; Warncke 1990, 212).

176



Der holländische Architekt Jacobus Johannes Pieter Oud, Mitbegründer der Zeitschrift „De Stijl“, war 1918 zum Architekten des Städtischen Wohnungsamts in Rotterdam ernannt worden. Berühmt wurden seine im Westen Rotterdams errichteten Arbeiteretagenwohnungen (die „Tusschendijken“-Blöcke, 1920/21), die Siedlung „Oud Mathenesse“ (1922–1924) sowie Einzelbauten wie das Café „De Unie“ in Rotterdam. Oud gilt als Hauptvertreter der strengen Richtung in der holländischen Baukunst ( J. J. P. Oud, in  : Thieme/Becker 1927, 129–130  ; Warncke 1990, 211, 212).



Nicht sympathisch fand ETC den Schauspieler Hans Rodenberg, der sich in den 1920erJahren länger in Wien aufhielt. „Sept. 1919–23 Schauspieler in Berlin  ; gleichz. Agitprop­ arbeit  ; 1921 Annahme des Künstlernamens Rodenberg  ; 1923–Juli 1926 Schauspieler u.

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ab 1925 Regisseur am Dt. Volkstheater in Wien  ; 1924 Regisseur von Kulturveranstaltungen der RH [Roten Hilfe, Anm. der Hrsg.] in Wien  ; Febr. 1926 KPÖ“ (Hans Rudolph Rodenberg, Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur). Der „Förderkreis Erinnerungsstätte der deutschen Arbeiterbewegung Berlin-Friedrichsfelde“ führt zu Rodenberg auf der Website des Zentralfriedhofs Friedrichsfelde außerdem an  : „1932–48 in der UdSSR. Seit 1948 SED-Mitglied, seit 1954 ZK-Mitglied, stellvertretender Minister für Kultur der DDR 1960–63.“ (Hans Rodenberg, Zentralfriedhof Friedrichsfelde.) 131 Die Debatte über die Nutzung des Films im Rahmen der Volksbildung bzw. dessen Adaptierung für Schulen führte zu einer „Internationalen Kinoreformtagung“ im Mai 1924 in Wien.

Bei Hans Richter und Dr. Richter, der nicht weiter eruiert werden konnte, scheint es sich um eine zufällige Namensgleichheit zu handeln.

132 Helene Funke hat Ninon Dolbin, die spätere Lebensgefährtin Hermann Hesses, mehrmals porträtiert. Auch sonst erwarb Ninon Dolbin-Hesse einige Bilder Helene Funkes. Bis 1921 war Ninon Dolbin mit dem Karikaturisten Benjamin Fred Dolbin verheiratet gewesen (Kleine 1982).

Ernst Buschbeck, Kunstreferent des „Neuen Wiener Tagblatts“, beteiligte sich, nachdem er kurz zuvor aus dem Ministerium ausgeschieden war, an der von HT mit seiner Flugschrift „Die Zukunft der Wiener Museen“ losgetretenen Kampagne gegen die Stagnation der Museumsreform.

133 Krapfenwaldl – ein hügeliges Waldgebiet in Döbling. 134 Am 12. November wurde der Jahrestag der Ausrufung der Republik im Jahr 1919 begangen.



„Die Fackel“, Herausgeber  : Karl Kraus, vermutlich handelte es sich um Nr. 632–639, Oktober 1923, XXV. Jahr. Karl Kraus’ „Wolkenkuckucksheim“ (nach Aristophanes’ „Die Vögel“  ; Wien-Leipzig 1923). Die Lektüre von Kraus’ Zeitschrift „Die Fackel“ und seinem kurz zuvor erschienen Versspiel „Wolkenkuckucksheim“ erfüllte ETC mit  – fast möchte man meinen  : demonstrierter – Langeweile. Aus ihren Erinnerungen wissen wir, dass sie als junges Mädchen durchaus Interesse am Werk des großen Satirikers gezeigt hatte (Tietze-Conrat unveröff./a, 69–70). Es war wohl mehr als ein Ereignis gewesen, das ETC über die Jahre von Kraus hat abrücken lassen. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang nur dessen apodiktische Haltung gegenüber jungen expressionistischen Literaten wie Albert Ehrenstein und Hugo „Sonka“ Sonnenschein (1889–1953) oder sein Eintreten für den Verkauf von staatlich gewordenen Kunstschätzen in der Nachkriegszeit. „Die Methode, mit der Kraus sich streitbar in Debatten einließ, ist eigentlich immer die gleiche  : Sie ist charakterisiert durch Nichteingehen auf den Inhalt der Argumentation des Gegners und Flucht in ein eigenes Bezugssystem, das zumeist ästhetisch legitimiert wird“, bezeichnet Gauß diese sicherlich auch ETC nicht immer sympathische Kraus’sche Taktik (Gauß 1989, 43–59, 48). 177

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Sinclair Lewis, Babbitt, New York 1922.

135 Rosa (Ružica) Dvořák, geb. Jovanovic-Seatovic, war die Witwe des 1921 verstorbenen Universitätsprofessors Max Dvořák. Die beiden Mädchen Hermine „Minka“ und Gisela stammten aus Max Dvořáks erster Ehe. Gisela war im gleichen Alter wie Christoph „Stoffel“ Tietze.

Im beruflichen Leben HTs spielte Dvořák eine herausragende, vielleicht in manchen Aspekten auch widersprüchliche Rolle. Ab 1906 war HT als Assistent am k. k. Denkmalamt unter Dvořáks Führung tätig. Dvořák war Herausgeber der „Österreichischen Kunsttopographie“, zu der HT eine stattliche Anzahl von Bänden verfasste. Während HT zu den frühen Förderern Kokoschkas gehört hatte, brachte Dvořák – aufgrund der veränderten Konjunktur – sein viel später einsetzendes Interesse für den Maler Ruhm und Ehre. Beide galten als Vertreter einer geisteswissenschaftlichen Kunstgeschichte, wobei Unterschiede in Konzeption und Entwicklung noch einer eingehenden Untersuchung bedürfen. Es sind dies nur einige Bereiche, in denen die beiden intensiven Austausch miteinander pflegten. Das Verhältnis HTs zu Dvořák war von großer Dankbarkeit und Loyalität geprägt. Ohne Dvořák hätte er infolge des herrschenden Antisemitismus in Wien kaum etwas erreichen können, de facto bestand jedoch auch niemals eine Chance, aus Dvořáks Schatten zu treten (zur intellektuellen Biografie Max Dvořáks siehe Aurenhammer 2012).



Im Rahmen der von der GFMK im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie (kurz  : Österreichisches Museum) abgehaltenen Vortragsserie sprach HT zu „Strömungen der Kunst der Gegenwart“.

„Fixlein“ war ETCs Spitzname für ihren Schwager Felix Tietze, den jüngeren Bruder HTs  ; siehe dazu Jean Paul, Leben des Quintus Fixlein, erschienen 1796. 136 Der dem Schaffen des Komponisten Josef Matthias Hauer gewidmete Abend „Atonale Musik“ fand im kleinen Saal des Wiener Konzerthauses statt. Veranstalter war die GFMK. 137 Wortspiel um den Titel von Franz Grillparzers Drama „König Ottokars Glück und Ende“ (1825) sowie die Vornamen von Adolf Seitz und mehrerer schwedischer Könige. 138 Balthasar Permoser, Die Apotheose des Prinz Eugen, 1718–1721, Marmorskulptur, Öster­reichische Galerie Belvedere, Wien.

Der Maler Wilhelm Legler, ein Schüler Carl Molls, war in erster Ehe mit Alma Mahlers jüngerer Schwester Margarethe „Grete“ Schindler (1880–1942) verheiratet.



Ida Conrat besaß noch aus der Zeit, als ihr Haus Treffpunkt zahlreicher Musiker gewesen war, Autografen und Originalpartituren, die ihr zum Geschenk gemacht worden waren.

139 Eine geeignete Nutzung für das noch im kaiserlichen Auftrag begonnene und erst in den 1930er-Jahren fertiggestellte Monumentalgebäude der Neuen Hofburg zu finden, war keine leichte Aufgabe. Zwar litten die Kunstsammlungen an Raumnot, die unfertigen repräsentativen Räumlichkeiten waren jedoch nur schwer für museale Zwecke zu adaptieren. Eine der Varianten, die offenbar in Betracht gezogen wurde, war die Aufstellung des monumentalen Grabmonuments des „Heroon von Gjölbaschi“ (das antike Trysa) ähnlich 178

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dem Pergamonaltar in Berlin. Das fast vollständig erhaltene Gebäude war 1882 von einem österreichischen Komitee, dem auch Emanuel Löwy (TB 1924, 6.2.) angehört hatte, nach Wien verbracht worden. Das Vorhaben wurde nicht realisiert, und das riesige Grabmonument lagert bis heute im Depot des Kunsthistorischen Museums (Inv. Nr.: D 139–149) (siehe dazu Szemethy 2005).

Die mehr als 900 ehemals kaiserlichen Tapisserien waren in der ersten Nachkriegszeit umkämpft wie kaum ein anderes Kunstgut. 1919 wurden sie von der Regierung als Pfand für dringend benötigte Kredite in Erwägung gezogen. Um dies zu verhindern und sie durch Popularisierung zum kulturellen Gemeingut werden zu lassen, wurden sie 1921 in der Österreichischen Galerie eindrucksvoll der Öffentlichkeit präsentiert. Schließlich verschwanden sie großteils für immer in den Magazinen.



Heute befinden sich in der Neuen Burg die Benutzersäle der Nationalbibliothek, das Archiv sowie drei Sammlungen des Kunsthistorischen Museums (Hof-, Jagd- und Rüstkammer, die Sammlung alter Musikinstrumente und das Ephesos-Museum).



Mit „Ermersmuseum“ ist vermutlich das „Museum für Siedlung und Städtebau“ (auch „Museum für Haus- und Stadtplanung“) gemeint, zu dessen Verwirklichung es jedoch nicht kam (Weibel 1976a). Als Siedlungsreferent richtete Max Ermers für die Stadt Wien das „Siedlungsamt“ ein, das ihm bis zu seinem Rücktritt 1923 unterstand. In dieser Funktion regte er den Bau zahlreicher Siedlungen auf Wiener Gemeindegebiet an und bemühte sich publizistisch um die Verbreitung des Siedlungsgedankens (Hall 1985, 161  ; Rásky 1929). 1924 war der Nationalökonom Otto Neurath wesentlich an der Errichtung des Österreichischen Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseums beteiligt, dessen erster Direktor er auch wurde.



Auch von sozialdemokratischer Seite gab es in dieser Zeit Pläne für ein „Volkshaus der Kunst“, „which was to incorporate a large theater-in-the-round, a smaller auditorium for concerts, lecture rooms, exhibition displays and a cinema“ (Timms 2006, 57). Zu einer Verwirklichung des sozialdemokratischen Projekts, mit dem die Vereinshaus-Pläne der GFMK vielleicht in Zusammenhang standen, ist es aus Mangel an finanziellen Mitteln nicht gekommen.

140 „Die Entwicklung der Siedlungs-, Wohnungs- und Baugilde Oesterreichs ist auf folgenden geschichtlichen Grundtatsachen begründet  : auf der umfassenden zentralistischen Organisation des Bauarbeiterverbandes, auf der durchaus proletarischen Artung der Siedler-, Kleingärtner- und Mieterbewegung Oesterreichs, auf der Geschlossenheit seiner Arbeiterpartei.“ So oder ähnlich mag die Rede Neuraths an jenem Abend geklungen haben (Neurath 1922, 35). 141 Die Dublettenverkäufe der Albertina fanden über verschiedene Antiquariate statt, u. a. über Gilhofer & Ranschburg, Artaria und Boerner in Leipzig (d. h. Nebehay). 142 Knut Hamsun, Pan, 1894.

Thaddäus Rittner, Wölfe in der Nacht, Komödie in drei Akten, Wien 1914. 179

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Manon Gropius, die damals siebenjährige Tochter von Alma Mahler und Walter Gropius.

143 Vermutlich handelte es sich um Helene Conrad-Billroth (  ?), Tochter des Chirurgen Theodor Billroth (1829–1894), und um ein Gemälde von Franz Krüger (eventuell Mädchenbildnis, Abb. 71, in  : Tietze 1927). 144 Hans Tietze, Alt-Wien in Wort und Bild vom Ausgang des Mittelalters bis zum Ende des XVIII. Jahrhunderts, Wien 1924  ; erschienen im Kunstverlag A. Schroll. 145 Fannina Halle war Anfang der 1920er-Jahre eine wichtige Vermittlerin zwischen Wien und den Avantgardekünstlern von Berlin und Moskau. Gebürtige Litauerin (damals Russisches Reich), studierte sie in Berlin, Zürich und Wien, wo sie 1914 bei den Professoren Max Dvořák und Josef Strzygowski promovierte. Sie war Spezialistin für alte wie neueste russische Kunst und gehörte dem Vorstand der GFMK an.

Franz Theodor Csokor, Die rote Straße, Drama, 1918. Csokor war ein wichtiger Vertreter des expressionistischen Dramas in Österreich.



Es handelte sich vermutlich um einen der beiden Brüder Wallerstein aus Prag  : Lothar (1882–1949) war Opernregisseur, Victor Kunsthändler. Beide pendelten zwischen Wien und Berlin (WStLA, Meldearchiv, MA 8, Meldeauskunft vom 8.10.2010  ; Kunsthandel der Moderne im deutschsprachigen Raum 1905–1937).



Bach – gemeint ist David Josef Bach (TB 1923, 21.8., 8.11.).

146 Chat Noir – Wiener Kleinkunstbühne, Wien 6, Mariahilfer Straße 105, eröffnet 1920. 147 Ehrlich stellte 1924 im Hagenbund aus, siehe TB 1924, 30.4. 148 Von der in Berlin im Eigenverlag herausgebrachten Zeitschrift „G. Material zur elementaren Gestaltung“ erschienen zwischen 1923 und 1926 nur wenige Nummern. Herausgeber war Hans Richter, zur Redaktion zählten u. a. Mies van der Rohe (1886–1969) und El Lissitzky (1890–1941). Die meisten Mitarbeiter waren in Berlin ansässig. Ein Beitrag von Alma Mahler kann nicht nachgewiesen werden (Hofacker 1986).

Irene Hellmann war Schwester des Staats- und Verwaltungsjuristen sowie mehrmaligen österreichischen Finanzministers Josef Redlich (Fellner/Corradini 2011).



Architekt Peter Behrens sprach im Rahmen der Vortragsreihe der GFMK zum Thema „Vom romantischen Zusammenklang der Künste“  ; das musikalische Rahmenprogramm kam vom Gottesmann-Quartett.



ETC besuchte die Generalprobe der „Moskauer Kunstspiele“ im Apollo-Theater in der Wiener Innenstadt (Riemergasse 11). Das bunt-skurrile russische Kabarett mit Tanz und Gesang war tatsächlich ein Ableger des berühmten „Blauen Vogels“. Das russisch-deutsche Theater „Blauer Vogel“ war das erfolgreichste unter den russischen Emigrantentheatern, berühmt für seine avantgardistischen Bühnenbilder und Kostüme. Aufführungen dieser Truppe hatten 1922 in Wien stattgefunden (Lesák 1993, 83).

149 Privatstunde über das Leben Rembrandts bei Familie Georg Halle. 180

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Als volksbildnerische Einrichtung hatte die Urania ein vorwiegend nichtakademisches Publikum, weshalb bei der Gestaltung der Vorträge auf „Allgemeinverständlichkeit“ zu achten war.

150 Roman „Saul“ – unveröffentlichtes Werk ETCs, im Nachlass nicht enthalten.

Tatsächlich war der expressionistische Dichter Hugo „Sonka“ Sonnenschein zu diesem Zeitpunkt bereits 34 Jahre alt, die Bezeichnung „Knabe“ scheint daher unpassend. Über Sonnenscheins familiäre Verhältnisse ist wenig bekannt. Gauß erwähnt einen Sohn, Weibel drei (Ivan, Ilja und Tomas) – von denen einer ohne Weiteres erwähnter „Knabe“ gewesen sein könnte. Die Dichter Lampl, „Sonka“ Sonnenschein, Ehrenstein und Werfel hatten 1919 gemeinsam mit dem Psychiater und Individualpsychologen Alfred Adler (TB 1923, 26.9., 20.12.) und dem Mediziner und Theatermann Jacob Moreno Levy (1889– 1974) den Genossenschaftsverlag gegründet, der laut Hall wohl „ungewöhnlichste[n] Neugründung der jungen Republik“. Beim Genossenschaftsverlag „konvergieren mehrere Strömungen der Zeit, wie Aktivismus und Expressionismus. Der Genossenschaftsverlag steht, bildlich gesprochen, inmitten eines reich verästelten Netzwerks“ (Hall 1985, 144  ; TB 1923, 7.7.). Der „kommunistische Anarchist“ Sonka, der die Gefängnisse aller Regime sowie das KZ Auschwitz über sich ergehen lassen musste, verstarb in einem kommunistischen Gefängnis. Seine Frau wurde in Auschwitz ermordet (Gauß 1984, 253  ; Weibel 1976c, 153).



Beide Brüder Hilda Lampls waren Architekten. Josef „Pepi“ Berger hatte mit Martin Ziegler (1896–  ?) und Otto Bauer (TB 1938/1, 27.1.) den „Bund österreichischer Architekten“ gegründet, in dem auch Arthur Berger, der sich später als Filmarchitekt einen Namen machen sollte, zeitweilig mitarbeitet. Die Architekten Berger unterstützen ihren Schwager Fritz Lampl mit Entwürfen für die Glaswerkstätte Bimini (zu den genannten Architekten siehe Az W, Architektenlexikon).

151 ETCs Vater, aber auch Teile der mütterlichen Familie stammten aus Breslau.

Die Modistin Kamilla Swoboda war Ehefrau des Kunsthistorikers Karl Maria Swoboda.

152 Bald nach Gründung der „Neuen Galerie“ durch Otto Nirenstein (Kallir) im Jahr 1923 fand die erste posthume Schiele-Ausstellung statt.

Hinweise zu erwähnter französisch-österreichischer Ausstellung in der Galerie Würthle (Flechtheim-Bondi) konnten nicht gefunden werden. Vermutlich kamen vor allem Künstler zur Ausstellung, die von Flechtheim vertreten und gehandelt wurden.



Tanagra-Theater  – eine um 1873 entwickelte Miniaturbühne, auf der über mehrfache Spiegelprojektion Schauspieler wirklich, aber um das 8- bis 10-Fache verkleinert (auf ca. 18–24 cm) agieren.



Friedrich Kiesler sprach im Rahmen der Vortragsreihe der GFMK zum Thema „Individualistischer Holzschnitt, Klischee und Wucher“.

153 „Nikolo“ – hl. Nikolaus  : nach Volksbrauch am 6. Dezember erscheinende, als Nikolaus verkleidete Person, die den Kindern kleine Geschenke bringt. 181

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Die Gegend um den Alpenpass Semmering und die Wiener Hausberge Schneeberg und Rax waren seit dem 19. Jahrhundert ein beliebtes Naherholungsgebiet des Wiener Bürgertums. „Der Wandel des Bauernweilers Küb bei Payerbach zur Sommerfrische wurde innerhalb weniger Jahre vollzogen. Ausgangspunkt für die Entwicklung war die Eisenbahn. […] Zwischen 1900 und 1910 entstanden zahlreiche Fremdenbetriebe. Wichtigster Unternehmer war dabei Ottilio Rella, Sohn eines Trientiner Bauunternehmers, der sukzessive eine Hotelkolonie errichten ließ  : Neben dem Ritterburgartigen ‚Kastell‘ gab es Dependancen in verschiedenen Preisklassen.“ (Kos 1992.)

154 Die Hauptrolle in ETCs Weihnachtsspiel hatte Sohn Stoffel als böser „Krampus“ (Teufel) im Kampf mit dem Jesuskind, das den vom Krampus am Nikolaustag (6. Dezember) mit Ruten verbreiteten Schrecken durch seine vergebende Güte wieder zunichtemacht. Die vier „Haderlumpen“ waren die Kinder ETCs, die Armbrustergasse die Wohnadresse der Familie.

Zu Frankl und Boeckl siehe Lachnit 1998, 211.



HT gehörte von nun an zu den Förderern des jungen Frankl (Tietze 1930a sowie Tietze 1929/30 [neu aufgelegt in Krapf-Weiler 2007b, 256–260]).



Max Eisler, Rembrandt als Landschafter, München 1918.

155 Rudolfinerhaus – Privatspital im Bezirk Döbling.

Max Dvořák, Schongauer und die niederländische Malerei, in  : Karl M. Swoboda/Johannes Wilde, Kunstgeschichte als Geistesgeschichte, München 1924, 151–189. „Aber auch wenn sich Dvořák erschlossenen Gebieten zuwendet, eröffnet er überraschende Blicke, rückt längst [B]ekanntes in ein neues Licht. Der Aufsatz über ‚Schongauer und die niederländische Malerei‘ [er]schließt zum ersten Mal die Bedeutung, die der deutsche Holzschnitt und Kupferstich des fünfzehnten Jahrhunderts für die allgemeine Geistesentwicklung besitzen.“ (Tietze 1924a.)

156 Vermutlich  : Herbert Boeckl, Gruppe am Waldrand, 1920, Leopold Museum, Wien (bzw. Sommerabend am Klopeiner See, 1923, Belvedere).

Dass die Albertina – wie das KHM – zur Präsentation ihrer Neuerwerbungen auf andere Ausstellungslokalitäten zurückgegriffen hat, macht den Versuch der Protagonisten der Museumsreform deutlich, ihre Vorhaben zu popularisieren.



Lyrikabend von Walter Eidlitz in der Albertina, Veranstalter war die GFMK.

157 Möglicherweise handelte es sich um die „Schönbrunner Erzieherschule“ (auch „Kinderfreundeschule Schönbrunn“), die von 1919–1924 bestand und im ehemals kaiserlichen Schloss Schönbrunn in Hietzing untergebracht war. Die Schule wurde hauptsächlich von Frauen besucht und besaß kein Öffentlichkeitsrecht. Der Individualpsychologe Alfred Adler gehörte ebenfalls dem Lehrkörper der Schule an (Weiss 2007). 158 Ehemalige Heller-„Zuckerlfabrik“ (Bonbonfabrik) im 10. Wiener Gemeindebezirk. 182

In der Nachkriegszeit gestaltete Ilse von Twardowski Entwürfe für die Porzellanfabrik „Allach“ bei München, wobei sie offenbar auch in der Geschäftsführung des Unterneh-

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mens tätig gewesen ist. Als ihr Ehemann eine Pension erhielt, normalisierten sich die finanziellen Bedingungen der Familie schließlich (Kahmann unveröff., 41).

Der Tannenbaum, Märchen von Hans Christian Andersen.



Carl Loewe (1796–1896), Die Uhr, Opus 123, 1852.



Wiener Buxbaum Quartett  – Formation um den Cellisten Friedrich Buxbaum (1869– 1948).

159 Vermutlich handelte es sich um einen Besuch beim Publizisten Franz Zweybrück.

Das gemeinsame Buch von ETC und Ehrlich wurde schließlich unter dem Titel „Abschied“ 1926 im Krystall-Verlag (Wien-Leipzig) herausgebracht (TB 1926, 27.3.).



Das „Michaeler-Durchhaus“ ist eine von einer imposanten Kuppel bekrönte Durchgangspassage (19. Jh.) der ehemaligen kaiserlichen Residenz (Hofburg) in der Wiener Innenstadt.

160 Höchstwahrscheinlich handelte es sich um die von Oskar Laske mit sieben Originallitho­ grafien illustrierte Ausgabe von Ferdinand Raimunds „Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär“ (Wien 1923).

Bartholomäus Stefferl, Pferde, Bleistift und Pastell, 1923. Das Bild wurde 1930 in der Ausstellung der Sammlung Tietze in der Österreichischen Galerie gezeigt.



Das Ölporträt von Vroni Tietze wurde in der Zeitschrift „Das Zelt“ abgedruckt (vgl. dazu TB 1924, 13.1.).



Wilhelm Worringer, Die Anfänge der Tafelmalerei, Leipzig 1924 (in Karl Schefflers und Curt Glasers Reihe „Deutsche Meister“)  ; Max J. Friedländer, Albrecht Altdorfer, Berlin 1923.



Es handelte sich um das Werkverzeichnis für die Gemälde Altdorfers. Ebenfalls 1923 war HTs Albrecht-Altdorfer-Monografie erschienen, gleichfalls in Schefflers und Glasers Reihe „Deutsche Meister“.

161 Tietze rezensiert in diesem Artikel die Edition des ersten Nachlassbandes von Aufsätzen Max Dvořáks durch Karl Maria Swoboda und Johannes Wilde (Tietze 1924a  ; Dvořák 1924a).

Zur behutsamen historischen Einführung in die „jüdische Problematik“ wurde den Kindern Annette von Droste-Hülshoffs Novelle „Die Judenbuche“, erschienen 1842, vorgelesen. Gedichte über das Moor von Droste-Hülshoff waren in der Gedichtesammlung von 1844 unter dem Abschnitt „Heidebilder“ erschienen.



Hans Tietze, Alt-Wien in Wort und Bild vom Ausgang des Mittelalters bis zum Ende des XVIII. Jahrhunderts, Wien 1924.



„Mit Berls in die Wiener Porzellanfabrik“ – Porzellanfabrik, siehe TB 1923, 28.12.

162 „Wiener Porzellanmanufaktur Augarten“, im 2. Wiener Gemeindebezirk, gegr. 1718, 183

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Schließung 1864, 1923 wiedereröffnet. Oskar Berl, dessen Frau und Tochter von ETC kunsthistorischen Privatunterricht erhielten, war u. a. Vizedirektor der Porzellanfabrik Augarten A.-G.

Auch ETCs Schwester, die Bildhauerin Ilse von Twardowski, war als Mitarbeiterin der Keramikfabrik Allach eine fachkundige Besucherin der neu eröffneten Porzellanmanufaktur.



Die Ausstellung zeitgenössischer deutscher Plastiker im Theseus-Tempel wurde von Hans Tietzes GFMK vermutlich in Kooperation mit der Galerie Flechtheim (Flechtheim/ Würthle siehe TB 1923, 24.7.) veranstaltet.



Expressionistischer Spielfilm – Raskolnikow, Deutschland 1922/23, Regie und ­Drehbuch  : Robert Wiene.



„Faustdrama (Schlaraffen)“, „Lustspiel à la Sommernachtstraum“ – ob diese Werke Fritz Lampls tatsächlich je erschienen sind, konnte nicht ausfindig gemacht werden.

163 „Kleiner Vogel Kolibri, führe mich nach Bimini“, lautet die Eröffnungsstrophe eines Versfragments von Heinrich Heine (1797–1856), nach der Fritz Lampl seine 1923 in Wien gegründete Werkstätte für Glasbläserei „Bimini“ benannte. Gemeinsam mit seinem Schwager, dem Architekten Josef Berger, entwarf Lampl die charakteristischen fantasievollen Tiere. Nach 1938 konnte Lampl den Betrieb im Londoner Exil weiterführen. Zur Glasbläserei Bimini siehe Neuwirth 1992. 164 Weder konnten Details über den erwähnten Kulturredakteur noch über ETCs Publikation zu Kokoschka eruiert werden.

Offenbar haben Tietzes in jenen Jahren der Hyperinflation den Großteil ihrer Ersparnisse verloren. Möglicherweise war einiges – etwa Tantiemen und Honorare – auch in Deutschland angelegt gewesen, wo sich die Lage besonders dramatisch zugespitzt hatte.

165 Dr. Nicola Moufang – 1921–1928 Direktor der Staatlichen Majolika-Manufaktur, Karlsruhe.

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Mönichkirchen – Gemeinde in Niederösterreich.

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3. Jänner 1924 Gestern hab ich einen guten Tag gehabt  ; erst schnell das Stück zu Mamas Geburtstag fertig gemacht, dann einen Dialog, der das verlorene Verlorene Paradies heißen sollte oder die Sehnsucht nach d. Apfel der Erkenntnis – geschrieben, muß es noch ein wenig durcharbeiten. Dem Hans vorgelesen, den es interessierte. Abends erst bei Mama der Baronin Oppenheim d. Wurstel* vorgemacht, dann Jüdin von Toledo mit Moissi und Orska. Dieser war für mich der ganz starke Eindruck einer Persönlichkeit. Vielleicht ohne den letzten göttlichen Funken der Intuition, ohne die letzte Naivität, die auch in die Rolle gehört. Aber eigentlich doch eine große Leistung. Ehrlich hat heute mein Bild zum Photographieren abgeholt und das Vronili gehängt. Draußen schneit es, ich war mit Vroni spazieren.1 4. Jänner Vroni zu Ilse in die Stadt gebracht, da sie das Köpfchen aus Plastilin nach ihr angefangen hat. Dann Kurs in d. Albertina, Rembrandtradierungen. Frau Flechtheim kennengelernt u. für Mittwoch eingeladen. Am Heimweg in der […], gotische Figurenausstellung, das rätselhafte Stück, Madonna mit Kind, das d. Museum angekauft hat, angeschaut. 13. oder Mi[tte] 15. Jh.? Deutsch oder italienisch  ? Beim letzten Familienmahl sprechen wir von Vitaminen, mit denen mich Stoffel u. Hans immer necken  : „Am vitaminhältigsten ist Käse“, (sagt Stoffel). „Aber niemand weiß, was Vitamin ist.“ Hans macht Spaß „Vielleicht sind d. Löcher d. Vitamin, wenn Käse am vitaminhältigsten ist.“ Anderl lacht  : „Mein Gott, wie vitaminhältig sind dann meine Strümpfe  !“ 6. Jänner Mamas Geburtstag. Gestern Kinder im Zirkus mit Heinz u. Therese, große Begeisterung, sie erzählen immerfort davon. Ich war bei Ehrlich, der aber nichts besonderes gearbeitet hat, d. h. gezeichnet – denn das angefangene Bild hab ich nicht gesehen. Nach der Stunde bei Frapparts hab ich Hans im Amt geholt u. wir fuhren zusammen heim. Alf war da, viel Spaß …2 Heut vormittag in der Stadt gratulieren. Das von mir verfaßte Stück  : „Wer sagt den Spruch  ?“ haben die Kinder mit großer Verve gespielt – nur Ivo am Schluß hat versagt. Ungeheuer viele Leute als Gratulanten erschienen. Nach einer Stunde zogen wir wieder heim. 8. Jänner Gestern den ganzen Tag Szenarium gearbeitet. Abends Taussigs, recht anstrengend und wenig amüsant. Heute Ausstellung Flechtheim. Frankl kennengelernt, viel über * Hanswurst

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sein Bild (Phantasie nach d. Wiener Rubenslandsch[aft]) gesprochen. Floch hat seinen ersten Probedruck zur Palästinamappe gebracht. Hans erzählte mir unlängst schon, daß Flechtheim auf ein Apperçu „die Wiener sind die Rheinländer des Ostens“ sehr stolz sei u. daß es im nächsten Querschnitt stehe. Ich lernte heut Eulenberg kennen, wieder ein Rheinländer. Als Flechtheim dazu kam ich  : „Ei, eine ganze rheinländ[ische] Kolonie.“ Prompt schnappt er mit seinem Apperçu ein. Ich darauf  : „Aha, sie drehen den Satz vom alten Kürnberger um  : ‚Die Rheinländer sind die Wiener des Westens.‘“ (Von mir glatt erfunden, natürlich.) Eulenberg sympathisch, groß, deutscher Reiseanzug ganz mit Mann gefüllt, intelligenter heiterer Kopf, ganz am Aug ein Monokel. –3 Nachmittag bei Roden 300 Zeichnungen von Schatz gesehen u. mehrere Bilder, die alle einen ungeheuren Fleiß des Künstlers u. ein liebenswürdiges Einleben des Käufers bedeuten. Auch andre Blätter. Viele leitete er ein  : „Aber das werden sie nicht erkennen, von wem das ist.“ Ich  :   ?  !  ? „Von Larssen – nicht wahr, das haben sie nicht geglaubt.“ Mein Gott, wie sollt ich auch  ?  ! Am Schluß hat er mir einen Band Gedichte von sich, illustr[iert] von Zimpel geschenkt. Ach ja. Durchgefroren um 6 zuhause. Hans hat sich schon früher [von] einer Sitzung gedrückt. Zuhause Christbaum mit Bobys Hilfe abgeräumt. Von Ilse und Ivo, ebenso Heinz Abschied genommen. Ilse ganz entzückt von Vroni, von der sie d. Köpferl noch nicht fertig hat.4 9.I. Garger war bei mir zu Besuch. Diese rein kunsthistorisch-theor[etische] Einstellung ist mir sonderbar. Gegen Abend das Ehepaar F[ränkel] vom Pimperltheater*. Zwei ganz verrückte Vögel, weiß Gott. Sie wollen à la Seipel einen Verein zur Fundierung ihres Theaterchens gründen. Ich wies sie an die Kunststelle, sie sollen organisierte […] billigere Karten nehmen, und an d. Ortsschulrat, Hans hilft ihnen durch Empfehlungen. Abends Bondy, Ehepaar Flechtheim, Kaschnitz – ermüdend, langweilig, zähe Gans – drei Orchydeen geschenkt bekommen.5 10.I.1924 Zufuß hinein, Urania, mit Direktor Jäger gesprochen  ; ich werde verständigt werden, wann der Klubsaal frei ist. Lampls haben abgesagt, dabei ein gläsernes Eulentier geschickt. Er hat Influenza. 13.I. Donnerstag abends hat sich Hans an Sauerkraut und Kletzenbrot** den Magen verdorben u. hungert seither procul negotiis. Freitag Führung in der Sezession Neuer* kleines Theater ** dunkles Früchtebrot

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Abb. 32  : Gerhart Frankl, Paraphrase auf P. P. Rubens „Landschaft im Gewittersturm“, 1924.

werbungen d. 19. Jhs. Es war furchtbar kalt. Die Noldes haben mir diesmal gar nicht mehr gefallen, ich hab sie aber mit Begeisterung gelobt, der Weiber wegen. Mittag bei Halles zum letztenmal in der alten Wohnung. Nachmittag bei Alma, wo eine Mrs Symons (Indianerin aus Kalifornien), Christian Society, mit ihrer Tochter, Verbindung von Botticelli u. Hodler, da waren. Dazu Anna mit Krenek, die diese Woche gegen aller Willen (auch gegen den der Braut anscheinend) heiraten. Mit Werfel, der sich schon wie ein machtloser geduldeter älterer Papa benimmt, gut gesprochen. Ehrlich hat die Abbildungen für „das Zelt“ mitgebracht und unnötiger Weise Blumen. Ganz charakteristisch eingekauft, trockene Kräuter für einen Kramperltee*. Als Groteske noch ein Arzt, Dr. Friedmann, mitten hinein. Gestern (Samstag) war ich in der Stadt bei der Eröffnung der Neuen Galerie, Nirenstein sehr erregt, weil Kolig den Kontrakt mit Flechtheim unterschrieben hat.6 * Gewürztee

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15.I. Ich bin so ohne innere Muße in dieser gottverfluchten Jahreszeit, in der man alleweil* unnatürlich kalt oder heiß hat, daß ich auch zu den täglichen Eintragungen wenig Lust habe. Gestern abends bei Steiners, mit Kaschnitz u. Grimschitz, furchtbar viel Witze gemacht. Kaschnitz erzählte vom Tischrücken, darauf Steiners, daß Frau Dvořak ein Medium kennen gelernt habe, das ihr immer den Geist ihres Gatten beschwöre. Sie hat ihn gefragt, ob ein Testament vorhanden, er hat es verneint. Er hat ihr auch gesagt, daß er mit ihr zufrieden sei. Heute mit den Halledamen Durchschnittskünstler (vläm[isch] 17. Jh.) im Kunsthistor[ischen] angesehen. Nachmittag tele­ph[o­niert] mit Floch, daß er ein tadelloses Podium in die Albertina am nächsten Morgen für mich führen wolle.7 Ich hatte ihm am Samstag, als er abends bei mir war, gesagt, daß ich gerne ein höheres Podium hätte, um auch von den letzten Reihen aus gesehen zu werden, weil die Leute nicht aufpassen, wenn sie nicht sehen (bez[iehungsweise] gesehen werden). Ich gehöre nämlich zu diesen Leuten. Hab’ mich beim Eidlitz in der letzten Bank nicht sehr brav aufgeführt … Die letzten Tage war ich viel mit den Kindern zusammen. 17.I. Gestern den ganzen Tag fast im Bett, „Stimme geschont“. Abends also mein dichterisches Debut. Zuerst „Hochzeit d. Tobias“ – die Leute, die vorn gesessen sind (bis gegen d. Mitte), waren „hingerissen“ – hinten hat man nichts verstanden. In d. Pause hat mir Hans gesagt, daß ich anders (lauter u. unmodulierter) lesen müsse  ; ich hab’s getan u. man war mit mir zufrieden. Gedichte  : Großstadt, die Last, Sommer in Wien, Straßenmusikant, Taschentuch, Mein Name – dann d. Legende. Ich habe für meine Gedichte eine Formel gefunden  : gereimter P. A. – d. h. ich gehöre in diese Linie hinein, als Historiker interessiert mich das natürlich. Besser noch weibl[icher] P. A. Dem Hans hat „die Last“ am besten gefallen. Ehrlich hat sich sehr gefürchtet gehabt vor den Gedichten, wie ich es ja auch immer sagte, daß ich sie nur im Zimmer lesen kann, wollte schon aus d. Saal hinausgehen – sagte mir aber, er hätte sie noch nie so plastisch empfunden. Nachher gleich nachhaus. Hans war lieb zu mir …8 Heute bei Floch im Atelier, ein halbes Dutzend sehr vorgeschrittener Bilder gesehen u. durchgesprochen. Schon viel Gutes, nirgends das letzte noch. 18.I.1924 Heut früh bin ich nach Breitenstein gereist. Fast immer allein im gut geheizten Coupé. Von Gloggnitz an Sonne, von Payerbach an blaßblauer Himmel. Wenig Schnee, so viel schon weg geschmolzen. Wirklich „die Gegend“ fängt erst hinter Küb * immer

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an. Ich bin am Fenster gestanden u. war sehr froh. Weniger beim Abstieg von der Station Breitenstein hinunter ins Offizierskurhaus, denn es war beängstigend glatt. Der Hausdiener, der mich mit der Rodel abholte, lud mich ein per Rodel einzufahren, ich traute mich aber nicht. Im Kurhaus begrüßte mich der Kommandant, Oberstleutnant Hönig, nahm mit mir in d. Kanzlei d. Protokoll auf und geleitete mich dann, da die Liesl nicht zu finden war, in mein Zimmer im 4. Stock. Die Tasche u. den Rucksack mußte ich mir alleine tragen. Ich sehe ja ein, daß es schwer für einen Oberstleutnant ist, Hôtelleiter zu werden, aber darum wird es nicht besser, wenn er einer Dame, noch dazu einer älteren Dame, das Gepäck nicht tragen hilft. Mein Zimmer gegen Norden u. gegen d. Eisenbahn, es ist momentan kein Südzimmer frei. Der Hausdiener bringt feuchtes Holz in mein Zimmer, das Feuer geht gleich aus. Ich schreibe bis ½ 7, trotz Kälte u. Verzweiflung, bring es nicht über mich zu läuten. Ich hab gut gearbeitet, davon bekomme ich den Mut zu läuten. Ein dickes Mädchen kommt, ich verehre ihr 10.000 K[ronen] Trinkgeld, davon bekomme ich noch mehr Mut – u. auf diese Weise ein neues Feuer. Ich war aber schon sehr verzweifelt, weiß Gott ja. Das Essen sagt mir wenig zu. Ich bin ja so furchtbar empfindlich u. hab zuhause doch immer die Möglichkeit auf meinen Magen zu schauen.9 19.I.1924 Ich glaube, ich bin schon lange Jahre nicht so unglücklich gewesen wie hier in diesem Breitenstein. In der Nacht endlich warm gehabt, da ich es gestern weder durch Trinkgelder noch durch Schimpfen zu einem geheizten Zimmer brachte. Bis gegen 4 gut geschlafen. Da kommt punkt vier der Kaminfeger u. natürlich geht der Rauchfang rechts direkt an meinem Zimmer vorbei. Dann gegen Morgen schlafe ich ein. Werde geweckt, da sich die gesamte Dorfjugend, laut zwitschernd unter meinem Fenster versammelt. Was ist los  ? Meine Neugier wird sofort befriedigt. Eine Sägemaschine tritt in Funktion, qualvoller Lärm, setzt nicht mehr aus bis 4 Uhr nachmittag. Ich steh auf und mache einen Spaziergang Richtung Orthof. Einen Kilometer weit hört man noch die Säge, dann wird es heilig still. Nach Tisch versuche ich es mit Ohropax mich etwas nachschlafen zu legen. Kaum schlafe ich ein, wird an meine Türe geklopft u. der Hausdiener mit dem Kaminfeger wollen meinen Ofen untersuchen. Er ist tadellos, aber mit nassem Holz kann niemand heizen. Ich fange zu schreiben an u. es geht sehr gut. Es wird finster u. das Licht, das um 10 Uhr abends abgedreht wird, ist noch nicht wieder eingeschaltet worden. Ich muß zwanzig Minuten auf das Licht warten. Inzwischen läute ich sieben mal, ohne daß jemand kommt. Ich will mir eine Kerze kaufen und heizen lassen. Der Hausdiener hat mir trockenes Holz zugesagt, und ist nicht gekommen. Endlich wird es Licht und ich schreibe in der Kälte bis ½ 8. Jetzt bin ich nach dem Nachtmahl, das ich zur Hälfte stehen lassen mußte, da es für mich zu schwer verdaulich war. Wenn ich aber morgen die Energie aufbringe, irgendwo – aber wo  ? – Holz zu kaufen. Sonst kann ich nicht länger bleiben. Und das alles des leidigen Geldes wegen. – 193

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Warum aber ist mein Humor flöten gegangen  ? – 20.I.1924 Heut ist es so glatt draußen, daß ich kaum bis zur Post hinauf gekommen bin, die Karte an Hans aufgeben. Die Straße ist furchtbar vereist. Ich habe darum schon um ½ 11 zu schreiben begonnen und siehe da, mir selbst zur großen Überraschung bin ich jetzt um ¾ 7 Uhr abends mit dem ganzen zweiten Kapitel zu Ende gekommen. Und ich dachte, daß ich erst morgen fertig werden würde. So nah kann ich es natürlich nicht beurteilen, ob nicht manche Stelle dadurch geschleudert ist. Ich muß ja doch eine Reinschrift machen, da werde ich es dann sehen. – Ich habe lange geschwankt, ob ich ein Liebesmotiv (für Saul) einschließen soll. Bin aber inzwischen noch davon abgekommen. Solange das Verhältnis zu den Kindern noch im Vordergrund steht, scheint es mir nicht am Platz zu sein. Jetzt muß ich mich auf das Stück umstellen. Da Ehrlich kommt, der doch mit diesen Menschen zu tun hat, wird mir das nicht schwer werden. Auch in diesem Sinne bin ich eigentlich sehr angenehm überrascht, schon heute mit dem Saul fertig zu sein. Ich wollte, ich wär zuhaus beim Hans oder hätte ihn hier u. könnt ihm den Saul vorlesen. Ich wollte ich wär bei ihm, zuhaus. – – – – – – 24.I.1924 Sonntag (20.) abends kam Ehrlich in Breitenstein an  ; ich habe ihn oben auf d. Bahnhof geholt, weil d. Hausdiener Urlaub hatte u. ich wußte, dass er viel Gepäck mitbrachte. Er bekam ein sonnseitiges Zimmer, man versprach ihm Feuer zu machen (was ebenfalls keinen Erfolg hatte) u. wir gingen zum Nachtmahl, das die andern schon beendet hatten. Er konnte sich sofort von der Trostlosigkeit der Umgebung überzeugen. Post […] spazieren in die kalte Nacht bis zum Viadukt Richtung Adlitzgraben. Um 10h im Bett u. finster. Am 21. vormittag (es war viel kälter geworden) hinauf zum Erholungsheim. Nachmittag endlich Feuer im Ofen (Ehrlich hat da Atelierübung), er hat mich gezeichnet  ; das elektr[ische] Licht versagte, ging ganz aus. Wir daraufhin spazieren (Die Holzschneidemaschine unter meinem Fenster  !) bis zum Nachtmahl. Während des Essens hatte ich einen Kollaps, wie zuletzt in Paris, aber schwächer. Übermüdung vom Nichtschlafen (Eisenbahn), zu konzentriertes Arbeiten, nicht zusagende Kost, – endlich das versagende Lichtgeflacker. Nach Tisch hat mich Ehrlich beim Licht zweier Kerzen wieder gezeichnet u. ich bin dabei wunderbar ruhig geworden. Wir waren ganz schweigsam u. die letzte (4.) Zeichnung, die er an diesem Abend von mir machte, ist wie ein […] Märchen des Schweigens geworden. Wie der Mond draußen in der Winterkälte. – Ich war ruhig geworden, der Künstler aber durch die Arbeit erregt u. wollte noch mit mir bißchen aufbleiben, ich wollte aber nach den schlaflosen Nächten die Stille ausnützen u. ging zu Bett. Am nächsten Morgen fuhren wir nach Payerbach, nachdem wir den Zug nach Mürzzu194

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Abb. 33  : Semmeringgebiet mit Adlitzgraben.

schlag, wohin Ehrlich lieber wollte, verfehlt haben (ich wollte nach Payerbach). Dort nahmen wir Quartier im Payerbacher Hof u. ich führte Ehrlich gleich nach Küb, wo ich am Weg eine „Landschaft“ für ihn wußte. Er bekam nicht weit davon in einem Haus die Erlaubnis arbeiten zu dürfen u. sagte sich für d. nächsten Tag um 11h an. Wir aßen spazierend Wurst- u. Käsesemmeln, dann in Payerbach Kaffee u. Eier im Glas u. gingen dann ins gut geheizte Zimmer, wo er wieder zwei Zeichnungen von mir (im Stuhl sitzend) machte. Die eine davon ganz ausgeführt. Er zeichnet mich jetzt immer mit den Händen …10 Dann hab ich ihm meinen Saul vorgelesen u. mich so darüber aufgeregt, (d. Gestaltungsakt liegt mir noch zu nah), daß ich wieder einen Kollaps bekam, aber dies195

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mal ganz anders. Meine Nerven rissen mich so herum, daß es fast wie ein Schüttelfrost war. Erst beim Nachmahl wurde ich ganz ruhig u. habe dann zum erstenmal etwas ausgiebiger geschlafen. Ehrlich war mit d. Zeichnungen nicht zufrieden  : immer ist d. Kopf u. d. Ausdruck gut, aber der Körper fehlt, weil er ihn nicht versteht. Im Kleid nicht versteht. Am nächsten Tag schneite es so stark, daß er nicht malen gehen konnte u. mich bat, doch erst am Nachmittag nach Wien zu fahren, er wollte auch versuchen, die Zeichnungen auszubessern. Ich machte ihm den Vorschlag, ihm zu einer Aktzeichnung zu sitzen. Er war sehr froh darüber, es sollte nur eine Arbeitszeichnung sein, die er dann zerreißen wollte. Mir war dieser Entschluß sonderbar leicht u. selbstverständlich, da ich die Kunst als eine heilige u. meinen Körper, der weiß Gott nicht mehr schön ist, als eine unerotische Angelegenheit ansehe. Wir gingen Vormittag spazieren, aßen dann im Hotel u. gingen an die Arbeit. Während er mir den Rücken kehrend am Ofen saß, öffnete ich mein Kleid und rutschte aus den Ärmeln meiner verschiedentlichen Trikots heraus. „Sind sie fertig  ?“  – „Schon lange.“ Dann aber geschah etwas Sonderbares. Ehrlich sagte, er wisse nicht, was in ihm vorgehe, er könne sich aber nicht entschließen mich anzusehen oder zu z­ eichnen. Wenn es für ihn nur eine Angelegenheit des ­S tiftes sei, so bedeute es für den Hans so viel mehr u. er würde dem Hans gegenüber eine Schuld auf sich laden, wenn er das nicht anerkenne. Er war stolz auf den Verzicht – umso mehr stolz, je größer er ihn einAbb. 34  : „Der Körper fehlt, weil er ihn nicht schätzte. „Ich stelle seit einiger Zeit den la vie pour versteht.“ – Georg Ehrlich, Erica Tietze-Conrat, l’art-Standpunkt zu hoch – daß ich heute so handeln Halbporträt im Hemd und mit offenen Haaren, konnte, zeigte mir, daß ich auf dem Weg der Besse1924. rung bin.“ – Ich bat ihn jene stille Märchenzeichnung, die er in Breitenstein von mir gemacht hatte, als sein unverkäufliches Eigentum zu behalten u. bat ihn, ihm eine Widmung darauf schreiben zu dürfen. Schrieb darauf  : „Dem Freund vom Hans – die tief dankbare Frau.“ Ehrlich dankte mir für die Widmung  : „Jetzt ist die Zeichnung noch einmal so schön.“ Dann zeichnete er mich noch einmal im Stuhl sitzend „ganz einfach“, was ihm nie gelungen war u. es gelang wunderbar rein und schlicht. Schließlich gingen wir spazieren u. auf d. Leihbibliothek, wo wir mit Mühe ein halbwegs einladendes Buch fanden, mit dem er sich den einsamen Abend zerstreuen könne. Zur Bahn hinauf und ich nachhaus. Ungeheiztes Coupé, Verspätung, halb 11 erst zuhaus. Hans bei Taussigs, von wo er um eins mit d. Auto des Vizebürgerm[eisters] Emmerling heim kam. Da erzählte ich ihm alles, was ich 196

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hier geschrieben habe. Heute bin ich, da ich ein großes Ruhebedürfnis habe, im Bett geblieben. Den ganzen Tag …11 Vormittag war die Vroni bei mir u. am Nachmittag der Anderl. Ich lese gelegentlich [ein] paar Zeilen von Balzac, meistens aber liege ich im Schlaf oder Halbschlaf, immer aber noch in Träumen. – Ich bin neugierig, wie sich Ehrlich oben zurechtfindet. Ich habe ihm Geld dortgelassen, aber es war mir nur wenig über geblieben – er hatte sich keines aus Wien mitgenommen u. erst durch einen Brief, den ich gestern hier aufgab, eines nachbestellt. Wer weiß, wann es kommt. 27.I.1924 Freitag vormittag (25.) mit einigem Genuß in der Akademie gewesen. Bei Alma, die uns für den 4. abends eingeladen hat. Den ganzen Nachmittag in ganz zarter, gebrechlicher Stimmung. Abends mit der Endzeile eines Gedichtes gespielt. Samstag hat Ehrlich angerufen  ; er ist wieder zurück, hat nichts gemalt, aber geschaut und Bewußtsein umgestellt  ; darum war der Ausflug doch gut für ihn gewesen. Ich bin erst nach Tisch in die Stadt und habe in der Elektrischen geschrieben  : In frühe Dämmer war Der Raum Verhangen – Die Frauen Heben ihre grauen Schleier Und tauchen In den Traum – Und Seufzer hauchen In versunknen Ecken Und wecken Hilfloses Blut in fahle Wangen – Und auf den warmen Polstern atmet noch das Haar Zu nacht Befangen – Seerosen auf dem Weiher – – – Da – leise – an die Schale Pocht das Wunder das erwacht Aus Licht – Die scheuen Hände decken’s zu 197

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Und halten’s nicht – Und eine Stimme küßt das erste Du. Erst bei Ehrlich, die Radierung Vronis für Hans’ Amtszimmer abgeholt. Dort Rapaport gesprochen, der mir von einer Besprechung meiner Vorlesung in d. Arbeiterzeitung Mitteilung machte. Dann die Blätter angesehen, die Hans und Rathe für die Gesellschaft gewählt hatten. Darunter ein wundervoller Halbakt eines Mädchens. Da diese in persona aber anwesend war (mit einem Freund) u. wieder gezeichnet werden sollte, ging ich gleich wieder weg. – In einer Stimmung impetuoser Verzweiflung zu Tante Emma Tee trinken gegangen  ! Nach zweijähriger, nein, vierjähriger Pause alles unverändert. Christel treibt noch immer Klavier d. h. Kammermusik  ; Christel geht noch immer zeichnen  ; sie ist schon über 34 Jahre alt. Tante Emma hält Lichtbildervorträge über Wiener Musikertypen z. B. über Beethoven, aber nur zuhause. Sie prophezeit mir eine Vorlesung der Frau v. Winter „Memoiren aus einem Wiener Bürgerhause“. –12 Hans abgeholt u. sein neues Zimmer besichtigt. Er hat sich mit der Vroniradierung gefreut … Hans hat ein Gespräch mit Prüger gehabt, der aus Intrigue (gegen Petrin) plötzlich sachlichen Gründen zugänglich wird. Wieder elend geschlafen. Um 5h früh das Fenster aufgemacht, sogar bei uns im Schlafzimmer  !13 28.I. Gestern waren Steiners da  ; Einladung zu ihrem Kostümfest  : Hagenbeckgalavorstellung – am 23. Febr[uar] (Hans hat nicht viel Lust zu gehen u. ich eigentlich auch nicht.) Nachher Kiesler, der gerade von Berlin zurück gekehrt ist, u. von seiner Inszenierung für die Truppe (Viertel), King Jones, erzählte, die ihm durch die Unzulänglichkeit der Ausführung seiner Ideen vollständig mißglückt ist. Mein Manuskript vom „Todessprung“ hat er bei S. Fischer, wo niemand davon gewußt hatte, herausgeholt und via Bergner Granach geben lassen. –14 Mit Ehrlich teleph[oniert], der sein Atelier im Lauf dieser oder der nächsten Woche endgültig verliert u. darüber sehr unglücklich ist. Heute vormittag war ich lange in der Gatterburggasse am Steueramt. Der Weg hin (Umweg) durch den frühlinghaften Schneesturm hat mich heiter und leicht gemacht. Freudige Kampfstimmung. 30.I.1924 Mein Tagebuch ist fast schon das Buch, in das ich nichts vom Tage schreibe. Das macht aber nichts. In meine Elektrische stieg gestern Ehrlich und setzte sich, ohne daß ich es merkte (ich las) und ohne daß er es merkte, neben mich. Er hatte mich vergeblich zuhause antelephoniert. Am Tag vorher hatte in seinem großen Atelierraum, während er sich im kleinen nach dem Malen ausruhte, das Holz um den Ofen 198

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Abb. 35  : Georg Ehrlich, Narren II, Radierung, 1923.

herum Feuer gefangen u. er hat eine furchtbare Aufregung durchgemacht. Feuerwehr alarmiert, alles gelöscht gewesen, wie sie kamen. Hausmeisterin (!) o diese Bestie, oben auf geschwommen, mit ihr alle tratschenden aufbauschenden Elemente des Hauses. Alles klagte, was hätte geschehen können, ging aus und ein, schimpfte, während er das Wasser auf dem Boden zu trocknen suchte. Bis auf einen Tapeten- u. einen kleinen Fußbodenschaden nichts passiert. Er sofort zum Ausziehen entschlossen. Gestern war der Umzug, bei dem ich ihm zur Seite stand. Zeichnungen ausgemistet, ich habe vielleicht 50 zerrissen, die anderen in gute und weniger gute geschieden. Eine große Tuschpinselzeichnung, Studie zur Radierung „Narren II“ hab ich mir mitgenommen. Dann alles verpackt, hinuntergetragen auf einen Handwagen, den 199

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ein junger Diener von der Akademie zog. Wenn’s aufwärts ging, schoben wir hinten mit. Die ganze Habe z[um] T[eil] unter das schützende Sofa geschoben (das einzige Möbel), z[um] T[eil] oben drauf, mit einem Zeltblatt verschnürt, wie eine armselige „Leich“, den Kai hinauf zur Franzjosefsbahn – Atelier von Floch, der ihm eines seiner zwei Zimmer einräumte. Abends war Ehrlich bei uns u. brachte die Zeichnungen von mir mit. Ich war ganz schwergesogen mit Traurigkeit – und müde. Hans hat eine Aufforderung von van Harpen bekommen, zusammen mit einer Probenummer, einen Artikel über eine Wiener moderne Malerei für eine neue Kunstzeitschrift zu schreiben. Ich hab es gestern und heute erledigt.15 31.I. Gestern war ich nachmittags stadtwärts, Besuche machen. Auch bei Tante Anna. Der Mann zittert fast so arg wie Samuel. Abends Kaschnitz, der mit uns bei Steiners Fest (23.), Hagenbeckvorstellung, eine Gruppe bilden will. Ich schlug vor, er soll mit Hans die siamesischen Zwillinge bilden und ich bin ihre Gemahlin, die sie dressiert hat. Sie marschierten im Zimmer herum, nachdem wir ihnen die Beine zusammen gebunden hatten. Hans war sehr verärgert und schläfrig (erste Hofintriguen, Lanckoronski gegen Tausch) – hat aber trotzdem viel gelacht. – Mein verblichener Zahnarzt Schenk rief mich teleph[onisch] an, ob er nicht eine Karte von mir zu dem Urania Vortrag haben könne, alles sei ausverkauft. Ich kann ihm nicht helfen.16 1.II.1924 Schon ganz (bei uns) verschuldet treten wir in den Februar ein  ; als Begrüßung die Telephon- und Religionrechnung, die zusammen etwa eine halbe Million ausmachen. Wir kommen halt nie auf einen grünen Zweig und eine in Aussicht gestellte Gehaltserhöhung wird daran nichts ändern. Gestern habe ich am Nachmittag die Stunden bei Halle u. Frappart gehalten. Mit Kiesler über Döblin gesprochen, der also doch meine Dramen gelesen hat  : Er habe sie als sehr interessante dramatische Leistung begrüßt, möchte aber für seine Person die Einschränkung dazu setzen, daß ihm der historische Hintergrund nicht zusage. –17 Zwischen beiden Stunden war ich furchtbar erschöpft, beim Hans im Bureau. Abends wieder frisch. Meinen Tobias hab ich durch die Kinder dem Ehrlich in die Wohnung geschickt, ich weiß nicht, für wen er ihn haben wollte. 3.II.1924 Mama hat seit Donnerstag eine Entzündung im Anschluß an einen Gallensteinanfall. Kobler hat sich in Verbindung mit uns gesetzt u. auch Felix, der sie untersucht hat. Anscheinend eine „gutartige“, d. h. nicht eitrige Entzündung, nur auf die mechanische Erregung infolge des letzten Steinchens zurückzuführen. Kiesler war gestern vormittag da, um das spezialisierte Programm, das der Stadt mitgeteilt werden soll, 200

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mit Hans durchzusprechen. Er hat dreißig „unbedingt wichtige“ Autoren zusammengestellt. Wenn ich zurückdenke, im Herbst war das Gespräch erst zwischen dem Ehepaar Kiesler und mir, paar Tage später mit der Frau und mir. Damals war es für ihn feststehende Sache, daß auch von mir ein Stück aufgeführt werden sollte. Ich habe beiden, dann auch der Frau gegenüber immer wieder meine Zweifel ausgesprochen  : Sie werden sehen, wenn es einmal wirklich dazu kommt, so wird meine Sache fallen gelassen werden. – Wie nun gestern das wirklich geschehen ist, hat mich die Selbstverständlichkeit, mit der es geschehen ist, tief verletzt. Dabei alle Hände gebunden.18 4.II. Gestern vormittag bei Mama, wo sich Kobler und Felix, die Großauguren medizinischer Wissenschaft, trafen. Die Szene hatte viel Komik, die Mama mit Abb. 36  : Der Komponist Josef Matthias Hauer. mir auskostete. Der Entzündungsprozeß ist im Abflauen. Die Frage der Operation, wenn die Entzündung vorüber, tritt in den Vordergrund. Ob sich Mama entschließen kann  ?  ! Nachmittag mit Hans das Programm für Kirstein eingerichtet. Einen von Lampl geliehenen Roman von Stößl (Sonnenmelodie), eine Nacherzählung der Lebensgeschichte Hauers, mit großen Widerständen und Langeweile, durchgeflogen. Mit Genuß dafür ein paar Mythen und Märchen aus (Frobenius) Atlantis. Wie da wohl die Zusammenhänge zwischen den ganz identischen Motiven dieser Berber mit unseren Sagen bestehen  ?  ! Eine Geschichte  : „das Grauen“ der aufregendste Traum, den es gibt …19 Heute meinen Vortrag f. d. 18. gearbeitet. Diesen Eisler soll der Teufel holen, was man auch drinnen sucht, man versinkt im Wischiwaschi.20 5.II.1924 Gestern nachmittag bei Ehrlich im Floch’schen Atelier, die Bilder angeschaut, die ich noch nicht gekannt hab  ! Das Selbstportrait (noch unfertig), die Augen schauen hinein u. doch hinaus (Rembrandt), der Mund noch unpsychologisch, nur in der Form (brutal), vorn die Palette ganz rot. („Die hab ich am Tag gemalt, bevor das Feuer ausgebrochen ist. Noch nie hab ich so ein Rot gemalt – u. am nächsten Tag hat’s gebrannt.“) Mir hat das Bild, (es gewinnt bei längerer Betrachtung sehr) einen starken Eindruck gemacht. Viel mehr aber „die Landschaft“ von der Brücke in Reichenhall  ; gleich bei unserem Gasthaus, den Fluß hinauf. Es ist alles drinnen mit ökonomischs201

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ten Mitteln. Ganz psychologisch gemalt, nicht mit der Palette errechnet. Winterkälte, Boden knirscht, Himmel jauchzt ganz unbekümmert, daß alles friert, vereistes Wasser … Man spürt das Bild überall u. merkt erst zuletzt, daß man es durch die Augen allein spürt. Ich habe Ehrlich gebeten, daß er uns das Bild, während er in Berlin ist (er reist Freitag) in Pension läßt … Dann bei Mama – und abends bei Alma. Sehr lieb und warm, trotzdem Kieslers da waren, über die ich ganz hinwegsehen konnte. Hans hat mit Alma Bruderschaft getrunken. Ich bat  : „ohne Kuß“ – das geschah, aber ich wurde viel ausgelacht. Wir haben über Stößls Buch Sonnenmelodie gesprochen u. Werfel sagte  : „Ich mag diese Judenstifter überhaupt nicht.“ Ich finde diese Charakterisierung schlagend. 6.II. Mein Entschluß, Alma in diesen Tagen aufzusuchen und ihr meine literarischen Enttäuschungen zu erzählen (u. a. Kiesler), hab ich gleich am nächsten Morgen aufgegeben u. ihr einen Brief geschrieben, daß ich’s nicht tun will. Hab am Vormittag nach langen Hemmungen eine Seite „Saul“ geschrieben. Nachmittag erst Garger eingeladen, dann bei Frau Dvorak zum Tee, der aber noch nicht begonnen hatte, ja die Dame des Hauses war noch nicht einmal dazu angezogen (bez[iehungsweise] ausgezogen). Inzwischen aber machte ich einen Besuch bei Frau Dr. Kurth oben, wo mir die Tochter ihre Erstes-Semesterschmerzen erzählte …21 Inzwischen hatte es sich unten etwas aufgefüllt, von den meisten Anwesenden verstand ich die Namen nicht, nur Frau Merkel (hélas  !) und der Dichter (Eisler) Terramare (helasser) wurden mir bewußt. Als stilles Gegenüber der Schottendirektor Hübl und der alte Professor Löwy. Der Terramare ist natürlich ein Dutzfreund vom Hübl (umgekehrt weniger natürlich) und jüdelt wie ein richtiger Wiener Aristokrat. Er ist haltlos und frech. –22 Abends Vortrag von Hanak „Das plastische Bild der Stadt“ im Österr[eichischen] Museum, so voll, d. h. übervoll, daß wir (eine ganze Gruppe unbedachter Zuspätkömmlinge (unbezahlte) Ledersessel in die erste Reihe bekamen. Lustig, anregend, – ermüdend, weil zu lang  ; immer wieder eine beschränkte Persönlichkeit, die aber die Schranken mit dem voll u. hemmungslos eingesetzten Temperament den Rand nahezu sprengend ausgefüllt. Vieles ganz verrückt, sodaß man nicht einmal weiß, ob es vielleicht von ihm selbst nur ironisch gemeint ist. Unter den Utopien aber eine die mir gut gefallen hat  : der Totenturm Aschenurnen gesammelt (mit Grabschriften aufgeschichtetes Mauerwerk, jeder widmet den Hinterbliebenen einen Stein, diese werden übereinander zum Turm, den man innen und außen besteigen kann.) Nachts Sturm, unsern Dachfirst mit viel Ziegeln hat’s fortgerissen, heut kommt der Dachdecker. Die elektr[ische] und die Gasrechn[ung] hab’ ich auch bezahlt. Lia Rosen, die mit Frau Dr. Halle wegen des russischen Vortragsabends reden sollte u. sich aber (telephon[isch]) mit ihr schon zerkrachte, hat sich jetzt mit Hans in dieser Angele202

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genheit ein Rendez-vous bei Würthle gegeben. Ich bin müde von der letzten – von den letzten – gestörten Nächten und muß heute Nachmittag zwei Stunden halten.23 8.II. Gestern gearbeitet (Saul), ein paar Seiten mit großer Mühe, aber dennoch. Gegen Abend kam Philippi der einen ganz niedergedrückten Eindruck machte. In der ersten Minute, schon als er sich niedersetzte, rückte er mit seinem Jammer und seiner Bitte um Hilfe heraus. Damit er nicht wieder wie das letztemal (als ich nicht zuhause war) weggehen würde, ohne gesprochen zu haben, weil er sich nicht das Herz fassen konnte. Es war furchtbar. Und ich habe doch nur die Liebe und den Mut, wo ich wirklich auch das Vertrauen zur Kunst habe. Mein Gott, sollen die andern Leute umsatteln – oder verhungern  ?  ? – Hans ist auch schrecklich verstimmt. Seine demütigende Stellung im Ministerium mit immer noch einem Chef, der drein spricht und nichts versteht. Es war ein Glück, daß Kaschnitz ihn bißchen harmlos zerstreut hat. – Gestern abends noch diagnostizierte ich bei mir einen „Bruch“. Heute früh war ich beim Wendel, der die Diagnose als falsch erkannte, es handelt sich um eine Nahteiterung, wahrscheinlich stößt sich ein nichtabsorbierter Seidenfaden los, und die Geschichte wird aufbrechen u. verbunden werden, wieder zuheilen. Eventuell muß man durch einen Schnitt dem Prozeß nachhelfen, wenn es mich belästigen sollte. Ich war schon sehr operationsbeunruhigt, aber so – kann ich die Sorge wieder abschütteln.24 10.II. Vorgestern abends war ich mit Ehrlich, Floch, Ehepaar Halle in der Vorlesung Lasker-Schüler. Leerer Saal, viel Applaus. Stärkster menschlicher Eindruck, vor allem die hebräischen Balladen. Nie werde ich solche Kunst erreichen und nie will ich sie erreichen – aber ich habe doch großen Katzenjammer gehabt. Und in d. Nacht schwere Zwölffingerdarmschmerzen. Den ganzen Vormittag daraufhin im Bett, den ganzen Tag Diät. Nach Tisch Albertina Tre- u. Quattrocentozeichnungen (am Tag vorher französ[ische] 19. Jh.) bei Stix angeschaut, die Neuerwerbungen der letzten Monate. Nach der Stunde dann Ehrlich adieu gesagt und gleich nachhause ins Bett (ohne das geplante Kino). Hans gestern früh nach Gmunden auf 3 Tage gereist.25 12.II.1924 Gestern war ich durch weitere reduzierte Nahrungsaufnahme noch immer schlecht in geistiger Form. Nachmittag kamen die Salvendy u. Zirner und es war nicht amüsanter. Erzählten von Feigl u. Nowak (der erzählt, daß er sich geirrt hat und seinen Namen mit g am Ende schreibt  ; der farbige Lithos „für Amerika“ macht), Lia Rosen, die so amüsant unanständige Geschichten erzählt etc. etc. Abends kam unerwar203

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tet früh Hans zurück. Mit gutem Erfolg  ; sein weit über den Vorschlag des Herzogs hinausgehender Gegenvorschlag wurde glatt angenommen. Am ersten Tag hat die Sitzung bis ½ 1 in der Nacht gedauert und Hans war in d. Früh um 4 schon ausgeschlafen u. hat den Gegenvorschlag aufgesetzt. (Also die „Erholung“ hat nicht sehr viel bedeutet. Am Abend ist er dann nach Ischl gefahren, aber von dort am nächsten Tag, da es gestöbert* hat, um 11 schon wieder fort. Wenn er in Hütteldorf richtigen Anschluß gehabt hätte, wäre er noch früher zuhause gewesen. Nachts wieder nur gestört geschlafen, da Hans eine kleine Indigestion mitgebracht hat. Vom Castiglioni hat ein Auto gestern spätabends noch den ersten Band (Bronzen) gebracht. Mein Gott, eine weitere Pierpont Morganpublikation  ! Ist das nicht schade um das viele Geld  ! Ich mache daraus eine Notiz f. die Allgemeine Zeitung.26 13.II. Gestern „phantastische Ausstellung“ im Kristallverlag (Pritzl), dann Sezession (mit meiner neuen Preßkarte) Hammer u. Leop[old] Bauer (trostlos), nach d. Essen Würthle, den weggeräumten Kassák u. die noch hängenden Löw, Groß u. Gottlieb oben alles sehr gleichgültig, aber doch nett das freie Herumspazieren durch die Stadt mit Galloschen u. der Chokolade. Der Alma Mahler außerordentlich interessanten Brief an Rulli gebracht, langes Gespräch. Geschimpf über die Bergner, sie kennt sie doch nicht, also doch nur Redereien. Ich sehe die Menschen lieber durch die Liebe anderer hindurch an, dann ist man immer gerechter …27 Ich soll der Alma meine Gedichte geben, sie will, Abb. 37  : Richard „Rulli“ Horn. wenn Szolnay nach Wien kommt (er ist in Montecarlo), ihm das Manuskript geben. –28 Ja richtig  : unlängst erzählte die Salvendy, daß Feigl wieder in Wien ist. Ich gebe ihr einen Auftrag für ihn. Ja, sie muß ihn ohnedies sprechen  ; Merkel ist nämlich zu ihr hinaufgekommen  ; sie soll dem Feigl ins Gewissen reden, daß er den Stand d. Maler degradiere, da er zu Sammlern in die Häuser geht, seine Blätter anbieten. Das mag ja in Berlin üblich sein, hier aber nicht. Hofrat Tietze habe Feigl d. Adresse von Steinitz gegeben u. Feigl wäre mit seinen Sachen dort gewesen, so etwas ginge doch nicht an. Ich  : Sie werden doch wegen so etwas dem armen Feigl keine unangenehme Stunde bereiten. – Zirner macht Salvendy aufmerksam, daß Merkel sie auf diese Benehmigung Feigls in tiefstem Vertrauen aufmerksam gemacht habe. * Schneegestöber

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Ich aber – der Wiener Vasari – muß dort diese für Wiener Künstler charakteristische Anekdote aufzeichnen. Und heute war Feigl beim Hans u. zeigt ihm die aus Italien mitgebrachten Aquarelle. Da klopft es, die Türe öffnet sich, herein kommt Merkel. Hans hat ein Mordsgaudium und Feigl ist doch etwas betreten. Heute kam ein vor lauter Affektation nicht einmal mehr orthographischer Brief von Rilke, der für den angeschafften Grabstein dankt und zwei Gedichtebücher mit Widmungen. Ich hab ein Virgilisch-Shakespearesches Idillion für Hansens Geburtstag gedichtet. Burgel und Vroni sind elfische Schäferinnen, Stoffel ein Waldmensch und Anderl der Dichter, der das Carmen für Titius dichten soll.29 15.II. Am 13. abends war Garger da, dem jetzt alles, auch der letzte Ruhm entwöhnt worden ist. Seither ist er so verzweifelt langweilig, daß es kaum auszuhalten ist. Gestern hab ich für Hans Visitkarten bestellt (zum Geburtstag) und dann bei Halles in der Wohnung zum ersten Mal Stunde gehalten. Auch (mit gutem Erfolg, hoffe ich) ihm d. Anbringung von Kupferstichen aus d. 18. Jh. an den Wänden abgeraten. Dann bei Floch Ehrlichs Landschaft abgeholt u. sie heut vormittag im Schlafzimmer (provisorisch) aufgehängt. (Hans hat sie noch nicht angeschaut). Am Abend war Kaschnitz da u. d. siamesischen Zwillinge „Doppelwadler“ wurden geprobt. Wie er fort war, haben Hans u. ich als letzten Hoffnungsschimmer erwogen, daß eins von uns dreien krank wird. In dieser Stimmung schauen wir dem Fest entgegen u. da muß Hans sogar noch das Entréecouplet machen  ! Und er ist immer so furchtbar angespannt von der vielen Arbeit, die über ihm zusammenschlägt. Ich bin auch noch nicht frisch beieinander von der Diätleberei seit fast einer Woche schon …30 Heut hab ich ein wenig für meine dichterische u. viel für meine näher liegende kunsthistor[ische] Vorlesung gearbeitet. 17.II.1924 Gestern sehr tätig. Vormittag Eröffnung d. russischen Ausstellung (Neue Galerie), wieder keine Bilder, nur Graphik. Eindruckslos. Publikum geteilt, Dolbin, Stemmer, Kiesler – ganz oben, die andern mehr abasso. Gespräch mit Rothberger wegen Ehrlichatelier vergeblich, nach der Stunde (Frappart) bei Ringelnatz (Würthle) mit diesen zusammen, sehr viel Spaß mit diesem Kabarettier gehabt  ; von allernächster Nähe zugeschaut, wie er sauft und deklamiert. Das meiste witzige Schweinereien, eines aber (Revolution) ganz aus dem Herzen. Publikum sehr mitgegangen, Schauspieler, Presse u. lauter Leute, die ich nicht kenne. Nachher Hans abgeholt und nachhause. –31 Heute erst Kollaps von Fannina am Telephon (das Übliche), den wir durch einen Besuch heut abends begütigt haben. Sie ist sehr herunter von d. Anstrengungen der letzten Tage u. vor ihrem Vortrag (Dienstag). Am Nachmittag Stoffelfest u. „unser aller Schwiegermutter“ überraschender Weise nicht mitgekommen. Die Buben haben 205

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in herrlicher Kostümierung Stoffels Catilina sehr lustig aufgeführt. Wir haben bis zu Tränen gelacht.32 19.II. Gestern hab ich unter großer Akklamation vor ausverkauftem Haus meinen Vortrag über die 3 Delfter Maler in d. Urania abgewickelt. Beim Eintritt in den Saal eine Salve – und mitten drinnen, als ich meine in d. „Meisterwerken d. Kunst in Holland“ formulierte Bildbeschreibung „An der Kellertüre“ vorgelesen hatte, wieder Applaus  ; am Ende versteht sich, noch einmal. Nachher sprach mich die Frau Gericke (des Musikers) an, die mich seit meinem 13. Lebensjahr nicht gesehen hatte  : „Wie kann man so viel wissen  ?  !“ und bei der Umsteigstelle bei d. Börse noch eine alte Dame, die sich auf noch ältere Beziehungen (durch Dr. Frank, der ihr Hausarzt war) berief, aber ihren Namen nicht kundtat. Heute früh mit Frau Ehrlich telephoniert, die aber auch keine Nachricht von G. E. bekommen hat.33 20.II. Gestern in schlechter Stimmung, zufuß in die Stadt bis ins Österr[eichische] Museum, Dr. Halle’s rusAbb. 38  : Erica Tietze-Conrat, Die Delfter sischer Vortrag. Übersetzt. Distanz – aber anerkenMalerschule, erschienen in Hans Tietzes Reihe „Bibliothek der Kunstgeschichte“. nendes Vertrauen. So viel Bekannte. Das macht mich manchmal ganz ungeduldig …34 Am Nachmittag war Gaby Ehrlich da, blaß, unvergnügt. Sie bleibt noch immer draußen in Wöllersdorf für die Prüfung stucken. 21.II. Am Abend Probeschminken, ich schau scheußlich ordinär aus. Hans mit d. Perücke wie ein dummer Walter Stolzing, Kaschnitz wie der Pimperlfraenkel. Wir waren nach der Probe so müde, daß wir senkrecht in d. Betten fielen.35 22.II. Heute Ehrlichs Geburtstag, den er in Berlin feiert. Nachmittag war ich bei Frau Berl die mir langweilige mißglückte Verlobungsgeschichten von Mizzi u. einem Breslauer Heimannsohn erzählte. Paula H., Flechtheim, Thieme[,] „ein aus Berlin ausgewiesener Homosexueller“[,] spielten darin ganz unwahrscheinliche Rollen. Auch eine Liebe auf den ersten Glück [sic  !]. Dass eine Milliardärstochter sich auf derlei auch 206

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Abb. 39  : „Im weitesten Sinn ein romantisches Bild …“ – Pieter de Hooch, An der Kellertür, 1658.

noch Anspruch macht, ist unverschämt. Das könnte sie doch unsereinem ohne Mitgift überlassen. Dann bei Lampl das Buch von Stößl abgegeben. Neue russ[ische] Musik in der Sezession. Emmy Heim (die Frau vom Singer-Nannerl) hat Lieder von Mussorgsky u. Stravinsky gesungen. Am stärksten war l’histoire d’un soldat von Stravinsky. Da muß man anteilnehmen, wie bei Kabarettmusik oder Jazzband – langes Gespräch mit Hauer, dessen Herz ich gewann, indem ich ihn selbst charakterisierend auf d. Schwächen in Stößls Roman schimpfte  ; er war wütend auf Stravinsky  : „Alle diese vielen Noten, (hier sang er d. Läufe) denken sie, muß der Mensch auch niederschreiben – das muß doch ein Idiot sein, der sich zu so was hergibt.“ Ich habe heute d. Hauer 3 Gedichte geschickt, er wird sie anschauen, es ist sein sehnlichster Wunsch schon von Hölderlin loszukommen, er hat’s aber bisher nicht gekonnt – nicht einmal beim Goethe ist ihm was eingefallen  : Nur Hölderlin und Sophokleschöre. Ich hab ihm d. Last, Herbst und d. ersten Kuß geschickt.36 207

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24.II. Gestern war d. Ball bei Steiners. Mit nur bisserl gutem Willen haben wir uns sehr gut unterhalten. Unsere Gruppe war, glaub ich, sehr gelungen. Der kurze Kasimir und der lange Luigi, das siamesische „Doppelwadler“zwillingspaar, sah großartig aus u. jeder spielte witzig u. humorvoll seine Rolle. Am Schluß wurde die Operation von Zaloziewsky vollzogen (Clown), dem d. dumme August assistierte. Sie wurden in Narkose (mittels Autopumpe) versetzt und mittels einer Handsäge auseinandergesägt. Kaschnitz krähte plötzlich wie ein neugeborenes Kind u. Hans fragte traumverloren  : „Luigi, wo bist du  ?“ Ich sah aus wie die Sünde – aber meine Rolle lag mir wenig. Das Arrangement mit den Hagenbeckplakaten war wundervoll dekorativ, sonst alles schiffsmäßig mit breiten roten Krêpepapierstreifen behangen. Die ganze Laskegesellschaft als Bauern von Eibesbrunn, die ein böhmischer Fremdenführer (Brechtl) führt. Sehr hübsche Pierrots, sehr lustig der drahtlose Tanz der einen Hagenbecktochter (Mariedl) u. das Schulreiten (zu Fuß) der andern (Evchen). Immer Aug in Aug mit dem Vater (Steiner – Hagenbeck), der sie zu jeder Kraftleistung aufmunterte u. unterstützte. Um ¾ 1 wollte ich nachhause fahren, um 3 ist es dazu gekommen. Paar Stunden gut geschlafen, nicht sehr frisch, aber es geht immerhin.37 26.II. Gestern war ich den ganzen Tag im Bett, fuhr erst abends zur Stunde und zu den „russischen Dichtungen“ hinein. Die meisten haben mir wenig gefallen. Erstens haben die Herren Rodenberg u. Nowotny zu sehr gebrüllt u. den Plakatcharakter dadurch noch mehr betont. Dann war das Programm viel zu lang, wir sind nach 2 ½ Stunden fortgegangen u. es war noch immer nicht aus  ! Von Ehrlich ist gestern ein Brief gekommen, er scheint im Anfang viel Zeit verloren zu haben, jetzt aber gut zu arbeiten, ich glaub nicht, daß er so bald zurück kommen wird. Meine Gedichte hat er seinem Verleger (Rathenau) gegeben – aber es wird ja wieder nichts sein. Ich hab jede Hoffnung aufgegeben. Hans hat seinen musealen Aufsatz für Westheims Wiener Nummer geschrieben u. gestern nach den Russen noch die Einleitung zum Nolde­ katalog beendet.38 28.II. Gestern vormittag den Artikel „Neue Donnerstatuetten im Barockmuseum“ fürs Belvedere geschrieben. Nachmittag bei Floch, der mir Lithos zeigte u. das, weswegen er mich hatte sprechen wollen, nicht sagte. Er ist inzwischen selbst mit der Sache fertig geworden. Wer weiß, welche Unannehmlichkeiten er hatte …39 Dann (mit Floch) ins Akademietheater, Strindberg, Gespenstersonate. Der erste Akt ungeheuer packend mit unermeßlichen Phantasiemöglichkeiten. Der zweite fällt ganz ab u. der dritte ist fast hilflos. So viel Unwahrscheinlichkeit mit Naturalismus verbunden ist schon undramatisch. Zuhause gleich eingeschlafen, vom Hans um 1h 208

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vorübergehend geweckt. Er hatte nach der Universitätsvorlesung (6–7) eine in d. Urania (7½–8½) und dann repräsentatives Erscheinen bei d. Antiquitätenhändlern im Kursalon. Künstlervorträge wurden in die langen Eßpausen hineinserviert  ; erst „hochstehendes“ aus den großen Opern, dann kleinere Genüsse, Kouplets aus Max u. Moriz u. ähnl[iches,] Kieslinger machte philosoph[ische] Bemerkungen  : was sich die späteren Jahrhunderte von unserer Zeit denken werden, wenn sie einmal ein solches Kouplet ausgraben werden. Hans antwortete lakonisch  : „Das Richtige“. 1. März Und draußen liegt immer noch der starre Schnee. Hans’ Geburtstag feiern wir erst morgen. Gestern war ich beim Ehrlich (der in der Nacht angekommen war) in der Wohnung, bevor ich in die Stadt fuhr. Hab’ ihm ein Geburtstagsgeschenk (eine Wertheimkasse) mitgebracht und mir die Zeichnungen angeschaut, die er in Berlin gemacht hat. Zwei neue Stars sind in sein Leben getreten, die Gerda Müller (vom Staatstheater) und die Asta Nielsen (vom Film). Er hat wundervolle Zeichnungen von ihnen gemacht, von Gerda Müller auch eine für eine Lithographie. Zwei Radierungen sind noch nicht ganz fertig. Sonst noch eine alte Dame, Baronin Uxküll, ein Auftrag, der nicht angenommen wurde und eine ganz grausliche Person, echte Berliner Jüdin mit so und so vielen Ehescheidungen, Verhältnissen etc. u. verliert sich doch nie selbst dabei – also ganz wertlos. Ehrlich hat sehr viel erzählt, er ist sehr erfrischt zurückgekommen. Hat mit den Sachen, die er mitgebracht hat, ungeheuer viel Erfolg gehabt. Cassirer hat ihn zu einer Kollektivausstellung eingeladen. –40 Am Nachmittag war eine mißlungene Generalprobe zum Geburtstagsstück für d. Hans, da aber die Kinder mehr oder weniger im Bett lagen, war’s nicht das richtige. (Nur ganz kleine Krankheiten, die heute schon behoben sind). Mein Feuilleton  : Wiener Ausstellungspublikum in der Münchner Allgem[einen] Z[eit]t[un]g ist ohne Druckfehler und ohne Korrektur geschrieben. Es kommt mir bißchen frech vor. Nicht frecher als ein paar Ausstellungsbesprechungen, die ich heute hinschicke. Aber die bodenlos blöde Lobbaderei vom neu gewordenen Roden (in d. Volkszeitung) reizt mich auf …41 3. März Gestern ein vollbesetzter Tag und die Nacht vorhin auch anstrengend. Kandinsky hat natürlich den Zug versäumt, der Vortrag mußte abgesagt werden u. wir sind (zusammen mit Ehepaar Maler Mahlau aus Lübeck, mit Markowitz, Merkels, Stemmer, Dolbin, Frl. Funke, ein Maler Braun u. Hauer ) im Café Museum gewesen. Hauer hat mir graphisch (auf mein kariertes Papier) die atonale Musik erklärt in allen Zusammenhängen („Ich bin so froh, daß ich den Anschluß an die Relativitätslehre gefunden hab.“) Ich hab nur immer eine Ahnung verstanden, hab aber doch den starken Eindruck des Genies davongetragen. „Wissen’s der Mozart u. d. Haydn, dös war’n Kam209

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merdiener, der Haydn ist sogar unter dem ersten Kammerdiener ranschiert. Und mit Recht, denn sie waren nur Musikanten. Aber der Goethe war Geheimrat  ! Weil er die kosmische Einstellung gehabt hat. Was der Goethe über das wohltemperierte Klavier (trotz dem Naturalismus) geschrieben hat, das macht ihm keiner nach – nicht einmal der Rameau.“ Er hat 2 Stunden in mich hineingesprochen, bis wir beide tot waren. Gestern vormittag Generalversammlung d. Gesellsch[aft], daran angeschlossen Ausstellung der Neuerwerbungen Moderner Zeichnungen in der Albertina. Sehr gelungen. Abends meine Vorlesung im Klubsaal der Urania, nur vielleicht ein Dutzend Plätze leer, viele Bekannte, angenehm zu lesen. Ich habe erst Gedichte gelesen (Ich war lange krank im Spital, Mein Sohn, Sommer in Wien, Sie ist die Jüngste, Sie haben mich öfter schon gesehen) unter d. Zusammenfassung  : Mittelstandsfrau. Dann die Königin (ohne den Hauptteil der Marktszene) und alle Leute haben nach der Fortsetzung gefragt. Dann nach einer Pause lyrische Gedichte  : Grubhörndl, Wiener Herbst, Die Last, Möchte dir tausend Dinge erzählen, Abschied. –42 Ich glaube diesmal starken Kontakt gehabt zu haben. Nachher kamen mir die sonderbarsten Leute in den höchsten Tönen gratulieren. Z. B. der Brockhausen, dann sie („sie sind wirklich eine sehr begabte Frau“), Paula Wahrmann, Gertrud HauserHerzog („ich kann nur eines sagen  : ich bin froh, daß wir sie haben“) Otto Gottlieb, Rulli, Felix und viele Leute noch. Ich war nach d. Vorlesung so vertattert, daß ich die meisten Leute nicht erkannt habe, den andern nichts zu antworten wußte. Dann bei Lia D’Or, wo Hans u. alle ganz jungen Maler waren, Frau Tischler sang, Liftschitz (Hauerschüler) musizierte und Lia Rosen nicht vorlas. Ich habe mit dem Hans Walzer getanzt, sehr viel Schnaps getrunken, wenig gesprochen. Um ½ 2 gingen wir mit Floch weg, waren um ½ 3 zuhause, warmes Bad, kurzer Schlaf  ; 7 Uhr wieder im Betrieb. Und heute zum Souper bei Menczels eingeladen nach d. Konzert, aber erst gegen 9h  !43 4. März Es kam anders. Hans teleph[oniert]  : Karten zu Dalibor, Festvorstellung für Smetana (100. Geburtstag). Da war ich erst dort, dann bei Menczels (um 10h15), die sich grad zum Souper placiert hatten. Eine kleine erlesene Tafelfreude. Ich saß zwischen Rety u. Werfel, dann Fannina, Kandinsky, Frau Menczel, Schnitzler, Alma, Hans, Frau Kandinsky, Dr. Menczel. Ebenso erlesen das Souper – aber erst um ½ 3 beim Heiligenstädter Kirchturm  ! Heut bin ich schon recht klapprig auf die Füß …44 5. März Der Vortrag gestern abends von Kandinsky war über, übervoll. Die erste, theoretische Hälfte für uns ermüdend und unnötig  ; die zweite mit starker persönlicher Anteilnahme und Klarheit gesprochen. Ausgezeichnet populär u. darum sicher sehr erfolgreich. Nachher ein Kabinett reserviert im Café Museum  ; vielleicht 25 Leute  ; nach 210

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oben zu Honoratioren und Russen, nach unten Wiener Künstler und Freunde. In der Mitte Hans vis-à-vis von mir. Ich zwischen Zaloziewsky, Steiner, Kaschnitz u. Jungnickel, Hörweite Dr. Markowitz, Rathe u. s. f. Energisch mit d. letzten Elektr[ischen] aufgebrochen. Aber doch erst nach Mitternacht ins Bett …45 Am Samstag Fest für Laske (50 jähr. Geburtstagsnachfeier)  ; das Ehepaar weiß gar nichts davon, nur die Nichte ist unterrichtet. Das Atelier faßt genug Menschen. Ich will als Herbst gehen, d. h. als Wein, d. h. als Döblingia*, Hans als Hauer**. Die Huldigung vom 19. Bezirk. Heute gehe ich den Stoff kaufen (als Sommerschlafrock verwendbar). 5.III. Ich war gestern beim Dramaturgen des Volkstheaters u. wollte wenigstens ein (Schreibmaschinen) Exemplar von meinem „Todessprung“ zurückhaben (eines war d. Direktor durch Waniek u. eines durch Dr. Bach überreicht worden). Es dürfte sich aber schwerlich auch nur eines auftreiben lassen. Sehr verstimmt. Dann hab ich einen herbstlaubfarbenen Crêpe-de-Chine-Stoff gekauft, der sehr schön ist. Abends Mahlau aus Lübeck mit Frau (ohne Eindruck) und Kaschnitz, dem ich meinen schwarzen Plüschhut gab, den er in einen jesuitischen umkrempeln will …46 Heut vormittag war Rapaport da u. hat mir zur Versöhnung weiße duftende Blumen gebracht. Zur Versöhnung, weil er so lange nichts von sich hat hören lassen. Er war sehr lange da u. das Gespräch ist (wie immer mit einem Russen) sofort ins Gottsuchen übergegangen. Dann aber über Produktivität (künstlerische Produktivität) ins ganz Persönliche. Ich glaube, dieser Mensch sieht mich sehr stark (nicht daß ich stark wäre, aber empfindet stark mein Wesen). Er ist sehr viel mit OK zusammen, der jetzt ein Selbstportrait mit einer Frau und dem alten Plakat (von OK) im Hintergrund malt. Rapaport findet die Farbe zu meinem Herbstgewand ganz mein Wesen symbolisierend ausgesucht  : abgeschlossen, ausgereift, beruhigt. Ich zeigte ihm die rote Kugelkette, die ich dazu tragen will und er findet auch diese Rückerinnerung, diese konzentrierte Erregung charakteristisch. Wie mich doch die Gedichte nackt vor die Leute stellen. – Ich bin so erniedrigt. So erniedrigt. Ach ja.47 Freitag, d. 7.III.1924 Gestern Watteauvortrag bei Halles, ich kam spät u. hatte die ganze Hineinfahrt mit Frau Dr. Harabath Witze gemacht. Wurde während d. Vortrags so furchtbar müde, daß ich kaum mehr sprechen konnte. Zuhause kam Brockhausen u. brachte mir die Legende zurück und ein Gedicht dazu, das er 1916 auf den vom Tod erweckten Lazarus gemacht hat. (Mein Gott, wenn die Leute eine Pointe haben, so machen sie * Personifikation von Döbling ** Winzer

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Abb. 40  : Oskar Kokoschka, Maler und Modell II, 1924.

ein Gedicht daraus …) Wir behielten ihn zum Nachtmahl hier, zu dem auch der 22jährige Maler Frankl erschien. Hundsjung, trotz behäbigem Äußeren noch ganz ohne Gleichgewicht, aber schlag-bereit. Mir sympathisch. Es war richtiger Brockhausenabend, voll Anekdoten …48 Heut hab ich mich gewogen, 60 kl  ; in den letzten Wochen 4 kl abgenommen. 8.III.1924 Gestern waren Alf und Alpha da  ; Ehrlich, der Vroni (schlecht) gezeichnet hat. Ich habe am Nachmittag an meinem Saul geschrieben, das Problem  : Vater auf den Sohn eifersüchtig. Mit Ehrlich ein Gespräch über Menschliches und Künstlerisches – wir haben uns in irgend einer Jenseitigkeit die Hände gereicht …49 Heute Eröffnung Munch, Dienstag Harta und Nolde, dann noch ein Gesell­ schaftsabend mit Ringelnatz, dazwischen acta Minora wie Eidlitz am M ­ ontag abends  – kurz auch für nächste Woche keine Sammlung möglich. Gestern teleph[oniert] Kiesler, er möchte dem Regisseur oder Veranstalter Mordo (?), der den Toller gebracht hat u. jetzt ein Stück für eine Raimund-Theatermatiné sucht, meine 2 biblischen Sachen zu lesen geben, ob ich etwas dagegen habe. Es soll anonym sein, damit er nicht voreingenommen ist (wohl wegen des Feminismus). Lia Rosen spielt 212

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darin. Dieser Gedanke ist mir schrecklich – aber da kann man nichts machen. Ich stelle mir die Sarah, weiß Gott, anders vor. Schlank und biegsam und nicht dieser klobige Zwerg. Da Mordo ein besonders Radikaler, wird ja sicher nichts daraus werden. Aber es freut mich, daß Kiesler das Bedürfnis hat, einzulenken.50 9. März Gestern ein bewegter Tag. Impressionistenausstellung Würthle (schwach, herrliches Cézanneaquarell). Mein Begleiter Kris, den ich am Graben getroffen hatte und der mir immerfort anerkennende Dinge sagte (lästig)  ; mit diesem eine Bronze (Kopie oder Replique nach Vischers Wappenhalter in München  ?) bei einem Antiquitätenhändler angeschaut. Dann Neue Galerie, wundervolle Munchausstellung, Graphiken u. Bilder. Viele Leute gesprochen u. a. Salvendy, bei der ich mich für Dienstag ansagte. Nachmittag Frappartstunde, dann nachhaus, eine Viertelstunde ausgeruht, dann in eine Göttin des Weines verwandelt und mit dem Hauerwirt Hans (blaues Fürtuch u. Heber vom Hengl) zu Laskes. Gedraht* bis zum ersten Zug (¾ 5), um 6 im Bett. Mittels Ohropax bis zur Suppe durchgeschlafen. Armer Hans leider nicht. Nachmittag bei Fannina Halle eine Theaterausstellungssitzung mit Strnad gehabt. Anknüpfend daran unstimmiges Gespräch mit Westheim, der bei Fannina zu Gaste wohnt. Bei mir war Gaby Ehrlich, die von Dissertations- und häuslichen Mißständen schwer hergenommen ist.51 10.III. Eidlitz las im Kulturbund aus einem Roman vor. Ich fuhr dann mit ihm nachhaus. Es war ganz nett, Wiener Stimmungen, stellenweise „poetisch“, menschlich empfunden. Sommerfrischenlektüre.52 11.III. Beim Belvedere mein Aufsätzchen über die Statuetten Donners (im Barock­ mus[eum]) abgegeben. Dann Noldeausstellung zur linken u. Harta zur rechten im Künstlerhaus eröffnet. Nolde war mir doch nicht so unzugänglich als ich ursprünglich gefürchtet hatte. Besonders bei den Aquarellen geh ich ganz gut mit. Der Josef in d. Staatsgalerie erscheint wirklich als eine gute Wahl. Harta’s Portraitausstellung ist trostlos. Ein vollständiger Kitschist ohne die Tradition. Eine ehemalige Schülerin Hartas begrüßt ihn u. merkt nach paar Worten, daß er sie nicht erkennt. „Sie erkennen mich nicht, erinnern Sie sich ‚Stein‘, jetzt hab ich geheiratet aber –“ „Natürlich erkenne ich Sie – ich hab sie ja vor 3 Wochen gezeichnet, Ada Stein –“ „Nein, das bin ich nicht – ich.“ „Aber ich bitte sie, hier ist doch ihr Portrait (er führt sie hin), –“ „Ich bin nicht Ada Stein, sondern Hella Stein, ihre Schülerin – wenn sie mich schon * sich herumtreiben

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damals nicht genau angeschaut haben, so hätten sie sich doch die Boa dieser Dame merken müssen  !“ Sehr charakteristische Geschichte. Die Namen dürften nicht genau stimmen, Salvendy hat sie am Nachmittag mir erzählt, sie war dabei anwesend gewesen, die Dame war ihre Kollegin bei Harta gewesen …53 In Hietzing (Hutprobe Kathi Zirner) Bilderschau bei Salvendy, die den PicassoMerkelstil durchmacht, ehrlich kämpft u. in ihren Grenzen weiterkommt. Meine Nerven durch einen schweren Tee (? –   !) stark irritiert. Manchmal glaube ich schon, ich bin am Ende meiner Kraft …54 Und möcht es doch nicht anders haben. Ich konzipiere seit Montag an einem Schwank herum. 15. März Paar Tage Pause u. ich weiß eigentlich nicht warum. Am 12. war ich abends mit Ehrlich im Kino, da wir keine Karten zur Zauberflöte bekamen. „Das nackte Weib“ wurde gefilmt, Bleibtreu, Sibylla Blei, Aslan, Gabillon etc. Es war natürlich wieder nicht „das Richtige“ u. ich müßte etwas anderes sehen, um zum Kino bekehrt zu werden. Ehrlich hat seine Handschuhe verloren u. wir mußten den halben Film noch einmal über uns ergehen lassen, um zu ihnen zu gelangen. Am Donnerstag nach der Halle-Stunde (ich habe Anekdoten über Mme Geoffrin erzählt, die alle Maler zwischen 1740 u. 80 protegiert hat) bei Frau Dr. Kurth im Sanator[ium] Löw. Dem Mann geht es elend u. ich weiß nicht, ob die Frau überhaupt noch an eine Hoffnung glaubt. Freitag war ich zuhause  ; vormittags Ehepaar Eidlitz da, dem ich mit großem Erfolg Bild 1 u. 2 von meinem Todessprung Abb. 41  : Georg Merkel, Frauenakt, 1920er-Jahre. vorlas, ihnen dann das M[anu]s[kript] mitgab. Nachmittag spazieren gegangen  ; Feuilleton über Wiener Kunstsam[m]l[ungen] I. Figdor geschrieben, aber nicht bis zu Ende. Hans kam von der Gesellschaftssitzung um 10h erst nachhause, Kiesler hat dort einen guten Eindruck gemacht u. ist offiziell für d. Ausstellung im Sept[ember] bestellt worden. Heute früh bei Bimini Messekarte abgeholt, dann in der Messe (Hofstallungen), die mich sehr enttäuscht hat. Abends Brief an Figdor geschrieben betreffs Feuilleton u. daß ich eine Zeichnung von ihm besitzen will u. ob er G. E. sitzen will. Abends Steiners mit Evchen. Die Kinder waren so herzig mit ihnen.55

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17.III. Viele Pläne gestern mit Hans gemacht  ; wenn die Neue Hofburg-Frage im Kabinettrat durchdringt, muß er die Kabinettsfrage stellen  : Entweder man räumt ihm jene Stellung ein, die der Exekutor einer so großen Angelegenheit braucht oder er geht. Erster warmer Tag. Nachmittag Fannina zum erstenmal nach Jahren dagewesen  ; wir haben ihr die Bilder u. Zeichnungen von G. E. gezeigt, zu denen sie nach sichtbaren Widerständen endlich doch sich bekennen mußte. Wir haben viel Spaß gehabt. Abends die Poppin, die schon ein viel innigeres Verhältnis zur Kunst hat u. nicht hilflos sich hin- u. her geschmissen fühlt, bis man ihr das Hölzel wirft. Poppin schlug einen Arbeitsraum, d. h. einen Raum f. Studierende in der Albertina vor, wir änderten es daheim ab wieder zwischen allgemeiner u. Besuchstage für Studierende zu trennen. Dann forderte sie eine Kehrung mit Wasser im Universitätsgebäude. Hans versprach Abhilfe.56 19.III. Am 17. nachmittag war ich erst mit Hans bei Nebehay eine insgeheim dort weilende Landschaft von OK anschauen. Ganz neu in der Schweiz Herbst   ? 23 gemalt, ein See mit Bergen herum und Häuschen vorn, ein großes Bild, das ungeheuer groß und aufregend ist, trotzdem es ganz Faust-auf-den-Tisch-hauen u. ohne Plakatgesteiger gemalt ist. Dann Eröffnung d. italienischen Seite und Kabinette im Museum u. der gotischen Skulpturen unten. Furchtbar viel Menschen. Die Bilder z[um] T[eil] in guten alten Rahmen drinnen  ; auf weiß patronisiertem Stoff die Vivarines (Mauerartig), dabei in d. obersten Reihe, ohne sichtbaren Grund ein braunsauciger anonymer Sizilianer. Manches hat mir ganz gut gefallen, der blaue Lotto in Rokokorahmung verfehlt. Postamente unten lassen mich gleichgültig, wurden aber „von Kennern“ z. B. Rob[ert] Schmidt-Frankfurt getadelt. Dann bei Floch, wo ich die Bilder für die Künstlerschau nächste Woche ausgesucht habe. Was er jetzt malt, finde ich sehr lahm u. totgemalt. –57 Gestern früh teleph[onierte] ich Ehrlich, daß er eine Annonce wegen des Ateliers aufgeben müsse, ferner daß seine Schau Mitte nächster Woche stattfinden soll. Er ist in scheußlich kollabierter Stimmung (was ich schon von Floch gehört hatte) und bat mich, ihn im Atelier am Nachmittag heimzusuchen. Es gelang mir, ihm ein wenig Mut zu machen. Seine Bilder wirken alle unfertig, einige leider auch zur Hälfte verquält. Ein guter Anfang die liegende Frau, die aber unbedingt Erdenschwere bekommen muß, um nicht sentimental zu werden. Abends waren wir zusammen in der Kronprinzenloge im Rosenkavalier. Es war eine der schönsten Aufführungen, von Strauß selbst dirigiert, der (wir konnten es von unsern Sitzen aus gut sehen) zu den Witzen des Mayr (Ochs) und der Gutheil (Rosenkavalier) in seiner thronenden Einsamkeit lachte. Mir war der Abend eine ganz einheitliche Freude  ; die wehe und wienerisch hinreißende Stimmung …58 215

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Als ich nachhaus kam, war Hans grade ins Bett. Er hat jetzt neue Verhandlungen mit den Ungarn, die er ganz ohne Rückendeckung führen muß. Wenn der Minister nachher nicht einverstanden sein sollte, wird Hans wieder die Farewellgebärde machen. So geladen ist er gegen das Amt, daß er jeden Grund schon greifen möchte. Am Abend war er (nicht wie die meisten gestern bei Wölfflins Dürervortrag sondern) bei einem Kasperlspiel in den Schwarzwaldschen Schulanstalten – es soll sehr nett gewesen sein. Er ging aber schon nach dem 1. Akt fort. –59 Heute sang noch der Rosenkavalier in mir und begann sich in ein Gedicht zu fügen … Die Post brachte die Kontraktformulare von Kurt Wolff – also jetzt wird es doch ernst. Ich fuhr daraufhin stadtwärts, sah mir die zwei nachträglich eingetroffenen Noldebilder „H[ei]l[i]ge Nacht“ und Abb. 42  : Erica Tietze-Conrat, Der französische Kupferstich der Renaissance, erschienen 1925 im „Adam u. Eva“ an. Die sehr stark, aber erschreckend Kurt Wolff Verlag. roh sind. Dann erledigte ich (sehr anstrengend) die Funke für die Schau  ; am besten gefielen mir ihre Zeichnungen, darin hat sie außerordentlich an seelischer Tiefe gewonnen – auch d. Bild von Frau Dolbin ist gut. Dann Albertina, wo eine Miniaturenausstellung vorbereitet wird. Es macht dort den Eindruck eines Tollhauses. Kein Beamter überwacht die östlichen Sammlergestalten. Ich nahm mir einen Band Courboin nachhaus, um mich wieder ein wenig einzuschauen.60 21.III.1924 Gestern hab ich nach der Hallestunde zwei allerliebste feine Stunden beim alten Dr. Figdor zugebracht. Er wollte mich gar nicht fortlassen u. zeigte mir immer neue Sachen u. erzählte mir Geschichten dazu. Er ist so liebenswürdig, aber hat doch so einen klaren Blick über die Leute u. versteht überall das Wesentlichste, ohne daß man ihn darauf aufmerksam machen muß. Er will sich gern von Ehrlich zeichnen lassen, bittet aber, mir das Blatt dann zu Füßen legen zu dürfen. Heut lieg ich im Bett, eigentlich mehr aus körperlichem Unbehagen als aus faktischem Grund  : Ich hab an meinem „Liedel der Ehebrecherin“, das mir seit Dienstag im Sinn, seit Mittwoch im Wort, seit Donnerstag im Bleistift liegt, herum gebastelt. Liedel der Ehebrecherin. Solang ich auf der Straße bin – Im Getriebe mittendrin – 216

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Und niemand weiß, und niemand weiß, wohin Ich geh – – wohin –   ? Solang ich auf der Straße bin Ist wunder – wunderfrei Mein Sinn Und meine Füße fliegen  ! Wenn ich das Haus von weitem seh’, So werden meine Blicke scheu – Ich geh So schwer – Bin müde … Und meine Füße tun mir weh, So sehr … Ich tret, ich tret ins Haus hinein Die vielen Stiegen –   ! Werd’ ich ihm auch willkommen sein –  ? Du bist – Du bist amende* nicht allein  ?  ! – Ich wollt, ich wäre treu – Du lieber Gott  ! Und müßt’ nicht lügen. Gestern abends sehr anstrengendes und aufregendes Gespräch mit Hans, der mir die ganzen ungarischen Verhandlungen, wie sie sich heute beim Finanzminister abspielen dürften, erklärt hat. Hans war noch ganz unter dem Eindruck einer großen Vormittagssitzung der österr[eichischen] Partei (beim Finanzminister Kienböck), der er nicht nur seinen Verteidigungsstandpunkt erklären mußte, sondern auch einen kunsthistor[ischen] Vortrag über die Bedeutung (Wert) d. Objekte, um die gestritten wird. Im Unterrichtsamt hat sich noch niemand für die eine oder andre Frage interessiert. Bagage … Heute Abendessen zu Ehren Wölfflins, Hans geht.61 23.III. Ich hab am Abend vom 21. erhöhte Temperatur gehabt, verkühlt**, heiser … Gestern früh auch noch u. hab darum den Besuch beim Librettisten Österreicher * am Ende, etwa ** erkältet

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(wegen meines Operettenstoffes aus d. Zeit Leop[old] I. ) absagen müssen. Ein halbes Jahr hab ich drauf gewartet. Und dann hab ich absagen müssen  ! Ehrlich war auf einen Sprung da, sich d. Landschaft, das Vronerl und die Zeichnungen abholen müssen. Hat bei dieser Gelegenheit die meisten Zeichnungen, die er von mir in Payerbach bez[iehungsweise] Breitenstein gemacht hat, zerrissen u. in d. Ofen gesteckt. Mir klingt der Riß noch jetzt im Ohr. Ich hab den ganzen Tag apathisch dagelegen. Kaum ein Viertel Stündchen ein Buch das mir Floch geborgt hat (Karl Albert Steffen, Kleine Mythen) gelesen. Aber das ist ein entzückendes Buch. Abends mit den Buben zusammen. Sogar mit Stoffel gedichtet. Fürchterlich.62 25.III. Feiertag, den Sonntag u. gestern vorm[ittag] hab ich den Saul weiter –, d. h. das 3. Kapitel zuende gemacht. Ich fürchte aber, es ist recht geflickt. Gestern meinen u. Hans’ Paß zum Verlängern getragen. Nach Tisch bei Ehrlich, die Sachen zur „Schau“ ausgesucht  ; nach meiner Meinung viel zu viele sachliche Stunden. Dann Abendschuh kaufen, die ersten seit 1911  ! Habe ich nur das Herz für Del-Ka gehabt u. dazu noch 3 paar Strümpfe gekauft. Im Sanatorium Löw Frau Dr. Kurth besucht, die Enzephalitis (?) des Gatten scheint doch besser zu werden. Abends mit Hans bei Buschbecks  ; sehr stiller gemütlicher Abend. Es scheint ihnen auch sehr schwer zusammenzugehen.63 30.III. Viele Tage Pause. Ursache  : Viel zu tun u. arg verkühlt  ; vor allem im Kopf. Am Feiertag noch den Saul III. Kap[itel] etwas anders schließen lassen. Trotzdem Flickerei. Nachmittag mein Manuskript von Eidlitz abgeholt u. ein wirklich inniges Bild von Floch gesehen (1921), das sein Hochzeitsgeschenk war. Am Mittwoch hab ich erst ein Rendez-vous mit Halle bei Würthle gehabt u. viele Radierungen, Zeichnungen u. die Landschaft (meine Landschaft, an die ich mich so gewöhnt hatte) ihm aus der Ehrlichschau pränummerieren zugeschaut. Dann Nachmittag lange in d. Albertina (Franzosengraph[ik]) gearbeitet. Hans war schon stark vergrippt. Viel stärker noch am Donnerstag. Die Beteiligung an d. Ehrlichschau war fast null. Für die Albertina hab ich 2 Zeichn[ungen], die sich Reichel ausgesucht hatte, vertreten (Alte Frau, Asta Nielsen)  ; für Halle auch ich  ; Frau Dr. Menczel hat mich teleph[onisch] ersucht, für sie auszusuchen  ; ich tat es  : 3 Zeichnungen u. viel Graphik. Rathe nahm für d. Gesell[schaft] inzw[ischen] nur Zeichnungen, die er aber vielleicht durch ein Bild bei d. nächsten Schau ersetzen wird. Steinitz, der wie die andern Finanzleute, ganz verzweifelt ist, nahm 2 Graphiken u. ging wieder, noch bevor d. Besprechung begann. Nebehay verreist, Gartenberg verschollen, Dr. Heller – ist die Frau krank, Dr. Frankl schon seit einer Woche krank – kurz lauter Malheur. Wir haben auch nichts verkauft. Die beiden Blätter, die mich gefreut hätten (liegende Gerda Müller, Asta Nielsen) 218

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Abb. 43  : „… ein wirklich inniges Bild“ – Josef Floch, Erde, 1921.

will G. E. nicht hergeben, letztere übrigens für die Albertina reserviert. Frl. Bondi will ein Bild von ihm kaufen u. zw[ar] das rosa Mädchen – er hat es aber nicht geben wollen u. gemeint, sie soll das nächstemal wählen. Abends waren Ehrlich u. Herzmansky zum Nachtmahl, aber Hans ging gleich ins Bett u. ich bald darauf, weil ich auch sehr elend war. Hans hat 39° Temper[atur] gehabt, mir aber nichts gesagt, weil er um jeden Preis am Freitag früh ins Amt wollte. Ich bin am Nachmittag beim Laske für den Künstlerfonds aussuchen gewesen. Dann direkt in d. Vortrag vom Hans über d. Neuerwerbungen d. Gemäldegalerie. Ausgezeichnet. Trotz seiner Verkühlung. Aggressiv gegen die verschlossenen Sammler, die sich nicht mit d. Staat identifizieren. Über d. Verantwortung d. wissensch[aftlichen] Beamten. Über d. Art wie Tausche geschehen. Das alles in einem sich steigernden Aufbau, dessen Fundierung die kunsthist[orische] 219

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Besprechung der Bilder bildete und ihre Eingliederung in d. Sammlung. Ehrlich hat Figdor gezeichnet, 2 Zeichnungen inzwischen und ist entzückt von ihm als Mensch u. Kopf. Die alte Haushälterin mußte sich auch die Zeichn[ung] anschauen, welche sie für besser hält. Sie entschied sich für eine, weil der gnä’ Herr da besser ausschaut. Am Samstag war die (ungeheuer volle) Eröffnung d. Neuerwerbungen im Künstlerhaus mit Hainisch und Kienböck. Nachmittag beim Stefferl Sachen ausgesucht, er hat aber nur Zeichnungen u. 2 Pastelle, paar Holzschnitte. Hans hat mir am Abend von d. Privatsammlung eines sehr herzkranken alten Mannes erzählt, der den jüdischen Namen Adler hat, aber seinen Stammbaum bis in das frühe 16. Jh. verfolgen kann u. auch von Aldegrever ein Ahnenbild eines Vorfahren Adler hat, das ihm sehr ähnlich sieht. Ganz einfache bürgerliche Verhältnisse, aber ein stolzer Familienkomplex wie bei d. Kuefstein oder sonst welcher traditionsstolzen Adligkeit. Heut sprach ich Kiesler teleph[onisch], er hat d. Tobias u. d. Esther (anonym) der Rosen gegeben, die davon entzückt sein soll u. die Esther beim Reinhardt spielen will. Gleich nach d. Premiere will sie es dem Reinhardt zeigen. Ich glaub das alles nicht. Wenn d. Reinhardt nicht will, würde sie es d. Mordo geben. Ich machte Kiesler darauf aufmerksam, daß d. Hock d. Tobias kennt. Lampl teleph[oniert] mich an, beim Architekten Breuer sei eine Wohltätigkeitsgeschichte am Montag Abend. Es werde Musik gemacht, ob ich vorlesen wolle, etwa eine halbe Stunde. Ich hab keine Novelle, die ich lesen könnte, zuhaus – Drama mag ich nicht. Bleiben also Gedichte.64 Am 25. abends – das hab ich nachzuholen – erschien plötzlich der junge Swarzenski – 19 Jahre, 2. Semester Kunstgeschichte. Sympathisch. Er verlebte ein ungeheuer frugales Nachtmahl im Kinderzimmer mit uns. Nachher noch Floch, der mir die endgültigen Lithos seiner Mappe Palästina mitbrachte.65 31.III.1924 Zu diesen Blättern hab ich gestern eine Einleitung geschrieben, die glaub ich, ganz gut ausgefallen ist. Hans war heut früh beim Arzt, er hat eine verschleppte Grippe  ; da kann man nichts machen. Und ob Burgl, die immer noch unauffällig hustet, Keuchhusten bekommen wird oder nicht, ist auch nicht zu entscheiden. Dafür würde sprechen, daß ebenso viele Fälle in d. (gesperrten) Schule sind u. daß ihre Lunge ganz rein ist. 2. April 1924 Früh bei Würthle, die Bilder (Laske, Funke, Floch, Stefferl) vom Künstlerfonds angeschaut u. dabei der Frau Bertha Taussig und Frau Menczel die Honeurs gemacht. Erstere war ganz auf ihr Seelenleben eingestellt  ; der Mann eifersüchtig wie ein Othello und sie will ihr Leben „vor Torschluß“ noch genießen. Auch Frau Menczel war nicht disponiert zu kaufen, läßt es sich zusammenkommen, um bei der nächsten Schau etwas zu wählen. Es sind die kritischen Tage vor d. Unwohlsein u. da hat sie 220

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keine Disposition Kunst anzusehen. Die Beteiligung war überhaupt nicht sehr groß. Mir tut die Geringschätzung d. reichen Leute sehr weh. Frau Steiner hab ich gesprochen u. den Felix u. den Stoffel u. weiß Gott wen noch. Am Nachmittag dem Floch das M[anu]s[kript] der Lithoeinleitung übergeben. Die wundervolle Steinzeichnung, der Kranke, der zum erstenmal in den Frühling ausgefahren wird – ein ganz zarter grauer Duft. Dann von Figdor die beiden Portraits, von denen eines sogar sehr sehr ähnlich ist.66 6.IV.1924 Die langen Schreibpausen sind immer der Beweis einer starken Intensität d. Erlebens. Am Donnerstag war ich vormittag in der Bergerschen Druckerei, wo Ehrlich seine Grünewaldzeichn[ung] vor mir noch einmal auf den Stein replizierte. Ich bin sehr neugierig, es noch einmal zu sehen. Dann über Mama bei Halles, wo am Tag vorher ein Brand der Fabrik Millionenschaden (ich glaube 600 angedeutet) gemacht hatte. Ich kam mir mit meinem Tiepolo etwas deplaciert vor. Dann durch die Stadt gegangen, an d. wundervollen Toiletten augschmarotzt (wie soll ich anfangen  ?), Besorgungen für meines Vronili Geburtstag. Am Freitag vormittag Modell zu einem neuen Bild gesessen, d. h. gelegen. Vorher zu einer Radierung, die Ehrlich zur Auflockerung d. Hand herunterzeichnete. Ich war furchtbar übernächtig da ich in der Nacht von Hans’ Husten geweckt, viele Stunden wach gelegen, während Hans gleich in schweren Codeinschlummer fiel. Am Nachmittag teilte mir Hans mit, daß Opernkarten da wären u. ich ging mit Fritz Lampl zu Carmen. Hätt’s nicht tun sollen. Es war furchtbar, schlecht u. langweilig. Wenigstens Bettschwere bekommen … Samstag nachmittag (vor der Frappartstunde) Modell zum Bild gesessen u. zu zwei Zeichnungen. Eine Ersterbende u. eine Dionysische (wie „D’Annunzio“). Es ist sehr interessant, wie G. E. sich mitten aus dem Malen aufs Zeichnen stürzt, Hände wäscht, Papier […] und drauf los – um einen Ausdruck, den er gesehen hat, festhalten zu können. Heute Vronilis Geburtstag gefeiert worden. Mein Gott wie viel Platz ist in diesem kleinsten Schwimmhoserl  ! So eine Freud mit einem Seifenblasenspiel, das ihr der Hans, wohladjustiert in einer Schachtel gebracht hat. Es ist eigentlich das ganze alte Seifenblasen, aber der Hans kennt die Psychologie des Geschenks – wegen der Schachtel die große Freude. 8.IV. Gestern Sezession (W[illi] Jaeckel recht gut, genialisch u. leer, Julius Hüther unnötig, Kitt gewaltsam u. unnötig, die andern zum Einschlafen)  ; dann nach Erledigungen im Atelier bei G. E., wo wir bei Herstellung einer Radierung, vom allerersten Anfang bis zur Bereitstellung des 1. Zustandes für den Druck viel Aufregung hatten. Ich habe gar nicht gewußt, von welchen Zufälligkeiten so etwas abhängt u. hab viel gelernt. Ich war in einer wunderbar entspannten Stimmung (harmonisch eingewiegt 221

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in ernstes Wohlgefühl), aus der noch einmal ein Gedicht wachsen muß  ; Ehrlich benützte diese Stimmung, um eine Zeichnung von mir zu machen, die ich für noch schöner halte als die früheren. Seit noch nicht einer Woche die 4. Zeichnung, dann eine Steinzeichn[ung], eine Radierung (sehr groß, zu viel geätzt) u. das Bild, das weiterwächst. À la bonheur. Heute vormittag mit Frau Steiner shopping – ohne etwas heimgekommen. Alles zu teuer. Kein Kleid, kein Mantel.67 9.IV.1924 Gestern erst in d. Lithogr[aphischen] Druckerei „Sezession“ (Berger), wo Ehrlich meine Steinzeichn[nung] vollendet hat, dann über mancherlei Umwege (E.’s Vater auf der Straße kennengelernt) zu Mama. Wir sprachen – E.’s Vater u. ich – ein paar herzliche Worte u. gingen dann wieder auseinander. G. E. zu mir  : „So weiße Haare hat mein Vater bekommen.“ Als ob er ihn (mit mir) zum erstenmal angesehen hätte. Und dann nach einiger Zeit  : „Mein Vater trägt immer die schäbigsten Kleider, um Mitleid zu erregen. Auch früher, wie er sich jedes Jahr 5 neue Anzüge hat machen lassen, trug er immer die allerschäbigsten.“ „Er ist bei mir nicht auf seine Rechnung gekommen, ich hab es gar nicht bemerkt.“ tröstete ich ihn. Das sind die Nuancen, von denen ich lebe. Ich hab’s am Abend dem Hans erzählt. Der war bei OK gewesen, der ihm sein neues Bild (Selbstportrait mit Frau u. Plakat), an dem er seit Monaten malt, gezeigt hat u. wundervolle Aquarelle. Hans erzählte, wie OK’s Stimme einen falschen Ton bekommt, wenn er mit d. Mutter spricht. Wie ein Schulbub, der Angst hat. Aber der Besuch hat ihm viel Freude gemacht. Dann war Enthüllung d. Kutscheragrabes u. abends trafen wir uns, wie gesagt, in Claudels Mittagswende im Akademie Theater. Die Roland fast ausgezeichnet, die Männer alle schlecht. Mich hat d. Stück wahnsinnig aufgeregt. Hinter uns saß Dr. Wilde mit d. Grafen Khuen u. seiner Gesellschaft, die sich, wie sonst die meisten Leute, ganz ablehnend verhielt. Auch noch andre nichtssagende Bekannte im Theater. – Heute hielt Anderl Generalprobe seines Kleiderbesitzstandes, der sich im wesentlichen aus Stoffels und Heinzelmanns abgelegten Toiletten zusammensetzt. Ich wurde zur „Schau“ geladen. Er mannekuiierte als der 1. in Schwimmhose u. Strohhut … 68 Mein Bild muß noch trocknen, bevor weitergemalt wird. 12.IV.1924 Donnerstag (10.) hab ich endlich alle meine Toiletteeinkäufepflichten erfüllt u[nd] z[war] in einem Geschäft d. h. Salon (Münster, Richterg.1), den mir Frau Georg Halle empfahl. Es ist im großen ganzen so ausgefallen, wie ich es wollte. Ein Mantel, in dem ich mich behaglich, wie in einem Schlafrock fühle, und ein Kleid, das sehr angezogen aussieht, ohne daß man es spürt. Dann in d. Staatsgalerie, die neuerworbenen Barocksachen angeschaut, die ich alle nicht lokalisieren kann. Eine Landschaft von Kirchner, die mir zu plakatmäßig in der Empfindung und doch unlogisch in der 222

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Abb. 44  : „Mein Gott wie viel Platz ist in diesem kleinsten Schwimmhoserl  !“  – die sechsjährige „Vronili“.

Farbe war. Die Bilder von Frau Steiner, derentwegen ich hingegangen war, konnte ich nicht sehen, da sie im Oberen Belvedere waren …69 Nach der Hallestunde (mit verzweifeltem Philippi, weil sein aktueller Mäzen König sein Privatvermögen verloren hat) bei Mizzi Berl und doch im letzten Augenblick nicht zu Gropius’ Vortrag, weil ich müde war u. lieber nachhaus wollte. Am Freitag hab ich die Vroni zur Ilse u. Ivo, die Mittwoch abends überraschend angekommen waren, in die Stadt gebracht. Dann bei G. E., wo eine Ausstellung meines ersten Lithodruckes (auf rot  !) war, den ich ausgezeichnet finde, Ehrlich aber noch auf d. Stein korrigieren will. Ich erzählte ihm von Hans’ Besuch bei OK und OK’s zähem Arbeiten. G. E. zeichnete dann mit unerhörter Anstrengung, so hatte ihn meine Erzählung angespornt („Sagen Sie, haben Sie es mir nicht nur deswegen gesagt  ?“) –70 223

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Wir hatten keine Kunstgespräche, weil wir während des Arbeitens nie […] sprechen, aber gelegentlich fiel doch ein Wort. „Es gibt erotische Künstler und seelische Künstler, aber manchmal treffen sie sich in einem Punkt.“ Oder als ich auf die Unmöglichkeit der körperlichen Nachgestaltung seiner radierten Eva aufmerksam machen wollte  : „Glauben Sie mir, ein akrobatisch geschulter Körper kann alles nachmachen, was einer da zeichnet.“ Dieses Paradox hat mir viel Freude gemacht. Er hat drei Zeichnungen von mir gemacht  : eine Enface sitzende mit verschränkten Armen, eine düstere ¾ Profil, die nicht gut gelungen ist, und eine Stehende, die an dem Gewand nestelt, wie eine Antike („Mysterium“)  ; von dieser will er eine Radierung machen. Die letzte Radierung war auch schon (einmal) gedruckt an der Wand, es wirkt so ausdrucksstark (Maria am Grabe Christi trauernd), daß man kaum von einem Porträt sprechen kann, obwohl es sehr ähnlich ist (auch ähnlich der Mama). Später kam Bubi Österreicher und wir warteten den Regen ab, der aber nicht aufhören wollte. Endlich entschloß ich mich, trotz Schneeregen und eingepackter Litho für Hans zur Alma zu gehen, die im Bett lag und zusammen mit Dr. Stephan, Vix de Zsolnay, u. seinem Unterläufel* die Mahlerbriefe (Register) redigierte. Am Dienstag reist sie mit Kind und Kegel in ihr Haus in Venedig, das ihr der Agent Molls (Balboni) im Lauf des Winters aus dem gewollten kleinen Retiro ohne ihr Wissen in ein neunzimmriges Stockhaus umgebaut hat. Wütend darüber. In d. Elektr[ischen] traf ich Hans, der von seinem Vortrag (Arbeiterorgan[isation]) nachhause fuhr  ; ich hatte mir die Stunde genau und erfolgreich berechnet. Dem Hans gefällt die Lithogr[aphie], die ihn an Dürers Fürlegerin erinnert, sehr gut. Heut früh lag der Schnee draußen (1½° über 0°), und das am 12. April. Hans packte, da er in St. Pölten (Uraniavortrag, Moderne Kunst) übernachtet.71 13.IV.1924 Das Preisausschreiben, das ich gestern beschickte, ist wieder eine totgeborne Sache. Erstens ist der Termin für die Einsend[ung] der Noveletten, in die es dem Umfang nach gehört, abgelaufen  ; 2. ist die Adresse, der ich schrieb unrichtig gewesen, drittens das M[anu]s[kript] ungeheftet. Also wieder nichts. Gestern fuhr ich erst am Nachmittag hinein, war am Morgen mit Stoffel, der für Minkas Stammbuch eine Komposition „einübte“. Anderl hat Stoffel famos gezeichnet. Nachzutragen eine Radierung, die G. E. von mir machte, stehend (Halbfig[ur]), ein wenig in der Art der „antiken“ Zeichnung, die das Gewand hält (der einfacheren Gestaltung zuliebe war dieses mein rotes Tuch). Der arme Mensch ist Neurastheniker, wodurch viel in seiner Kunst klar wird. Die ihn befreien könnte, wird es nicht tun wollen. Ich muß an OK’s Zeichnung „Das ist nicht wahr“ und Alma denken. Ilse ist sehr verschnupft, lag als ich sie besuchte. Ich habe, um ihr u. Mama Freude zu machen, viel von Almas lustigen Haus* Gehilfe

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abenteuern erzählt, wurde aber so lange von hämischen, mißgünstigen Bemerkungen unterbrochen, bis ich verstimmt aufhörte. Abends bei Lampls, wo (Gaby und Georg) Ehrlich, eine Schwägerin d. Frau, Pepi Berger, ein christlicher Herr Groag u. zwei andere versammelt waren, von denen nichts weiter zu sagen ist, als daß es Juden waren. Wir haben die letzte Elektr[ische] versäumt, konnten nur bis zum Gürtel fahren, wo ich beim Umsteigen in den achten Wagen meine gestrickte Mütze verlor. Ich hoffe, daß ich sie wiederbekomme, da ich eine goldene Nadel daran stecken hatte …72 Ich habe wunderbar tief geschlafen. – In der Bibliothek alle Nicht OK’s weggeräumt, falls er doch heute abends kommen sollte. 16.IV. OK ist natürlich nicht gekommen, obwohl er sich’s anscheinend doch vorgenommen hatte, da Rapaport um 8 teleph[onierte], ob er ihn abholen kommen solle, ob er noch da sei. Am Montag habe ich vormittag erst nach der Mütze im Fundamt vergeblich gefragt, dann mit Erfolg u. furchtbarer Quälerei unsere Pässe zur Verlängerung eingereicht, endlich den Hans (u. Uitz, Kiesler etc.) bei George Grosz getroffen. Die Aquarelle sind wirklich ausgezeichnet. Mittag bei der Mama mit Ilse (u. dem endlos ästhetisierenden Kanitz) beisammen, dann in der Druckerei, wo Ehrlich d. Stein ausbesserte. Ob der Druck nun auch das ganze neu eingezeichnete Detail herausbringen wird  ? Ehrlich fürchtet, daß wieder viel verloren geht. Dann bei Zirner meinen Hut probieren, der aber natürlich nicht paßte (viel zu klein war) u. wieder ganz demoliert werden mußte. Endlich bei Steiners mit Hans zusammen getroffen. Dieser war bei Frau Dr. Schwarzwald gewesen, die ihn durchaus zum Abrasieren seines Schnurrbartes überreden wollte u. ihm als Belohnung eine Marzipanschachtel für die Kinder mitgab. Gestern hatte Ehrl[ich] wieder an dem Bild weitermachen sollen, er hatte aber einen frühlingsmäßigen Unlusttag u. konnte sich nicht dazu bringen. Er wollte mich zu einem Ausflug nach Schönbrunn bereden, wo er die Tiere zeichnen wollte. Ich ließ ihn aber allein. Ich habe ihm über sein nicht Durchhalten während der Arbeit Worte gesagt, die mir heute noch weh tun. Vor allem wenn ich an den Ton seiner Stimme denke, als er sich zu verteidigen – zu erklären suchte. – –73 Ich holte die Pässe ab u. brachte sie dem Hans. Ging dann zur Funke, der ich eine Portraitsitzung versprochen hatte. Sie machte 2 Zeichnungen mit Graphitstift (ohne Radieren), von denen die erste halbwegs ging. Es war mir lästig, meinen Kopf in der üblichen ornamentalen Manier ihrer Blätter aufgerollt zu sehen. Ich glaube nicht, daß ich mich noch einmal entschließen kann, hinzugehen, da sie während der Sitzung immerfort spricht u. d. Modell sprechen machen will. Das ist mir enervierend gewesen. Dann bei Ilse lebewohl sagen u. die Burgl abholen  ; mit dieser u. Otto Gottlieb, der furchtbar gealtert aussieht, durch die Stadt (die furchtbare OK Selbstportr[ät] lithogr[aphie], die wie ein Holzschnitt aussieht, angeschaut, u. die 225

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Auslage, die mit Hartas, Ehrlichs, Laskes etc. gedrängt ist) nach hause, sehr sehr müde. Das Leben macht mir wenig Freude. Ich bin der Wehmut übervoll. Und wenn es von mir wegfließen würde, aus den warmen Adern meiner Hände, so wär es mir ein leichtes liebes Abschiednehmen. Man kann so gut im Frühling sterben. –74 Abends war die Frau Pollak-Prag da, sprach endlos, jüdelte endlos. 18.IV.1924 Mittwoch abends war Alf da, der bis Sonntag bleibt, da seine Frau Ferien hat u. nach Eggenburg gefahren ist. Auch Gerhart Frankl, der sich in seinen humoristischen Erzählungen wiederholte, was vielleicht für seine große Jugend charakterist[isch] ist. Ich gab ihm Empfehlungen für Holland, wohin er Ende nächster Woche reisen soll. Wir knüpften mit ihm Verhandlungen an, ob er vielleicht sein Atelier während seiner Abwesenheit G. E. überlassen könnte. Gestern war ich vormittag im Bett, nach Tisch nur bei Halles Kurs. Es ist ein Feuilleton von Frau Pollak-Prag gegen die Neuerwerbungen u. Hans erschienen (der Fachreferent, der den groben Ulk Nolde „gutheißt“), dem sich am nächsten Tage die alte Gilde d. Künstler von Angeli bis Schönthal energisch anschloß. Großer Wirbel bei Haberditzl, Glück etc., Hans nimmt es eher vergnügt auf  ! Abends war der Maler Eberz da, recht sympatisch, sonderbarer Kopf, eine Kombination von geistigem Übergewicht u. Kleinlichkeit. Heut früh brachte ich G. E. mit Gerhart Frankl telephonisch zusammen, erfuhr bei dieser Gelegenheit, daß die Bergner seit Montag in Wien ist. Ich würde sie gerne spielen sehen, hab’ aber keinen übrigen Heller  : Ich bin den ganzen Tag im Bett u. denke an meinem Jonathan herum. Jetzt könnt ich schreiben. Vom Neuen Mercur die Legende u. 3 eingeschickte Gedichte zurückbekommen. (Sommer in Wien, u. noch 2, die ich mir nicht gemerkt habe). Prybram stellt Gehaltserhöh[ung] in Aussicht.75 20.IV. Ostersonntag Ich schlendre frühlingsschwer durch die Straßen. Gestern Auferstehungsschinken mit den Kindern gegessen, Ostereier gemalt. Feuilleton Sam[m]l[ung] Lanckoronski angefangen, heute vollendet. Eiersuchen, Anderl sogar auf dem Baum hoch oben 2 gefunden. Ich lösch mich aus, so gut ich kann. Anderl hat mich gezeichnet  ; „ich hab erst die Augen zu dunkel gehabt, da hab ich die Haare stärker gezeichnet, da sind die Augen dann ganz hell geworden.“ Neben dem Kopf am freien Papierrand hat er willkürlich scheinende Striche hingesetzt. Ich frage ihn, warum er es getan hat. „Wegen des Mundes.“ Ich darauf  : „Das versteh ich nicht, erklär mir das.“ Anderl  : „Weil sonst der Mund zu stark wirkt, zu sehr auffällt. Schau her, wenn das leer ist (er deckt die Striche mit der Hand ab), wie der Mund auffällt  !“76

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Abb. 45  : Hans Tietze mit Schnurrbart  : „Der soll weg“,

Abb. 46  : Hans Tietze ohne Schnurrbart – „Er hat einen

meint Frau Dr. Schwarzwald.

wundervoll ausdrucksvollen und schönen Mund, wie ich es nie geahnt hätte …“

21.IV. Ostermontag Hans hat sich heute den Schnurrbart abrasiert. Er hat einen wundervoll ausdrucksvollen u. schönen Mund, wie ich es nie geahnt habe. Mit Ehrlich teleph[oniert], also die Ateliergeschichte (Frankl) ist wieder schief gegangen. Dr. Figdor hat ihm geschrieben, er soll mit d. Zeichnungen zu ihm kommen. Ich habe ihm (Figdor) Samstag mein Feuilleton geschickt – er wird die Zeichnungen mir sicher schenken wollen. Bin neugierig. 22.IV.1924. Hans hat heute seinen Brief an Frau L. Steiner abgeschickt, in dem er sich über ihre Kunst aussprach. Nicht ausreifen d. Ideen, zu viel Ehrgeiz etc. Gleichzeitig kam heute ein Brief von d. Steiners mit einem gemalten Osterhasen und einem langen von ihm verfaßten Gedicht „Retourkutsche“ zum Angriff ein Götz, ein richtiges Huldigungsgedicht. So ist das Leben.77

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25.IV.1924 Am Mittwoch war ich tagsüber für mein Bild im Atelier bei Ehrlich, er war sehr fleißig u. ich habe mich ausgeruht. Gegen Abend sind wir d. Donau entlang nachhause gegangen u. er hat sich den schnurrbartlosen Hans angeschaut  ; der ihm sehr gut gefallen hat. Gleichzeitig die Lithographie gebracht, mehrere Abzüge des 2. Zustandes vom Stein, der noch viel besser ist. Am 23. bin ich schon in der Früh sitzen gewesen, nachher Kurs u. bei Lili und Lutz, die gestern (22.) angekommen waren. Hans holte mich dann (überraschend) ins Raimundtheater ab, wo das Stück „6 Personen suchen einen Autor“ in der wirklich über alle maßen eingreifenden Bearbeitung von Direktor Beer gegeben wurde. Sicher hat durch diese Bearbeitung das Stück sehr gelitten, mir ist es aber lieb, daß alles drin Tiefliegende dadurch noch tiefer liegen bleibt. In der 1. Rangloge, die uns Bach verehrt hatte, saßen außer uns noch der „Oberrat“ Reuther (vom Städt[ischen] Mus[eum]) u. seine Frau. Gestern hab ich vormittag Besorgungen gemacht, die Ausstellung des Malers Jung aus Salzburg (Hotel Europens Sohn) gesehen (Holbein Galerie am Franz Josefskai), mein Gott 22 Jahre, gewiß Begabung, Idealismus – aber –78 Mittag bei Mama, Lutz hat mich untersucht. Die Senkungsgeschichte möchte er (meinetwegen, Nervenzustand) nicht operieren, da sich im Uterus etwas vorzubereiten scheint, was besser zusammen dann behoben werden könnte. Das hat aber noch paar Jahre gewiß Zeit, vielleicht hebt sich dann mein Nervenzustand. Gegen diesen muß ich entschieden etwas tun. Die vielspaltige Beschäftigung schadet mir. Ob ich nicht das Dichten aufgeben wolle –  ? Dann beim Figdor, der dem G. E. die beiden Zeichnungen abgenommen hat (jede um 1 Million), damit ich sie nicht zahlen muß, mir aber die Blätter nicht verehrt „aus weiblicher Eitelkeit“ und „sie sind so überlebensgroß“ – und mich mit einer lächerlichen Interieurphotographie abgespeist. Weiter dann bei Lederer zum Tee u. Sachen angeschaut. Abends Hans in der OK Vorlesung, ich im Bett, das mir schon sehr nottat.79 27.IV.1924 Gestern bin ich tagsüber, noch immer sehr müde, im Streckstuhl gewesen u. bin mit viel Kleinlichem innerlich fertig geworden. Nachmittag dann bei Frapparts, geendet bei Lampl, da Stoffel bei d. Schottenpassion, Hans Kameradschaftsabend hatte. Eine Karte zu Pygmalion hab ich der Therese gelassen. Schließlich bei Lampls so viel Leute beisammen, daß ich davonlief. Zufuß in die Stadt, einsam heraus. Frühlingsmelancholie.80 30.IV.1924 Lutz ist hier sehr schwer krank gewesen, eigentlich schon krank gekommen, hier aber hohes Fieber ausgebrochen  ; trotzdem gestern fiebernd weggefahren. Lili sehr beun228

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Abb. 47  : Einblick in die „incomparable variety of the ancient Figdor collection“, 1920er-Jahre.

ruhigt. Die kleine Zeichnung Lilis von Ehrlich, die Hans weniger mochte, hat sie uns abgenommen. Am 28. (Dienstag) war ich tagsüber im Atelier und am Mittwoch wieder auf kurz. Mittwoch früh erst das Plakat für den Hagenbund angeschaut (in der Druckerei), ein schöner, ganz innerlicher Mädchenkopf, den ich gern als Litho haben möchte (ohne den Aufdruck). Dann Lili, dann Albertina. Frl. Aumburger spricht mich an  : „Was sagen sie zu ihrem Mann mit dem ausrasierten Schnurrbart  ?“ – „Hans.“ Sie wiederholt nocheinmal die Frage. Ich ganz ruhig wieder  : „Hans.“ Sie hat mich für absolut verrückt gehalten. Endlich verstanden und aufgelacht. Gestern wollte G. E., der wieder bei einem toten Punkt angelangt war, daß ich mir das Bild 229

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anschauen soll. Es ist noch nicht fertig aber die Kraft u. Männlichkeit des großen Wurfes hat mir einen sehr tiefen Eindruck gemacht. Wenn ich mir das erste Bild von mir daneben denke, da ist alles drinnen verhaltenes Geheimnis noch. In dem neuen unumstößliche Offenbarung. Das Bild muß jetzt trocknen  ; dann weiter arbeiten. Er muß durchhalten. Da fällt mir ein  : Am Sonntag war am Nachmittag das Boxmatch (Carpentier) abgesagt, trotzdem kam Erny, der dieses mit einem Besuch bei uns verbinden wollte, mit der Paula heraus. Er war sehr lieb u. klagte nur viel über seine Familienverhältnisse (Prozeß mit Viktor). Er kaufte zwei Radierungen von G. E. u. wollte Mitglied des Fonds werden.81

Abb. 48  : Erica Tietze-Conrat, Anfang der 1920erJahre.

1. Mai 1924 Heut war die Preisverteilung d. Stadt Wien u. ich konnte mit Recht schimpfen, da ich nicht eingereicht hatte. Grotesk erschien mir eigentlich der Preis d. R[ichard] Billinger, dessen Gedichte ich aus dem Haybachverlag kenne u. mißbillige. Lampl teleph[onierte] mir, wie er die Preiszuerkennung an Martina Wied grotesk finde, wenn man meine Dichtungen kennt u. ließ es nicht gelten, daß ich ja nicht eingereicht hatte. Gestern nachmittag war Hanna Gaertner da u. erzählte von ihren Arbeiten u. Plänen. Im nächsten Jahr soll sie in einem Atelier arbeiten, das ihre Eltern ihr im Garten bauen wollen. Abends war Gaby Ehrlich da mit Dissertationsschmerzen.82

2. Mai 1924 Gestern teleph[onierte] Tischler, wir sollen zu ihm kommen, er weiß nicht, was er ausstellen soll, alte Sachen oder das, was er jetzt seit Paris gemalt hat (4 Bilder). Wir waren nachmittag dort. Ein kleines Bild seiner Frau finde ich ausgezeichnet besonders für ihn, die 3 andern Stilleben weniger, liegen mir halt nicht. Zu farbig, zerfallen. Nachher mit Floch u. Rothberger bei der Jause. Tischler ist mit seinem Mäzen auseinander u. redet sich jetzt ein, wie gut das ist. Er sei schon zu bequem geworden etc. Rührend ist doch immer diese einfache Psychologie. Heut früh ist Kirstein eingetroffen u. in Alfs Zimmer eingezogen. Er ist langatmig, um die Wände hinaufzuklettern. Dabei hat man doch immer das Gefühl, daß er nur so lang daherredet, um die Zeit zu gewinnen, einen daweil zu betakeln*. Ich wollte mir einen Strohhut * betrügen

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umformen lassen, bekam aber d. Bescheid, daß es vollkommen ausgeschlossen sei, da der größte in Wien verkaufte Hut 62 cm Hutweite besitzt, mein Kopf aber 66 cm  ! Entsetzlich. Ich steigerte meine Depression darüber indem ich in d. Künstlerhaus zur offiziellen Frühjahrsausstellung ging u. nur die Portraits von E. Veith, Quincy Adams (pro Stück 70 Millionen), Krausz, Mandler u. s. w. ansah. Es waren auch andre Bilder da, aber die Porträts hatten doch wenigstens ein gewisses persönliches Interesse. Ich glaube, es war auch eines vom Musiker Friedmann da, in einer leichten angeheiterten Münchner Manier, die in dieser Umgebung noch ganz halbwegs ging. Der Oberstock bringt den Kitsch jenseits der Leitha. Nachher Albertina (die Dr. Popp für Dienstag eingeladen), Artaria (die liebe österr[eichische] Aquarellistenausstell[ung] angeschaut, die bei Boerner versteigert wird), Einkäufe, Mittag zuhause. Die Kinder haben mir blühende Zweige auf den Schreibtisch gestellt.83 3. Mai Am Nachmittag gestern hat Hans Kirstein und mich 2 Stunden warten lassen. Ich war schon nahe daran aus der Haut zu fahren. Jener ging dann ins Theater (1. Abend der Straußwoche) und ich ging nach dem Nachtmahl zu Dr. Schwarzmann, Krugerstraße 17, wo eine Uraufführung von Schönberg’s Serenata war. (Singstimme Jerger). Mir war es sehr unangenehm. Hierauf Pierrot Lunaire (Sprechstimme Gutheil) hat mir schon einen viel stärkeren u. angenehmeren Eindruck gemacht, ich muß aber zugeben, daß ich die Instrumente nur als Begleitung empfand u. ausschließlich auf die Sprechstimme hörte. Dieses Zwischenstehen zwischen Sprechton u. Gesang, wenn es so wundervoll gemacht wird wie von d. Gutheil ist eigentlich das, was mir von jeher als das Ideal vorschwebt (z. B. für meine Gedichte). Es waren wunderschöne u. schön angezogene Leute da. Frau Helene Berg erzählte mir, daß sie einen sehr beglückten Brief von d. Alma bekommen habe, sie sei schon ganz in ihrem Haus in Venedig eingelebt. Neben mir saß Stiedry, den ich seit 1918 nicht gesehen hatte. Er trägt seine Würde als neuer Kapellmeister d. Volksoper mit der gewohnten Unverschämtheit, die mir doch sympathisch ist. Fannina Halle u. Rety saßen auch nicht weit von uns, als plötzlich Georg Halle u. Frau auftauchten, denen es gleich unangenehm war  ; den Höhepunkt dieser Gegenpolbewegung machte Ernys Erscheinen auf d. Bildfläche, der doch zu Frau Halle durch den Vorgänger bei seiner Frau, Herrn Wiener, antiverwandtschaftliche Beziehungen hat. Erika Wagner, eine stattliche Frau, hab ich nach d. Zeichnung von Tischler erkannt. Alle Frauen hatten unsagbar dicke Arme. Das ist doch sonderbar. Als d. Sandwich gereicht wurden, verzogen wir uns. Hans merkte auf d. Stiege, daß er kein Geld bei sich habe u. borgte sich bei Bohumil Kokoschka eines aus (er war der erste, den er in d. Gedränge fand). Um ½ 2 schon geschlafen. Sehr zufrieden, den Eindruck Kirstein durch d. Eindruck Schönberg vertrieben zu haben. (Teufel mit Belzebub verjagen). Während Hans sich Geld ausborgte wartete ich unten im Hausflur. Da ein jüdischer Hausmeister unten stand, erfuhr ich alles im Hause 231

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Wichtige  : „Waren gute Musikkräfte  ?“ frage er mich. Und ob der Hausherr mitgespielt habe. „Warum nicht, wenn er doch musikalisch ist.“ „Der Herr Schönberger hat sich auch tüchtig geplagt, drei Wochen lang jeden zweiten Tag a Prob gehalten.“ –84 Heut hab ich mit Kirstein gefrühstückt, sonst muß ich ihn den ganzen Tag nicht sehen. Dafür morgen. 4.V.1924 Gestern war ich tagsüber im Atelier. Ehrlich plant weitere Bilder mit mir, er empfindet die Gefahr dieses mit d. Phantasie umsetzen beim Malen doch stark u. möchte einmal etwas nur u. nur nach d. Objekt. Bei jenem kommt zu leicht, zu schnell d. Moment des „Nicht-weiter-könnens  !“ Das sind Dinge, die ich auch schon oft durchgedacht habe. Wir kommen einander sehr nahe. Ich kann ihn gut verstehen, weil ich ein gereifter Mensch bin u. mich darum auf ihn einstellen kann u. doch fühl ich nicht mehr den starken Altersunterschied zwischen uns. Er ging dann fort u. ich sah mir die Bilder an, die d. Floch aus Triest mitgebracht hat. Besonders ein Segelbild gefiel mir gut. Ruhe u. Lebendigkeit ausponderiert. Nach d. Frappartstunde holte ich Hans u. wir gingen. – 6.V. In Salome, Festvorstellung Straußwoche, Jeritza war großartig  : anfangs hat sie mich durch ihr böhm[isch-]wienerisches Aussehen u. die abgerissenen („modernen“) Salongesten entsetzt, dann aber eine außerordentliche Steigerung u. sie war hinreißend. Nach Schluß blieb alles sitzen, d. h. nicht zu den Garderoben, die hintern Reihen klatschten stehend, d. andern sitzend, bis Strauß aus seiner Loge hinunterging u. vor d. Vorhang kam. Am Sonntag war endlich der Tag, den Hans dem Kirstein widmen konnte. Ich habe mich ferngehalten, Vormittag im Garten  ; Felix kam zu Besuch (mit Familie)  ; sie brachten einen Artikel des Jehudo Epstein (N[eue] Fr[eie] Pr[esse]) gegen Kunsthistoriker (Rubensbilder – Glück) u. gegen Hans speziell (Nolde) mit. Mittags kam ein von Toni Cassirer empfohlener Hamburger Student Gustav Delbanco u. ich hatte ihn bis inkl[usive] Jause auf mir, es war sehr ermüdend. Aber d. Gespräch zwischen Hans u. Kirstein war erfolgreich, d. „Bibl[iothek] f[ür] K[un]st­ g[eschichte]“ wird wieder ins Rollen gebracht, sodaß auch unsere finanziellen Verhältnisse rosiger werden. Abends bei Nebehay, nachdem wir Steiners abgeholt hatten. Es war diesmal lustig u. angenehm. Aber wieder so spät ins Bett.85 Am Montag hab ich erst d. Kirstein verabschiedet, dann stadtwärts, dem Ehrlich die Bilder u. die eine Lithogr[aphie] in den Hagenbund gebracht, dann mir die Holzschnitte der Heemskerk (Würthle) u. die Radierungen des Eberz (Bukum) angeschaut (Ganz nett, aber äußerlich). Dann mit Ehrlich u. Floch bei Lanyi (Privatsammlung), mir seine vielen u. außerordentlich guten Bilder, Zeichnungen, vor allem das neue Selbstbildnis (mit Plakat u. gelber Frau) von OK angeschaut, das ich 232

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außerordentlich finde, aber die gelbe Frau doch eine gewaltsame Lösung. Ehrlich war ganz begeistert, „versteht jeden Strich“, Floch sprach so viel von malerischen Qualitäten, bis ich es kaum mehr aushielt. Dann war ich in der Miniaturenausstellung (entsetzlich gleichgültig u. ermüdend) u. schließlich Mittag bei Halles. Während d. Mittagessens kamen mit einem Empfehlungsbrief und einem Packerl Blättern Zülow und Ernst Huber „anbieten“. Furchtbar. Wie diese Leute geplagt sind. Halle kaufte jedem 1 Blatt ohne zu handeln u. sie hatten nur so wenig verlangt  ! Abends waren Steiners da u. sie sprach sich noch einmal mit Hans aus wegen seines Briefes. Sie hatte ihm geantwortet, 12 Seiten lang, lauter persönl[iche] Dinge – und der Brief ist verlorengegangen  ! Ehrlich kann ein Atelier für 8 Millionen Ablöse haben. Da Hans vom Kirstein 1000 M Vorschuß bekommt, kann er dem E[hrlich] gleich die Summe vorstrecken. Morgen soll er sich das Geld abholen. Für heute Abb. 49  : Heinrich Wölfflin, Das Erklären von abends soll ich eine Freikarte zum Bergnergastspiel Kunstwerken, 1921 – Nummer 1 in Hans Tietzes ( Je t’aime) bekommen. Nachmittag hat mir G. E. „Bibliothek der Kunstgeschichte“. teleph[oniert], der Hagenbund hat mein Porträt und die Landschaft von Halle abgelehnt. Schwarz-Waldegg hat Protest erhoben, es kam noch einmal zur Abstimmung u. wurde überstimmt. Er war während der andern Jury anwesend u. ist empört über das Biertischniveau dieser Leute. Außer Tischler, Schwarz-W[aldegg], Floch sind doch alle Sumper*. Am empörtesten war er über die Art, wie sie sich zum Plakat gestellt hatten. „Als hätten sie es gar nicht bestellt.“ Seine Stimme am Apparat war markig, wie die eines starken Mannes. Er wird sich jetzt d. Ausstellung, wenn sie gehängt ist, noch einmal anschauen, dann wenn er keinen bessern Eindruck haben sollte als von dem ersten Überblick jetzt, wird er aus d. Hagenbund austreten. „Denn wenn diese beiden Bilder nicht hängen dürfen, darf überhaupt kein Bild hängen.“ (Ich freu mich sehr, daß er auf diese Weise wenigstens das Vereinsmeiertum losgeworden ist.) Mein Teleph[on] war abgelaufen, er ruft noch einmal an  : „Ich bitte sie, sagen sie aber ihrem Mann nur die reine Tatsache – nicht das alles, was ich dazu gesagt habe.“ Es ist wundervoll, wie Hans immer nur durch seine bloße Existenz beispielgebend, vermännlichend auf seine Umgebung wirkt. –86 * Banausen

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Einen Brief vom Hetzer bekommen, der sich entschuldigt, in seinem 2. Tizianbuch mich an verschiedenen Stellen zu zitieren vergessen zu haben. Ein sehr netter Brief, der mir viel Freude gemacht hat. In der Sonne im Garten gesessen, gedichtet. –87 Schenk mir ein Wort – Sei gut – Ein liebes Wort – Ich weiß, Es fällt dir schwer. Hab keine Angst – Ich mach’s nicht auf – Und schau’s nicht an … Ich nehm’ es leis In meine Hand – Und trag’s mir fort – Und trag’s nachhaus – Und schließ es ein … Ich bin, Ich bin so viel allein … Da Hol’ ich’s raus – Halt’s vor mich hin Ganz nah – – – – Mir singt das Blut – Und meine Wangen Werden heiß … Schenk mir ein Wort, – Ein liebes Wort – Sei gut. 9.V.1924 Am Abend des 6. war ich dann im Raimundtheater und hab E[lisabeth] Bergner in Je t’aime gesehen. Das Stück ist furchtbar und hat mich (vor allem auch durch die elende Übersetzung d. Bertha Zuckerkandl) sehr deprimiert. So bin ich also auch nicht zum vollen Genuß der schauspielerischen Leistung gekommen. Um das Mimenspiel genießen zu können, saß ich auch zu weit und dann, sie spielte nach links hin u. wir saßen rechts. Jedenfalls hat der Mensch mit Fleisch u. Blut, den ich so intensiv als Graphik kenne und liebe, mich sehr gestört …88 234

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Am 7. war ich tagsüber zuhause, abends nach vielen Rennerein u. Telephonierereien, um die Loge voll zu kriegen, bei Herodes u. Marianne. Ein unmögliches Stück  ; dieses modern komplizierte Problem – und die altmodische Diktion. Es ist wie von einem Gymnasialprofessor der klassischen Philologie zusammen mit seiner ihn hintergehenden Gattin hergestellt. Mit mir waren Gaby u. G. E., Pepi Berger – alle gleich unzufrieden. E[hrlich] hat mich nachhaus begleitet und sich sehr über meine Kühlheit der Bergner gegenüber gekränkt. Er ist empört wegen der Behandlung, die er von den Hagenbündlern her erfahren hat  ; sie haben ihm 2 Bilder (mein Portrait u. d. Payerbacher Landschaft) abgelehnt, „um ein Exempel zu statuieren.“ So hat es ihm Tischler, der bei der Jury war, erzählt. Gestern war ich vormittag bei Dr. Kurth, auch drinnen bei dem Kranken. Er verwechselt Passivum und aktiv, sagt z. B. „ich freue mich, daß ich bei ihnen eindringen konnte“, sprach sehr wenig, aber schien mit viel Freude der Unterhaltung der andern zu folgen. Mir war es doch sehr traurig, wie die Frau so darunter leidet. Die Tochter, äußerlich und in der Kunst der Rede ein richtiger Untertan, sagte mir  : „da haben wir uns was schönes eingebrockt. Jetzt dauert die Sache schon über 3 Monate.“ – Ich ging dichtend durch die Stadt und Stoffel sprach mich an u. ging auch ein bisserl mit mir u. riß mich heraus. Mittag bei Mama, wo Anderl u. Burgel sehr manierlich gerade beim Essen saßen. Dann Hallekurs – Halle wollte noch eine der für Frau Menczel Abb. 50  : Georg Ehrlich, Elisabeth Bergner, ausgewählten Zeichnungen, die ich ihm für 500.000 Lithografie, 1922. K[ronen] ruhigen Gewissens verkaufte, u. d. Geld dem E[hrlich] in die Lade gab. Nachher brachten mir Frl. Zirner u. Salvendy meinen Hut, der mir paßt, aber nicht steht – und Salvendy jammerte sich auch über d. Hagenbund aus, war derartig größenwahnsinnig, daß es furchtbar peinlich war. Nach dem Nachtmahl wollte ich dem Hans endlich jenes vor Wochen schon beendigte Saulkapitel vorlesen, aber mitten hinein kam der junge Hainisch u. es wurde wieder nichts daraus. Er ist voll feinem Schuldgefühl, daß seine Mutter von Leitmayer, sein Vater von Pick-Morino gemalt wurden – „schließlich übernimmt der Porträtierte für den Porträtierenden eine Art Verantwortung  !“ Ich bestärkte ihn sehr darin (da es mir Hans mit denselben Worten gesagt hatte) und schloß damit  : „Sie müssen sich direkt vom OK malen lassen um die künstlerische Familienehre zu retten.“ Heut früh war ich erst im Österr[eichischen] Mus[eum] bei der Eröffnung einer Architekturausstellung, wo ich vor allem Hans treffen wollte. Ich ging dann mit ihm in die Akademie. Am Weg erzählte er mir die lästigsten u. symptomatisch übelsten Bureau235

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geschichten. Es wird nach gerade Zeit, die Sache zum Klappen zu bringen. So oder so. Endlich haben auch sachliche Interessen ihre Grenzen. Dann bei G. E., der sich fast entschloß, (auf meine Aufforderung hin), mit mir nach Italien zu reisen. Wenn es nur 8 Tage später wäre, damit er die Bergner nicht wieder versäumt. Ich soll voraus fahren. –89 13. Mai 1924 Wieder paar Tage u. viele Aufregungen dazwischen  ! Am Samstag früh hab ich d. Vroni Schuhe gekauft, sie dann ins Hôtel Bristol gebracht, wo G. E. mit ihr bei der Bergner einen Besuch machte. Dann beim Erny, dem ich die schwarze Litho von mir verkaufte. Endlich Hagenbund und Firnistag. Flochs Bilder sahen sehr gut aus. Mit Hans weggegangen, immerzu die Gespräche d. Künstler, die so viel wichtig sich fühlen, daß sie hindert einmal zu Hans Farbe bekennen können. Dieselben Leute, die in d. Delegation damals beim Rennerkontrakt gegen ihn waren …90 Am Sonntag „Biblioth[ek]“ in Gang gebracht. Abends bei Bondis  ; mein Tischherr Schwarz-Waldegg (auf d. andern Seite der mir zuwidere Harta)  ; ein komischer Kauz dieser Schwarz, sympathisch aber abstrus, pedantisch skurril im Reden. Dazwischen immer mit dem Unmöglichsten hineinplatzend die gewisse Schwägerin. Nach d. Carltheater kamen Tischlers mit einer Schwester d. Frau, die dort aufgetreten war – u. noch später G. E., der vom Raimundtheater kam, wo ihn in „Fräulein Julie“ d. Bergner hingerissen hatte. Er fährt nicht mit mir, will nicht von Wien fort, solang die Bergner da ist  ! Um drei Uhr Nacht kamen wir erst nachhause. Gestern den ganzen Tag gelegen. Sehr verstimmt. Hans hat zu seinem am Sonntag geschriebenen Artikel „Wer ist Nolde  ?“ noch einen zweiten über die Rubensbilder geschrieben. Beide sollen im Tagblatt erscheinen. Auch heute meistens gelegen. Auch heute noch sehr verstimmt. Appetitlos. Furchtbare Angst vor der Melancholie – in Venedig einsam – –91 14.V.1924 Gestern abends war Gaby da. Saß bei mir im Garten und das Herz lag ihr fast auf der Zunge. Sie hat ein trauriges Jahr hinter sich u. das Prüfungsdebakel ist lang nicht das Wesentliche. Aber ich hab sie nicht gefragt, was es war. Hans hat eine Sitzung (im Garten des Belvedere) mit seinen Direktoren gehabt (alle inkl[usive] Schubert)  ; soll er gehen oder soll er nicht gehen. Alle natürlich für bleiben. Bleiben, passive Resistenz, gar nichts tun, nur bleiben. Die Zeiten können sich ändern. Sie wollen sich mit den Künstlern versöhnen, Hans soll nicht die Artikel bringen oder soll sie später bringen. Hans läßt sich’s nicht nehmen, bis zu Ende abzureagieren. Zwischen Glück u. den Künstlern mag es ja eine Versöhnung geben, nie zwischen Hans u. jenen. Das hat keinen Sinn. Der Artikel  : Wer ist Emil Nolde  ? erscheint morgen. Heute war ich den ganzen Tag im Streckstuhl. Burgerl hat eine leichte Mandelentzündung mit erhöhter Tempera236

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tur  ; erst am Nachmittag konstatiert, seither liegt sie und schläft. Frau Ehrlich hat teleph[oniert], daß mir Georg Karten zur Bergner (Frl. Julie) anbietet (Donnerstag). Ich habe mich in Mayers Tintoretto umgetan. Ich möchte mit meinen ganzen menschlichen u. dichterischen Erfahrungen an dieses Thema gehen. Dieses Buch von Mayer – von der Bercken ist ein unübersichtliches Konglomerat. Richard Specht hat mich angerufen ( Julius Bittner gestattet es, seinen Namen unter die Protestadresse zu setzen). Als ich ihn fragte  : Wie geht es ihnen  ? – antwortete er mir  : „Seit wann sind wir per sie  ?“ er lud uns ein, ihn zu besuchen. –92 Ich habe Dr. Rapaports Telephonnummer bei Fannina erkundigt und mit ihm telephoniert. Er kommt jetzt noch oder morgen vormittag zu mir heraus. Abb. 51  : Der Schriftsteller und Musikwissenschaftler Richard

15. Mai Specht, gezeichnet von Viktor Tischler, 1921. Burgel hat eine suspekte Angina. Felix war heut Mittag da  ; ich erwarte ihn um 6 noch einmal, er will noch mit Dr. Wendel, der ebenfalls früh da war, hier zusammenkommen. Eventuell gibt er ihr gleich heute noch die Diptherieinjektion. Sie macht einen wenig hergenommenen Eindruck. – Haare gewaschen, im Garten mit Vroni getrocknet. Rapaport hat mir dabei Gesellschaft geleistet. Er weiß nicht, was aus ihm noch wird. Am Ende springt er ganz aus, nimmt einen praktischen Beruf an (wieder Jurist  ?) und holt sich so über Widerstände den Gestaltungsdrang. Durch Burgls Erkrankung stark präokkupiert. Auch voll Angst wegen der vielleicht schon infizierten Vroni. Jedenfalls reise ich nicht am Sonntag …

16.V.1924 Also es war keine Diphtherie, Felix u. Dr. Wendel, die um 6h noch einmal zusammen untersucht haben, waren ganz einstimmig. – Abends bei Frl. Julie (Bergner)  ; sie war weit über d. Stück hinaus Persönlichkeit. Eine wundervolle Schauspielerin, weil sie gar keine ist. Das Stück selbst ist auch ganz anders geworden. Als ich es vor Jahren gelesen hatte, war mir die Rolle des Lakaien das furchtbarste, brutalste Erlebnis – Frl. Julie darum wegen ihrer verzweifelten Sinn237

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lichkeit ekelerregend. Jetzt (gewiß die Nachkriegszeit) sehe ich in seiner Rolle viel mehr das gute, das höher Strebende, das unterdrückt geknickt ist. Und das vergeistigt auch ihre Sinnlichkeit. Ein Erlebnis für lange lange Zeit. 17.V.1924 Der neu eingezogene Nachbar zur linken baut  ; das ist sehr störend, lästiges Geklopfe. Gestern vormittag war Floch da, hat mir meine Einleitung zu seiner Palästinamappe gebracht, die ich gleich korrigiert habe, hat dann adieu gesagt, da er noch gestern nach Paris gereist ist. Er ist in sehr gehobener Stimmung wegen des Erfolgs der Ausstellung. Nachmittag war ich in Klosterneuburg, wo ich in großer Gemütlichkeit 4 Halle Kursdamen „führte“. Nachher Jause auf der Stiftskellerterrasse. Im Marmorsaal wurde gerade die Kunstausstellung, die heute eröffnet werden soll, gehängt. Was ich gesehen habe, ist trostlos. Der schöne Abb. 52  : „weit über das Stück hinaus Persönlichkeit“ – Elisabeth Bergner in Strindbergs schöne Saal, der sich so öligen Kitsch gefallen lassen „Fräulein Julie“, 1924. muß. Abends hatte Hans noch einen Akt zu erledigen, den Schreibtisch abzubauen u. das Kofferinventar zu diktieren. G. E. hat ihn angerufen, daß er dennoch mit mir fährt. Mir hat er kein Wort davon gesagt (als er sich in der Früh nach der Burgel erkundigte). Diese hat heute nur mehr 36°5 Temperatur – ich erwarte den Arzt, der wegen des Belages (der gestern noch da war) schauen muß. Eher laß’ ich die Kinder nicht zusammen. – G. E. hat teleph[oniert]  : „Wenn ich nicht krank bin, so reise ich mit ihnen am Donnerstag …“ – Heut vormittag war Irma Groß hier, sie ist bald 52 und sieht aus wie 30. Wirklich ein Wunder. Überhaupt ein feiner und vornehmer Mensch, der es sein ganzes Leben hindurch mit dem despotischen Mann nicht leicht gehabt hat. Ich hab mich gut mit ihr gesprochen …93 Mittag bei Mama, wo ich mich mit Hans zusammentraf, der noch in letzter Minute furchtbar gehetzt wurde. Vom Buschbeck ein ausgezeichneter Artikel im Tagblatt über den „Kunststreit“. Mir war der Abschied vom Hans so schwer. – und ihm ist er so leicht gefallen …94 (Gestern abend sag ich zum Stoffel  : „Also sag dem Papa jetzt lebwohl, du siehst ihn nicht mehr –“ Stoffel gibt sich einen Ruck u. tritt zu Hans  : „Wie lange hast du die Absicht zu bleiben  ? – Ich frage wegen meines Taschengeldes.“ Hans sagt  : „Etwa 16 Tage.“ – Stoffel  : „Also 3 Sonntage. Könnte ich es im vorhinein bekommen  ? (Es 238

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geschieht.) Ich kann dir leider nicht herausgeben.“ Ich  : „Nein, Stoffel, fang an mit Rührung.“ Er  : „Nachher. – Du sagtest gestern, ich soll mir Sandalen kaufen. Könnt ich das Geld von dir bekommen  ?“ (Es geschieht). Stoffel schüttelt dem Hans die Hand u. verläßt das Zimmer. Am Nachmittag hab ich G. E. auf der Straße getroffen, er lief mir nach u. sprach mich an – ich bin so erschrocken, daß mir noch lange nachher die Beine gezittert haben. Er war sehr verstimmt – hat die üblichen Zahnweh, die er vor jeder Reise bekommt. Stunde bei Frappart – auf Wiedersehen nach Pfingsten. Dann nachhause. Burgl ist schon wieder ganz gesund, morgen darf sie aufstehen. Sie erzählt mir  : „Das Christkind, gell ja*, hat sich kreuzigen lassen, damit die guten Leute in den Himmel kommen  ? Das hat uns das Religionsfräulein gesagt  ; die erzählt immer so lustige Geschichten.“ Dann erzählt sie vom Besuch des Arztes  : „Die Belagerung im Hals ist schon weg …“ Mit dem Stoffel im Mondschein spazieren gegangen u. Gespräche über Planetenentdeckungen (ein wenig schmerzhaft) über mich ergehen lassen. Ein lieber Bub … 19.V. Gestern vormittag war d. Meringerin da u. erzählte mir von Börsen- u. Herzensgeschäften. Nachmittag während Stoffels Fest (Minkas Geburtstag) tobte, mit Gaby Ehrlich einen 5stündigen Marsch ohne Pause gemacht. Kobenzl, Jägerwiesen, Sievering, Himmel, Grinzing. Herrliches Wetter. Ganz klar u. nicht zu heiß. Nach d. Nachtmahl gleich schlafen gegangen. Bis 5h tief u. gut geschlafen. Heute „Biblioth[ek]-Post“ erledigt, den Aufsatz über d. „Kunststreit“ geschrieben, Tintoretto.95 21.V. Gestern ist der von Hans abgefaßte Protest erschienen (in allen Zeitungen). Gestern war ich den ganzen Tag zuhaus. Hab vormittag über d. „Kunststreit“ für die Allgemeine geschrieben. Nachmittag den Verdiroman von Werfel gelesen (Vorbereitung für Venedig). Dazwischen aus der aus Stoffels Zimmer heruntergeholten Kassette in Hansens und meinen ganz alten Briefen. Das ist mir alles noch ganz nah, sogar in der Diktion – – – und liegt doch schon 20 Jahre zurück. Und liegt ein Leben mit Freuden und Enttäuschungen und liegt die Kinder zurück, die doch immer u. immer wichtiger werden. G. E. teleph[oniert] mir in d. Früh, daß er Schwierigkeiten mit d. Visum habe, da man keine Maler nach Italien hereinlassen wolle.96 11. Juni 1924 Am 22. Mai hab ich Georg Ehrlich am Südbahnhof um ½ 10 früh getroffen und wir sind in einem Zuge nach Gemona gereist. Um Mitternacht angekommen. Am Freitag vormittag auf dem Kastell in Gemona, unter uns der offene Hof der Irrenanstalt. *

nicht wahr  ?

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Nachmittag in Venzone, wo G. E. von den Leichen im Karner über allemaßen bewegt war. Er hat sie gezeichnet, bis es finster war. Rückweg den Tagliamento entlang, Gewitter. Am nächsten Tag nach Venedig. Esposizione internazionale, Tintoretto. Ein Vormittag u. ein Nachmittag in Alma Mahlers neu eingerichtetem Haus. Mittwoch abends nach Padua über Fusina. Großer Eindruck von Donatello, Giotto u. Mantegna. Abends Wurstelprater. Am nächsten Morgen (Freitag) nach Desenzano, Salò aus dem Dampfer ausgestiegen, dann aber doch in Gardone gemietet, Pensione Eden. Eine Woche gewesen. Dann nach Riva wo wir zwei Nächte blieben, uns Pfingstsonntag früh trennten. Georg fuhr zurück nach Gardone, ich nach Wien, wo ich aber aufgehalten durch einen Erdrutsch vor Lienz erst Montag abends ankam. Ich will nichts näheres schreiben. Wir haben viel schönes miteinander verlebt u. auch viel Streit gehabt. D. h. nicht viel, aber doch zwei Tage lang. Ich schreibe nichts näheres, damit mir diese ausgespannte Zeit als ein geschlossenes Ganzes beisammen bleibt. Als ich vom Hans die erste Karte aus Wien bekam, entschloß ich mich abzureisen. In Gardone hab ich ein Gedicht gemacht  :97 Laß mich allein – Und meine Träume Schlagen die Augen auf Wie Kinder nach dem Weinen – Und tasten sich durch Licht – verhängte Räume Und brechen vor in Wind – beschwingtem Lauf – Und halten nicht die Lust Und sinken – Die spitzen Knospen an den kalten Steinen –. Laß mich allein – Zur Schale schließen Sich die ernsten Hände Und sind klar – Sind rein – Und gießen Geweihtes Wasser auf die arme Brust Und sühnen – Und wissen nicht, was war Du laßt mich nicht – Es zittern Deine Augen in den nassen 240

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Schleiern und verfließen – Sie sind blind – Und grüßen nicht. Du laßt mich nicht allein – Und es verblassen Die Träume auf den kalten Steinen Und hüllen ihre Knospen ein – Und weinen Hinter Gittern. Das zweite Gedicht am Rückweg in der Bahn. Das ist die Stunde, die ich liebe – Wenn in das rote Licht der Tag verglüht Und aus dem Hafen, Den Zypressen schließen, Zieht Windgewiegt Das Segel, stolzbewußt – Das große Flügelschlagen wie Der Verkündigungsbote. Ich schau ihm nach – Die Hände müd Im Schoße. Und im verschlafenen Geleise blüht Der Mohn … Das ist die Stunde, die Ich sonst so liebe. Und kann Sie heute nicht ertragen. Tu mir nicht weh – Du mußt – Hörst du – Du mußt mir’s sagen – Die Fragen sitzen enggeschmiegt, Die Fragen saugen Mit ihren Augen 241

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An deinem Munde … Der Tag verglüht ins rote Licht – Das ist die Stunde Du siehst mich an Und siehst an mir Vorbei und sagst es nicht. Und ich Versteh Dich wieder – Und ich – Ich halt zu dir – Die Fragen schließen ihre Lider – Und dunkle Glocken läuten tief Im See.

Abb. 53  : „Er ist gar nicht so langweilig, wie er spricht.“ – Geheimrat Paul Clemen, 1925.

12.VI.1924 Gestern abends ist Geheimrat Clemen angekommen, er wohnt bei uns. Er ist gar nicht so langweilig, wie er spricht. Ich bin gestern über ihm fast eingeschlafen, hab ihn heut früh eine Stunde lang schon gesprochen. Frau Ehrlich soll heute operiert werden, Gebärmutter herausgenommen …98 Ich habe große Mühe damit, das Geld für Georg einzutreiben, das wir ihm inzwischen vorgestreckt haben. Die Gedichte dem Hans vorgelesen, dem sie gut gefallen haben. Ich weiß kaum mehr, daß ich fort war, noch weniger wie dort alles war. Dieses Weggeflogen sein von so vielen Tagen, beglückt und erstaunt mich sehr. Heut will ich arbeiten.

15.VI.1924 Gestern bei Steinitz wegen Ehrlichfond gewesen, der nach weiteren Erkundigungen für diesen Monat besonders spärlich ausschaut. Das Atelier im Arbeitsministerium das ihm zugesprochen wurde, ist nur 3’75 x 4’75, die Ablöse kostet 5 Millionen. Er wird schön schnauben. Am Donnerstag ist seine Mutter operiert worden, anscheinend mit gutem Erfolg  ; ich hab ihr Rosen am Freitag gebracht, u. bin dann mit Gaby auf dem Kahlenberg gewesen. Am Samstag Nachmittag hab ich eine kleine Reisebeschreibung Gemona – Venzone angefangen. Vormittag noch die Maurice Sterne Ausstellung bei Würthle gesehen – ohne sonderliches Interesse. Abends wa242

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ren Clemen, Blaschitz und Brockhausen da, post coenam beim Heurigen, spät zu Bett. Heute nachmittag war Tischler (mit Frau) hier, er hat die ersten Lithos seiner Reinhardtmappe mitgebracht, sie sind, weiß Gott, gleichgültig. Er ist verzweifelt über die 15 Porträts, die er da herstellen muß, noch verzweifelter über die schreckliche finanzielle Lage  ; während sie noch da waren, kam Philippi, der direkt selbstmörderisch ausschaut und sich in seinem Elend wie ein Irrsinniger gebärdet. Aber was sollen wir tun  ; wir können ihm nicht helfen. –99 Am Vormittag war Felix da, er reist morgen mit einem Kinderzug nach Italien. Ich hab ihm die beiden letzten Gedichte vorgelesen, die er in Form u. Inhalt weiter entwickelt findet. Vom persönl[ichen] Erlebnis zur Weltanschauung.100 18.VI. Von Georg ein langer Brief, er ist froh, eingesponnen in Arbeit u. Einsamkeit u. glücklich ein Atelier (neben der Pension) benützen zu dürfen. Clemen ist noch immer da, er stört uns aber nicht weiter. Am Montag abend waren wir mit ihm bei Laske, der richtig orientierende (im besten Sinn) Landschaftsaquarelle aus Dalmatien mitgebracht hat. Gestern war ich beim Direktor vom Anderl, hab gebeten, daß die Kinder schon am 1. aus der Schule dürfen u. hab die Vroni angemeldet. Er sagte mir über den Anderl  : „Wissen Sie, der Bub ist ein untadeliger Mensch. Seine Klasse ist wirklich moralischer Tiefstand. Er schaut nicht links u. schaut nicht rechts, geht unbeirrt seinen Weg.“ Pepi Berger hat die Malerin Grete Hammerschlag geheiratet. Es scheint für alle überraschend gewesen zu sein, Lampls gehen an den Molvenosee, das ist zwischen Bozen u. Riva u. wollen, daß G. E. hinaufkommt, da es ja unten mit der Zeit zu heiß wird. Ich habe G. E. Geld geschickt, bez[iehungsweise] es angebahnt, so daß er etwa bis 10. Juli unten bleiben kann. Damit hab ich ihm aber so viel vorgestreckt, daß seine Julirente aus der er mir’s zurückzahlt, fast erschöpft ist. Und das Eintreiben d. Geldes ist sehr schwer.101 23.VI. Die Tage gehen mir bei der Arbeit schnell u. mit gedämpfter Freudigkeit vorüber. Am 19. ist Clemen, der mehr als eine Woche bei uns war u. ein wirklich vornehmer Mensch ist, weggefahren. Meinen Geburtstag hab ich erst am 22. gefeiert, weil das der Sonntag war und zum 20. nur einen Brief von Georg bekommen, dessen eine Seite mit einem sehr lieben Selbstporträt (Bleistift) gefüllt war. Stoffel hat’s mir unter Glas gerahmt. Den Samstag hab ich in der Stadt zubringen müssen, tausend Wege u. a. die (schwache) Ausstellung der Grete Hammerschlag-Berger. Gestern d. Tintoretto im Groben fertig gemacht u. Hans vorgelesen, der ihn „ausgezeichnet“ fand, worüber ich mich vom ganzen Herzen freute. Zum Geburtstag bekommen  : Zeichnungen von Joh[annes] Fischer (Orska  ? schlecht), Helbing, Eberz, Coubine u. ein Aquarell von Le Fauconnier – vom Stoffel einen Federstiel, da ich meinen dem G. E. 243

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in Gardone gelassen hatte, 4 hochstämmige Rosen für den Garten und vom Anderl ein sehr liebes Selbstporträt. Er hatte anfangs Hemmungen es zu zeichnen, da zeigte ihm Hans das des 12jährigen Dürer u. machte ihn auf die Augenstellung aufmerksam, die das Spiegelzeichnen verhüllen soll  ; Anderl warf einen Blick darauf, sagte  : „sehr nett“ und ging ins Schlafzimmer wo er sich vor dem großen Spiegel abkonterfeite. Sichtlich unter dem Einfluß Dürers. Abends waren Steiners da u. am Schluß fragten sie nach Kaschnitz (Gesundheit, Verdienstmöglichkeiten) u. erzählten, daß er (wie aus dem Briefverkehr hervorgeht) offenbar erste Absichten auf Eva habe. Die Frau ist trotz der gewiß bestehenden äußeren Schwierigkeiten ganz für die Sache, der Mann hat Bedenken (Altersunterschied, keine Stellung). Wir haben aus ganzem Herzen zugeredet, für Kaschnitz gesprochen, den wir doch in diesen sieben Jahren herzlich lieb gewonnen haben. Wie mit wenig andren Menschen angefreundet wurden. Das ist selten, wenn man nicht mehr in der ersten leicht Freunde erwerbenden Jugend steckt. –102 Ich schreibe seit vielen Tagen an einem Gedicht u. weiß nicht, ob es fertig, d. h. gelungen ist. Es wächst sich immer mehr zur Wurst aus und ersetzt eigentlich nur durch Additionelles das sich Verflüchtigen der inneren Struktur. Ich bin befangen, weiß diesmal so Abb. 54  : „Vom Anderl ein sehr liebes gar nicht, ob’s gut ist, wie sonst solang ich es niemanSelbstporträt.“ dem vorgelesen habe. Und wer kann es lesen  ?  ! Ich möchte wie bei einem Lied die Vortragszeichen dazuschreiben. Inzwischen fixiere ich es einmal heute, in dem ich’s herein schreibe. – Du schläfst – ich Weck dich nicht. Ich geh Alleine. Doch gib mir deine – Doch gib mir deine lieben Augen mit. Ich schau für dich – Für mich Muß ich nicht schau’n – Wenn ich nur weiß, 244

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Da draußen liegt Der See Und schmiegt Sich an den Schooß Der Bucht – Und drüben In der Ferne Berge blau’n Wenn ich nur weiß, Die Bäume stehen Schwer und ihre Zweige biegt Die Furcht – Wenn ich’s nur weiß, Ich muß nicht sehen. Ei, was ist das  ? Dort springt Vom tiefen Boot Der Steg Ans Land – Sie tragen große Steine, Stück für Stück – Dumpf klingt Der Schritt Hinaus – Und hohl zurück … Sie bau’n Am Uferrand Ein Haus – Das hab ich nie gesehn. zweite Hälfte der Seite Ei, was ist das  ? Eidechsen blitzen Über den Weg – Haltet still – Du oder du Beiß Dich nicht los – 245

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Ich will Ins Gesicht Dir sehen. Du grinsest kalt Bebst doch In Todesnot – Du bist schon Viele tausend Jahre alt Meduse. Und lebst noch –   ? Ei, was ist das  ? Der kleine Esel drängt Sich an die Wand – Krugweis verschnürt Ist seine Last – Und lose hängt Am Mauerring der Strick. Du hast Ihn lieb – Ach, seine Nüstern Meine Hand Berührt – Sie sind So weich – Verrat Mich nicht – Ei, was ist das  ? Im Segel gelb und grün Fängt Sich der Wind – Zitronbrokat Papstmantelgleich – Das hab ich nie gesehn – Ein zweites ringt Sich frei vom […] – ist braun 246

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Und leuchtet rot Im Licht – Und Trikoloren wehn. Reich Ist die Welt – Ich weck dich nicht – Doch hab ich deine Augen mit. 24.VI. Den Tintoretto sogar inkl[usive] Literat[ur]- und Abbildungsverzeichnis „erledigt“. Mit der Lektüre zum Tizian begonnen. Die Regierungsvorlage zu einem neuen Pensionierungsgesetz, das wesentlich schlechter ist, sodaß wir an eine Pensionierung nicht denken können. Noch dazu kommt Burgl nach Haus, sie muß für ihre Zähne vorne eine Maschine bekommen. Wie sollen wir das bezahlen  ?  !103 28.VI. Ich war fast alle Tage zuhause u. hab mich erst für den Tizian eingearbeitet, dann zu schreiben angefangen. Die Vorarbeiten von Hetzer für d. Jugendoeuvre erleichtern es mir sehr, sie sind ausgezeichnet, trotzdem konnte ich noch manches Detail ergänzen. Hans hat den Ofenheim angeschnorrt u. 18 Millionen für d. notleid[enden] Künstler bekommen, die ihm in 3 Raten für die drei Sommermonate ausgezahlt werden. Philippi bekommt jeden Monat 1 Million, Réon der sein 4. Kind bekommen hat, auch etwas, Reinitz 1 Million, damit er nach Berlin fahren kann, wo er für kurze Zeit Lebensmöglichkeit hat (er betreut d. Kinder seiner geschied[enen] Frau). Tischler hat mich heute antelephoniert. Er scheint auch in momentaner Geldverlegenheit zu sein. Hans will ihm das schöne Bild seiner Frau für die Staatsgalerie um 3 Mill[ionen] abkaufen. Ehrlich hat Lampls überredet nach Gardone zu kommen (was ich für irrsinnig halte) und sich telegraphisch Radiersachen bestellt. Alma schickte mir Bilder der Duse aber immer noch nicht das Richtige, das ich für G. E. bestellt habe (das ganz alte, das wir in einer Zeitung sahen, aber nicht kauften, da mir damals schon das Geld knapp erschien). Er versuchte nach dem spärlichen Abbildungsmaterial den Kopf zu zeichnen (m[einer] M[einung] nach beidemale ohne guten Erfolg). Gestern abends war Gaby Ehrlich da u. erzählte, wie sehr sich die Mutter fürchte, G. E. allein in der Wohnung zu lassen, er vergesse immer das Gas abzudrehen etc. Ich möchte ihn aber nicht zu uns heraus einladen, da ich um mein kunsthistor[isches] Arbeitspensum zu erfüllen (auch Kurt Wolff hat gestern geschrieben, daß ich mit der Herstellung der Abbild[ungen] beginnen solle), vollständige Ruhe brauche.104 247

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1. Juli Sonntag hab ich den ganzen Tag an meinem Tizian geschrieben bis zum Loch  : Holzschnitts[…], von dem ich keine Abbild[ung] habe. Gestern vormittag war ich im Atelier Georg u. hab die Sachen zum Radieren zusammengesucht, die Lampl ihm mitbringen wird. Ein Brief Georgs, der in d. Früh kam, enthielt kein Wort darüber, daß er wegen d. Ateliers zurückkommt, im Gegenteil, er bittet noch um Geld, von dem was ihm Dr. Heller angewiesen hat. Hauer widmete mir ein Exemplar seiner neugedruckten Hölderlin-Lieder. Am Nachmittag mit den Mäderln beim Zahnarzt, Burgl muß doch keine Maschine bekommen, die Zähne richten sich schon ein, wir sind alle drei fertig geworden  ; ich (wenn nichts dazwischen kommt) bis Weihnachten, die Mädchen bis September. Hans hat große Unannehmlichkeiten mit der internat[ionalen] Herbstausstellung, […] ist beleidigt, daß man ihn nur als Kommissionär behandelt, er wollte die Bilder auch auswählen. – Vroni legt sich eine von Stoffels Landkarten um den Leib – „aber Vroni, was machst du denn  ?“ – „Nun, es steht doch immer in den Büchern, daß die reichen Leute ‚Atlaß‘ tragen  !“ Anderl hat heute seine Aufnahmsprüfung im Piaris­ten­g ym­ [na­sium] ([…] Type), er war sehr heiter u. sich d. Tragweite dieses Schrittes nicht bewußt. Desto mehr Hans, der ihn hinbrachte u. gerührt ins „mittlere“ Leben einführte. Der arme Stoffel wachte mit einer Augenentzündung auf, das ist kein schöner Anfang bei d. Reise heute … 2. Juli Nachdem ich gestern wegen der Unpünktlichkeit der Professoren u. überhaupt der Umständlichkeiten die für die andern 2tägige Prüfung an einem Tag zusammenzudrängen, diesen sehr wenig angenehm in dem ärarisch duftenden Piaristenkloster verbracht habe – haben wir abends die Kinder in d. Bahn gesetzt, wo sie ein ganzes Coupé für sich hatten, dazu noch d. Aussicht, den Stoffel daneben unterzubringen. Sie waren sehr aufgeregt u. voll Erwartung, jeder anders in seiner Art u. alle mir so so lieb. Mit Hans dann sehr einsam u. abgespannt nachhaus … Nachtrag von Vronis letztem Spaziergang durch die Stadt  : „Warum haben nur so wenig Menschen Denkmäler, wenn sogar die Krankheiten welche haben, … z.  B. die Pest –   ?“ – Heute hab ich einen Artikel über die graph[ische] Ausstellung OK für d. Münchner Zeitung geschrieben. Manche Blätter haben mir einen sehr starken Eindruck gemacht, z. B. Ausblick in eine Gewitternacht, der halb Akt der Russin. Dem Hauer für seine gewidmeten Hölderlinlieder gedankt …105 4. Juli Gestern statt zu liegen, wie ich sollte, lieber am Schreibtisch gearbeitet. Zusammenhänge d. Trionfo della Fede mit Michelangelos Karton. Nachmittag hat mich Hilda Gerhart durch endloses Getratsch belästigt. Nach d. Nachtmahl war Tischler da, er 248

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ist am Ende mit seinem Geld, koloriert mit seiner Frau zusammen Schirmgriffe, 5000 K[ronen] für einen. Mühsam – u. d. teuren Farben, die dabei draufgehen. Hans wird ihm im August aushelfen, er will ihm d. Porträt seiner Frau für d. Galerie abkaufen u. dazu von dem Ofenheim’schen Geld wenigstens einen Teil nehmen. Ich bin heut nach d. Jause mit d. Triumph d. Todes von d’Annunzio fertig geworden. Ich hab das Buch mit viel Widerständen gelesen u. es doch immer wieder vorgenommen. Manches hat mich doch wieder in seiner feinen Menschlichkeit ganz nah berührt. Mit Floch hab ich telephoniert, er ist seit gestern zurück u. kommt heut nach d. Nachtmahl  ; Hans teilt mir grade mit, daß Frankl zum Nachtmahl kommt.106 15.VII. Viele Tage Pause, an denen ich ohne Unterbrechung gearbeitet habe. Heute programmäßig auf d. 48. Seite mit dem Tiziankonzept fertig geworden. Heute hat auch Gaby Ehrlich ihr Rigorosum mit Auszeichnung bestanden.107 20.VII. Heut früh ist Hans auf d. Wohnungssuche gereist  ; mein Brief nach Friesach, in dem ich d. Angebot d. Wirtes annahm, scheint nicht angekommen zu sein und als ich d. Kinder für Mittwoch avisierte, kam die überraschende Antwort, daß kein Platz für sie sei. Großer Schrecken u. Hans’ schneller Entschluß [sich] auf d. Suche zu machen. Ich bin die ganzen Tage weiter fleißig  ; z[um] T[eil] zuhause Tizian durcharbeitend, z[um] T[eil] in d. Albertina für d. Franzosen. Auch über Munch lese ich mich ein, da ich einen Aufsatz über Graphik für d. Graphische Z[eit­]­sch[ri]ft­übernommen habe. Heute war ich den ganzen Tag allein und hab im Garten geschrieben. Zur Feierstunde am sonntäglichen Kahlenberg. Auf einer Wiese oben standen eine Gesellschaft Wiener Bürger beisammen u. beobachteten eine Lerche, die (mit Busch) in den Himmel steigt. Er (Weste am Stock hängend) „Und jetzt’n geht’s im Gleitflug. Und auf dös, sixt es, habn’s die Aviatik ganz genau aufbaut  !“ Sie  : „Wos ham’s aufbaut  ?“ Er  : „Die Aviatik.“ Sie  : „Wos is denn dös, die Aviatik  ?“ Er  : „Na, hörst.“ – Gestern waren Georg Halles da u. brachten dem Hans (zum Dank für d. Einkauf französ[ischer] Zeichnungen) eine Schreibtischgarnitur in schwarzem grau geflecktem Marmor mit. So großartig, daß wenn er nur den Petschaft aufstellt, er keinen Platz mehr zum Arbeiten daneben hat. Er war sichtlich über d. Geschenk verzweifelt. Kaum waren sie weg, haben wir alles tadellos wieder verpackt u. beschlossen, den ganzen Stanahaufn* in dem Geschäft, das laut Umschlag auch Reiserequisiten führt, umzutauschen. Einen Handkoffer können wir ganz gut gebrauchen …108 * Steinhaufen

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Abb. 55  : „Anderl hat Abends Frau Steiner gut in den Block gezeichnet.“

3. August Gestern sind d. Kinder nach kurz vorher erfolgter Ansage eingetroffen. Es war ihnen in Göss zu langweilig  ; schlechtes Wetter. Keine Ansprache, vor allem Depression nach Italien, das kennt man. Hans hat sie abgeholt, da ich beim Leichenbegängnis des Dr. Kurth am Döblinger Friedhof war. Abends wollten wir zu Aida (Mascagni dirigiert, Hohe Warte, Freilufttheater –) bekamen aber keinen Platz mehr. Die Kinder schauen gut aus, sehr fesch beinander. Ich muß mich erst an d. Störung gewöhnen. Über eine Woche lang war Alf da, 2 Tage auch Alfa  ; Ich hab den Munch fertig gemacht. Von Jaffe erwarte ich erst d. französ[ischen] Photos. Ich hab auch einen Artikel für die holländ[ische] Zeitschr[ift] über unsere Breugel geschrieben und ein (sehr gutes) Feuilleton „Über die Neue Instrumentierung von Kunstwerken“ … Gestern in der […] d. Albertina, aller stärkster Eindruck  ! Will darüber für München schreiben.109

6.VIII. Ich habe eine […] von […] zum Beckmann u. dem Buch Rosenbergs über d. faden* Zeichnungen vom Schongauer geschrieben. Lampl ist zurückgekommen  : Georg ist seit Wochen unwohl, Magengeschichte, Kreuzschmerzen „Gürtelrose“. Gerda Müller ist in Gardone, nach einer Operation, bettlägerig, Georg zeichnet sie. Ebenso oft u. oft (aus d. Kopf ) die Frau vom Gelatimann, weil er sich vor ihm fürchtet. Er hat 2 Bilder gemalt, die Frau mit d. Mumie (groß), von der ich d. Entwurf gesehen habe u. die Gelatifrau als Madonna (ursprüngl[ich] war d. Kind dabei, aber Lampl hats ihm ausgeredet u. er hat’s weggegeben). Ich hab mir eine Hemdhose gekauft u. ein paar Leinwandschuh (in einem Ausverkauf 75 M für den nächsten Sommer schon).110 9.VIII. Gestern hat das Vronili sein erstes Mittelvorderzähnchen oben verloren. Anderl hat erst mich, dann Vroni – Abends Frau Steiner gut in d. Block gezeichnet. Ich war mit Gaby wegen d. Ateliers in Gersthof  ; es war aber nicht d. Richtige, sodaß sie heute d. Atelier in d. Porzellangasse (Minist[erium] f. öffentl[iche] Arbeiten) zahlt. Es kostet 6 Millionen von denen Georg das meiste selbst zahlt. Den Rest (1.700.000) strecken * langweilige

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Abb. 56  : Anderl Tietze, Mama.

Abb. 57  : Anderl Tietze, Therese ernst, Zeichnung.

wir vor. Heut reist Therese auf Urlaub. Ich hab schon gestern nur Strümpfe gestopft. Heut will ich d. Aufsatz von Dvorak über Schongauer lesen. Meinen letzten „Fund“ – den mit […] bez. Stich ( Jan Muller), Abendmahl, der eigentlich eine Kopie von Tizians Abendmahl ist (erste Fassung  ? verbrannt 1571 – zweite Fassung Escorial) lasse ich inzwischen bisserl liegen. Der Fund ist nicht unwichtig, weil er mir zu beweisen scheint, daß d. Verstümmelung d. Escorialbilder sich mehr auf d. Breite beziehen dürfte als auf die Höhe (die Tizian selbst 7  :4 angibt) und daß die räuml[iche] Überhöhung, die alte Kopien u. freie Stiche nach d. Bild angeben, unter den Einfluß d. Veroneseabendmahls geschehen ist. Ich will nächstes Jahr über die Kompos[ition] d. Van Dyck arbeiten, vor allem sein Verhältnis zu Italien. Z. B. d. Simson in unserem Museum ist eine Ausgestaltung der Tizianfindung (Boldriniholzschn[itt]).111 12. Aug[ust] 1924 Gestern hab ich als aide mémoire das Aufsätzerl über die „Zigeunermadonna u. d. niederländ[ische] Malerei“ geschrieben. Ehrlich ist in d. Früh angekommen. Schönen Spaziergang abends mit Floch gemacht.112 13.VIII. Heut gegen Mittag war Georg bei mir. Er hat mir das Notizbuch mitgebracht, in das er in Venzone u. Venedig gezeichnet hat, das dann verloren war. Er hat es nach 251

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Abb. 58  : San Zeno Maggiore (11.–12. Jh.), Verona.

meiner Abreise in einer Lade wiedergefunden. Die „Mumien“ von Venzone sind drinnen – ich freu mich sehr darüber. Ich hab ihm viel vom allgemeinen […] in Wien erzählt, er scheint schon einiges davon gemerkt zu haben. Kam ganz ohne Geld hier an, ich borgte ihm eine halbe Million Kronen. Er war mit Anderls Zeichnungen sehr zufrieden, sagt er müsse modellieren. Nach Tisch telephonierte er mich an  : er wolle Kinder unterrichten, nur sehen lehren, sie sollen keine großartigen zeichnerischen Leistungen hervorbringen. Ob man da 100 oder 50 000 K[ronen] pro Stunde bekommen könne. Ich soll ihm Schüler verschaffen. Er war mit Ehrenstein einen Tag in Verona (Parsifal in d. Arena) u. ganz begeistert von San Zeno u. vom Can[al] Grande. Das ist Kunst. Alles spätere hat schon keine Berechtigung mehr. Viel Wahres, aber doch nur persönlich Wahres.113

15.VIII. Gestern hab ich ein wenig die Französ[ische] Graph[ik] zu schreiben angefangen, bei geschlossenem Fenster, da die Kinder u. Gastkinder bei der Höhle, die sie sich gebaut haben, Indianer spielten. Gegen abend berief mich Ehrlich telephon[isch] in die Wohnung u. zeigte mir die Graphik, die er gemacht hat. Die Aquarelle (sicher 2 Dutzend) mußte ich fürs Tageslicht verschieben. Es sind unendlich viel Zeichnungen  ; Skizzen aus einem Zirkus u. von der Straße  ; Porträts, vor allem der Gerda Müller  ; Kompositionsentwürfe, u. a. Thema Totentanz (Mumien aus Venzone)  ; eine Komposition eines (blinden, taubstummen) Knaben der einen Hund im Arm hält, angeregt durch eine Ansichtskarte (Wohltätigkeitsbrief ), die ich ihm einmal schickte. Mir hat vor allem eine Kompositionsskizze (Totentanz) ausgezeichnet gefallen. 17.VIII. Gestern früh war ich beim Floch im Atelier  ; er wollte mir seine neuen Bilder zeigen. Ganz gut gefallen, es geht immer gradlinig weiter, aber nie etwas erschöpfendes  ; er blutet nicht, darum blutet es nicht u. – darum blute ich nicht. Am Abend kam Georg – Stoffel war in Aida (zum erstenmal in einer Oper) auf d. Festtheater der Hohen Warte  ; wir gingen zu dritt, nach dem Nachtmahl mit dem aufgehenden Mond – nachher hab ich Georg zur Elektr[ischen] begleitet. Er ist jetzt ganz allein in der Wohnung, da der weibliche Teil der Familie am Land ist. Er malt im Kinderzimmer. Als ich mit ihm allein war, sagte ich ihm, wie viel stärker mein Interesse auf seine Malerei jetzt gerichtet ist, da d. Meisterschaft des Zeichnens, die er erreicht hat, 252

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nicht mehr den aufsteigenden Reiz für d. Miterlebenden besitzt. Es geht ihm genau so, gestand er mir … 19.VIII. Ich habe für den Hans einen Artikel über Wiener Maler d. Gegenwart, eigentlich über OK, geschrieben für L’Art d’aujourd’hui  ; etwa 5 Seiten lang. Gestern war ich beim Hermann (wegen Emails) u. hab mit ihm die Uraniakurse besprochen u. 2 Einzelvorträge über Wiener Maler u. Wiener Graphiker, die Hans u. ich zusammen halten wollen. Hermann ist beängstigend senil  ; mir tun die jungen Leute leid, die sich so einen Chef gefallen lassen müssen. Hans sagt  : „Hermann ist ein Spezialist  ; er ist spezialisiert auf allen Gebieten  ; das Wesen des Spezialisten liegt nicht in dem, worin er Spezialist ist, sondern daß er keinen Zusammenhang hat, daß er alle Gebiete „auseinanderhält“. In der Albertina hab ich mir Nicoletto da Modena angeschaut (auf Anraten des Hans) u. in der Tat Zusammenhänge mit d. Lyoner Stecherschule (Komposit[ion] u. stilist[isch]) gefunden. Im Hagenbund war Jury für die (Repräsentative) Herbstausstellung im Künstlerhaus.114 20.VIII. Es soll alles genommen worden sein, sodaß die Ausstell[ung] jämmerlich werden wird. Gestern nachmittag mit Dehio, Pollatschek, Buschbeck, Hans unter Führung des Prof. Berthold Czernik in Klosterneuburg. Herrlich schön oder besser  : ein kunsthist[orischer] Hochgenuß – aber sehr sehr anstrengend. Heute den ganzen Tag mit den ersten 16 Blaukopien meiner französ[ischen] Graphik herumgespielt.115 22.VIII. Am Mittwoch nachmittag eine klare Stunde, die schön war. Abends Planiscig mit Frau  ; etwas langweilig, sie besonders ausgesprochen Untergebenengattin. Zu blöd  ! Eine hübsche Frau, die in weniger sie hemmender Umgebung gewiß sehr nett ist. Gestern den ganzen Tag wieder kunstgeschichtlich herumgespielt  ; an einem Gedanken über die Bedeutung (vor allem der reproduktiven) Graphik (durch den Schulgang, Ateliersammlungen etc.) für d. monumentalen Schöpfungen gearbeitet. Die Phantasie kann hemmungslos für d. ersten Concetto aus bereitstehenden Lösungen schöpfen. Aus meiner Sehnsucht nach den Kindern wurde gestern beim abendlichen Spazierganz ein Wiegenlied  : Mußt schlafen – Die kleinen Schiffe stehen Still im Hafen – Nur ihre Segel blähen Sich im blauen Raum – 253

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Sind weiß, sind rot, sind gelb, sind braun. Mußt schlafen – Ich bin ganz still Und atme kaum – Und noch – Und noch die feinen Härchen wehen Im Wind, im Wind, im Wind. Ich bin so froh – Du schläfst, mein Kind – Und doch – Und möchte doch so gerne, Möchte sehen – Deine Augensterne –. 23.VIII.1924 Heut vormittag hab ich erst die Bildbeschreibungen zu den 100 Zeichnungen von Hansens „Bibl[iothek] d. Kunstg[eschichte]“-Buch gelesen. Viel Spaß gehabt, auch darüber, daß ich die meisten gekannt hab. Dann darüber, wie er beim Altdorfer u. Cranach ganz warm wird. –116 Dann bei G. E. zwei Aquarelle angeschaut („Selbstportr[ait] als Mädchen“ und „Italien[ischer] Bub“), die er in diesen Tagen gemacht hat u. die mir ausgezeichnet gefallen haben. Dann einen (auswendig gezeichneten) Mädchenakt, der schon wie eine Studie zu einem Fresko ausschaut, dann das Skizzenbuch (das große, das wir in Venedig haben machen lassen)  ; in dem die Entwürfe zu den in Gardone gemalten Bildern sind. Endlich das eine der Bilder, Tod (Mumie) und Mädchen in Landschaft. Ganz dünn gemalt, in sehr feinen Tönen, gemütlich bis an die äußerste Grenze gespannt. Ein Bild, das man bejahen muß oder verneinen. Das Mädchen, die Impekoven, eigentlich aber eine Kombination von der Bergner u. der Duse, die Mumie ganz in graugrünem Dämmer zurückgezogen u. doch so körperlich greifbar, daß d. lebende Mädchen wie ein Traum daneben erscheint … Hans früh nachhaus gekommen  ; im Kinderzimmer hat die kl[eine] Ilse (Freundin d. Burgl) ein Kasperltheater gespielt, das folkloristisch sehr interessant war  ; alle Motive, die es gibt, wurden ohne logische Verbindung gehäuft. Anderl war bei G. E. zeichnen u. hat sich den Toni als Modell mitgenommen.117 26.VIII. Gestern ein voller, viel zu voller Tag. Erst in die Stadt gefahren, in der Elektrischen ohne Unterlaß in ganz umgrenzten Gedanken  ; beim Schottentor rief mich G. E. an, der aus der Stadt kam, wo er d. Akademie ein Modell bestellt hatte u. dann in d. Albertina die Ausstellung angeschaut hat. Ich hab mir in Mariahilf Stoff auf ein 254

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Nachthemd u. zwei Combinations gekauft, da Therese in dieser Woche für mich näht. Mittag bei Mama den Anderl abgeholt, mit ihm ins Obere Belvedere – dort hat Grimschitz uns alles gezeigt (Hans kam dazu). Dann kurzes Ausruhen wieder bei Mama u. mit Anderl u. Stoffel im „Böhm in Amerika“. Anderls erster Theaterabend. Er war unbeschreiblich aufgeregt u. vergnügt. –118 Schlecht geschlafen, trotz Schlafmittel. Heut früh Kopfweh. Zuende gedichtet  : Deine Stimme klingt rauh – Du hast lange geschwiegen – Und deine Augen sehen Mich noch nicht. Ich aber schau In sie hinein  : Die Luft ist regenschwer, Die Berge liegen Im Dämmerlicht – Und wegverloren Steht Die fremde Frau … Mein Gott, ich habe niemals Ihren Tod erfleht Und ungeboren Sanken meine Wünsche – So mußt’ es wohl geschehen … Ich weiß nichts mehr Von mir. Möchte wieder gehen, Bevor du mich gesehen, Bevor du mich erkannt – Und traurig lächelst du Und reichst mir deine Hand … – . – Ich weiß nicht, ob die Stimmung herausgekommen ist. Der für mich ungewohnte Rhythmus macht mich befangen … Ich war heut Mittag bei G. E., hab ihm Geld gebracht, das mir Hans geschenkt hat, damit ich Zeichnungen kaufen kann. Ich hab zwei von denen nachhause genommen, die er im Frühjahr von mir gemacht hat, er hat sie aber zuerst – vor allem „die Matrone“ – ganz durchkorrigiert. Dann drei Aquarelle von jetzt zur Auswahl. Mir fällt die Wahl so schwer … 255

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Wir haben beim Zögernitz zusammen Mittaggegessen. Jetzt stehen alle Blätter in Passe-Partouts um mich und ich bin sehr froh. – 31.VIII.1924 Ich erwarte Frl. Dr. […] aus Groningen, die sich teleph[onisch] angesagt hat. Vormittag mit den Kindern und Hans spazieren, Eiserne Hand, Leopoldsberg, Nase hinunter. Heiter, am Schluß Regen. Ich schließe beim 26. an  ; Hans hat die Aquarelle jetzt nicht gewählt, erst bei d. Schau (27.) Ich hab einen Spaziergang mit Dr. Rapaport gemacht, der voll Todesgedanken ist, die er leider etwas banal vorbringt. (28.) Bei Ehrlich – das zweite große, wirklich ausgezeichnet komponierte Bild gemalt, das einen Pierrot auf einem Esel zwischen zwei Frauen darstellt  ; die eine (die Italienerin Lodi) trägt ein Kind. Ich hab ihm das Buch über Piero della Francesca gebracht, neben dem ihm alle seine Sachen „nur so zufällig“ vorkamen. (29.) Ich hab einen Artikel von Leger über das moderne Spektakel übersetzt (Katalog d. Theaterausstellung), es war mir nicht leicht, ist auch nicht besonders gelungen. Nachmittags allein spazieren gewesen, Abb. 59  : Katalog der internationalen Theaterausstellung 1924, Selbstmördersketch erfunden, SchlagGestaltung Friedrich Kiesler. wörter. In dichterischen Erinnerungen (Lauschen auf d. Atem d. schlafenden Geliebten – Aus einer Türe gehen, absperren, das Zimmer bleibt zurück) gegangen. Abends zum erstenmal Ehepaar Dr. Perutz, auch Felix. Nicht amüsant. Stoffel fühlte sich allzuwohl, von diesen Naturforschern in d. Mitte gestellt. Gestern (30.) Ich hab fast den ganzen Tag bei Ehrlich (erst in der Wohnung, dann im Atelier) das Material für die Ausstellungen Hagenbund, Berliner Juryfreie und für Mustersendungen nach Berlin, Mannheim u. London verbracht. Bei dieser Gelegenheit auch mein eigenes graph[isches] „Lager“ komplettiert.119 1. Sept[ember] 1924 Mit vieler Mühe das Feuilleton über die Belvedereeröffnung fertig geschrieben, im vorhinein damit mir dann nicht zu viel zusammenkommt. Kopf gewaschen, versucht über C[laude] Vignon die Bildbeschreibung zu machen, das M[anu]s[kript] vom Hugelshofer über d. Altschweizer Malerei gelesen (ganz gut). Gaby ist angekommen, wir wollen demnächst miteinander spazieren gehen. Heute allein in der Wildgrube gewesen, sehr windig, zu dichten versucht …120 256

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3. Sept[ember] Gestern mit Gaby spazieren, dann zu Fuß zu Lampls, sehr müd, kurz geblieben, früh nachhause. Vorher bei Tischler, die Bilder angeschaut, die er zur Ausstellung schickt. Er hat anscheinend wieder einen gewinnbringenden Auftrag (Porträt einer Baudirektorsgattin) u. ist bisserl aus d. Wasser. Lätty Gerstel auf der Straße getroffen. Sie hat im Jänner ein Arsenbergwerk gekauft u. anscheinend ihr ganzes Vermögen hinein verloren. Heut vormittag Albertina, wollte meinen „Fund“ „Mars u. Venus“ von Botticelli nach einem röm[ischen] Sarkophag nachprüfen, ob Warburg das schon gewußt hat.121 In der Elektr[ischen] ein kleines Gedicht nach einer Erinnerung gemacht. Ich glaub, es ist nicht viel dran, aber ich weiß eigentlich nie etwas näheres, während ich schreibe. Begegnung Ja, – Manchmal ist Der liebe Gott Ein guter Mann, Hat einen langen Bart, Und ein liebes Gesicht Wie ein Großpapa, – Ja – – Ich traf dich heut – Und hab vorher doch nicht An dich gedacht – Auf einmal standst du da – Ich war So froh – Vor lauter Freud Ganz stumm – Sah Dich nur an – Und mir fiel gar nichts ein – Und hab nur dumm

Abb. 60  : Georg Ehrlich, Pierrot und Esel, ca. 1920.

Abb. 61  : Claude Vignon, Anbetung der Heiligen Drei Könige.

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Gelacht – Weil’s gar So plötzlich war – Und ich vorher auch nicht ein bißchen – – Das heißt – Natürlich – Hatt ich – Grad – An dich – Gedacht … 4. Sept[ember] Heut hab ich meinen Paß erledigt  ; dazwischen im Beserlpark* hinter der Börse ein Gedicht gemacht. Wir treten aus der Tür – Und du Sperrst zu … Gleich vor dem Haus Greift uns die Straße – Lärm und Licht – Und schleift uns fort … Und war so still bei dir … Vielleicht Weht noch der Vorhang an dem Fenster – Es steht das Glas noch dort, Vielleicht – beim Bett – Die Lampe ist vielleicht noch warm – Der Duft, den ich so liebe, Starb noch nicht – Im Spiegel träumt Vielleicht noch ein Gesicht … Am Nachmittag kamen meine Blaudrucke, die grauslich ausschauen u. mich schon gar nicht begeistern. Aber ich muß jetzt anfangen. Stefferl u. Frau Neher sprachen kurz vor, Floch holte mich zum Spazieren gehen ab. Anderl hat sein erstes Blumen- u. * kleiner Park

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Früchtestilleben gemalt (in bunten Stiften). Wirklich gut. Heut abends hätt’ ein Japaner kommen sollen, Kunsthistoriker, Universitätsprofessor. –122 5.IX. Kam auch aber verspätet  ; war ganz interessant u. doch ein trauriger Gedanke, wie unsre uns gelegentlich schon etwas unnötig vorkommende Wissenschaft auch die Leute, die es doch gar nicht einmal angeht, ankränkelt. Der schwer u. langsam u. gleichförmig sprechende Mann hat uns unsagbar schläfrig gemacht. 9.IX.1924 Am 6. hab ich zu schreiben begonnen  ; abends mit Hans im Schönbrunner Schloßtheater – wußten beide nicht, was gegeben würde u. ließen uns im Theater erst überraschen. „Unsere kleine Frau“ von  ? – Ganz banal, stellenweise zum Lachen, mäßig gespielt. Wir wollten den Abend zerstreut haben u. in d. Nähe des Westbahnhofes, wo wir um ½ 11 Dr. Knuttel aus d. Haag abholten, der d. holländischen Bilder für d. Internationale nach Wien brachte u. hier auch einen Vortrag (13.) halten soll. Er wohnt bei uns, hat gar keine kunsthistorische Interessen, dafür lästiges Anschlußbedürfnis. Am Samstag hab ich tagsüber geschrieben u. war abends mit Hans in d. Zauberflöte. Ein (mir unbekannter) alle Tempi verschleppender Dirigent, die Aufführung viel zu sehr im Geist der Goetheschen Iphigenie statt des 18. Jhs. Sonntag wieder geschrieben, am Abend ein Weilchen nur mit Hans spazieren. Montag (Feiertag) war Hans mit Knuttel u. Anderl in Rekawinkel bei Dr. Junk – ich zuhause, hab geschrieben – bis gegen Abend. Dann mit Floch zusammen u. s. w. Es war schön – aber die Luft war schwer. Heut wieder geschrieben – jetzt am Nachmittag halt ich vor dem letzten Absatz  : Callot. Den will ich noch erledigen. Dann Nachträge – im Übrigen fängt ja morgen die Ausstellunggeherei an, Vernissage in d. Internationalen – oder wird die nur „eröffnet“  ?123 11.IX.1924 Gestern hab ich früh mit dem Floch einen Graphikkasten um den lächerlichen Preis von 250.000 K[ronen] gekauft. Im ehemal[igen] Arbeitsminist[erium], mir bei dieser Gelegenheit G. E. Atelier angeschaut. Nachmittag bei d. Vernissage der Internationalen, sehr interessant und ermüdend. Heute Eröffnung, Hans hat den Bürgermeister Seitz geführt  ; gestern im Abendblatt (Tagblatt) ist mein Artikel „Über die neue Instrumentierung von Kunstwerken“ erschienen. In d. Ausstellung alle Menschen gekannt, gesprochen, todmüde. In den Gärten noch das Laub ganz dicht, Regen der nicht durchdringt – aber man hört ihn  ; schön, schön – mir ist warm und traurig ums Herz. Mittag bei Halles, nachher Mama, „Lokalchronik“ angehört, Kern pleite, die alte Door aus dem Steinhof in die Freiheit entlassen, zieht zur Tochter, die sich scheiden ließ. Auch Franzl Stern läßt sich scheiden, die Frau von Rich[ard] Peter Baum259

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feldt hat sich’s Leben genommen u. die Paula Wahrmann ist vom Loser abgestürzt ohne sonderlichen Schaden zu erleiden …124 Sehr gut gefällt mir noch immer die Landschaft von OK, das eine Bild von Rouault, Pascin.125 15.IX. Am 12. hab’ ich tagsüber in d. Albertina gearbeitet. Am 13. nur in d. früh, den Katalog im Großen fertig gemacht, dann die Ausstellung vom Gregor über Theaterinszenierungen u. Schauspielerportraits angeschaut, die Mopp-Graphikausstellung bei Heller, die Schatzausstellung bei Nierenstein, die große Moppausstellung im Hagenbund. Er ist leer, aber ein Virtuose. Nachtisch das Feuilleton über d. Internationale erledigt, dann mit Gaby zum Vortrag von Knuttel in der Sezession, der „[…]“ war. Café Museum in größerer Gesellschaft, Jungnickel, Frankel, Grimschitz, Dolbins …126 Beim Liebenbergdenkmal Georg mit Groag getroffen (unsympathisch). Sonntag Arbeitstag. Mopp-Besprechung, Französ[ische] Graphik-Reinschrift begonnen. Sehr heiterer Tag. Abends mit Floch, der seine Mappe brachte, spazieren. Heute Regen, Arbeitstag zuhaus. Vom Holländer vielfach in Anspruch genommen  ; er war gestern bei Jungnickel, der ihm Graphik teurer anhängte, als sie d. Würthle verkauft. Am späten Nachmittag bei Georg im Atelier, Graphik einräumen geholfen. Desolate Wirtschaft. Er hat mir sein in Venedig gekauftes, in Gardone vollgezeichnetes Skizzenbuch geschenkt (das Große). Ich bin sehr sehr froh damit. Abends ist Dr. Knuttel abgereist. Hans ist Lili, Maja u. Majas Bräutigam abholen gefahren, dieser wird bei uns wohnen. Wir haben unsern Graphikkasten bekommen. Er war zu groß, geht nicht über die Stiege, muß zerlegt werden. Hoffentlich morgen, denn so versperrt er uns das ganze Vorzimmer  ; der Gang aufs WC ist wie eine Kaminwanderung.127 20.IX. Ich hab lang nicht geschrieben, Familie ach ja, heute früh ist noch dazu Ilse mit Kind angekommen. Mir ist Familie furchtbar lästig. Mit meinem Abschreiben (französ[ische] Graphik) bin ich fast fertig, sodaß ich heute einen Spaziergang am Vormittag mit d. Gaby mir leisten will. Am Dienstag war ich (mit Lili) in Hans’ französ[ischem] Vortrag, „Moderne Wiener Kunst“, (Universität, Internat[ionale] Hochschulkurse)  ; er hat auch d. Bilder von Merkel, Floch u. meine Loferer Zeichnung vom Georg im Diapositiv gezeigt, es war sehr eindrucksvoll u. hat mir viel Spaß gemacht. „Man kann nicht nur mit dem Haß (haine) erobern, sondern auch mit der Liebe“ – hat er G. E. charakterisierend gesagt. Am Mittwoch war ich G. E. im Atelier abholen, er wollte eine Zeichnung korrigieren, hat aber dann die Bleistifte nicht gefunden. Wir gingen zu fuß zu Hans’ Vortrag in der Sezession und ich erzählte ihm am Weg von dem Künstlerhaus, wo ich am Morgen gewesen war. Die Ausstellung ist trostlos repräsentativ, der Hagenbund im großen ganzen nicht besser, als d. andern 260

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Vereinigungen, Floch u. vielleicht ein bisserl Tischler ausgenommen, die Arbeiten von Ehrlich wirken ausgezeichnet (Am Eröffnungstag haben 20 Leute den Hans gefragt, ob die Impekoven die Vroni wäre. Er sagte „nein, aber die Lithogr[aphie] ist meine Frau.“) Der Vortrag vom Hans (Expressionismus) war der menschlich stärkste Eindruck, den man erleben kann. Jedes Wort wurde vor dem Zuschauer erst geboren, rang sich heraus, das Temperament, die Selbstverzehrung war überwältigend – dabei wundervolle Witze, umwerfend ein Ereignis. Der Beifall war auch ungeheuer. Man will ihn wiederholen lassen, aber es kommt nicht dazu, weil der einzige Tag, der in Betracht kommt, Dienstag ist, u. am Dienstag d. Eröffnung d. Theaterausstellung vom Kiesler …128 Wir sind mit Gustav Schönberg per Auto nachhaus u. haben zuhaus Tee getrunken  ; ich mußte ein Schlafmittel nehmen, weil ich vom Vortrag so aufgeregt war. Donnerstag war ausschließlich Familientag – am Abend sogar noch Felix u. Hertha, Abschiednehmen. Lili hat eine Litho von mir für das Breslauer Museum gekauft  !  !  ! Solche Dinge kommen vor. Ich glaube, sie imponiert sich riesig. Freitag hab ich ein paar warme Stunden gehabt. Vorher fleißig gearbeitet, nachher bei Lampls, Propaganda für die Internationale. Letzten 37ger versäumt, zum großenteil zu fuß (allein) nachhaus. Mondschein. Nacherlebt, nachempfunden. Ich bin noch immer ganz jung. Kommt das vom Dichten oder ist das umgekehrt  ? – 21.IX.1924 Gestern vormittag mit Gaby auf dem Berg  ; strahlender Sonnentag. Nach Tisch bei Jaffé, die Drucke angeschaut, abends Don Juan von Gluck und Die Ruinen von Athen von Beethoven. Ilse mit Ivo angekommen. Der Beethoven war wunderbar in der Linie und Andacht. Heute Majas Bräutigam mit Maja abgedampft u. Lutz mit Heinz angekommen. Alle vormittag zu besuch hiergewesen. Hans wiederholt seinen Vortrag in der Sezession am Dienstag. Ich hab schon mehrere teleph[onische] Gespräche daraufhin geführt. Die Theaterausstellungseröffnung ist auf Mittwoch verschoben, wir reisen erst Donnerstag.129 1. Oktober Und wir sind erst Donnerstag früh fortgereist. In einem bis Lienz, wo wir gegen 10 Uhr ankamen, in der Post ein Bier tranken u. zu Bett gingen. Frühstück auf sonniger Terrasse. Weiterfahrt bis Bozen, wo wir den zweistündigen Aufenthalt gut ausnützen (Mittag beim Greifen, alter Erinnerungen voll). Aus dem Gebirge in den Süden hinaus, während d. Wetter sich – trübte. Fast Mitternacht Verona, wo wir Accademia in einem Zimmer so groß wie unser Haus übernachteten. Zanzaren. Hans weckte mich, weil ich mich immerfort kratzte. Ich kroch dann ganz unters Leintuch u. hörte ihr belagerndes Geflöte durch. Bei herrlichem Wetter Morgenspaziergang durch die Stadt, S. Zeno, das Bronzetor, Fassade  ! Innendurchblick – Mantegna noch im 261

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Abb. 62  : Ilse von Twardowski mit Tochter Ivo, 1924.

­ useo, – Theater. Ebenda auch mittaggegessen, Nachmittag Museum, der Mantegna M sieht in d. nächsten Nähe furchtbar aus. Alles andre ähnlich unerfreulich. Nach Turin gereist, wieder bis gegen Mitternacht, mehrere Hôtels komplet, von einem Dienstmann ins Albergo Porto di Genova geführt. Frühstück im Café S. Carlo, Schokolade u. Kaffee gemischt, Gebäckspezialität. Vornehme großräumige Stadt, hinauf auf d. Kapuzinerberg, da zur Superga keine Zeit. Das Museum sehr gut (Franziskus v. Van Eyck, ganz kleines Bildl mit einem monumentalen Erinnerungsnachbild, weil es so voll Menschlichkeit ist  ; Pollaiuolos Tobias. Ikonograph[isch] merkwürdiges Bild Abrah[am] u. Sarah Hagar vertreibend von Fabritius (schön)). Nach Tisch durch das mächtige Tal – Kastanien u. Schneeberge – mit d. elektrischen Bahn auf den Mont Cenis. Dann die französ[ische] paar Kilometer nach Grenoble in einer Anzahl Stunden, finstere Coupés, unverständl[iche] Zurückgebliebenheit jeder Reisekultur nach Grenoble, wo wir wieder gegen Mitternacht ankamen (Hôtel des Alpes, kaltes Zimmer, sonst sehr angenehm). Blauer Montag  ; nach ein paar unbedeutenden Kirchen hinauf aufs Belvédère, den hohen Berg mit alten Fortifikationswerken, der die Stadt beherrscht. Mittag in einer Art Bauernhaus (Pergola) mit allen möglichen Gängen von Eierspeisen u. Crémes. Auf einer Wiese d. Mittagsstunden verschlafen u. ins Blaue geschaut, unten die Isère durchflossene Stadt, drüben die Kette der 262

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Schneeberge mit dem Montblanc als dem letzten. Ziegen eine ganze Herde, Buben wie junge Satyrkinder, ihren Dialekt bellend mit männlich tiefgelegten Stimmen, in Sprüngen den Berg hinauf. Fast über mich purzelnd, als wär ich unsichtbar – oder sie. Am nächsten Morgen ins Museum, gute modernste Galerie, da der Direktor ein Schwager eines dieser Maler ist. Um 12 sollten wir wegfahren, hatten aber eine Stunde Verspätung, sodaß wir annahmen, den Anschluß an den Express Paris-Marseille in Valence versäumt zu haben. Dieser aber war sonderbarer Weise nicht schon ½ Stunde weg, sondern kam erst nach einer weiteren ¼ Stunde in Valence an, sodaß wir über alle Erwartung doch noch bei Tageslicht nach Orange kamen. Bleierne Gewitterluft, die weißstämmigen Platanen steigen gespenstisch aus d. Straßenpflaster. Triumphbogen, großartig erst wenn man dicht davor, sonst als Vedute unbedeutend. Mitten in der Stadt das antike Theater  ; die gerade Bühnenrückwand ungegliedert riesengroß gegen einen Platz gestellt, die Sitzreihen im Felsterrain  ; das Oval unten – ein See  ! Überschwemmung vom letzten Mittwoch. Phantastisch in dem unheimlichen Licht. Wir gehen zur Bahn, es ist gegen sechs, ½ 7, unser Zug soll erst um 10 abgehen – aber siehe da, der frühere fährt gerade ein, er hat nur 2 Stunden Verspätung u. wir kommen zur Nachtmahlzeit nach Avignon. Hôtel Grillon. Über unsere Verhältnisse vornehm u. teuer. Wasserleitung im Zimmer. Platzregen, Kälteeinbruch, die Kälte hält heut d. ganzen Tag an. Kirchenbesuch, dann Papstschloß (stark restauriert), ohne Loignon imponierend  ; der Dom mit wunderbarer Lichtführung in den gewaltigen Formen. Museum Calvet (Katalog gekauft), eine gallische Skulptur, Löwe Menschenfressend, antike Reliefs, schönes Glas, zumeist unbedeutende Bilder, die paar guten Stücke in d. Masse verschwindend. Spaziergang hinüber nach Villeneuve, das Philipp d. Schöne als Gegenfestung gegen d. aufblühende Avignon angelegt hat. Von der durch eine Insel in 2 Arme gegabelten Rhone getrennt, liegen die beiden Burgenstädte. Villeneuve war riesengroß, jetzt wohnen nur 2000 Leute dort, haben sich irgendwie in den Gemäuern einquartiert. Trümmer einer ungeheuren Großartigkeit, wie wenn eine Peterskirche zertrümmert wäre. Zurück vor einem aufziehendem Gewitter (violett, schwefelgelb, rhoneabwärts idyllisch blau) schnell die Stunde wegs, auf die Gefahr hin naß zu werden – wann werden wir wieder es sehen  ?  ! Noch einmal den Eindruck aufgenommen …130 3. Oktober 1924 Heut ist Burgls Geburtstag. Gestern sind wir nach Carpentras gefahren, der Ort ist ganz nett gelegen, von der Bastei schöner Blick auf den Mont Ventoux. Damit hatten wir die Spuren Petrarcas betreten. Wir aßen […] u. fuhren mit d. üblichen Verspätung nach Isle sur Sorgue, um mit d. Autobus in d. Schlucht Vaucluse zu gelangen – aber der Autobus ging nicht (1. Okt[ober] Saisonschluß) u. wir nahmen ein Taxi. Am Ausfluß ins Tal Papierfabriken. Kalkfelsen ungeheuer hoch immer näher, enger um die Wasserfälle. Oben dann in den Steilwänden ein ganz stilles, vielleicht stehendes 263

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Wasser von großer Tiefe u. Klarheit. Bäume u. Büsche wachsen und stehen unter dem Spiegel. Rätselhaft. Den Weg hinauf Stände mit Verkaufsgegenständen unmöglichster Art, Cafés, Coiffeurs etc., alles auf das Paar Petrarque et Laure orientiert. Hans hat natürlich ein Sonett gedichtet (für Steiners), mir ist nichts eingefallen. Abends nach Arles gefahren (Viel Spaß mit einem Hund im Coupé). Heut vormittag Besichtigung von Arles, die ersten ganz großen kunsthistor[ischen] Eindrücke (St. Trophime Portal und Kreuzgang) u. die landschaftlichen des durchsonnten Theaters u. der Arena. Spaziergang nach Les Alyscamps, die einzigartige Gräberstraße zwischen den einsamen Platanen. An Dvorak gedacht. Nachmittag in Montmajour (4 klm zufuß). Schöne Ruine, kleine Steinkapelle geschlossener Wirkung. Angst vor d. Nacht, da das Bett schlecht.131 4.X. In der Nacht furchtbares Gewitter. Heute den ganzen Tag Regen, gelegentlich Platzregen. Abfahrt früh um 8 nach Tarascon, Stiegenabstieg zur Kleinbahn nach St. Rémy („Je vous attendais“ rief uns der Schaffner zu und ließ erst nachdem wir eingestiegen waren, den Zug abfahren). Dort nahmen wir ein Taxi u. fuhren in die leicht übergrünten Kalkberge nach Les Baux. Große Stadt, berühmter Minnehof, im 14. Jh. entvölkert, im 17. verlassen. Jetzt nur mehr etwas über 100 Menschen dort. Die Stadt schon damals z[um] T[eil] in die Felsen hineingebaut. Weiße Felsen, zersägter Stein, Riesendimensionen, aufragende Mauern, laute Klage. Unten die Ebene, erst Ölbäume in roter Erde  ; dann weiter endlos vielleicht ins Meer ausklingend. (Eine Schlucht soll Dante zur Bolgengliederung angeregt haben). Auf d. Rückfahrt bei d. Triumphbogen und Grabmal d. Julier (1. Jh.) in St. Rémy ausgestiegen. Viel an Mantegna gedacht (Tempesta), in St. Rémy dejeuniert, nach Nîmes gefahren. Hier sehr liebes Hôtelzimmer, in dem alles da ist, nur die Sonne fehlt. Dafür Regen ohne Ende. Spaziergang durch die Stadt mit besonderer Berücksichtigung der Magazins, die Rideaux gespannt haben. Arena – von außen. Maison Carré auch von innen (kleine Sammlung von Antiken u. Münzen), da ganz intakter, immer gedeckter  ! Tempel (Pseudoperipteros mit Anten vorne). Romanische Kirche von 1830 mit Fresken von Flandrin […].132 9.X. Am 4. Abend waren wir noch im Theater. „Veronique“ von Messager, muß wohl um 1860 geschrieben sein, anfangs unsagbar fad, dann ganz nett, sentimental – vorBizet  ? Am 5. früh Besichtigung von Nîmes bei beginnender Sonne. Arena, Theater, trostloses Museum. Noch am Vormittag nach St. Gilles, wo wir den kurzen Aufenthalt zu einem Run aufs Kathedralenportal benützten. Proletarierdorf, vor uns Zirkusleute durch Musik zum Spiel rufend, die Kathedrale verzweifelt einsam in dieser Umgebung. Weiter mit d. Eisenbahn nach Aiguemorte, wo natürlich Jahrmarkt war. Die quadratische Stadt rings von Mauern umgürtelt, über die wir einen Rundgang 264

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machten. Der invalide Concierge begann seine Erklärung bei einem Loch u. da andre Leute immer nachkamen, begann er sie immer wieder. Eier gegessen u. Bananen, die Reste in Schießscharten gelegt, durch den Ruinenkranz schöne Durchblicke über die Bocciaspielende Bevölkerung lange genossen. (Nur Männer als Zuschauer, natürliches Stadion). Fußwanderung nach Grau-du-Roi, in die sinkende Sonne, ans Meer. Zum erstenmal  ! Draußen geblieben bis spät abends, fast alle Zugänge zur Bahn überschwemmt.133 Am 6. (Montag) in Nîmes im Lapidaire, dann schöne Gartenanlage (18. Jh.) mit Fontaines über röm[ischen] Fundamenten („une broderie Louis XV. sur un Canevas Romain“), zuhöchst Tour Magne, Zugang freie Wendeltreppe, daß sich mir der Magen umgedreht hat. Am Nachmittag Ausflug nach Pont du Gard, herrlicher Spaziergang von 3 klm zu dem allergewaltigsten Aquaedukt, das dort in 3 Bogengängen durch eine Schlucht führt. Ganz zuhöchst ein paar Leute drübergegangen, u. man verstand jedes Wort, das sie sprachen. Blauer Himmel u. rotgelber Stein. Abend nach Montpellier, dessen schönes Museum wir am 7. besichtigten. Sammlungen zweier Mäcenen, von denen der eine Bruyas 100 x von den verschiedensten Leuten gemalt ist (u. a. bekanntlich Courbet). Am Nachmittag Reise nach Carcassone Zug überschlagen in […], unserem entferntesten Punkt, ganz nah schon der spanischen Grenze, die Leute wirken schon ganz unfranzösisch, die Aufschriften gelegentlich spanisch, man hört viel spanisch sprechen. Am nächsten Morgen Spaziergang in d. „Cité“, die noch eine Steigerung von Aiguesmorte ist. Mit famosen Durchblicken, im ganzen aber zu restauriert. In d. Kirche ein völlig unrestaurierter Sakristan aus d. Zeit d. Gründung, der nur mehr piepsen konnte. Zwei Engländerinnen  ? Mutter u. Tochter, sahen sich d. Sehenswürdigkeiten an, während der Vater jedesmal draußen in d. Sonne seine Pfeife rauchte. Am Nachmittag Reise Marseille.134 10.X. Gestern war d. erste Tag in Marseille. Früh Gänge wegen ital[ienischem] Visum u. Schiff nach Genua, das aber nicht geht, sodaß wir mit d. Bahn fahren werden. Hafen, […], mit d. Accenseur nach Notre Dame de la Garde, Kirche mit Zugbrücke  !, in d. Eingang Buden, in denen weiße Nonnen Gebrauchsdevotionalien verkauften. Votivtafeln in Menge, darunter eine f. d. Madonne pour la réuscite de l’examen. Nachmittag Museum, interessant. Pugetsammlung (auch Abgüsse u. Photos) u. Spazierfahrt „auf d. Spuren des Grafen Monte Christo“ nach d. Chatéau d’If. Kleines Motorboot 2 Leute seekrank, ich nicht, – ich noch nicht …135 Abends Theater, Opérette américaine „Le beau voyage“, das aller stupideste, das es gibt, wir haben uns königlich amüsiert. Heute Ausflug nach Aix, nach langer Pause (S. Trophime in Arles) wieder ein „kunsthistorisch“ genußreicher Tag. Im Museum hängt Rembrandts Selbstbildnis zum Weinen  ! Mitten drunter in einer gepflasterten Wand. Die Franzosen übrigens auch nicht besser. Schöner Ingres (Portrait Granet). 265

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Kirchenrundgang, darunter St. Sauveur mit d. prachtvollen Triptychon von Nicol[as] Froment. Keine Spur nirgends u. nirgends von Cézannes. Was ist doch dieses Frankreich für ein konservatives Land  !  !  ! Bonbons für d. Kinder d. Steinermädchen gekauft (Specialités), in Marseille dann noch andre Sachen u. für mich ein Parfum, das schon durch d. Stöpsel gut durchriecht. Morgen geht es nach Menton.136 13.X. Am Samstag haben wir noch in d. Früh eine Autofahrt durch die Corniche gemacht u. sind dann mit vielen singenden Matrosen nach Menton gereist. In Nizza mußte alles umsteigen, aber es war niemand da, der einen darauf aufmerksam gemacht hätte, überhaupt ein unmöglicher Bahnhof mit einem passage souterrain so schmal, daß kaum ein einzelner durchkam. In Menton gaben wir unser Gepäck am Bahnhof [ab], um bequem Unterkunft suchen zu können, ließen uns aber gleich hinterher von dem ersten Portier, der uns sein Haus (St. James Hôtel) anpries, kapern u. fuhren mit ihm nach Garavan hinaus. Wundervolle Lage, das vorletzte Haus, unser Zimmer eigentlich im Aussichtsturm, dessen Wände in 8 Fenster (statt d. neunten die Türe) aufgelöst sind. An drei Seiten sieht man d. Meer, l[inks] das italienische, Mitte u. rechts d. französische. Es rauscht – direkt an d. […]. Es rauscht fast zu stark – wir schlafen dünn. Vollmond. Einziger Nachteil 2 Stock hohe Wendeltreppe u. daß das eau courante nicht bis herauf coure … Aber das ist nichts im Vergleich zu d. Vorteilen. Es ist hier ein gottgesegnetes Land u. wir haben dazu ein gottgesegnetes Wetter. Dünnste Sommerkleidung, Abende u. Nächte angenehm abgekühlt. Am Sonntag endlich Haare gewaschen, ein Stündchen in d. Sonne getrocknet u. absolut nichts dabei gedacht. Dann Spaziergang in d. obere Stadt. Nachmittag nach dem Cap Martin mit dem einzig schönen Wald. Denkmal Kaiserin Elisabeth – Erinnerungen. Heute die grande Corniche (nach d. Baedeker die schönste Straße der Welt) nach La Turbie zufuß gegangen. Gegen 8 schon weg, darum die ganzen c. 3 Stunden nur ein Dutzend Autos begegnet, die kaum Staub gemacht haben. Es war herrlich. Nach dem Dejeuner mit d. Funiculaire nach Montecarlo das – ein größeres Gastein – d. Gipfel der Geschmacklosigkeit ist. Kurmusik (Kaffee getrunken), Geschäfte angeschaut, die sich aber nicht im entferntesten mit unseren vergleichen lassen. Alles Vorsaisonmäßiges. Mit d. Tram zurück. Morgen geht es am Nachmittag nach Genua – erste Rückreisestation  !137 19.X. Zuhause seit d. 17. abends. In Genua haben wir in einem vor kurzem erst eröffneten Hôtel über Treppen hinauf Via Balti übernachtet u. am Morgen ein paar Kirchen u. Palazzi angeschaut u. eine herrliche Hafenbootfahrt gemacht. Ein Schiff nach Egypten fuhr aus, Baggermaschinen, Kräne, blauer Himmel, warm. Nachmittag nach Trient. Von dort am nächsten Vormittag über den Brenner (ach ein so blauer Herbst) 266

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nach Innsbruck u. Salzburg. Freitag dort vorschriftsmäßig Frühstück beim Tomaselli, neues Museum in d. Residenz angeschaut, um 1h Heimreise.138 Die Kinder entzückend, gesund. Finanzieller Kladeradatsch, der uns aber kaum die Laune verderben konnte. Am Samstag ich zu Bett, Hans posterledigt, Schnupfen, Kälte. Heute Burgls Geburtstag gefeiert. Vormittag das herzige Ivolein mit Rulli da – nachmittag Kinderjause u. Steiners. Alles erzählt. Müde Morgen fängt das Leben wieder an … 26.X. Ich hab eine Woche lang nicht geschrieben. Der Montag begann mit einer 1. Stunde bei Frapparts, an der jetzt auch ein Ehepaar Dr. Granichstätten, mit dem „Dreieck“ Wilhelm (wie mir insgeheim versichert wurde) und eine Frau Fuhrmann teilnehmen. Da Cimabue in qua. Am Dienstag hab ich mein Aufsätzchen über Botticelli fürs Burlington geschrieben, aber noch nicht abgeschickt. Am Mittwoch war ich bei der Eröffnung der Romakoausstellung. Am Freitag hab ich die Moderne-feindlichen Kursteilnehmer in d. Internationale geführt, mit viel Erfolg, da sie vor jedem Bild stehen u. schauen mußten  ; daß d. Bild von Beckmann zerschnitten war, hab ich gar nicht gemerkt. Am Tag vorher, Donnerstag, hab ich einen schönen Ausflug mit G. E. nach Rekawinkel gemacht. Während er auf d. Wiese stand u. malte, ging ich spazieren. Viel über meinen „Roman“ nachgedacht, der mir leider im Detail fester steht als im Ganzen.139 Hier liegt Meine Hand. Wie ein Boot Das auf Abenteuer ausging – Fing Sich im Mondlicht – Fand Das Land Nicht – Wiegt Sich und träumt Vom Leben – Hier liegt Meine Hand. Und deine – Und deine – Daneben … 267

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Am Freitag nachmittag war ich bei G. E. im Atelier und hab die Bilder u. Zeichnungen gesehen, die er in meiner Abwesenheit gemacht hat. Er war sehr fleißig u. hat sehr gut gearbeitet. Am besten gefiel mir ein Halbakt, wundervolle Farbenökonomie, groß erfunden u. doch das ganz Gefühl drinnen. Und im Bild Jüngling u. Mädchen  ; das Mädchen ganz eindringlich, der Jüngling leider noch in einer Art Pierrot­ anzug, dadurch unnötige Pierrotlunaireromantik assoziierend. Abends bei Lampls, ich hab ihm meinen Tobias für die Schauspielergemeinschaft gebracht – erhoff mir aber nichts davon. G. E. war wegen einer ganzen Reihe von Geschehnissen (Kritiken, Übergehungen etc.) sehr verstimmt, ist aber alles los geworden. Gestern war Vorbesichtigung im Hagenbund, sehr guter Durchschnitt. Nachmittag bei Tischler, der mich teleph[onisch] bestellt hatte. Lernte dort Liebstöckl u. d. Schauspielerin Servaes kennen, die Tischler, herrlich unähnlich, porträtierte. Abends war der Präsidialist Dr. Hohenauer da, ein ehrbarer ernster Jüngling aus Tirol, an dem nichts auffälliger ist, als daß er schon 30 Jahre alt ist – ich hätt ihn für 17 gehalten. Er interessiert sich für moderne Kunst (ein seltener Fall) u. wir haben unsre Blätter – auch für uns ein seltener Genuß – durchgeschaut. Heute ist windiges trübes Wetter. Ich hab zwei Notizen (Bilderattentate, Hagenbund) nach München geschickt und meinen graphischen Vortrag (moderne Wiener) für den 4. Dezember fixiert. Hans hält seinen über die Malerei eine Woche vorher. Unser Telephon geht nicht u. ich fürchte, wir werden in d. Walfischgasse fahren müssen, der Ilse adieu sagen … Anmerkungen 1 Baronin Oppenheim – gemeint war vermutlich Baronin Marie von Oppenheimer.

Die Aufführung von Franz Grillparzers „Jüdin von Toledo“ (Uraufführung Prag 1872) mit Alexander Moissi und Maria Orska fand im (Deutschen) Volkstheater statt.

2 Heinz – Cousin Heinrich-Lutz Fraenkel aus Breslau.

Therese – Haushälterin Therese Kurzweil.

3 Sicherlich bemühte sich HT beim Ehepaar Oskar (TB 1923, 2.7.) und Bertha Taussig (TB 1924, 2.4.) um Unterstützung für diverse Künstler.

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Mit „Ausstellung Flechtheim“ ist die Ausstellung deutscher Kleinplastik im TheseusTempel gemeint (siehe TB 1923, 28.12.). Dank der Zusammenarbeit von Flechtheim und Würthle wurden zahlreiche Künstler aus dem Umfeld der Galerie Flechtheim nach Wien gebracht. Die hier erwähnte Ausstellung war eine gemeinsame Veranstaltung mit HTs Gesellschaft zur Förderung moderner Kunst in Wien (GFMK). Zu sehen waren u. a. Arbeiten von Ernst Barlach, Kurt Edzard (1890–1972), Ernesto de Fiori, August Gaul (1869–1921), Hermann Haller und Renée Sintenis (1888–1965). Zur Kooperation Würthle-Flechtheim siehe Bichler 1995  ; Schweiger 1995.

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Flechtheims Kunstzeitschrift „Der Querschnitt“ war ursprünglich in Anlehnung an die Kataloge der Galerie Flechtheim gestaltet worden und entwickelte sich schließlich zu einem Magazin, in dem sich die von Flechtheim favorisierten Kunstwerke eingebettet fanden in Beiträge zu Mode, Sport und Politik und sonstig Zeitgeistigem. „Der Querschnitt“ erschien bis 1936. Wiener Geschäftsstelle war ebenfalls die Galerie Würthle (Haacke 1987).

Gerhard Frankl malte Paraphrasen auf Werke alter Meister. Dazu zählt auch die „Landschaft im Gewittersturm“ nach einem Gemälde Peter Paul Rubens im KHM (1620). Vorausgesetzt, dass ihm ein Neuanfang in Österreich nach dem Krieg gelänge, wollte er das Bild, das er für das beste seiner frühen Jahre hielt und das 20 Jahre im Büro seines später in Auschwitz ermordeten Vaters gehangen hatte, der Österreichischen Galerie im Belvedere vermachen. Der Neubeginn in Wien misslang, und die Paraphrase nach Rubens befindet sich heute in den Courtauld Institute Galleries in London (Lachnit 1998, 188, 239). „Gerhard Frankl statuierte ein Exempel  : Er beging Selbstmord – im Museum, wo ihn am Morgen ein Aufseher fand.“ (Zaloscer 1988.)

Flechtheim stand der von Herbert Eulenberg 1919 gegründeten Künstlervereinigung „Das junge Rheinland“ nahe. In Eulenbergs Lebenserinnerungen findet sich in dem Kapitel „Für Wien“ folgender Eintrag  : „Die Gemütsart dieses weinfrohen Menschenschlags, die in manchem der rheinischen verwandt ist, so daß man die Wiener auch wohl die Rheinländer des Ostens genannt hat, ist für mich stets anziehend gewesen. Auch die leise feine Ironie, die sie ihren Unterhaltungen beimischen, den alten Athenern vergleichbar, und mit der sie das kurze Erdendasein nicht so schwer und ernst nehmen wie meistens die übrigen Deutschen, war ganz nach meinem Geschmack und Gemüt.“ (Eulenberg 1948, 281.)

Welche Aussagen des österreichischen Feuilletonisten und 1848er-Revolutionärs Ferdinand Kürnberger ETC variierte, konnte nicht nachvollzogen werden.

4 1938 flüchtete Max Roden in die USA. „In seinem Gepäck scheint Roden seine gesamte Graphiksammlung von etwa 1.500 Blättern ins Exil gerettet zu haben, von denen mehr als 500 Holzschnitte auf Japanpapier gewesen sein sollen. […] Die Mehrzahl dieser Blätter stammte aus der Hand des österreichischen Künstlers Otto Rudolf Schatz […], von dem Roden mehr Arbeiten als von allen anderen Künstlern besaß.“ (Lillie 2003, 989.)

Max Roden, Erlösendes Lied, Gedichte, mit fünf farbigen Original-Lithografien von Julius Zimpel, Wien-Leipzig-Zürich 1922. Die zahlreichen in den 1920er-Jahren von Julius Zimpel illustrierten oder mit Titelbildern versehenen Veröffentlichungen wurden salopp „Zimpel-Bücher“ genannt. Zur Schriftenreihe „Das Neue Wort“ mit Titelbildern von Zimpel siehe Hall 1985, 391.



1923 hatte ETC das Vorwort zu einer Mappe mit 16 Holzschnitten von Otto Rudolph Schatz verfasst. Das Werk war im Thyrsos-Verlag (Leipzig-Wien) erschienen (Tietze-Conrat 1923c).



Mit Larssen ist vermutlich der schwedische Jugendstilmaler Carl Larsson gemeint.



Boby – Boby Münzberg – Ferienbekanntschaft der Kinder, siehe TB 1923, 8.8. 269

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5 „Pimperltheater“ – kleines Puppentheater des Ehepaars Karl Fränkel und Anna FränkelRothziegel. „Als Bildschnitzer schuf er reizvolles Kinderspielzeug, Marionetten und, zusammen mit seiner Frau Anna, kunstgewerbliche Gegenstände.“ (Bisanz 1980, 84.) Auch ETC verfasste eine kleine Besprechung über Karl und Anna Fränkel (Tietze-Conrat 1931).

1922 zählte die Sozialdemokratische Kunststelle bereits 40.000 Mitglieder. – „Die Kunststelle gibt die Karten nicht an einzelne Teilnehmer, sondern in vereinbartem Ausmaß an jene teilnehmende Organisation ab, die erst wieder den Vertrieb an ihre Mitglieder übernimmt.“ (Kotlan-Werner 1977, 70.)



Ignaz Seipels „Sanierungswerk“ erstreckte sich keineswegs nur auf die Wirtschaft, sondern auch auf die Seelen der Menschen. Der „geistig Arbeitende“ habe Ausschau zu halten, wo, außer auf dem Gebiet der Staatswirtschaft, noch zu sanieren und aufzubauen sei, nämlich „in der Wissenschaft, in der Kunst, im ganzen Umkreis dessen, was wir Kultur nennen, und nicht zuletzt im eigenen Inneren durch Vertiefung und Verbesserung des eigenen Wesens.“ (Rennhofer 1978, 396.) Ein „Verein à la Seipel“ im Kunst- und Kulturbereich musste sich demnach durch hohen Idealismus auszeichnen.



Bondy – möglicherweise ein Schreibfehler und gemeint war Lea Bondi.



Zu Kaschnitz siehe TB 1923, 27.7.

6 Anna Mahler und Ernst Krenek heirateten am 15.1.1924 im Wiener Rathaus. Die Hochzeit fand – wie Alma Mahler in der englischen Ausgabe ihrer Erinnerungen festhielt – offenbar tatsächlich trotz größter Zweifel der Braut statt (Hurworth 2004, 43).

Von der illustrierten jüdischen Monatsschrift „Das Zelt“ erschienen zwischen Jänner 1924 und Februar 1925 zwölf Nummern. Redigiert wurde das Magazin unter anderem vom Kunsthistoriker Max Eisler. Autor des Artikels über Ehrlich war der deutsche Kunstpublizist Willi Wolfradt (1892–1988). Unter den sieben Abbildungen stellten zwei ETC dar – ein Studienkopf und ein Frauenbildnis (Öl) – und ein Ölbild zeigte die fünfjährige Vroni Tietze (Wolfradt 1924).



Otto Nirenstein (später Kallir) hatte sich 1923 von der Galerie Würthle, der er als Prokurist angehört hatte, getrennt und in der Wiener Innenstadt, hinter dem Stephansdom, seine eigene, die „Neue Galerie“ eröffnet. Zu Nirenstein und seiner Galerie siehe Tessmar-Pfohl 2003.



Anton Kolig hatte einen fünfjährigen Vertrag mit der Galerie Flechtheim unterzeichnet, „der ihn der akuten materiellen Sorgen entledigte und ihm einen geordneten Lebensunterhalt sicherte“ (Lachnit 1998, 88).

7 Max Dvořák war im Februar 1921 unerwartet und, wie es scheint, ohne Hinterlassung eines Testaments verstorben.

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„Halledamen“ – eine von ETCs beruflichen Tätigkeiten in diesen Jahren war der private kunstgeschichtliche Unterricht, den sie hier für einen Kreis um Georg Halles Ehefrau ­Marianne abhielt.

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  8 In der „Arbeiter-Zeitung“ vom 18.1.1924 findet sich eine kurze Besprechung der „Vorlesung Erica Tietze“  : Das dramatische Werk „Die Hochzeit des Tobias“, „in dem ein Motiv aus der alttestamentarischen Novelle [sic  !] vom jungen Tobias verwertet und vertieft ist, sowie die übrigen formschönen Dichtungen wurden von den Zuhörern sehr beifällig aufgenommen“ (N.  N. 18.1.1924). Mit Ausnahme von „Taschentuch“ (TB 1923, 4.7.) und „Die Legende“ fanden alle vorgetragenen Gedichte später Aufnahme in ihren Gedichtband „Abschied“ (E. Tietze 1926  ; TB 1926, 27.3.).

„Gereimter P. A.“ – mit P. A. ist der Dichter und Schriftsteller Peter Altenberg (1859–1919) gemeint, mit dessen „impressionistischem Duktus“ (Edward Timms) sich ETC offenbar identifizierte.

 9 ETC reiste Richtung Semmering, dem rund 130 km von Wien gelegenen Alpenpass. Die charakteristische abwechslungsreiche Landschaft ist waldreich und gebirgig und war seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts neben dem Salzkammergut als Sommerfrische und Wintererholungsgebiet beim Wiener Bürgertum sehr beliebt. Von Gloggnitz (428 m) nimmt die 1854 eröffnete Semmeringbahn, die erste europäische Gebirgsbahn, ihren Ausgang. Nach langen Tunneln und Viadukten folgen die Orte Payerbach und Küb. Breitenstein schließlich liegt auf 790 m Höhe. Die Semmeringbahn endet auf der steirischen Seite bei Mürzzuschlag. 10 Adlitzgraben – Taleinschnitt vor dem Ort Breitenstein, Niederösterreich. 11 Taussigs – siehe TB 1923, 2.7. 12 Emma Kerry war die Ehefrau von ETCs Onkel Richard Kerry, einem Bruder Ida Conrats. Zu Christl Kerry siehe TB 1923, 16.9.

Die von Josefine von Winter verfasste Chronik ihrer näheren Verwandtschaft, der angesehenen Wiener Bürgerfamilien Auspitz und Lieben, erschien schließlich im Jahr 1927 (Winter 1927). Zu Josefine Winter siehe auch TB 1923, 21.10., sowie TB 1938/1, 4.4.

13 Viktor Prüger war im Unterrichtsministerium Leiter der Präsidialsektion und Referent für Kunstangelegenheiten, Leodegar Petrin der Vorstand der neuen Kunstabteilung und somit unmittelbarer Vorgesetzter HTs. 14 Der Zirkus Hagenbeck mit seinen Völkerschauen war in den 1920er-Jahren äußerst populär. Obzwar umstritten, rechtfertigte man diese tierähnliche Zurschaustellung von Menschen mit pädagogischen Ansprüchen und ethnografischer Seriosität.

Eugene O’Neill, The Emperor Jones [Der Kaiser Jones], Drama, 1921. Regie bei der deutschen Erstaufführung 1924 im Lustspielhaus Berlin führte der Wiener Berthold Viertel. Kiesler hatte für diese Inszenierung unter anderem einen Dschungel als mechanische Kulisse kreiert. Viertels Theaterkollektiv hieß „Die Truppe“.



Anschaulich beschreibt der Schauspieler Alexander Granach seine Kollegin Elisabeth Bergner in seiner lesenswerten Autobiografie  : „Ein braun-rötlicher Kopf, Haare, wild, nicht zurechtgemacht, aber zugleich eine klare, gewölbte, hohe Denkerstirn, die eine große Ruhe verkündet. Dann zwei große, warme, dunkelbraune, ahnende, fragende und erzählende Augen. Diese Augen verstehen jede noch so unausgesprochene Andeutung. Dann ein fes271

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ter, kleiner, halbrunder Mund, wie ein Halbmond, Halbmondmund. Wenn er sich leise kräuselnd öffnet, kommt noch lange kein Laut – erst hängt man an ihm mit den Blicken gespannt, und lauscht aufmerksam – dann sagen die Augen was – kommt eine zögernde Handbewegung, von den Schultern hemmend zurückgehalten, dann werden langsam von diesem Halbmondmund Worte geboren. Dunkel gefärbte, reife Worte  ! Und unabänderlich bestimmt sind diese Worte  !“ (Granach 1990, 405.)

Ob das Manuskript ihres Dramas „Todessprung“ zu Granach gelangte, bleibt ungewiss. Eine Antwort ist jedenfalls nicht überliefert.

15 Der Name ist mit Vorbehalt als „van Harpen“ zu entziffern. Vermutlich handelte es sich um den holländischen Kunsthändler und Publizisten Nico van Harpen. Die entsprechende Publikation HTs bzw. ETCs wäre Tietze 1924d. 16 Karl Lanckorońskis Polemik zu den Vorgängen an den Museen, in  : Lanckoroński 1924.

„Da jeglicher Verkauf von einmal musealisierten Objekten am Tabu der Unveräußerlichkeit“ rüttle, lösten die Verkaufs- und Tauschvorhaben von Kunstwerken durch die Museen heftige Diskussionen aus und wurden „zu einem zentralen Angriffspunkt auf das Reorganisationsprogramm“ (Posch 1997, 149). Zu Tietzes Museumsreformprogramm siehe weiters Posch 1992.

17 „Religionrechnung“ – Tietzes gehörten der evangelischen Religionsgemeinschaft an, ETC von Geburt an, HT seit seinem 13. Lebensjahr, nach der gemeinsam mit Brüdern und Vater vollzogenen Konversion. Seit dem Staatsgrundgesetz von 1867 war es auch der evangelischen Kirche gestattet, von ihren Mitgliedern Kirchenbeiträge einzuheben.

Zu Alfred Döblin und der Verleihung des Kleist-Preises siehe TB 1923, 17.9., 5.10.

18 Nach seinen Erfolgen als Bühnenarchitekt in Berlin (TB 1924, 28.1.) wurde Kiesler von der GFMK mit der Erstellung eines Programms für eine „Ausstellung neuer Theatertechnik“ beim Musik- und Theaterfest der Stadt Wien beauftragt (Lesák 1988).

Anregung und Organisation des Musik- und Theaterfests der Stadt Wien waren dem ­ eiter der Sozialdemokratischen Kunststelle, David Josef Bach (TB 1923, 21.8., 8.11.), zu L verdanken gewesen. Das Fest bot den Rahmen für die beiden herausragenden Ausstellungsereignisse des Jahres 1924  : „Ausstellung neuer Theatertechnik“ sowie „Internationale Kunstausstellung“.



„Bach was by no means a doctrinaire Socialist, for he envisaged a cultural consensus that would draw performers from different factions into his orbit. Thus the programme for the Musik- und Theaterfest der Stadt Wien […], for which he was responsible in 1924, included a play by Richard von Kralik, the doyen of Catholic culture. However, radical spirits within the Party felt that Bach was selling out to the bourgeoisie.“ (Timms 2006, 58  ; zu David Josef Bach bzw. dem Fest der Stadt Wien siehe Warren 2006 sowie Armstrong/ Timms 2006.)

19 „Programm für Kirstein eingerichtet“ – gemeint ist ein Besuchsprogramm für den Verle­ ger Gustav Kirstein in Wien. Kirstein war einer der Verlagsleiter des Seemann-Verlags 272

Tagebuch 1924

(Leipzig). HT war gemeinsam mit Kirstein und Curt Glaser (TB 1938/2) Herausgeber der Zeitschrift „Kunstchronik und Kunstmarkt“.

Otto Stoessl, Sonnenmelodie, Roman, Stuttgart 1923  ; Neuauflage  : Graz-Wien-Köln 1977. Stoff des Romans war das Leben des Zwölftonkomponisten Josef Matthias Hauer. Hauer habe auf ihn bereits früh, um 1910/11, „den Eindruck eines bedeutenden Menschen“ gemacht (Weibel 1976d, 157). „Hauer’s personal manner and unconventional philosophy, particularly as it concerned music, also appealed to several writers of the day, for, in several instances, Hauer was employed as the model for a character in a novel. Authors who made use of Hauer in this fashion include Otto Stoessl (Sonnenmelodie), Hermann Hesse (Das Glasperlenspiel) and Franz Werfel (Verdi  : Roman der Oper).“ (Gustafson 1979, 21.) ETC hing der damals verbreiteten Auffassung an, Stoessls literarisches Schaffen sei antiquiert (TB 1923, 7.7). Zum Roman „Sonnenmelodie“ siehe auch TB 1924, 5.2.



Leo Frobenius, Atlantis, Volksmärchen und Volksdichtungen aus Afrika, 12 Bde. Vermutlich las ETC Band 2 der Serie  : Volksmärchen der Kabylen, „Das Ungeheuerliche“, Jena 1922.

20 Gemeint ist der Kunsthistoriker und ao. Professor an der Universität Wien Max Eisler. Eisler galt als Spezialist für altholländische und neue europäische Kunstgeschichte. Neben fachlichen Reibungspunkten könnte es auch weltanschauliche bzw. religiöse Diskrepanzen gegeben haben. Max Eisler gehörte der aschkenasischen orthodox-jüdischen Gruppierung „Agudas Jisroel“ an. Aus privater Korrespondenz wird ersichtlich, dass Eislers Tod im Jahr 1937 ETC besonders nahe ging (siehe Schreiben ETC an Andreas Tietze, 7.12.1937, Privatarchiv Filiz Tietze). 21 Die Familien Kurth und Dvořák wohnten in der Schwarzspanierstraße 7 im 9. Wiener Gemeindebezirk.

„Gertrud Kurth graduated in 1931 with a Ph.  D. degree at the University of Vienna, majoring in anthropology.“ (Leo Baeck Institute, Guide to the Papers of Gertrud Kurth [1904– 1999], 1888–1996.)

22 Generationen von Kunsthistorikern hatten an der Wiener Universität bei dem vor allem im Ausland hochgeschätzten Professor für Klassische Archäologie Emanuel Löwy studiert. Neben HT waren u. a. Ernst Kris und Ernst Gombrich Studenten Löwys gewesen. „Während Leben und Werk Emanuel Löwys im deutschsprachigen Raum – bis auf wenige Ausnahmen – bald nach seinem Tod vergessen wurden, blieb es in Italien und vor allem in Rom bis heute lebendig.“ (Brein 1998, 34.)

Albert Hübl, damals Direktor des Schottengymnasiums der Benediktiner in Wien, war bereits HTs Geschichtslehrer gewesen. HT hatte das Schottengymnasium als einer von wenigen evangelischen Schülern besucht. „Ins Schottengymnasium wurden immer nur höchstens 19 Akatholiken [sic  !] derselben Konfession, also höchstens 19 Protestanten und 19 Juden aufgenommen.“ (Brief vom 19.10.1954, Felix Tietze, Plymouth, England, an ETC, New York, Privatarchiv Kristin Matschiner, Wien.)

23 Der von der GFMK veranstaltete Vortrag Anton Hanaks fand im Österreichischen Mu273

Tagebuch 1924

seum für Kunst und Industrie (heute Museum für angewandte Kunst, MAK) statt und trug den Titel „Das plastische Bild der Stadt“ (Mrazek 1969). Im Hanak-Archiv (HanakMuseum Langenzersdorf ) befinden sich Typoskripte zu einem Vortrag „Über moderne Plastik“, den Hanak für den Rundfunk 1930 hielt. Ob dieser Vortag mit jenem über „Das plastische Bild der Stadt“ übereinstimmt, konnte nicht festgestellt werden.

Für den Schwerpunkt „russische Kunst“ in den Aktivitäten der GFMK war vor allem die Kunsthistorikerin Fannina Halle verantwortlich. Sie pflegte freundschaftliche Kontakte zu bedeutenden Vertretern der russischen, im Besonderen zur sowjetischen Avantgarde. Fannina Halle (TB 1923, 26.11.) hielt ihren Vortrag „Das heutige Russland und seine Kunst“ am 19.2.1924 im Museum für Kunst und Industrie (heute MAK)  ; Veranstalter war die GFMK, deren Vorstand Fannina Halle angehörte (TB 1924, 20.2.).

24 Bei seinem Eintritt ins Staatsamt für Unterricht im Jahr 1919 war HT zum Vorstand der Abteilung für Kunstangelegenheiten ernannt worden. 1923 wurde ihm nach einer Umstrukturierung Ministerialrat Leodegar Petrin als Leiter der Kunstabteilung vorgesetzt.

Welche schwere Erkrankung ETCs Anfang der 1920er-Jahre zu einem chirurgischen Eingriff geführt haben mag, ist heute nicht mehr eruierbar. Doch in einem Text zu Georg Ehrlichs Frauenbildnissen lässt sie uns die entscheidende Auswirkung wissen, die diese Krankheit für ihr zukünftiges Leben haben sollte  : „Ich war in den letzten Jahren mehrmals schwer krank“, heißt es darin, „und einmal, als es wirklich um Leben und Sterben ging, da wurde etwas in mir frei, eine Hemmung, von der ich nicht einmal etwas geahnt hatte. Damals begann ich zu dichten. So wurde ich als gereifte Frau ein neuer Mensch.“ (Tietze-Conrat 2007 [1925a], 243.) Die persönliche Erweckungsgeschichte kam auch Aby Warburg in Hamburg zu Ohren, der sie, offensichtlich beeindruckt, im Tagebuch seiner kulturwissenschaftlichen Bibliothek vermerkte  : „Frau Tietze nach Genesung von schwerer Krankheit Dichterin geworden“, 28.III.1927 (Michels/SchoellGlass 2001, 75).

25 Vor Antritt ihrer Tournee durch die Schweiz, Holland und England trug die Dichterin Else Lasker-Schüler am Freitag, dem 8.2.1924, im Neuen Saal der Hofburg aus ihrem Werk vor (N. N. 5.2.1924).

Else Lasker-Schülers Gedichtzyklus „Hebräische Balladen“ war 1913, in seiner endgültigen Fassung 1923, erschienen.



Alfred Stix war von 1923 bis Mai 1934 Direktor der Albertina, anschließend wechselte er ins KHM.



Gmunden – Stadt im oberösterreichischen Salzkammergut, ca. 230 km von Wien entfernt.

26 Friedrich Feigl und Willi Nowak stammten beide aus Prag, wo sie der expressionistischen Künstlergruppe „Osma“ („Die Acht“, gegr. 1907) angehörten. In Wien bildeten sie u. a. mit Katharina Zirner, Frieda Salvendy und Georg Ehrlich die Künstlergruppe „Freie Bewegung“ (gegr. 1917). „Es ist ein gemeinsamer Zug bei den Mitgliedern der Künstlergruppe ‚Freie Bewegung‘, daß sie in dieser passiven Weise von den lebendigen Kräften der Gegenwart ergriffen erscheinen  ; sie sind tief aufgewühlt von ihnen und reagieren mit ihrer künstlerischen 274

Tagebuch 1924

Ganzheit auf alles Traurige, Niederdrückende, Schwermütige in ihr.“ (N. N. 1920.) Zu einer der letzten Ausstellungen der „Freien Bewegung“ siehe Tietze-Conrat 1922a.

„Vorschlag des Herzogs“ – dabei ging es vermutlich noch um die Festlegung jener umfangreichen Bestände, die an den ehemaligen Eigentümer, Erzherzog Friedrich, nach Gründung der staatlichen Sammlung „Albertina“ (1921) als dessen Privateigentum auszuhändigen waren.



Bad Ischl – „Mittelpunkt des Salzkammerguts“, „altberühmte Sommerfrische des kaiserlichen Österreichs“, liegt rund 35 km von Gmunden entfernt (Baedeker 1926, 284).



Sammlung Camillo Castiglioni, Bronzestatuetten und Geräte, bearbeitet von Leo Planiscig (Planiscig 1923). ETCs Notiz in der Münchner „Allgemeinen Zeitung“ zur Publikation Planiscigs konnte nicht ausfindig gemacht werden.

27 Zur „phantastischen Ausstellung“ im Kristall-Verlag, in der entweder ein Künstler namens Pritzl ausstellte oder die von diesem organisiert worden war, konnte nichts ausfindig gemacht werden.

Bilder, Grafiken und Plastiken der Hagenbund-Künstler Jakob Löw, Adolf Groß und Leopold Gottlieb gab es im Obergeschoss der Galerie Würthle zu sehen. Im sogenannten „graphischen Kabinett“ waren noch Werke des radikalen Vertreters der ungarischen Avantgarde Lajos Kassák ausgestellt (N. N. 2.2.1924). Kassák war bereits 1921 bei Würthle zu sehen gewesen.



Winterausstellung der Secession  : Kollektionen Oberbaurat Leopold Bauer und Maler Viktor Hammer sowie „allgemeinere Einsendungen“ (N. N. 6.2.1924).



Gesamtverzeichnis der Hagenbund-Mitglieder in  : Chrastek 1993a.



Richard Horn, in der Conrat-Familie „Rulli“ bzw. „Onkel Rulli“ genannt, war der Lebensgefährte von ETCs Mutter Ida nach deren Trennung von Ehemann Hugo Conrat. 1918 heiratete das Paar. „R. den sie einmal ohne es uns zu sagen, geheiratet hatte.“ (Tietze-Conrat unveröff./a, 20.) Weiter hieß es in den ETC-Erinnerungen, Richard Horn und Vater Hugo Conrat vergleichend  : „Er [Rulli] hatte eine aufrichtige Liebe zur Musik, natuerlich nur zu klassischer, d. h. zu solcher, die er zur Zeit seiner fruehen Musikstunden (er wollte einmal auch Musiker werden, nur um dem verstaubten Jus zu entgehen) kennengelernt hatte. Rulli wuchs aesthetisch niemals ueber die Zeit seiner fruehen Juenglingsjahre hinaus und alles, was er in seinen spaeteren Jahren in dieser Richtung unternahm, war ein Zurueckkehren zu seiner Jugend. Papa war auch als Musikliebhaber viel beweglicher. So wie er ueber Wagner hinausgewachsen ist und zu Brahms gekommen, hat er – heimlich natuerlich – Bruckner und Dvorak studiert und noch in seinen letzten Jahren in London und Berlin sich mit moderner Musik eifrig beschaeftigt.“ (Tietze-Conrat unveröff./a, 36.)



Zu Horn, dem Juristen mit musischen Neigungen, schrieb dessen Jugendfreund Arthur Schnitzler u. a. Folgendes  : „Richard versuchte sich nicht nur, gleich mir, auf belletristischem Gebiet, sondern schrieb auch kleine Klavierstücke in Schumann’scher Manier, […] doch gab er nicht mit Unrecht sehr bald in beiden Künsten seine schöpferischen Bestrebungen 275

Tagebuch 1924

auf und ließ es sich an einem Genießer- und Kennertum genügen, das zwar etwas begrenzt und selbstgefällig im Ausdruck, zum mindestens auf musikalischem Gebiete, der Echtheit und Wärme nicht ermangelte.“ (Schnitzler 2006, 71.)

Gustav Mahler hatte Richard Horn aus Frankfurt vermutlich zum Jahresende 1903 geschrieben. In diesem Brief nahm Mahler Bezug auf ein vorher stattgefundenes Gespräch mit Horn über die veränderte Einstellung der Menschen zu den Gesetzen der Natur bzw. die Veränderlichkeit der Naturgesetze selbst  : „Es ist eine Denkmöglichkeit, daß sich im Laufe von Äonen (etwa infolge eines natürlichen Evolutionsgesetzes) selbst die Naturgesetze ändern können  ; daß also beispielsweise die Gravitation nicht mehr statthaben wird.“ (Mahler-Werfel 1924.)

28 1924 erschien in dem kurz zuvor eröffneten Verlagshaus Paul von Zsolnays Franz Werfels Verdi-Roman. Im selben Jahr hatte die Arbeit an der Edition von Gustav Mahlers Briefen begonnen. Später sollte Zsolnay auch vorübergehend Alma Mahlers Schwiegersohn werden (Mahler-Werfel 1924). 29 Der Bankier Felix Steinitz gehörte ebenfalls dem Vorstand der GFMK an. Bisher konnte zu Steinitz, der moderne Kunst sammelte und zeitgenössische Künstler förderte, kaum mehr in Erfahrung gebracht werden, als dass er 1938 gezwungen war, Österreich zu verlassen (ÖStA, AdR, 06, BMF, VVSt, VA, Felix Steinitz, Nr. 17937  ; Melichar 2004, 109).

Rainer Maria Rilke kämpfte seit 1923 mit einer Erkrankung, die später als Leukämie diagnostiziert wurde. Möglicherweise war Tietze über das Unterrichtsministerium behilflich, einen bereits vorzeitig angeschafften Grabstein zu finanzieren. Rilke verstarb im Dezember 1926 und wurde in Raron in der Schweiz begraben.

30 „Doppelwadler“ – zwei Männerwaden in einem Hosenbein – vielleicht auch eine Anspielung auf den k. u. k. „Doppeladler“. 31 Stemmer – vermutlich handelte es sich um den Sammler moderner Kunst Arthur Stemmer.

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Im Rahmen der von der GFMK veranstalteten „Russischen Kulturwoche“ wurde am 16. Februar in der Neuen Galerie eine Ausstellung russischer Kunst eröffnet. In der Öffentlichkeit wurde die russische Woche als eine Art offizielle Anerkennung der Sowjetunion in künstlerischen Angelegenheiten wahrgenommen (Österreichs De-jure-Anerkennung der Sowjetunion erfolgte am 25. Februar 1924). Zentrale Persönlichkeiten der Ausstellung waren Wassily Kandinsky, Marc Chagall und El Lissitzky (1890–1941). Gezeigt wurden aus Kostengründen wieder ausschließlich grafische Werke („zerlegte Mappenwerke“) (N.  N. 28.2.1924  ; Vgl. dazu Caruso 2008, 29–35).



Arthur Schnitzler, der die Ausstellung ebenfalls besuchte, vermerkte in seinem Tagebuch  : „Mit C. P. in der neuen Gallerie Domgasse (Nirenstein, der uns auch ciceronirte). Kandinsky, Lissitzky (mir fast unerträglich) und der sehr interessante Chagall.“ (Schnitzler 1995, 131.)



Jene Tage in Wien hatten auch bei Ringelnatz Eindrücke hinterlassen, die er in einem Gedicht festhielt  :

Tagebuch 1924

Wien Februar 1924



Ich werde wohl in wenig Wochen Bischof und Bürgermeister sein von dieser Stadt. Nach dem, was man mir allwo hier versprochen Und mit viel Küßdiehands beteuert hat.



Und andrerseits  : nach dem, was man gehalten, Und wie man mich empfehlend weiterwies Und überhaupt – es drängt mich, einzuschalten  : Hier isst und trinkt – – So denk ich mir Paris.



Ich lebe noch, obwohl die Trambahnwagen Links fahren und sich alles links Ausweicht. Ich weiß dir mündlich allerdings Auch vieles Gute über Wien zu sagen, Für heute lass mich etwas neidisch klagen.



Denn Oper, Fasching, Tanz und Operette – Ich merkte, zählte … und ich kroch ins Bette. Und wie sich unsereins hier vor den Läden weidet  ! Und wie, was weiblich oder feminin Ist, hier sich elegant tut und bekleidet –   ! Ja Wien bleibt Wien.



Ich seh die Tiere, die man abgeschossen Um Pelz und Flirt. Jedoch ich werde mählich was verwirrt. Ich habe zuviel Heurigen genossen. Und draußen wuchtet um den Stephansturm Schon seit acht Tagen böser Wind. – Der müsste zehnmal stärker – stärkster Wind – Hier all die Damherrn, Dummen oder Dämen Jählings entkleiden, nackt wie Regenwurm. – Wie sich die Zierigen wohl dann benähmen  ?  ! Ach wärst du hier, wär’ all das abgetan. Schlagobers würd’ ich um dich häufen lassen. Auch sah ich winkelschöne, arme Gassen Und Kirchtürme ganz aus Filigran. (Ringelnatz 1959, 174–175.)

32 Die Bemerkung „unser aller Schwiegermutter“ bleibt rätselhaft. ETCs Nichte Ivo ­Kahmann erwähnte in ihren unveröffentlichten Lebenserinnerungen eine zweite Frau von HTs Vater Siegfried. Ob es dabei tatsächlich eine Übereinstimmung gibt, kann nicht gesagt werden (Kahmann unveröff., 78). 277

Tagebuch 1924

33 Erica Tietze-Conrat, Die Delfter Malerschule, Carel Fabritius, Pieter de Hooch, Jan Vermeer, in  : Bibliothek der Kunstgeschichte, Bd. 27, Leipzig 1922. Zur Serie „Meisterwerke der Kunst in Holland“ siehe TB 1937/2, 18.5.

ETC, Semesterkurs 1923/24, Wiener Urania, Die holländische Malerei des 17. Jahrhunderts  – Die holländische Malerei nach Rembrandt (mit Lichtbildern)  : Pieter de Hooch, Carel Fabritius und der Delfter Vermeer.



Pieter de Hooch, An der Kellertüre, 1658, Rijksmuseum Amsterdam.



„Wenn wir das Bild sehen oder es nachher in unserer Erinnerung wieder auftauchen lassen, so ist es ein wunderbar beruhigendes Gefühl, das uns durchströmt  ; ein warmer Ton, goldig und rot. Doch umkleiden diese königlichen Farben, wie es sonst wohl üblich ist, keine festliche Pracht  ; sie zaubern den Reichtum eines sonnigen Tages und die erfrischende Kühle eines abgelegenen Raumes. Und weiter noch  : Wie selten eines ist dieses Meisterwerk geeignet, aus seiner bloßen künstlerischen Gestaltung heraus, ganz ohne literarische Anknüpfung, in uns ein schwingendes Träumen zu wecken, das weitab vom geschilderten Gegenstand liegt. Im weitesten Sinn also ein romantisches Bild …“ (Tietze-Conrat 1922b, 1  ; siehe auch Tietze-Conrat 1922c.)

34 Fannina Halle, Vortrag „Das heutige Russland und seine Kunst“, 19.2.1924, Museum für Kunst und Industrie, Veranstalter GFMK (TB 1924, 6.2.). 35 Offenbar ähnelte Kaschnitz in seiner Verkleidung Karl Fränkel vom „Pimperltheater“ (siehe TB 1924, 9.1.). 36 Mizzi Berl heiratete schließlich den Chemiker Erich Gebauer-Fülnegg, der bereits 1934 tödlich verunglückte. Nach dem Krieg ging sie eine zweite Ehe ein und lebte, zurückgekehrt aus der Emigration, wieder in Wien (Klösch unveröff.).

Paula H. – möglicherweise die Ärztin und Psychoanalytikerin Paula Heimann, geb. Klatzko (1899–1892) (Paula Heimann, Metapress).



Zu Stoessl siehe TB 1923, 7.7.



Emmy Heim war bis 1921 mit dem Wiener Architekten Franz „Nannerl“ Singer (1896– 1954) verheiratet gewesen. Singer hatte bei Johannes Itten (1888–1967) zuerst in Wien, dann am Bauhaus in Weimar studiert (Emmy Heim, The Canadian Encyclopedia  ; Emmy Heim [Franz Singer], Az W, Architektenlexikon).

Igor Strawinski  ; L’histoire du soldat, Musiktheater, Uraufführung 1918.

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Neben Hauer, der sich mehr als ein Jahrzehnt mit dem Dichter beschäftigte, vertonten zahlreiche Komponisten Gedichte Hölderlins. Einen Überblick findet man unter Friedrich Hölderlin, REC Music Foundation (The Lied & Song Text)  ; zu den Vertonungen Hauers siehe Josef Matthias Hauer, REC Music Foundation (The Lied & Song Text)  ; zum Einfluss Hölderlins auf den deutschen Expressionismus siehe Bartsch 1974.



Josef Matthias Hauer, Chorlieder aus den Tragödien d. Sophokles, für Männerstimmen und Klavier, op. 7, 1907.

Tagebuch 1924



„Last“, „Herbst“ und „der erste Kuß“ – Gedichte ETCs.

37 Hausherr Hugo Steiner verkörperte den Zirkusdirektor Hagenbeck, Steiners Töchter Mariedl und Evchen die Töchter des Direktors. Zu Mariedl – Marie  ? – Steiner konnten keine Lebensdaten eruiert werden. 38 25.2.1924 in der Secession  : „Abend russischer Dichtung“ – Hans Rodenberg (TB 1923, 10.11). Ein Schauspieler namens Nowotny konnte nicht ausfindig gemacht werden. „Es ist bezeichnend, daß der ‚Verein für die Förderung moderner Kunst in Wien‘ seine Propaganda mit einer ‚russischen Woche‘ begonnen hat. Denn auch für die Revolution in der Kunst sind die Russen Spezialisten. Es waren lauter schöne Dichtungen, die uns Frau Dr. Fannina Halle mit dem Fleiß der Liebe zusammengetragen hat.“ (Balázs 1924.)

Ernst Rathenau  – Herausgeber expressionistischer Grafik, Euphorion-Verlag Berlin. Im März und April 1923 hatte Ehrlich in der Galerie des Euphorion-Verlags in Berlin ausgestellt (Kurz 1956, 22).



Paul Westheim (Hrsg.), Das Kunstblatt, 8. Jg., H. 4, Sonderheft, Das neue Wien, Potsdam 1924.



Die Emil-Nolde-Ausstellung fand vom 11.3.–8.4.1924 im Wiener Künstlerhaus statt. Veranstalter war die GFMK. HT hatte das Vorwort zum Katalog verfasst (Gesellschaft zur Förderung moderner Kunst 1924a).

39 ETC hatte sich beginnend mit ihrer Dissertation (Tietze-Conrat 1905) immer wieder mit dem österreichischen Barockbildhauer Georg Raphael Donner beschäftigt. Siehe dazu die Bibliografie ETCs, zuletzt in Krapf-Weiler 2007d. 40 Jeweils eine Zeichnung Ehrlichs von Asta Nielsen und Gerda Müller ist abgebildet in  : Tietze-­Conrat 1925a, 85, 88, bzw. in  : Krapf-Weiler 2007a [1925a], 239. Ehrlich hatte sich 1921 in Berlin aufgehalten und mit Paul Cassirer einen Vertretungsvertrag unterzeichnet. Im Dezember 1921 hatte er bei Cassirer gemeinsam mit Barlach, Kokoschka, Kolbe, Lehmbruck und Liebermann ausgestellt (Kurz 1956, 22). 41 In ihrem Artikel beklagt ETC das Desinteresse des Wiener Publikums, ausgestellte Werke auch käuflich zu erwerben  : „Es gibt bei uns nicht viele Käufer für die sogenannte moderne Kunst. Dazu kommt es, daß die wenigen, die wir haben, eine ganz andere Mentalität besitzen als anderswo. Vor allem sind sie nicht durch die Presse zu beeinflussen. Wenn z. B. in Berlin ein Künstler von der Presse großzügig empfohlen wird, so wird er sofort auch großzügig gekauft. Bei uns gibt es dergleichen nicht. Schon darum nicht, weil wir keine Presse haben, die großzügig empfiehlt. (Das ist ein Kapitel für sich.)“ (TietzeConrat 1924a.)

Zu Roden (siehe auch TB 1924, 8.1.)  : „1906 trat er [Max Roden] bei der Österreichischen Volks-Zeitung ein und war dort bis zu seiner fristlosen Entlassung am 30. April 1938 als Redakteur und Kunstkritiker tätig.“ (Lillie 2003, 987.)

42 Zum Vortrag von Kandinsky siehe TB 1924, 4.3. 279

Tagebuch 1924



Das Café Museum war dank seiner Nähe zu Akademie, Secession, Künstlerhaus sowie zu diversen Museen ein beliebter Wiener Künstlertreffpunkt der 1920er-Jahre.



Ein Maler Braun konnte nicht mit Sicherheit ermittelt werden.

Hauers Skizzen haben sich im Privatarchiv Kristin Matschiner erhalten.

Wie bereits die Gründungsversammlung im Jahr zuvor fand die erste Jahresvollversammlung der GFMK in der Albertina statt. Im Anschluss daran waren die Neuerwerbungen moderner Zeichnungen zu besichtigen, die unter Mitwirkung der GFMK durch die Albertina angekauft worden waren (Vgl. dazu Caruso 2008, 12). In den Statuten der GFMK war die Unterstützung der staatlichen Sammlungen beim Erwerb moderner Werke festgelegt. Laut Punkt 4 der Vereinsstatuten suchte der Verein seinen Zweck „durch Erwerbung von modernen Kunstwerken vornehmlich für die Österreichische Galerie und die Albertina und zur Verlosung unter die Förderer und Stifter“ zu erreichen (Caruso 2008, 14  ; WStLA, Vereinsarchiv, A 32/203/59629/1161/1923, Gesellschaft zur Förderung moderner Kunst in Wien, Statuten).



ETC, Lesung eigener Werke, 2.3.1924, Klubsaal Urania. Interessant ist, dass ETC hier für ihre Gedichte den übergeordneten Begriff „Mittelstandsfrau“ wählte. Auch die Münchner „Allgemeine Zeitung“, für die ETC regelmäßig berichtete, hatte zu jener Zeit eine Reihe künstlerischer Veranstaltungen unter dem Titel „Abende für den Mittelstand“ gestartet (N. N. 24.1.1924 und 31.1.1924). Im Gegensatz zu Initiativen wie etwa jener des sozialdemokratischen Politikers David Josef Bach (TB 1923, 21.8.), der sich mit seiner Kunststelle an die Arbeiterschaft wandte, sollte damit das kunstinteressierte Publikum der „Vorkriegszeit“ wieder für kulturelle Veranstaltungen gewonnen werden.

43 Paula Wahrmann – war „Klassenprima“ in ETCs Gymnasialzeit (Tietze-Conrat unveröff./a, 62).

„Lia D’Or“ konnte nicht eruiert werden.



Bei Otto Gottlieb handelte es sich um den Juristen und Sektionschef im Finanzministerium Otto Gottlieb-Billroth, Schwiegersohn des berühmten Chirurgen Theodor Billroth (1829– 1894). Der Mediziner Billroth war Johannes Brahms freundschaftlich verbunden gewesen. Ein Briefwechsel zwischen den beiden Persönlichkeiten wurde von Otto Gottlieb-Billroth, der den Namen seines Schwiegervaters als Doppelnamen führte, herausgebracht (GottliebBillroth 1935). Die Beziehung ETCs zu Otto Gottlieb wie auch zu Theodor Billroth war auf die Verbundenheit der Familie Conrat mit Brahms zurückzuführen (Gaugusch 2011, 995).



Die Ehefrau des Malers Viktor Tischler war die Sopranistin Mathilde Ehrlich (  ?). Zu deren Schwester können keine Angaben gemacht werden.



Ein Hauer-Schüler namens Liftschitz konnte nicht eruiert werden.

44 Friedrich Smetana, Dalibor, Oper, 1867. 280

Das „erlesene Souper“ beim Ehepaar Menczel hat auch Eingang in das Tagebuch Arthur

Tagebuch 1924

Schnitzlers gefunden  : „3/3 […] – Bei Menczels zum Nm. Kandinsky (er russ. Maler) und Frau, Prof. Tietze und Frau, Joseph Reti (Musiker), Alma, Werfel. (Mit ihm über die Doppelpyramide und über Unsterblichkeit u. dgl. – ).“ (Schnitzler 1995, 130–131.)

Vermutlich unterlag Schnitzler hier einem Namensirrtum und es handelte sich bei erwähntem Musiker um den Komponisten und Pianisten Rudolf Reti, der 1922 in Wien die „Internationale Gesellschaft für Neue Musik“ mitbegründet hatte. Im Nationaal Archief in Den Haag (Sammlung M. A. Tellegen) ist ein Briefwechsel zwischen Reti und Fannina Halle nachweisbar (siehe auch Reti 1924).



Am 15.4. kam es dann auch zu einer gemeinsamen Veranstaltung von Internationaler Gesellschaft für Neue Musik und GFMK. An einem sogenannten „Wiener Abend“ wurden u. a. Werke von Alban Berg (1885–1935), Josef Matthias Hauer, Egon Wellesz (1885–1974) und Rudolf Reti im Gebäude der Wiener Secession uraufgeführt (N. N. 15.4.1924). Am 29.4. folgte dann schließlich noch ein „Internationaler Abend“ mit Werken der Neuen Musik (N. N. 14.4.1924).

45 4.3.1924 – Vortrag von Wassily Kandinsky im Rahmen der von der GFMK organisierten russischen Kulturwoche. Der Vortrag fand im Museum für Kunst und Industrie vor einem „vierhundertköpfigen Publikum“ statt. Kandinsky sprach über „abstrakte Kunst“ (Caruso 2008, 35 – der Vortrag wurde hier irrtümlich auf den 8.3. datiert).

Dr. Markowitz – Kulturredakteur der „Arbeiter-Zeitung“  ; der Kunsthistoriker Kurt Rathe war Schriftführer der GFMK.

46 Zu Alfred Mahlau siehe TB 1924, 3.3. 47 Oskar Kokoschka, Maler und Modell II, 1924. Auf einer Staffelei im Bild ist Kokoschkas Sturm-Plakat aus dem Jahr 1910 zu sehen. Bei der Frau handelt es sich um Kokoschkas damalige Begleiterin Anna Kalin (TB 1924, 19.3., 2.7.). 48 Frau Dr. Harabath – konnte nicht nachgewiesen werden.

Karl Brockhausen – Verwaltungsrechtler, Volksbildner, Mitbegründer der ersten volksbildnerischen Universitätskurse in Europa. Wurde als überzeugter Liberaler nach dem Ersten Weltkrieg Vorkämpfer von Pazifismus und Völkerverständigung (Hellbling 1955).

49 Gemeint sind Adolf „Alf“ Seitz und dessen zukünftige Ehefrau Elisa. 50 Anfang April wurde in der Neuen Galerie Teil 1 der zweiteiligen Ausstellungsreihe zum norwegischen Maler Edvard Munch eröffnet (Teil 2 folgte am 26.4.: N.  N. 26.4.1924). Gezeigt wurde vor allem das grafische Werk.

Zur gleichen Zeit präsentierte die GFMK erstmals in Wien den in Deutschland bereits hoch angesehenen expressionistischen Maler und Mitbegründer der Künstlergemeinschaft „Die Brücke“ Emil Nolde. Insgesamt waren im Künstlerhaus vierzehn Ölbilder, über fünfzig von Noldes berühmten Aquarellen sowie fast hundert grafische Blätter zu sehen. Der Katalog erschien im Eigenverlag der GFMK (Gesellschaft zur Förderung moderner Kunst 1924a). Das Vorwort zum Katalog stammte von HT (Caruso 2008, 35  ; siehe dazu TB 1924, 17.5.). 281

Tagebuch 1924



Felix Albrecht Harta zeigte gleichzeitig im Künstlerhaus Porträts, Ölgemälde und Grafiken (11.3.–8.4.1924).



Veranstalter des Joachim-Ringelnatz-Abends war wahrscheinlich die GFMK.



Ernst Toller, Der deutsche Hinkemann, Tragödie, 1923  ; Wiener Inszenierung  : 1924, Renato Mordo, Raimund Theater.

51 Genauere Angaben zur Ausstellung impressionistischer Maler bei Würthle konnten nicht eruiert werden.

In der Wohnung der Kunsthistorikerin Fannina Halle fand eine Sitzung der GFMK zur Vorbereitung der „Internationalen Ausstellung neuer Theatertechnik“ statt. Oskar Strnad sollte bei der Ausstellung im Herbst sein Modell eines Ringtheaters präsentieren, „ein in maßvoll historisierender Bauweise konzipiertes Rundtheater“ (Lesák 1988, 103). Halle, die Paul Westheim nahestand, veröffentlichte immer wieder in den von Westheim herausgegebenen Zeitschriften (Vgl. dazu Caruso 2008, 113–116  ; Windhöfel 1995, 240, 286).



Der Verleger und Kunstkritiker Paul Westheim war in jenen Jahren in teils recht heftige Auseinandersetzungen um einzelne Künstler und Werke verstrickt (siehe dazu u. a. Werkner 1997  ; Windhöfel 1995, 87–114). Worauf sich das „unstimmige Gespräch“ bezogen haben mag, ist nicht bekannt, jedoch hatte sich HT bereits 1919 kollegial-kritisch zu Westheim geäußert. Westheim habe „keine allgemeinen Grundsätze, kein festes Verhältnis zu dem großen Problem“, mit dem er sich gerade befasse, daher urteile er stets aus seinem „persönlichen Geschmack heraus“, dem dann doch wieder „die untrügliche Sicherheit“ abgehe (Tietze 1919a, 154).

52 Der „Kulturbund“ wurde 1922 auf Initiative des österreichischen Aristokraten Karl Anton Rohan (1898–1975) gegründet. „Rohan […] stellte seine weitläufigen gesellschaftlichen Beziehungen und publizistischen Aktivitäten nacheinander folgenden Personen und Institutionen zur Verfügung  : den antimarxistischen Parteien des Sudetendeutschtums, dem deutschen Auswärtigen Amt, dem nationalen Flügel der Heimwehrbewegung, Seipel, Dollfuß, der NSDAP und schließlich den Landesleitern der illegalen österreichischen Partei. […] Die Statuten [des Kulturbunds, Anm. d. Hg.] gaben als Vereinszweck an  : ‚1. Das geistige Leben zusammenzufassen, schöpferische und strebende Menschen zur Anregung eines jeden zusammenzuführen. 2. Seinen Mitgliedern ein passender Rahmen zu sein, um zur Öffentlichkeit zu sprechen. 3. Das geistige Zusammenleben zwischen den Völkern zu fördern.‘“ (Amann 1988, 137–138.) 1925 passte der Wiener Kulturbund seine Statuten jenen seiner internationalen Schwesterorganisationen an und wurde Mitglied des „Verbandes für kulturelle Zusammenarbeit“ („Fédération Internationale des Unions Intellectuelles“), dessen erster Kongress 1926 in Wien stattfand. Durch Kooptieren wurde der Kreis der Gründungsmitglieder um zahlreiche klingende Namen, darunter auch zahlreiche Juden, erweitert. Zu diesen prominenten Persönlichkeiten aus Kultur und Politik zählte auch Hans Tietze (Amann 1988, 138–139). Das Spektrum der Vortragenden war zu vielfältig, um es ohne Weiteres dem politisch rechten Flügel zuordnen zu können. Dennoch wurde der Kulturbund im Laufe der Jahre sowohl von der Politik des Ständestaats als auch von den Nationalsozialisten vereinnahmt und instrumentalisiert (Hall 1985, 460–461). 282

Tagebuch 1924

Eidlitz selbst nahm eine konservativ-esoterische Entwicklung. In der sogenannten „Vermögensanmeldung“, die Eidlitz 1938 bei der nationalsozialistischen „Vermögensverkehrsstelle“ auszufüllen gezwungen war, findet sich die Abschrift eines Schreibens des Landeskulturleiters der NSDAP Österreich vom 14.4.1939, in dem bestätigt wurde, dass Eidlitz sich „seit Jahren werktätig [sic  !] im Sinne der Bewegung betätigt“ habe. Mit „Rücksicht auf seine Verdienste“ werde ihm vom „Herrn Präsidenten der Reichskulturkammer Reichsminister Dr. Goebbels“ ein „Sonderausweis“ ausgestellt. „Dies ist ein ganz besonderer Ausnahmefall. Obwohl es sich um Nicht-Arier handelt, bestehen keine Bedenken für Parteigenossen, mit Herr und Frau Walter Eidlitz zu verkehren.“ (ÖStA, AdR, 06, BMF, VVSt, VA Eidlitz Walther, Nr. 13412.) „E., der anfangs dem Nationalsozialismus Sympathie entgegenbrachte, entschied sich für die ind. Religion und Geistesgeschichte, deren Erforschung u. Verbreitung sein Spätwerk dient – insbes. auch seine Übersetzungen aus dem Sanskrit.“ (Sachslehner 1989.) 53 Erica Tietze-Conrat, Neue Donner-Statuetten im Wiener Barockmuseum, in  : Österreichische Galerie Wien, Galerie des 19. Jh. im Oberen Belvedere, Wien 1924, 139–141. 54 Gemeint ist der klassizistisch-voluminöse und vergeistigte Stil, der bei Pablo Picasso sowie eben auch bei Georg Merkel mit dem Ersten Weltkrieg in den Vordergrund rückte. 55 Das nackte Weib (Die Kurtisane von Venedig), Regie  : Friedrich Feher, Österreich 1924, mit Hedwig Bleibtreu, Sibylla Blei, Raoul Aslan  ; ein Schauspieler Gabillon konnte nicht mit Sicherheit zugeordnet werden.

ETC versuchte, den Halles die Künstlerförderung schmackhaft zu machen.



Marie Thérèse Geoffrin war eine Förderin der Künste mit Kontakten zu den Enzyklopädisten, die in ihrem Pariser Salon verkehrten.



Die Stelle verdeutlicht, dass die GFMK, die von der Stadt Wien offiziell mit den Agenden für die „Internationale Ausstellung neuer Theatertechnik“ beim Musik- und Theaterfest 1924 betraut worden war, ihrerseits wiederum dem Architekten Friedrich Kiesler die Generalplanung für die Veranstaltung übertrug.



ETC besorgte sich in der Glasmanufaktur Bimini ihres Freundes Fritz Lampl eine Eintrittskarte für die Wiener Messe. Die Wiener Messe wurde u. a. in den ehemaligen k.  k. Hofstallungen (heute MuseumsQuartier Wien) abgehalten. In einer Besprechung würdigte ETC die Produkte der Glasmanufaktur Bimini  : „Blumen, Tiere, schlanke Henkelgefäße, entworfen von den beiden Architekten Arthur und Josef Berger, werden frei aus der Hand geblasen, also in der ehrwürdigen Technik, die in ähnlicher Mannigfaltigkeit nur in Venedig (Murano) geübt wird.“ (tz [Tietze] 1924f.)



Sanatorium Löw – Privatkrankenhaus im 9. Wiener Gemeindebezirk, gegr. 1871.

56 Zu Fannina Halle siehe TB 1923, 26.11.; TB 1924, 3.5.

Die Frage der Nutzung der Hofburg war zu diesem Zeitpunkt noch ungeklärt und beschäftigte die Politik. Ein Teil des Verkaufserlöses von Dubletten und anderen Kunstwerken sollte auch für die Fertigstellung der Neuen Hofburg zur Verfügung gestellt werden. 283

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„Poppin“ – die Kunsthistorikerin Anny E. Popp.

57 Ob es sich dabei um jene „Landschaft vom Genfer See“ handelte, die einige Monate später bei der „Internationalen Kunstausstellung“ gezeigt werden sollte (TB 1924, 11.9.), bzw. um eine andere Schweizer Seelandschaft Kokoschkas aus jener Periode, konnte nicht festgestellt werden. Siehe dazu Wingler 1956, 312.

„italienische Seite“ – im KHM waren jahrelange Umhängungen in den Sälen und Kabinetten der venezianischen Malerei nun abgeschlossen. „Im ersten Saal ist einreihig gehängt, im zweiten doch wieder ein Halbstock […], eine Beletage und ein minderes zweites Geschoß.“ (tz [Tietze] 1924e.)



Robert Schmidt – Direktor des Kunstgewerbemuseums in Frankfurt (Meyer 1953, 27). Von Schmidt stammte 1922 auch Bd. 16 von HTs „Bibliothek der Kunstgeschichte“, „Das romanische Kunstgewerbe in Deutschland“ (Schmidt 1922).

58 Richard Strauss, Der Rosenkavalier, Oper. Richard Mayr als Baron Ochs und Maria Gutheil-Schoder als Oktavian waren bereits bei der Österreich-Premiere der Oper im Jahr 1911 in diesen Rollen zu hören gewesen. 59 Zu den Verhandlungen mit Ungarn siehe TB 1923, 20.7., 28.10., 1.11.; TB 1924, 21.3.

Heinrich Wölfflin referierte an einem vom „Verein der Museumsfreunde“ organisierten Abend zu „Dürer und die deutsche Kunst“.



Die Reformpädagogin Eugenie Schwarzwald hatte 1911 in der Wiener Innenstadt das erste achtklassige Mädchenrealgymnasium eröffnet, an dem im Laufe der Jahre zahlreiche prominente Persönlichkeiten Unterricht erteilten. Zu ihnen gehörten Vertreter der künstlerischen Avantgarde wie Loos, Schönberg und Kokoschka, der die Mädchen in Zeichnen unterrichtete. Grundlegend für Schwarzwalds Reformpädagogik waren Kreativitätsförderung und Friedenserziehung (Eugenie Schwarzwald, ÖNB, Ariadne). Es wäre durchaus möglich, dass HT ebenfalls zeitweilig dem Lehrkörper angehörte. Nach dem Krieg initiierte Schwarzwald eine Reihe von Hilfsprogrammen, wie zum Beispiel ein Sommererholungsheim für Jugendliche (1920), ein Programm „Jugend hilft den Alten“ (1921) oder unter dem Titel „Österreichische Freundeshilfe“ (1923–1927) u. a. Volksküchen für die Hungernden in Berlin (Deichmann 1988  ; zu Schwarzwald siehe auch Timms 2013, 142–150).

60 ETCs Band zum „französischen Kupferstich der Renaissance“ erschien 1925 im Kurt Wolff Verlag, München (TB 1923, 1.8.).

284



Die beiden Nolde-Bilder werden im Katalog nicht angeführt. Möglicherweise handelte es sich bei „Heilige Nacht“ um das Ölbild von 1912, beim zweiten um das „Verlorene Paradies“ von 1921.



Zu den „östlichen Sammlergestalten“ bei der vom „Vorstand der Gesellschaft der Bilderund Miniaturenfreunde“ und einem „Damenkomitee“ der Wiener Gesellschaft organisierten „Internationalen Miniaturenausstellung“ in der Albertina (Mai–Juni 1924) kann nur fantasiert werden. Vermutlich reproduzierte ETC hier die gängigen Vorurteile gegenüber „Ostjuden“.

Tagebuch 1924



Der Leiter des Grafikkabinetts der Bibliothèque National de France, François Courboin, hatte u. a. zahlreiche Bände zur französischen Druckgrafik veröffentlicht.



Zum Porträt Helene Funke, Ninon Dolbin, siehe TB 1923, 11.11.

61 Ungarn – siehe TB 1923, 20.7., 28.10., 1.11.; TB 1924, 19.3.

Ab diesem Zeitpunkt ist nachweisbar, dass HT in seiner Funktion durch die Abgeordneten des „Landbunds“ massiv bedrängt wurde (TB 1925, 5.7.). Aus der „Deutschösterreichischen Bauernpartei“ war im Herbst 1921 der „Landbund für Österreich“ hervorgegangen. „Wie alle deutschnationalen Organisationen war der Landbund antisemitisch  : Er trat dafür ein, dass der ‚schädliche Einfluss des Judentums auf unser öffentliches, kulturelles und wirtschaftliches Leben‘ durch ‚gesetzliche und wirtschaftliche Abwehrmaßnahmen‘ gebrochen werden sollte.“ (Klösch 2011.)



Heinrich Wölfflin feierte in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag und den Abschied von seinem Lehrstuhl in München.

62 Ein Operettenlibretto ETCs, das in der Zeit des Babenbergers Leopold I. (um 940–994) spielt, ist nicht überliefert.

Albert Steffen, Kleine Mythen, Zürich 1923. Steffen war ein führender Anthroposoph der Zeit und Nachfolger Rudolf Steiners (1861–1925) als Vorsitzender der „Anthroposophischen Gesellschaft“ (Albert Steffen, Anthroposophie im 20. Jahrhundert).

63 Ernst Buschbeck und seine Frau Johanna, geb. Zimmermann, ließen sich 1931 scheiden (Archiv des KHM, Ernst H. Buschbeck, Biografie). 64 Höchstwahrscheinlich das Gemälde Walter Eidlitz [1920 sic  !], Pallauf 2000, Nr. 38, 111.

In der Galerie Würthle fand für den Künstlerfonds der Verkauf der Werke Ehrlichs statt. Die Fondsteilnehmer hatten davor Zeit gehabt, die Ausstellung der Werke anzuschauen und sich zu „pränumerieren“. ETC vertrat – wie ein Sensal bei der Auktion – verschiedene Teilnehmer des Fonds. Unklar ist, ob der Preis der Werke festgelegt war oder ob sie versteigert wurden. Anton Reichel für die Albertina sowie Georg Halle hatten bereits eine Vorauswahl getroffen. Die GFMK trat hier wie jeder andere Fondsteilnehmer auf. Schriftführer Kurt Rathe übernahm einige Werke Ehrlichs, die vermutlich gemäß den Vereinsstatuten zur Weitergabe an die staatlichen Sammlungen gedacht waren. ETCs Agententätigkeit für den Künstlerfonds umfasste auch den Maler Oskar Laske (zum Künstlerfonds Vgl. TB 1923, 5.7.; TB 1924, 2.4.).



„Ehrlich hat Figdor gezeichnet, 2 Zeichnungen“ – bedauerlicherweise konnte bisher keine jener Zeichnungen, die Ehrlich von Albert Figdor angefertigt hatte, identifiziert werden.



Die Gemäldegalerie des KHM führte im ersten Stock des Künstlerhauses öffentlichkeitswirksam ihre rund 50 Neuerwerbungen aus den vorangegangenen Jahren vor. „Bei etwaigen solchen künftigen Veranstaltungen wäre aber wohl vor allem das Publikum auf dem laufenden darüber zu halten, was aus den alten Galeriebeständen weggegeben wurde, um die eine oder andere Neuerwerbung zu ermöglichen“, so die kritische Anmerkung des Grafen Lanckoroński (Lanckoroński 1924, 36  ; TB 1924, 31.1). 285

Tagebuch 1924

Kuefstein – altes österreichisches Adelsgeschlecht.

Die Hochzeit des Tobias, Theaterstück, Typoskript im Nachlass enthalten (Privatarchiv Kristin Matschiner).



Esther, Theaterstück  ?, im Nachlass nicht enthalten.



Gemeint ist der Architekt Otto Breuer.

65 Hanns Swarzenski, Sohn des Kunsthistorikers und Städel-Direktors Georg Swarzenski, studierte Kunstgeschichte bei Paul Clemen in Bonn (Hanns Swarzenski, Dictionary of Art Historians).

Zur „Palästina“-Mappe von Floch siehe TB 1923, 30.8.; TB 1924, 2.4.

66 Bertha Taussig – Ehefrau von Generaldirektor Oskar Taussig (TB 1923, 2.7.).

Rosa Menczel (TB 1924, 4.3.).



„Bilder (Laske, Funke, Floch, Stefferl) vom Künstlerfonds“  – bisher wurde weder untersucht, wer die anderen im Fonds tätigen Agenten waren, noch, welcher Mäzen welchen Künstler besonders unterstützte.



Die Arbeiten, auf die kein Sponsor des Fonds Anspruch erhob, wurden dem Kunsthandel (in diesem Fall der Galerie Würthle) zugeführt, „der Erlös zunächst zur Rückerstattung der Beiträge der Teilnehmer verwendet, soweit diese Rückzahlung nicht bereits durch Kunstwerke erfolgt ist“ (Tietze 1924c, 127). Zum Künstlerfonds siehe auch TB 1923, 5.7.



Erica Tietze-Conrat, Vorwort, Palästina, Zehn Lithographien von Josef Floch, Berlin 1924 (TB 1923, 30.3.; TB 1924, 30.3.).

67 Ausstellung Secession  : Willi Jaeckel, Julius Hüther und Ferdinand Kitt. Alle drei gehörten der Künstlervereinigung „Secession“ an. 68 Der Kunsthistoriker Oswald Kutschera-Woborsky, Schüler Max Dvořáks, war 1922 verstorben. Wie HT war auch Kutschera im Ersten Weltkrieg bei der „Kunstschutzgruppe“ in Udine im Kriegseinsatz gewesen. „Er war im März 1918 dahin gekommen, mich bei den Bemühungen um den Schutz der Kunstwerke im Friaul zu unterstützen und bis zum Zusammenbruch dort geblieben.“ (Tietze 1922a, 539  ; Tietze 1922b  ; zum Kunstschutz siehe TB 1925, 21.9.) Kutschera hatte seine Kunstsammlung, vor allem seine bedeutende Sammlung italienischer Barockzeichnungen, sowie seinen wissenschaftlichen Nachlass dem Staat vermacht. Die Sammlung wurde in der Folge unter den Wiener Museen und der Universität aufgeteilt. Zum Grab Kutscheras konnte nichts ausfindig gemacht werden.

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Paul Claudel, Mittagswende, Drama, 1905  ; 1924 im Akademietheater mit Ida Roland. Die Münchner Kammerspiele, in denen das Stück 2004 zur Aufführung gelangte, dürften über die Aufführungsgeschichte im deutschen Sprachraum nicht richtig informiert gewesen sein, als sie schrieben  : „Im Jahr 1948 versuchte der berühmte Schauspieler Jean-Luis Barrault den damals bereits achtzigjährigen Dichter Paul Claudel zu überreden, ihm ein

Tagebuch 1924

geheimnisvolles Theaterstück mit dem Titel Mittagswende zur Uraufführung [sic  !] zu geben. Claudel hatte das Stück mehr als vierzig Jahre lang vor der Öffentlichkeit behütet. […] Claudel erlaubte zwar die Uraufführung, aber er schrieb das Stück noch einmal neu  : jetzt als Allegorie jener neo-katholischen Gedankenwelt, für die er als eine der führenden europäischen Geistesgrößen Frankreichs verehrt wurde. Heute gilt das Stück längst als das heimliche Meisterwerk Claudels, aber eben nicht in der späten Überarbeitung, sondern in der Urfassung von 1905, die autobiographisch direkter, härter, wesentlich weltlicher und damit auch komischer festhält, in welches Liebesdrama Claudel als junger Konsul in China verstrickt war.“ (Mittagswende, Münchner Kammerspiele.) 69 Ernst Ludwig Kirchner, Die Klosterser Berge, um 1923, Österreichische Galerie Belvedere (Pappernigg 1995, 220). 70 Zu Philippis Mäzen namens König konnte nichts herausgefunden werden.

Unklar ist, ob der Vortrag des Architekten und Bauhaus-Begründers Walter Gropius ebenfalls von der GFMK organisiert worden war.

71 „Dürers Fürlegerin“ – Porträt aus der Sammlung Baron Speck von Sternburg, eine junge Frau aus der Nürnberger Patrizierfamilie Fürleger darstellend (Tietze/Tietze-Conrat 1928, Abb. 173, 38, 89).

Bei „Vix de Zsolnay“ handelte es sich um ein Wortspiel mit dem Präfix „Vice“ – als Hinweis auf Paul Stephans Stellung im Verlag – und dem ehemals bürgerlichen Namen der Familie Zsolnay „Wix“, aus dem in der Folge „Wix de Zsolnay“ und schließlich nur mehr „de Zsolnay“ wurde.



Nach Werfels Verdi-Roman, der dem neu gegründeten Zsolnay-Verlag den finanziellen Rückhalt geben sollte, waren die Briefe Gustav Mahlers die zweite bedeutende Publikation des Unternehmens (Mahler-Werfel 1960, 161–162).



Zu ihrem Haus in Venedig notierte Alma Mahler-Werfel in ihr Tagebuch  : „April – Venedig Im eigenen Haus  ! Ein kleiner Garten. Ein wirkliches Paradies. Es ist alles geworden, wie ich es wollte. […] Ich habe das ganze Haus renovieren, ein Zimmer vergrößern, zwei Badezimmer einbauen lassen … und der Herr Moll ließ hinter meinem Rücken noch zwei neue Zimmer aufbauen. Das alte Haus aber konnte diese neue Last nicht mehr tragen, und in der Decke über meinem Bett waren lebensgefährliche Sprünge entstanden. […] Alles in allem, das Haus entspricht jetzt dem, was ich mir gewünscht hatte.“ (Mahler-Werfel 1960, 162–163.)



Die Casa Mahler in Venedig ist heute ein Hotel.

72 Max Dvořáks ältere Tochter Hermine, genannt „Minka“.

Um welche Zeichnung Kokoschkas aus der Zeit seiner Beziehung mit Alma Mahler es sich gehandelt haben mag, konnte nicht eruiert werden.



Beim „christlichen Herrn Groag“ handelte es sich um den Architekten Jacques Groag. 287

Tagebuch 1924

Dieser entstammte einer „assimilierten jüdischen Kaufmannsfamilie“ und wurde ein enger Freund Ehrlichs ( Jacques Groag, Az W, Architektenlexikon).

ETC wurde bereits als Baby evangelisch getauft. Die Eltern waren mit den beiden ä­ lteren Schwestern 1882 aus der jüdischen Religionsgemeinschaft ausgetreten. HT hatte seine Taufe in seinem 13. Lebensjahr „stehend“ empfangen.

73 Die Galerie Würthle zeigte neben etlichen Zeichnungen auch 17 Aquarelle von George Grosz, die in ihren Farben von „wundervoller Leuchtkraft“ bei gleichzeitiger „Feinheit und Leichtigkeit“ das Überraschendste für Wien seien, „wo man George Grosz nur aus dem Ecce-homo-Buch […] oder einigen Schwarz-weiß-Blättern kannte“ (tz [Tietze] 1924g). Der Katalog zur Verkaufsausstellung führt kein Datum an. Vorangestellt als „Lebensbekenntnis und künstlerisches Manifest“ finden sich zwei von Grosz verfasste autobiografische Skizzen.

Die Malerin Katharina Zirner war offenbar auch als Hutmacherin tätig.



Im Park von Schloss Schönbrunn befindet sich der Wiener Tiergarten.



Ob HTs Besuch bei Dr. Eugenie Schwarzwald einen anderen als einen geselligen Hintergrund hatte, kann nicht gesagt werden. In jedem Fall scheint es ein entspanntes, zwangloses Beisammensein gewesen zu sein, möglicherweise einer jener berühmten Abende im Salon der Schwarzwalds.



Kanitz – gemeint ist der Jurist Dr. Adolf Kanitz-Wiesenburg, Vertrauter von Ida Conrat und ihr ehemaliger Nachbar in der Walfischgasse (Gaugusch 2011, 1.328  ; persönliches Gespräch der Herausgeberin mit Kristin Matschiner, Dezember 2011).

74 Bedauerlicherweise konnte bisher keine Zeichnung Helene Funkes von ETC nachgewiesen werden.

Zu Otto Gottlieb siehe TB 1924, 3.3.



Gemeint ist vermutlich Oskar Kokoschka, Selbstbildnis von zwei Seiten, Kreidelithografie, 1923 (Wingler/Welz 1975, 145).

75 Adolf „Alf“ Seitz hatte in der niederösterreichischen Kleinstadt Eggenburg ein Anwesen geerbt.

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Das Feuilleton von Frau Pollak-Prag konnte nicht ausfindig gemacht werden.



In zwei aufeinanderfolgenden, als „Ketzerische Glossen eines Museumsbesuchers“ betitelten Beiträgen mokierte sich Adalbert Franz Seligmann („A.  F.  S.“, selbst Maler und langjähriges Künstlerhausmitglied) in der „Neuen Freien Presse“ über die Vorgänge an den Museen. Die Museumsleiter Franz Martin Haberditzl und Gustav Glück (beide Kunsthistoriker) gehörten zu jenen Direktoren, die aufgrund der verschiedenen Bildertauschaktionen in den diversen Kommentaren besonders angegriffen wurden. Teil 1 von Seligmanns Serie widmete sich den Tauschaktionen und Restaurierungen des Kunsthistorischen Museums (Seligmann 1924a).

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Wie den anderen konservativen Kommentatoren war Seligmann die Nolde-Ausstellung (11.3.–8.4.1924) ein besonderer Dorn im Auge  : „Ein sogenannter ‚Sachverständiger‘ von heute, der den groben Ulk von Nolde, der jetzt im Künstlerhaus zu sehen ist, nicht nur ernst nimmt, sondern bewundert, kann doch für einen Knaus oder Pettenkofen unmöglich irgendwelches Verständnis haben, ja er muß, wenn er das eine für Kunst erklärt, das andere für Schmarrn halten.“ (Seligmann 1924b, 3  ; zu diesen Vorgängen siehe Caruso [noch nicht ersch.]  ; TB 1924, 14.5.) Tags darauf erschien an gleicher Stelle unter dem Titel „Künstler und Kunsthistoriker“ (TB 1924, 31.1., 6.5.) eine Solidaritätsbekundung der Wiener Künstlerschaft mit Redakteur Seligmann  : „Nur die Form dieser Artikel erscheint uns zu milde und zu diplomatisch, weil sie geeignet ist, über die Größe des Schadens hinwegzutäuschen, die unserem gesamten Kunstleben durch das Ueberhandnehmen des Einflusses der Kunsthistoriker droht […].“ (N. N. 17.4.1924.) Unterzeichnet wurde die Note von 20 Künstlern der wichtigsten Künstlervereinigungen. Der Präsident der „Künstlergenossenschaft“ widerrief kurz darauf seine Unterschrift, da er „selbst Mitglied der Tauschkommission“ war (N. N. 25.4.1924).



„Besonders gehässige Äußerungen sind charakteristischer Weise seitens solcher gefallen, die – gleich Nolde selbst – den Beruf des Malers ausüben“, erwiderte HT in  : „Wer ist Emil Nolde  ?“ (Tietze 1924i.)



Ein Werk ETCs, „Jonathan“ betitelt, hat sich im Nachlass nicht erhalten.

76 Ziel von ETCs Feuilletonreihe war es, jene Wiener Sammlungen vorzustellen, die nun per Gesetz zweimal monatlich von einer interessierten Öffentlichkeit an Ort und Stelle besichtigt werden konnten. Hatte der Sammler sich per Notariatsakt zu dieser Öffnung verpflichtet, durfte auch in den damaligen Notzeiten kein überschüssiger Wohnraum durch das Wohnungsamt der Stadt Wien an Bedürftige untervermietet werden. Denn, so ETC  : „Der Sammler muß eine geräumige Wohnung haben, um seinen Kunstbesitz würdig aufstellen zu können  ; kein Untermieter darf diese Freizügigkeit stören. Das Mietamt ist darum der Feind, das Denkmalamt der Verteidiger des Sammlers.“ (Tietze-Conrat 1924b.) Teil 1 der Serie war der Sammlung Figdor, „der bedeutendsten und ältesten“ Sammlung, gewidmet. Diese sei schon immer „und in einem weitaus größeren Ausmaß, als es die neue Vereinbarung bestimmt – dem Publikum zugänglich gewesen, stand immer schon in liberalster Form jeder Forschungsarbeit offen“ (Tietze-Conrat 1924b)  ; ETC zu Figdor siehe TB 1923, 5.7. Ob der zweite Teil der Serie, der der Sammlung Lanckoroński gewidmet sein sollte, tatsächlich erschienen ist, ist unklar. 77 Im Nachlass von Frau Walburg Rusch (Privatarchiv Kristin Matschiner, Wien) befinden sich noch zwei der bunten Bilderbriefe Lilly Steiners. 78 Die mittlere der drei Conrat-Schwestern, Lili, hatte ihren Vetter Ludwig „Lutz“ Fraenkel in Breslau geheiratet. Fraenkel war Inhaber eines Lehrstuhls für Gynäkologie und Geburtshilfe der Universität Breslau. Später erinnerte sich Ivo Kahmann, Tochter von ETCs ältester Schwester Ilse  : „Ich habe gefragt, wer von unseren Bekannten denn Juden seien, denn damals sah man schon viele NS-Plakate bei den Wahlen, die sich gegen Juden richteten […]. Meine kluge Mutter, die viele Juden kannte, nannte mir aber Onkel Lutz Fraenkel. Ich 289

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wußte jedoch, daß Onkel Lutz ein richtiger Vetter von Tante Lili und meiner Mutter war, und da ich nicht dumm war, hab ich sofort verstanden.“ (Kahmann unveröff., 135.)

Luigi Pirandello, 6 Personen suchen einen Autor, Groteske, italienische Uraufführung 1921, deutsche Uraufführung im April 1924, Regie  : Rudolf Beer, Raimund Theater. „Pirandello is always preoccupied with the problem of identity. The self exists to him only in relation to others  ; it consists of changing facets that hide an inscrutable abyss.“ (Luigi Pirandello, The Nobel Prize in Literature 1934.)



Ausstellung Georg Jung, Galerie Holbein, Wien. Der Hotelierssohn Jung stammte aus Salzburg.

79 In Wien gab es zu Beginn der 1920er-Jahre sowohl einige bedeutende Kunstsammler mit dem Namen Lederer als auch Künstler desselben Namens (Vgl. dazu Lillie 2003, 256–271).

Ein Vortrag Kokoschkas fand am 25. April im Neuen Saal der Hofburg statt.

80 „Schottenpassion“ – die Klosterspiele im Wiener Benediktiner-Schottenstift wollten mit der Passion Christi frühmittelalterliche Leidensdarstellungen liturgisch neu beleben (N. N. 14.4.1924).

George Bernard Shaw, Pygmalion, Drama, 1916.

81 Der Mittelgewichtsboxkampf Georges Carpentier gegen Arthur Townley (1895–  ?) in der Freiluftarena auf der Hohen Warte wurde wegen schlechten Wetters verschoben und fand schließlich am 1. Mai statt. Sieger durch K. o. wurde Carpentier. Anlässlich dieses „bedeutendsten Boxkampfs, der je in Österreich ausgetragen worden ist“, hieß es zur Geschichte des Boxsports in Österreich in der „Neuen Freien Presse“ vom 27. April 1924  : „Wohl wird der Boxsport in Österreich schon seit Beginn des laufenden Jahrhunderts gepflegt, bis vor dem Kriege mußte er aber sozusagen im Geheimen geübt werden, weil öffentliche Veranstaltungen polizeilich verboten waren. Als dann nach Verlöschen der Kriegsfackel viele Österreicher aus der englischen Gefangenschaft heimkehrten, in der sie sich zur Erhaltung mit dem Boxen befaßt hatten, begann man mit Veranstaltungen an die Öffentlichkeit zu treten.“ (N. N. 27.4.1924.)

Zu Ernst „Erny“ Ebenstein siehe TB 1923, 21.10.



Unklar, in welchem Naheverhältnis die Person namens Paula zu Ernst Ebenstein gestanden hat und um welchen Familienzwist es sich gehandelt haben könnte. Der Pianist und Musikpädagoge Viktor Ebenstein war Ernst Ebensteins jüngerer Bruder (Viktor Ebenstein, Österreichisches Musiklexikon).

82 Der Kunstpreis der Stadt Wien wurde 1924 zum ersten Mal verliehen. Richard Billinger wurde für seine 1923 bei Rowohlt erschienenen Gedichte „Über die Äcker“ ausgezeichnet (Billinger 1923). ETC bezog sich auf den 1923 im Haybach-Verlag unter dem einschlägigen Titel „Lob Gottes“ erschienenen Gedichtband Billingers mit Illustrationen des Malers Erwin Lang (1886–1962). (Billinger 1922.)

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1919 war Martina Wieds Gedichtband „Bewegung“ in der für die Veröffentlichung expressionistischer Literatur bekannten Edition Strache erschienen. 1920 war Wied als eine der

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wenigen Frauen in der von Emil Alphons Rheinhardt (1889–1945) herausgebrachten Anthologie „Die Botschaft, Neue Gedichte aus Österreich“ (Wien) vertreten. 1924 erhielt sie den Förderpreis der Stadt Wien. 1938 emigrierte Wied nach Großbritannien und kehrte nach dem Krieg nach Österreich zurück, wo sie wieder schriftstellerisch tätig war (Prokop 1971). Weitere Preisträger im Bereich Literatur 1924 waren Walter Eidlitz, Max Mell (1882–1971), Robert Musil und Otto Stoessl mit seinem letzten Werk „Sonnenmelodie“, der „Geschichte eines oesterreichischen Musikers, gleichzeitig ein Bild Oesterreichs während des Krieges und in der Nachkriegszeit“ (N. N. 2.5.1924).

Von der Bildhauerin Hanna Gaertner, Tochter des Pathologen Gustav Gärtner (1855– 1937), findet sich im 5. Wiener Gemeindebezirk noch eine von ihr gestaltete Brunnenanlage (Bärenbrunnen) aus dem Jahr 1928.

83 Zum Kaufmann und Bildhauer Moritz Rothberger siehe Gschiel/Nimeth/Weidinger 2010.

Gustav Kirstein bezog vorübergehend das ehemals von Adolf Seitz bewohnte Zimmer in der Armbrustergasse.



John Quincy Adams galt als konservativer Antipode zu Gustav Klimt. Er – wie auch Wilhelm Viktor Krausz – waren begehrte Porträtisten der höheren Wiener Gesellschaft.



Das Bindeglied zwischen den Kunsthandlungen Artaria & Cie., Wien, und C. G. Boerner, Leipzig, war der Kunsthändler Gustav Nebehay, der an beiden Firmen beteiligt war (Nebehay 1983, 147).

84 Der 60. Geburtstag Richard Strauß’ wurde an den Wiener Bühnen mit einer Strauß-­Woche begangen.



„Dr. Schwarzmann, Krugerstraße“  – in den Räumlichkeiten des Arztes Dr. Norbert Schwarzmann fand eine von Arnold Schönbergs Privataufführungen statt, die es ermöglichten, seine Musik ohne Störungen durch öffentliche Anfeindungen zu erleben. Ein Modell, das auch von der GFMK für einige Ausstellungen (z. B. 1923 für eine Ausstellung von Werken des Avantgardisten Bela Uitz) übernommen worden war. Auf dem Programm an diesem Abend standen die Uraufführung von Schönbergs Serenade für Klarinette, Bassklarinette, Mandoline, Gitarre, Geige, Bratsche, Violoncello und eine tiefe Männerstimme (Alfred Jerger), op. 24, 1920–1923, Text  : Francesco Petrarca, sowie dreimal sieben Gedichte aus Albert Girauds „Pierrot lunaire“, op. 21, 1912, Sprechstimme  : Maria Gutheil-Schoder (Arnold Schönberg Center, HP).



Die Ehefrau des Komponisten Alban Berg (1885–1935), Helene, war mit Alma Mahler freundschaftlich verbunden.



Der gebürtige Wiener Fritz Stiedry war erster Dirigent an der Berliner Oper gewesen, bevor er für ein Jahr das Amt des Volksoperndirektors übernahm. Musikalisch favorisierte Stiedry die „Zweite Wiener Schule“ um Schönberg, mit dem er auch befreundet war. Stiedrys Amtszeit war von großen finanziellen Schwierigkeiten überschattet, dennoch konnte er einige Erstaufführungen moderner Werke an der Volksoper realisieren (Fritz Stiedry, Bach Cantatas Website). 291

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Die Sängerin und Schauspielerin Erika Wagner war Stiedrys Ehefrau und die von Schönberg favorisierte Sprechstimme für den „Pierrot lunaire“ (Soder 2008, 15).

Georg und Fannina Halle waren verschwägert. Fanninas Ehemann, der Industrielle Walter Halle (geb. 1881), war bereits 1918 verstorben. Die Verwicklungen bei Halles konnten nicht aufgelöst werden. Der Name von Fanninas Begleiter ist schlecht lesbar, aber es dürfte sich um Rudolf Reti gehandelt haben (TB 1924, 4.3.). Kokoschkas jüngerer Bruder hieß mit Vornamen Bohuslav. 85 Richard Strauß war noch bis Oktober 1924 Direktor der Wiener Staatsoper.

Festvorstellung Straußwoche, Salome, op. 54, Text  : Oscar Wilde (1854–1900), Uraufführung 1905.



Am 4. Mai erschien in der „Neuen Freien Presse“ wieder unter dem Titel „Über Künstler und Kunsthistoriker“ ein Artikel des Malers Jehudo Epstein (TB 1924, 31.1.). Epstein, ebenfalls ein langjähriges Mitglied des Künstlerhauses, stilisierte in seinem aphoristisch gehaltenen Beitrag eine unüberwindbare Kluft zwischen Künstlern und Kunsthistorikern (Epstein 1924). Kontroversen über die Vorrangstellung von Künstlern bzw. Kunsthistorikern, vor allem bei der Besetzung von Leiterposten an Museen, wurden in Deutschland bereits mehr als zwei Jahrzehnte früher ausgefochten, wobei die Kunsthistoriker dank der Unterstützung durch die Behörden klar den Sieg davontrugen (Winter 2012b  ; TB 1924, 18.4.; bzw. Caruso 2014).



Zu den „Rubensbildern“ siehe TB 1924, 18.5.



Toni Cassirer war Ehefrau des Hamburger Philosophen Ernst Cassirer (1874–1945) und Schwester des Malers Walter Bondy. Sie stammte aus Wien (Cassirer 1981).



Zu Gustav Delbanco siehe TB 1937/2, 11.6.; TB 1937/3, 10.7.; sowie TB 1938/1, 10.2.



Als Nummer 1 der schmalen bibliophilen Bändchen der „Bibliothek der Kunstgeschichte“ war Heinrich Wölfflins „Das Erklären von Kunstwerken“ (Leipzig 1921) erschienen (Wölfflin 1921). Wie lange die Reihe genau bestanden hat, konnte nicht eruiert werden. HT war an mehreren Projekten des Seemann-Verlags, Leipzig, als Herausgeber beteiligt.

86 Georg Ehrlich war seit 1923 Mitglied des Hagenbunds (Kreuter 2002, 21). Zwischen Mai und Juni des darauffolgenden Jahres wurden seine Arbeiten in der 47. HagenbundAusstellung präsentiert. Von Ehrlich stammte auch das Plakat zur Ausstellung (Natter 1993a, 242).

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Zur Ausstellung der Malerin Jacoba van Heemskerck bei Würthle können keine weiteren Angaben gemacht werden.



Der Buchhändler Richard Lanyi wurde später in Auschwitz ermordet, Teile seiner bedeutenden modernen Sammlung, die von den Nazis geraubt wurden, gelten noch heute als verschollen (Lillie 2003, 645–650). Das Bild „Maler und Modell II“ (heute im Saint Louis Art Museum  ; TB 1924, 5.3.) wurde neben einem weiteren Werk Kokoschkas („Frau und Sklave“) als Leihgabe der Kunsthandlung Lanyi bei der „Internationalen Ausstellung“ (TB

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1924, 3.2., 9.9., 11.9., 16.10.) gezeigt und stand neben einer Vielzahl anderer Werke zum Verkauf (Gesellschaft zur Förderung moderner Kunst 1924b  ; Wingler 1956, 312).

Vermutlich waren Josef Eberz’ Grafiken als Mappenwerk in der Bukum  A. G. (Buch-, Kunst- und Musikalienhandlung, vorm. Hugo Heller & Cie., gegr. 1922) erschienen (Fuchs 2004).

87 Gemeint ist Theodor Hetzers Aufsatz „Studien über Tizians Stil“, erschienen im „Jahrbuch für Kunstwissenschaften“ 1923 (Hetzer 1923). Die nicht erfolgte Zitierung bezog sich auf ETCs Text „Die Linearkomposition bei Tizian“, erstmals in den „Kunstgeschichtlichen Anzeigen“ 1913 (Tietze-Conrat 1915a) bzw. als eigenständige Publikation 1915 in Innsbruck (Tietze-Conrat 1915b) erschienen, oder auf ihren Aufsatz „Tizians Tarquinius und Lucretia“ in „Die bildenden Künste“ (Tietze-Conrat 1920a). 88 Erstaufführung des Lustspiels „Je t’aime“ von Sacha Guitry (1885–1957) in der Übersetzung von Bertha Zuckerkandl-Szeps, Regie  : Rudolf Beer. 89 Herodes und Marianne  – ein Ehedrama von Christian Friedrich Hebbel, Uraufführung 1849 im Burgtheater, Wien.

Zur veränderten Bedeutung des Porträts in der Moderne siehe Schneede 2002.



So wie die beiden anderen großen Wiener Künstlervereinigungen, Secession und Künstlerhaus, hatte auch der Hagenbund keine weiblichen Mitglieder. In den 1920er-Jahren wurden Frauen schließlich als „korrespondierende“ bzw. „außerordentliche“ Mitglieder aufgenommen. Frieda Salvendy war ab 1924 ein solches außerordentliches Mitglied (Natter 1993a, 274).

90 „Rennerkontrakt“ – seit seinem Übertritt ins Staatsamt für Unterricht 1919 war HT mittels vorsichtiger Intervention bemüht, eine gewisse Liberalisierung im Machtgefüge der traditionellen Künstlervereinigungen herbeizuführen und somit auch anderen Richtungen Präsentationsmöglichkeiten zu eröffnen. Um Einfluss und Stellung fürchtend, wandten sich die drei wichtigsten Verbände, Künstlergenossenschaft, Hagenbund und Secession, im März 1920 mit einer „Gedenkschrift“ an Staatskanzler Karl Renner  : „Auf dem Gebiete der Kunst können immer nur die Begriffe der Auslese und der Qualität Geltung beanspruchen. Jede Kunstpolitik der Masse widerspricht dem innersten Wesen der Kunst. Als Hüter der künstlerischen Tradition und als Träger ideeller Bestrebungen erfüllen Künstlerverbände die wichtige Aufgabe, die Grenzlinie zwischen Künstlertum und Dilettantismus zu ziehen“, hieß es in dem von den Künstlern persönlich überbrachten Schreiben. Der Staatskanzler zeigte für die Anliegen der Künstlervereinigungen Verständnis und versicherte der Delegation, dass „die Regierung nicht daran denke, die wohlerworbenen Rechte der Künstlervereinigungen anzutasten“. Der Zusammenschluss der Künstlervereinigungen, wie er damals zum ersten Mal öffentlich auftrat, wurde in der Zukunft beibehalten und intervenierte als sogenannte „ständige Delegation“ ab 1920 verlässlich gegen die von HT seitens des Ministeriums angeregten Reformvorhaben. Möglicherweise war mit „Kontrakt“ die Anerkennung des Künstlergremiums durch die Politik gemeint. Sitz der „ständigen Delegation“ war das Künstlerhaus, 293

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den Vorsitz führte der jeweilige Präsident der Genossenschaft (N. N. 2.4.1920  ; Aichelburg 2003, 435–437). 91 Bei der „gewissen Schwägerin“ handelte es sich vermutlich um Gertrud Bondi, die Lea Bondi bei der Galeriearbeit unterstütze. Lebensdaten konnten nicht eruiert werden.

August Strindberg, Fräulein Julie, Tragödie, 1888, im Raimund Theater mit Elisabeth Bergner in der Titelrolle, Regie  : Rudolf Beer.



HTs Artikel im „Tagblatt“ konnten nicht ausfindig gemacht werden.

92 Fortunat Schubert-Soldern war als Vorstand bzw. Präsident der staatlichen Denkmalpflege (von 1917–1931) eine Zeit lang auch HTs Vorgesetzter gewesen (Brückler/Nimeth 2001, 247–248).

Der Leiter der Gemäldegalerie, Gustav Glück, ein anerkannter Rubens-Fachmann, wurde besonders wegen des Tauschs eines Gemäldes aus der Velázquez-Werkstatt gegen zwei frühe Rubens-Porträts, die vom kunsthistorischen Standpunkt aus betrachtet die Entwicklung des Malers besonders gut veranschaulichten (Bildnis des Erzherzogs Albert und der Infantin Isabella Clara Eugenia, um 1609), angegriffen (TB 1924, 18.5.).



August L. Mayer/Erich von der Bercken, Jacopo Tintoretto, München 1923.



ETCs Bekanntschaft mit dem Schriftsteller und Musikpublizisten Richard Specht kann sowohl auf den musikalischen Zirkel in ihrem Elternhaus als auch auf die Freundschaft mit Alma Mahler zurückzuführen sein. Specht publizierte zu Gustav Mahler und verfasste mehrere Einführungen zum Werk des Komponisten. Specht war Mitbegründer der Zeitschrift „Der Merker“, die er kurzzeitig gemeinsam mit dem Komponisten Julius Bittner herausbrachte. Auch zu Bittner hat Specht publiziert (Csendes 1957, 89  ; Specht 1921  ; TB 1924, 19.5.).

93 Augustiner Chorherrenstift Klosterneuburg, Niederösterreich (gegr. 1106).

Es handelt sich um Irma Groß, geb. Grünhut, die die halbwüchsige ETC im Klavierspiel unterrichtet hatte. „Irma ging eine Vernunftehe mit einem Berliner Arzt ein und ich hatte keine Klavierstunden mehr“, so ETC in ihren Jugenderinnerungen (Tietze-Conrat unveröff./a, 35). Irma Groß und ihr Ehemann kamen im Holocaust um.

94 Proteste gegen die Nolde-Ausstellung im Künstlerhaus (TB 1924, 26.2., 8.3., 19.3.) sowie die Angriffe gegen HT als deren Mitorganisator erfassten immer weitere Kreise und gipfelten schließlich in mehr oder minder offenen Morddrohungen gegen HT  : „Es gibt nämlich Dinge, die das Mißfallen einer gewissen Gruppe der Wiener Künstlerschaft erregen“, so Buschbeck in seinem Kommentar zu den Vorkommnissen (TB 1924, 17.5.). „Dazu gehört die Tatsache, dass es eine sogenannte ‚moderne‘ Kunst gibt, das heißt eine Kunstrichtung, die sich andre Ziele steckt und andre künstlerische Mittel anwendet, als die sind, die ihrerseits in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts modern waren  ; ferner, daß es eine Gesellschaft zur Förderung dieser modernen Kunst gibt  ; daß diese es gewagt hat, in Wien eine Noldeaustellung zu veranstalten, daß der Musealreferent im Unterrichtsministerium Dr. Hans Tietze […] ein Vorwort zu dem Katalog der Ausstellung geschrieben hat  ; besonders 294

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letzteres scheint ein Kapitalverbrechen zu sein, für das er ‚gehängt gehörte‘ (manche sollen auch für ein Herabstürzen von der Reichsbrücke sein).“ (Buschbeck 1924, 3.) Ein Feuilletonbeitrag über den „Kunststreit“, der wenige Tage darauf in der Münchner „Allgemeinen Zeitung“ erschien, war überraschend mit „A. E. Wien“ gezeichnet. Obzwar ungewöhnlich direkt, lässt die inhaltliche Ausrichtung des Artikels kaum Zweifel daran, dass es sich um den von ETC erwähnten Beitrag (TB 1924, 19.5., 21.5.) handelt  : „Die Angreifer sind Künstler, ihre Wortführer auch Maler und Journalisten zugleich  ; ihnen allen gemeinsam ist ein künstlerisches Niveau, das wir mit ‚zurückgeblieben‘ charakterisieren wollen (wie gerne würde ich ein stärkeres Adjektivum verwenden  !). […] Die Angriffe auf die Museumsverwaltung, die letzten Endes Angriffe auf den Kunstreferenten, Hans Tietze, sind, stellen sich für Eingeweihte und Nichteingeweihte als Angriffe auf die moderne Kunst heraus.“ (N. N. 25.5.1924 [Hervorhebungen im Original].) Der von HT organisierte Protest (TB 1924, 21.5.) erschien u. a. am 20. Mai in der „Neuen Freien Presse“ (Tietze 1924h)  : „Die Unterzeichneten verkennen nicht den Wert einer fachlichen und aufbauenden Kritik, wenden sich aber mit Entschiedenheit gegen die in letzter Zeit systematisch betriebene, unsachliche und in gewissen Fällen bis ins Gehäßige gesteigerte Hetze gegen die Kulturarbeit auf dem Gebiete der bildenden Kunst. […] Die Unterzeichneten weisen jeden Versuch, der geeignet ist, Wien aus diesem großen Zusammenhange zu reißen und es einer geistigen Verdorfung auszuliefern, als die größte Gefahr für die kulturelle Stellung Wiens auf das Schärfste zurück.“ Unterzeichner der Protestnote waren 25 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens – unter ihnen  : Julius von Schlosser, Richard Strauß, Louis Rothschild (1882–1955), Adolf Loos und Josef Hoffmann, Eugenie Schwarzwald, die bereits erwähnten Herren Richard Specht und Julius Bittner (TB 1924, 14.5.) sowie als einziger Maler Max „Mopp“ Oppenheimer. Auch Schnitzler war um seine Unterschrift – und zwar von HT persönlich – gebeten worden. Dazu heißt es in Schnitzlers Tagebuch am 16. Mai  : „Im Unterrichtsmin. bei Dr. Tietze. Er wollte meine Unterschrift auf eine Erklärung gegen gewisse conservative Angriffe gegen Kunst Ankäufe etc. Museum, – mit Beziehung auf Artikel von Jehudo Epstein und A. F. Seligmann, – die aber nicht genannt werden. Ich lehne, als incompetent, ab. –“ (Schnitzler 1995, 150.) 95 Eine Frau Meringer ist nicht bekannt.

„Kobenzl, Jägerwiesen, Sievering, Himmel, Grinzing“ – Wanderwege am westlichen Stadtrand von Wien.



August L. Mayer/Erich von der Bercken, Jacopo Tintoretto, München 1923.

96 Zum Protest HTs und seiner Mitstreiter sowie den Vorgängen den „Kunststreit“ betreffend siehe TB 1924, 17.5.

Franz Werfel, Verdi, Roman der Oper, Berlin 1924.



Die persönlichen Briefe aus der Frühzeit von ETCs Bekanntschaft mit HT sind bedauerlicherweise nicht erhalten geblieben.

97 Reise mit Georg Ehrlich Mai/Juni 1924  : 295

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Gemona (I) – Tagliamento – Venzone – Venedig – Fusina – Padua – Desenzano – Salò – Gardone – Riva – Lienz (A) – Wien.



Venzone – Mumien in der Krypta der Kapelle San Michele.



Biennale von Venedig – XIV. Esposizione internazionale d’arte, April–Oktober 1924.

„Alma Mahlers Hause“ – siehe TB 1924, 12.4.

Während ETC mit Ehrlich auf Reisen war, wurde am 1. Juni der amtierende Bundeskanzler Ignaz Seipel bei einem Attentat durch einen Schuss schwer verletzt (siehe dazu Botz 1976, 126–129).

98 Paul Clemen, ab 1902 Nachfolger Carl Justis (1832–1912) am Lehrstuhl für Kunstgeschichte in Bonn, gilt als Begründer und „bahnbrechender“ Organisator der Denkmalpflege im Rheinland. Mehrere Bände des Inventars der rheinischen Denkmäler wurden von ihm verfasst. Allein durch diese Tätigkeit ergaben sich starke Berührungspunkte zu HT, aus dessen Produktion ja nicht weniger als 12 Bände der „Österreichischen Kunsttopographie“ hervorgegangen waren. In diesem Zusammenhang hatte Clemen seinerzeit in einer Rezension die von HT „an Konzentration und Elastizität geradezu erstaunliche Leistung“ gepriesen und dabei hervorgehoben, dass ETC „nicht gerade den geringsten Anteil an dieser Riesenleistung“ gehabt habe (Clemen 1912, 81). Auch Max Dvořák hatte seinerzeit jenes Faktum anerkannt  : „Die Bearbeitung des Bandes erfolgte durch den Assistenten der Zentral-Kommission Dr. HANS TIETZE auf Grund der von ihm und Frau Dr. ERICA TIETZE-CONRAT im Laufe der Jahre 1907 und 1908 vorgenommenen Aufnahmen.“ (Dvořák 1908.) Während des Ersten Weltkrieges hatte Clemen das Amt eines „kommissarischen Mitglieds der deutschen Zivilverwaltung in Belgien zur Sicherstellung der belgischen und französischen Kunstdenkmäler“ inne (Lützeler 1957  ; Paul Clemen, Munzinger Archiv  ; Paul Clemen, Portal Rheinische Geschichte). Nach dem Krieg hatte sich HT dann mit anderen prominenten deutschen und österreichischen Kunstwissenschaftlern an der von Clemen herausgebrachten (mehrsprachigen) Publikationsreihe zum Kunstschutz im Weltkrieg beteiligt, deren Ziel es unter anderem gewesen war, sich propagandistisch gegen die als schmachvoll empfundene Anschuldigung zur Wehr zu setzen, Deutschland (und seine Verbündeten) habe sich im Krieg mit Angriffen auf gegnerische Kunst- und Kulturschätze als eine „Nation von Barbaren“ erwiesen. Mit peniblem, rechtfertigendem Gestus entstand in der Kombination von denkmalpflegerischen und musealen Ansätzen ein neues kunsthistorisches Tätigkeitsfeld, das unter dem Titel „Kunstschutz im Krieg“ weiter voranging, in der Erfassung, Beschreibung und Katalogisierung von fremden und eigenen Kunstschätzen (Clemen 1916  ; Clemen 1919). Zu HT und seinem Einsatz in der „Kunstschutzgruppe“ siehe TB 1925, 21.9.–29.9. 99 Kahlenberg (483 m) – einer der Wiener Hausberge.

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Ausstellung Maurice Sterne, Galerie Würthle, 1924.



Viktor Tischler, Max Reinhardt und seine Schauspieler, 20 Original Steinzeichnungen, Wien 1924.

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100 Der Kinderarzt Felix Tietze war von 1919–1929 an der Wiener Kinderklinik unter dem renommierten Kinderarzt und Immunologen Clemens von Pirquet (1874–1929) tätig. Pirquet erlangte auch für seine verschiedenen Projekte im Bereich der Kinderwohlfahrt Berühmtheit. Vermutlich begleitete Felix Tietze im Rahmen einer von Pirquets Initiativen Kinder auf Erholungsfahrt nach Italien (Bodleian Library, Special Collections, Manuscripts SPSL, Tietze Felix, fol. 27, 74). 101 ETC hatte sich bereits mehrmals schriftlich mit dem Werk Oskar Laskes befasst (TietzeConrat 1920b). 1921 war ein Essay zum Künstler mit einem Verzeichnis seiner grafischen Werke erschienen (Tietze-Conrat 1921c). 102 Die künstlerischen Weihnachtsgeschenke wurden in die Tietze’sche Privatsammlung inkorporiert. Die kleine, sehr persönlich gehaltene Tietze’sche Kunstsammlung, mit Schwerpunkt auf moderner Grafik, verdankte ihren besonderen Charakter den intensiven persönlichen Kontakten zu zahlreichen Künstlern. Zwei schriftliche Quellen aus unterschiedlichen Zeiten verdeutlichen den Wandel, den die Interessen der beiden Sammler im Laufe der Zeit genommen hatten. Erstmals erwähnte HT seine eigene kleine Kollektion einiger Barockstücke im Jahr 1908 in Band 2 der „Österreichischen Kunsttopographie“ (Tietze 1908). Bereits diese bescheidene Form des privaten bürgerlichen Sammelns sollte beispielgebend wirken. Die Inkorporierung von noch „kleinen fluktuierenden“ Sammlungen in ein Denkmalkorpus blieb damals nicht unumstritten (Clemen 1912, 81). Eine Wende im persönlichen Programm kann spätestens mit dem Erscheinen der „Kunsttopographie“ festgemacht werden, denn Ende 1909 saßen Tietzes Kokoschka dann Modell für sein berühmtes Doppelporträt, das sich heute als eines der wichtigsten Beispiele der Wiener Moderne in der Schausammlung des MoMA in New York befindet (TB 1923, 21.6.). Pädagogische Überlegungen waren wohl auch der Hintergrund für die Ausstellung ­eines Teils der Sammlung Tietze in der Österreichischen Galerie anlässlich HTs 50. Geburtstags im Jahr 1930. Um zu zeigen, dass Sammeln von zeitgenössischer Kunst auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten möglich (und nötig) sei, präsentierte man bei dieser Gelegenheit ausschließlich moderne grafische Werke. Grafik machte vermutlich auch insgesamt einen Schwerpunkt der Sammlung aus, über deren tatsächliches Aussehen heute nicht mehr allzu viel mit Gewissheit gesagt werden kann. Wie ETC in ihren unveröffentlichten Erinnerungen an HT berichtete, war die Sammlung schließlich noch ein drittes Mal, nämlich im Museum von Toledo, Ohio, ihrem ersten Emigrationsort, zur Ausstellung gelangt (Tietze 1908, 429–430  ; Österreichische Galerie 1930).

Albrecht Dürer, Selbstbildnis, 1484, Albertina, Wien.



Eva – „Evchen“ Steiner (später Benesch) – Tochter von Hugo und Lilly Steiner, siehe TB 1925, 2.1.

103 Nachweislich publizierte ETC 1922 zur Ikonografie von Tintorettos Wiener Cassonebildern (Tietze-Conrat 1922d), der nächste Eintrag zu einer Veröffentlichung ETCs zu diesem Maler findet sich in der Kurz’schen Bibliografie dann erst wieder 1936. 297

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104 Vermutlich handelt es sich um Tischlers Porträt seiner Gattin („Portrait der Gattin des Künstlers“). Als Ankaufdatum wird im Bestandskatalog der Österreichischen Galerie allerdings das Jahr 1923 angeführt (Österreichische Galerie 2001, 162).

Maximilian Reinitz war als Ehrenmitglied des Hagenbunds einer der wenigen Künstler im Umkreis dieser Künstlervereinigung, der sich mit dem Kubismus auseinandersetzte.



Wilhelm Ofenheim – Erdölgroßindustrieller, „brachte als erster russ. Erdöl mit Tankschif­ fen nach Europa, auch in diplomat. Missionen sowie karitativ tätig“ (Reitterer 1998).

105 Ausstellung „Oskar Kokoschka – Aquarelle, Handzeichnungen und Graphik“, vom 24.6. bis Mitte August 1924, Neue Galerie, Wien. Als Teil 2 folgten dann im Oktober 1924 Gemälde der Zeit 1907–1915, ebenfalls in der Neuen Galerie (Held 2011).

ETCs kurze Rezension für die Münchner „Allgemeine Zeitung“ konnte nicht aufgefunden werden.



Mit der „Russin“ ist die damalige Begleiterin und Muse Kokoschkas, die Sängerin Anna Kallin (1896–1984), gemeint. Kokoschka hatte die aus Moskau stammende Kallin in Dresden kennengelernt.



Zu Hauer und Hölderlin siehe TB 1924, 22.2.

106 Tizian, Trionfo della Fede (Triumph des Glaubens), Holzschnittfolge, von Vasari mit 1508, von HT mit 1511 datiert. Siehe dazu u. a. Tietze 1936a, 70–75  ; Tizian habe etwa in seinen mythologischen Bildern einzelne Figuren aus Michelangelos Karton der „Cascinaschlacht“ (für den Großen Ratssaal im Palazzo Vecchio in Florenz) übernommen (Tietze 1936a, 103, 122). Michelangelos Karton ist in Studien, Zeichnungen (TB 1938/1, 4.5.) und Stichen überliefert (siehe auch Köhler 1907).

Die Geologin Hilda Gerhart war ETCs Schulkollegin aus der Gymnasialzeit  : „Die Tochter einer tuechtigen Schneiderin am Bauernmarkt, die eigentlich meine engste Kollegin durch all die Jahre hindurch wurde.“ (Tietze-Conrat unveröff./a, 64.)



Zu Ofenheim siehe TB 1924, 28.6.; TB 1937/1, 15.5.



Gabriele d’Annunzio, Der Triumph des Todes, Roman, 1899. „Giorgio Aurispa, der Protagonist, ist dem ‚schrecklichen Schauspiel‘ des Todes verfallen, wie er seiner Geliebten Ippolita Sanzio verfallen ist. Der Tod durchzieht leitmotivisch das ganze Buch, vom Freitod eines Unbekannten zu Beginn bis zum gemeinsamen Sturz vom Felsen am Ende, mit dem der Held sich von der Frau befreit, die ihn ausweglos beherrscht und nun sein Opfer wird.“ (Neumeister 2008, 172–173.)

107 Gabi Ehrlich promovierte am 13.11.1924 im Fach Chemie (Archiv der Universität Wien, PH RA 5981 Ehrlich Gabriele, 1923.06.25–1924.07.10/Akt). 108 Friesach – Gemeinde im Bundesland Kärnten. 298

HT bemühte sich auf seinen Reisen, sowohl für bekannte Sammler als auch für öffent-

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liche Sammlungen, wie z. B. die Albertina, qualitätsvolle moderne Werke – aufgrund der allgemeinen Geldknappheit meist Grafik – zu erwerben. 109 Göss – ehemals selbstständige Gemeinde, heute ein Stadtteil von Leoben, Steiermark.

Das Mehrzweckstadion „Hohe Warte“ in Döbling war 1921 eröffnet worden. Die Opernfestspiele fanden dort vom 24.7.–10.8.1924 statt. Dirigent von Giuseppe Verdis Oper „Aida“ war Pietro Mascagni.

Jaffé – Kunstanstalt für Lichtdrucke.

Zu „Alf“ siehe TB 1923, 23.7., 7.9.



Erica Tietze-Conrat, Edward Munch, in  : Die Graphischen Künste, 47, 1924k, 75–88.



ETCs Artikel für „die“ holländische Zeitschrift konnte nicht ausfindig gemacht werden. Vermutlich handelte es sich um Nicolaas van Harpens „Maandblad voor beeldende kunsten“. 1925 erschien ein Breughel-Aufsatz in der Berliner Zeitschrift „Die Kunstschule“ (Tietze-Conrat 1925b).



ETCs Artikel „Über die ‚neue Instrumentierung‘ von Kunstwerken“ im „Neuen Wiener Abendblatt“ (Tietze-Conrat 1924e) stellte den Versuch dar, durch eine rationale Darlegung des Konzepts der „Instrumentalisierung“ – für ETC die Neukontextualisierung von Kunstwerken im Zuge ihrer Präsentation  – dem Begriff (sprich der „Instrumentalisierung“) den demagogischen Stachel zu ziehen.

110 Jakob Rosenberg (Hrsg.), Martin Schongauer, Handzeichnungen, München 1923. Die Besprechung ETCs konnte nicht ausfindig gemacht werden.

Die Stelle zu Beckmann ist nur schwer lesbar. Es könnte sich um eine nicht mehr nachweisbare Besprechung ETCs zu Max Beckmanns 1924 in Otto (Kallir-)Nirensteins Verlag Johannes-Presse erschienenem Drama „Ebbi“ gehandelt haben. Das Werk war 1921 entstanden und mit sechs Kaltnadelradierungen Beckmanns illustriert.

111 Das vom Ministerium für öffentliche Arbeiten zur Verfügung gestellte Atelier lag näher zur Wiener Innenstadt.

Offenbar hatte ETC etwas länger an Dvořáks Aufsatz „Schongauer und die niederländische Malerei“ (Dvořák 1924a) gelesen (TB 1923, 14.12.).



ETCs „Fund“ fand noch zwölf Jahre später Eingang in HTs Tizian-Monografie und ist somit ein weiterer Beleg für die enge Zusammenarbeit der beiden  : „Beim Eintreffen im Escorial erwies sich das Bild als zu groß und wurde zwecks Anpassung an die Wand beschnitten. Ob eine kleinere Werkstattwiederholung in Mailand […] Schlüsse auf das ursprüngliche Aussehen des Bildes im Escorial zuläßt, ist fraglich, da Jan Müllers Stich nach dem Tizian-Nachahmer Gillis Coignet die Komposition ohne die reiche Architektur zeigt, die vielleicht erst von Paolo Veroneses Fassung des Themas angeregt wurde. Das Exemplar im Escorial ist, soweit der sehr schlechte Erhaltungszustand ein Urteil ermöglicht, größtenteils Werkstattarbeit.“ (Tietze 1936b, 287, 288.) 299

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Tizian, Letztes Abendmahl,   ?, Kirche San Giovanni e Paolo, Venedig (1571 verbrannt). Tizian, Letztes Abendmahl, 1564, Kloster des hl. Laurentius Escorial, Madrid. Veronese, Das Gastmahl im Hause des Levi, 1573, Gallerie dell’Accademia, Venedig.

Erica Tietze-Conrat, Das „Skizzenbuch“ des Van Dyck als Quelle für die Tizian­forschung, in  : Critica d’Arte, Sér. 3, Vol. 8, 1950, 425–442. Van Dyck, Simson und Dalila, um 1628–1630, KHM, Wien. Tizian, Simson und Delila, Holzschnitt. Als Holzschneider gilt Niccolò Boldrini (Tietze 1936b, 321). 112 Ein eigener Aufsatz über Tizians „Zigeunermadonna“ (KHM, Wien) dürfte nicht erschienen sein. 113 Aufgrund natürlicher Gegebenheiten (Beschaffenheit des Bodens, Temperatur, Feuchtigkeit) mumifizierten viele der zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert bestatteten Einwohner der Gemeinde Venzone, Provinz Udine.

Der Dichter Albert Ehrenstein war eng mit Oskar Kokoschka und Elisabeth Bergner befreundet, eine Tatsache, die für Ehrlich dieses Treffen in Italien noch bedeutungsvoller erscheinen ließ.



Eine deutsche Oper bei den Festspielen von Verona  : Richard Wagner (1813–1883), Parsifal, Oper, Uraufführung 1882.



San Zeno Maggiore – Basilika, 11.–12. Jh., Verona, „der vielleicht edelste romanische Bau Oberitaliens“ (Baedeker 1931, 72).

114 Der Artikel, den ETC in HTs Namen über die Wiener Maler der Gegenwart für die Zeitschrift „L’Art d’aujourd’hui“ verfasst hat, konnte bisher nicht ausfindig gemacht werden.

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Der Kunsthistoriker und Leiter der „Sammlung für Plastik und Kunstgewerbe“ (seit 1922), Hermann Julius Hermann, war Mitglied des Urania-Vorstands und koordinierte die kunsthistorischen Veranstaltungen (Vorträge, Führungen, Exkursionen, Studienreisen) der Wiener Urania.



Die Analyse der Zusammenhänge zwischen dem Kupferstecher Nicoletto da Modena und der Lyoneser Kupferstecherschule fand 1925 Eingang in ETCs Arbeit zum „französischen Kupferstich der Renaissance“ (Kurt Wolff Verlag).



„Herbst-Ausstellung 1924“, 22.11.–31.12.1924, Künstlerhaus, Wien.



Weshalb die Jury für die Künstlerhaus-Ausstellung im Hagenbund abgehalten wurde, konnte nicht herausgefunden werden. Die grundsätzliche Rivalität zwischen den beiden Vereinigungen hatte zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Ausprägungen. „Ab 1923 durften die Genossenschaftsmitglieder keiner anderen Künstlervereinigung angehören und zu ihrer Beteiligung an fremden Ausstellungen wurde eine Genehmigung des Leitenden Ausschusses erforderlich.“ (Aichelburg 2003, 318.)

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115 Der Haushistoriograf und Kustos der Sammlungen des Chorherrenstifts Klosterneuburg Berthold Černík führte eine Gruppe angesehener Denkmalpfleger durch das Stift. Eine Führung Černíks sei mit Sicherheit sehr anstrengend gewesen, denn er sei ein zwar „sehr gelehrter, aber überaus umständlicher Mann“ gewesen, „der alles übergenau und höchst ausführlich erklärte“, so Universitätsprofessor Floridus Röhrig, Nachfolger Černíks, in einem Schreiben an die Herausgeberin (E-Mail vom 15.2.2012). Bei „Pollatschek“ handelte es sich wahrscheinlich um den Denkmalpfleger und Spezialisten für die Kunst des Elsass’ Ernst Polaczek, der 1925 ein Buch zum Werk Georg Dehios herausbrachte (Polaczek 1925). Polaczek war sowohl Assistent Georg Dehios’ an der Universität wie auch Paul Clemens’ bei der Denkmalinventarisation der Rheinprovinz gewesen. Er wurde im Zuge des Novemberpogroms 1938 ermordet (zu Polaczek siehe Châtelet-Lange 1990  ; Professor Ernst Polaczek, Europastadt Görlitz/Zgorzelec). 116 „Tietze teilt das ganze Gebiet der Kunstgeschichte, unter voller Berücksichtigung der Urzeit wie der Exoten, in 500 kleine Abschnitte, deren jeder ein Bändchen mit 20 Vollbildern ergibt“, hieß es in einem Werbetext für die „Bibliothek der Kunstgeschichte“, in der fast alle deutschsprachigen Kunstgelehrten der Zeit mit einem Kurzessay zu einem zentralen Thema ihres Forschungsbereichs oder einem einzelnen Kunstwerk zu Wort kamen. Eines der letzten Bändchen war möglicherweise die Nr. 88 mit HTs Aufsatz „Die französische Malerei der Gegenwart“ (Tietze 1925c).

Weitere Beiträge HTs in der Reihe  : Michael Pacher und sein Kreis (Bd. 4), Leipzig 1921  ; Deutsche Graphik der Gegenwart (Bd. 37), Leipzig 1922  ; Italienische Barockporträts (Bd. 62), Leipzig 1923.



Von ETC waren erschienen  : Die Delfter Malerschule, Carel Fabritius, Pieter de Hooch, Jan Vermeer (Bd. 27), Leipzig 1922  ; Andrea Mantegna (Bd. 51), Leipzig 1923a.

117 Toni – der Sohn der Köchin. 118 Kustos Bruno Grimschitz zeigte ETC und HT die Vorbereitungen zur Eröffnung der „Galerie des 19. Jahrhunderts“ im Oberen Belvedere.

Bruno Zappert (1845–1992), Ein Böhm’ in Amerika, eine Gesangs-Burleske in fünf Akten, 1906.

119 Eiserne Hand und Leopoldsberg (423 m) – Ausläufer des Wienerwalds, Wiener Hausberg, an der Donau gelegen.

„Naseweg“ – Zickzack-Abstieg vom Leopoldsberg.



ETC übersetzte den Text von Fernand Léger (Das Schauspiel, Licht/Farbe/Film, in  : Frederick Kiesler (Hrsg.), Internationale Ausstellung neuer Theatertechnik, unter Mitwirkung der Gesellschaft zur Förderung moderner Kunst in Wien, im Rahmen des Musikund Theaterfests der Stadt Wien, Ausstellungskatalog, Wien 1924l, 6–16).



Dass es sich bei dem „Ehepaar Dr. Perutz“ um den Schriftsteller Leo Perutz (1882–1957) und seine Frau Ida gehandelt hat, kann nicht mit Gewissheit angenommen werden. Allerdings war Perutz ursprünglich als Versicherungsmathematiker tätig und hätte damit für 301

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den halbwüchsigen Stoffel, der seinen beruflichen Weg schließlich in der Bevölkerungsund Gesundheitsstatistik finden sollte, tatsächlich anregend sein können.

ETC wählte das Material für die bevorstehende Ausstellung von Ehrlichs Arbeiten im Hagenbund, dabei komplettierte sie ihr Lager für den Ehrlich-Fonds.



Juryfreie Kunstschau Berlin, Oktober 1924, Landesausstellungsgebäude am Lehrter Bahn­­hof, Berlin (Strobl 2006, 259).

120 Die offizielle Eröffnung der „Galerie des 19. Jahrhunderts“ im Oberen Belvedere fand am 30.9.1924 statt. „In diesen übersichtlich gegliederten 30 Räumen sind die zirka 400 Bilder locker gehängt. Es ist die Qualitätsauslese aus den weitaus größeren Beständen der Kunst des 19. Jahrhunderts, vor allem der österreichischen Malerei, die in der Sammeltätigkeit vor etwa zwanzig Jahren aufgehäuft und seit der Zusammenlegung der Bestände nach dem neuen, von Tietze aufgestellten Museumsprogramm, aus der Akademie, aus der kaiserlichen Gemäldegalerie und dem übrigen hofärarischen Besitz hier vereinigt wurden“, so ETC in ihrem Münchner Feuilleton anlässlich der Eröffnung der „Galerie des 19. Jahrhunderts“ im Oberen Belvedere am 30.9.1924 (Tietze-Conrat 1924g).

Beschreibungen von Werken Claude Vignons fanden Eingang in Erica Tietze-Conrat, Der französische Kupferstich, München 1925, 22–23.



Wildgrube – Senke mit Bach im bewaldeten Teil Grinzings (19. Wiener Gemeindebezirk).



Walter Hugelshofers „Die Kunst der Alten Schweizer“ erschien 1925 als Band 82 in HTs Reihe „Bibliothek der Kunstgeschichte“ (Hugelshofer 1925).

121 Lätty Gerstel lebte mit ihrem Mann ebenfalls in Döbling, wo „das etwas extravagante Hausherrenehepaar“ einen literarischen Salon unterhielt (Sophie Lätitia Gerstel von Ucken, geb. Lampl, Universität Wien). Die finanzielle Situation der späteren Verlegerin (S. L. Gerstel-Verlag) spitzte sich tatsächlich dramatisch zu und führte zum Selbstmord des Ehemanns im Jahr 1932. Der Verlag bestand über die „Anschlusszeit“ hinaus bis mindestens in das Jahr 1941 weiter (zum Gerstel-Verlag siehe Hall 1985, 168–172).

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Nach Auffassung Aby Warburgs, die er bereits in seiner Dissertation (zu Sandro Botticelli, 1891) ausgeführt hatte, waren Künstler wie Botticelli von humanistischen Gelehrten dazu angehalten worden, sich die Darstellungen von bewegten Gewändern und Haaren auf antiken Sarkophagen als Vorbild für ihre Malerei zu nehmen (Warburg 1893  ; Gombrich 1981). Im Archiv des Warburg-Instituts (London) ist keine Korrespondenz zu ETCs Fund auffindbar. In dem schließlich 1925 erschienenen Aufsatz „Botticelli and the Antique“ (Tietze-Conrat 1925c) sieht ETC Botticellis Gemälde „Mars und Venus“ von einem Relief eines römischen Steinsarkophags (Vatikanisches Museum) inspiriert. Zu einer persönlichen Begegnung zwischen Warburg und ETC ist es vermutlich nie gekommen, doch bereits während des Weltkriegs hatte Warburg HT wissen lassen  : „Ihrer Frau Kollega hätte ich im besonderen allerlei einschlägiges Material für ihre Studien zu zeigen.“ (WIA,

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GC, 8001, Aby Warburg an HT, 15.6.1917.) 1921 rezensierte ETC Warburgs „Heidnischantike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten“ (Tietze-Conrat 1921e). 122 Wer Frau Neher gewesen ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. 123 Das kleine Theater in einem Seitentrakt von Schloss Schönbrunn war nach längerer Schließzeit im Juni 1924 wiedereröffnet worden.

Gerhardus Knuttel war Kurator für moderne Kunst und später Direktor am Gemeentemuseum (Stadtmuseum) in Den Haag. Er hatte die holländischen Kunstwerke zur „Internationalen Kunstausstellung“ nach Wien begleitet und hielt in deren Rahmen am 12.  September einen Vortrag über „Moderne Malerei in Holland“ (Gerhardus Knuttel, Digitale Bibliotheek voor de Nederlandse Letteren).



Der Maler Rudolf Junk war Präsident des Hagenbundes in den revolutionären Jahren 1911/12, gehörte zeitweise der Museumskommission (TB 1923, 21.6.) an und wurde 1924 Leiter der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien (Natter 1993a, 251).

124 Zu ETCs Artikel „Über die ‚neue Instrumentierung‘ von Kunstwerken“ siehe TB 1924, 3.8.

Die „Internationale Kunstausstellung“ fand vom 11.9.–20.10.1924 in der Wiener Secession statt. Für Konzept und Organisation der „Internationalen Kunstausstellung“ wie auch der „Ausstellung neuer Theatertechnik“ zeichnete die GFMK verantwortlich. Die rund 180 Werke von 83 Künstlern in der „Internationalen“ kamen aus ganz Europa, in ihrer Mehrzahl aus Frankreich und Deutschland, aber auch zahlreiche Werke von Vertretern der osteuropäischen und skandinavischen Avantgarde waren zu sehen. „Man hatte zuerst den Versuch gemacht, das ganze Material ohne Rücksicht auf die Nationalität zu gruppieren, indem man sich ausschließlich nach den künstlerischen und ästhetischen Beziehungen richten wollte  ; doch mußte man von diesem interessanten Prinzip […] wieder zurückkommen. Fürs erste ergab sich im großen und ganzen ohnedies eine Nationalitätenscheidung  ; sodann aber sind die wenigen Bilder der Deutschen und Holländer, die man unter die Franzosen hängen konnte, durch die noch kultiviertere Erscheinung dieser beeinträchtigt worden, ohne daß ihre anderen abweichenden Eigenschaften zur Geltung gekommen wären. So entschloß man sich doch wieder, nach Nationalitäten zu hängen.“ (Tietze-Conrat 1924f.)



Bei den Personen aus der durch Ida Conrat übermittelten „Lokalchronik“ handelt es sich, soweit ersichtlich, im Wesentlichen um Bekanntschaften aus ETCs Kindheits- und Jugendjahren. Die „alte Door“, Witwe des Pianisten Anton Door (1838–1919), war von ETC als Kind aufgrund ihrer Schönheit sehr bewundert worden („meine erste große Liebe“, Tietze-Conrat unveröff./a, 37). Mit Kern ist vermutlich der Gutsbesitzer Bruno Kern gemeint. Paula Wahrmann, die im salzburgischen Aussee am Berg (Loser, 1.873 m) verunglückte, ist ETCs Klassenkameradin gewesen (TB 1924, 3.3.). Zu einem Franzl Stern und der unglücklichen Ehefrau des Schriftstellers Richard Peter Baumfeldt können keine Angaben gemacht werden.

125 Zu den Werken in der „Internationalen Kunstausstellung“, die bei ETC nachhaltig Ein303

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druck hinterließen, gehörten laut Katalog einerseits Kokoschkas „Landschaft vom Genfer See“, andererseits Werke von Georges Rouault und Jules Pascin, Vertretern eines „schwelenden Expressionismus“ (Nierhaus 1986, 103). Rouault zeigte zwei Aquarelle („August und die Ringer“ sowie „Zwei Frauenakte“) sowie ein Ölbild („Die Braut“), Pascin war mit einem Gemälde („Sitzendes Mädchen“), zur Verfügung gestellt von Flechtheim, Berlin, vertreten (Gesellschaft zur Förderung moderner Kunst 1924b  ; Nierhaus 1986). 126 Der Theaterwissenschaftler Joseph Gregor hatte mit seiner Sammlung von Artefakten der Theaterkunst den Grundstein zur Theatersammlung der Österreichischen Nationalbibliothek gelegt, aus der später das Österreichische Theatermuseum hervorging (Lesák 1993, 16).

Otto Rudolf Schatz  – Kollektivausstellung in der Neuen Galerie von Otto Nirenstein (Kallir). Vom Expressionismus kommend, entwickelte sich Schatz zum bedeutenden Vertreter der Neuen Sachlichkeit in Österreich. Seit 1923 stand er bei Nirenstein unter Vertrag (TB 1924, 8.1.).



Max „Mopp“ Oppenheimer beschrieb Jahre später seine eigene Arbeitsweise so  : „Nach Jahren hat man das Handwerk. Indem man arbeitete, schuf man sich einen Stil, der aus der Zeit schöpft, mit der man manches gemein hat  : Anschauungen, Gewohnheiten, Leiden. Man spürt auf, man sucht Charakteristiken, ihre Leidenschaften, ihre kaum wahrnehmbaren Merkzeichen von Hoheiten und Niedrigkeiten. Man sieht in die Antlitze hinein und hinter die Dinge. Man führt geheime Zwiegespräche mit Merkwürdigkeiten der Wesen, mit ihren Verborgenheiten, und versteht was die Töne der Haut sagen.“ (Oppenheimer 1938, 62.)



Hagenbundausstellung, Kollektive Max Oppenheimer, September–Oktober 1924  ; es wurden 200 Werke Oppenheimers gezeigt (Weibel 1976b).



„Feuilleton über d. Internationale erledigt“ – zum Feuilleton siehe TB 1924, 11.9.



Frankel – vermutlich Gerhart Frankl.

127 Denkmal des Wiener Bürgermeisters Johann Andreas von Liebenberg (1627–1683) auf der Ringstraße vis-à-vis der Wiener Universität (1890).

Ein Skizzenbuch Georg Ehrlichs hat sich im Nachlass nicht erhalten.



ETCs Schwester Lili mit Tochter Maja und deren zukünftigem Ehemann, Karl Heinrich Slotta (1895–1987), reisten aus Breslau an.

128 HTs Referat über Expressionismus fand im Rahmen der von der GFMK organisierten Vortragsreihe statt und wurde schließlich in HTs 1925 erschienenem Essayband „Lebendige Kunstwissenschaft“ veröffentlicht. Im Vorwort erwähnt er, er habe insgesamt vier Vorträge, die er in der Vortragsreihe der GFMK gehalten habe, in den Band aufgenommen. Von diesen haben zwei den Expressionismus zum Thema  : „Der deutsche Expressionismus“ und „Die Krise des Expressionismus“ (Tietze 1925d)  ; zum Essayband siehe auch TB 1925, 8.9. Die Vorträge der GFMK konnten bisher nicht lückenlos erfasst werden. Ein vorläufiger Überblick findet sich in Caruso 2008, Tab. 3, 150–151. 304

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129 Christoph Willibald Gluck, Don Juan, Ballett, 1761.

Ludwig van Beethoven, Die Ruinen von Athen, Festspiel, op. 113, Uraufführung 1812.



Die „Internationale Ausstellung neuer Theatertechnik“ fand im Rahmen des Musik- und Theaterfests der Stadt Wien vom 24.9.–12.10.1924 im Konzerthaus statt. Organisatoren waren die GFMK unter der Leitung von Friedrich Kiesler, dessen Modell einer Raumbühne auch im Zentrum der Ausstellung stand. Zur „Internationalen Ausstellung neuer Theatertechnik“ siehe Lesák 1988  ; Vgl. dazu Lesák 1996  ; Bogner 1985  ; Caruso 2008, 45–51.

130 Reise ETC und HT, Oktober 1924  : Lienz (A) – Bozen (I) – Verona – Turin – Mont Cenis (I, F) – Grenoble (F) – Valence – Avignon  – Villeneuve(-lès-Avignon)  – Carpentras  – L’Isle-sur-la-Sorgue  – (Fontaine-de-)Vaucluse – Montmajour – Arles (Les Alyscamps) – Château d’If – Montmajour – Tarascon – St. Rémy – Les Baux(-de-Provence ) – Nîmes – Saint-Gilles(-du-Gard) – Aigues-Mortes – Le Grau-du-Roi – Nîmes – Pont du Gard – Montpellier – Carcassonne – Marseille – Nizza – Menton (Garavan) – Cap Martin – La Turbie – Monte Carlo (MC) – Genua (I) – Salzburg (A).

Mont Cenis, Monte Cenisio (2.081 m) – Bergmassiv zwischen Italien und Frankreich.

Papstschloss – Palais des Papes, Avignon, 1334–1342.

Musée de Grenoble  ; ab dem Jahr 1919 machte der Maler Pierre Andry-Farcy (1882– 1950) als Kustos aus dem Museum eine der weltweit ersten öffentlichen Einrichtungen, in die die Avantgarde der Zeit Eingang fand.

131 Francesco Petrarca hatte sich seit seiner Kindheit im Gefolge des Papstes in Avignon aufgehalten und sich nach dem Studium in Vaucluse niedergelassen. Er lernte Laura kennen, die ihn zu seiner wichtigsten Liebeslyrik anregte. Mit seinen Betrachtungen zur Besteigung des Mont Ventoux hatte Petrarca nicht nur die Epoche von Humanismus und Renaissance eingeleitet, sondern gilt auch als „Vater der Bergsteiger“ und des Alpinismus (Petrarca 1336). Dvořáks Aufsatz über das antike Gräberfeld „Les Aliscans“ (Les Alyscamps) war 1903 in den Franz Wickhoff (1853–1909) gewidmeten „Beiträgen zur Kunstgeschichte“ erschienen (Dvořák 1903).

Nahe Arles, Montmajour – ehemalige Benediktinerabtei, 11.–18. Jh.

132 Minnehof – Château des Baux (10. Jh.), seit 1632 Ruinenstadt mit wenigen Einwohnern. Bolgengliederung – la bolgia, pl. le bolge, ital. ‚Tasche, Behältnis‘  ; bei Dante meist übersetzt mit ‚Graben‘, von Dante selten im übertragenen Sinn für die zehn konzentrischen Ringe des vorletzten, achten Kreises verwendet, in der „Commedia“ nur im Inferno, Gesänge IIXX–IXXX (Taterka 1999, Anm. 142, 55–56.).

Triumphbogen und Grabmal der Julier (1. Jh.) – ca. 1 km südlich von St. Rémy. 305

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„Viel an Mantegna gedacht“ – konnte nicht aufgeklärt werden.



Mit „Tempesta“ war vermutlich der Kupferstecher Antonio Tempesta gemeint.



Nîmes – Maison Carrée, römischer Podiumstempel (20–12 v. Chr.), im Inneren  : Musée des Antiques.



Nîmes – Neoromanische Kirche St. Paul (1835–1849) mit Fresken von Jean Hippolyte Flandrin.

133 „Veronique“, komische Oper in drei Akten von André Messagers, wurde 1889 in Paris uraufgeführt. Messager war Jahrgang 1853 und somit eine Generation jünger als Georges Bizet (geb. 1838).

Nîmes – Amphitheater („Arena“, Anfang 1. Jh. n. Chr.).



Nîmes – Musée des Beaux-Arts.



Saint-Gilles(-du-Gard)/Languedoc-Roussillon mit einer Abteikirche aus dem 12. Jh., Sammelpunkt der Jakobspilger.



Aigues-Mortes („totes Wasser“) – ehemaliger Mittelmeerhafen aus dem 13. Jh., versandet.



Le Grau-du-Roi – Seebad, ca. 6 km südwestlich von Aigues-Mortes.

134 Nîmes – Musée archéologique (Musée lapidaire).

Nîmes – Jardin de la Fontaine (18. Jh.) mit antiken Ruinen eines Quellheiligtums.



Nîmes – Tour Magne, römisches Bauwerk auf dem Mont Cavalier (114 m).



Römisches Aquädukt „Pont du Gard“, ca. 15 v. Chr. (Gemeinde Vers-Pont-du-Gard).



Montpellier – Musée Fabre, gegr. 1828.



Gustave Courbet, Porträt Alfred Bruyas, 1854, Musée Fabre Montpellier.

135 Château d’If – Felseninsel mit Festung vor Marseille. Ein Teil des Romans „Der Graf von Monte Christo“ (1844) von Alexandre Dumas d. Ä. (1802–1870) spielt auf der Gefängnisinsel. 136 Arles – Kirche Saint-Trophime.

Aix-en-Provence – Kathedrale Saint-Sauveur mit dem um 1475 entstandenen Altar-Trip­ ty­chon von Nicolas Froment  ; auf dem Mittelbild Moses vor dem brennenden Dornbusch.

Ingres, Porträt des Malers F. M. Granet, 1809, Musée Granet, Aix-en-Provence. Rembrandt, Selbstporträt mit Barett und aufgeschlagenem Kragen (unvollendet), um 1659, Musée Granet, Aix-en-Provence. 137 An der französischen Riviera hielt sich Kaiserin Elisabeth (1837–1898) gerne in Cap Martin auf. 306

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Die unter Napoleon I. gebaute „Grande Corniche“ gewährt dank ihrer Höhenlage eine ausgedehnte Fernsicht.



Bad Gastein – Kurort im Bundesland Salzburg, in einem tief eingeschnittenen Tal gelegen.

138 Café Tomaselli am Alten Markt in Salzburg.

Salzburger Residenzgalerie.

139 Zu den hier erwähnten Personen bzw. Ehepaaren Dr. Granichstätten, Wilhelm und Fuhrmann konnten keine Daten erhoben werden.

Erica Tietze-Conrat, Botticelli and the Antique, in  : The Burlington Magazine, 47, Sept. 1925, 124–129.



Galerie Würthle, Ausstellung Anton Romako – vor allem mit Beständen aus der Sammlung Oskar Reichel.



Rekawinkel – in Wiental und Wienerwald, unweit der Hauptstadt gelegen.



Es handelte sich um Max Beckmanns Gemälde „Selbstbildnis mit steifem Hut“ (Gesellschaft zur Förderung moderner Kunst 1924b) respektive „Selbstbildnis mit rotem Vorhang“ (Beckmann 1984, 429), das in der „Internationalen Kunstausstellung“ Ziel einer Messerattacke wurde. Dazu Beckmann an den Verleger Reinhard Piper (1879–1953)  : „Das Gemälde erlebte ein ‚Attentat‘. Ich hatte es der ‚Gesellschaft zur Förderung moderner Kunst‘ in Wien überlassen. Da erregte es den Zorn eines Besuchers. Er stach mit einem Messer hinein, glücklicherweise nur in den Hintergrund.“ (Beckmann 1984, 110  ; Vgl. auch Caruso 2008, 44.)

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1. Jänner 1925 Das war die längste Pause im Tagebuchschreiben. Äußere Veranlassung  : es fehlte mir ein passender Block. Innere Ursache  : ich hab keine Gedichte gemacht. Allgemeinstimmung  : Geldverdienen, Hetzen, Vorbereitung für die Kurse, Weihnachten, Katalog der Diapositive des Volksbildungsamtes, Kunstgeschichte (Tizianzeichnungen, Mantegna u. Angelico). Hansens definitiver Entschluß seine jetzige Stellung im Ministerium aufzugeben  ; er spricht mit Prüger darüber u. wartet jetzt, welchen Vorschlag für eine andre Verwendung ihm dieser machen wird. Unser Jahresbudget beträgt c. 150 Millionen, von denen der Gehalt 77 beträgt. Es gehört schon ein hübsches Stück Mut zum Leben …1 Weihnachten war ungeheuer üppig, die Kinder sehr zufrieden und wir auch. Hans hat mir u. a. gefütterte Handschuh geschenkt und ein kleines Sei- Abb. 63  : Georg Ehrlich, Die Schauspielerin Asta dentascherl, das ich sehr notwendig brauchte  ; von Nielsen, 1925. Steiners bekam ich einen köstlichen Shawl u. von Frau Berl ein weißes Fransentuch. Von Floch eine Landschaft, die in unserm Schlafzimmer hängt, und von G. E. einen Mädchenkopf, ganz zart und innig gemalt, dann die schöne Zeichnung von der Asta Nielsen, die ich einmal kaufen wollte u. die er mir damals abgeschlagen hatte und eine Zeichnung vom Anderl, in die er sich sicher noch hineinwachsen wird – inzwischen sieht er viel zu alt darauf aus. Von Halles die übliche Gans, vom lieben alten Figdor eine Schokoladenschatulle mit angehängtem Schlüssel – damit ich meine Briefe hineinsperren kann – und eine Alt-Wiener Gratulationskarte zum Aufstellen mit einem Vers auf Raimunds Aschenmann und die „Zufriedenheit“. Kaschnitz ist aus Rom angekommen u. wir sind sehr neugierig, ob er die 14 Urlaubstage benützt, um sich mit Eva Steiner zu verloben. Gaby Ehrlich ist noch immer nicht von ihrem vielwöchigen Ausflug nach Berlin heim gekehrt, von dem sie seit dem 27. täglich erwartet wird. Die Kinder sind lieb und gesund, verbringen ihre Tage auf Kinderjause, gaben selbst eine, die glaub ich, die übliche Langeweile aufwies, vielleicht sogar noch übertraf. Fritz Lampl sagt mir unlängst  : „Mit dem neuen Jahr beginnt auch schon die Hoffnung auf das Frühjahr, dann ist gar nicht mehr Winter …“ Mein Gott, noch so viele Monate muß man von der Hoffnung allein warm haben. Das macht nichts. Jeder Tag hat einen Kuß aufs Herz. Das tut wohl und weh. Aber ich lebe.2

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2. Jänner Im Bett. In der Früh war Georg auf einen Sprung da, hat sich sein Geld abgeholt. Die Anzahl d. Teilnehmer ist bisher nicht sehr groß, hoffentlich noch nicht vollzählig. Inzwischen hält er bei 1,950.000 monatlich. Ein Brief von Frau Steiner mit Bilderln und einer Mitteilung durch die Blume, daß der Weihnachtsengel aus Evchen u. Guido ein Brautpaar gemacht habe. Inzwischen „Reservat“. Abends war dann Kaschnitz da, da er aber nichts davon sagte, so schwiegen wir auch darüber, hatten aber sonst viel Spaß. Abends kam noch ein Telegramm aus Poltenberg, daß Theresens Mutter schwer erkrankt sei, Therese fuhr –3 3. Jänner 1925 – dann heute früh weg und ich hab ein bisserl Angst, wie wir ohne sie auskommen werden. Im Sommer, wenn’s keine Öfen, keine Schuhe und keine Schule gibt, ist [es] dann viel einfacher. Ich arbeite „Kunstgeschichtliches“ und lese die Mahlerbriefe. Heut nachmittag ist Tanzstunde für die Kleinen (2 u. 3) und den Großen (1). Dieser nach einer erfolgreichen Auseinandersetzung mit einem Kragenknopf sehr selbständig aus dem Hause, die Kleinen auch fast ohne Nachhilfe. Mehr moralischer Antrieb  ; Eil dich, trink die Milch u. s. f.4 4. Jänner Anderl ist bei Ino Grafe, dem Sohn des Kubinsammlers u. Stoffel geht aufs gerate Wohl, die „Tante Lili“ abholen, die heute gerüchteweise ankommen soll. Am Vormittag waren die Kinder mit Hans spazieren, sonniges frisches Wetter. Bei mir waren daweil Kaschnitz (nahm Abschied) und dann Alf, dessen Frau zu seinem Leidwesen kein Kind bekommt, sondern nur so halt dick wird. Ich bin ganz kunsthistorisch verbohrt  ; woher hat Dürer die großfigurigen Vordergrundkompositionen, z. B. Rosenkranzfest oder Himmelfahrt vom Hellerschen Altar  ? 1506 und 1509 schon  ! Bilder vor der Assunta, vor Correggio. Das muß von Florenz herkommen …5 Therese bleibt noch unbegrenzt, die Mutter löscht aus (Altersschwäche) – aber wann  ? Wenig Ruhe dadurch. Meine Kurse haben angefangen. Hans hört von Frl. Bondi folgende Ehrlichiade  : Er lädt sie (teleph[onisch]) am Silvestertag zu dem Maskenfest bei Lampls ein. Sie darauf  : darüber reden wir noch – vielleicht kommen sie heute bei uns vorüber. Ehrlich  : Heute – kann ich nicht  ; – heut muß ich mich umziehen. – Ich gehe die Hohe Warte hinunter. Bei der Planke steht ein kleines Buberl aus d. Taferlklasse*, Schultasche am Rücken u. buchstabiert ein obszönes Wort, das eine schreibkundige Hand mit kalligraphischem Gefühl dort hingekreidet. Das Buberl spricht mit der rauhen fremden Stimme, die die sechsjährigen beim Buchstabieren * erste Klasse Grundschule

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haben  : „F – U – Fu – T – Fut, – dann abschließend sehr stolz  : Fut, Fut, Fut.“ Und geht weiter. – Letzten Mittwoch bei Lampls eine Torte abgegeben und durch die Windnacht nachhause. Das letzte Stück  : die Sterne aus der Erde geblüht. Heut früh bekam ich einen Brief von Frau Fuhrmann, die mir schreibt, daß sie mir irrtüml[ich] 200.000 K gegeben hätte, sie hätte für G. E. nur 100.000 monatlich ausgesetzt. Sollte dies die Enttäuschung nach dem ersten Porträtzeichnen gewesen sein  ? Die 200 hatte sie mir kurz vor d. Sitzung gegeben, die Rücknahme am Tag nach d. Sitzung geschrieben. Ich trau mich gar nicht, es ihm zu sagen. Besonders jetzt, wo er alle Kräfte anspannt, um nach Berlin reisen zu können. Hans hofft, daß heut oder Montag der Minister d. Albertinaakt unterschreibt, dann will er den Nebehay gleich wegen Georg angehen.6 11.I.1925 Gestern hab ich meinen Botticellivortrag (für d. Urania bez[iehungsweise] f. d. Volksbildung) vorzubereiten angefangen. Dazwischen durch hat’s aber immer fort gedichtet. Ich weiß nicht ob’s etwas geworden ist. Aber ich hab die Naturnähe nie noch so gespürt, wie diesesmal  ; fast nie. Abends bei Steiners, die mich mit d. Auto abholten.7 Einsamer Baum spreitet den Schatten aus – Nachtsegel im Tau – Sterne blühn aus der Erde  : Die Stadt – Sie ist weit  ; Sie tut Nicht weh  ; Sie kann’s nicht mehr – Meine Hand, meine, gleitet um deinen Puls Und dein Herz schlägt mir ins Blut herein – Ach du – Schau nicht in die satten Augen der Liebe, nein – Und ich Will auch nicht fragen, was uns trägt, Trägt in der Ewigkeit … Ich frag nicht, was es ist – Und weiß nur, Es ist gut.

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13.I.1925 Am Sonntag war Nirenstein (mit Frau) da, die von Ehrlichs Zeichnungen u. Bildern so entzückt waren, daß er sich an dem Fonds (1,000.000) beteiligt. Er will ihn überhaupt kunsthändlerisch machen u. ich war heut bei ihm, einen Kontrakt aufsetzen, den Ehrlich Donnerstag unterschreiben soll. Auch Nebehay tut mit, sodaß Ehrlich sich heuer sogar bisserl höher steht als im vergangenen Jahr (3,250.000 im Monat). Eine halbe Million bekommt er nicht in die Hand, sondern ich, um Rechnungen zu zahlen, bez[iehungsweise] einen Sommeraufenthalt möglich zu machen. Es war mir sehr schwer, den Eifer Nirensteins einzudämmen (er hätte ihn am liebsten allein ohne d. „Konsortium“ gemacht), aber es wäre eine zu starke Belastung, Druck – für Ehrlich gewesen … Der Minister hat d. Akt d. Albertina unterschrieben, jetzt kommt endlich ein bisserl Leben in d. S[am]ml[un]g, da sie ihre Kunsthändler zahlen können. Jetzt kann Ehrlich nach Berlin fahren  ! Freitag reist er, er hat schon seinen Paß.8 Das war gestern ein voll besetzter Tag, zwei Kurse, der zweite nur mit Hilfe von einem Belebungsmittel u. 2 Schalen Kaffee hinaufgepulvert. Dann mit Ehrlich bei Nirenstein, wo der Kontrakt (wirklich außerordentlich günstig für ihn) aufgesetzt wurde. Vorher noch das Billet nach Berlin gekauft (495.000) und während des Wartens ein Gedicht gemacht, das aber vielleicht nur die erste Strophe zu einem Gedicht ist. Ich breite meine Arme aus, Als gält es Mond und Sterne Und alle Welt umfangen – Und möchte nur, Du liebes Kind, Und möchte nur so gerne An deinen schmalen Schultern hangen. Das stille Mädchen mit dem Arm über der Brust, die G. E. als erstes dieser zarten Bilder gemalt hat, kommt für die Zeit seiner Abwesenheit zu uns zu Besuch. Wir haben sie noch gestern herausgebracht u. G[eorg] hat dem Hans u. den Kindern Lebewohl gesagt. Mir auch, versteht sich. Hans hat die Aufforderung bekommen, ein Heft mit 40 Abbildungen über Wiener Graphik d. Gegenwart (Zeichn[ungen] u. Graph[ik]) zu machen, wofür die uns derzeit höchst willkommene Summe von 500 M[illionen] als Minimum zu bekommen ist. Das ist sehr sehr nett. Erstens überhaupt und zweitens außerdem.9 17.I. Gestern spät abends ist Therese gekommen  ; der Mutter geht’s besser. Noch eine gute Neuigkeit für unser Budget  : Ab 1. IV. soll wieder die Kunstchronik funktionieren. 50 314

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MK [Millionen Kronen] Spesenersatz u. jeder Artikel separat honoriert. Bravo. Burgl heute leicht fiebrig  ; aber sicher nichts Schlimmes in Vorbereitung, sie singt und liest. Meine Botticellipräparation langweilt mich sehr.10 23.[I.] Ich hab tagelang nicht geschrieben. Am 17. war ich am Nachmittag bei Floch mir das neue Bild (Portrait einer schönen Frau) anschauen, von dem mir Georg mit d. höchsten Tönen gesprochen hat. Ich find es roh, langweilig, stellenweise noch hölzern – aber ungeheuer „folgerichtig“. Mein Gott ja. Er hat mir alle Details d. Hagenbundes erzählt u. von Frauen, die in ihn verliebt waren (mit Namen) und zwischendurch recht alttestamentarisch über die miesen Zeiten gejammert. Sein Egozentrismus langweilt mich tödlich. Sonst arbeitsreiche Tage. Die Angelegenheit mit d. Volksbildungsamt ist abgemacht. 32 Vorträge in diesem Jahr. Den 2. (Botticelli) hab ich fertig, am 3. arbeite ich gerade.11 An einem sonnigen (gestern) Tag, während d. Schreibens im kleinen Zimmer  : Was mich So traurig Macht  : Ach wenn Die Sonne, Die sichere Sonne, Die Sonne im blauen Glück – Verdeckt wird Von einer Wolke … Und wärs auch nur die kleinste Wolke – Und wärs auch nur für einen Augenblick – Daß sie – Daß sie – Sich – Versteckt – So traurig Macht es mich, Als käm sie nie zurück Für alle Ewigkeit – Nie – Zurück – Leid Kann ich tragen, 315

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Alles Leid – Doch darfst du nie Ein Wort der Liebe Zu mir sagen. – – Gestern abends im Akademietheater bei Mama Nicole. Ein von einer französ[ischen] Firma sehr geschickt, warm, witzig gemachtes Stück, das die gute B[erta] Z[ucker­ kandl] ganz lächerlich übersetzt hat.12 31.I.1924 [sic  ! 1925] Tätige Woche, Vorträge für d. Volksbildungsamt und Kurse. Mittwoch Hans  : Ist der Expressionismus tot  ? Ausgezeichnet. (Er wird es aufschreiben) Donnerstag mit Hertha in dem „Konzert“ von […]. Am Montag vorher bei der Krzjanowska, die ihren Gatten (Atelier Rapaport) besuchte. Menschlich warm, gut, rein u. s. f. – aber wir schauen einander nur lieb an, können uns nicht verständigen, da sie nur ein wenig deutsch u. ich gar nicht russisch verstehe. Nette Ehrlichiade erzählt  : es ist neblich, kalt, er hält die behandschuhte Hand vor den Mund. Sie  : „Nehmen sie doch lieber ein Sacktuch.“ Er  : „Ja gleich“ rührt sich nicht. Sie wiederholt die Aufforderung, er sucht in den Taschen. Sie bietet ihm eines an. Er weist sie zurück. Geht weiter. Sie  : „Ja warum nehmen sie denn keines, haben sie denn keines.“ „Gewiß, ich habe 20 Sacktücher  !“ „Ja, aber wo sind sie denn  ?“ „Im Koffer“ …13 Vroni sagt auf meine offenen Haare  : „Die Mama hat Muskeln an den Haaren  !“ Es stellte sich heraus, daß sie die Wellen meint … Vroni erzählt von einer wundervollen Schulstunde  : der Herr Lehrer Kummer hat ein Häschen in die Schule gebracht. In einer Pappschachtel ist es gesessen. Anderl  : „Mein Gott, das kenn ich, er bringt immer eines mit.“ Er sagt es ein wenig im Ton des Gymnasiasten, der über derlei Dinge erhaben ist. Dann aber nach einiger Zeit  : „Das muß doch etwas sehr Schönes für den Herrn Lehrer Kummer sein, daß er so ein Haserl mitbringen darf  ; wenn die Kinder alle herumstehen und staunen darüber.“ Georg will noch bis etwa zum 20. oder länger noch in Berlin bleiben – ich habe ihm heute durch die Bank vom Nirenstein 3,100.000 anweisen lassen. Er ist fleißig und schreibt sogar liebe Briefe. Ich soll meine Gedichte schicken und Theaterstücke. Ich tu’s aber nicht. Es hat ja keinen Sinn. 6.II.1925 Gestern abend bei dem Kunstgewerbemann Prof. Steinhof – sehr nette Frau, Römerin, die Schwester ist mit d. jungen Pirandello verheiratet. Es war eine französ[ische] Musikerin da, eine Nicht[e] Herriots, bißchen snobbistisch, aber eigentlich ganz amüsant. Sie spricht ein Französisch, so schnell und undeutlich, untermischt mit Slangausdrücken – ich hab sie kaum verstanden. Ich war den ganzen Abend über316

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haupt etwas gedrückt, weil Anderl sich unwohl fühlte. Es ist aber heut wieder gut. Stoffel hat seinen ersten Ball nicht voll genossen, weil er bei der Damenwahl wieder einmal durchfiel – und diejenige, auf die er gerechnet hatte, war nicht gekommen. Sie heißt Wilhelmine Schreiber u. „ist so mager, man fühlt alle Knochen.“ Die andern sind alle klein u. punkert*, er kann nicht mit ihnen tanzen. Frau Bloch-Bauer ist an Gehirngrippe im Verlauf von 3 Tagen gestorben. Kam fiebernd nachhaus, legte sich zu Bett, wurde bewußtlos und kam auch nicht mehr zu sich. Und dieser Tage hat sich auch meine ehemalige Schülerin Steffi Winternitz (verheiratete Seemann) unter ganz besonders tragischen Umständen erschossen.14 9.II. Am Samstag (7.) großer Schreck  : Anderl stürzte, schlug sich an den Tramwayschienen ein Eck Vorderzahn, beschädigte die 2 Nachbarzähne. Das Unglück ist nicht so groß  ; man sieht es kaum, aber er trug entschieden einen kleinen Schock davon. Als ihn der Zahnarzt (gleich am Nachmittag) lapidisierte (?), wurde er ohnmächtig. Dieses Memento, daß auch der blühende Zehnjährige schon ins Grab lebt, erschütterte mich sehr … Gestern wurde Gustav Glück auf Tod und Leben operiert (Magengeschwür, die alte Geschichte). Wenn er’s bis morgen durchhält, so ist gute Hoffnung vorhanden, daß er aufkommt. Gestern war Georg Halle da, sich die neuen Bilder von G. E. anschauen  ; sie haben einen ganz starken Eindruck auf ihn gemacht. Er blieb dann noch bei mir und erzählte mir von seiner Frau, von sich – und natürlich auch von der Gegenspielerin Fannina. Die ist schon eine Weile aus Rußland zurück, ich hab sie aber noch nicht gesehen.15 13.II.25 Gestern war der letzte der 3 Vorträge (der über „Kunstkritik“) vom Hans. Es war wunderbar aufgebaut, glänzend gesprochen. Sehr lustig. Großer Applaus. Der arme Buschbeck, dessen Bub am Vormittag zum zweitenmal operiert wurde, hat lachend mitstenographiert. Wir sind direkt nachhaus gefahren, obwohl die verschiedensten Konventikel uns ins Café entführen wollten …16 Es sind jetzt ganz wundervolle Tage, daß man frühlingsmüd herum schwankt wie sonst im Mai. Vorgestern im Hauerkonzert sind wir früher weggegangen, so müd war ich – Die Musik aber ist wie später Picasso, rein, griechisch, beruhigend. Wieder ein Vortrag – der 6. – über Correggio fertig. Präparation für den Hallekurs macht Mühe. Dazwischen Elektrische fahren, dummer Weise erster Wagon, Bekannte  ; vor mir steht [die] Schwägerin von Walter Eidlitz, meine Übernachbarin ist Frau Fürth, die auch darauf wartet, mich anzusprechen. –17 * untersetzt

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Ich aber schreibe ein ganz kleines Gedicht, das sicher unbedeutend ist, aber ganz meine Sprache hat. Sogar mit Überschrift  : Ängstliches Glück. Um mich ringsherum Himmelsfreud – Blau, ganz blau – Die Wege sind sogar – Vielleicht – Mit Goldstaub bestreut – Ich glaub es halt, Weiß nicht genau – Ich schau nicht hin, Hab Angst, amende Vergeht es. Ich halt den Atem an. Hab Angst, amende Verweht es … 1. März 1925 Ich war 6 Tage zu Bett. Schnupfen. Heute noch eingenommener Kopf, als wär er mir ganz dick und verstockt in die Stirne hinaufgestiegen. Hans Geburtstag. Er hat nur einen Wunsch, den er aber gar nicht formuliert, da gar keine Möglichkeit ihn zu erfüllen zu sehen ist. Mußte einmal wieder ohne äußeres und (Forts. 22. Mai 25) Hier sind einzelne Blätter der Tagebuchaufzeichnungen verloren gegangen. Der Hinweis auf den inzwischen verfassten Roman macht jedoch deutlich, dass ETC mit dem Tagebuchschreiben wohl auch länger ausgesetzt hatte.18 […] ich nicht hinausgelaufen. Am Samstag (16.) ist er nach Paris gereist. Ich habe meinen ersten Roman geschrieben, der nicht gelungen ist. Das was ich herausbringen wollte, ist nicht herausgekommen. Meine Sprache hab ich noch nicht gefunden. Ich bin dem Georg, der am letzten März wiederkam, für ein großes Bild gesessen, das z[um] T[eil] wenigstens gelungen ist. Er hat mir das Bild geschenkt. Ich habe „den Todessprung“ zur Preisbewerbung d. Stadt Wien eingereicht u. keinen Preis bekommen, doch wurde mir mitgeteilt, daß ich mit den anderen „inter pares“ vorgeschlagen war u. nur „die Jugend, die encouragiert werden sollte“, der anderen für die letzte Entscheidung (gegen mich) maßgebend war und ich mich jederzeit auf diese Beurteilung 318

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berufen dürfe. Am Montag (18.) bin ich mit Georg nach Spitz a./D[onau] gefahren. Wir haben uns gut vertragen u. bis aufs Blut zerstritten und wieder gut vertragen. Das ist nun einmal nicht anders. Er hat anscheinend gut gearbeitet und ich hab nach langer Unterbrechung wieder gedichtet. Nur aus dem Konflikt kann man Schaffen. Dann bricht es heraus. Und der zarte Fluß der Landschaft, das ist der Rahmen, der den Konflikt einfängt. Die ersten zwei Gedichte hab ich am Dienstag draußen noch gemacht. Das letzte erst nach der Rückkehr.19 Um einen vergangenen Tag. Die Tage gehen Und niemand fragt Nach Gestern – Und Gestern war doch gut. – Die Tage gehen, Der letzte zählt allein Und der hat Leid Gebracht – Der letzte zählt allein Und der tut Weh … Doch einmal muß es sein, Doch einmal ruht Das leise Pochen, das sie treibt, Und stehen Bleibt Die Zeit – Die Schwestern drehen Sich im Kreise Und Gestern – Heute sinkt In Ewigkeit … Und Heute tut – Und Heute tut Nicht weh … Ich seh Dich vor mir stehen – In deinen Wangen Lebt das Blut, 319

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Als wärst du nie von mir gegangen, Als hätt ich nie um dich geklagt – Du hast einmal – „Ja, meine Liebe,“ Hast du einmal zu mir, „Ja, meine Liebe,“ Hast du einmal Zu mir Gesagt. – – – – – – – – Von drüben. Das ist der Garten  : Hier die breite Bank Und weiß gekiest der Weg Um das Rondeau Gebogen, Die Rosenwand Entlang. So Hab ich ihn gekannt, Wie ich ein Kind noch war. Und Jahr um Jahr Hab ich ihn so gekannt … Hoch ist der Ball geflogen – Ich fing Ihn nicht, Zum Nachbarn fiel er hin – Ich ging Und bat um ihn – Und wie ich drüben stand, Sah ich in unsern Garten  : Da War lang die breite Bank Und das Rondeau zerzogen Und statt der Rosenwand Nur kahles Holzspalier Und in dem hohen Gras 320

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Der weißgekieste Weg verschwand … Ich kenn mich doch – Und hier Ist meine Hand – Und das die Finger, die dich lieben – Das mein Haar. Dich, frag ich, dich – Du drüben Sag, wie siehst du mich  ?  ! (Mörder Schlaf ) Traumlos Die Nacht – Ach, leise Löst sich zur Insel festes Land Und auf das fremde Meer Verbannt, Treibt sie verblichene Kreise An den Uferrand … Da kauerst du am Morgen – In deinem Schooß Die offenen Hände liegen – Leer Sind die Hände, wo vorher, Am Abend noch vorher, Geheimnisschwere Blüten schwiegen. Ich rühr mich nicht – Laß mich die Nacht bei dir, Die ganze Nacht – Und wenn du dich bewegst, So spür ich dich. Das war – Das war dein Arm. Um meine Schulter legst Du deinen Arm. In deinem Atem Bebt mein Haar. Laß mich bei dir – Und meine Hände hüten, 321

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Daß sie entgleiten nicht aufs Meer, Und meine Hände hüten Im tiefsten Schlaf noch die Geheimnisschweren Blüten Vom Abend her. – . – 24.V.1925 Gestern nachmittag bei Steiners, wo ich mir ein paar Gedichte abtippen ließ, die ich in Zeitschriften (auf Lampls Rat) schicken soll. Dann mit ihnen auf den Cobenzl hinauf (per Auto), oben Nachtmahl. Blick auf Feuerwerk. Frau Steiner hat ein gutes Bild angefangen. Ich hab sehr eingehend mit ihr gesprochen. Stoffel hat mit Segil u. Otto Mendl vom Dreamland aus das Feuerwerk gesehen. Heut hat Floch telephoniert, er ist nach vielwöchigem Aufenthalt in Triest, Ragusa heimgekehrt. Hat einiges in Triest verkauft, hebt sich das Geld für Paris auf. Er kommt jetzt zu mir. Ich hab gestern am Hinweg zu Steiners ein Gedicht angefangen. War aber in der Elektrischen so gestört, daß ich nicht viel mehr zuwege brachte, als ein verzweifeltes Gesicht. Hab dann heut früh weiter daran herumgekiefelt* und bin jetzt, glaub ich, soweit fertig. Mir gefällt es nicht. Ich glaub, es ist zu viel ins komplizierte Reimen hinübergeraten. Dazu noch zittert nichts in der Ausmalerei. Ich erleb das Gefühl viel stärker und stolper’ immer an den vielen Reimen mit dem offenen ei. Ich bin neugierig, ob die Wirkung auch bei anderen ausbleibt. Solang ich ein Gedicht nicht vorgelesen hab, weiß ich eigentlich nie, ob es gut ist. Draußen toben die Kinder. Und unter ihren Füßen knirscht der Kies. Ich sehne mich immer immer nur nach Ruhe. Der Zauberberg von Thomas Mann – (ich halte schon im zweiten Band) das ist die Stimmung, die mir jetzt zusagt. Also das Gedicht. Es heißt irgendwie  : Der Heimweg der Verabschiedeten oder sonstwie.20 Die Schatten Gleiten Von den Häusern nieder – Und breiten Schwarze Tücher auf die Straße – Und drüben noch die Mauer Steigen Sie empor – In dumpfen Pausen Schweigen * tüfteln

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Tor um Tor. Und draußen Wo die glatten Seiten Auseinanderweichen, – In graue Schauer Bleichen Da die Schatten. Und Gaslaternen legen Wieder Bis zur Mitte Ihre schrägen Streifen. Und Schritte, Schritte Hinter mir, Die mich ergreifen. Es knistert in den Zweigen … Und auf der Lauer Ducken sich die Lider, – Die halben Blicke Mit den stummen Fingern Zeigen … – Ich fürcht mich nicht – ich schrei’s  ! Ich war bei dir Und du warst gut zu mir Wie nie zuvor. Ich fürcht mich nicht  ! – Mein Gott – ich weiß Es nicht – vielleicht Warst du nicht gut … Das Knistern in den Zweigen – 27.V.1925 Am 25. hab ich unter ganz neuartigen – weil distanzierten – Gefühlen ein Gedicht „Was­­serscheide“ gemacht. Wie ich fertig war, hab ich nach Schillers „Spaziergang“ gegriffen, ob’s amende schon alles darin steht. So aber Gott sei Dank nicht der Fall gewesen.21 323

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Wasserscheide. Das ist die Straße die den Fluß begleitet, Wo sich das Bett inmitten frisch gemähter Wiesen weitet. Das leichte Wandern sammelt die Gedanken  ; Die in dem Dämmer träumen, im Unbestimmten ziellos schwanken, Verhetzt wie Lügner, die sich selbst verstricken, Aus den Verstecken brechen mit ertappten Blicken, Die nichtige Kiesel auf den Wegen lesen – Sie kommen willenlos die wirr verflochtenen Wesen Und sondern sich, wie sie vorüberschreiten, Winken zurück, bevor sie in das Nichts entgleiten … Ein Bach, der von dem Berg zu Tal gefallen, Läßt der Gedanken gleiches Wandern jäh zerprallen. Der erdgestampfte Weg zieht an dem Wasserlauf Durch immergrünen Wald den sanften Berg hinauf. Hier zwischen Möglichkeiten heißt es das Sichere wählen, Denn auf das Sichere allein kannst du nur zählen. Tagträume blumen dir verräterische Wangen, Das schrankenlose Wünschen mußt du mit den Wellen fangen. Du fühlst dich ärmer, arm und doch zugleich Im Sichern fühlst du dich unendlich reich. Und wo die Zweige sich zum Ausblick auseinanderbiegen, Siehst du Besitz zu deinen Füßen liegen. Den fest umgrenzten schmalen Ackerstreifen, Wenn auch entfernt noch – sicher doch zum Greifen … Die Bäume wichen längst ins Tal zurück Und längst verschwand das still erhoffte Glück. Jetzt siehst du nur den Weg, mit ihm mußt du dich messen, Die Zähne grausam aneinanderpressen, Die ganze Kraft erschöpft die Gegenwart, Gefahren überwindet, wer verharrt. Hier bleib nicht staunend zwischen spitzen Steinen stehn, Schaust du zurück, so hast du dich versehn, Verliebt in bunten Lichtes selbstgefälliges Spiel Hast du versäumt das dir gesetzte Ziel … Der Bach versank und seinen Weg in kleinen 324

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Rinnseln das Wasser zeichnet unter feuchten Steinen. Die leise Kräfte unaufhaltsam sputen, Den ersten Ausflug, der verströmt zum Bösen und zum Guten. Das war noch Klang, das hat sich doch geregt, Das war noch Zeit, das hat sich doch bewegt – Dann wirst du auf die letzte Höhe steigen, Halt still, mein Herz, hier muß das Leben schweigen – Vor deinen Blicken, die in Todesnacht vergehn, Siehst das geahnte Tal du jenseits auferstehn, Den fest umgrenzten Ackerstreifen in den Raum gedehnt Und dieser wird Besitz wunschlos ersehnt. – . – Und dann noch eines  : Donau. Das ist der schnelle Strom. Die Flößer brauchen Das Gefälle Und hauchen In den blauen Spiegel Welle, Welle – Und tauchen Mit dem Kiel Die blaue Spur. Die Flößer tun und recken So wie vor tausend Jahren. Und rückwärts geht Der Zeiger an der großen Uhr … Das ist der Strom  : Gleichmütig Spiel Die Kähne schwanken In den stillen Wassern, die sich am Uferrund entgegenschieben … Und von den Hügeln drüben Weht Der Sommerton der Grillen. – . – 325

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Der Schluß, der dann ins Persönliche umbog. „Ich muß nicht reden. Eh noch das Gefühl Sich in Gedanken, Und die Gedanken sich in Worte schrieben Weißt du es schon. Die Antwort steht In deinem klaren Willen. Ich muß nicht reden Nein, du weißt es schon. Horch, von den Hügeln weht Der Sommerton der Grillen.“ ist nicht gelungen, ist nicht fertig. Kein Wunder. Vroni fiel aus der Hängematte, brach sich da ihren Arm. Radiusfraktur, Splitterbruch, der obere Knochen ist auch, aber innerhalb der Haut, gebrochen. Stoffel hat sie zum Dr. Wendl getragen – sie hat viel geweint, aber, wie sie nachträglich sagte, nur aus Schreck. In einer viertel Stunde war sie wieder mit dem Notverband zurück. Anderl erheiterte sie, indem er sie auf die Röntgenaufnahme gespannt machte, ich mittels einer Bonbonniere. Heute wird sie im Rudolfinerhaus während d. Röntgenaufnahmen verbunden. 28.V. Vroni hat heute wieder ins Rudolfinum gehen müssen. Und Dienstag nach Pfingsten wieder, da bekommt sie erst d. richtigen Verband. Ich hab einen ausgezeichneten Bericht vom Hans über d. Wiener Pavillon (Tagblatt) gelesen. War spazieren die Zahnradbahn hinauf, blauer Himmel, kühler Wind  ; viel zu dünn angezogen, recht erschöpft heimgekehrt.22 Am Weg mich mit einem Gedicht gespielt  : Es war einmal Ich will nie In das Riesengebirge fahren – Dort soll es Schloßen wie Die Hühnereier von den Bäumen regnen – Was sind das  : Schloßen, Mama  ? Und dann Im finstern Wald 326

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Kann mir der Rübezahl begegnen – Und diesen großen Lümmel mit den feuerroten Haaren Mag ich nicht sehn. Ich will nie Auf den Untersberg gehen. Dort fall ich in einen Gletscherspalt – Wo ist der Untersberg, sag – Und der Kaiser Dem dreimal der Bart um den Tisch wächst – Dreimal dreihundert Jahre alt – Will grade von mir die Antwort haben Wegen der Raben.23 Ich will nie Zur Donau hinunter – Ich schau Ja sicher nicht zu, Mama, Wenn die Wasserfrau Schwimmt – Bin ich vielleicht Schuld daran Wenn ein fahrender Mann Ihr das Schwanenkleid Nimmt  ?  ! Ich will nie Mit dem Krug zum Brunnen Frau Holle befiehlt, daß ich Betten rüttle Und schüttle. Ihre Stimme ist heiser Und rauh – Und sie läßt mich amend Weit über die Zeit Beim Backofen warten Daß das Brot nicht verbrennt. Mama, Ich bleib lieber zuhaus – Im Garten 327

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Lieg ich und träume Von dem Kaiser Dem Alten – und schau Die Wasserfrau Ihre Augen sind Wie die Donau blau – Frau Holle schüttelt goldenen Tau. Ach gruselig grinst der Rübezahl – Es war einmal. 2. Juni. Wieder ein paar Tage Pause mit großen Aufregungen. Vroni ist krank gewesen, furcht­bar hohes Fieber, Phantasieren, unheimlich, eine ganze Nacht. Nach 1 ½ ­Tagen war es gut. Lutz hat mich am 30. untersucht und alles beim alten gefunden. Den Zauberberg hab ich fertig. Vom Hans so liebe Briefe. Er ist fleißig, vor allem bei d. Zeichnungen.24 Heut hab ich ein sonderbares Gedicht gemacht  : Jetzt hast du mich auch geschlagen. Über die Wange zieht Die rote Spur. Du sagst nichts –   ? Nein, du wartest nur, Was jetzt geschieht. Wartest auf meine Klagen  ? Daß ich zornig den Rücken dreh  ? Wartest du, Daß ich jetzt – Für immer – geh  ? Heimlich sieht Dein Blick im Spiegel Die rote Spur, Die über die Wange zieht. Sie schreit, Die Spur – und du –   ? Du wartest nur, Was jetzt geschieht. Draußen Vor dem Fenster 328

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Singt Ein schlanker Vogel Sein Sommerlied – Dengln klingt In die Pausen. Und weit – Hörst du  ? Und irgendwo weit Bellt noch ein Hund … 3. Juni 1925 Und heute wieder ein Gedicht, dessen erste Zeilen und Stimmungswandel ich schon mehr als ein Jahr herumtrage. Dann bin ich frei, am Morgen  ! Am Morgen hab ich die Kraft und töte dich – Ich zieh dich aus wie ein vertragen Kleid, Das schon zu viel von mir gesehen – Ins seichte Einerlei heiß ich dich gehen, Dort mögen leichte Tage dir, rosig oder blau, So wie du’s willst, verwehn. Mit dieser flachen Hand verlösch ich dein Gesicht – Und wenn ich dir begegne, Irgendwo, Erschreck’ ich nicht. Doch wenn das Licht – Doch wenn das Licht versinkt, So segne Ich deine Tage wieder – Aus meiner Sehnsucht weck ich Die immer gleichen Klagelieder, Daß sie dich erreichen. Die Wunderblumen streifen Mit ihren schweren Kelchen meine Glieder Und meine Hände deine Lenden greifen … Nach diesem war ich so erregt, daß ich gleich ein zweites, dieses nur für mich, niederschreiben mußte. 329

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Den Schlitten zog ein Mann, Wir schritten hinterdrein  ; In seine Schulter schnitten Die Riemen ein – Und seine Füße glitten Über vereisten Stein … Wir schritten hinterdrein Und halfen manches Stück Dem Mann den Schlitten schieben Bergan … Ach deine ganze Habe War aufgepackt und festgebunden Und war nicht viel Und war doch schwer. Da hab ich dich gefunden, Du wehes Glück Und bin bei dir geblieben Komm los von dir niemehr Als hätten wir zusammen Geburt und Tod gelitten – Komm los von dir niemehr Als hättest du einmal Geruht in meinem Schooß. 5. Juli 1925 Am 11. Juni, am Frohnleichnamstag bin ich mit G. E. nach Italien gereist. Wir haben in Tarvis Station gemacht, sind aber nicht dort geblieben, weil es nachts Wanzen gab und die Gegend G[eorg] nicht zum Arbeiten anregte. Wir fuhren am nächsten Morgen nach Gemona. (In Tarvis hat G[eorg] seine Uhr – er hatte sie zum erstenmal auf der Reise getragen – aus der Weste fallen lassen. Sie ging kaputt.) Wir blieben in Gemona von Freitag bis Dienstag. G[eorg] hat mit einer neu erworbenen Tintenfeder viel gezeichnet, vor allem Landschaften am Tagliamento, und Aquarelle gemalt. Die Landschaft zwischen dem hochgebirgigen Norden und der italienischen Ebene hat es ihm angetan. Zirkusleute, Fest des hl. Antonius. Dienstag fuhren wir Mittag nach Bologna. Am Mittwoch bei Zahn, wo auch die Frau des Malers Eberz war, selbst Malerin, sehr liebe Frau. Abends ein Akt König Lear von Zacconi (trostlos, weggegangen). Am Donnerstag nachmittag kamen wir nach Florenz, wo wir Piazza Mentana 5 (sehr lärmend) wohnten. Samstag abends nach S. Gimignano, das aber Georg furchtbar drückte, Sonntag wieder zurück nach Florenz. Die Kunst in Florenz, die er 330

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Abb. 64  : Christoph Tietze (stehend) bei den Breslauer Verwandten  : Cousine Maja, Onkel Lutz Fraenkel, Tante Lili FraenkelConrat.

zwei Tage auf sich hatte wirken lassen, dann durch d. Ausflug nach S. Gimignano distanzierte, hat ihn tief aufgewühlt und sein eigenes künstlerisches Bekenntnis heraufgerufen, das in dieser Nacht, als wir nach abenteuerreicher Fahrt zurückgekommen waren, unaufhaltsam hervorsprudelte. Es war für mich ein sehr starkes Erlebnis, das mich für viele einsame Stunden entschädigte. Am nächsten Tag kam der Architekt Groag an. Ich blieb noch in Florenz mit beiden zusammen bis Freitag früh und reiste dann heimwärts. Die anderthalb Wochen, die ich noch in Forte dei Marmi hatte bleiben wollen, strich ich im Programm. Nach dem ersten Brief von Hans, der am 20. nach Wien zurückgekehrt war, hatte ich die Geduld zum Herumreisen verloren. Am 27. Juli abend war ich wieder zuhause …25 Die Neuordnung der Sektionen im Unterrichtsamt ist eine bloße Publikumsaugenauswischerei  ; Prüger, der Theaterintendant geworden ist, behält die „Kunst“. Hans ist entschlossen, vom Amt mit Ende des Jahres fortzugehen  ; seither trägt er die Dinge mit mehr Ruhe. Die Albertina-Dublettengeschichte nimmt weitere Wege  ; zwei bäurische 331

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Abgeordnete haben jetzt d. Minister interpelliert u. eine parlamentarische Überprüfung verlangt. Maja ist am 29. nach Wien gekommen u. fährt morgen mit Stoffel zurück, der einen Monat in Breslau bleibt. Die Schlußzeugnisse waren ganz anständig  ; Vroni u. Anderl haben jeder in Singen u. Schreiben einen zweier, sonst lauter einser, Burgel zu ihrem großen Glück lauter einser, Stoffel durchwegs gut, nur in Mathem[atik] u. Grie­ ch[isch] genügend. Am meisten hab ich mich über Anderl gefreut, der seine Lorbeeren ganz ohne Anstrengung u. Ehrgeiz erringt. Ich habe die Radiovorträge für den Herbst begonnen, 16 Stück, ich rechne mit 32 Arbeitstagen. Gerade bin ich mit dem 3. fertig geworden. Mit Hans war ich bei Nirenstein, wo wir anscheinend die Angelegenheit für G. E. einrenken konnten. Auch sonst hab ich (von Kr., der nicht weiß, für wen er gab, und von uns (das von mir auf d. Reise ersparte (Mill., 130 L.)) Geld für ihn.26 7. Juli 1925 Ich bin gestern nach des Tages Arbeit wieder spazieren gewesen. Ich brauche sehr lange, bis ich zum Schauen komm. Immer muß ich meine Gedanken zurückholen. Am Heimweg traf ich bei einer Brückenreparatur in der Wildgrube einen schweren Wagen, dessen eines Pferd einäugig war. Die Pferde klagen nicht – Sie tun ihre Pflicht. Doch warum sind So viele an einem Aug blind  ?  ! Da müssen sie keine Scheuklappen tragen, Wenn sie den Wagen Mit den Steinen Den Berg hinauf ziehen, Hast du in die Milch ihres blinden Auges geschaut  ? Du möchtest niederknien, Mit allen Engeln weinen – Und Erde Möchtest du auf deinen Gebeugten Nacken streun Und dich mit allen Engeln freun … Ich habe in die Milch ihres blinden Auges geschaut – Und mir graut Vor der Pflicht. Die Pferde klagen nicht, Nur leichte Wellen jagen Über ihre Haut, Wenn die Menschen sie schlagen. 332

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Abb. 65  : Anderl Tietze, ca. 1925.

Abb. 66  : Burgl Tietze, ca. 1925.

12. Juli. Von Stoffel kommen gute Nachrichten  ; sie picken* inzwischen das Faltboot u. warten auf gutes Wetter. Es will nicht kommen. Ich lebe am Schreibtisch, u. schließe jeden 2. Tag (völlig in time) einen Radiovortrag ab. Der arme Hans muß den Quatsch abschreiben. Die Kinder (2 u. 3) lernen in der Kuchelau schwimmen. Anderl war bei Frau Steiner, die ihn malen will  ; er hat viele Zeichnungen von ihr gesehen. Als er nachhaus kam machte er eine Gebirgslandschaft, überraschend in ihrem Stil. (Ich lasse jetzt Rembrandts herumliegen). Vor paar Tagen schrieb mir (spontan) der Zsolnay-Verlag  : „Sie hatten vor geraumer Zeit (Das stimmt, Ende März) die Liebenswürdigkeit, uns ihre Gedichte anzuvertrauen. Wir haben diese Gedichte mit wärmstem Interesse gelesen u. anerkennen gerne Ihre starke und schöne Begabung. Es würde uns sehr freuen, sie (p. T.) persönlich kennen zu lernen u. wir erbitten uns hiezu Ihren geschätzten Besuch.“ U. s. f. Die Diktion zwischen goethescher Abgeklärtheit u. Geschäftsstil ist mir zuwider. Ich gehe Dienstag hin – bin neugierig, wie dieser Verlag sein Refus einkleiden wird.27 14. Juli Gestern nachmittag hat sich Vroni zum zweitenmal den rechten Arm gebrochen  ; ein wenig über der ersten Bruchstelle, wo der Knochen, wie der Chirurg (Dr. Sternberg) sagte, von dem Verband ein wenig atroph geworden war. Sie war drüben bei Luith* kleben

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lens, stieg über den für d. Spalierobst gespannten Draht, blieb mit d. Fuß hängen u. stürzte. Da kein Arzt hier zu erreichen war, telephonierte man an Prof. Luithlen, der den Spezialisten seiner Nachbarschaft dann gleich mit dem Auto herausbrachte. Sie bekam gleich den definitiven Verband – diesmal mit Blaubinde, Sägespänen, 5 Bretteln u. wurde uns fix u. fertig von Prof. Luithlen ins Haus gestellt. Hans u. ich gingen dann am Abend zu ihm, um uns zu bedanken, nach d. Arzt zu erkundigen u. s. w. Er erzählte, wie tapfer sie sich gehalten hatte. Als er sie dann brachte, hatte er ein sehr unbehagliches Gefühl, wie wir erschrecken würden  ; Therese machte die Türe auf und sagte, als sie von dem Malheur erfuhr  : „Du bist eine Patzerin*  !“ Das hat ihn dann beruhigt. Ja, man verliert bei 4 Kindern das laute Pathos. Ich war gerade spazieren  ; als ich heimkehrte, rief ich zum Fenster hinein, ob Hans schon zuhause sei und Felix u. Hertha, die wir auch für den Abend erwarteten. „Nein“, sagte der Toni, „noch niemand ist da, nur die Burgel u. die Vroni sind zurückgekommen, die Vroni hat sich wieder den Arm gebrochen.“ Mir fuhr der Schrecken in die Glieder, aber ich hab mich doch schnell wieder daran gewöhnt … 18.VII. Ich habe meinen Besuch im Zsolnayverlag am Dienstag nicht beschrieben. Der „Direktor“, ein Herr Costa, wiederholte nur, was er geschrieben, nur vielleicht noch nachdrücklicher, wie gut er d. Gedichte fände. Aber er sei noch nicht entschlossen (obwohl sie einen Gedichtband bringen wollten) ob sie sich für einen Namen etwa R. M. Rilke entschließen sollten – oder („oder“ bin ich.) Er fragte mich auch, ob ich als Lyrikerin einen Namen hätte. Ich sagte, nein. Erzählte ihm dann, wie kurz ich überhaupt dabei bin. Er sprach u. a. auch von der sozialdemokratischen Tendenz der Gedichte … Herr v. Zsolnay nimmt sie jetzt auf eine Reise mit, er würde es entscheiden – in längstens 14 Tagen würde ich d. Antwort haben. Ich wollte ihm eine Publikation zusammen mit Graphik von G. E. nahelegen, er lehnte es aber ab. Kunstbuch zieht nicht mehr, man würde entweder d. Gedichte oder die Graphik als unnötige Beigabe ansehen u. s. w. … Am Mittwoch waren wir abends bei Steiners u. fuhren dann mit d. neuen elek­ tr[ischen] Bahn Hütteldorf – Gürtellinie heim. Sie rattert mehr als in Paris. Anderl wurde heute bei seiner 3. Schwimmlektion schon auf zwei Blechblasen gelegt u. an eine Eventualitätsleine genommen. Burgel anerkennt es sehr u. kränkt sich wirklich nur ganz obenhin, daß sie das Fußtempo u. d. Handtempo „zugleich“ noch nicht kapiert, obwohl es ihre 5. Stunde schon war. Lili schickte schon den ersten Bericht von Stoffel u. Heinzens Faltbootfahrt, die am 15. begonnen hat. Ich habe schubweise Angstanfälle um ihn – aber meistens denk ich nicht dran, weil ich arbeiten muß. Ich halte jetzt beim 10. Vortrag, das ital[ienische] Tre- u. Quattrocento in einer halben Stunde  ! Heut ist meine Vronili beim ersten Verbandswechsel.28 * Tollpatsch

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Abb. 67  : Burgl mit Bubikopf.

21. Juli Burgl hat gestern unter Gabys Assistenz einen Bubikopf bekommen. Am Abend war Gerhart Frankl da und ein amerikanischer Kunsthistoriker, der sehr witzig und anregend von Amerika erzählte. Hans hatte ihn in London kennengelernt … Wir haben im Garten gegessen bei unserm elektrischen Lampion u. nachher Hausmarillen gegessen u. ich noch die Kerne, für die ich schwärme. Nach Tisch lieg ich immer im Streckstuhl und schlafe  ; da hör ich, wie die Marillen nieder fallen, eine in den Kies und dann eine auf die Wiese  ; beim Nachbarn die Frühbirnen fallen ganz anders, die platschen so, weil sie mit ihren harten Stengeln schon viel weicher erst fallen als die Marillen. Der Vogel besucht dann auch den kleinen Sandhaufen neben meinem Stuhl, wo d. Ameisen jetzt wohnen u. pickt sich welche heraus u. putzt sich nach jedem Bissen seinen Schnabel an unserer Mauer rein. Und ich hab aus all dem Sommer ein Gedicht gemacht  : 335

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Ich lieg im Gras und denke nicht viel – Und denke nicht an Gott, an Weg und Ziel. Nur, Daß ich eins mit dir, du Gottes Kreatur, Eins werden will. Der kleine Vogel, den meine Hand umgittert, Ich fühle sein Herz, wie’s in den Federn zittert  ; Erschreckter Käfer starrt zuerst in […] Und läuft dann auf und ab, dem Menschen zu entrinnen  ; Haustiere ohne Freuden weiden  ; Die schweren Ähren ächzen unterm Schneiden  ; – – Ich will nicht denken, daß ein Mensch ich bin – Nur, Daß ich eins mit dir, du Gottes Kreatur, Eins werden will. Marillen fallen von dem alten Baum zu mir ins Gras herein  ; Ameisen ziehen in die goldenen Häuser ein, Das kann so sein, Weil niemand kommt, der sie zusammenklaubt. Halt still – der kleine Vogel glaubt, Ich bin wie er Und wippt und trippt, treibt zu mir her – Und dann – Mein Gott, ich danke dir  ! – Der kleine Vogel sieht mich an. Er sieht mich an Und glaubt, ich bin wie er Treibt her – Treibt her zu mir Und bleibt – 8.VIII. Gestern früh überraschte uns Stoffel – sehr groß u. schlank – durch sein unerwartetes Kommen. Anderl sprang gleich aus dem Bett vor lauter Freud  : „Das ist so schön, daß du gekommen bist, ich muß dich etwas fragen  : gibt es flüssige Körper, die nicht naß machen  ?“ Stoffel war mit einem chinesischen Studenten gereist – sie haben die ganze Nacht durchgesprochen. Der Chinese hat ihm erzählt, daß er erst in Breslau Ma-Jong spielen gelernt habe. Anderl fragte dann noch, ob man, wenn man kleiner wäre, besser höre  ? – 336

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Stoffel ist von seiner Reise sehr befriedigt. Vor allem hat er sich anscheinend mit Lili wohlgefühlt. Heut war ich die Kinder in die Kuchelau begleiten, das ist aber nichts für mich. Vor paar Tagen mit Anderl landschaftern gewesen – um die schon übel lange Reihe der Selbstbildnisse zu unterbrechen. Von der Höhe durchs Bockkellerviadukt aus den Bisamberg u. d. Donau gemalt. Mein erstes Aquarell. Anderl hat regen Anteil genommen. Es war sehr nett, wie wir zwei verschiedene Temperamente die selbe Gegend hier verschieden sahen. Von Georg bekam ich vom 2. eine Nachricht aus Genua, er fährt nach Meran u. dann wahrscheinlich ins Gebirge. Seither ist er verschollen. Lampls die mit ihm bis Genua fuhren, sind seit Mittwoch in Wien u. kommen Montag heraus. Auch Rapaport ist schon zurück. Lampl teleph[onierte], Georg hätte italien[ische] Köpfe gezeichnet, „schöner denn je“. (Ich bin betrübt – wieder Köpfe.)29 9.VIII. (Meinem geliebten Jules Verne) Im Fluge los Von unserm abgebrauchten Erdenstern. Ins Unbegrenzte, ja, so reis’ ich gern. Im Aeroplan, ein Fabelschoß Des Projektiles, rundgefunkt – umkreis Ich bürgerlich das neue Land – Stürz ich mich frech ins Wagnis der Parabel, Selbstleuchtender Trabant – Mir ist es gleich, wie du es willst, Geschick Und Traum – Jules Verne  ! Mich halten schwindelfrei Im Weltenraum Die sichern Zahlen der Physik. Das ist der Mond  ! Mit offenem Munde Grüß ich dich – doch ungeboren Stirbt der Schrei Im Schlunde. Nur Erdenatmosphäre Pöbelt in die Ohren – Der reine Äther schweigt den Ton Ins Leere. Das ist der Mond – Leuchtgasballon Steigt auf und zeigt 337

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Mir alle Meere, In denen Steine ihre Wellen rollen Und tote Lava sind die Ackerschollen, Wo sich der Krater zu der Küste neigt. Hier, weiß ich’s stolz, War noch kein Mensch vor mir – Und schaudernd starr ich nieder in die Wüste. Da in der kalten Helle steht ein geformter Strahl, Wie Sonnenstäubchen wirbelt’s in ungemaßner Zahl, Ein Nichts, das unbeschwert durch alle Welten treibt Und bleibt und dringt, Wohin es dringen muß – Der Samen ist es, der das Leben bringt. – . – 17. August Lange Pause. Viel erlebt – Enttäuschungen. Zsolnayverlag hat mir abgeschrieben. Sie halten ihr Urteil aufrecht (daß d. Gedichte gut sind), müssen aber trotzdem von einer Veröffentlichung d. Gedichte absehen. „Ersparen sie es uns die stichhältigen Gründe auszuführen“. Am Freitag sind die Kinder abgefahren. Es ist sehr still hier. Gestern mit Steiner über d. Riederberg gefahren. Wundervoll. Von Georg kam Samstag ein Brief aus Meran (Obermais), er hat viel zu viel Geld gebraucht, kommt um 7 Tage kürzer aus, als ich gerechnet hatte. Ich hab ihm sofort bisserl was geschickt, um mir keine Vorwürfe machen zu müssen.30 Unlängst fand ich Vronis Springschnur im Garten. Heut hab ich das Idyll darauf gemacht  : Der Griffe Paar Liegt hier und dort im Kies, Wie sie es fallen ließ  ; Blond ist das Holz … In einer Schlangenspur Die sich im Sande sonnt, Zerfiel der rasche Schwung der Schnur, Die, rosenrot und weiß, der Masche Gleicht in ihrem blonden Haar … Es blieb ihr liebstes Spiel Den ganzen Vormittag, so heiß es war. 338

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Nun schlief sie in der Hängematte ein – Und schaukelt leicht. – Und von der Wiese in den Kies hinein Der Schatten streicht. 19.VIII.1925 Von den Kindern kam heute der erste Brief aus Riccione. Wie vorauszusehen, war d. Fahrt sehr heiß u. unbequem. Burgel hat „gespieben* wie noch nie“. In Rimini, als sie in den bereitstehenden Zug nach Riccione einstiegen, haben sie den Anderl verloren. Therese beschreibt es herrlich. Von Riccione (11h nachts) aus fuhr dann Stoffel mit dem Pensionsinhaber per Auto nach Rimini, den Anderl suchen. Sie fanden ihn im Wartesaal 1. Klasse auf einer Bank fest eingeschlafen. Er konnte sich an nichts erinnern, als daß er plötzlich niemanden gesehen hat, daß er nach dem Zug nach Riccione gefragt hat u. man ihm gesagt hat, daß er weg sei, daß ein Herr, der deutsch konnte, dazu kam u. ihm 2 L[ire] 50 u. eine Visitkarte mit seiner Adresse gab, daß man ihn in d. Wartesaal geführt hat u. gesagt, er solle dort ruhig schlafen, am nächsten Morgen dann mit d. Geld nach Riccione fahren. Dort haben sie ihn gefunden. Um 12h (beschreibt Therese, die natürlich tausend Ängste ausgestanden hat), habe ihn Stoffel gebracht, er hat unschuldig gelächelt. „Du mußt dich nicht um mich ängstigen“, schreibt er an den Brief dran. Ich lese viel  ; die Vorträge des Warburg-Institutes, das soziologische Jahrbuch, Cysarz Barockdichtung.31 Heut früh hab ich ein Gedicht gemacht – eins ohne Gewicht, nur zum „Deklamieren“ geeignet. Neckisch, komische Alte Komische Alte Immer bin ich noch da, Immer mir nah  ! Möchte so gern mich verlieren – Wie man, Ein abgetragenes Handschuhpaar Verliert – wenn’s doch gefüttert war, Wenn’s doch bald Frühling wird … Wie schön das wär’  ! Da geh ich spazieren, Seh mir die Welt mit neuen Augen an Und die, die freuen sich über den furchtbar Sonnigen Tag * sich übergeben

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Und die vielen rotgekleideten Leute (Weil ich doch heute rot gar nicht mag). Und dann – find – Dann find ich mich. Ich sitze Vielleicht auf einer braungestrichenen Bank Und neben mir sind zwei andere Frauen Die mit dem Kopf nicken, Wie alte Frauen halt sind. Und ich trage Einen grauen Shawl gegen den Wind Und einen Schirm, einen verblichenen Gegen die Sonnenhitze. Und ich sage  : (Natürlich weiß ich nicht, was ich mein’) Ich sage  : „Nein Daran Gewöhn Ich mich Nicht mehr. Da bin ich eben schon zu alt.“ Und – denk dir, wie schön das wär’  ! Ich geh vorüber – die drei Schauen mir nach, die alten Frauen  ; Eine links, eine rechts – und ich bin dabei. Mir ist heute beim Spazierengehen ein Motto eingefallen, nach dem ich jetzt mich einrichten muß. „Die Liebe darf nicht mehr im Blute ruhn – Die Zeit ist jetzt vorbei  ; es bleibt das Gute tun.“ 22.VIII. Regen am Morgen Die Schatten dehnen sich die kahlen Wände Und an der Schwelle zu den stillen Räumen Da säumen ihre Augen und verhauchen Noch einmal über mich die fremde Qual – Noch einmal sehnen sich zu mir die Hände Und verrauchen. 340

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Nun ist es leer. Ist nichts. Ich lausche, wie mir der Atem ruhig geht, Vom Schlaf noch her Und draußen stehn die Bäume um das Haus Es wartet in den Zweigen – Und dann – ein Tropfen Löst sich aus dem Schweigen Ein Ton hebt an, Ein Atem ohne Ende, Ohne Steigen, Wie ihn die toten Muscheln von der Heimat träumen, Von dem Meer Die Bäume stehen regenschwer ums Haus Und in dem grauen Atem draußen Ruh ich aus. Das war gestern. Aber vorgestern war ich mit dem Dr. Rapaport über den Tag weg – wir haben am Leopoldsberg Mittag gegessen. Es war nicht zu heiß und wir waren ganz heiter beisammen. Ich hab eine „Vedute“ gezeichnet, wie eine Tante. Scheußlich. Gestern abends war Dr. Buschbeck da u. hat uns von Spanien erzählt. Den Baedeker aber, den er hätte mitbringen sollen, den hat er vergessen. Vom Stoffel kam ein sehr lieber Brief, hoch befriedigt im Nichtstun und doch voll feiner Ironie darüber. Auch Petrin schrieb, wie er die Kinder wohl und quietschvergnügt vorgefunden. Hoffentlich bleibt es. Ich geh viel spazieren und arbeite immerfort an mir selbst. Die Tagträume schließe ich einfach aus, sodaß mein Bewußtsein immer klar bleibt, durch und durch, bis dorthin wo die ixe sich so gern zu u’s machen lassen. Ob ich unter diesen Umständen noch werde dichten können  ? Ich lasse es darauf ankommen. In der Zwischenzeit lese ich wissenschaftliche Bücher …32 Heut vormittag hab ich übrigens ein Gedicht gemacht, an dem ich schon lange herumtrage – ich weiß nicht, ob’s gut herausgekommen ist. („Begegnung“ oder „Veronika“) Weiß nicht, wohin Und weiß nicht, wie ich geh Und weiß nicht, was ich seh – Läßt mir nicht Ruh – Und ist Genuß Und tut doch weh. Weiß nur, daß ich es bin, 341

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Den ich erleben muß. Und du  ? Bist du das Ende  ? – – – – Ich liebte, weil es meines war, Mein Haar Und meine Hände – Und alles, was mir nah, Im Garten meine Bäume, Weil ich sie Mit meinen Augen sah – Ich saß und liebte Den gelben Herbst der Träume. Ja, um mich. Und alles ich um dich vergaß – Und ich bin nicht mehr da … – – – – Was soll ich hier  ? Die Wiese … kenn ich  ; unten fließt Der Bach, du hörst ihn nicht, Siehst nur die Weiden – Die Herbstzeitlosen waren Vor Jahren schon dem Knaben wehes Scheiden. Und such ich dich –   ? Hab ich hier heimgefunden –   ? – – – – Du hast nicht heimgefunden, Hier zu mir. Nur von den Leiden Sollst du Ein klein wenig ruhen. Laß mich, ich trockne dir Die Stirn mit meinem Tuch – Das darf ich doch, Das darf ich für dich tun. – – 23.VIII. Gestern abends waren Steiners da, zum letztenmal, sie reisen Mittwoch nach Belgien  ; die Frau will malen, der Mann schlafen und zunehmen, und beide wollen sie die Kinder erwarten. 342

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Abb. 68  : Am Strand von Riccione (v. l. n. r.)  : Burgl, Anderl, Vroni, Ministerialrat Leodegar Petrin, Frau Petrin (?), Therese, Stoffl.

26.VIII. Wir sind vorgestern nachmittag nach Vorau gefahren  ; in Rohrbach haben wir recht primitiv übernachtet  ; am nächsten Morgen um ¾ 7 sind wir hinübergegangen (2 ¼ Stunden), weil d. Autobus erst gegen 12 fährt – und am Nachmittag sind wir zurück, weil der Autobus das erst am nächsten Tag tut. Wir haben kein besonders schönes Wetter gehabt (die Regenkatastrophe am Vormittag kam erst, wie wir schon im Stift waren, die Gewitterkatastrophe am Nachmittag, wie wir schon am Bahnhof waren) und auch d. kunsthistorische Ausbeute war gering. Immerhin waren wir zufrieden ein paar Stunden in der guten Luft gewesen zu sein (Vorau liegt c. 660 m hoch). Daheim ein lieber inhaltsreicher Brief von Therese, es geht ihnen glänzend, Stoffel war schon 2x tanzen – es gibt da ein Kaffeehaus, wo jeden Abend getanzt wird u. es gehört dem Bruder ihres Wirtes … Sie loben das Essen, den Strand, die Gesellschaft – obwohl sie die erwarteten Schulkolleginnen gar nicht gefunden haben – und alles. Ich lese jetzt „Idea“ von Panofsky, z[um] T[eil] sogar für mich sehr anregend. In d. Urania (Montagzyklus „Rom“) mache ich den Raffael (2 Vorträge). Hans d. Einleitung, dann die Einleitung zur Hochrenaiss[ance] und dem Michelangelo.33 343

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Wir beide sind mitsammen alt geworden – Und, so Gott will, so endet Auch die Reise für uns zugleich. Das aber dank ich dir, Du hast dich nie Von mir gewendet, Wenn ich auch krank Und häßlich lag, Du pflegtest mich und schöner galt Ich dir sogar Als wie an unserm Ehrentag. Du hast Geduld und du bist gut – Ich bin es lang nicht so, Mag vieles nicht – Das Haar um dein Gesicht Ist braun, wie’s immer war, – Mir tut es in der Seele weh  ; Das Haar ist weiß an deiner Brust, Wo ich allein es seh. 27.VIII. Hans, dem ich das Gedicht gesagt habe, war entsetzt. Noch nie habe er etwas so sentimentales gefühlsduseliges gehört. G. E. ist gestern (26.) früh angekommen. Er war am Abend einen Sprung bei uns. Georg Halle war abends da. Er will den Sohn nach Palästina auswandern lassen.34 28.VIII.1925 Eine Erinnerung an den Spaziergang von Rohrbach nach Vorau. Eigentlich sollt es heißen  : „Wenn der Jud durchs Dorf geht“. Ich nenn’s aber lieber  : Wenn ich durchs Dorf geh – Wind bläht Tücher, die Den Weg entlang Zur Bleiche gespreitet sind. Wäsche weht an der Leine. Neben der Haustür die niedere Bank – Altersgrau Stützen sie Steine, – 344

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Lehne ist Wand. Astern im Beet – Gelb, rot und blau – Eine blonde Frau Auf der Schwelle steht, Breitet über die Augen Ihre durchsonnte Hand  ; Schaut, wer vorübergeht … Alles heiter, vertraut – Fremd nur der, immer fremd, – Mußt weiter … Gestern war ich bei d. Generalprobe eines Uraniafilmes, von den Fidschi-Inseln. Am schönsten einer, der auf einen Palmbaum geklettert ist. 1.IX.1925 Prüger, der ja jetzt [neben] dem Kunstdepartment auch die Staatstheater hat, telephoniert an d. Hans  ; er war im Stift Altenburg u. dort hat ihm d. Trogerfresko in der Bibliothek, die Königin von Saba so gut gefallen  ; ob der Hans es kennt. Gewiß, gewiß … – „Nun, Sie wissen doch, wir eröffnen die diesmalige Opernsaison mit d. Königin von Saba. Jetzt aber ist diese Geschichte mit d. Zionistenkongreß. Die Regierung will [nach] diesen Anfeindungen möglichst von ihrer neutralen Stellung, die sie bisher gehabt hat, abrücken – jetzt ist es mir sehr unangenehm, daß die Königin v. Saba wieder übelgenommen werden könnte, als eine jüdische Oper nicht wahr. Absetzen ist aber auch schwer – Könnte man nicht da schreiben, daß auch in einem Stift, in einer Klosterbibliothek“ – „Gewiß, die Königin von Saba ist ja auch vorbildlicher Typ für d. Anleitung d. hl. Dreikönige –“ „Großartig, ich hab doch gewußt, daß ich mich an den richtigen wende.“ Kurz, Hans hat gestern einen Artikel über die Königin v. Saba geschrieben, ein katholisch-theologisches „eingesendet“, um Stimmung zu machen bez[iehungsweise] Mißstimmung zu verwischen …35 Ach und die Eröffnungsreden, die Minister Schneider halten muß  ! In Salzburg ein Universitätskurs deutschnationalster-hakenkreuzlerischer Art und heute in Wien der internationale Hochschulkurs (Hainisch ist krank). Als sich Baron Skrbensky beim Hans beklagte, meinte dieser, das sei doch ganz einfach, sie brauchen nur die für Salzburg zu machen – und dann für die Wiener Eröffnung setzen sie überall dort, wo „national“ steht, ein „inter“ voraus. 8.IX. Hans war gestern beim alten, uralten Figdor  ; der wollte ihn wegen der Verlassen345

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schaft sprechen. Er soll schon furchtbar klapprig sein, aber wie er dem Hans von einem Herrn erzählte, der oft mit ihm über dasselbe Thema zu sprechen hat und dabei jedesmal „nach ihrem werten Ableben“ sagt, da hatte er doch seinen unbändigen Spaß, wie er es erzählte. –36 Samstag mit Dessoir und Frau, einem englischen Professor, Frau Prof. Dvořak und ihrem trojanischen Roß in dem Medardus gewesen, diesem allerschlechtesten Stück, das existiert. Wir sind lange, aber nicht bis zum Schluß geblieben. Wir waren in der Loge des Bundespräsidenten (Incognitologe), die neben andern Bequemlichkeiten (Salons, Garderobe) auch ein WC hat, das allein schon besichtigenswert ist  : ein großes schön erleuchtetes Kabinett  ; an der einen Wand hängt ein leerer „Grazer“, in einer Ecke steht ein weiß gestrichener Blumenständer und darauf ein Porzellannachttopf mit Goldrand – das ist die Gesamteinrichtung. Am Sonntag waren wir vormittag beim Tischler, haben uns seine Sommerernte angeschaut – und nachher überlegt, wo diese Massenproduktion von eigentlich unnötigen Bildern enden wird. Wir haben uns für Prag entschieden. Mittag war Felix da u. nachmittag mit uns auf dem Kahlenberg. Wir sprachen u. a. über die Sozialdemokraten (Beamten) in Christlichen Ministerien (und umgekehrt), wie gut sie es hätten, wie jeder ausgesprochene Parteigänger sich durchsetze etc. Nur die „Lauen“, die gar keiner Partei angehören, die haben es schlecht  ; „Nicht ernannt soll er werden  !“ sagte Hans …37 Hans schrieb das Vorwort für sein Essaybuch  ; es hat mich tief erschüttert  ; dieser Rückblick auf zwölf versäumte Jahre  ; und auch daraus holt er eine wehmütige Resignation heraus …38 15.IX. Letzten Mittwoch (9.) erst bei den „Schwestern Berger“ (Hilde Lampl), wo ich eine Toilette bekomme. Probieren konnte ich nichts, weil ich nicht mit dem Kopf hineinkann (!). Dann Tante Anna, furchtbar ist dieses Handzittern vom Onkel Max. Atelier G. E., die Sommerernte mit starker Anteilnahme gesehen. Abends (ohne G. E.) bei Lampls wo unter 14 andern Leuten auch Ehrenstein u. Schramek waren … Ich hab mit niemandem reden können, so viel Menschen herum.39 Freitag (11.) sind die Kinder gekommen. Sie sind sehr abgebrannt u. vergnügt. Vroni mit „Bubikopf“ stark verändert (in meinen Augen zum Nachteil). Anderl wundervoll in seiner künstlerisch genießenden Beschaulichkeit … Meinen Roman hab ich zuende umgearbeitet und Hans hat ihn am Donnerstag (während ich mit Gaby bei Don Gil von d. grünen Hosen war) gelesen. Er hat ihm gut gefallen und das hat mich unerhört arbeitsfreudig und lebendig gemacht. Seither lebe ich schon in einem neuen Roman drin … Habe wieder den Mut u. die Rücksichtslosigkeit, keine Kunstgeschichte – (außer für den Broterwerb) zu treiben. Am Freitag war Hans mit mir in der „Toten Stadt“, ein außerordentlich aufregender dramatischer Abend ( Jeritza). Frau Granichstädten, Wilhelms etc., die wir dort 346

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Abb. 69  : „Vroni mit ,Bubikopf‘ stark verändert“ – Georg Ehrlich, Veronika Tietze, 1924.

sprachen, stellten die Aufnahme d. Stunden in Aussicht  ; ebenso Frau Anny Wolf per Telephon. Am Samstag im Akademietheater (mit Stoffel) beim Zerrissenen (W[illy] Thaller in d. Titelrolle  !  !  !). Hans hat am Freitag also um seine Versetzung in d. Ruhestand gebeten. Vorher kommt er noch in die 2. Rangklasse  ; bis Ende des Jahres wird alles durchgeführt sein. Ich habe Organgefühl (– Schmerzen  ?) in d. Herzgegend. Rheumatisch – oder  ? Mir wäre es gleich. Ich bin der Welt so entfremdet …40 Mit der im Folgenden beschriebenen Reise suchten ETC und HT nach knapp sieben Jahren wieder jene norditalienischen Orte und Gebiete auf, in denen HT während des Weltkriegs seit dem Beginn der österreichischen Offensive im Oktober 1917 als Leiter der dortigen „Kunstschutzgruppe“ im Kriegseinsatz gewesen war. 347

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Tolmezzo 21.IX.1925 Am 19. noch die Ausstellung „Das Gesicht der Zeit“ eröffnet. Sehr lehrreich, erstens die Gegenüberstellung nach den Stoffen (Köpfe, Halbakte, Akte, Erotik, Kind, Familie, soziales Elend etc.) zusammengestellten Materialien der heutigen u. der vergangenen Generation  ; zweitens wie einheitlich d. heutige Generation gleich wirkt, wenn man sie so vor Augen führt.41 Am 20. ganz in der Früh bei Nebel weggefahren, angezogen fürs Gebirge u. noch schwankend, wohin eigentlich. Nach Wiener Neustadt zerriß der Nebel ins zarteste Blau, das uns über dem Semmering durch die Steiermark u. Kärnten erfreute. Im Wörthersee wurde noch gebadet. Sonst lagen die sonntäglichen Orte faul u. gedankenlos da. Mit uns im Coupé ein kathol[ischer] Gesellenverein, der mit dem geistlichen Oberhaupt u. einer Fahne nach Rom zur Einweihung eines neuen Hauses reiste. Die Burschen ein wenig kretinisiert, aber als Reisegenossen außerordentlich sympathisch mit ihrem prinzipiellen Rauchverbot u. ihrer mangelnden Gesangesfreude. Zwischen den beiden Übeln (Christlichsozialen u. Deutschnationalen) sind mir diese doch noch tausendmal lieber. In ihrer Gesellschaft reiste auch eine sehr alte Krankenschwester, die bei jeder Station ihre Brille aus dem Futteral holte und (wie die ausflügelnden Volksschüler es tun) den Namen d. Station aufschrieb, dann noch nach einer Uhr im Futteral sah und die Stunde dazuschrieb. Da sie aber zu ihrer eigenen Uhr kein rechtes Vertrauen hatte, fragte sie immer noch den Hans zur Kontrolle. Aus den Gesprächen, die sie mit anderen führte, ergab sich die vollkommene Gleichgültigkeit gegen d. Tod  ; er ist für sie der erwartete Verlauf dieser oder jener Krankheit. Eine Folgerung auf die man sich von Anfang an einrichtet – wenn sie ausbleiben würde, wäre ihr das eine offene Klammer … In Tarvis nahmen wir die Karten nach Tolmezzo. Leider zogen sich aber Wolken zusammen, bei Pontebba nieselte es schon und wenn es auch in Stazione per la Carnia (wo wir umsteigen mußten) aufhörte, so war doch das schöne Wetter von Grund aus ruiniert. In der kleinen Eisenbahn nach Tolmezzo merkten wir das Tagesdatum (Venti Settembre) an einem patriotischen Rausch, der viel Aufsehen u. freundliche Beurteilung erregte. Abendspaziergang durch die Stadt  ; Erwägungen, wo die Berge sein könnten – Aber von diesen war auch heute Morgen wenig zu sehen, es schüttete stundenlang u. wir beschlossen nach Udine zu reisen.42 Udine Die Fahrt war wieder einzig schön. Bis Stazione per la Carnia heute bei Tag  ; vor allem das letzte Stück, wo d. Oberlauf des Tagliamento sich mit d. Donje vereinigt u. die Donje ihren geraden Durchbruch durch d. Berge (mit dem neuen Namen Tagliamento) fortsetzt. Die Landschaft ähnlich wie am Tagliamento zwischen Venzone u. Ospedaletto – nur viel näher von dem Ausgangspunkt, was für den Maler, der es malen will, gewiß angenehmer ist. Hier in Udine, wo Hans d. Okkupation 1917–18 mit348

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Abb. 70  : Erster Weltkrieg am Tagliamento, 1917.

gemacht hat, gehen wir mit sehr gemischten Gefühlen herum. In d. Buchhandlungen liegen heute noch die Bücher, die sich auf jene Zeit beziehen, an der auffälligsten Stelle in d. Auslagen. Wir wohnen im Albergo d’Italia, wo man uns zuerst in einem Zimmer um 47 Lire unterbringen wollte  ; als wir uns dagegen wehrten bekamen wir eine Mansarde in derselben Größe um 22 Lire. Nein, im Sommer mag die Preisdifferenz erklärlich sein. Jetzt spürt man nicht das Dach über dem Kopf. –43 Am Nachmittag einen kleinen Giro durch die Stadt gemacht  ; oben auf dem Castell sieht man noch die Spuren des Theaterspielens (von dem wir auch eine Photogr[aphie] gesehen haben). Dann (immer noch bei Regen u. Schwüle, die furchtbar auf d. Nerven geht) hinaus zu Covalini, dem alten Maler, Restaurator u. Bilderhändler, der viel von den Übelständen nach d. Okkupation erzählte u. seine durchaus unerfreuliche Sammlung herzeigte. In Anbetracht des niederprasselnden Regens (auf d. Atelierfenster  !) fanden wir alles sehr interessant. Ich hab in mein neues Skizzenbuch d. Aussicht über d. Dächer gezeichnet.44 Feltre 23.IX.1925 Gestern vormittag haben wir erst den Monsignore Vale in seiner erzbischöfl[ichen] Bibliothek aufgesucht, der uns allerlei von d. viel schlimmeren Zeit nach dem Abmarsch d. Österreicher noch erzählte. Die Regierung hat in u. um Udine allein 26 000 Napolitaner angesiedelt, die jetzt die Friulaner kommandieren …45 Der Professor Petronio, in dessen Haus Hans gewohnt hat u. den wir gern aufsuchen wollten, ist noch am Land, ebenso die Signorina Depopel. Dann nach Cividale, das landschaftlich u. kunsthistorisch zu d. eigenartigsten Eindrücken gehört. 349

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Der Fluß, der in tief eingeschnittenem Bett, wie ein Gebirgsbach so wild die Stadt teilt …46 Im Dom wurde gerade bei der Fonte de Callisto getauft. Das Kind war schon über das bei uns übliche Alter weit hinaus und hatte dementsprechend einen stärker reagierenden Teufel gegen d. hl. Handlung. Es brüllte wie ein Schwein, das gestochen wird. Eine große dicke Dame in Schwarz – wohl d. Großmutter oder die Levatrice klatschte immerfort in d. Hände, um es zu erheitern, der Geistliche u. die andern 5–6 Personen trachteten durch lautes Beten den Widersacher zu überschreien. Die Gruppe war ganz eng um die lärmende Hauptperson geschlossen  ; den Eindruck einer Anbetung bei Nacht im Stile Correggios, besser noch Bassanos oder Sandrart brachte vollends ein langer Lackel mit einem grinsenden Faungesicht hervor, der mit beiden Händen eine dicke hohe brennende Kerze hielt. Die Kerze war schließlich die Rettung. Als der Höhepunkt der Verzweiflung bei d. kalten Bad aus d. Taufbrunnen erreicht war, wurde das Kind bei einer Kopfwendung oder Drehung d. Paten plötzlich der Kerze gewahr und im Augenblick riß das Geschrei ab – und d. Kind machte AAH. – Es staunte in d. Licht der Kirche, das ihm aufgezwungen war. Der entzückend schöne Brunnen war die kunsthistorische Entschuldigung, daß ich so lange bei diesem Taufakt zuschaute. –47 Im Tempietto ist seit dem Weggang des Kaschnitz nichts geändert  ; die scavi mit all der zugehörigen Schlamperei sind unbegreiflicher Weise nicht zugemacht worden. Die Custodin, die uns den Tempietto aufsperrte, sagte daß die Tedeschi hier nach Schätzen gegraben haben. Am Nachmittag gingen wir zu den Grafen Claricini nach Bottenicco  ; es war nur der weibliche Teil der Familie da, wir tranken Tee und schwatzten von alten und neuen Zeiten. Jene bestritt die Mutter, die den Elisabeth­ orden I. Cl. besitzt und sich ein nichtkaiserliches Wien gar nicht ausdenken mag. Diese aber die viel aktiveren Töchter … Unter anderm erzählten sie, daß sie vor etwa 14 Tagen aus Rom von Amelung eine Karte bekommen hätten, daß es ihm gelungen sei, Kaschnitz als 1. Assistenten anzustellen und daß dieser sich also jetzt dauernd in Rom ansiedeln u. im Winter heiraten werde …48 Der Wagen brachte uns am Abend zur Station, wir haben uns diese Nachricht nach allen möglichen Seiten hin u. her überlegt … In d. Nacht gab’s Gelsen. Am Morgen entschlossen wir uns ganz plötzlich abzureisen. Wir überschlugen in Conegliano einen Zug und sahen uns den graziösen Ort mit seinem nachgedunkelten Cima an. Das schönste aber bleibt doch die Silhouette der Stadt, die man allerdings, indem man sie durchschreitet fahren lassen muß. In Montebelluna hatten wir wieder langen Aufenthalt  ; der Hans blieb bei d. Koffern u. las ein Buch seiner gut assortierten Reisebibliothek, ich ging in den Ort (aber nicht weit) u. versuchte einen Esel, ein Pferd etc. zu zeichnen. Da ich aber dabei stehen mußte, u. die Ludern nicht stehen wollten, war d. Resultat unerfreulich.49 Am Nachmittag kamen wir hier in Feltre an, das in einem breiten Tal ähnlich wie Lofer liegt. Wir durchwanderten die Stadt, die sich wie Gemona, Conegliano etc. 350

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hoch auftürmt und überall Durchblicke über das Tal zu d. Bergen hinüber hat. In den Kirchen fiel uns nichts Erwähnenswertes auf  ; an die Österreicherzeit 1917–1918 erinnert eine einzige Aufschrift am Dom, die – in deutscher Sprache – jede Verunreinigung verbietet  ; ausgegeben vom Stationskommando. Mit diesem Kulturdokument (immerhin) haben wir uns also hier verewigt. Gegen sechs wird es schon dämmerig. Für den Reisenden (am Land, im kleinen Ort) eine Stunde die vollgesogen ist mit Melancholie und Einsamkeit … Buben und Mädeln, in Doppelreihen militärisch marschierend, von ihren Lehrerinnen bez[iehungsweise] Lehrern begleitet zogen Lieder singend in d. Stadt zurück … Da spürte man sich noch exilierter. Das Stubenmädchen hier ist aus Königsberg, eine ganz weißhaarige alte Jungfer – sie ist glücklich nach langer Pause deutsch sprechen zu dürfen und tut es so affektiert, als würde sie jedes Wort separat kosten wollen. –50 Belluno 24.IX. Wie wir heute früh in Feltre aufwachten, hat es so ungeheuerlich geschüttet, daß wir beschlossen einfach nicht aufzustehen. Die Betten waren besonders gut, das Frühstück im Bett herzlich, Hans hat ein Feuilleton über d. Friaul geschrieben, ich ein Gedicht gemacht über die Einsamkeit beim Abendläuten, Abendwerden.51 Wiese sinkt in graue Erde hinein Berg, grün umblüht, wird Schwer Gestein Unten blinkt im kleinen Fenster der Lampenschein, Zieht in den engen Kreis Die vom Tag Zerstreuten – Über die Dächer hin Weht Abendläuten Das ist die Stunde, die ich einsam bin. Neben mir geht, der mir nah, Weiß es nicht mehr Laß los seine Hand – Was, ja was noch Kannst du mir sein. 351

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Sterben muß jeder allein. Dann fuhren wir nach Belluno, das etwa wie ein befestigtes italienisches Aussee in seiner weiten Berglandschaft liegt. Die Fahrt Piave-aufwärts ist viel lieblicher als der Oberlauf des Tagliamento. Im Museo ein paar venezianische späte Bronzen und Bilder 10. Ranges. Eine Montagna-Madonna, die die Hand so hält, wie Tizians Kirschenmadonna, nein, wie die Flora in d. Uffizien (das Motiv das Dürer übernommen hat)  ; ich schrieb damals, daß sowohl Dürer als auch Tizian es von einem andern gemeinsamen Vorbild haben. Wenn auch Montagna dafür kein Beweis ist (der Bursche war immer weiß Gott zurückgeblieben) kann [er] das Bild ganz gut nach 1506 (dem vermutlichen Datum d. Kirschenmadonna) unter Tizians Einfluß gemalt haben – so ist mir doch eingefallen, daß das Urbild vielleicht auf Mantegna zurückgeht. Schließlich ist es dasselbe scorzo-Kunststück wie die Madonna della Victoria, nur daß die Hand umgedreht ist … Die Stadt selbst hat ganz hübsche Plätze, Durchblicke, Details – aber kaum eine Gesamtwirkung. Ein antiker Sarkophag vor Santo Stefano  ; an den Schmalseiten Meleager, die Sau und Herkules (?) den Hirsch tötend, an der Rückseite ein großes schönes Relief, à la 3 Königs-Zug, ein Kamelreiter, ein von zwei Männern gerahmter Roßreiter und rechts zwei Männer, die an Doppelstangen über d. Schultern in einem Netz gefangene Tiere tragen – ein Urtyp für den biblischen Traubenträger aus d. gelobten Lande …52 Wir sind den Fluß entlang auf schmalen Spazierwegen um d. Stadt herumgegangen – es sind getretene Wege zwischen Büschen und Gärten, ganz ohne Steinmauern, ohne Staub, überhaupt schon als Möglichkeit Spazieren zu gehen ganz unitalienisch  ! Das Wetter scheint besser zu werden. Sonntag 27.IX.1925 Calalzo, Albergo alle Marmarole. Ich liege im Bett, schau aus dem Fenster hinaus – Berge und Wolken – eine Wolke wie eine gewaltige Frau hab ich grade gezeichnet. – Am Abend in Belluno waren wir im Marionettentheater. Die Puppen fast lebensgroß, Arlecchino in seiner traditionellen graziösen Eckigkeit warf die Beine mit ungeheurem Aufwand. Es war jedesmal wie ein kurzer Vortriller zur betonten Note. Die Handlung, die zwischen Venedig u. Marokko spielt, triefende Moral. – Am nächsten Morgen (25.) machten wir einen kleinen Spaziergang, um die Stadt noch einmal bei blauem Himmel zu genießen u. fuhren dann mit der kleinen, aber gut gehaltenen Bahn Piavetal weiter aufwärts, zwei Stunden immer höher hinauf von 400 auf fast 900 m, nach Pieve di Cadore. Die Landschaft ist wundervoll  ; nicht so tragisch wie am Tagliamento, aber wunderbar wechselnd in Licht und Stimmung. Die Berge, die gerade noch feste Form waren, wie „von Riesentieren aufgeworfen“, daß 352

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man das Werden mit d. Augen zu greifen glaubt, sind im nächsten Augenblick tief blauviolette Augenphantasmen, wie Tizian sie auf seinen Hintergründen malt. Von d. Station führte uns der Autobus nach dem Ort (20 Minuten), wir stiegen im Albergo del Progresso ab, das sich aber ein wenig als Wurzerei* erwies. Nicht daß es zu teuer war – aber es wurde für die 40 L[ire] Pension zu wenig Bequemlichkeit geboten. Vor allem lag das Zimmer nicht nach d. Sonnenseite, hatte keine Aussicht u. darauf hat man in dieser einzig schönen Gebirgsgegend Anspruch. Eigentlich sind es zwei parallel gehende Täler, die durch einen Kamm getrennt sind. Man ist in einer Viertelstunde auf der Höhe und überblickt dann beide. Dazu kommt noch, daß man auf die äußeren Hänge auch ohne Mühe hinaufkann u. von dort her den Blick hat. Die kleinen Ortschaften (alles im Sommer viel besuchte Sommerfrischen) liegen nur 2 bis 3 klm auseinander. Die ganzen Täler sind so besiedelt. Tizians Geburtshaus wirkt wie ein Bauernsitz. Natürlich hab ich es in mein Skizzenbuch abgezeichnet, es war spät am Abend und die rote, dann graue Dämmerung wurde schließlich von einer elektrischen Straßenbeleuchtung eingeholt, die einen Kubin-Gespensterhaften Eindruck machte. Auf meiner Zeichnung ist nichts von diesen wechselnden Effekten zu sehen …53 Gestern vormittag während ich [mich] von einer sonnigen Bank aus mit einer Landschaftszeichnung plagte, ging Hans die Gegend erforschen. Das Ergebnis war, daß wir noch vor dem Mittagessen hierher nach Calalzo übersiedelten. Ein Alter trug unser Gepäck  ; er hatte ein Organ, dem ich nicht allein im Walde begegnen möchte. Er stellte sich aber als ganz harmloser Schwätzer heraus … Diese paar Tage Ruhe in dieser herrlichen Luft sind endlich das für diese Reise Ersehnte. Wenn ich dichten will, nehme ich den Tintenblei, wenn ich zeichnen will den andern. Hans setzt mich an irgendeinen Punkt und fragt dann (da er die Bleistifte bei sich eingesteckt hat) „Kalt oder warm  ?“ Ich antworte  : „Beides bitte.“ Wenn ich dann beides habe und Gummi u. Brille und Messer und Skizzenbuch u. Notizblock, läßt er mich allein – und ich schau in die Luft. Hans geht spazieren, er arbeitet einen Vortrag aus d. h. er nimmt sich z. B. vor den Vortrag über OK durchzudenken. Das genügt schon. Er geht und schaut, denkt nicht ein einzigesmal an d. Vortrag – der arbeitet sich schon … Heut früh hat er mir einen schönen Stoff für eine Novelle erzählt. Zur Zeit der Besatzung des Friaul spielt sie … Wien, 30. Sept[ember] Wir sind heute Nacht heimgekehrt. Haben das Haus in bester Ordnung vorgefunden, die Kinder in bester Laune, einige Arbeiten als Belegexemplare, einige Gelder eingegangen. Kurz – wenn es nicht regnen würde, grau u. kalt wäre, wär’ alles gut. Aber es regnet, es ist grau u. kalt … * Wucher

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Am 28. sind wir mit der Corriera (Autobus) am Vormittag noch nach Villa Santina abgefahren. Am Anfang war die Reise sehr lästig, weil ein zerschlagenes Fenster den Staub hereinließ und der Wagen statt acht Personen (für die Plätze vorgesehen waren) 17 Personen umfaßte. Aber die Fermate waren ausreichend (gelegentlich über eine Stunde lang), da konnte man aussteigen, ausblicken, ausschnaufen. Der Blick von d. Paßhöhe (Passo di Mauria) – unvergeßlich. Braunrotsamt die Nähe, smaragden das Grün, ein Emailglanz (transluzid) der einem nur 1000+1 Nacht-Vokabeln dafür gebrauchen lassen will. Und die Stille unten. Nacht und Morgen in Villach waren danach der bürgerliche Abschluß dieser z[um] T[eil] nur eigenartigen z[um] T[eil] eindrucksvollen Reise. In d. Pfarrkirchen ein paar gute Arbeiten, die uns zu Betrachtungen über das Außerästhetische der Heimatskunst angeregt haben. In der Eisenbahn Stazione per la Carnia – Villach heimkehrende Italienfahrer u. a. ein sehr sympath[ischer] Wiener junger Mann, der sich in eine Barbara von Palma Giovane im Museo civico in Padua verliebt hatte – da kann man nur „ausgerechnet“ sagen.54 2. Okt[ober] 1925 Ich hab mir gestern bei Dr. Frankl die Aquarelle des Sohnes angeschaut  ; die honneurs machte erst die Mutter, die mir wenig angenehm ist (so „süß“), dann Gerhart Frankl, der aus d. Atelier heimkam. Ein paar haben mir ganz gut gefallen, eigentlich Freude gemacht nur ein einziges, ein „Paß“bild natürlich, Dolomiten, Marmelatablick. Ich erinnere mich, daß ich auch noch ein Gedicht nachzutragen habe, daß ich auf d. Rückreise in der letzten Stunde angefangen hab.55 – doch – ich steh allein. Einsame Paßhöhe (Passo di Mauria) Ein Mantel, braun und rot, Den nahen Berg umschmiegt, Der zu den steilen Ufern niedersinkt. Kein Laut dringt Hier herauf, – es schweigt Der Fluß, denn wundertief versunken liegt Das Tal. Kahl steigt Der ferne Fels ins Blau Und seine Spitzen ragen In das Licht. 354

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Hier steh ich oben – doch – ich steh allein. Und möchte so gerne Den Frieden, den ich schau, Zu dir zu dir hin tragen – Und nur Zu dir – Und darf es nicht. Die schlanken Hunde jagen Die alte Spur, Bis sie zerbricht – Verschwunden ist der Garten, Für immer zu die Tür. Bei Georg Halle dann  ; der Sohn hat plötzlich in sich den Juden entdeckt, eine tiefe Frömmigkeit. Er hat den Eltern zum Neujahr seinen „ersten Roman“ überreicht, ein unglaublich interessantes Produkt einer geängstigten Knabenseele – und zum Versöhnungstag ein ergreifendes „Reuegebet“.56 8.X. Gestern – anscheinend den letzten blitzblauen einzigschönen Tag – hab ich wundervoll ausgenützt. Mit Gaby über den Tag weggewesen  : Sommerhaidenweg, Hameau – am Schluß in unserm alten Haus in Dornbach, wo ich aber nur bis zum Eisengitter (oben) vordrang. Es lag drinnen traumhaft – fast schon tot. Und niemand hörte auf ein Läuten. Abends war Frankl da u. leistete sich in Größenwahnsinn das Unerquicklichste „Wiegele, Böckl und meine Wenigkeit“ sind die einzigen, die auf dem richtigen Weg sind. Schließlich haben wir seinerzeit dieselben Dinge von OK gehört  ; OK hat sogar immer nur sich selbst genannt. Ihm hat man es aber nicht übelgenommen, er war ein Bahnbrecher, ein Niederreißer u. da gestattet man auch in d. Diktion eine größere Hemmungslosigkeit. Aber dieser gewissenhaft arbeitende Maler, der nie danebenhaut, weil sein Ziel immer vernünftig abgesteckt ist – dieser immerhin doch intellektuelle Jude, der sollte die Gedanken (die natürlich jeder Künstler von sich haben muß) besser im Zaum halten …57 Frau Merkel war beim Hans im Bureau hinter dem Rücken des Mannes, der noch in Frankreich ist  ; der Dalles ist wieder bei ihm eingezogen, der polnische Enthusiast schickt nichts mehr. Sie bittet den Hans um seinen Rat, er ist doch ihr bester Freund, ihr einziger Freund immer gewesen – (Hans sehr peinlich berührt, weil ihm doch beide so grenzenlos antipathisch sind.) Dienstag war Dr. Parker aus London da (Volontär bei Dodgson)  ; ich habe ihm d. Sachen von Ehrlich gezeigt  ; auf seine Verantwortung hin soll ich an Dodgson wieder eine Probesendung schicken …58 355

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Am Vormittag war der Schottenoktavaner Wandertag, ich habe sie (mit Prof. […]) ins „Gesicht der Zeit“ geführt. Es war sehr lustig, wie der geistliche Herr auf alles eingegangen ist. Nachher in Zimpels Gedächtnisausstellung (Nirenstein), wo bei d. Eröffnung niemand von d. Kollegen oder d. Leuten der Wiener Werkstätte war. In Paris wäre so etwas nicht möglich …59 Der Kubin etc. Sammler verkauft alles, u. anderm en Bloc Zeichnungen u. Rad[ie­ rungen] von G. E. Da unter den 4 Zeichnungen eine sehr liebe vom Vronili dabei war (gleichzeitig mit unserer von 1922, ohne die Andacht, aber doch sehr lieb) habe ich dem Nirenstein den Auftrag gegeben, für mich event[uell] die Blätter zu kaufen …60 Manchmal bin ich gerne alt und es kränkt Mich nicht das graue Haar – An jedem Zweig hängt Doch die reife Frucht Und jedes Lächeln sucht Ein andres Lächeln, das war … Ich bin so manches Jahr Den Weg nicht mehr gegangen, Den alten Weg, – Und find’ ihn heut noch die Planken entlang – Tief drin In braunen Blättern die Kastanien, Es raschelt, wenn man geht – Und dort Am niedern Haus Ein Fenster offen steht – Und jemand singt Und es verwischt, weht fort, Löscht aus … Ein kleines Lied fällt mir ein, Paar Töne nur, wie dünn es klingt – Es schlief mir wo die lange Zeit … Das Kind trug eine weiße Schürze Und ein blaues Kleid … Ich möchte hier mit meinen Kindern sein, Doch fürcht ich, ihre Augen schauen fremd Und lassen mich allein … 356

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21. Oktober Gestern vor einer Woche ist der Hans, nachdem er noch am Abend vorher in d. Urania einen wunderbaren Vortrag über „Das ewige Rom“ gehalten hat, nach Köln abgereist und hat seither schon in Duisburg-Krefeld, Dortmund u. ich weiß nicht wo noch gesprochen, 9 Vorträge innerhalb 16 Tagen (die Reisetage mitgezählt). Ich hab in dieser Zeit nicht geschrieben, weil ich auch nicht gedacht, geträumt, gedichtet hab, sondern nur den zahlreichen Aufforderungen des Tages gelebt …61 Jeder Tag ein Vortrag (das Radio mußte ich übernehmen, jeden Mittwoch u. Freitag), Führungen, dazu die Vorbereitungen. Ich sehe auch kaum einen Menschen, der mir Freud macht. Am Sonntag war (von Georg geschickt) die Dolnitzka bei mir, ein Mensch mit Glauben u. Willen – ob das Talent ausreicht weiß ich nicht  ; ich hab nur paar Buntstiftbilder gesehen (sehr unter Einfluß Müller-Hofmanns) und nicht die Emails, die ihre Hauptforce sind. Nirenstein teleph[oniert] mir, daß er die Grafeschen Zeichnungen G. E.’s für mich erworben hat. Die Dolnitzka erzählt mir, dass G. E. sich am Donnerstag einen zweiten Kanarivogel gekauft hat – und gestern fragt G. E. telephonisch an, ob er diesen den Kindern schenken könne. Fast jeden Tag wird bei mir wegen Kunstgesch[ichte] Stunden angefragt, aber bisher ist nichts zustande gekommen (wegen d. Summe, die ich verlange, glaub ich). Am Montag hab ich bei d. Piaristenbuben angefangen, ich führe sie am Samstag ins „Gesicht d. Zeit“. Mir macht das Schreiben heut keine Freud …62 4. November 1925 Ich mach jetzt immer so lange Pausen  ; äußerer Grund  : ich habe meinen neuen Block nicht bei der Hand gehabt. Innere Gründe  : viel zu tun, unerfreuliche Kleinigkeiten, ich schreib am Roman – hab keine Gedichte gemacht, die ich ins Tagebuch eintragen möchte. Dafür eines gestern, das mich durch seine befreiende Stimmung weiter gebracht hat. … Und leise starbst du mir. Die schmale Brust ward eine Durchsonnte Rasenbank, Auf die ich meine Träume weine  ; Der Arm, in dem ich ruhen konnte, Der gütig mich umschlang, Zur Wurzel sank  ; Die Schultern blühten in ein Blumenbeet, Den Duft von deinen Haaren, Den ich liebte, Der Wind Mir aus dem Klee 357

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Entgegenweht – so find ich dich und dich, Wenn ich entlang Den Sommerwiesen geh … Gestern abends bei Steiners – zum erstenmal seit dem Sommer. Bei der Rückfahrt auch auf der neuen elektrischen Stadtbahn nichts wie Ärger (unnötige Verspätungen, sodaß wir die letzte Elektr[ische] versäumten). Dazu Bäckerstreik, Beamtenstreik in Sicht. Hans sehr geärgert, möchte am liebsten schon am 1. Dezember austreten, der Präsidialist, mit dem er es besprechen muß, nie zu erreichen. Hans’ Reise in Deutschland ist sehr gut verlaufen – er hat überall mit größtem Erfolg gesprochen, alles hat geklappt. Aus Bonn hat er eine schöne Pirandelloanekdote mitgebracht  ; P[irandello] gastierte vor kurzem in Bonn mit einer Truppe  ; er hatte dort vor c. 30 Jahren als junger Mensch studiert. Ein Kommilitone schickt ihm eine Photogr[aphie] die damals von ihm aufgenommen wurde u. die P[irandello] dem Freund mit einer ital[ienischen] Widmung geschenkt hatte  ; auf der Rückseite aber stand auf Deutsch von P[irandello] geschrieben  : „Sieh mir ins Gesicht – Bin ich’s, bin ich’s nicht.“ Also das zentrale Problem seiner Dramen hat ihn schon damals beschäftigt  ! – Ich erlebe innerlich viel, mag aber nicht schreiben. Heute ist Lili auf 2 Tage angekommen … Bei mir Köchinnensuche bez[iehungsweise] -wechsel. Der Bub ist seit dem 2. in Rekawinkel – da hab ich jetzt freie Hand. Ich halte diese Pöbelhaftigkeit nicht aus, sie brüllt mit mir, daß ich Herzklopfen bekomme …63 8.XI.25 Drei ½ Tage war Lili in Wien. Ehrlich hat Mama gezeichnet, aber leider für Familienzwecke unmöglich, ganz greisenhaftes Armhascherl, das fanatisch wie eine Wahnsinnige drauflos strickt. Thomas Schramek war Donnerstag von 10 bis ½ 2 bei mir  ; ich glaube, er hat keine Geheimnisse mehr vor mir  ; das wenige das vielleicht noch geblieben war, haben dann seine Dichtungen, die er mir dagelassen hat, noch gelüftet. Gestern abends mit Hans und Stoffel bei Lampls  ; dort furchtbar viel Leute, darunter auch Gerda Seitz, die mir Georg (mit Anlauf ) vorstellte. Sie würde mich der äußeren Erscheinung nach sicher stark reizen, wenn ich sie mir nicht im Zusammenhang mit G. E. denken würde, zu dem sie mir nicht recht zu passen scheint. Ich seh zu wenig Güte in dem Gesicht. Aber vielleicht täuscht nur der erste Eindruck. Auf Georgs Radierung schaut sie ganz anders, viel kindlicher u. zutraulicher aus … Stoffel hat sich musterhaft benommen u. mich wacker eingetanzt. Vor der Tanzerei waren wir bei Boris Godunow, das eine großartige Sache ist – vor allem die Chöre  ! In den Zwischenpausen dieser ohnedies kaleidoskopartig vorüberziehenden Ereignisse hat mir Hans die Ereignisse seines Tages erzählt, die ähnlich bunt u. überraschend wa358

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Abb. 71  : Dr. Gustav Schönberg, 1920er-Jahre.

ren. Unter anderem hat ihm Petrin – anscheinend ein ballon d’essai der von Prüger ausging – die Nachfolge Glücks an d. Gemäldegal[erie] angeboten  !  !  ! Hans hat es noch nicht abgelehnt  ; es hätte den Vorteil des leichteren Zurückkommens, wenn d. Verhältnisse im Minist[erium] andre würden – ja sogar des Zurückkommens als Generaldirektor  ; von dieser Zwischenstelle her viel weniger schwierig als Karriere. Schon mit Hinblick einer Ausgestaltung zu einer Generaldirektion könnte Hans die Neuhängung vom Eigenberger (und Haberditzl  ?) machen lassen – dann wäre d. Gemäldedirektion in d. Tat die Arbeits-sinekur für die Wartepause, die man von ihm verlangt.64 18.XI. Gestern wurde Leisching zum ständigen künstlerischen Berater der Stadt Wien ernannt. Das ist die Stelle, über die vor einem halben Jahr Glöckel mit dem Hans gesprochen hat. Es ist für die Mentalität Österreichs im Gegensatz zu Deutschland charakteristisch, daß man dort den jüngsten (Redslob), hier einen 67jährigen Mann ernannt hat, den der Staat soeben nach 40jähr[iger] Dienstzeit pensioniert hat. Im übrigen aber halte ich Redslob nicht für besser als Leisching, der das Geld, das er bei der Stadt bekommt, sehr nötig hat. Wieder eine Verbitterung für d. Hans, die niedergekämpft – fortgewischt werden muß. Wir waren gestern abends bei Gustav Schoen­berg, dessen Kunstinteresse wir etwas näher besichtigen wollen, um es eventuell „erziehen“ zu können. Ich fürchte aber, es wird nichts, absolut nichts zu machen sein. Am Nachhauseweg sagte mir Hans, er möchte das Buch, das jetzt von ihm im Belvedereverlag erscheint „Lebendige Kunstwissenschaft“ jemandem widmen. Ich fragte  : „Jemandem draußen im Reich  ?“ – „Nein hier in Wien.“ Da riet ich es gleich  : Daß ich es bin. Ich bin sehr sehr froh …65 359

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21.XI.1925 Hans erzählt mir unter dem Siegel der Verschwiegen­ heit  : Es ist eine große 100jähr[ige] Todesfeier 1926 für Beethoven von der Stadt Wien geplant  ; zu ihrem Rahmen sollte die Missa solemnis in d. Stephanskirche als richtige Messe mit Kardinal u. Bischöfen etc. ausgeführt werden. Die Sozialdemokrat[ische] Stadt, d. h. Bürgermeister Seitz sagte, er müsse die Subvention d. Stadt verweigern, wenn d. Fest in eine kirchliche Veranstaltung ausarte. Die Messe gehört in den Konzertsaal  ! Der alte Adler, Bach u. Kobald, die über die Feier verhandeln, waren etwas vor den Kopf gestoßen durch diesen bornierten Einwand. Ich hab am Donnerstag d. Lied von der Erde (wundervoll von der Anday gesungen, unaussprechlich schlecht von Knappertsbusch dirigiert) gehört. Gestern erster Aktkurs (mit Frau Lederer, Frappart) bei Floch, Abb. 72  : Lebendige Kunstwissenschaft, 1925 ein dickes junges Modell, das mir gar nicht wie ein Mensch vorgekommen ist. So ist das richtig, daß Schamgefühl nur bei Bekannten oder halb Entkleideten, nur im Zusammenhang mit Erotik vorkommt. Ich bin doch sonst so empfindlich, mich hat es ganz ganz kalt gelassen. Nachher zuhause Gerhart Frankl, der mir noch nie so sympathisch war, weil er vollkommen stumm war, während Walter Bondy ohne Unterbrechung leeres Zeug sprach. Er machte uns alle rasend. Jeder Maler ist „ganz begabt“, genial nur Utrillo, mit dem er spekuliert (Er lebt vom Kunsthandel u. malt davon unabhängig).66 Ich lebe mich wieder in meinen „Eifersuchtsroman“ ein. Ein ganz primitives Gedicht hab ich gemacht  ; auf Klang, Sprechklang. Laß sie, laß zärtlich sie sein, Wehr es nicht, – sie liebt dich – Sehr ja sehr – Laß zärtlich sie sein, Wenn ich es auch seh – Und tut es mir weh – Sehr ja sehr – . Wein’ ich meine arme Seele rein. 22.XI.1925 Gestern hab ich nach langer Unterbrechung wieder an meinem Roman geschrieben. Dann ein Brieferl an Georg (ich hab ihn zum Zeichnen bei Floch aufgefor360

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dert), den ich teleph[onisch] nicht erreicht hab, der Gaby gegeben, zufuß in die Stadt, kurzer Aufenthalt bei den Fixleins, Rendez-vous mit Hans im Burgtheater (!), Demetrius von Schiller, Heinrich von Andernach von Unruh. Schiller als Fragment ist wirklich noch genießbar. Erstens kurz, zweitens die harte Logik doch angenehm für unsere Phantasietätigkeit skizziert und offen gelassen. Die ersten Szenen mit Volk und Reichstagspathos (also Schiller zur Potenz erhoben  !) kaum zu halten. Und doch wieder nur, weil sie schlecht gespielt werden, unhaltbar. In der Tat ist ja das ganze bezahlte unwahre Pathos dieser Szenen (die man für echte Burgtheaterherzenstöne hält) von Schiller beabsichtigt. Es ist die Intrige bestochener Leute, die so laut herumschreit. Großartig die Szene  : Mutter (Bleibtreu) und d. Patriarch. – Aber das Stück von Unruh packt ganz anders. Es ist das Festspiel für die Jahrtausendfeier in Köln. Raffiniert der Gegensatz von Aktuellem und Symbolischem. Vielleicht in Einzelheiten zu stark „Festspiel“ (so z. B. die Erscheinung des Sohnes zu blutlos), darum aus dem Rahmen genommen nicht ganz überzeugend (gequält, geschmacklos). Aber doch überall mutig erdacht. Ich möchte diesen Stoff von – von Schiller gemeißelt sehen … Wir haben Tante Anna die auch im Theater war, gesprochen  ; sie war nicht anders hilflos von diesem Stück als das andre Publikum – und zog sich auf das […] erste Stück zurück  : „ – aber der Schiller ist mir doch lieber.“ – Hans hat wieder große Aufregungen  ; das Finanzminist[erium] will ihm die Einordnung in die zweite Rangklasse nicht zuerkennen  ; Hans hat noch einen Schritt beim Minister Grimm gemacht, am 1. Dezember wird es sich entscheiden. Es handelt sich um eine beiläufige Jahresdifferenz von 10 Millionen.67 1. Dezember 1925 Hans ist in die zweite Rangklasse gekommen. Gestern abend empfing er mich Alea iacta esto. Demnächst fängt also ein neues Leben an. Gott segne es  ! Mein Gott, das wird heuer ein Silvester werden  !68 2. Dezember 1925 Gestern war ein sonderbarer Tag. Eigentlich hatte ich mit Nirenstein bei Georg ein Rendezvous (um ½ 3) wegen Preisbestimmung etc. für die nächste „Schau“. Am Vormittag teleph[onierte] er mir, Gerda sei krank, müsse ins Spital, er wisse nicht was ihr fehlt. Das Rendez-vous fand aber dann doch statt. Ich kam vor Nirenst[ein], Georg war todmüde, ich sagte ihm, er solle sich doch bisserl ausruhen. Er lag auf dem Sofa und schwieg. Dann sagte er plötzlich  : „und das gerade jetzt, wenn ich im besten Arbeiten bin. Ich habe eine Büste von ihr angefangen – wer weiß, für wie lang ich sie unterbrechen muß  !“ Ich antwortete nicht. Dann sprachen wir über andre Sachen. Dann fing er wieder an. „Das wird doch sicher eine Unterbrechung 361

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von 10 Tagen sein  ! Ich seh schon, mit der Büste komm ich nicht weiter. Ich war so wunderbar im Zug –“ Da hielt ich mich doch nicht zurück  : „Du bist doch sonst so abergläubisch – warum bringst du es hier über dich, von einem Termin von 10 Tagen zu sprechen noch bevor sie operiert wird.“ Als Nirenst[ein] dann kam, und „Ware“ nahm für 19 Millionen und seinen Beitrag mit 100 Sch für nächstes Jahr fortzusetzen erklärte, stieg seine Stimmung. Nachher eilten wir zu Rothberger, wo Georg den von seinem Onkel geerbten Smoking brachte, der ihm dort auf enger umgearbeitet wird. Georg war glänzender Laune. Am Weg erzählte er mir, daß er 100 Sch der Gerda borgen mußte  ; er weiß nicht, ob er’s zurückbekommt, der Vater schickt ihr zwar ziemlich viel, aber die Geschäfte gingen jetzt so miserabel, daß sie nicht um Geld schreiben könne. Alle diese Andeutungen in Verbindung mit der besonders guten Laune legen d. Vermutung nahe, daß die beiden durch diese „Operation“ ein lastendes Gewicht losgeworden sind. Ich war eigentlich ganz harmlos, bis mir diese Überzeugung kam. –69 Heute kam ein Brief von Zahnarzt Tischler, daß er der Gruppe „Ehrlichfreunde“ beitritt (30 mon[atlich]). 28. XII. Die Pausen werden immer größer. Der Grund ist, daß ich keine Sammlung habe, daß es mich nicht zum Dichten kommen läßt u. daß die Tage so belegt sind mit dem Vielerlei von Tätigkeiten – ich hab nicht einen Abend einen freien Kopf. Und im Jänner wird das noch viel ärger werden. Weihnachtsbesorgungen waren schnell erledigt. Das Fest selbst „gelungen“. Angesagter Weise waren Lili, Lutz u. Heinz da, überraschenderweise Georg, Gerda u. Gaby. Gerda gefällt mir lang nicht mehr so gut wie am Anfang, sie ist eigentlich das was man ein affektiertes Mädel im banalen Sprachgebrauch nennt. Am Anfang ist das bezaubernd, dann aber wird man ungeduldig. Ich liebe die Hilde Lampl, die Gaby … Frische natürliche Menschen. Gute Menschen, die Opfer bringen können oder stolze Menschen, die nicht zeigen, wie sie sich sehnen (Gaby). Aber äußerlich ist sie ungemein anziehend und das versöhnt mich wieder … Die Abende bei den Schwestern Berger sind tanzfreudig u. ungesprächig. Mich regen sie so auf, daß ich nachher nie einschlafen kann u. der nächste Tag ganz verpatzt ist. Gestern waren Lili u. Lutz mit, er ist ein großes Kind u. war selig wieder einmal jung sein zu dürfen. Zu Weihnachten hab ich furchtbar viel bekommen  ; einen lang gewünschten Strohkoffer für Spanien  !  !  ! Die Tintenfeder mit der ich schreibe. Bücher. Bonbons. Datteln. Ich glaub, am meisten Freud gehabt hab ich doch mit den Graphiken. Vor allem ein Blatt vom Stefferl, das seit meinem Geburtstag (zu dem mir es Hans eigentlich bescheren sollte) immerfort ausgestellt werden mußte (Berlin) u. das ich jetzt also endlich bekam, ein Pferdebild, wirklich schon ein Bild – ist herrlich. Floch brachte Zeichnungen u. ließ mich wählen. Drei Blätter von Frankl hat 362

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Abb. 73  : „verlorene Jahre …“ – Georg Ehrlich, Prof. Hans Tietze, Postkarte, 1925.

mir der Hans gekauft. Georg, der mich mit einem Briefblock, einem Skizzenbuch, einem Puderdöschen überraschte, hatte auch noch die Zeichnung „Modell“ (Bergner u. er), Vorstudien für die Radierung und noch ein Aquarell vom Tagliamento (das letzte glaub ich) für mich. Auch Hans bekam ein Strandaquarell, eine wundervolle Zeichnung Selene, die ich immer die „raffaeleske“ Zeichnung nannte  ; endlich noch eine große Freude  : die Kupferplatte von Hans’ Radierung.70 Am ersten Feiertag war ich mit den drei Kleinen u. Therese in einer ersten Rangloge in d. Oper. Hänsl u. Gretl u. Puppenfee. Es war für mich der schönste Theater363

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besuch seit langer langer Zeit. Schon die Art, wie sie sich hingesetzt haben  : Burgl ganz vorn aufm Sprisserl, voll Neugierde den Kopf hinausgeschoben, Anderl ganz gemütlich zurückgelehnt, Vroni beide Arme auf d. Brüstung gelegt u. den Kopf drauf wie das Engerl von der Sixtin[ischen] Madonna. Am Anfang war Burgel ungehalten über die Musik, weil man so schlecht dadurch versteht, was sie sagen. Vroni (gewöhnt ins Marionettentheater zu gehen findet „Die Figuren sind schön.“ Burgl (wie die Mutter reuig weint, daß sie d. Kinder in d. Wald gejagt hat, beruhigt sich immer wieder)  : „Heimlich lacht sie doch.“ Beim Hungerlied des Vaters sagt Vroni (Sänger sind halt doch immer dick) „Die sind alle so dick und reden immer vom Hunger.“ Vroni zeigt auf einen Herrn im Orchester  : „Das ist der Herr Gonda.“ Während der Ouvertüre (in die wir verspätet hineinplatzten) sagt Burgel  : „Gott sei Dank, daß es noch nicht angefangen hat.“ Während des Hexenliedes dreht sich Burgel neugierig um  : „Was sagt sie  ?“ Vroni nachdrücklich  : „Sie singt nur.“ Burgel fragt, ob die Hexe auch kommen wird. Vro[ni  :] „Natürlich, das ist ja die Hauptsache.“ Gretl singt  : Ein Männlein sitzt im Walde, – Vroni  : „Das ist ein Rätsel – das kann ich auch auswendig.“ Beim Kuckuckslied Vroni  : „Die Menschen mit den Flöten machen Kuckuck. Ich bin draufgekommen.“ Burgel  : „Siehst du das Hexenhaus  ?“ Vroni  : „Ich seh’s, ganz verdunstet.“ Wie die Englein zu den schlafenden Kindern niedersteigen, Burgel  : „Der Jakob hat auch so einen Traum gehabt.“ Vroni  : „Ein schöner Traum.“ Beim Engelreigen Anderl  : „Das hab ich gern, wenn sie so tanzen.“ Weil dann das Schlußtableau mit den Engeln ist  : Burgel  : „Vielleicht schaut die Hexe her.“ Beim Hexenhaus zeig ich der Vroni die Lebkuchenkinder. Vroni  : „Nur das erste, wo sie schlecken, wird Lebkuchen sein, das andre ist Pappendeckel.“ Am Schluß sind alle sehr dagegen, daß sich die verbrannte Hexe vor dem Vorhang verneigt. „Das stört“, sagt Anderl. –71 Nach d. Theater waren wir bei Berls, wo unter dem 5 m hohen Christbaum „aus den eigenen Forsten“ die Weihnachtsgeschenke der Familienmitglieder zur Schau gestellt sind. „Ei, wie schön das arrangiert ist, wer hat das denn gemacht  ?“ frag ich – um nach d. Antwort dann die Mutter oder eine d. Töchter bewundern zu können. „Ein Auslagenarrangeur“ – sagt der Herr Rat. Die Frau wiegt jetzt 39 kl  ; sie sieht furchtbar aus. Die Stimmung ist schrecklich gedrückt. Alle warten, daß es läutet, daß der Diener einen Gast anmeldet, einen Gast der die Geschenke bewundern wird, ein Gast der vielleicht einmal um eine Tochter anhalten wird. Wir (Anderl u. ich – die Mädeln hatte ich mit Therese heimgeschickt) wir blieben nicht lange. Beim Nachhausefahren sagte ich zu Anderl  : „Ein schöner Baum war das, gelt  ?“ Anderl machte ein Schnoferl*  : „Zu dicht.“ Wie wir gegen Döbling kamen, sagte Anderl  : „Hier fängt man schon an, sich so auf zuhause zu freuen.“72 * Schmollmund

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29.XII. Das Jahr geht zu Ende. Hans hat gestern seine „Versetzung in den Ruhestand“ bekommen. Am Vormittag war ich mit den Piaristen im Hagenbund. Anderl, Stoffel u. Heinz waren dabei. Heinz ging sehr ungern, weil er „bis dahin“ ein erklärter Feind moderner Kunst gewesen war. Stoffel der eigentlich mit ihm ins Dianabad sollte, überredete ihn mitzugehen („zu meiner programmatischen Erziehung zum Führermenschen gehört auch das Interesse für Kunst“) – meine Rednergabe hat den Heinz dann für die moderne Kunst gewonnen  ! Am Nachmittag hab ich aus der Zeile, zu der Zeile, die jetzt schon so viele Wochen mit mir lebt, ein Gedicht gemacht – das aber die Zeile noch nicht erschöpft.73 Ich will es nächstens wieder versuchen. (Magdalena) Die langen Haare wind’ ich Um deine Füße, die Sich müdgegangen  ; Sie liegen Erdenschwer Auf meinen Knien Und ruhen aus … Doch über mich Doch über mich hinaus Bis an das Ende Wo die Wolken bleuen Die grauen Vögel Deiner Augen ziehen Und wiegen Ihre Spiegel in dem Meer – – Wohin Soll ich die Demut meiner Hände Schmiegen –   ?

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Anmerkungen 1 ETC war freie Mitarbeiterin in dem von Otto Glöckel im Unterrichtsamt eingerichteten Volksbildungsamt. Zu diesem gehörte auch die „Staatliche Lichtbildstelle“, in der Fotografien u. a. für den Unterricht hergestellt wurden. Das Material befindet sich heute in der Fotosammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. Als eine weitere Volksbildungseinrichtung zog auch die Wiener Urania Diapositive als Anschauungsmaterial im Unterricht heran. Zum Fotomaterial der Urania siehe Brandstätter 2008.

Ziemlich genau die Hälfte des Jahresbudgets musste also zu HTs Gehalt anderweitig  – durch freiberufliche bzw. „informelle“ Tätigkeiten, wie kunsthistorischen Unterricht bei Privaten und in Volksbildungseinrichtungen, laufende Publikationen sowie die Aufnahme von Studenten und Austauschschülern in den Familienkreis – dazu verdient werden.



Am 1. Jänner 1925 trat eine Währungsreform in Kraft. 10.000 (Papier-)Kronen entsprachen danach einem Schilling.

2 Ferdinand Raimund, Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär, Zaubermärchen, Uraufführung 1826  ; 3. Aufzug, 4. Auftritt  : Wurzel als Aschenmann trifft auf die Zufriedenheit. 3 Ehrlich holte seine monatliche Rente ab, die ihm vom „Künstlerfonds“ (TB 1923, 24.6.– 30.6.) zugedacht war und ihm das Arbeiten ohne drängende Existenzsorgen ermöglichen sollte.

1.950.000 Papierkronen – 195 Schilling/Monat.



Guido Kaschnitz und Eva Steiner wurden kein Paar. Bereits 1923 hatte Kaschnitz – damals noch in München  – Marie Luise von Holzing-Berstett (1901–1974) kennengelernt, die später unter dem Namen Marie Luise Kaschnitz als Lyrikerin und Schriftstellerin Bekanntheit erlangte. Die beiden heirateten 1925 (Kaschnitz 1965).



Poltenberg (auch Pöltenberg, tschechisch Hradište), heute ein Stadtteil von Znaim, Tschechische Republik, ist der Geburtsort der Haushälterin Therese Kurzweil.

4 Tanzschule für Stoffel (1) sowie Anderl (2) und Burgl (3).

Zu den Briefen von Gustav Mahler Vgl. TB 1924, 13.2.

5 Ino Grafe  – als Dr. Innozenz Grafe, London, Verwahrer des väterlichen Nachlasses, in  : Hall/Renner 1992, 91.

Im „Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie“ finden sich Hinweise auf Inos Vater, den Dichter, Redakteur und Kunstsammler Felix Grafe  :



„Im Juli 1941 wurde Felix Grafe wegen eines antifaschistischen Gedichts […] vom Volksgerichtshof wegen ‚Zersetzung der Wehrkraft‘ und ‚Vorbereitung zum Hochverrat‘ zum Tode verurteilt und am 18. Dezember 1942 im Landesgericht Wien hingerichtet. Ob Schierling oder Enthauptung, Es bleibt die gleiche Handlung,

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Doch was sie Strafe glauben, Ist heilige Verwandlung.“ (Felix Grafe, Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie.)



Die Akten der nationalsozialistischen Vermögensverkehrsstelle aus dem Jahr 1938 ergeben, dass Grafe als Spezialist für alte Bücher Angestellter des Wiener Auktionshauses Doro­ theum gewesen ist  ; Kunstbesitz wurde keiner angeführt (ÖStA, AdR, 06, VVSt, VA, Grafe Felix, Nr. 46590).



Albrecht Dürer, Das Rosenkranzfest, 1506, Národni Galerie, Prag.



Albrecht Dürer, Krönung Mariä, Heller-Altar (Kopie d. Mittelbildes), 1509, Frankfurt am Main.



Zu Dürers möglichen Vorbildern siehe Tietze/Tietze-Conrat 1937a, 29–30, 151.

  6 Zu Frau Fuhrmann, die vor der Sitzung des „Fonds für Ehrlich“ einen größeren Betrag in die Fondskasse zu zahlen beabsichtigte, es sich schließlich aber anders überlegte, konnte nichts erhoben werden.

Mit der Unterschrift des Ministers war der Weg frei zum Verkauf von grafischen Dubletten, durch deren Erlös neue Werke zur Erweiterung und Vervollständigung der Museumsbestände angekauft werden konnten (TB 1923, 14.9.; weiters zu den Konsequenzen  : TB 1925, 5.7.).



Auch der Kunsthändler Gustav Nebehay sollte für den Fonds zur Unterstützung Ehrlichs gewonnen werden.

  7 Unklar bleibt, in welchem anderen volksbildnerischen Rahmen neben der Urania ETCs Botticelli-Vortrag gehalten wurde.   8 „Konsortium“ – der oben erwähnte Künstlerfonds für Ehrlich.   9 Eine Publikation HTs zur Wiener Grafik der Gegenwart konnte nicht ausfindig gemacht werden. 10 Das Erscheinen der Zeitschrift „Kunstchronik und Kunstmarkt“ wurde zwischen 1923/24 und 1924/25 eingestellt. Es waren zu wenige Abonnements verlängert worden. „Möge bald eine Zeit, die den Deutschen von neuem eine Existenz in Freiheit und Würde gewährt, auch der Wissenschaft wieder die Möglichkeit unbeschränkter Regung geben. Dann wird auch diese Zeitschrift wiederum ihre Freunde um sich sammeln“, verabschiedete sich der E. A. Seemann Verlag von seinen Lesern (Seemann Verlag 1923). 11 Zur Kunstproduktion von Josef Floch in jenen Jahren siehe Pallauf 2000. Floch verließ Österreich noch im selben Jahr und zog nach Paris, wo er sich bis zum Einmarsch der Nazis aufhielt. Im Rückblick notierte er über diese Wiener Zeit, er sei dort „halb verhungert“, hätte nicht Professor Tietze ihm geholfen (Pallauf 2000, 44). 12 Mama Nicole, Lustspiel von Jacques Bousquet (  ?) und Paul Armont (1874–1943), deutsch  : Berta Zuckerkandl. 367

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13 Rudolf Rapaport war Russe, weshalb vermutlich auch häufiger russische Künstler in seinem Atelier verkehrten. Möglicherweise handelte es sich um die Film- und Theaterschauspielerin Maria Krischanowskaja (  ?), die in jenen Jahren auch in Wien gastierte (Braunwarth/ Miklin 1984, 1.011). Zu deren Mann konnte nichts ausfindig gemacht werden. 14 Ehefrau des Architekten und Kunstgewerblers Eugen Steinhof  – Ida, geb. Portolano  (  ?), Schwester von Antonietta Pirandello, geb. Portolano. Ninon Tallon (1908–1977) war die Nichte des damaligen Bürgermeisters von Lyon, Edouard Herriot. Bereits 1926 wurde sie die dritte Ehefrau Steinhofs, Herriot im selben Jahr französischer Regierungschef.

Adele Bloch-Bauer war unter anderem Modell für Gustav Klimts berühmtes Gemälde „Adele Bloch-Bauer I“ gewesen, einem Emblem der Wiener Moderne um 1900, das sich nach einem aufsehenerregenden Restitutionsverfahren heute in der Neuen Galerie in New York (www.neuegalerie.org) befindet. „Folgt man der Skizze, mit der der Karl-Kraus-Biograph Edward Timms die verschiedenen Kunst-Kreise der Wiener Moderne um 1910 zu veranschaulichen versucht hat, so dürfte sich Adele Bloch-Bauer zwischen den Secessionisten Gustav Klimts, dem Freundeskreis um Arthur Schnitzler und dem Zirkel von Musikern um Gustav Mahler bewegt haben.“ (Czernin 1999, 49  ; Timms 1996.)



Zu den tragischen Todesumständen von Steffi Seemann-Treuenwart, geb. Winternitz, ist nichts bekannt. Das erschreckende Phänomen des Selbstmords sollte ETC jedoch bis an ihr Lebensende stark beschäftigen. Ein unveröffentlichtes Buchmanuskript ETCs zum Thema „Patterns of Suicide in Literature and Art“ aus den Jahren 1957/58 befindet sich im Archiv des Warburg-Instituts.

15 Zu Fannina und Georg Halle siehe TB 1924, 3.5.

Überliefert ist, dass Fannina Halle 1925 bei der „Ersten allgemeinen Deutschen Kunstausstellung“, jener ersten Präsentation moderner deutscher Kunst in der Sowjetunion, einen Vortrag gehalten hat. Im Zusammenhang mit dieser Reise erschien in Flechtheims Magazin „Der Querschnitt“ auch Halles Bericht über das Moskauer Kindertheater (Caruso 2008, 116).

16 HTs Vortrag „Wert und Bedeutung der Kunstkritik“ wurde demnach mit Assistenz Ernst Buschbecks niedergeschrieben und fand Eingang in HTs Essayband „Lebendige Kunstwissenschaft“ (Wien 1925). HT spricht von insgesamt vier Vorträgen, die er in der GFMK gehalten habe und die alle in den Essayband aufgenommen worden seien. Vermutlich waren zwei davon dem Thema Expressionismus in der bildenden Kunst gewidmet  : „Der deutsche Expressionismus“, „Die Krise des Expressionismus“ (Tietze 1925e). Erwähnte Beiträge sind auch in dem von Krapf-Weiler herausgebrachten Sammelband aufgenommen (KrapfWeiler 2007b). Buschbeck hatte zwei Söhne, geboren 1918 und 1923 (Archiv des KHM, Buschbeck Ernst H., Curriculum Vitae). 17 Es handelte es sich um Maria Spira (1895–1972), Schwester von Walther Eidlitz’ Ehefrau Helene („Hella“), geb. Spira. Maria Spira kam aus der zionistischen Bewegung und schloss sich später der Anthroposophischen Gesellschaft in Wien an (Wilhelm Rath, Anthropo368

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sophie im 20. Jahrhundert). Die Spira-Schwestern waren Cousinen von Flochs Ehefrau Mimi.

Frau Fürth konnte nicht eruiert werden.

18 Exakt in jene Zeitspanne, in der ETCs Aufzeichnungen lückenhaft sind, fällt die Quasi„Hinrichtung“ des Wiener Schriftstellers und Journalisten Hugo Bettauer (1872–1925) durch einen Sympathisanten der Nationalsozialisten. Bettauer hatte durch Romane wie „Das entfesselte Wien“, „Freudlose Gasse“ und „Stadt ohne Juden“ Bekanntheit erlangt. Dem Mord war eine massive Hetze gegen Bettauer in der Wiener Presse vorausgegangen. „Die treibende Kraft gegen Bettauer, die bald zu Mordhetze werden sollte, waren Vertreter der Frühform des Nationalsozialismus. Von ihnen übernahmen deutschnationale und christliche Zeitungen, wenn auch in manchem abgeschwächt, das radikalisierte, neurotisch aufgeladene Vokabular.“ (Botz 1976, 132.) Es muss also offenbleiben, ob und wie ein derart erschütterndes Ereignis Eingang in die Tagebücher gefunden hat bzw. hätte. 19 „Meinen ersten Roman geschrieben“  – Titel und Thema von ETCs Romans sind nicht überliefert.

Erica Tietze-Conrat, Der Todessprung, Drama, im Nachlass enthalten (Tietze-Conrat unveröff./b).



Spitz an der Donau im Bundesland Niederösterreich liegt in einer malerischen Flusslandschaft, „Wachau“ genannt.

20 Die Firma „Dreamland Film Wien“ auf der Hohen Warte ist in der ersten Hälfte der 1920er-Jahre nachweisbar (Österreichische Filmproduktionsgesellschaften, Wikipedia).

Von den beiden hier erwähnten Freunden Stoffels konnte nur zu Otto Mendl Näheres herausgefunden werden. Er war Sohn eines der Besitzer der traditionsreichen Wiener Ankerbrot-Fabrik. Das Unternehmen wurde 1938 „arisiert“, nach 1945 an die ehemaligen Eigentümer restituiert. Laut Christian Reder ist der jüdische Mendl 1938, um der besonderen Gefährdung als prominenter Verfolgter zu entgehen, in das anonymere Berlin gezogen. „Als ausgebildeter Pilot wollte er bei der Luftwaffe Zugang zu einem Flugzeug erhalten, um mit Frau und Kind doch noch fliehen zu können. Am Kurfürstendamm ist er von einem Wiener erkannt und der Gestapo gemeldet worden.“ Mendl soll schließlich in Russland bei Arbeitseinsätzen der „Organisation Todt“ ums Leben gekommen sein (Reder 1999, 301).



Thomas Mann, Der Zauberberg, Roman, 1924.

21 Friedrich Schiller, Der Spaziergang, Elegie, 1795. 22 Rudolfinum – gemeint ist vermutlich das Privatspital Rudolfinerhaus.

Der Österreich-Pavillon bei der „Exposition internationale des arts décoratifs et industriels modernes“ in Paris war von Josef Hoffmann entworfen und als einer der wenigen zur Ausstellungseröffnung auch fertig geworden. HT äußerte sich in seinem Artikel anerkennend  : „Er [Hoffmann] hat keine Vorurteile und keine Theorien, sondern packt Situation, Zweck 369

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und Mittel zusammen und macht daraus ein Werk. Diese echt baumeisterliche Fähigkeit sichert ihm einen großen Erfolg in einem Lande, in dessen Architekturtheorie der Begriff der ‚Angemessenheit‘ seit Jahrhunderten eine so bedeutsame Rolle spielt.“ (Tietze 1925f, 7.) 23 Untersberg – ein von der Stadt Salzburg aus gut sichtbares Bergmassiv (1.973 m).

„Kaiser Karl im Untersberg“ – Sage über Kaiser Karl den Großen, der mit Zwergen und unermesslichen Schätzen in dem Berg leben soll.

24 Ziel von HTs Reise war vermutlich Paris gewesen (siehe TB 1925, 28.5.), wo in diesem Jahr die für zahlreiche österreichische Künstler so erfolgreiche „Exposition internationale des arts décoratifs et industriels modernes“ stattfand. 25 Italienreise Juni 1925 mit Georg Ehrlich  : Tarvis – Gemona – Bologna – Florenz – San Gimignano – Florenz.

Der Tagliamento, Italiens einziger Alpenfluss, verbindet den alpinen Raum mit dem Mittelmeer.



Leopold Zahn war ein österreichischer, der künstlerischen Moderne verpflichteter Kunsthistoriker und Verleger, dessen Karriere vornehmlich im Ausland (Deutschland, Italien) verlief. Er hatte 1915 an der Wiener Universität zu den „Handzeichnungen von J. Callot“ promoviert (Zahn 1923). Von 1920–1921 leitete er die Redaktion der Zeitschrift „Der Ararat“ des Münchner Kunsthändlers und Förderers der Moderne Hans Goltz (1873–1927). Ebenfalls 1920 erschienen im Kiepenheuer-Verlag Zahns Monografie zu Paul Klee (1879– 1940) – der ersten zu Leben und Werk des Malers (Zahn 1920a) – sowie eine Biografie des Malers Josef Eberz (Zahn 1920b). Zu Eberz’ Ehefrau, einer Malerin, konnte nichts ausfindig gemacht werden (R. K. 1970).



William Shakespeare, König Lear, Tragödie, um 1605, mit Ermete Zacconi in der Titelrolle.



Das Skizzenbuch, das Ehrlich während seines Aufenthalts in Forte dei Marmi (am Ligurischen Meer) anfertigte, befindet sich in der Albertina (Inv. Nr. 42710).

26 Sektionschef Viktor Prüger, von 1924–1932 Referent für Kunstagenden im Bundesministerium für Unterricht, war von 1925–1926 auch Leiter der Bundestheater (Enderle-Burcel/ Follner 1997, 369).

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Die Interpellation der „bäurischen Abgeordneten“ (zum „Landbund“ siehe TB 1924, 21.3.) sowie der offizielle Umgang mit der Angelegenheit bestärkte HT weiter in seinen Rücktrittsabsichten. Begleitet von erneuten heftigen Attacken in der „Neuen Freien Presse“ gegen den Direktor der Albertina, Alfred Stix, und die Verantwortlichen im Ministerium wegen eines vermeintlichen Ausverkaufs von Staatseigentum forderten die Abgeordneten des Landbunds vom Unterrichtsminister die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Sämtliche Dublettenverkäufe sowie die dadurch ermöglichten Erwerbungen sollten rückwirkend bis zum Jahr 1923 einer abermaligen Überprüfung unterzogen werden. Die Kon­ trollen durch die eigens dafür im Jahr 1919 eingesetzte Museumskommission einschließlich der Quartalsberichte zu sämtlichen Transaktionen an die Reparationskommission (TB

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1923, 21.6.) erschienen den Abgeordneten als nicht ausreichend. Da die kompetentesten Fachleute jedoch bereits der Museumskommission angehörten, wurden einige von ihnen kurzerhand in den neuen Untersuchungsausschuss berufen. Es sei doch unmöglich, „dass dieselben Herren ihre eigenen Taten überprüfen, und es würde dies eine reine Farce sein, da niemals Angeklagte zur gleichen Zeit auch Richter sein können“, hieß es in einer mehrseitigen, dem Ministeriumsakt beigelegten Rechtfertigungsschrift des Direktors der Albertina Alfred Stix. Die Behandlung der Angelegenheit zog sich schließlich über das Ende von HTs Amtszeit im Ministerium hin (ÖStA, AVA, BMU, 15 Museen, Albertina, fasc. 3159, GZ. 17448-II/25, Beilage vom August 1925). Maja Fraenkel ist Stoffels ältere Cousine aus der Breslauer Familie.

Der Österreichische Rundfunk war gerade ein Dreivierteljahr zuvor, nämlich am 1.10.1924, erstmals auf Sendung gegangen. Die halbstündigen Beiträge, die unter HTs Namen liefen, obzwar sie – wie hier ersichtlich – zu einem Gutteil von ETC verfasst worden waren, gehörten zum volksbildnerischen Programmschwerpunkt. „Im Herbst 1925 habe ich im Radio versucht, einen Überblick über die ganze Kunstentwicklung zu geben, also ein lockeres Gerüst aufzubauen, von dem aus die schier unendliche Fülle der Einzeltatsachen aus der Kunstgeschichte aller Zeiten und Völker leichter überschaubar werden sollte“, erläuterte HT die didaktische Zielsetzung der Reihe (Tietze 1927, Einleitung, 7).



Die Abkürzung „Kr.“ konnte nicht aufgelöst werden.

27 „In der Ausweitung von Bildung liegt immer die Gefahr ihrer Verflachung eingeschlossen […]  ; zu welch breiten Bettelsuppen der Trivialität sind Presse, Kino, sogar das gedruckte Buch entwürdigt worden, soll auch das Radio die Zahl der Nichtigkeiten vermehren, die das geistige Leben zerbröckeln  ?“ (Tietze 1927, Vorwort, 3.) Anderl (2) und Burgl (3) lernten in der „Kuchelau“ schwimmen, einem im Zuge der Donau­ regulierung angelegten Gebiet mit Hafen- und Sportanlagen im Bereich des 19. Wiener Gemeindebezirks.

Ein Gemälde Lilly Steiners, den 10-jährigen Andreas Tietze darstellend, ist nicht bekannt, wohl aber eine Zeichnung, die Anderl von Lilly Steiner anfertigte.

28 1924 übernahm die Stadt Wien von der Bundesbahn die Wiener Stadtbahn (heute Teil des Wiener U-Bahn-Netzes) und elektrifizierte sie. 1925 ging die neue Wiener elektrische Stadtbahn in Betrieb. Von Hütteldorf am westlichen Stadtrand ging es mit der „WientalLinie“, dann weiter mit der „Gürtellinie“ Richtung Heiligenstadt nach Hause. Stoffel verbrachte die Ferien bei seiner Tante Lili und deren Kindern Heinz und Maja in Breslau. 29 Kuchelau – siehe TB 1925, 12.7.

Bisamberg – nördlichster Ausläufer des Wienerwalds, am rechten Donauufer, vis-à-vis von Klosterneuburg gelegen.



Bockkeller – ehemaliger großer Biergarten in Döbling. 371

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30 Riederberg – Niederösterreich, Naherholungsgebiet der Wiener.

Obermais – Villenviertel der Stadt Meran, Südtirol, Italien.

31 Von Rimini sind es ca. 10 km nach Riccione.

Die „Vorträge der Bibliothek Warburg“ erschienen von 1921–1932 in neun Bänden  ; Herausgeber war Fritz Saxl (Saxl 1921–1932). Der Vortragsband der Jahre 1924/25 kam erst 1927 heraus. ETC hatte vermutlich gerade Robert Eislers (1882–1949) „Orphisch-Dionysische Mysteriengedanken in der christlichen Antike“ (Band 2, Teil 2, 1922/23, erschienen 1925) in Händen (Eisler 1925). Der Religionswissenschaftler Eisler war ETCs geschätzter Studienkollege an der Universität in Wien gewesen  ; zu Eisler siehe Caruso 2010. HT sollte die Bibliothek Warburg zum ersten Mal im Frühjahr 1927 besuchen und bei dieser Gelegenheit einen Vortrag zum Thema „Romanische Kunst und Renaissance“ halten. Sein Beitrag erschien dann 1930 im Vortragsband 1926/27, gemeinsam mit dem Aufsatz „Vom modernen Denkmalkultus“ Julius von Schlossers, der als erster Vertreter der „Wiener Schule“ in der Bibliothek Warburg gesprochen hatte (Tietze 1930b  ; Schlosser 1930). HTs Besuch in Hamburg fand ohne ETC statt, die – so HT – befürchtete, „durch so viele starke Interessen von der Bibliothek Warburg angelockt, […] in ein paar Tagen eine Sehnsucht mehr anzureizen als zu befriedigen“ (WIA GC, 19375, HT an Aby Warburg, 5.3.1927  ; zu Warburg siehe TB 1924, 3.9.; TB 1925, 2.12).



Im Band 1 des von Gottfried Salomon (1892–1964), Frankfurt, herausgebrachten „Jahrbuchs für Soziologie“ („Das Handbuch gesellschaftswissenschaftlicher Forschung“) war HTs möglicherweise bereits 1923 verfasster Aufsatz „Die soziale Funktion der Kunst“ erschienen. Besonders interessant erscheint hier unter anderem die Bedeutung, die HT dem „Sehen“ und seiner kulturellen Gebundenheit beimisst, denn es gebe ohne dieses kein „Erfassen von Umwelt“, und „die unendliche Fülle von Formen und Farben, mit denen uns die Natur umflutet und von denen unser ‚diskursives‘ Sehen nur eine oberflächliche begriffliche Rechenschaft gibt, läßt zahllose Arten der Interpretation zu, sie zu gliedern und zu ordnen, ist das Werk der Kunst“ (Krapf-Weiler 2007b, 187–202, 194 [Tietze 1925a]).



Die Analyse der „sozialen Funktion der Kunst“ beschäftigte HT über zwei Jahrzehnte hinweg intensiv. Bereits im Wintersemester 1919/20 hatte er an der Wiener Universität eine Vorlesung zu diesem Thema angekündigt (die dann allerdings ausfiel), und auch die „kunstpädagogischen Ausstellungen“ (Forsthuber 1992) der GFMK basierten allesamt auf diesem Fragenkomplex.



Herbert Cysarz, Deutsche Barockdichtung, Renaissance, Barock, Rokoko, Leipzig 1924.

32 Die besondere Leidenschaft, die Ernst Buschbeck mit den Kunstschätzen der Iberischen Halbinsel verband, sollte ihn im Jahr 1963 das Leben kosten. Buschbeck verunglückte bei einer kunsthistorischen Exkursion in Portugal tödlich.

372

Ministerialrat Leodegar Petrin, der Vorgesetzte HTs, verbrachte seine Ferien offenbar wie die Kinder in der Gegend um Rimini.

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33 Ausflug nach Vorau, Bundesland Steiermark, zum dortigen Augustiner-Chorherrenstift (gegründet 1163)  ; Bahnstation ist Rohrbach.

ETC und Erwin Panofsky waren einander zeitlebens freundschaftlich und mit Interesse an der wissenschaftlichen Arbeit des anderen zugetan (Wuttke 2001–2011). Erwin Panofskys „IDEA, Ein Beitrag zur Begriffsgeschichte der älteren Kunsttheorie“ war 1924 in den „Studien der Bibliothek Warburg“ erschienen (Panofsky 1924).

34 Zu Georg Halles Sohn Franz (TB 1924, 3.5.) konnte nichts herausgefunden werden als die Gewissheit, dass ihn ein tragisches Schicksal ereilt haben muss. Im Jahr 1935, zum Zeitpunkt des gemeinschaftlichen Selbstmords seiner Eltern (TB 1923, 19.6.), war der damals 26-Jährige als vollentmündigt in der Nervenheilanstalt am Steinhof angeführt. Nächste noch lebende Verwandte war zu diesem Zeitpunkt seine ältere Schwester Irene (1916–  ?). Angesichts des NS-Euthanasieprogramms ist es unwahrscheinlich, dass Franz Halle die NS-Zeit überlebt hat (WStLA, Todesfallaufnahme, GZ 2A 3/36, Georg Halle). 35 Stift Altenburg – Benediktinerkloster, gegr. 1144, in Altenburg, Bundesland Niederösterreich.

Paul Troger, Kuppelfresken der Stiftsbibliothek im Stift Altenburg, Königin von Saba (1742).



Karl Goldmark (1830–1915), Königin von Saba, Oper, Libretto  : Salomon Hermann von Mosenthal (1821–1877), Uraufführung 1875. „Doch nicht Caspar, sondern Balthasar wird zu Beginn des 13. Jahrhunderts in einem Gebet der Nonnen des unweit von Köln gelegenen Klosters Schönau, dessen Schutzpatrone die Heiligen Drei Könige waren, zuerst als Mohr bezeichnet  ; seit dem 14. Jahrhundert erscheint er dann häufig auf bildlichen Darstellungen als Schwarzer, während Caspar nur relativ selten als ‚Mohrenkönig‘ auftritt. Etwa zur gleichen Zeit tauchte schließlich noch ein bald weitverbreiteter Kult auf, bei dem es um die Verehrung einer schwarzen Maria ging, in deren Gestalt wahrscheinlich […] die biblische Königin Sabas mit der Gottesmutter verschmolz.“ (Martin 2001, 34.)



Im Zuge des 14. Zionistenkongresses, der von 18.–31.8.1925 in Wien tagte, kam es zu schwe­ ren antisemitischen und regierungsfeindlichen Demonstrationen und Ausschreitungen.

36 Da offensichtlich war, dass der Staat „nach dem werten Ableben“ Figdors unter dem Vorwand, die Sammlung als „Einheit“ erhalten zu wollen, die Ausfuhr zu Figdors Nichte und Erbin nach Deutschland zu verhindern suchen würde, ist davon auszugehen, dass Figdor gemeinsam mit HT eine Strategie überlegte, wie der Situation im zu erwartenden Fall am besten beizukommen wäre. Nach dem Tod Figdors am 22.2.1927 verkaufte die Erbin schließlich die Sammlung, die sie in Deutschland nicht in Besitz nehmen konnte, an den Kunsthändler Gustav Nebehay, der seinerseits (möglicherweise wieder mit Beratung HTs) einen charakteristischen, in sich geschlossenen Teil dem Staat als Stiftung zum Geschenk machte unter der Voraussetzung, über den übrigen Teil der Sammlung verfügen zu können. „The possibility of protecting such a unit is an important and interesting innovation achieved by the Austrian law, as preventing an altarpiece or a set of figures from being divided for reasons of profit. Even 373

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the application of the above-mentioned section to a whole collection may be justified by the fact that the systematic labour of the collector may add an increased value to the single object. On the other side such a real limitation of the owner’s rights raises a rather delicate and dangerous question, and this seems to have been realized, for the well-known collection of Dr. Figdor, in Vienna, is the only one to which the law has so far been applied“, informierte HT 1929, zwei Jahre nach Figdors „Ableben“ und anlässlich der Gründung der sogenannten „Figdor-Stiftung“, die Fachwelt im „Burlington Magazine“. „Altogether there are about 1,500 pieces, most of them not only remarkable for extreme rareness and their perfect state of preservation, but still more for the fact that there are always long series of objects belonging together. The link between these sections, whose enumeration only attests the incomparable variety of the ancient Figdor collection.“ (Tietze 1929, 309.)

Zur Sammlung Figdor Vgl. TB 1923, 3.7., 5.7., sowie TB 1924, 21.4.

37 Arthur Schnitzler, Der junge Medardus, Drama, Uraufführung 1910.

Graz ist die Landeshauptstadt der Steiermark, was aber ein „leerer Grazer“ ist, der überdies an der Wand hängt, konnte nicht geklärt werden.



Artikel 7 der Österreichischen Bundesverfassung von 1920 gewährte den Staatsbeamten die „ungeschmälerte Ausübung ihrer politischen Rechte“, d. h. auch das Recht, gegen den Staat zu demonstrieren oder sich parteipolitisch zu betätigen. „Dieses Recht des Beamten[,] außerhalb seiner dienstlichen Betätigung als Mitglied einer politischen Partei an der politischen Willensbildung des Staates mitzuwirken[,] war aber nicht immer konfliktfrei mit seinen Pflichten zu vereinen. Der Beamte hatte sich parteipolitisch loyal gegenüber der jeweiligen Regierung zu verhalten und durfte nicht unter Berufung auf parteipolitische Neutralität bei der Ausführung der Gesetze, bei der Konzeption neuer Pläne und bei der gesamten Dienstverrichtung passiven Widerstand leisten.“ (Enderle-Burcel 1997, 9–10.)

38 In seinem sehr persönlich gehaltenen Vorwort zum Essayband (TB 1925, 13.2., 18.9.) kündigte HT an, dass er, nachdem er ein Jahrzehnt „erst an den Krieg, dann an die administrative Arbeit“ verloren habe, die er seinem „Vaterland schuldig zu sein“ vermeinte, nun zur wissenschaftlichen Arbeit zurückkehren wolle. Sein „Büchlein“ sei ein Werk „beginnender Sammlung“, ein „Vorwort“ zu einer „neuen wissenschaftlichen Existenz […], die aus verlorenen Jahren die vertiefte Überzeugung behalten möchte, daß wahre Kunst und wahre Wissenschaft nur als Teil des ganzen Daseins bestehen können, aus dessen Brausen wir die Gewißheit unserer Lebendigkeit gewinnen“ (Tietze 1925e). 39 Der Modesalon „Schwestern Berger“ befand sich bis 1927 am Rathausplatz 3 im 1. Wiener Gemeindebezirk und übersiedelte anschließend in ein Palais im Herzen der Wiener Innenstadt, auf den Josefsplatz 5. An diesem Standort verblieb das Atelier für „Modellkleidererzeugung“ unter der Leitung der beiden Schwestern Hilda Lampl, geb. Berger, und Friederike „Fritzi“ Hohenberg, geb. Berger, bis zur erzwungenen Schließung durch die Nationalsozialisten im September 1938 (WStLA, Akten des Handelsgerichts Wien, 1906–1938, A 16, 132a, FA Friederike Hohenberg & Hilda Lampl, vormals Schwestern Berger). 374

Am gleichen Tag also suchte ETC Lampls noch in ihrer Privatwohnung (Wien 7, Döbler-

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gasse 2) auf, wo eine Gesellschaft in Anwesenheit einiger „linksexpressionistischer“ Literaten (Gauß 1984, 258) stattfand.

Tante HTs – Anna Peters, geb. Pohl, und deren Ehemann Max (siehe Bd. III, Familienstammbaum, S. 12).



1925 erschien Thomas Schrameks Erzählung „Freiherr von Egloffstein“ im 11. Band der Reihe „Außenseiter der Gesellschaft, Die Verbrechen der Gegenwart“ im Berliner Verlag „Die Schmiede“. Das Vorwort stammte von Albert Ehrenstein (Schramek 1925).

40 Tirso de Molina (1571–1648), Don Gil von den grünen Hosen („Don Gil de las calzas verdes“), Komödie, um 1615. Der Kunsthistoriker und Spanienspezialist August L. Mayer (TB 1938/1, 1.2.) hatte dieses Theaterstück ins Deutsche übertragen (Posada Kubissa 2010, 60).

Erich Wolfgang Korngold (1897–1957), Die tote Stadt, Oper, 1920, mit Maria Jeritza als Marietta  ; zu Korngold siehe auch TB 1937/1, 9.5.



Höchstwahrscheinlich ist Anny Wolff gemeint, die mit Fritz Wolff (1890–1949), einem Neffen Hugo Steiners und Inhaber des Herrenmodegeschäfts Wolff-Knize, verheiratet war. ETC war auch noch später in der Emigration mit Anny Wolff befreundet (siehe die Korrespondenz im Privatarchiv Filiz Tietze).



Volksschauspieler Willy Thaller im Akademietheater, in  : Johann Nestroy (1801–1862), Der Zerrissene, Posse.



Ein an das Ministerbüro gerichtetes offizielles Rücktrittsgesuch HTs findet sich im Personalakt erst mit dem Datum vom 7.12.1925  : „Da die gegenwärtige Lage eine Weiterführung jenes Programmes, das mir für die Ausgestaltung des österreichischen Musealwesens das sachlich notwendige zu sein scheint und auf Grund dessen ich 1919 ins Ministerium berufen worden bin, für absehbare Zeit unmöglich macht, bitte ich um meine Versetzung in den dauernden Ruhestand.“ (ÖStA, AVA, BMU, Präsidium, Personalakten, Dr. Hans Tietze, HT an die Präsidialabteilung des Unterrichtsministeriums.)

41 Die von der GFMK organisierte Ausstellung „Das Gesicht der Zeit, graphische Arbeiten zweier Generationen“ fand vom 19.9.–25.10.1925 im Wiener Künstlerhaus statt. Das Konzept war auf eine 1922 von der Kunsthalle Mannheim veranstaltete Ausstellung zurückgegangen. Über 150 zeitgenössische Werke wurden einer ähnlichen Anzahl von Werken aus dem späten 19. Jahrhundert gegenübergestellt. Das Hauptaugenmerk lag auf dem gegenwärtig Gemeinsamen  – scharf abgegrenzt vom gemeinsam Vergangenen. „Gezeigt werden sollte, wie die aus den gesamtgeistigen Zusammenhängen hervorgegangene Kunstproduktion einer bestimmten Generation trotz all der ihr immanenten Widersprüche als geistige Einheit wahrgenommen werden könne. Dabei wurden die Generationen als soziale Kategorien betrachtet, die aufgrund des gleichzeitigen Heranwachsens ihrer Mitglieder und somit aufgrund gemeinsam durchlebter Ereignisse – besonders prägnant etwa durch das Erlebnis des Ersten Weltkriegs – allgemein geistige und spezifisch künstlerische Gemeinsamkeiten aufwiesen.“ In Wien musste man sich aus Kostengründen allerdings auf Werke der Grafik beschränken (Caruso 2008, 55  ; Vgl. dazu auch Forsthuber 1992, 176). 375

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42 Reise durch die Provinz Venetien, ca. 19.–29. September 1925  : Wiener Neustadt (A) – Semmering – durch die Steiermark und Kärnten – Wörthersee – Tarvis (I) – Pontebba – Stazione per la Carnia (Bahnstation) – Tolmezzo – Udine – Conegliano – Montebelluna – Feltre – Belluno – Pieve di Cadore – Calalzo (di Cadore) – Villa Santina – Passo della Mauri.

Aufgrund eines chronischen Gelenkleidens war HT als für den Fronteinsatz untauglich eingestuft worden. Die ersten drei Jahre seines Kriegsdienstes hatte er als Ausbildungsoffizier in Wien abgeleistet (TB 1938/1, 18.3.). 1917 wurde er nach Udine in die Verwaltungssektion des Heeresgruppenkommandos der von Österreich besetzten Gebiete Oberitaliens versetzt, wo er bis Kriegsende verblieb (Archiv des BDA, Wien, K. k. Staatsdenkmalamt, Präsidium, Z. 172, 17.7.1918). Gegen Ende des Krieges wurde HT, wie andere Beamte des Staatsdenkmalamts in Wien auch, zur Organisierung einer sogenannten „Kunstschutzgruppe“ in seinem Einsatzgebiet um die Stadt Udine herangezogen. Eine kritische Beurteilung der Aktivitäten der österreichisch-ungarischen „militärischen Denkmalpflege“ steht noch aus und kann im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden. Wie schon bei der Arbeit zur österreichischen Kunsttopografie gehörte neben Bergung und Sicherung auch die Beschreibung und inventarmäßige Erfassung von Baudenkmälern und Kunstwerken zu den Aufgaben der Denkmalpfleger im Kriegseinsatz. HT selbst hat in den von Paul Clemen (TB 1924, 12.6.) während und nach dem Weltkrieg herausgebrachten, tendenziell propagandistischen Veröffentlichungen (die zahlreichen Abbildungen zeigen ausschließlich die vom Gegner zerstörten Denkmäler) unter dem Titel „Österreichischer Kunstschutz in Italien“ zu den Aktivitäten dieser Sondereinheit Stellung genommen. Wohl zeigte sich HT auch in militärischen Fragen als loyaler Diener „seines“ Staates, seine Ausführungen sind jedoch differenziert und oftmals von Resignation getragen. Offenkundig ist, dass HTs Einsatz von jenem zweischneidigen universalistischen Gedanken geprägt war, italienisches „Kunstgut“ gehöre „zum ehrwürdigen Erbe der ganzen Kulturmenschheit“, wobei die allgemeine Überzeugung einer „Überlegenheit Italiens“ im Bereich der bildenden Künste wiederum eine „stark gereizte Begehrlichkeit“ hervorgerufen habe  … (Tietze 1919b, 51  ; Archiv des BDA Wien, K.  k. Staatsdenkmalamt, Denkmale in genere, Z. 126 Präsidium, 10.6.1918). Wie andere Kunsthistoriker im Kriegsdienst für den Denkmalschutz hat HT aber auch mehrfach die Gelegenheit genutzt, um über die Kunst in seinem Einsatzgebiet zu forschen und zu publizieren. „Auf dem Dachboden eines verlassenen Hauses in Udine, in dem zu italienischer Zeit das Etappenkommando gewesen ist, habe ich die Familienpapiere des Malers Giovanni da Udine gefunden. […] Das ganze Material wurde in der Biblioteca Communale in Udine in Sicherheit gebracht.“ (Tietze 1918a, S. 273–277.)

43 Die hier gemachten geografischen Angaben sind nicht vollständig nachvollziehbar. Vermutlich meinte ETC den Fluss Fella, der bei Stazione per la Carnia in den Tagliamento mündet.

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Der Tagliamento entspringt in den Venezianischen Alpen südlich des Mauria-Passes und ist bis heute der einzige Alpenfluss, der fast auf der gesamten Länge naturbelassen ist (Lippert 1995).

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Udine, von 1915–1917 Hauptquartier der italienischen Heeresleitung, war ab Oktober 1917 bis zum Ende des Krieges von deutschen und österreichischen Truppen besetzt. Zu den besetzten Gebieten gehörten die Provinzen Udine, Belluno, Venezia und Treviso.

44 Udine – Burgberg mit dem Castello (begonnen 1517).

In seinem Bericht zum „Österreichischen Kunstschutz in Italien“ erwähnt HT explizit den „mit dem Privatbesitz der Stadt genau vertraute[n]“ Maler Covalini in Udine, der bei der Sammlung der in verlassenen Häusern vorgefundenen Gegenstände „hilfreich an die Hand ging“. „Kontrolle und Schutz“ des beweglichen Kunstbesitzes seien unumgänglich notwendig gewesen (Tietze 1919b, 55).

45 „Biblioteca Arcivescovile di Udine“ – Erzbischöfliche Bibliothek, Udine.

„Neapolitaner umgesiedelt“ – es handelte sich um die durch die italienischen Faschisten im Geiste der „Italianità“ und zur Förderung der Autarkie in der Lebensmittelversorgung betriebene Ansiedelung von italienischsprachigen Landarbeitern aus stark bevölkerten Regionen in jene Randgebiete mit großer nicht italienischsprachiger Bevölkerung.

46 Zu Professor Petronio in Udine, der offensichtlich Militärpersonal in seinem Haus beherbergte, konnte nichts ausfindig gemacht werden.

Durch Cividale fließt der Fluss Natiso. So hatte HTs Sicht auf Cividale nur wenige Jahre zuvor ausgesehen  : „In der Stadt Cividale sind die Hauptschäden die Sprengung der Teufelsbrücke und von S. Francesco durch die Italiener und die im Museum angerichtete Unordnung. Die wichtigsten Kunstwerke wurden von den Italienern geborgen.“ (Tietze 1918c.)

47 Der im Auftrag des ersten Patriarchen von Aquileia, Callisto (um 730 n. Chr.), entstandene Taufbrunnen (Kallixtus-Brunnen) befindet sich heute im Dommuseum von Cividale („Museo Christiano“, gegr. 1946). 48 „Was den Italienern Monumento nazionale war, ist auch von den österreichischen Behörden mit größter Gewissenhaftigkeit geschützt worden  ; den Tempietto in Cividale, die Abteikirche von Sesto, das Baptisterium von Concordia, die Dome von Udine, Belluno und Portogruaro, die freskengeschmückten Kirchen in S. Vito, S. Daniele, Casarsa und Vittorio sind auch von den Angehörigen unserer Armee nur mit der gebührenden Andacht – auch vor der künstlerischen Leistung – betreten worden.“ (Tietze 1919b, 61 [Hervorhebung im Original].)

Der langobardische Tempietto (Oratorium Santa Maria in Valle) in Cividale  : „Im Mai 1918 wurde er [Kaschnitz] von der italienischen Front abkommandiert und der Kunstschutztruppe in Venetien zugeteilt. Er hatte dort während der Bergungsarbeiten Gelegenheit, sich intensiv mit den frühmittelalterlichen Stuckdekorationen von Sta. Maria della Valle in Cividale zu beschäftigen. Eine fast fertig gestellte Monographie dieses Bauwerks ist dann beim Rückzug der österreichischen Truppen leider verloren gegangen.“ (Kaschnitz 1965, 230.) Kaschnitz war bereits seit 1923 Assistent von Amelung gewesen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er dessen Nachfolger als Leiter des Instituts (Bieber 1967, 361).

49 Cima da Conegliano, Thronende Madonna mit Kind in Gesellschaft von Engeln und Heiligen („La Pala di Conegliano“), um 1492, Dom von Conegliano. 377

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50 Die Stadt Feltre wurde von der k. u. k. Armee im Jahr 1917 erobert und blieb bis Herbst 1918 in österreichischer Hand. 51 HTs Feuilleton über das Friaul konnte bisher nicht ausfindig gemacht werden.

1918 schrieb HT in einem Bericht über die Tätigkeit der „Kunstschutzgruppe“ im Friaul  : „Endlich besteht noch die wichtige Aufgabe der heimischen wissenschaftlichen Forschung, ein Arbeitsmaterial in der Form zugänglich zu machen, daß die wissenschaftlich bemerkenswerten Objekte photographiert werden  ; die Aufnahme, die sich schon wegen der künftigen mutmaßlichen Schwierigkeiten des Friaul empfiehlt, ist umso wichtiger für uns, als der Zusammenhang unserer alpenländischen Kunst mit der friaulischen ein besonders langer ist.“ (Tietze 1918c.)

52 „Auch in Belluno ließ sich das Ausmaß der italienischen Bergungen aus dem Gemeindemuseum nicht einwandfrei konstatieren  ; sicher erstreckten sie sich auf die Hauptgemälde, ob und inwieweit sie auch die bedeutende Bronzesammlung betrafen, bleibt unklar […].“ (Tietze 1919b, 54.) Tizian, Kirschenmadonna, um 1515, KHM, Wien. Tizian, Flora, um 1515, Uffizien, Florenz. Mantegna, Madonna della Vittoria, um 1495, Louvre, Paris. Dürer habe sich vielleicht an eine „ältere venezianische Fassung“ angelehnt, der auch Tizian gefolgt sei (Tietze/Tietze-Conrat 1937a, Nr. 326, 32–33). 53 Pieve di Cadore, Belluno, mit dem (mutmaßlichen) Geburtshaus Tizians. 54 Passo della Mauria – Passhöhe (1.195 m), Quellgebiet des Tagliamento. 55 Rechtsanwalt Dr. Emil Frankl war Vorstandsvorsitzender der GFMK. Er ist als Mäzen vor allem wegen seiner Unterstützung des Malers Anton Kolig bekannt. Dadurch ebnete er seinem Sohn Gerhart auch den Weg zu einer „kurzen Lehrzeit“ bei Kolig und zu den Malern des „Nötscher Kreises“, „von denen jeder in seiner Art danach strebte, die Kunst der Malerei unabhängig von den Strömungen der Moderne auf neue Wege zu führen“ (Gombrich 1987, 17).

„Nach Kriegsende mußte er [Gerhart Frankl] erfahren, daß sein Vater in der Haft gestorben und seine Mutter in einem Vernichtungslager verschollen war.“ (Gombrich 1987, 18.)

56 Zum tragischen Schicksal von Georg Halles Sohn Franz siehe TB 1925, 27.8. 57 Der Spaziergang führte zu den Ausläufern des Wienerwalds im 17. Wiener Gemeindebezirk.

Zum „alten Haus in Dornbach“ siehe TB 1923, 20.6.

58 Eine Person namens Dalles, die offenbar in das Atelier des Malers Georg Merkel eingezogen war, konnte nicht eruiert werden. 378

ETCs Bemühungen, über Karl T. Parkers Vorgesetzten, den Leiter des „Department of Prints and Drawings“ des British Museum, Campell Dodgson, die Kunst Ehrlichs bis nach

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England bekannt zu machen, mögen dem Maler in späteren Jahren, als er sich in England ansiedelte, zugutegekommen sein. 59 Die Führungen, die ETC für die Schulen ihrer Kinder (Schottengymnasium, Piaristen) abhielt, brachten vielleicht auch ein kleines Nebeneinkommen, vor allem wurde sie dabei aber sicherlich von kunstpädagogischen Absichten angespornt  ; zur Ausstellung „Das Gesicht der Zeit“ siehe TB 1925, 21.9.

Neue Galerie, Gedächtnisausstellung Julius Zimpel, Wien 1925.

Zimpel in der Wiener Werkstätte  : „Wichtige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der ­Wiener Werkstätte und ihre Tätigkeitsbereiche für die Wiener Werkstätte  : Julius Zimpel (Wien 30.8.1896–11.8.1925)  : Graphik, Glas, Keramik, Metallarbeiten, Stoffe“ (Brandstätter 2003, 393–394). 60 Bei dem „Kubin etc.“-Sammler handelt es sich um Felix Grafe, siehe TB 1925, 4.1. 61 HT, Semesterkurs 1925/26, „Das antike Rom  : Das ewige Rom“ (mit Lichtbildern), Urania Wien.

Indem HT das deutsche Publikum mit seinen Vorträgen für Fragen der österreichischen Kunst zu interessieren suchte, bereitete er das Terrain für die Wanderausstellung „Junge österreichische Kunst“ im Rheinland im April 1926 (Caruso 2008, 64). Die Ausstellung nahm schließlich in Köln ihren Ausgang, als weitere Stationen folgten Krefeld und Duisburg.

62 Aufgrund dieses Eintrags scheint es denkbar, dass ETC die Radiovorträge nicht nur verfasst, sondern gelegentlich auch gehalten haben mag. Eine Anfrage im Archiv des Österrei­ chischen Rundfunks verlief negativ, weder Radiovorträge von ETC noch von HT haben sich erhalten.

Wilhelm Müller-Hofmann unterrichtete an der Wiener Kunstgewerbeschule, wo Maria Dolnicka offenbar seine Schülerin gewesen ist. Einmal mehr hatte sich HT hier fördernd um das Fortkommen einer Künstlerin bemüht (Tietze 1932).

63 Zur Vortragsreise HTs siehe TB 1925, 21.10. Mit „der Bub“ ist der Sohn der Köchin (Toni) gemeint, der nicht mehr in der Armbrustergasse, sondern in Rekawinkel in Niederösterreich lebte. 64 Der Dichter und Schriftsteller Thomas Schramek (TB 1925, 15.9.), der den Wiener literarischen Expressionisten nahestand, war im bürgerlichen Beruf Ingenieur. Mit Elisabeth Bergner hatte er die k. u. k. Akademie für Musik und darstellende Künste besucht und sie 1912 mit dem Dichter Albert Ehrenstein bekannt gemacht. Schramek, dessen Geburtsdatum nicht eruiert werden konnte, ist 1932 an Tuberkulose verstorben (Bolbecher 1993, 12, 24). „Der aus Böhmen stammende Thomas Schramek wird für sie das, was man gemeinhin als erste große Liebe bezeichnet, und nicht nur das, über den späteren Ingenieur lernt sie den Lyriker Albert Ehrenstein kennen, der sie wiederum mit Oskar Kokoschka […] und Fritz Lampl bekannt macht.“ (Zeman 2007, 14.) Worin das Einverständnis zwischen ETC 379

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und Schramek bestanden haben mag, kann nicht mehr nachvollzogen werden, auch Schrameks Gedichte scheinen verschollen.

Georg Ehrlich hat seine Freundin Gerda Seitz, die er ETC im Salon der Lampls vorstellte, in zahlreichen Radierungen festgehalten. Zu ihrer Person ist nichts bekannt.



Modest Petrovič Musorgskij, Boris Godunow, Libretto  : Musorgskij nach Aleksandr Puškin (1799–1837), Uraufführung 1874. Vermutlich handelte es sich um eine Aufführung der Wiener Volksoper.



Der Direktor der Gemäldegalerie, Gustav Glück, trat seinen Ruhestand erst 1931 an. Die Position des Generaldirektors (Ersten Direktors) des KHM war im März 1925 offiziell eingeführt und vom Leiter der Sammlung für Plastik und Kunstgewerbe, Hermann Julius Hermann, übernommen worden.



„Die Arbeits-sinekur für die Wartepause“  – an dieser Stelle zeigt sich, dass Tietzes der Meinung waren, die öffentliche Hand werde nicht so ohne Weiteres auf HTs Kompetenzen verzichten wollen. Eine Hoffnung, die sich als Trugschluss erweisen sollte.

65 Nach 16 Jahren als Direktor des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie war Eduard Leisching ( Jahrgang 1858) 1925 in Pension gegangen. Otto Glöckel, der HT 1919 ins Unterrichtsamt berufen hatte, war seit 1922 Präsident des Wiener Stadtschulrates.

Edwin Redslob, davor jüngster Museumsdirektor Deutschlands am Erfurter A ­ ngermuseum, ist 1920 in das neu geschaffene Amt des „Reichskulturwarts“ berufen worden, das „vor allem die symbolischen Aspekte der republikanischen Selbstdarstellung zu regeln“ hatte. Damals war Redslob gerade Mitte dreißig (Welzbacher 2009, 118–119, 125).



Die Recherchen zur Position Eduard Leischings als „ständiger künstlerischer Berater der Stadt Wien“ verliefen ergebnislos.



Die Brüder Gustav und Hans Schoenberg waren jeweils mit einer Cousine HTs verheiratet. 1938 wurde der von den Nationalsozialisten erzwungenen Vermögensanmeldung Gustav und Louise Schoenbergs ein Bilderinventar der Wohnung beigelegt, das Aufschluss über die Sammelgewohnheiten des Ehepaars gibt (siehe auch Lillie 2003, 1.190–1.191). Immerhin werden in erwähnter Liste mindestens 25 Ölbilder sowie zahlreiche Aquarelle und Zeichnungen angeführt, die die Wände von sechs Zimmern zierten. Geschmacklich tendierten Schoenbergs zu österreichischen Malern des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die moderate Anklänge an die Moderne in ihrem Werk erkennen ließen, sowie zu einzelnen gemäßigten Sezessionisten.



HTs Essayband „Lebendige Kunstwissenschaft“ erschien 1925 im Krystall-Verlag (bis 1922 Belvedere-Verlag, siehe Hall 1985, 217) mit folgender Widmung  : „Dem treuen Kameraden so vieler Wege und Irrwege widme ich dieses Buch des Bekenntnisses zum 16. Dezember 1925.“

66 Mit Guido Adler, David J. Bach und Karl Kobald fühlten sich bedeutende Persönlichkeiten des österreichischen Musiklebens, die überdies der Sozialdemokratie nahestanden, von der borniert-ideologischen Haltung der Führung der Wiener Sozialdemokraten vor den Kopf gestoßen. 380

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Wiener Musikverein – Gustav Mahler, Lied von der Erde, Symphonie, Rosette Anday (Alt), Dirigent  : Hans Knappertsbusch.

67 „Bei den Fixleins“ – Hertha und Felix „Fixlein“ Tietze, Bruder und Schwägerin HTs (siehe Bd. III, Familienstammbaum, S. 12).

Friedrich Schiller, Demetrius, Dramenfragment, Uraufführung 1857.



Das Festspiel „Heinrich von Achternach“ des expressionistischen Malers und Schriftstellers Fritz von Unruh zur „Jahrtausendfeier“ der Rheinlande im Jahr 1925 warb für „Frieden unter den Völkern“ (Lennartz 1984, 1.750).

Ferdinand Grimm (1869–1948), ehemaliger Finanzberater des Hauses Habsburg, ist ab 1918 Unterstaatssekretär im Finanzministerium sowie von 1920 bis 1921 Finanzminister gewesen. Da er in beiden Funktionen Ansprechperson HTs bei den Verhandlungen mit den Nachfolgestaaten gewesen war, konnte HT für seine Pensionierung offensichtlich auf dessen Fürsprache hoffen (Ferdinand Grimm, Österreichische Akademie der Wissenschaften). 68 Die Genehmigung zur Pensionierung von einem Dienstposten in der II. Rangklasse wurde am 30. November erteilt. Finanziell bedeutete dies  : ab 1. Dezember „ein Gehalt“ von 8.685 Schilling jährlich + 1.302,75 jährlich Ortszuschlag + Familienzulage im gesetzlichen Ausmaß (ÖStA, AVA, BMU, Präsidium, Personalakten, Dr. Hans Tietze, GZ. 1190/Pr). 69 Bemerkenswert erscheint, dass ETC an dieser Stelle nicht erwähnt, dass am Abend zuvor mit einem Vortrag Fritz Saxls zum Thema „Kunstgeschichte und Bildwissenschaft“ die erste öffentliche Präsentation der Bibliothek Warburg in Wien stattgefunden hatte. Die Einladung an Saxl war von HT unmittelbar nach dessen Demission vom Ministerium im Namen des „Vereins der Museumsfreunde Wien“ ausgesprochen worden. Am 4. Dezember dankte Warburg für diesen geglückten ersten Auftritt  : „Heute Morgen ist Dr. Saxl zurückgekehrt und hat so erfreut von seinen Eindrücken berichtet, dass Sie mir erlauben müssen, Ihnen recht herzlich als Kollegen und Wegbereiter für unsere Bemühungen auf dem Wege der Bildwissenschaften zu danken.“ (WIA GC, 16966, Aby Warburg an HT, 4.12.1925  ; sowie WIA GC, 16963, HT an Fritz Saxl, 10.11.1925.) Zu Warburg siehe TB 1924, 3.9., sowie TB 1925, 19.9. Zur Einschätzung der Wiener Schule der Kunstgeschichte durch Fritz Saxl und Aby Warburg siehe McEwan 2009. Ehrlich begann somit in dieser Zeit, seine künstlerische Produktion von Malerei und Grafik auf Plastiken zu verlagern. Eine Plastik von Ehrlichs damaliger Freundin Gerda Seitz konnte nicht ausfindig gemacht werden.

Zur Preisbestimmung wurde mit Nirenstein der Fachmann herangezogen. Wie sich die Vertretung Ehrlichs durch Nirenstein mit ETCs Aktivitäten und dem Künstlerfonds „Ehrlichfreunde“ in Einklang bringen ließ, ist unklar. Offenbar kam man einander aber nicht in Quere.



ETC vermischt, wie bei derartigen Umstellungen verbreitet, alte und neue Währung (TB 1925, 1.1.).



Moritz Rothberger, dessen Familie vis-à-vis der Kathedrale am Stephansplatz ein Modehaus führte, war ein Bildhauerkollege Ehrlichs (Gschiel/Nimeth/Weidinger 2010). 381

Tagebuch 1925

70 Die Räumlichkeiten des Modeateliers „Schwestern Berger“ in der Wiener Innenstadt boten Platz für ausgelassene Geselligkeiten, zu denen ETC auch Familienmitglieder mitnahm.

1930 scheinen im Ausstellungskatalog zur Privatsammlung Tietze (TB 1924, 23.6.) in der Österreichischen Galerie zwei Pferde-Bilder von Bartholomäus Stefferl auf  : Pferde, Bleistift und Pastell von 1923 und ein weiteres Pastell ohne Datum (Österreichische Galerie 1930, 9). Stefferl hatte 1924 den Preis der Stadt Wien erhalten.



Bisher konnte nur eine Radierung Ehrlichs, HT darstellend, nachgewiesen werden. Es handelt sich dabei um ein halbfiguriges Porträt, das als Postkarte verlegt wurde.

71 Hänsel und Gretel, Oper, Musik  : Engelbert Humperdinck (1854–1921), Uraufführung 1893.

Die Puppenfee, Ballett, Musik  : Josef Bayer (1852–1913), Uraufführung 1888.

Raffael, Sixtinische Madonna, 1512–1513, Gemäldegalerie, Dresden. 72 Auch die Akten des Staatsdenkmalamts Wien (TB 1923, 3.11.) illustrieren die üppigen Lebensverhältnisse der Familie Berl  : „Gelegentlich der am 8. August ds. J. vorgenommenen kommissionellen Besichtigung meiner Wohnung im ersten Stock des Hauses I. Schottenring 7, veranlasst durch das Wohnungsamt der Stadt Wien“, heißt es da in einem Schreiben des Kommerzialrates Oskar Berl vom 16. September 1919 an das Staatsdenkmalamt Wien, „wurde festgestellt, dass diese Wohnung aus 13 Zimmern besteht, von welchen 6 ausgesprochene Repräsentations- und Prunkräume sind, die für normale Wohnzwecke überhaupt nicht, auch nicht für Kanzleizwecke in Betracht kommen. Die restlichen 7 Gelasse bilden die bewohnten Räume meiner Familie, die aus 5 Mitgliedern und einem Kinderfräulein besteht. Ausserdem sind in den Nebenräumen 10 Dienstpersonen untergebracht“ (Archiv des BDA Wien, Bestand Wohnungsanforderungen, Staatsdenkmalamt 1919, Z. 1963, Oskar Berl Wien). 73 Sohn Anderl besuchte das angesehene Piaristengymnasium.

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Im Hagenbund dürfte eine Ausstellung (eventuell die Herbstausstellung) der Mitglieder zu sehen gewesen sein, da die Sonderausstellung der Vereinigung bildender Künstler Mährens „Svum“ offiziell nur bis 6. Dezember lief (Chrastek 1993a, 284).



Dianabad – zentral gelegenes, traditionsreiches Schwimmbad im 2. Wiener Gemeindebezirk.

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Alexandra Caruso

Zur Spanienreise

Als Tietzes 1926 ihre Reise nach Spanien antraten, war ihre bürgerliche Existenz ins Wanken geraten. Nach dem Ausscheiden aus dem Ministerium sollte Hans Tietze, entgegen anfänglich noch gehegten Hoffnungen (TB 1925), keine offizielle Stellung in Österreich mehr bekleiden. Die Reise stellte für beide eine persönliche Zäsur dar und den Versuch, erhobenen Hauptes und mit sinnlicher und intellektueller Begeisterung den neuen Lebensabschnitt zu wagen. Seit dem 19. Jahrhundert zählte die Iberische Halbinsel zu den Traumzielen mitteleuropäischer Künstler und Kunstwissenschaftler. Obzwar die spanische Kunst nicht zu ihren primären Interessengebieten gehörte, besteht kein Zweifel, dass beide mit der wichtigsten kunsthistorischen Literatur zur Region vertraut waren. Angesichts der Ungeniertheit Erica Tietze-Conrats im Umgang mit Fremdsprachen – das Spanische wird auf der Reise kurzerhand „italienisiert“ – kann selbst eine Lektüre von Werken im spanischen Original nicht ausgeschlossen werden. Neben kunstwissenschaftlicher Literatur stand ihnen der beliebte „Baedeker“ – wenn auch in einer stark veralteten Ausgabe („der Baedeker ist von 1912  !“) – zur Ver­fügung. In diesem „Guide“ fanden Tietzes eine zwar stellenweise überholte, doch durchaus orientierende Quelle auf partiell wissenschaftlichen Grundlagen, die es nötigenfalls zu korrigieren galt („Hier machen die Korrekturen u. Ergänzungen, die wir bei dieser Gelegenheit immer an d. Baedeker vornehmen, viel Spaß“). Der kunsthistorische Teil des Reiseführers war von Carl Justi verfasst worden, jenem deutschsprachigen Kunsthistoriker, der sich als Erster der Kunst der Iberischen Halbinsel zugewandt hatte. In eben jenem Jahr ist Hans Tietze mit dem kunstgeschichtlichen Beitrag im Österreich-Baedeker selbst zum wegweisenden Autor geworden.1 Das Land wird mit der Eisenbahn bereist, die Topografie der Landschaft im Vorbeiziehen begriffen. Die Begehung der Orte erfolgt zweckorientiert, den Baedeker zur Hand, stets nach dem gleichen Schema  : vom Hotel (möglichst bahnhofsnah) in die Bildergalerie, zum Dom, dem „Klösterlein am Rande“, dazwischen zur Beruhigung des Blicks eine Aussicht. Spanien mit seinen außereuropäischen Einflüssen und den bunten Volksvergnügungen ist ein exotischer Höhepunkt  ! Meist gelingt es, das Fremde mittels Vergleichen mit Vertrautem zu entkräften. Angesichts des bisher noch nie Gesehenen müssen oftmals das solide verinnerlichte Italien, Werke der niederländischen Genremalerei oder heimatliche Folklorestätten wie Wienerwald und Salzkammergut herhalten („Hinreißend der Park. Wie ein toll gewordener Wiener 387

Zur Spanienreise

Wald, ja unsere Bäume aber urwäldlich verdichtet, Granada sieht aus wie ein Stück Heimatboden, Traunfluß und Rosenburg“). Dank Kunstgeschichte und bürgerlicher Weltläufigkeit kommt man gut zurecht, solange es sich nur wirklich um Europa handelt („Bei Tag sah die Stadt nicht viel weniger uneuropäisch aus als bei Nacht. Der aufstrebende Ehrgeiz wechselt gut mit grenzenloser Primitivität“). Und nirgends scheint sich diese Weltläufigkeit besser zu bewähren als etwa in Toledo, wo man durch strikte Orientierung am Allgemeinen und Konventionellen möglichen Assoziationen zur eigenen Herkunftsgeschichte entgehen kann. Die immerhin bedeutenden Synagogen Toledos verflüchtigen sich im Gleichförmigen des alten Gesteins. Völlig auf verlorenem Posten ist man aber, wenn etwa beim Anblick der nasridischen Alhambra in Granada das eigene ästhetische Wertesystem außer Kraft gesetzt wird („Ich muß alle Vernunft zuhilfe nehmen, um über das einer ästhetischen Einstellung Entgegengerichtete dieses Stils hinwegzukommen“). Schließlich wird das Reisen selbst zum kreativen Akt („Jener erste und dieser letzte Ausflug auf den Tibidabo, das war ein guter Anfang u. ist ein guter Abschluß – der Kreis schließt sich zur eindrucksvollen Insel. Es ist wie die gereimten Zeilen, die ich so gerne hab – vorn der Klang in der oberen Zeile zum Klang am Ende in der letzten“). Beim Zeichnen kommt Erica Tietze-Conrat den Menschen näher – oder diese ihr. Kunst braucht keine Worte. Im verspielten Umgang mit dem Alltäglichen – Blumen, achtlos weggeworfene Eierschalen – wird die sonstige Undurchdringlichkeit überwunden. Doch wer könnte sich schon frei von Vorurteilen nennen  ? Dass auch Erica TietzeConrat gelegentlich an ihnen kränkelt, zeigt die ungewöhnlich drastische Ausdrucksweise, zu der sie sich im Zusammenhang mit „Zigeunern“ beziehungsweise der „einfachen“ spanischen Bevölkerung (was nicht selten dasselbe ist) hinreißen lässt. Im Kontext mit dieser überall und gelegentlich auch nirgends heimischen Volksgruppe fällt immerhin viermal die diffamierende Bezeichnung „Affen“ („… an Balkongittern die Kinder wie die Affen klemmen“ usw.). Die Begegnung mit den spanischen „Gitanos“ mag für Erica Tietze-Conrat in zweierlei Hinsicht beunruhigend gewesen sein. Zum einen wegen des – sich zu allem Überfluss auch noch distanzlos gerierenden – Unverständlichen und Fremden und andererseits wohl auch aufgrund möglicher Berührungen in einer Geschichte der Diffamierung und Ausgrenzung. Die „Zigeuner“ lagern schließlich auch buchstäblich am Ufer vis-à-vis („Am Rückweg an dem von Karl V. gegründeten Kanal entlang – am anderen Ufer hatten Zigeuner ein Lager aufgeschlagen …“). Mit ihrer Reise waren Tietzes in eine seit Jahrzehnten schwelende Debatte eingetreten, die sich an der Frage entfacht hatte, welchem der beiden Künstler – Velázquez oder El Greco – die Vorrangstellung in der Kunst und die Rolle des Vorreiters für Impressionismus und Expressionismus einzuräumen wäre. Und während sich der 388

Initiator dieser etwas gequälten Kontroverse, der Kunstkritiker Julius Meier-Graefe (seine Spanienbriefe waren 1923 neu aufgelegt worden,2 er wird aber wie Carl Justi nie namentlich erwähnt), in Erwartung von Velázquez schließlich vor den Originalen rückhaltlos zu El Greco bekehrt hatte, gibt Erica Tietze-Conrat bei den Bildern im Prado jeden möglichen Zweifel auf  : „Velazquez [sic  !] der Höhepunkt. Wieder der Höhepunkt“, „und immer wieder Velazquez“, schwärmt sie. Dabei stellen ihre Begeisterungsbekundungen weniger ein Für oder Wider dar als den Versuch, in erwähnter Auseinandersetzung eine Autonomie im Urteil zu wahren. Denn wie Martin Warnke meint  : „Meier-Graefes Position bezeichnet den Übergang zu diesem modernen indifferenten Wahrnehmungstypus  : Er muß bereits eine Vielfalt rasch wechselnder Stile besprechen und beurteilen, doch kann er dies nicht wertfrei mitvollziehen, sondern er muß sich jedes Mal fundamentale Gründe neu erarbeiten, die seine Stellungnahme glaubwürdig machen. Implizit deutet sich an, daß die bloße Wahrnehmung, das nackte Auge, diejenige (fiktive) Instanz sein wird, die von solchen Begründungszwängen entlasten kann.“3 Wenig verwunderlich ist, dass in einer Baedeker-Ausgabe von 1912 Architektur und Kunst des katalanischen „Modernismo“ nur am Rande erwähnt werden. Zum Zeitpunkt der Reise der Tietzes hatte diese Bewegung ihren Höhepunkt bereits überschritten  ; ihr Hauptexponent, der Architekt Antonio Gaudí (1852–1926), verstarb in eben jenem Sommer. Für Kunsthistoriker, die Expressionismus und Moderne nahestehen, ist diese katalanische Ausformung des Jugendstils trotz seiner Auffälligkeit eine bereits abgetane Sache. Anmerkungen 1 Karl Baedeker, Spanien und Portugal, Handbuch für Reisende, Leipzig 1912  ; Karl Baedeker, Österreich, Handbuch für Reisende, Leipzig 1926. 2 Julius Meier-Graefe, Spanische Reise, Berlin 1910 [1923]. 3 Martin Warnke, „Julius Meier-Graefes ‚Spanische Reise‘ – ein kunstkritischer Paradigmenwechsel“, in  : Gisela Noehles-Doerk (Hrsg.), Kunst in Spanien im Blick des Fremden, Reiseerfahrungen vom Mittelalter bis in die Gegenwart, Frankfurt am Main 1996, 221–228, 227.

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Samstag 27.III.1926 Jetzt reist Hans nach Köln  ; er will die österr[eichische] Ausstellung (vom Verein zur Förd[erung] Mod[erner] K[un]st) hängen und einen Einführungsvortrag halten. Ich hab so ewig lange nicht Tagebuch geschrieben, weil ich so lästig mit Arbeiterei meine Tage gepflastert hab’, Stunden, Führungen, Feuilletons für die Reisezeitung, Bildanalysen für die Volksbildungsdiapositive, Vorbereitung für Hans’ Radiovorträge. Abends Vorträge halten und hören, Menschen empfangen, diese ganze geistige Mondänität, die mir so verhaßt ist. Dazu haben wir beide eine Art Geldpsychose, Angst daß es nicht ausgeht u. darum dieses scheußliche Gefühl, daß man nichts „auslassen“ darf. Letzten Dienstag (23.) ein netter Abend in der Mädchenbegabtenschule in der Boer­ havegasse, Vortrag (Schiele) OK u. G. E – ich hatte Gerda mitgenommen, weil Georg (seit dem 12.) in Berlin ist. Seit einem Monat warte ich, von einem Tag zum anderen vertröstet, auf die Herstellung des Prospektes für meine Gedichtesammlung „Abschied“ (Luxusausgabe mit Radierungen von G. E). Alles so deprimierend, was so unnötig verschleppt wird. Bei den „Schwestern Berger“ hab ich viel getanzt. Die einzige reine Freude sind immer nur die Kinder – und dann die Hoffnung auf Entspannung – die Reise nach Spanien  !1 Unterwegs in der Elektrischen seit Tagen an einem Gedicht gedichtert – aber wie kann so etwas gut werden „wenn es so verschleppt“ wird (s. o.) Wenn ich tot bin Und die Gebeine, Die ich nicht kenne, Im Sarg drin – Und meine Seele, meine, Die ich selber bin, Sie wandelt heimgekehrt Ins Immerblühn Die immergrünen Wiesen hin – Die feinen Gräser biegen sich / zu ihren Füßen unversehrt Die Rehe schmiegen sich / an ihren Knien – Und sonderbar – die Haare wehen ihr im Gehen Die Haare wieder jung – Um eine Stirn, die nicht Erinnerung beschwert – Ich laß nicht, was ich weiß Und was mich alt gemacht, Was mich verzehrt – Will meine Tränen weinen, Wenn sich die nackten Zehen 391

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Wundstoßen an den Steinen Das muß noch besser werden. Wenn ich tot bin Und die Gebeine, Die ich nicht kenne, Im Sarg drin – Und meine Seele, meine, Die ich selber bin, Sie wandelt hin die immergrünen Wiesen Ins Immerblühen heimgekehrt, – Die Gräser stehen Unversehrt Zu ihren Füßen – Die Rehe drängen sich an ihren Knien – Und sonderbar die Haare, wieder jung, Sie wehen ihr im Gehen Um eine Stirne schlicht, Die nicht Erinnerung beschwert – Ich laß nicht, was ich weiß Und was mich alt gemacht, Was mich verzehrt Will weinen, jauchzen, weinen Wenn sich die nackten Zehen Wundstoßen an den Steinen. Spanische Reise Am 16.IV.1926 um 7h15 früh vom Ostbahnhof abgereist. Waggon ziemlich leer, Gespräche unterblieben, da die paar Mitreisenden Tschechen waren. Die Grenze in Tarvis ohne Sensation, da wir schon ganz auf Spanien eingestellt waren. Schöner Tag, noch schönerer Abend, die hohen Berg um Tarvis herum (Schnee bis unten) rot über­schienen. „Meine“ Tagliamento-Landschaft schon im verlöschten Tag. Ein Herr steht gegen die Glastür des Waggons  : in seinem Rücken spiegelte sich das ganze Koupé. Man sieht die Schultern, den Kopf und sieht doch wieder zugleich alles vom Koupé gedämpft darin. In Mestre gut aber bahnnahe übernachtet.2 Am 17. nach Genua mit langem Aufenthalt in Mailand  ; von hier ab zweite Klasse, da kein Platz in der dritten. Nach Sonnenuntergang in Genua angekommen, visà-vis bei Stella genachtmahlt und dann per Taxi zum Hafen. Dort per barca aufs 392

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Schiff, das hinter einem kolossalen anderen davor unansehnlicher aussah als es ist. Über die Strickleiter an Bord. Die barca verlangte 30 L[ire], hatte Anspruch auf 4 und war zufrieden mit 10. An Bord der Kapitän, (Stewart auf dem Land), die Kabine eilig hergerichtet, primitiv, aber ausreichend. Auf Deck noch lange auf zwei Streckstühlen gelegen, der Hafen, ein prachtvolles Kreissegment in das der Himmel seinen Überfluß an Sternen geworfen hatte, überdies noch Feuerwerk um eine Kirche in der Höhe. Das Wasser wie ein Spiegel. Wir gingen zu Bett, merkten kaum, als wir gegen Mitternacht ausfuhren und erwachten erst früh, als wir bei Porto S. Maurizio (jetzt Imperia) ankamen.3 (18.) [April] Wir lernten unsre Reisegefährtin kennen – die einzige Passagierin auf dem Frachtdampfer – eine sehr alte Dame, Organ u. Tonfall vom alten Fischer, die Witwe nach einem Beamten (Direktor  ?) d. Länderbank in Wien. Sie wollte die Schiffsreise Genua–Valencia u. wieder zurück machen, um zu erproben, ob sie sich denn noch so etwas zutrauen dürfe. „Was soll denn passieren  ? Höchstens daß man seekrank wird.“ Und auch dagegen hielt sie sich durch Motherthill für geschützt. Wir gingen in Porto S. Maurizio spazieren  ; die steile Küste hinauf durch Gartenterrassen mit Agaven, Palmen und blühenden Rosenhecken zur Altstadt, die nur durch reizvoll geführte Gassen nicht durch Einzelgebäude sich auszeichnet. Der Himmel war tiefblau, doch ein eisiger Wind ließ die Sonne nur an ganz geschützten Winkeln zur Wirkung kommen. Sonntagvormittag  : Mädchen in Kommunionsschleier gehüllt um ein vorgetragenes Kreuz sich drängend – Kinder in weißen Schulschürzen auf einem […]platz – Reigen tanzend. Zu Mittag auf dem Schiff  ; der Kapitän verschiebt die Abfahrt, weil der Mistral (er spricht Maëstral) zu stark weht. Wir legen uns auf unsere Streckstühle, aber wie wir ausfahren ist es kaum oben auszuhalten, so tobt der Sturm. Hans geht hinunter und ich bleibe noch über meinen Mantel u. Plaid auch in seinen schweren gewickelt. Gegen fünf kommt Hans herauf. „Wie geht es dir  ?“ „Mäßig“, sagt er u. sieht verfallen und entgegenkommend aus. „Schon gespieben  ?“ frag ich weiter. „Nein, aber nur eine Frage der Zeit.“ Er kam dann noch die Stiege vom Deck hinunter. Das weitere hörte ich nur mehr …4 Ich blieb oben und fror. Aber es war schließlich doch zu kalt u. ich ging hinunter in den sicheren Tod. Hans ging um sechs zu Bett. Mir war so elend zu mut, daß ich vom Sofa in der Kabine nicht aufstehen konnte, um mich niederzulegen. Hans legte seine Hand auf meine, da wurde es mir mit einem mal ganz leicht im Kopf, schnell streifte ich die Kleider herunter und war mit einem Satz oben in meinem Bett. Wir schliefen tief und erquickend bis zum Morgen. 19.IV. Man sieht das Chateau d’If und die Felsen der Küste, die kalt und zermugelt ausschauen. Das Meer ist ruhiger, der Himmel verhangen, als ob es regnen wollte. Die 393

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alte Dame hat einen Hexenschuß bekommen. Wir warten lange auf die Paßbehörde, auf der Mole draußen sitzt ein „negroider“ Typ, hat eine helle blaue Mütze und einen dunklen blauen Rock, veilchenfarbene Socken und rote Lederschuhe, die er eifrig mit einem Stück Papier zum Glänzen bringt. Wie wir endlich in die Stadt dürfen schauen wir die Auslagen an, naive Freude des Seefahrers, der nach langer Reise an Land geht. Wir suchen die Plätze auf, die wir vor 11/2 Jahren bei unserer Herbstreise durch den Midi kennen gelernt haben, essen in dem selben Lokal wie damals, das nur dem entwerteten Franken mit ein auf 9 Franken hinaufgesetzten Menu rechnungträgt. Dann per Elektr[ische] hinaus in die Corniche, ein Rundgang durchs Antiken­ museum, ein Sonntag unter den Pinien des Trabrennplatzes, ein Sonntag hier im Park Borély, in dem ich hier schreibe.5 21.IV. Wir mußten am Abend aufs Schiff zurück, uns wärmer kleiden. In der Kajüte saßen der Kapitän etc. mit der alten Dame beim Speisen und die alte Dame eilte sich sehr, weil sie nachher mit dem Koch in die Stadt wollte, eine Rundfahrt machen u. alles von ihm erklärt bekommen. Der Koch hatte ja zu einer anderen Stunde keine Zeit. Draußen aber war es schon finster u. da schlugen wir ihr vor, sich doch lieber am nächsten Morgen uns anzuschließen. Nachher gingen wir in den „Alcazar“ und sahen die blödeste aller Revuen und blieben nicht bis zum Ende. Dachten uns aber dazu eine viel lustigere aus von dem Koch u. der alten Dame u. allen Vergnügungslokalen der Welt. Fast wäre die Rolle für die Werbezirk umzuarbeiten – denn die alte Dame hatte sich auch inzwischen aus ihrer arischen Erscheinung in eine Schwester des Felix Dörmann verwandelt …6 Wir schliefen herrlich, die heilige Ruhe auf dem Schiff. Am nächsten Tag dann eskortierten wir die alte Dame in die Stadt und kamen schließlich auch in das Museum, sahen uns die Pugets an, die wir schon kannten, eine Bronze (Ratapoil) von Daumier, dann die Bilder oben, die wir noch nicht kannten, weil dieser Teil vor 11/2 Jahren wegen einer Monticelliausstellung geschlossen war. (Guter riesengroßer Castiglioni, gute Franzosen Mitte des 18., ödester Courbet (Hirsch). Hans kaufte um 12 fr einen Katalog mit 162 Abb. (es lebe die Inflation) der 12 kl wog, eine Reisemütze, […]. Wir aßen in d. Stadt, kauften Schinken für den Abend ein u. gingen um 12 aufs Schiff, das gegen eins von Marseille abfuhr. Wir blieben an Deck u. sahen noch lange Notre Dame de la Garde, die Krone der Stadt hinter uns u. sahen den Himmel und das Meer das vom Mistral zum Scirocco Farbe, Licht u. Dichte wechselte. Wir mußten bis zum Abend die Küste entlang fahren, da der Wind zu stark war und der Kapitän Kohle sparen wollte (auch war er schonungsvoll aufgelegt, da seine Gattin seekrank war). Als es finster wurde, gingen wir schlafen und erwachten erst im Angesicht der spanischen Küste, die hügelig, mit weißen Spielereidörfern besät, sich Nord-Süd in unserer Fahrtrichtung hinzieht. Kleine weiße Segel tanzen auf den Wellen. Es ist 394

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milder, obwohl die Sonne hinter den ziehenden Wolken noch keine Kraft hat. Ich glaube, wir sind schon „seefest“. Sogar das Frühstück in der Kajüte machte keinen Eindruck mehr auf uns. Gegen 11h vormittags sollen wir ankommen (statt um 5h früh, wenn kein Wind gewesen wäre …) Wir haben das Schiffsreisen lieb gewonnen …7 22.IV. Barcelona. Es war das komplizierteste Ankommen der Welt. Wir waren da u. waren nicht da. D. h. der Lotse war auf Deck geklettert u. hatte das Kommando übernommen u. hatte uns ganz draußen anlegen lassen, weil drinnen im Hafen kein Platz war und der Kapitän war beleidigt Mittagessen gegangen u. hatte sich um nichts gekümmert. Und wir fielen in die Hände von einem spanischen Reisenden, von einem Tenente, einem Untertenente, einem Barkenführer, einem der den Barkenführer geholt hat, einem Gepäckträger, einem Kutscher, einem Zollbeamten und einem Herrn der keine andere Funktion hatte, als auf dem Bock unseres Wagens zu sitzen u. was weiß ich noch alles und hatten schließlich uns und unser Gepäck drinnen im Hôtel, das zwar 15 Peseten pro Kopf kostete, aber durch fließendes warmes u. kaltes Wasser im Zimmer versöhnte. Diese Ankunft hat viel Geld gekostet, aber nachher die Entdeckung, daß alle Schnellzüge auch 3. Kl[asse] haben, hat uns wieder ins Gleichgewicht gebracht. Es ist hier in Barcelona noch immer sehr sehr kalt  ; es scheint, daß wir den Mistral hergebracht haben, dabei [ist] alles auf Sonne eingerichtet. Palmen in den Höfen und Gärten, Plachen über den fröstelnden Caféhaustischen, im Museum die Vorhänge heruntergelassen. Wir waren gleich gestern noch im Museum u[nd] z[war] im städtischen, wo die alte katalanische Kunst untergebracht ist. Die schönsten stärksten Dinge sind dort die Fresken aus [ein] paar pyrenäischen Kirchen, die ohne Imitación aber doch mit der Solemnidad eines kirchlichen Denkmals aufgestellt sind. Abends hatte ich vom Frieren, Schauen und vor allem vom erbärmlichen Pflaster – von dem Lärm nach der Seereise einen kleinen Kollaps, so daß ich gleich nach dem Nachtmahl schlafen gehen mußte.8 Heute waren wir früh in den Kirchen „ohne Details“, dann im modernen Museum, um den Direttore zu finden, der französisch kann u. sehr liebenswürdig Auskunft u. Empfehlungen gab. Er ist blatternarbig, aber das sieht gut aus  ; die Oberfläche ist „optisch belebt“. Die katalanische Kunst des 19. Jhs ist ebenso langweilig wie jede andere Provinzkunst. Die modernen Ankäufe sind an die fünfjährigen Ausstellungen gebunden, nur in diesen – heimatliche aber auch internationale Kunst – darf gekauft werden u. was gekauft wird, wird gehängt. Von Picasso, der von seinem 6. bis zu seinem 25. Jahr in Barcelona lebte, wo sein Vater Professore an der Academia war, ist ein „Don de 1921“, ein Pierrot aber schon ein nachkriegszeitlicher mit großen Pratzen …9 Ein zweiter Besuch im alten Museum hat uns die eindrucksvollen Fresken bei besserem Licht sehen lassen. Gegen eins gingen wir dann zum Bahnhof, unser 10.000 Klm Heft bestellen. Es ist furchtbar viel, was wir da reisen müssen und Hans meint, 395

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es wird in Anbetracht der Bänke in der 3. Klasse eine harte Arbeit sein. Wenn ich hier in Barcelona sterbe, muß Hans die 10.000 Klm allein abreisen, rundumadum, rundumadum  ; er wird dann oft voll Neid an mein ruhiges Grab am Fuß des Montjuic denken und mein Loos segnen …10 Nach Tisch Siesta – die der Baedeker allerdings nur für die heißen Tage zubilligt. Als wir auf den Tibidabo aufbrechen wollten, tröpfelte es mächtig. Da gingen wir in den Dom, um dort die Gegend ein wenig zu besehen, bevor wir morgen den vorgeschriebenen Rundgang machen. Beim Hineintreten war es finster wie in einer Kiste. Ein Kind wurde getauft, die Frauen mit schwarzen Schleiern, kleine Mädchen in große weiße gehüllt. Im Kreuzgang beim Dom blieb ich allein u. zeichnete. Die Architektur hat mich dazu gereizt, aber schließlich ging ich auf die Gänse über, die dort eine Art Inventar sind wie die Wölfe am Kapitol …11 Hans holte mich dann am Abend dort ab und wir schlenderten heim  ; im Palacio de la diputación mischten wir uns unter die Leute und kamen über die schöne Stiege zu der offenen Sala d’audienza, wo man für Morgen – Fest des hl. Georg spanischen Erzpatrones – den Blumenmarkt herrichtet …12 Die erste von zuhause nachgeschickte Post brachte nur Unannehmlichkeiten – aber den Kindern geht es gut … 23.IV. Fest des hl. Georg darum alle Museen zu, der Domschatz zu. Dafür reichlich versöhnt durch die anderen Eindrücke. Erst in der Früh (nirgends schläft man tiefer u. erquickender als in Barcelona  !) in der Kirche S[an] Pablo in Campo, goldgelbes Mauerwerk, klare kräftige Form, schlicht und selbstverständlich. Das muß so sein – roma­nische Kunst. Vielleicht die älteste christliche Anlage, außerhalb der Stadt – in Campo  ! – man spürt die ersten Fußstapfen der Christianisierung  ; hier fängt Geschichte an …13 Ein kleiner Bub in gestreifter Schürze führt uns in die Kirche, öffnet uns die Tür in den Kreuzgang, begleitet jeden unserer Schritte, jeden Seufzer des Staunens über diesen farbig freudigen Eindruck, die goldgelben Säulchen, die schwarze Holzdecke, den Boden mit den eingesetzten grünen Fliesen, den Garten in der Mitte, wo die duftigen Asperaggi wie ein Springbrunnen sprudeln und sinken. Er begleitet seine Opfer die ihm verfallen sind mit dies oder viente centesimos …14 Im Kreuzgang steht ein dicker Preti und liest die Zeitung, während durch die offene Kirchentür der liebe Gott sich mit Geklingel gerade offenbart. Der kleine Bub stellt sich neben den Preti und liest mit ihm die Zeitung. Er hat uns vergessen u. erinnert sich auch nicht wieder, als wir uns an der Tür bemerkbar machen, als wir ihm winken –. Er liest die Zeitung … Im Dom war es heut am Morgen ein wenig heller, so daß man doch – wenigstens im Westen, wo der moderne Kuppelbau Licht hereinholt, den Umriß sogleich erken396

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nen konnte. Auch hier gran F[i]esta. Die scharlachroten Mäntel der Geistlichkeit in dem ins Längsschiff hinein gebauten Gestühl flammen wie Höllenglut, denn jeder der Herren hat ein Licht bei seinem Sitz, das ihm das Buch beleuchtet. In den Kapellen sitzen im dunklen Geheimnis der Beichtstühle die Pretis und lassen die Scharlachroten Mäntel wieder aufleuchten, wenn das Beichtkind sie verläßt. Dann sitzen sie in ihrem Gehäuse, breit und raumfüllend und ihre fetten Lippen zappeln die Gebete aus dem Buch herunter, das sie mit beiden Händen halten. Ein Knacken und die Vision verschwindet, sie haben die Elektrizität abgedreht, ein Beichtkind ist hineingetreten. 24.IV.26 Gestern hab ich den Hans allein zum Bahnhof gehen lassen, das Kilometerheft abholen. Der Beamte gab ihm gleich um 21/2 Peseten zu wenig heraus, er zog sich das Trinkgeld für die Ausfertigung ab und schüt- Abb. 74  : Kloster Sant Pau del Camp. telte Hans die Hand …15 Dann fuhren wir durch die ganze Stadt per Tram, wieder per Tram und schließlich Funicular auf den Tibidabo, den Aussichtsberg im Osten der Stadt. Bei einer Umsteigestelle wurden wir von den ersten Zigeunerinnen angebettelt. Großgewachsene Weiber, denen das schlichte lange Haar um die schlanken braunen Gesichter hing, eine Redesuada, die Angst macht – ebenso wie die gierigen Affenarme, die nackt aus den umgehängten Tüchern greifen. Den Berg hinauf fährt man durch das neugebaute Barcelona, Häuser wie Filmbauten, ein Lunapark – so unwahrscheinlich unbegrenzt in der Phantasie wirkt dieser „neukatalonische“ Stil. Oben war es erst so kalt, daß wir uns mit einer kurzen Rundsicht auf den Steinhaufen unten und das Meer am Saum begnügen wollten. Dann aber liefen wir erst zur Erwärmung, dann zum Genuß den Berg hinunter und hinunter (zur Rabassada ein Hôtel). Alles noch zu, vorsaisonmäßig. Schließlich kein Haus mehr, nur Blick ins Grüne, weite Hänge, Hügel und Berge gegen Norden. Es war wie der Sommerwald in der Gegend um Wien nach einem Regen, so tiefgrün u. frisch – wenn man aber näher zusah, so waren es perennierende Sträucher, dickblättrig, lederlackiert. Die Bäume Zypressen. Die Sonne ging in einer orangenfarbenen Wolke unter, die Baumstämme wurden blau und grau, endlich, wie wir wieder oben waren, um einzusteigen, erblühten die Lichter der Nacht unten in den Straßen und weit weg die Häfen lagen als Licht umsäumte dunkle Tücher darin. Beim Hinunterfahren hatten wir die breiten Schirme der Pinien erst unter uns und 397

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rutschten dann die Stämme hinunter, immer wieder, erst Schirm, dann Stamm. Hans hat mir Blumen gepflückt, eine Art Enzian und ein wunderbar wie Salbei duftendes graues Kraut, das violett oder weiß wie Malven blühte – damit ich am St. Georgstag doch auch Blumen bekomme – der Sitte von Barcelona entsprechend. Ich hab dem Georg (– und auch Georg hatte) geschrieben …16 Heut früh fuhren wir bei tröpfelndem Wetter ab nach Tarragona. 25.IV. Der erste Tag in Tarragona war besser als uns der nasse Morgen erwarten ließ. Vor allem war die Eisenbahn eine angenehme Enttäuschung  : die Wagen breiter als bei uns, wohl gepflegt und 2/3 leer. Der Rest angenehmes Publikum, ein Jüngling neben mir sogar, mit hellen Gamaschen über den schwarzen Lackschuhen. In Tarragona ließen wir unser großes Gepäck auf der Bahn und gingen ins Hôtel Continental, das der Baedeker als „mit modernem Komfort“ anpries  ; aber der Baedeker ist von 1912  ! Dann der Gang durch die Stadt, erst die Rampe hinauf mit dem Blick aufs Meer  ; ich hatte mein Skizzenbuch im Hôtel gelassen, da der Ort als Festung noch gilt u. das Zeichnen verboten ist. Die Stadt selbst ein zeitloser gelber Steinhaufen, aber die Kathedrale hoch oben wie in Honig getaucht. […] Markt, Zwiebelgeruch. Mancher Stand nur ein Sacktuch Platz vor dem hockenden Verkäufer, eine Handvoll Muscheln darauf. Der Dom innen ist klar und durchsichtig gegliedert, alte Fenster, die als bunte Lichteffekte in den Mauern glühen. Wir haben am Nachmittag den Rundgang in d. Kathedrale fortgesetzt und waren im Kreuzgang, der geräumig, goldgelb zum Grün in der Mitte, an der Südseite der Kirche liegt. Frauen hatten große blumengefüllte Körbe darin abgestellt  ; als sie sahen, daß ich mir eine heruntergefallene Fliederstauden holte, reichten sie mir einen Strauß. Der Aufseher des Diözesanmuseums, das seit kurzem in einem Trakt am Kreuzgang errichtet ist, nannte mir die Namen u. freute sich, daß sie genau mit den französischen stimmten. Ja so ist es, als Gott den Adam erschuf, da machte er gleich nebenher aus einem noch gröberen u. dauerhafteren Stoff den Katalonier. Und eigentlich stammten die meisten Völker von diesem auch ab  ; die Franzosen haben eben ihre Sprache vom Katalanischen abgeleitet …17 In der Kapelle der hl. Thekla, die irgendwo im Grünen im Komplex der Kathedrale steht, saß ein älterer Mensch mit einem melancholischen Schnurrbart und ­einem Ehering an den braunen Händen und spielte Harmonium  ; das sah aus wie eine aufgestellte Eierkiste. An seiner Seite saßen zwei größere Buben, blätterten um und sangen u. schienen den Lehrer zu bemuttern. Auf einer Bank gegenüber drei andere, sangen und wippten sich, die Hände um das aufgezogene Knie geschlungen. Es klang wie Blech, so spröd …18 Am späteren Nachmittag gingen wir aus der Puerta hinaus zum römischen Aquädukt. Alle Mädchen, an denen wir vorüber kamen, baten mich um eine Blume. Ich 398

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gab sie aber nicht und war später dann froh sie gegen den Straßenstaub vor meiner Nase zu haben. Wir fragten erst einen alten Soldaten um den Weg, der so aussah wie ich die altösterreichischen Wächter in Erinnerung hab und sich mit seinem rollenden R und […] L sich ganz gut verständlich machte. Auch fragten wir einen Lämmerhirten, der aber obgleich nur zwei klm von der Sehenswürdigkeit entfernt, doch keine Auskunft geben konnte. So ein Lämmerhirte ist in jedem Land aus einem homerischen Gesang heraufgetaucht … Zum drittenmal fragten wir bei der Stadtgrenze von Tarragona  ; da bekamen wir eine ungemein präzise Wegbeschreibung vom Aufsichtsorgan. Die eigene Frau verlor über die eingehende Auskunft die Geduld u. wollte es kürzer machen, wurde aber zur Ruhe verwiesen. Die Sonne ging flammend orange unter, die Hügel wurden pathetisch, die Häuser Blöcke, die aus der Antike die gefaßten Formen zu schöpfen schienen. Wir schoben das Lichtschauspiel auf die Meeresnähe, aber es entpuppte sich als Vorbote des Sturms, der überall von so blendendem Heroldsmantel angezeigt wird. Und er kam über Nacht, aber wir waren schon so ganz darauf eingestellt, den heutigen Tag in Poblet zu verbringen, daß wir uns durch das Wetter nicht abschrecken ließen. Um ½ 8 brachen wir mit der Bahn nach L’Espluga de Francolí auf. Erst am Meer, dann durch den fruchtbaren Streifen Erde, der zur Öde der ersten Sierra führt. Ich hab im Zug gezeichnet und eines meiner Objekte versicherte mir, daß nach seiner Meinung u. der Meinung aller anderen Anwesenden (er begleitete den Ausspruch mit einer Handbewegung die den ganzen Halbkreis von Zuschauern meiner Zeichenkunst umfaßte) „meine Hände sehr gut zum Zeichnen wären“ (buenas manos a dibujar). Es war ein sehr zugiges Koupé, der Hut vom Hans flog zum Fenster hinaus. Wir bekamen dadurch etwas Bemerkenswertes u. bei jeder Station gaben uns die Aussteigenden den Einsteigenden weiter. Der Weg nach Poblet war furchtbar  ; ich kann mich gar nicht erinnern je so gefroren zu haben. Vielleicht im Klosterneuburger Stiftsmuseum, das ich in diesem Winter am Tage des ersten Schneefalls besuchte …19 Mit uns ging ein Verein der Dekorationsbildhauer von Barcelona nach Poblet, die hatten alle photogr[aphische] Apparate bei sich. Am Fuß der Sierra liegt die gelbbraune Ruine, eine kolossale Zisterzienser Anlage, romanischer, gotischer, barocker Zeit, in den 20ger Jahren des 19. Jhs von den Carlisten aus politischen Gründen verwüstet. Die Kirche (romanisches Mittelschiff, gotische Seitenschiffe) der Kreuzgang der Bau des Königs Martin, der Schlafraum u. s. w. alles sehr bedeutende u. gerade durch ihre vollkommene Ausgeräumtheit eindrucksvolle Bauten, die sicher noch 1000x schöner wären, wenn der blaue Himmel darüber wäre …20 So aber fühlen wir uns persönlich benachteiligt, gingen zur Station zurück. Hans machte mir gegen den Sturm „Rückendeckung“  ; sitzen hier im Warteraum u. warten unsere – zwei Stunden auf den Zug zurück nach Tarragona. – 399

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26.IV. Wir erwachten bei blauem Himmel, frisch, aber warm in der Sonne. Das war ein schöner Morgen. Wir machten den Passeo mit der Aussicht aufs Meer noch einmal in dem schönen Licht, gingen noch einmal zum Dom hinauf, der noch goldgelber leuchtete, ging noch einmal in den Kreuzgang, der noch festlicher mit seiner grünen Wildnis im Hof dalag, daß man kaum von einem zum anderen Flügel durchschauen konnte – und endeten schließlich im Antikenmuseum, das ein paar ausgezeichnete antike Skulpturen und noch größere Überraschungen aus Poblet enthielt. Die Aufschriften waren sehr lustig z. B. bei einem Relief  : ein bartloser Mönch zwischen bärtigen – stand eine Frau zwischen zwei Mönchen, die sie mit bedenklichen Blicken anschauen u. s. f. Gegen elf fahren wir nach Valencia ab, das Coupé schien voll, aber es stellte sich im letzten Moment als nicht so arg vor, das meiste waren Begleitpersonen …21 So lassen wir das nordische Katalonien zurück, das bei Gott nicht Spanien sein will, – – die dicken kurzbeinigen Männer glattrasiert, alle wie Matrosen, schwer und doch schlau – die dicken Frauen mit den tiefliegenden Augen bürgerlich wie französische Provinzler, die gut gehaltenen Kinder … die reinlichen Städte … die Wasserspülung …  ! Valencia. Die Fahrt her war wundervoll. Der Streifen an der Küste ist durch alle Künste jahrhundertelanger Erfahrung fruchtbar gemacht  ; der rote Humus trägt die Orangenbäume, die ihren Blütenduft Kilometer u. Kilometer ins Coupé hereinschicken … Dann kommen die silbergrauen Ölbäume, die Mandelwälder u. dazwischen, wenn die graue Sierra bis ans Meer herantritt, Thymian, Eriken, Lavendel. Am großartigsten wirkt die Akropolis von Sagunt, das die letzte größere Station vor Valencia ist. Hier hat sich der Himmel schon umzogen, die regenärmste Gegend der Welt („der Niederschlag ist gering und verteilt sich auf nur wenige Tage im Jahr“ sagt d. Baedeker) hat natürlich, da wir Schlehmile uns nahen, das Glück einen warmen Sommerregen zu empfangen. Und es regnet noch bei unserem ersten Rundgang durch die Stadt, bis es finster wurde, sodaß der maurische Eindruck sich gar nicht einstellen wollte. Am besten hat mir die Börse gefallen, eine Riesenhalle mit gedrehten Säulen u. gotischer Decke, in der es aber eigentlich wie in einem Palmenhaus aussieht. Sie ist schon als Börse im 15. Jh. gebaut worden …22 27.IV. Der Vormittag hier in Valencia war sehr anstrengend, denn überall hieß [es], ja jetzt ist serrado (abgesperrt) aber kommen sie in einer halben Stunde oder kommen sie in einer Stunde u. s. f. im Collegio durften wir nicht in die Capella della purissima conceptión, weil der Aufseher Angst hatte, wir könnten seine Sägespäne (er kehrte gerade den Hof ) hineinverschleppen, durften nicht ins Museo, weil der Rektor, der 400

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den Schlüssel hat, spazieren war, durften nicht in die Kirche, weil ich keine Mantilla hatte. Ich musste mir mein schwarzes Fransentuch um den Kopf drapieren …23 In der Kathedrale haben sie nicht bis 10 – wie es der Baedeker in Aussicht gestellt – sondern bis 11 Chor gesungen und auch nachher mussten wir die Bildbetrachtung immer wieder unterbrechen u. vor irgendeinem pompös daherwehenden Preti oder Arzobispo die Reverenz machen. Ja, es ist ganz anders hier als in Italien … Nach der Siesta waren wir im richtigen Museum, das z[um] T[eil] in Umstellung ist. Wir waren glücklich so den einen Teil der vorhandenen Gemälde vorenthalten bekommen zu haben, der Rest war fast durchaus unerfreulich  : Goya ragte wundervoll aus der übrigen Gleichgültigkeit heraus. Die Galerie gehört zur Akademie u. da waren auch die Konkurrenzstücke offenbar der letzten Klasse ausgestellt  ; Thema  : eine Kohlezeichnung nach der Venus v. Milo, ein modellierter sitzender Akt, eine Gruppe Ringer, – also nach dem antiken Original, nach dem Lebend-Modell, eine freie Erfindung – alles noch wie vor 300 Jahren. Beängstigende Fieberträume die „moderne Malerei“ darunter eine Kollektivsammlung von einem Valencianer. Hans meinte, so würde es ausgesehen haben, wenn der Casparides damals sein „Œuvre“ (d. h. seine Ladenhüter) dem Staat hätte schenken dürfen …24 Abendausflug nach […], wo wir auch wegen der Schiffsverbindungen uns unterrichten wollten. Am Strand selbst war mir schon zu kalt, aber etwas weiter drin auf einem Stein am Weg setzte ich mich nieder und zeichnete, während Hans zu den Navigazionsagenzien ging. Ich hatte sicher 40 Personen um mich, so eng gedrängt, dass ich keine Bewegung machen konnte, ohne an einen begeisterten Zuschauer zu stoßen. Alle Altersstufen, vom Greis zum Säugling, Männer u. Frauen. Es war ein Höllenlärm. Eine Fliege saß auf der Stirn meines Modells. „Ja zeichnet die Fliege mit“, jubelten die Leute. Da kam ein großes Sacktuch von der hinteren Reihe nach vorn ausholend u. wehrte uns beiden die Fliegen ab. Die alte Maria schlug vor Freude die Hände über den Kopf, als sie sich fertig sah  : „Es bonito  !“ rief sie immer wieder und nach ihr drängten sich die Modelle vor. „Warum mich nicht  ?“, schrien sie mich an, wenn ich abwinkte  ; die Liebhaber wollten ihre Schönen empfehlen. Ich zeichnete noch ein Kind und inzwischen haben die Mütter ihre Kinder köstlich frisiert, damit sie schön wären, wenn die Reihe an sie käme. Aber ich schloß mit „mañana“ und ging mit Hans davon. Sonderbarer Weise hab ich keine Laus abgekriegt – aber vom Hans eine feine rote Nelke, die mir in der Nase duftet, während ich hier schreibe. 29.IV.1926. Ich sitze schon im Zug in Murcia u. nütze die Zeit aus, bis er fährt. Es ist Abend, ¼ 8, aber man sieht noch ohne Licht. Den ganzen Tag war es kein anderes Licht. Ein bleischwerer Himmel wie bei uns im August, wenn die geteerten Straßen dampfen. Am Himmel die Sonnenscheibe bleich wie der Mond. Schon gestern Abend hat uns Murcia so unheimlich empfangen. Wir hatten den Tag zuerst mit dem erfolglosen 401

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Suchen einer Schiffahrtsgesellschaft in Valencia und dann auf der Eisenbahn verbracht. Die Landschaft war aufregend  : Wüste, Felsenschluchten u. Wüste, ohne eine Pflanze oder nur das Spartgras (aus dem sie die lustigsten Körbe machen) spärlich darauf – und denn die üppigste Huerta mit Fruchtbäumen u. Palmen Dickicht, daß man kaum die rote Erde durchsieht. Der Sonnenuntergang war märchenhaft, ein schwefelgelbes Licht zwischen einer grauen Wolke u. der ebenso grauen Sierra, beide Streifen gleich gezackt. Es war Weltuntergang oder noch eher das Unbewohnte, das noch wartet. Der Segen des Humus der ausgeblieben ist … Ich hab im Zug gezeichnet. Unter anderem auch eine alte Frau, die auf einem Aug erblindet war  ; die wunderbar gehalten hat. Vielleicht eine Stunde ohne sich zu rühren. Das sehende Aug hat nach innen geschaut. Ich hab das andre Aug anschauen können u. es hat nichts von mir gewußt. Während ich sie zeichnete, war mir’s wie in der tiefsten heiligsten Stille. „Wer wird früher sterben“, fragte ich mich – „du oder ich  ?“ Aber sie sah schon aus wie tot. Ich erschrak, als sie das schwarze Tuch herunter nahm und ein ganz kleiner runder Affenkopf mit spärlich schwarzen Haaren sich ans Licht schämte …25 Und dann die Ankunft in Murcia, von dem d. Baedeker sagt, daß dort das kulturniedrigste Volk von Spanien sei, auf dem Bahnhof ein Hexensabbath der Kutscher und Träger. Einer tanzte um uns wie ein Kreisel zu Beginn. Wir flohen zufuß in die Stadt, die wie ein elendes Fischerdorf sich präsentierte. Im Handumdrehen ist man auf einem Platz, auf dem zwanzig vornehme Autos stehen. Eine Brücke mit rauschendem Fluß. Das Hôtel steht erst seit 2 Jahren (Regina), der Wirt empfing uns mit einer köstlichen Rede. Er zeigte seine Herrlichkeiten. Die Aussicht (es war draußen finster), eine Pflanze im Topf „Wie zart sie ist  !“ – […] das Water Closet – in dem das Wasser fehlte  ! Die Kellner kamen in Fräcken, 9 Gänge gab es zum Nachtmahl. Aber in der Nacht ein zu heißes Bett u. Moschitos. Wir hatten noch am Abend die Stadt besichtigt, die barocke Fassade der Kathedrale mit der elektrischen Birne auf dem Ziffernblatt und die Hauptstraße, die noch am ehesten wie einst der Rio Terrá in Venedig aussieht, mit den ziehenden Leuten, den Promenierenden zwischen an die Mauer gerückten Strohstühlen der Zuschauenden. Wenn es sehr heiß ist, so sind die Plachen ganz oben an den Häusern über die ganze Straße gezogen. Für den Wagenverkehr ist sie immer abgesperrt … Bei Tag sah die Stadt nicht viel weniger uneuropäisch aus als bei Nacht. Der aufstrebende Ehrgeiz wechselt gut mit grenzenloser Primitivität. 8 Stock hohe neue Häuser mit gassenweit niedrigen Kaleschen, hinter deren Fenster – oder Balkongittern die Kinder wie die Affen klemmen. Es hat uns Freude gemacht Wappen u. Inschrifttafel unseres Salzburger Erzbischofs M. Lang an dem Turm der Kathedrale wiederzufinden. Interessant sind nur die großen Prozessionsstatuen (28 Männer tragen einen solchen Aufbau), die die Szenen der Passion in bunten Figuren darstellen (Zarcillo)  ; nur der Christus u. die Muttergottes sind dabei in wirklichen Kleidern – für diese hat der Künstler, weil er nur Kopf, Hände u. Füße 402

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zu schnitzen hatte, viel weniger gezahlt bekommen als für die ganz durch geschnitzten anderen Figuren. Der teuerste war der Engel vom Ölberg  ; so eine Aktfigur macht immer am meisten Mühe …26 Am Nachmittag haben wir im öffentl[ichen] Garten gesessen, eigentlich eine Wallpromenade zwischen prachtvollen Gärten. Ich habe zu zeichnen versucht, aber der hemmungslose Betrieb um mich herum hat mich zu nervös gemacht. Vielleicht auch die Luft  ; vielleicht auch … Granada 1. Mai 1926. Wo bin ich stehen geblieben  ? Ach ja am Passeo in Murcia. Die Landschaftseindrücke  – Ortswechsel sind so stark, jeder Tag ist himmelweit vom vergangen. Also wir fuhren am Abend um 1/2 8 von Murcia ab (nach Lorca)  ; gleich bei der nächsten Station mußten wir umsteigen und auf dem Bahnsteig eine Abb. 75  : „Wer wird früher sterben – du oder ich  ?“, Stunde und mehr auf den Zug der uns weiter führen Pablo Picasso, La Celestina, 1903–1904. sollte, warten. Ich saß auf Hansens Koffer und trank zwei Eier aus und warf die Schale weit hinaus über die Geleise. Ein Wunder – sie zerbrachen nicht. Spanien, das Land der Wunder … Die dicke Orangenverkäuferin holte sie zurück, „sie wollte ihre Clavel (Nelke) hineinpflanzen“. Die Züge hier haben vorweltliche Coupés, bei denen der Kondukteur außen herum klettern muß. W. C. fehlt, aber in den Stationen ist ausreichend Aufenthalt. Das Funserl oben hat mich verlockt, Hans in Nachtstimmung auf seinen Koffer gestützt, wie Cato auf d. Ruinen Karthagos, zu zeichnen … Gegen 1/2 12 kamen wir mit großer Verspätung in Lorca an, wo glaub ich, noch nie ein offizieller Spanienreisender war. Ein rattelndes Fuhrwerk brachte uns in den weit von der Bahn abliegenden Ort, in ein vorzügliches Hôtel, – der Morgen erst zeigte uns das malerische Städtchen, das sich den steilen Berg hinauf bis zur (maurischen) Kastellruine hinaufzieht. Eine große Rokokokirche, die so aussieht, wie der Dom in Murcia ausgesehen hätte, wenn der Restaurator des 18. Jhs dort freie Hand gehabt hätte. Wir waren sehr vergnügt, die Reise nach Granada hier unterbrochen zu haben, sie bleibt ohnedies noch lang genug von Mittags bis Mitternacht – Und doch nur um die 4 letzten Stunden zu lang, wenn’s draußen finster geworden ist. Sonst ist so viel draußen vor den Fenstern und drinnen an den Leuten zu sehen, daß man es nicht bedauert, daß der Zug so lächerlich langsam fährt. Er kommt nur an wenigen größeren Orten vorbei  ; die Bahnhöfe sind so voll, daß einem Angst und Bange um sein Plätzchen wird – am Schluß steigen zwei Leute ein. Und auch diese 403

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steigen und wenn der Zug auch eine halbe Stunde gestanden ist, doch erst ein, wenn er […] schon in Bewegung gesetzt wird. Die letzten Minuten hört man es vor allen Fenstern schnalzen – das Abschiednehmen. Bei einer Station fuhr eine Frau mit einem einjährigen Bébé fort  ; es stieg neben uns ein, es war prächtig hergerichtet mit einer Riesenmasche im schütteren Haar  ; die ganze weibliche Bevölkerung des Ortes war zum Abschied mitgekommen  ; sie standen so dicht vor dem Coupé, daß wir aus unserm nicht hinaus konnten … Draußen war wieder trostlose Wüste, tiefgefurchte Falten der übersandeten Felsen mit fruchtbarster Huerta abwechselnd. Aber die Bahn steigt und vor Guadix kommt sie 1300 m hoch  ; die weißen Schneeberge steigen aus der Hochebene auf, trotzdem keine Wolke hier oben zu sehen ist, ist es grimmig kalt. Eingebettet in eine Talmulde, in der es wieder grün aufschießt, liegen die schneeweißen Häuser von Guadix, dahinter die gezackte Sierra Nevada. Diese Schneeberge schauen ganz anders aus als bei uns  : es sind lange Ketten, auf dem grauen, baumlosen, graslosen Unterbau … die Fahrt hinunter (Granada liegt nur 600 m) – unleidliches Geschiebe. Ich bin gelegen, aber die Bank war sehr hart u. ich konnte nicht schlafen. In Granada, in der Fonda Granadina (ausgezeichnet) hatte man auf uns gewartet, die Leute saßen beisammen und wärmten sich an Gluthäferln. Wir hatten uns Spanien anders vorgestellt … Abb. 76  : „Granada sieht aus wie ein Stück Das sagten wir noch nachdrücklicher, als wir heute Heimatboden – in die tiefsten Tropen den ersten Rundgang durch die Stadt machten. Grahineingesetzt.“ nada sieht aus wie ein Stück Heimatboden, Traunfluß und Rosenburg, Ulmen und frischgrüner Grasboden, Bergabhänge und Flußpromenaden – in die tiefsten Tropen hineingesetzt  : Es läßt sich nicht ausdenken, wie überraschend dieser Bergabhang mit der Alhambra am Ufer des Darro ist, ganz übergrünt von den hohen Ulmen … Und in den Gärten diese Phantasmen von südlichen Bäumen von denen wir die Namen nicht kennen … Wir haben die Kathedrale gesehen, die Särge der Eltern und Großeltern Karl V., der dekadenten jüngeren und der tatkräftigen älteren Generation. In einer Seitenkapelle war ein großer Dirk Bouts Flügelaltar – d. h. das Mittelbild (Kreuzabnahme) u. die beiden schmalen Seitenflügel in einen prachtvollen goldenen Altaraufbau aus der Mitte des 18. Jhs eingelassen – eine Art des Denkmalschutzes oder auch Kunstkultes, der wunderbar lebendig wirkt. Am Nachmittag nahmen wir als Ziel die aufge404

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hobene Karthause, deren Sakristei wie eine Tropfsteinhöhle aussieht. Am Weg hin viele Kirchen, mir ist nicht viel davon hängen geblieben, hier ein glitzerndes Rokokosanktuar, dort eine charakteristische Holzdecke. Die Hauptsache bleibt nicht das Gebäude sondern der Platz wo es hingestellt ist und wieder nicht der Platz, sondern die Aussicht, die er gewährt. Die Sierra Nevada, großzügiges Hochplateau und die bezaubernd durchgrünte Stadt …27 Kinder u. Große, die auf den Fremden dressiert sind, sieht man – im übrigen Spanien haben sie gefehlt. Zigeuner mit ihren steilen Hüten und dem intimen Getu, das sie gegen den Fremden zur Schau tragen. In den Felsen wohnen sie in Löchern, in Höhlen  : die Holzverschalung, die die Eingänge deckt, ist bisweilen sogar weiß oder gelb gestrichen  – wir haben Dutzende dieser Höhlenwohnungen von der Bahn aus in der Nähe der großen Orte gesehen. –28 Das Wetter ist trostlos. Schwere Wolken jagen am Himmel, tagsüber hat es nicht geregnet, war aber kalt, daß wir schon ganz verzweifelt waren, bis uns ein Sonnenstrahl wieder hoffen ließ – jetzt um 9h abends (ich sitze im „Salon“, man speist hier so spät  …) regnet’s. 4.V.1926. Sevilla. Seit gestern Abend sind wir hier – endlich warm. Der 2. Mai, der Sonntag in Granada, war der Höhepunkt des schlechten Wetters  ; Kälte, Regen. Wenn zwischendurch einmal ein trockener Augen- Abb. 77  : Mittelalterlicher Judenhut. blick war und sogar die Wolken sich teilten wie tiefschwarze bis ins […] belichtete Wolkenwogen auseinanderzogen und die weißen Zacken der Sierra Nevada frei ließen, hat es mich wunderbar entschädigt … aber nicht den armen Hans, der wahre Wutanfälle, Selbstu. Weltanklagen gegen das Wetter ausstieß. Am Vormittag waren wir auf der Alhambra oben. Ich muß alle Vernunft zuhilfe nehmen, um über das einer ästhetischen Einstellung Entgegengerichtete dieses Stils hinwegzukommen. Bewunderungswürdig, aber in dem jetzigen Zustand zu ausgeleert um lebendig – zu komplett um stimmungsvoll zu wirken. Vor allem  : zu viel „Motiv“. Ich meine, daß der Eindruck bei blauem Himmel wohl anders – aber nicht besser geworden wäre. Hinreißend der Park. Wie ein toll gewordener Wiener Wald, ja, unsere Bäume, aber urwäldlich verdichtet, von Schlingpflanzen unten der Boden, von wucherndem Laub ob der Himmel verwachsen …29 405

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Am Nachmittag blieben wir im Hôtel  ; im großen Schreibsalon unten – Hans schrieb seinen Artikel über Poblet (für die Volkszeitung) und ich zeichnete die freihabende Dienerschaft des Hauses. Auf das Glasdach knatterte der Regen die Musik …30 Am nächsten Tag dann Reisetag, von 7h45 früh bis abends um ¼ 6, zweimal umsteigen. Es war ein netter aber nicht sehr aufregender Eindruck, wie es von der Höhe wieder in die Abb. 78  : Ausblick von der Alhambra in Granada  : „zu viel ‚Motiv‘“. Tiefe, ins Fruchtbare ging. An zwei Salzseen kamen wir vorüber, an einem Fels von dem sich ein liebender spanischer Cavallero mit seiner maurischen Freundin hinuntergestürzt hat (La Peña), der ist wie ein Stück Filmphantasie in die Ebene hinein geschmissen …31 In Sevilla bezogen wir ein sehr großes u. gut eingerichtetes Dachzimmer, das sehr ruhig ist, aber leider nur ein so hoch angebrachtes Fenster hat, daß man nur den Himmel durchsieht. Aber der ist blau. (Am Abend waren wir noch im Kino „mejor es vivir“, Mac  ? Klean, sehr viel gelacht. Heut lieg ich im Bett …)32 5.V. Gestern kam die Post aus Wien  ; ein sehr lieber und lustiger Brief vom Stoffel, ein ganz allerliebstes Brieferl vom Anderl u. sonst lauter Unannehmlichkeiten. Am Nachmittag waren wir in dem phantastisch tropischen Park, der nur durch seine glasierten Tonfliesenbänke für mich unbenutzbar war und sind dann an den Guadalquivir gegangen, der ganz anders aussieht, als man sich ihn nach d. Gedicht vorstellt. Er ist bis Sevilla auch für große Schiffe gangbar gemacht worden u. ist so ein schöner kleiner Hafen geworden mit einer Flußuferbahn u. Kränen, aufklappbare Brücke u. was halt dazu gehört. Am drüberen Ufer kleine Häuser weiß, rosa, grün und wieder weiß und weiß. Das war sehr schön … Dann ging ich nachhaus, schrieb Briefe – Georg u. die Kinder. Heute ist einzig schönes Wetter  !  !  !  !  ! (Abends) Wir waren am Vormittag in der Kathedrale  ; man muß zu den verschiedenen abgesperrten Räumen Eintritt zahlen, offiziell 3 P[eseten] pro Kopf, aber es kommt noch viel dazu und lohnt sich gar nicht. Schön ist doch nur der Gesamteindruck, vor allem außen vom Orangenhof aus, dann die prachtvollen Terracottafiguren an den seitlichen Westportalen die wie Pacher und Grünewald zusammen ausschauen u. von ei406

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nem Bildhauer Millan gemacht sind. Wo der her sein mag. Wir sind auch der anstrengenden Wanderung durch die Kirche (da ist ein Hauptbild von Murillo der hl. Antonius dem das Christkind erscheint – ich rede mir ein, es ist unter Einfluß der Rembrandtradierung Verkündigung an d. Hirten) – noch lange im Hof auf der Brüstung des maurischen Brunnens gesessen u. haben einem ganz zarten Hündchen zugeschaut, das aus dem Abfluß Wasser trank. Es hatte so feine Hinterbeinchen, daß ich den Hans drauf aufmerksam machte, ist das nicht eine Gnade Gottes, wenn’s nicht zerbricht  !  ! Als es den Durst gelöscht hatte und davon lief, sah ich, daß es an einem Beinchen lahmte …33 Nach Tisch Siesta und dann  : Alcasar und Garten. Alcasar die kleine Alhambra, wirkt viel bunter, lebendiger, bewohnter als die bedeutendere Schwester  ; mir hat es Freude gemacht, vielleicht weil es heiter war, Abb. 79  : Palmen im Garten des Alcázar, Sevilla. kein Zug, – Sonnenschein. Dann geht man in den Garten, hält sich anfangs treu an seinen Führer, sieht noch das maurische Frauenbad, das Karl V. eindecken ließ und in dem die Geliebte des Königs Piedro badete und die Hofleute tranken aus Courtoisie von dem Wasser. Das Bad ist groß wie der Fischkalter in Kremsmünster – was die Romantik weniger unappetitlich macht. Dann aber läßt man Führer und Weg, läßt Zeit und Tageseinteilung hinter sich u. verliert sich in dem einzig schönen Jardin, der labyrinthische Attrappen, perspektivische Veduten und üppigste ungepflegte Einsamkeiten hat. Alles genießt man bis zum Ende. Das Ende aber war eine Sensation, die nichts an Anregung verlor, wenn sie sich auch auf mehr als eine Stunde dehnte  : eine ganz hohe Palme wurde geputzt  ! Es geschieht alljährlich um diese Zeit, daß sie die trockenen Äste unten mit der Hacke abschlagen. Ein Gärtner ist hinaufgeklettert, er hängt an einem Gurt, der gleichzeitig um den Stamm geht, indem er ihn durch sein Gewicht spannt. An den Schuhen hat er Steigeisen, die er in den Baum hackelt …34 Es war der schönste Nachmittag, Abend – 7.V. Ich schreib schon in der Bahn, wir warten auf den Abgang des Zuges nach Cadiz. Der gestrige Tag war wieder blau und warm. Vormittag im Museum, Zurbarán hat mir den stärksten Eindruck gemacht, es ist viel von Rembrandt’schem Ernst u. Poussinscher Logik in ihm  ; vornehm in der Farbe, manchmal nur zwischen weiß u. schwarz …35 407

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Abb. 80  : „Maria tritt die Erdkugel, die wie ein weißer gewichtsloser Schneeball unter ihrem Fuß abgleitet“ – Bartolomé Murillo, Immaculada Concepción („La Colosal“), ca. 1650.

Murillo war lang nicht so schlimm, wie wir gefürchtet haben. Eine sehr berühmte Conceptión hat geradezu etwas geheimnisvolles in der Erfindung. Maria tritt die Erdkugel, die wie ein weißer gewichtsloser Schneeball u. doch irgendwie durchscheinend unter ihrem Fuß abgleitet …36 Am Nachmittag haben wir in der Klosterkirche der Caridad die Murillos angeschaut, die doch etwas lockerer komponiert war[en], bez[iehungsweise] in den Eklektizismus (diesmal der Bologneser Schule) mehr Naturalismen eingefügt haben. Dann ging Hans in das Universitätsinstitut, wohin ihn d. Prof. Musiker eingeladen hatte – u. ich wieder in den Garten des Alcasar. Schöne schöne Stunden. Alles still. (Abends 408

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wieder im Kino, aber sentimentaler Schund). Heut vormittags unsere letzte Zeit in dieser verführerischen Stadt, der das Grün von den Dachgärten über den strahlend reinen Fassaden herunterhängt. Die alten Frauen sogar mit Blumen seitlich im Knoten, die Esel u. Mulis mit den verschiedentlichen Aufbauten, darin die Ware, die ihre Treiber führen – am köstlichsten die verhangenen Koffer der Bäcker – …37 Wir sind durch die Altstadt gegangen quer durch den Markt, da sieht man am meisten. Bis hinaus ans Ende der Stadt, wo man hinter den palmenbestandenen Höfen die gebröckelte Stadtmauer sieht. Dort liegt S. Paula mit den wundervollen Azulejos, von denen man weiß, die einen hat ein Hiesiger, die anderen ein Pisaner gemacht – so ist die Terracotta Kunst hier und dort die gleiche. Dann wieder im Museum, um die Eindrücke festzulegen …38 Unsre „Equipage“ (die 2 größeren Koffer) bleiben mit den Mänteln im Hôtel, wir wollen leicht beschwingt nach Cadiz reisen … 8.V. Die Fahrt war Anfangs nicht sehr angenehm. Doch heiß, Saisonarbeiter nach Jerez, überfüllte Coupés, lautes raues Geschwätz, heulende Säuglinge. Nach Jerez wurde es besser. Die Sonne war auch schon tief und vom nahen Meer kam doch ein Lüftchen. Wir waren zuerst durch baumloses Wiesenland gefahren. Herden (Stiere oder Kleintiere), die Hirten und was man sonst in der unendlichen Ebene sah. Alles im Sattel. Um Jerez dann Wein-acker, denn man kann nicht zu dieser Flachlandpflanzung Weinberg sagen. Das letzte Stück Salzsümpfe  ; die Salzablagerung in Gestalt von weißen Pyramiden über dem braunen Morast. Bei Puerto Santa Maria sieht man schon gegenüber im Meer Cádiz  ; aber die Bahn braucht noch lange bis sie das Ziel erreicht, denn der Damm der die Insel mit dem Festland verbindet, macht einen Bogen. Endlich sind wir dort – gerade nachdem die Sonne ins Meer gesunken – das liegt zu beiden Seiten von der Bahn draußen und – auch noch vor uns, wie wir uns bei der Einfahrt in die Bahnhofhalle überzeugen. Ja hier ist Europa zuende. Zum erstenmal seh’ ich das Meer, das offen nach Amerika liegt und offen auch um das westliche Afrika. Wir schicken unsre Handtaschen mit d. Hôtelomnibus (Roma) und gehen zufuß durch die Stadt. Sie ist eigenartig  ; hohe Häuser (wegen des begrenzten Terrains wächst die Stadt in die Höhe) und alle weiß oder crème lackiert, gelegentlich ein rosa oder hellgrünes Untergeschoß die darüber doch wieder weiß. Und bis hinauf in allen Stockwerken die verglasten großen Balkone. Die Leute sehen städtischer, eleganter, internationaler aus als sonst in Andalusien. Das Hôtel ist aus seiner Baedekeradresse ausgezogen, sodaß wir reichlich Zeit zu diesem ersten Spaziergang haben. Erst nach 9 Uhr kommen wir hin und bekommen das schönste Zimmer mit so vielen und bequemen Möbeln, warmen und kaltem Wasser im Zimmer – kurz allem was man sich für 12,50 P[eseten] träumen kann. Heut früh haben wir den ersten ganz starken Eindruck von Greco hier gehabt  ; in einer Kirche, die zu einem duftig weißen 409

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Abb. 81  : Die Bucht von Cádiz.

Frauenhospital gehört ein hl. Franziskus. Ein tief erschütterndes, ganz innerliches Erleben des Wunders, hingegebenes Staunen …39 Das Bild hat ein wundervolles Licht und ist dennoch in seinem goldenen Rokokoaltar ganz behangen mit Gläubigkeit. Die anderen Kirchen mit den Murillos haben diesen Eindruck nicht mehr erreicht. In der Kathedrale dann kam der Reiz des Entdeckens dazu  ; zuerst zwei (nicht bezeichnete) Frans Francken an dem Trascoro, sodann zwei große Holztafeln, die wir mit zwei Kerzen an langen Stöcken beleuchten ließen und dann als eine Dornenkrönung u. einen Judaskuß des – ja vielleicht des Hans Holbein d. J. erkannten. Auf der Suche nach einer Guia von Cádiz, um über 410

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Abb. 82  : Cádiz – „Hohe Häuser und alle weiß oder crème lackiert.“

die Bilder näheres zu erfahren, kamen wir ins archäolog[ische] Museum wo ich mit der ersten phöniz[ischen] Skulptur Bekanntschaft machte – eine Riesenmarmorfigur in Art einer egyptischen Basaltstatue mit graphischen Armen u. Händen auf einem vollkommen als glatte Masse gerundeten Leib – und darauf ein grauer Jupiterschädel. Das Eklektischste das man sich denken kann. In der Akademie teilte der Direktor mit, daß die betreffenden Bilder schon vom spanischen Meyer veröffentlicht wären – er wußte aber nicht, welchem Meister der sie zuschrieb … –40 Sie haben ein ganzes Zimmer Zurbaráns zumeist in kleinerem Format, manche besonders vornehm u. innig trotz aller Sachlichkeit (Das Fremdenbuch wies den Namen Mia Doelter aus Wien auf – das ist eine Hofratsgattin u. Malerin, sie hat einmal vor einem Dutzend Jahren ihre Sachen uns vorgelegt. An der ersten „Bekannten“ auf dieser Reise glücklich vorbeigekommen …) Meine Schuhschnalle riß mitten im Zurbaransaal ab – ich ließ sie beim nächsten Zapatero annähen, fragte nach meiner Schuld – aber er sagte  : Nada. Das ist doch ein chevalereskes Volk … Wir gingen um die Stadt – entlang an den Anglern an den Schiffen vorbei in einen Garten u. ruhten aus, denn wir hatten noch eine Anstrengung vor uns. Den Turm hinauf  ! Mitten in der Stadt, Holztreppen an sitzenden Frauen vorbei, an einer 411

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Katze vorbei, an einer Druckerei vorbei und endlich an einem Maler vorbei. Dann oben. Die Stadt ist wie aus leuchtender Kreide gebaut, Meer ringsum und die Sonne im Untergehen. Wir blieben oben, bis es dämmerte.

Abb. 83  : „Riesenmarmorfigur mit graphischen Armen und Händen, darauf ein grauer Jupiterschädel“ – phönizischer Sarkophag, archäologisches Museum von Cádiz.

10.V. Wieder schreib ich im Zug, vor der Abreise von Sevilla nach Cordoba. Gestern war Sonntag  ; bis Mittag waren wir noch in Cadiz. Hans hat den Direktor der Akademie aufgesucht, um sich die Publikation der deutschen Bilder in der Kathedrale anzusehen. Sie war nicht vom spanischen Meyer u. die Zuschreibung war sonderbarer Weise an einen spanischen Anonymus. Ich saß im Garten der Alameda, bei dem Denkmal, in dessen Sockel eine Volksbibliothek eingerichtet ist, damit die Leute im Park herum gleich was zu lesen haben. Ich machte mein Gedicht von den Gärten des Alcasar fertig (–  ?) das ich in Sevilla im Garten drinnen begonnen hatte.41

Das enge Becken trinkt den Perlenstreifen, Der auf und niedersinkt, Bis seine Schleier zu dem zweiten Und zu dem letzten weiter übergleiten. Kein Wind in diese Stille fächelt. Baum drängt Baum und jeder hält seine die Früchte, bis sie reifen Aus den geplatzten Schalen Noch Verwesung lächelt. Nur eine schwarze Zeder steht allein Die letzten Sonnenstrahlen, Fängt sie ein Hängt in die Krone ihren Heiligenschein, Den stolz die breiten Zweige tragen – Doch unten in dem Schatten der gewölbten Lauben Flattern die weißen Tauben – Sie wissen nichts, nur sich – Und ruhig Ihre Flügel schlagen. 412

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Ich habe die weiteren Verse, die sich auf mich beziehen möchten, diesmal unterdrückt. Nicht leichten Herzens, denn mir liegt das lyrische Reflektieren – aber ich wollte diesmal ein Gedicht machen, wie man eine Landschaft malt … Nach Tisch fuhren wir bequem aber wackelig aus Cádiz fort. Der Abschied war uns schwer. Der Eindruck dort war so geschlossen, die Luft wohltuend, das Zimmer im Hotel herrlich – und dann wir fuhren zum erstenmal nach Norden  ! Da wird dem Deutschen immer weh ums Herz … In Sevilla kamen wir in unser altes Hotel, das aber nur ein anderes minderes Zimmer für uns hatte, sodaß wir den Abend nicht daheim verbringen wollten. Und weil es schließlich noch zu regnen begann, so endeten wir im Kino. Das Hauptstück war trostlos, aber danach ein ausgezeichneter W. Fox Film, der Schottische Freier (El novio Escosses) mit vielen grotesken Höhepunkten … (Eisblock der dem Fiebernden auf den Kopf gelegt wird, zu tröpfeln anfängt u. langsam um den ganzen Kopf herum schmilzt  !)42 12.V. Am nächsten Morgen fuhren wir nach Cordoba. Die Stadt sieht trostlos aus, wie ein viel zu weit gewordener Anzug, in dem ein armseliger Körper schlottert. Nur wenige Straßen mit den appetitlichen andalusischen Häusern, aus denen der begrünte Patio winkt. Aber der Dom, der eigentlich eine Moschee ist – der unerwartetste, unvorstellbarste Bau, den es gibt. Von außen schon wie ein Festungsviereck, der Zugang durch den Orangenhof mit den alten Reinigungsbrunnen der Moslems. Die Moschee selber eine verhundertfachte Säulenkrypta, ein deckenloser Wald von Säulen und Bogen, weiß u. rot, weiß u. rot. Über ein paar Säulenreihen, besser Säulchenreihen läuft ein breiterer Lichtfang in die Höhe, das ist der einzige Anspruch an architektonischer Gliederung. Was sonst an Detail erhalten ist, die Betnischen etwa, alles viel schöner – solider gearbeitet als in d. Alhambra, Marmorschnitzerei nicht schablonisierter Stuck. Hinter diesem seltsamsten uneuropäischen Bau ist die römische, maurische Brücke über den Guadalquivir  ; endloser Bogengang mit zwei Turmbauten an den Enden. Esel ziehen über die Brücke das abgleitende Ufer hinunter, wo ihre Körbe mit Steinen beladen werden, die sie zu einem Hausbau am anderen Ende der Stadt hintragen. Man begegnet links immer wieder den Zügen, fünf zu fünf, die schon abgeladen sind und […] rechts den beladenen. Von der Brücke aus sieht man den Fluß hinauf u. hinunter  ; in dem breiten versandeten Bett stehen Ruinen von maurischen Ruinen. Das Wasser ist wie brauner Schlamm, jetzt in der schief stehenden Sonne, die schwül von Wolken verhängt ist, wird es heliotrop  ; die Sandflecken dazwischen tragen bisweilen ganz unwahrscheinlich helles grün, und die Häuser am Flußufer spielen von Creme in zartestes Lachsrosa. Die Farben sind wunderbar leicht, stofflos, jedes „Motiv“ fehlt …43 Wir haben in Cordoba noch die wenig bedeutenden Museen angeschaut (das neue Archäologische hat ein paar gute Stücke z. B. eine Verkündigung aus Stein lebens413

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Abb. 84  : „endloser Bogengang“ – die römisch-maurische Brücke über den Guadalquivir in Córdoba.

groß, die dem Juan v. Cordoba zugeschrieben wird, Mitte 15.), haben darauf verzichtet, uns im maurischen Kostüm mit entsprechendem Hintergrund photogr[aphieren] zu lassen (weil das […] 10 P[eseten] kostet) und sind am nächsten Mittag – 12.V. – in die Richtung Madrid, aber nur bis Aranjuez gereist. Es waren viel Leute im Zug, die ich hätte zeichnen wollen, einige haben sich es gern gefallen lassen. Die Landschaft draußen war eine kurze Strecke lang phantastisch gebirgsmäßig, dann ganz flach. Es hatte hier furchtbar geregnet, die Straßen waren grundlos. Trotzdem stiegen wir in Aranjuez aus, schwammen u. tasteten, fragten u. fluchten uns bis ins Hotel der Witwe Pastor, das sich als das ehemalige Schloss des Godoy, Günstling Carl IV. herausstellte. Unsere habitación war entsprechend groß und vornehm, mit prachtvoller Aussicht. Das Licht im Hotel war z[um] T[eil] ruiniert, man brannte Kerzen – es war wie in einem Spessartmärchen. Nachts hörte ich Mäuse. Aber der strahlend blaue Morgen hat die nicht sehr beruhigende Romantik weggewischt. Wir haben einen einzig schönen Tag in diesen Gärten von Aranjuez verbracht, wo nichts stört außer der eingeteilten Besuchsstunden u. der moralische Zwang, auch in das Innere der Schlösser gehen zu müssen. Das Hauptgebäude ist am wenigsten erfreulich – der alte Diener ein unangenehmer Typ, der öfters im Schlafzimmer der Königin, wo ihn d. Husten 414

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packte, auf die Strohmatte vor ihr Bett spuckte. Wenn man bedenkt, daß es eine Engländerin ist, die sich diese Schweinerei gefallen lassen muß  ! Netter ist das Haus der Labradores ein andres Trianon, aber schon aus d. 19. Jh. (1806). Am späten Nachmittag kamen wir mit der Schnackerlbahn nach Madrid und in die uns von der Leipziger Studentin so warm empfohlenen Pension. Post war da u. a. vom Kristallverlag, der mir den günstigen (!) Erfolg der Subskription mitteilte – 17 Personen am 29. Zum Verzweifeln  ! Und ich kann von hier doch nichts dafür tun … Auch von Georg eine Nachricht, er schrieb, daß 60 % gedeckt wären …44 Wir gingen unsre Verstimmung und das sehr laute Zimmer, wo wir bis zum 17. aushalten müssen übertönen bald wieder auf die Straße. Die Stadt ist lebendig wie ein kleineres Paris  ; die Leute sind leAbb. 85  : Gegen Ende ihres Lebens wandte sich bendig u. auch die Prospekte wirken so wegen der Erica Tietze-Conrat dem Thema „Zwerge und Terrainunterschiede. Wir blieben in Gärten, Bum- Hofnarren in der Kunst“ erneut zu, in  : Dwarfs and mel, Abendessen u. Kino (Madame Sans-Gêne) bis Jesters in Art, 1957. es zu unserem Erschrecken 1 Uhr vorbei war – unsere Hausleute, die uns doch noch gar nicht kannten, mußten sich ein schönes Bild von uns gemacht haben  ; wir hatten weder Haus- noch Türschlüssel, keine Zündhölzchen. Gottseidank entdeckten wir, daß man sich hier sowie in Berlin durch einen Nachtwächter aufsperren läßt u. alles verlief gut.45 13.V.1926 Endlich konnten wir einmal die Koffer auspacken – wir wollen ja länger als irgendwo hier bleiben. Um 10 Uhr – man sperrte gerade auf – in den Prado. Das ist ein großer großer Genuß. Tizian – den stärksten Eindruck haben mir die 3 Königsbilder gemacht, vor allem d. reitende Karl V. Velazquez der Höhepunkt. Wieder der Höhepunkt. Das Ergreifendste die vier (kleinen) Zwergbilder  ; wie Symbole von Künstlerexistenzen, aus ihren Leiden müssen sie ihren Stolz u. ihr Geschäft machen. Tief ergreifend. Danach wollte uns nichts mehr gefallen. Aus dem Grecosaal stürzten wir hinaus, nach Velazquez wirkte diese Kunst artistisch, vielleicht überhaupt in solchen Massen genossen immer artistisch – so schnell leben wir, ich dachte Greco würde der stärkste Eindruck werden. Von Goya der Saal vor allem das k[öni]gl[iche] Familienbild. Die nackte Maja zu porzellanen, die bekleidete zu unstofflich – ja wie ein […]. Rubens war nach Velazquez ungenießbar. Unvergleichlich kam Dürer wieder ganz stark zu Wort und die herrlichen Bosch u. Patinier. Raffael hat einen Saal für sich 415

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doch sind es zumeist Schülerausführungen  ; wunderbar nur ein Portrait das jungen Kardinals, ahnungsreich verhalten u. wie ein Rätsel gemalt, und dann das Mysterium aus Mondlicht und Edelsteinen gewoben der schillernden „Perle“. Nie hätte ich geglaubt, daß dieses Bild so schön ist. Die Landschaft darauf wie von Altdorfer … Erwartung u. Erfüllung der kleine Mantegna  : Tod Mariae mit den Teichen von Mantua im Hintergrund …46 Am Nachmittag waren wir – ein Pflichtweg – in der modernen Galerie, die alle „Künstlerhausbilder“ der Welt, vornehmlich Spaniens gesammelt haben. Auch Österreich ist vertreten  : La barca verde von Maggy und eine Vedute (Avila) von Prinz Hohenlohe. Ich habe beide Namen nie gehört. Vom nachbarlichen Frankreich d. 19. Jhs nicht ein einziger Meister, der den Impressionismus repräsentieren würde  ! Endlich noch eine kleine deutsche Graphikausstellung, Abb. 86  : Mantegna, Der Tod Mariä (Ausschnitt), die A. Kuhn zusammengestellt hat u. die mit Thoma, um 1462, Museo del Prado. Liebermann, Slevogt, Corinth anfängt u. bis Gramatté heraufreicht. Sie war mit Heftnägeln alphabethisch gehängt, nur OK war mit Käthe Kollwitz ein wenig durcheinander geraten. Noch endlich ein moderner Spanier (Kollektiv) in d. Art des Adams, da hab ich aber nichts mehr gesehen. Jetzt sitzen wir im Park u. ruhen aus.47 15.V.1926 Vom gestrigen Tag ist nichts wesentliches zu berichten  ; wir waren in der Früh in der Galerie der Akademie wo eine hübsche Sammlung alter Meister in schlecht belichteten Sälen und ein widerlicher zeitgenössischer Akademieprofessor in gut belichtetem untergebracht ist. Die Goyas sind so schlecht verglast, daß man gelegentlich einer Ahnung eines Details habhaft wird. Dann zweiter Besuch im Prado  ; diesmal zuerst bei Greco. Das ist gewiß ein exzeptioneller u. ungeheuer wichtiger ganz Großer gewesen – aber durch das viele Ausgeschrotete, durch das Zugänglichmachen d. Nachfolge so einleuchtend geworden, daß er für uns ein Akademiker werden mußte. Man ist nämlich nicht nur von sich aus ein Akademiker, man kann es auch durch die Nachfolge werden. Dafür die große Goyasammlung  ! Die Angstträume, die er an die Wand projizieren mußte – mit denen er sein Haus so unheimlich machte, wie es gewiß auch der Bewohner war – die beiden Revolutionsbilder, das ist alles unerhört packend. (Weniger, versteht sich, die Serie der dekorativen Gobelinentwürfe). Den Abend haben wir uns mühsam ein Billet zur heutigen Corrida gekauft, nachher 416

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waren wir noch im Kino, das diesmal sogar bis ¼ 2 dauerte – aber die Metro funktionierte noch und um 1h25 waren wir zuhause, klatschen in die Hände u. der Nachtwächter eilte herbei u. schloß uns auf …48 Auch heute wieder im Prado, wo wir wieder neue Säle entdeckten und altes genauer studierten. Zumittag zogen wir in ein Zimmer um, das ruhiger zu sein verspricht, sodaß wir abends das Kino u. Nachts das Schlafmittel entbehren können. Dann zogen wir nach jeder Richtung ausgerüstet zu unserer Corrida aus u. erfuhren, daß sie in letzter Stunde vom Tierarzt abgesagt wurde. Die Stiere waren zu klein. Jetzt heißt es neue Karten beschaffen – den Nachmittag haben wir auch verloren, schlechte Laune … Im Park, wo’s staubt … 17.V. Gestern war Sonntag  ; „Kalte Sophie“  ; ich glaub, es hat nicht viel über 0° gehabt. Am Morgen waren wir im Kunstgewerbemuseum, das bis auf ganz wenige Stücke (vor allem bei den Funden des „Tesoro“) unbedeutend ist.49 Nach Tisch also endlich die lang ersehnte Corrida. Wir waren eine Stunde früher draußen u. sahen das Riesentheater sich füllen. Anfangs ging alles in die Arena hinunter, die so auch schon voll Menschen war, während die ansteigenden Sitze herum noch leer waren, die Billeteure u. Stallburschen haben sich darum beschäftigt, Pölster auf die Steinsitze der Abonnenten zu legen. Um die Arena herum läuft erst ein Korridor ohne Sitze, weil sich dort hinein die vor dem Stier Flüchtenden über die Holzbrüstung schwingen – der 2. Stier war auch einmal dort hinein gesprungen  ; worüber alles in Gelächter ausbrach –  ; der Raum faßte 17.000 Personen, er war ausverkauft. Während die Leute zuströmen spielt (recht unansehnlich) eine Musikkapelle. „Preciso“ um 5h war die Arena geräumt (die letzten liefen in Carriere darüber auf ihre Plätze), ein Zeichen vom Präsidenten (ober uns in der Loge) öffnet sich das eine Tor u. es erfolgt der Aufmarsch  ; zwei Herolde, rechts Mantelschwinger, drei Pfeilwerfer, drei Lanzenstecher und drei Torreadores  ; am Schluß die Maultiergespanne zum Herausschleppen der Leichen, viele Stallknechte. Dann wurde die Arena wieder frei gemacht, die Mantelschwinger verzogen sich an den Rand, wieder ein Zeichen, die Stalltür öffnet sich u. heraus stürzt der Stier, der lange im Finstern gehalten worden u. jetzt im Licht sich herumzutummeln beginnt. Was weiter folgt ist solange die Sache mit Geschicklichkeit u. Grazie allein sich abspielt, sehr hübsch anzusehen – u. ich möchte gern wieder eine portugiesische Corrida sehen, die bis zum Schluß unblutig bleibt – alles andere aber ist furchtbar. Die Pferde, ausgediente brave Pferde, die ihr lebenlang ihre Pflicht dem Menschen gegenüber erfüllt haben, werden mit verbundenen Augen von den Stallknechten wirklich in den Tod getrieben. Mit heraushängenden Eingeweiden jagen sie rasend über die Arena, bis sie irgendwo in den Sand sich schmeißen und wälzen und verzucken. Schnell wird ein sandfarbenes Tuch über 417

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sie gebreitet, ein flacher Haufen liegen sie dort. Und der Stier, ein friedliches Tier, das mühsam zur Wut oder eigentlich nur zur Abwehr gereizt wird, der schließlich zu Tode getroffen sich auf die eingekrümmten Beine wie zum Wiederkäuen – zum Sterben niederlegt. Der letzte heulte und in dem Riesenraum klang es entfernt u. leise wie von der Weide. Dann brachen ihm Ströme von Blut aus dem Maul. Und alle Menschen schauen zu, schauen zu – man weiß doch wie jedes Tier allein sein will, wenn es stirbt – wie es sich verkriecht … Nach dem ersten „Gang“ wollten wir weggehen – aber es ist unmöglich, man kann nicht aus dieser Menschenmenge heraus – So mußten wir alle sechs Stiere sterben sehen. Nie, nie mehr … Heute war ein tiefblauer Morgen, wir fuhren nach Segovia, das 1000 m hoch liegt. Auf der letzten Strecke hat es etwa eine Stunde lang tüchtig geschneit. Es ist furchtbar kalt und der Ort ist zumeist auf Landschaftseindrücke hin zu besichtigen. Die römische Brücke die ein oder mehrgeschossig mit riesigem Schritt über die Stadt hinübergeht (12 klm lang  !) braucht auch den blauen Himmel in dem Bogen und was sonst geboten wird, hat sich nicht der Mühe verlohnt. Ich war vom Frieren so übel gelaunt, daß ich dem Hans lauter böse Dinge gesagt habe, die jetzt wie große Steine zwischen uns liegen – und ich möchte sie so gerne vom Weg weggeräumt haben. Wir sitzen im Café gegenüber der Bahn u. warten auf unseren Zug, der 2 Stunden später, als wir geglaubt hatten, wegfährt … 18.V. Als wir spät abends nachhaus kamen, war ein lieber Brief vom Stoffel da. Heut haben wir wieder einen Pradovormittag gemacht. Die Lieblinge haben sich schon herauskristallisiert, man besucht nur mehr das, was man will. Den Kardinal und die Perle von Raffael, den 2. Tiziansaal mit den Königsportraits u. den […] von Ferrara, der Glorie  ; und immer wieder Velazquez. Wenn man von d. Jugendbildern (Mars u. Bacchus bei d. Hirten) absieht, so steht er ganz jenseits d. Kunstgeschichte u. kann doch alles. Von Ribera ist auch ein wundervolles Bild da  : Schlafender Jakob, der im Traum die Engelsleiter sieht. Ein Riesenbild ganz einfach u. doch nicht leer. Die Engelsleiter so diskret, fast nur ein Sonnenstreif – aber das Schlafen schwer und doch visionär. Ein Gottvater der den Leichnam in d. Arm hält (auch ein frühes, im Ausdruck so starkes, darum nordisch wirkendes Bild) hat mir über dieses einzigartige Mysterium zu denken gegeben. Nachmittags zuerst bei den „30.000 Zeichnungen“ in der Nat[ional]bibliothek, die „Zimelien“ sind ausgestellt, zumeist zweit- und drittrangig. Schön nur ein Reiter eigentlich nur ein Vorderteil eines Pferdes von Murillo. Die Proben, die wir nach dem Katalog von den unausgestellten machen unter den […]50 Das Wetter ist milder – wir sind wieder guter Laune. 418

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Abb. 87  : Toledo mit dem Fluss Tajo.

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20.V. Wir haben noch einen schönen, einen wundervollen Abend gehabt. Wir waren am Jahrmarkt des hl. Isidor, der an dem Ufer des Manzanares, wo die Wäscherinnen gerade die trockenen Wäschestücke von den Stricken nahmen, gefeiert wird. Das Volkstreiben, das der Baedeker versprach, war nicht sehr toll, ein ganz kleiner Wurstelprater am Dorf. Lästig nur die bunten flittrigen Zigeunerinnen, die einen so energisch am Arm packen, und die „Fortuna“ sagen wollen. Auf einem vorgeschobenen Alkoven, der weit ins Freie stand, – alles herum versunken – tanzten zwei Paare zu Werkelmusik, mit den hinaufgehobenen Händen machten sie die Castagnetten nach. Dahinter weit das tief eingeschnittene Tal mit der grauen Barockbrücke …51 Und am nächsten Morgen fuhren wir bei blauestem Himmel u. milder Wärme nach Toledo. Dieser Tag gestern war vielleicht der schönste, den wir bisher hatten. Die Stadt ist nicht nur reich an Geschichte, nein auch an den erhaltenen Schätzen, die diese Geschichte belegen. Die Stadt ist aber auch bis in den letzten Steig, den kleinsten Stein selbst ein überzeugender Beweis ihres historischen Schicksals. Der Tajo fließt im tief eingeschnittenen Bett an drei Seiten herum  ; der Hügel, den er umschließt, trägt den Steinhelm der Häuser mit der Kathedrale als Bekrönung. […] wachsen u. sinken, dem Terrain u. seiner Fortifikation entsprechend die Mauern, und diese stützen die Türme, schließen die Stadttore auf. Am schönsten sind aber die Brücken, die den Sinn der Befestigung über den Fluß ins Land tragen, durch das der Tajo – mit einem mal gelinder zwischen birkenbestandenen wiesigen Ufern fließt. Auf seinem Schluchtweg aber um die Stadt waren Stromstellen u. an jeder wie Wächter an beiden Ufern graue große Mühlen gelagert … Wir haben erst ein sehr dichtes kunsthistorisches Programm abgewickelt und sind dann hinaus aus der Stadt, hinunter auf einen der Hügel, wo das Klösterlein Nuestra Senora de la Cavezza steht und haben von dort aus gegen die Flußschlucht einerseits und gegen die Stadt andererseits geschaut. Dann haben wir uns getrennt, Hans ist um die Stadt herum und ich bin auch vor der Stadt geblieben, bis die Sonne untergegangen ist. Es war ein wundervoller Abend, den ich nie vergessen werde. Aber am nächsten Morgen war das Wetter mäßig, am Vormittag noch schlechter, zumittag hat es gegossen bis gegen 5 Uhr, daß die Sturzbäche nur so über das katzenköpfige Pflaster geflossen sind. Wir waren furchtbar deprimiert und haben uns in die kunstgeschichtliche Seite der Sehenswürdigkeiten verbissen  ; vor allem ist mir da ein Bild von Goya, Christi Gefangennahme in Erinnerung geblieben, das unerhört frei und groß dem Stoff gegenüber steht. El Greco, dessen Stadt ja Toledo ist, hat hier den imponierenden Conde Orgaz, der sehr innig das Mysterium auffaßt, sehr repräsentativ die anwesenden Cavalleros in ein „Gruppenbild“ schließt, aber schließlich doch keine Einheit gibt. Es scheint, daß das breitere Format ihn daran hinderte  ; bei den späteren bleibt er bei dem ganz schmalen Hochformat, in dem seine flammenden Gestalten so erfolgreich hinauflecken können. Im Museo del Greco weiß man bei 420

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keinem der 19 Bilder, ob es Original, Werkstattbild oder Kopie ist  ; im Hause del Greco (daneben), das der jetzige Besitzer dekorativ angefüllt und d. Publikum geöffnet hat, stehen einem die Haare zu Berge, wie viel Naivität hier das künstlerische Milieu herstellen wollte  ; die riesenvergrößerte Photographie von Papst Innozenz X (nach d. Velazquezbild) in breitem schwerem Goldrahmen ist das groteske Symbolum dieses Beginnens. Und wie schwer war es uns in dieses Haus nur zu gelangen  ! Immer wieder mußten wir in eine Kirche am Weg hineinschlüpfen oder uns in einer tiefen Tür unterstellen. Zweimal haben uns die Bewohner hineingeholt und auf dem gelbseidenen Polsterstuhl in der guten Stube rasten lassen, bis der ärgste Guß vorüber. Das eine mal war es die Gattin eines Tomatenkonservenfabrikanten, die uns versicherte, wie gut der Regen für die Tomaten wäre …52 Um fünf Uhr brach der blaue Himmel durch und im Augenblick war die abschüssige Stadt wieder trocken. Wir gingen zufuß zur Bahn und blieben am Weg noch nach dem Puente de Alcantara sitzen, – mit dem Greco die Stadt gemalt hatte – und ließen die gute Sonne auch unsere nassen Mäntel und Schuhe trocknen. Ich hab in der Eisenbahn einen Trinkspruch gedichtet.53 Hoch steigt die flache Schale ins Licht – Einen Atemzug lang die Welt atmet nicht. Riesenberge in Haufen, In einem winzigen Stein, Meere schrumpfen in Wasserlache ein – Und endlich auch verhetztes Menschenlaufen, Zunge heraus, Schweigt hinter der grauen Mauer. Einen Atemzug lang – und dann – Stoßt an  ! Die Pause zerbricht – Meere auffluten, Berge springen in das gespannte Gesicht – Niedergerannt die Mauer, Menschen bluten wieder – Stoßt an  ! Heute war ein schöner friedlich[er] Morgen. Zuerst zwei Kirchen, die eine mit einem späten Goya, ganz dunkel, ein Bild wie es den Daumier beeinflußt haben könnte (S. Antonio-Kirche). Und ein auch ganz später Rubens, der hl. Andreas in der Kirche dieses Heiligen. Es ist wie ein Manifest. Er nimmt das Sterben seines Heilands auf, mit offenen Armen empfängt er den Tod – so ist die Kreuzigung des Andreas aufgefaßt. Und zu Füßen eine Frau, die an die hl. Magdalena und zur Seite ein Reiter, der 421

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in seiner fließenden Gebärde an den erschütterten Reiter von der Kreuzigung Christi denken läßt …54 Dann ein wundervoller Vormittag im Prado, wo wir die Lieblingsbilder nach ihren Landschaftshintergründen befragten. Am Nachmittag machten wir einen Pflichtbesuch bei der gestern eröffneten Ausstellung moderner Kunst, es war trostlos und ich habe schon beim zweiten Pavillon gestreikt. Das ist dort sehr verlockend, da die Ausstellung im Retiro (meinem geliebten Park) stattfindet. Abends ein paar Photos gekauft und – wieder mit ein paar Regentropfen – gegen neun, der Nachtmahlstunde, nachhause. Unsre Hausleute machen in der entlegenen Küche so viel Lärm, man glaubt inmitten eines Volksfestes zu sitzen. Um die Illusion zu vervollständigen ist unter uns eine Tanzschule, wo „andalusische“ Tänze gelehrt werden, von früh bis abends um 10. Man hört ununterbrochen die Castagnetten klappern, die Füße aufstampfen und immer dasselbe Geklimper. Ich hätte nichts dagegen, wenn ich nicht nur hören, sondern auch bisserl zuschauen könnte … Gestern kam ein lieber Brief von Georg, heute von zuhause  ; sie haben überhaupt sehr brav nach Madrid geschrieben … 23.V. Pfingstsonntag. Gestern war unser letzter Tag in Madrid. Wir haben dem Prado einen letzten Besuch abgestattet und Hans ist nach Tisch in der Armeria gewesen. Meine Abneigung vor Rüstungen u. meine Liebe zur Siesta ließen mich darauf verzichten. Dann nach Bombilla hinaus  ; dort sind zu Beginn ein paar Tanzlokale im Freien, ein paar schicke Restaurants und dann ein Park in der Art unseres Neuwaldegger. Über den dunklen Waldbäumen eine Anhöhe mit spärlichem Graswuchs auf dem sandigen Boden, Disteln, Liebespaaren. Aber nur wenige –55 Dort sind wir noch lange in der untergehenden Sonne gelegen. Nach dem Abendessen endgültige Packerei. Felipa, die Chica (Dienstmädel) mit dem niefrisierten Bubikopf hat beim Abschiednehmen feuchte Augen gehabt und mich – auf beide Wangen geküßt … Heut um ¾ 9 fuhren wir – erste Station – nach Escorial, wo wir im Hotel Miranda herrlich untergebracht sind. Vor dem braungrauen liegt über einem großen Park der herbe gesammelte Riesenbau Phillip II. Die Schneeberge schauen herüber. Nachtigallen singen, Heckenrosen blühen, aber die Bäume auf der Allee bekommen erst Blätter. Wir sind 1026 m hoch. Die Galerie ist außerordentlich  ; das Riesenbild von Greco Der Hauptmann der thebaischen Legion springt durch den ganzen Saal auf durch sein Kolorit  ; es erinnert an Bronzino, die Komposition überhaupt stark florentinisch. Alles was dieses Bild so besonders eindrucksvoll u. großartig macht, liegt in dem Andern, das der üblichen Vorstellung Grecos nicht entspricht  ; wieder ein Beweis, daß Greco seine Aktualität für uns verloren hat. Das „Abendmahl“ von Tizian ist genau so gewesen, wie ich es erwartet habe, sodaß 422

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Abb. 88  : El Greco, Das Martyrium des hl. Mauritius und der Thebaischen Legion, 1578–1582.

ich jetzt meine kleine archäol[ogische] Arbeit darüber abschließen kann. Nachmittag haben wir schon gegen vier Uhr das „Programm“ erledigt – wir sitzen im Park und sonnen uns. Heute ist der letzte friedliche Tag, von Morgen ab gehören wir wieder der Eisenbahn.56 423

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25.V. Ich sitze am Bahnhof in Medina di Campo, auf derselben Bank, die uns gestern fünf Stunden lang beherbergt hat. Also der gestrige Tag hat in der Tat ganz der Eisenbahn gehört  ; um 9h55 reisten wir vom Escorial ab, hatten in Medina keinen Anschluß, weil dieser nur dreimal wöchentlich funktioniert und schrieben u. schrieben in der luftigen Halle, gingen […] die Stadt besuchen, die gerade von jungen Kadetten belegt wurde, alles dekoriert und alle Cafés ihre Schanigärten installierend …57 Abends kamen wir über die tellerflache Ebene nach Salamanca, der alten Universitätsstadt. Gerade ging eine Prozession über den Platz, „la virgen“ wurde getragen  ; wir hörten nur das festliche Schießen u. sahen die heimkehrenden „Engel“. (Mäderln in blauen Gewändern mit rosa Flügeln u. umgekehrt). Die Plaza major ein Riesenplatz, geschlossen, mit Lauben herum, aus einem Guß im 18. Jh. gebaut, macht einen herrlichen Eindruck. Die ganze Stadt ist goldgelb, eine wundervolle Farbe. So viele Kirchen, die alte großartige romanische Kathedrale (außer Gebrauch) mit intim schönen Kapellen um d. Kreuzgang  ; alles köstlich aufgebaut von den römischen Brücken aus zu sehen  ; an den Ufern unten Wäscherinnen, auf den grünen Inselchen des seichten breiten Flusses weidende Esel, einer, zwei, meistens drei. Der Rückweg nach Medina am Nachmittag in einer noch bummeligeren Bahn  ; ich hab gezeichnet  ; eine Frau, einen Alten – viel Erfolg. Ein alter Unteroffizier bittet jetzt drankommen zu dürfen. Gut gelungen. Es wird sogar brav geklatscht. Ein Bauer mit einem Vogelgesicht will mir seine Photogr[aphie] schenken. Der Unteroffizier aber will seine Zeichnung kaufen. Ich lehne ab. Er insistiert u. zieht einen Duro (5 P[eseten]) heraus. Ich trenne das Blättchen aus dem kleinen Skizzenbuch und will es ihm schenken. Nein, nur gegen Bezahlung. Ich gehe nicht darauf ein, er beharrt aber auf seinem Wunsch zu bezahlen u. lehnt seinerseits das Geschenk ab. Schließlich bittet sich einer seiner Soldaten das schon abgetrennte Bildchen aus u. legt es in die Brieftasche. Ich wollte dann einen lustigen jungen Burschen (Soldaten) zeichnen, aber der Unteroffizier verbietet es, jetzt darf kein Soldat mehr gezeichnet werden, es sei denn daß ich Geld dafür nehme. Man setzt mir den dicken Kondukteur zum Modell hin … 26.V. (Leon) Gestern abends kamen wir in Valladolid an  ; sowie von Medina nach Salamanca war auch diese Strecke die ödeste Fahrt, die man sich denken kann. Das Land vollkommen flach und in Riesenacker bzw. – Wiesen unterteilt. Nur das letzte Stück sonderbarerweise mit Pinien bestanden. Valladolid ist eine große Stadt, nach Salamanca vollkommen gleichgültig. Auch sie hatte eine schöne Plaza major, aber lange nicht so schön wie die in Salamanca  ; die Häuser uneinheitlich die Straßenöffnungen zu stark betont. Die Bogengänge der Plaza ziehen sich noch einige Straßen weit. Das ist alles – Und auch die Kirchen sind nur wenig bedeutende alte Gehäuse um neu gekaufte Fabriksware. Eine Ausnahme nur die beiden originellen Skulpturfassaden von 424

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­S. Pablo­u. S. Isidoro (Universität). Wirklich gut ist das Skulpturenmuseum (d. h. das Museum überhaupt, aber die Bilder spielen keine Rolle). Dort gibt es vor allem Holzfiguren von Berruguete, diesem Greco der Skulptur und von Juan de Juni, der 1530 auftauchte u. um 70 stirbt, vielleicht von Frankreich kommt oder sonst woher u. als letzte Blüte der Spätgotik das ganze dicke temperamentvolle Barock des 17. Jhs vorwegnimmt. Von einer überlebensgroßen Beweinung Christi wirkt der Leichnam mit dem ablehnenden edlen Kopf und den totengrün gewordenen übergroßen Händen und die Gruppe Johannes u. Maria wie von Grünewald …58 Nachmittag sind wir hierher nach León gereist. Heiß, Rapido, übervoll, ­städtisches Publikum, wenig angenehm. Ein kurzer Gewitterregen hat dann die Stimmung gebessert. León baut sich gerade neu  ; es ist ein absolut geistloser und provinzlerisch anspruchsvoller Stil, mit dem es seine wiedergewonnene Lebendigkeit dokumentieren will. Die Kathedrale ist der französischste Bau, den man sich denken kann. Im Inneren wundervoll in den Dimensionen, mit kostbarem Detail. Wir haben das glühendflammende Tagesende zu einem kurzen Besuch nur, zu einer Kostprobe benützt. Ebenso S. Isidoro, das wunderbar goldgelb, ein wenig abgerückt von der Neubauerei, die intime Pflege von acht Jahrhunderten aufweist. Der Westseite ist das sog[enannte] Pantheon angebaut, Pantheon de los reyes (Königsgräber) mit seinen Fresken aus dem 12. Jh. Der erste Eindruck war sehr sehr stark  ; ein einheitlicher Bau, der seine alte Bestimmung nach so vielen Jahrhunderten noch zur Schau trägt. Aber das Licht war vorbei, wir müssen morgen die Einzelheiten sehen. Hasta la mañana  !59 28.V. Und haben am nächsten Morgen den flüchtigen Rundgang vom Abend wieder aufgenommen und mit starkem kunsthistorischen Genuß die beiden Kirchen u. das Museum in S. Marco draußen besucht. Hier machen die Korrekturen u. Ergänzungen, die wir bei dieser Gelegenheit immer an d. Baedeker vornehmen, viel Spaß. Hans sagte die Kunst von León charakterisierend  : „… schließlich ist uns eine Figur aus dem 13. doch lieber als der ganze platereske Schwindel.“ Und dann  : „… diese ganzen südlichen Kathedralen sind ja doch nur Kunstgewerbe.“ Es ist merkwürdig, wie unangenehm uns dieser das Fremde am empfänglichsten aufnehmende Stil des 16. Jhs wird …60 Gegen halb fünf fuhren wir erst noch durch die Ebene, dann durch eine immer alpiner und abwechslungsreichere Gebirgslandschaft  ; die Trace steigt erst bis 1000 m und fällt dann in Kurven und Tunnels bis etwa 400 m hinunter  ; einmal durchquert die Bahn einen Berg 93 m unter dem Tunnel, durch das sie ihn ein halbes Stündchen vorher durchquerte und ganz oben links sieht man das Stationsgebäude, das erst rechts unter uns lag. Kurz nach Sonnenuntergang war die Luft so duftig, die Töne so leicht und zart, man glaubte die rätselhafte Farbenskala von Cézanne zu sehen. Als es draußen finster war, wurde es im Coupé lebendig  : Burschen u. Mädel sangen, 425

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schöner Tenor und qualvoll ausgeschriene Altstimme – eine Greisin ein altes altes Mütterchen tanzte dazu wie toll. Wir stiegen in Ponferrada aus und übernachteten in der hochgelegenen Oberstadt  ; die trotz der kleinen Einwohnerzahl über 3 Fonden verfügt. Die unsere (Castilla) besaß sogar einen Autobus. Das große Zimmer war sympathischer und reichhaltiger eingerichtet, als wir es in vielen besuchten Städten gefunden hatten, ich muß da garnicht an das besonders dürftige Toledo denken. Und heute ist Reisetag erster Ordnung, der uns aber bis Santiago bringen muß. Ich schreibe in Monforte, wo eine halbe Stunde Aufenthalt ist, damit der Lokomotivführer zumittag essen kann … Ich hab in der Bahn so zwischendurch gedichtet, die Gegend erinnert so oft an unseren Wienerwald. Der Hügel wehrt dem Wind Und wo der Hang Zum Bachbett niedergleitet – Wie Tuch um Tuch Des Herren Einzug ehrt – Sich Wiese neben Wiese breitet. Hier lieg ich lang  ; In eine Heimat bin ich eingekehrt. Dort unten an dem Bach Die alten Weiden stehn  ; Das neue Laub weiß nicht, Was die verbeulten Stämme leiden – Und übers wunderdunkle Blau, Das aus dem Wasser widerschaut, Die leichten Blätter wehen … 30.V. Wir kamen gegen fünf nach Curtis, wo wir ins Postauto stiegen, ganz vorn, was hier als erste Klasse gerechnet wird. Wir fuhren 60 km durchs Land  ; weite Blicke, fast eben in der Wirkung obwohl die Straße bald steigt, bald sinkt. Spärliches Weideland herum  ; die ganze Strecke zwei dürftige Häusergruppen. Wir sind ochsenbespannten Wagen begegnet, sie knirschen, daß man das Geräusch ins Autogeknatter herein hört  ; kein Wunder –  : ein Baumstamm zwischen zwei Holzscheiben gesteckt sind Achse und Räder. Die Galicianer sind die Rückständigsten von Spanien, vielleicht weil hierher niemals die Mauren (und die Juden  ?) gedrungen waren. Sie sind die Dorftrotteln der spanischen Anekdote. Der Boden ist unergiebig, sie bleiben arm, 426

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die Kinder wandern aus. In der Eisenbahn hört man in ihren Gesprächen kein Wort öfter als America – America. Ich hab zwei alte Frauen miteinander reden hören  ; mit den leichten Tränen, wie sie Armut und Alter haben erzählte die eine, wie sie jetzt allein sei, seit dem der Mann gestorben, die cincos hijos alle in Amerika … Gegen Abend kamen wir nach Santiago  ; die einsame Fahrt vorher hatte uns das greifbare Bewußtsein gegeben  : am Ende Europas zu sein, ganz weit weg von der übrigen Welt – und doch mit einem Ziel. Es war wohl wie ein ganz schwacher Widerschein von dem, was die Tausende u. Tausende hier gefühlt haben, die am Ende ihrer monatelangen Pilgerfahrt hier ankamen. Die Stadt ist ernst und feierlich, dunkelgrauer nackter Granit vor dem tiefblauen Himmel (Die Regenmengen in Santiago sind unvergleichlich größer als im übrigen Spanien, aber da heuer alles verkehrt ist, hatten wir gerade hier das blaueste Wetter). Die Kirche nach außen kühn baro- Abb. 89  : Kathedrale von Santiago de Compostela. ckisiert mit einer Freitreppe zwischen den gotischstreberischen Filigrantürmen. Der Eindruck innen ist das drohende Mysterium einer großartig verhaltenen romanischen Kraft. Das Detail spielt darin kaum eine Rolle. Einmal nur wie eine kleine kindliche Überraschung am Ende einer Stiege das romanische Pförtlein in einer Kapelle mit einer Anbetung der Könige wie als improviso hineingesetzt. Aber das stärkste u. künstlerisch vielleicht kostbarste Erlebnis von Spanien die Portíco de la Gloria  ! Es ist der Skulpturenschmuck der Vorhalle mit den drei Portalen an der Westseite, deren Türen immer verschlossen sind  ; die Skulpturen in wundervoller Polychromie die jede isoliert, daß sie besonders intensiv wird und sie dann doch einheitlich zum Gesamteindruck zusammenschließt. Die Köpfe haben den Adel unseres Bamberger Reiters und hinreißende Bewegungsimpulse. Ein Engel mit einer Seele an den Leib gedrückt, der zu Christus hinüber lauscht – die bartlosen Evangelistenhelden, die Paare der heiligen 24 Männer die im Bogen herum sitzen, ihre Instrumente stimmen – unten am Fuß der Säu427

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len die Fratzen, an der einen Seite Vogelfratzen, an der anderen Löwenfratzen, beide zu Teufelsköpfen umgebildet und endlich in der Mitte des Portals unter der Kirche innen schon zugekehrt das Bildnis des […] Meisters – Matthäus – der in 20 Jahren d. Werk vollbracht hat und es jetzt kniend dem Himmel darbringt, die Hand an der Brust klopft das Pater peccavi …61 Am Abend gestern fuhren wir nach Pontevedra, das uns d. Baedeker so angepriesen hatte, daß wir uns einen ausruhenden Sonntag villeggiatura davon versprachen. Es war eine Niete – aber wir lernten so wenigstens ein echt spanisches Gasthaus kennen mit dem unerfreulichen Duft u. der Gleichgültigkeit des Personals, die dazugehören. Ich schreib jetzt am Bahnhof in Pontevedra, aus dem wir fliehen – nach Vigo (Die Frauen tragen hier einen Zopf ganz frei am Rücken hängen). 31.V.1926 Die Fahrt nach Vigo war einzig schön  ; Bucht um Bucht am Meer umfahren u. das köstliche Münden der Flüsse erlebt, ach so stark erlebt … Jeder Fleck ist mit Weinlauben bepflanzt, deren Laub eine dichte Decke bildet. Die Lauben sind unregelmäßig, wie es das Terrain verlangt, es ist, als ob sie die Berge modellierten. In Vigo haben wir den Photogr[aphen] aufgesucht u. Photos von Santiago ausgesucht. Und dann den reizenden schmucken Hafenort, der in wunderheiterer Lage die große Bucht umspannt. Ein verrückter Herr neben mir im Park, während Hans Wegzehrung kaufte, die Apotheose des Todes in endlosen Selbstgesprächen, „a [mi] me gusta la muerte drum bin ich für die schwarzen Strümpfe“ war der Schlusseffekt. Nach langem Schwanken, bei dem das schwüle bewölkte Wetter schließlich den Ausschlag gab, dann doch nach zwei Uhr nach León gefahren. Wir hatten erst Regen, dann vollkommen klaren Mondschein auf dieser Fahrt, die vom Meere über 800 m hinaufsteigt. Eine prachtvolle Fahrt, stundenlang am rechten Ufer des Miño, der hier die Grenze nach Portugal bildet  ; wir sahen weit hinein in das gebirgige Land. Die Ufer des Flusses sind außerordentlich gepflegt, wie ein Garten bepflanzt, wer das wohl besorgt – geistige Hände – nie sieht man einen Menschen, fast nie ein Haus … Um 1 Uhr nachts waren wir in León  ; wir liefen so schnell zur Stadt, dass uns der Mann von der Verzehrungssteuer nachstürzte, da er uns für Schmuggler hielt. – Auf halbem Weg fanden wir die Pension […], die wir uns [wegen] der größeren Bahnhofsnähe ausgesucht hatten. Wir klopften an die Haustüre, aber niemand öffnete. Ein Herr, der zufällig nachhause kam, ließ uns ein. Der üble Geruch auf der Stiege aber stimmte uns um und wir schlichen uns geräuschlos wieder die Stiegen hinunter u. aus dem Hause fort. So mussten wir also doch wieder in die Stadt hinein in unser Hotel, das wir vor wenigen Tagen erst verlassen hatten u. bekamen das schöne Zimmer über unserem alten, sodaß wir sicher sein konnten, dass uns diesmal um ¼ 4 Uhr die vom Madrider Zug einlangenden Leute nicht als Dreikönigszug mit Kamelgetrampel aus dem Schlaf wecken würden. Am Vormittag heute waren wir auch wieder in der ent428

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zückenden Kathedrale deren Skulpturen uns aber nach dem Portico in Santiago etwas spielerisch vorkamen … Nach Tisch fuhren wir dann nach Burgos, hatten 3 Stunden Aufenthalt in Ventas de Baños die wir „verschieben“. 2. Juni. (Miranda de Ebro, früh, wir warten auf den Zug). Burgos gibt als Stadt keinen Eindruck. Der Dom ist aus dem 13. Jh., im 15. von köln’schen Meistern so unpersönlich zuende- u. überarbeitet, dass er völlig gleichgültig bleibt. Am schönsten waren die beiden langen Spaziergänge, die wir aus der Stadt hinaus, durch luftig-schattige Alleen unternahmen, von denen man d. Blick weit hin über die Hochebene hat  ; am Morgen zum Frauenzisterzienserkloster la Huelga (Erholung), das ein ganz klarer vornehm schlichter Bau der Frühgotik (das reinste Beispiel hier) darstellt  ; nachmittag in eine Cartuja (Karthause), – die sich nicht an die Sommerzeit hielt u. uns u. andere ½ Stunde warten ließ, bis die Pforte sich um vier Uhr öffnete … – die derselbe Kölner Architekt gebaut hatte wie den Dom und in der es spätgotische (15. Jh.) Königsgräber gab.62 Am Abend reisten wir – wieder einmal der letzte einundfünfzigste Wagen an ­einem Güterzug  ! – nach Miranda, einem Knotenpunkt, der uns die Strecke nach Zaragossa, bequem zum übernachten, teilt. Die anderen Waggons hatten Schafe geladen, die sich still verhielten u. stanken. Bei uns waren Spanier, die zwar auch stanken, aber sich nicht still verhielten. Jeder plärrte ein anderes Lied (pfiff, trällerte, trommelte u. s. w.) in die Landschaft hinaus, – Felsen und Schluchten eine Stadt konzessionslos steinern und schmucklos wie eine italienische Bergstadt an dem steilen Flussufer aufgebaut … Wenn die Neugier sie packte, kletterten sie über die hohen Lehnen ins andere Abteil hinüber, sangen dazu u. ließen sich im Rhythmus oder in der Kadenz abfallen. Sie wirkten wie in einer Pantomime – oder im Affenkäfig. Um 10h waren wir am Ziel. Einen Eindruck an der Küste zwischen Pontevedra u. Vigo hält das Gedicht fest  : Der Fluß mündet – Die Uferfelsen, die sich überschlagen, Von tollen Hufen losgesprengt – Die Spur der wilden Jagd in jäher Schlucht – Sie tragen – lässig sich zurück, Vom ewigen Gesetz zur Zucht gerufen – Halbgötter lagern sie auf heiteren Stufen … Und wo das Gras in feuchter Erde stand, Die langen Algen tauchen an den Strand. Verlegen hält die selbstverliebte Welle, 429

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Denn ernster breiter rauscht es ihr entgegen – Ein Wind steht – auf – die Erde, sie wird Sand, Ein Muschelsplitter wird der Stein – Und aus dem großen Meere fährt das erste Segel ein. Abends. Zaragossa. Die Ankunft – gegen 4h – ist das Erlebnis des Velazquez y MazoBildes im Prado  : der Zug umfährt die Stadt den Ebro entlang. Man wirft noch einen schnellen Blick auf die berühmte Brücke, von deren Erbauung wir das spanische Lesestück gelesen hatten. Die beiden Kathedralen sind eng nebeneinander, beide goldgelb. Sie können sich nicht über die Hegemonie einigen und so wechseln sie halbjährig ab. Die Virgen del Pilar wirkt ganz festlich [in] Louis XVI., ihre Weihe bekommt sie nur durch die gedrängte Frömmigkeit, die vor allem in der Gnadenbildkapelle sich staut. Da morgen Fronleichnamsfest ist, war heut abends schon viel Volk beim Gottesdienst. Auf einer Bank saß eine junge Frau, ein weißes Tuch mit Fransen lag breit über dem Schoß, ein Taschentuch auf dem schwarzen Haar, ein Säugling suchte an ihrer Bluse die war wunderbar rosa, ganz erdbeer, aber heller doch – und die Frau reichte dem Kind die Brust  : Es ging mir ganz nah zu Herzen …63 Die andere Kirche ist tausendmal schöner  ; ein starkes Licht flutete durch den goldgelben gotisch-maurischen Raum. Wir blieben lange, der Gottesdienst vollzog sich mit nachdrücklichem Ernst  ; die vorlesenden Geistlichen, am Hochaltar, die doch die Hauptrolle spielten, im einfachen schwarzen Mönchskleid – die anderen im Pomp … Vor Sonnenuntergang gingen wir vor die Stadt hinaus, um von einem kahlen Hügel aus den Blick auf die Stadt und auf die Ebene herum zu haben. Das Licht war südlich intensiv, und auch die Vegetation wirkt hier stark südlich. Fast wie eine ungeheure Huerta –, aber doch nur für den vom Norden kommenden – lange nicht dicht, tropisch genug im Vergleich mit den Andalusischen. Am Rückweg an dem von Karl V. gegründeten Kanal entlang – am anderen Ufer hatten Zigeuner ein Lager aufgeschlagen …64 Im Jahr 1808 war die berühmte Verteidigung Zaragozas gegen die Franzosen bei der so viele Menschen umgekommen waren. Die Verteidigung wurde von der Virgen del Pilar geleistet – der General hat sich nur als ihren Adjutanten genannt. Als 1909 die Zentenarfeier war, bekam die Virgen del Pilar den auszeichnenden Titel eines Feldmarschalls … 6.VI.1926 Den Fronleichnamstag haben wir noch in Zaragossa zugebracht, ohne jedoch etwas von der Prozession zu sehen, die hier erst um 6h abends vor sich geht – um diese Zeit waren wir schon in der Eisenbahn nach Barcelona. Die Fahrt war wundervoll und wieder ganz anders als in den übrigen Teilen des Landes. In der weiten Ferne 430

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die schneebedeckte Kette der Pyrenäen, und wir immer durchs Ebrotal, der hier schon mächtig breit ist. Erbarmungslos graugelbe – im Abendlicht dann goldgelbe Steinstädte – klettern u. kleben an den Abfällen der kahlen Felsenberge. Gerade hier wo manches im äußerlichen Gewand an Italien erinnert tritt der Unterschied der Landschaftsstruktur noch deutlicher hervor. Nie lieblich, immer ernst  ; nie pathetisch, immer in sich beruhend. Die Fruchtbarkeit nimmt gegen Süden zu  ; Huerten, Ölwälder und Wein, Wein ohne Ende. Wir hatten einen vielachsigen Wagen, der so gelinde fuhr, dass wir beim Fahren schreiben konnten. Hans konzipiert das Feuilleton Spanische Königsgräber. Ein junger Geistlicher – der sich nachher als Prorektor der Universität in Burgos herausstellte – sagte ihm bewundernd, als er fertig war, „nie hätte ein Spanier so viel, so ununterbrochen geschrieben.“ Die Unterhaltung mit dem Geistlichen ging z[um] T[eil] über Edukation und Landessitten – er fuhr zu seiner schwer erkrankten Schwester …65 Wir kamen spät in Barcelona an u. fuhren am nächsten Morgen (4.) früh nach d. Montserrat. Erst etwa 2 Stunden mit der Bahn u. dann noch […] mit dem Funicular. Von der Bahn aus sieht man schon den Felsberg mit seinen phantasieaufreizenden Formen, die Burg von Giganten bewacht – die Wächter  ! – graugelbes nacktes Gestein  ; zu halber Höhe das Kloster und die Hotelbauten u. alles was zum Wallfahrtsbetrieb gehört wie Schwalbennester, goldgelb auf grau, daran gerückt. Die Fahrt hinauf rollt einem diesen geschlossenen Komplex ins Nacheinander auf. Und immer tiefer versinkt die unerhört große Ebene unten, roter Felsboden oder graugelber – je nach dem Licht – von eisengerötetem Wasser, das wie Schlamm aussieht, den Fluß durchzogen. Ich schreibe Ebene, es ist aber keine. Es ist eine Reliefkarte, auf der man in graphischen Wellen die ganzen Falten des abfallenden Gesteins nachgreifen kann  ; es sieht aus fast wie eine modellierte Fensterrose der spätgotischen tollsten Ornamentik …66 Der Spaziergang oben auf d. Montserrat entlang der Felsen, mit dem Blick hinunter ist einzigartig. Gut sitzbare Steine bieten sich an, man möchte Rasten u. bleibt Stunden u. Stunden auf dem selben Fleck  ; bis die Tiefe rauscht, und bis sie verständlich spricht, zu uns herauf, die wir schon irgendwie mit dem Felsen zusammengehören. Und der aufregende Atem der Geschichte weht uns an und endlich sinkt alles zurück ins zeitlose Sein, immer So-gewesen-sein …67 Während der Nachmittagssiesta auf einem mühsam entdeckten Grasfleck umzieht sich der Himmel. Wir fahren früher zurück als wir die Absicht hatten u. können noch unsere Post im Correo holen. Eine elende Bude, dieser Correo, der gar nicht zum Ehrgeiz d. aufblühenden Stadt passen will. (Von den Kindern gute Nachrichten – von Georg ein wenig erfreulicher Brief …) Der Samstag war für Barcelona selbst vorbehalten. Museum, Dom, Obstkäseeinkauf – ein anstrengender Tag. Am Nachmittag tranken wir unsere erste und letzte Naranjada auf spanischem Boden, fuhren mit einer elektr[ischen] Kleinbahn nach San Cugat hinaus. Ein ewig langer Ort mit einer gelbgrauen Klosterkirche hinter 431

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grünen Bäumen am Ende. Übergangsstil reiner Form  ; besonders malerisch der große Kreuzgang in gelb u. weiß, Orangenbäume im Patio u. 2geschossiger romanischer Umgang mit eingeblendeter Zwerggalerie. Etwas kompliziert dann (Elektrische, Funicular) nach Vallvidrera u. von dort – auf Umwegen zufuß zum Tibidabo hinauf. Ein junger räudiger Hund ging den ganzen Weg mit uns, bis wir zum Funicular kamen. Links hinunter der Blick in das bewaldete Tal, in dem vereinzelt Villen freundlich helle Flecke brechen – so dichten und üppig grünenden Wald haben wir sonst nirgends in Spanien gefunden – und rechts auf die Stadt, die wie in krankem Mondlicht, ungeheure Steinwüste sich dehnte  ; der Hafen setzt sich wie in ein gefasstes Bassin klar darin ab. Jener erste und dieser letzte Ausflug auf den Tibidabo das war ein guter Anfang u. ist ein guter Abschluß – der Kreis schließt sich zur eindrucksvollen Insel. Es ist wie die gereimten Zeilen, die ich so gerne hab, – Abb. 90  : Berg Montserrat mit dem Kloster. vorn der Klang in der oberen Zeile zum Klang am Ende in der letzten …68 Heut früh fahren wir nach Vich, wo wir das bedeutendste frühmittelalterliche Museum sehen sollen, das eine Ergänzung zum altkatalanischen Flügel im Museum zu Barcelona bildet. Auf diese Weise können wir auch noch eine Paßstraße über die Pyrenäen nach Frankreich hinein nehmen … 7.VI. Vich, Bahnhof. Der gestrige Sonntag hier in dem lieben Bischofsstädtchen war erst anregend, dann ausruhend. Das große Museum hier war das anregende. Es ist schon in d. Mitte des 19. zusammengebracht worden und hat den ausgezeichneten Durchschnitt der frühmittelalterl[ichen] Malerei u. Skulptur der Pyrenäentäler gesammelt, von denen d. Museum in Barcelona die Höhepunkte hat. Der dicke Katalog, den wir gekauft haben, ist leider unzureichend illustriert. Den stärksten Eindruck hat uns eine lebensgroße geschnitzte Holzgruppe der Kreuzabnahme gemacht mit den 432

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Schächern, die vielleicht dem Ende des 12. Jhs. angehört  ; ein verwandter Typ in der nahegelegenen Kirche St. Juan ist in die Zeit 1252–5  ? datierbar – wir haben nur d. Photogr[aphie] gesehen – u. ein 3. Stück desselben Typs soll eine Privatsam[m]l[ung] in Barcelona haben. Nach Tisch blieben wir erst zuhause u. schrieben auf einer Art Terrassengarten, dann ein Stündchen spazieren, bis es regnete, regnete, regnete …69 In der Nacht sang der Sereno (Nachtwächter) seine Strophen … 8.VI. Das war gestern ein voller Tag. Früh am Morgen hat er angefangen, wir fuhren nach Ripoll, wo wir den Zug überschlugen, um die Kirche zu sehen. Sie ist ganz rein romanisch, nicht bedeutend, aber doch als ein so frühes Beispiel, das nicht plateresk oder barock überarbeitet wurde, beachtenswert. Sehr malerisch der ganze Ort schon hoch in den Bergen, von einem Fluß – die kleine Meder (!) – durchflossen. Dann weiter hinauf bis zum Ende der Eisenbahn – Puigcerda. Wunderbar steinern aufgebauter Ort in einem ganz großen, fast wie eine Hochebene wirkenden – u. windigen – Kessel gelegen, den rings im Kreis herum die beschneiten Berge einschließen (1100 m). Die Bäume schlagen z[um] T[eil] erst aus. Wir bestiegen einen Plachenwagen, in dem wir wie in einem Gefängnis mit undurchsichtigen Mauern sitzen u. treten unsere Grenzreise an. Unser Gewissen ist nicht ganz rein  ; eigentlich hatten wir den Grenzübertritt in Irun angemeldet u. dorthin die vorgeschriebenen Photographien geschickt – das war unsere spanische Sünde  ; und eigentlich hatten wir ja in Marseilles beim Hinweg französ[ischen] Boden betreten, also eigentlich das französische Visum, das wir in Wien bekommen hatten, schon verwirkt – wenn auch d. Marseiller Beamte sonderbarer Weise keinen Stempel in d. Paß gedrückt hatte. Der Grenzübertritt war unsagbar spannend. Eine rüttelige Fahrt, alle fünf Minuten blieb unser Gefängnis stehen u. durch die Plachenwand bereitete uns die Stimme des Kutschers auf die nächste Tortur vor. El passeporte, oder la douane u. s. w. Die drei spanischen Proben waren bestanden u. wir atmeten auf. Bei der 2. französ[ischen] zog sich d. Wetter drohend zusammen, Hans musste aussteigen u. wurde einem verbissenen Kommisknopf vorgeführt. „Ich kann sie nicht nach Frankreich hereinlassen“ – begann er die Rede. „Mais comment  ?“ fragte Hans unschuldig, wie er nicht war. Wenn sie von Wien nach Spanien gefahren sind, müssen sie schon einmal Frankreich betreten haben. – Non, Monsieur, es gibt auch einen Seeweg  ; ich bin von Genua nach Barcelona per Schiff. – Es hat lang gedauert, bis der Alte sich von seiner Blamage erholt hat und grimmig klein beigab – und sein Instinkt war doch so richtig gewesen …70 Wir atmeten erleichtert auf, als alles endlich gut vorüber war. Die Abfahrt auf einer elektrischen Bahn war noch tausendmal schöner als die Bergfahrt  ; – trotzdem der Charakter der spanischen Ortschaften viel einheitlicher in die Landschaft passt, als die gleichgültigen neu anmutenden französischen. Anfangs war prachtvolles Hochgebirge, den […] entlang, ein breiter Gletscherrücken. Man fährt in Kurven, als ob 433

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man sich erst den Weg bahnen müsste. Tiefe Täler mit Bächen wie Schnee glitzernd oder weite Durchblicke ein großartig aufgebautes Bergland … Dann wird die Gegend lieblicher, süßer, – ein sonnig klarer warmer Abend nach der windigen scharfen Höhe besonders angenehm. Es ist der Midi, der so ganz anders wirkt als das ernste zurückhaltende Spanien. Am Ende zwischen Perpignan u. Narbonne fährt man lange Strecken einfach durchs Meer durch. In den Städten, die schon wie Landschaften von Viktor Tischler ausschauen, sind d. Kirchen befestigt –, bis ins 16. Jh. haben die Seeräuber von Afrika herüber das Land hier unsicher gemacht. In Narbonne haben wir übernachtet, Grand Hôtel de France  ; gleich bei dem Rathaus, unser köstliches Zimmer mit 5 Wasserkrügen u. ebenso vielen Handtüchern, hatte eine breite Terrasse, die in einen flussartigen Kanal steil abfiel – Venedig. Die Nacht war wunderbar ruhig …71 Gestern zwischendurch ein wenig gedichtet, aber ich weiß nicht, ob das Verschen stehen bleiben kann. Und wenn ich dich gemahne  : Denkst du dran  ? – Du weißt’s nicht mehr – Das ist das Ende. – Das Wunder, das ich hielt in beiden Händen, Ist vertan. Das Licht verblichen, die Nebel hängen schwer Die Fragen Holen ihre Segel ein – Den armen Kahn Die Wellen schlagen … 10.VI. Die Reise geht zu Ende, gestern haben wir noch  : Übermorgen – gesagt und heute sagen wir schon  : Morgen. Gestern waren wir noch in Lyon, französische Menschen, Häuser, Abgeschlossenheit, Verbittertheit – heute sind wir in Solothurn. Gestern noch unerhört heiß – heute umzogen, Regen. Gestern ein W. C. zwei Fußstapfen über einem Loch, wenn auch glasierte Kachel u. elementare Wasserspülung, sodaß sie nachts ausgeschaltet werden muß, damit nicht alle Hotelgäste geweckt werden – und heute vorbildliche englische Sitzgelegenheit  ; gestern noch pardon Madame – heute Excusez, gestern noch der französ[ische] Franc, heute o weh der Schweizer, der gerade 7x soviel gilt. Gestern haben wir uns Mühe gegeben, die ganzen franz[ösischen] Franken in Ankäufen loszuwerden, heute sind wir bekümmert, dass man zur Besichtigung der Solothurner Madonna 1 fr[anken] pro Kopf zahlen muß (die übrigen Objekte d. Museums sind nicht sehenswert gewesen) und für das Frühstück sogar 1,25. Gestern ein Näpflein Kaffee u. ein Croissant, dem aber 434

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der zweite Bogen des Kreises fehlte und heute – über das Frühstück heute sag ich nichts, es war zu gut …72 Noch ein Nachtrag aus Lyon  : nach unserer Ankunft bez[iehungsweise] Installierung (Hôtel de la Dauphiné) – das Zimmer 20 fr[ancs] = 4 Schillinge, fließendes Warm- u. Kaltwasser) gingen wir in ein Vaudeville Le Chasseur de Chez Maxim’s von irgend einer Firme, es war ein ganz schlechtes Stück u. wir haben eigentlich nur gelacht, um zu zeigen dass wir’s verstanden haben …73 Die ersten germanischen Menschen haben mir einen unangenehmen Eindruck gemacht, die ersten nordischen Häuser einen bessern. Die menschliche Begrenztheit, die sich darin einzurichten weiß u. das angemessenste daraus holt, hat doch etwas rührendes. Wenn man vom Süden heimkehrt bleibt doch immer das Gefühl Großzügiges gegen Beschränktheit eingetauscht zu haben … ½ 6. Die letzte Grenze schmerzlos passiert. Draußen regnets grau und unerschöpflich. Zürcher See, Thuner See. Wir sind allein im Coupé, haben das Brett beim Fenster aufgeklappt  ; ich zeichne, ich dichte. Wann werde ich wieder so ein Leben á mon aise führen können  ?  ! Die Eindrücke von gestern wirken nach  : Das Haus im Süden. Wir in der Heimat bauen um den Herd das Haus – Und an der Mauer steht der gütige Baum – Und Haus und Baum umfängt das hohe Dach. Hier aber schämt sich der Herd, Stein und Stein ist das Haus Armut kehrt es rein, Armut leert es aus – Dach wird flache Diele  : Letzte Notdurft ans Licht gedrängt, Wäsche hängt – Glasscherben klirren Zwischen vergessenen Blumengeschirren … 18.VI.1926 Heut ist es Donnerstag – letzten Freitag sind wir abends angekommen und haben das Haus in bester Ordnung, alles andre in der üblichen Schlamastik vorgefunden. Stoffel hat seit Montag die „Schriftliche“. Am ersten Tag die Deutsche, drei Themen, alle wenig verlockend von denen er ein Zitat aus Hallers Alpen wählte  : Der Dinge Wert ist das was wir von ihnen empfinden – oder so ähnlich, jedenfalls eine sehr unklare 435

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Geschichte  ; am 2. Tag Tacitus (gut) am 3. Mathemat[ik] (gut), heut griechisch, eine Stelle aus einem Redner, dessen Name ich nicht einmal kenne. Er sagt, es war nicht schwer …74 Unlängst war über die Tests, die sie im Lauf dieses Jahres in allen Mittelschulen gemacht haben (Begabungsprü­ fung) ein Vortrag, den der Leiter der Kommission gehalten hat (Möckl). Dieser Herr traf gestern den Hans, der hat ihm erzählt, dass er eine ganze Reihe von Antworten etc. des Anderl vorgeführt hätte (natürlich ohne Namen zu nennen) da er sich so besonders ausgezeichnet hätte. Und heute war ich mit Hans im Krystallverlag  ; die Subskription meines Gedichtenbuches ist doch nicht so miserabel verlaufen, wie ich gefürchtet hat  ; ein paar Ersparnisse (vorläufig) – es wird gemacht. Ich richte heute das Manuskript her, Georg ist verständigt. Hab doch Freud damit – soweit Abb. 91  : Spanien, ein Pastell des 12-jährigen Anderl Tietze – „eine dekorativ literarische Art, fern von der Natur“. man sich bei der jetzigen finanziellen Gedrücktheit überhaupt freuen kann – ich denk mir, dass jeder, der subskribiert hat, es ungern getan hat … 7. Juli 1926 Das Schuljahr stirbt ab, die Agonie ist schmerzlos. Burgl hat ihre Aufnahmsprüfung in die Deutsche Mittelschule (Gymnasiumstr.) sehr gut absolviert, Stoffel hat heut oder morgen mündliche Matura, er interessiert sich nicht dafür und nimmt mir jede Spannung. Meine Gedichte hab ich schon in den Verlag zum Drucken gebracht, der Abschied vom Manuskript war peinlich  ; so fremd und sinnlos ist ein so abgestoßenes „Produkt“. Hans ist seit dem 1. Juli in der Provinz (Linz, St. Florian, Kremsmünster, Salzburg, Graz), um die Ausstellung für den Herbst (deutsche Gotik aus Privatbesitz) fest zu machen. Mit Anderl bin ich viel zusammen, sein Skizzenbuch das er mir während unserer Abwesenheit gezeichnet hat, ist sehr interessant  ; eine dekorativ literarische Art, fern von der Natur. Und die Ausstellung der Schülerarbeiten, die ich mir vor 2 Tagen in der Piaristenschule ansah, hat ganz wundervolle Sachen von ihm. Ein so inniges Naturgefühl. Er sagt mir  : „Ich hab jetzt etwas neues 436

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in der Elektrischen. Weißt du, der Stoffel sieht doch den Leuten immer an, was für einen Beruf sie haben – ich schau sie an, wie sie als Kinder ausgeschaut haben mögen.“ Vroni meint  : „das ist doch sehr schwer, denn manche Leute haben sich doch sehr verändert.“ „Es muß ja nicht richtig sein“, sagt der Anderl ruhig. Er war jetzt über zwei Wochen zuhause, wegen Furunkel, hat Stifter (Studien) und Shakespeare (Komödien) gelesen, ist in der Sonne gelegen u. war glücklich. Ich habe die graphische Vorlage für Dürers Flucht nach Egypten (Marienleben) gefunden u. viel Spaß damit gehabt. Habe das schlechte Buch von Sauerlandt (Deutsche Barockskulptur) scharf besprochen und einen schönen Abend mit Georg in einem leeren Heurigengarten in Grinzing verbracht. Wir haben über die Kunst und das Leben gesprochen, Abb. 92  : Der Maturant Christoph Tietze, ca. 1926. über seine Kunst, sein Leben und mein Leben. Er lebt sehr schnell und was ihm noch vor kurzem als das Erstrebenswerteste oder Richtigste schien, das gilt ihm heute nichts mehr. Es ist sehr schwer mit einem Menschen, der noch alles vor sich hat, in Einklang zu kommen …75 Die Radierungen für mein Buch – ich weiß nicht, ob er sie schon beisammen hat – und er will doch morgen schon reisen (Donaueschingen). Er hat sich vor etwa vierzehn Tagen die kleine Zehe gebrochen (es ist ihm ein Betteinsatz drauf gefallen) u. humpelt mit einer Gipssohle herum, statt zu liegen. Er wird sich am Land (Gerda ist dort mit den Eltern, Lampls …) ausruhen.76 12. Juli 1926. Ich muß noch von den letzten Tagen vieles nachholen. Am 7. war ich bei Georg im Atelier, habe vieles mit ihm geordnet (gute und mindere Zeichnungen gesondert), die aus Köln zurückgekommenen Sachen nachgesehen, und die Platten für mein Buch in Empfang genommen. 1.) die zurechtgeschnittene Bucklige, 2.) das eine (kleine) Carrarablatt, das aber nicht in diese Publikation paßt, zu vielfigurig, unlyrisch u. im Herbst ausgewechselt werden soll 3.) eine neue Radierung, Mutter mit Kind, die mir sehr lieb ist. Am nächsten Abend 8. VII. (ich war noch früh mit ihm beim Arzt gewesen) fuhr Georg dann nach Donaueschingen und am selben Nach437

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Abb. 94  : Georg Ehrlich, Erica Tietze-Conrat, Weihnachten 1926. Abb. 93  : Georg Ehrlich, Monumentale Mutter mit Baby aus dem Gedichtband „Abschied“.

mittag hat Stoffel sang- und klanglos maturiert und am selben Abend ist Hans aus Graz heimgekehrt. Dr. Hempel dort hatte ihm erzählt, er war jetzt in München, dort werden als Nachfolger nur Tietze und Karlinger genannt. Und am nächsten Tag hat Strzyg[owski] und dann Reich telephon[iert], Schlosser wolle einen Lehrauftrag für Swoboda – österr[eichische] Kunstgeschichte – in d. Fakultät einbringen, weil man doch so eine Lappalie Tietze nicht anbieten könne, der natürlich meritorisch viel mehr in Betracht käme und weil doch derlei Lehraufträge nur zur Unterstützung notleidender Dozenten gegeben werden sollten. Hans sprach mit Schlosser, der diesmal sogar sehr offen das Unsachliche seiner Handlungsweise zugestand, das Ende war am Samstag ein Minoritätsvotum von II (gegen 26  ?), das gegen Schlossers Antrag noch dem Ministerium eingeschickt wurde. Aufregungen über Aufregungen. Und Samstag Abend letztes Mahl für Stoffel (mit Fixlein), der den ganzen Nachmittag über zum Gaudium von uns allen gepackt hatte (er nahm auch seinen silbernen Serviettenring mit  !) Sonntag früh, begleitet von Anderl u. Therese, fuhr er zur Bahn, erste Station München, Deutsches Museum. Er war doch sichtlich etwas gerührt zum Abschied – und Anderl auch. Am Samstag noch allgemeine Zeugnisverteilung, die sehr befriedigend ausfiel. Man sagt immer, man gibt nichts auf Zeugnisse etc., 438

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diese Mühelosigkeit des Betriebs ist aber doch eine angenehme Voraussetzung. Gestern (Sonntag) waren furchtbar viel Leute da, (4 Steiners, Hilda, Paul, Steffi) wir waren tot  ; schließlich noch Pogleyen, mit dem ich die Abbildungen für Georgs Aufsatz im Cicerone besprach. Und heut hab ich die Vorlagen zum Angerer u. Göschl gebracht. Das Abschiednehmen geht diese Woche weiter – Donnerstag Pamela – und nächsten Mittwoch dann die Kinderlein. Ach ja.77 Hier enden ETCs erhaltene Tagebuchaufzeichnungen der 1920er-Jahre. Anmerkungen 1 Zu Auslandsausstellungen der GFMK siehe TB 1925, 21.10. „Der Kölnische Kunstverein zeigt im April eine von Prof. Tietze – Wien zusammengestellte Schau österreichischer Malerei seit 1900. […] Alle Kunstströmungen der letzten 25 Jahre spiegeln sich hier, aber ohne die Härte und Verbissenheit, die für viele deutsche Kunstwerke dieser Epoche so bezeichnend ist, vielmehr ins Wienerisch-Lässige, Zarte, Geschmackvolle übersetzt.“ (L. St.-E. 1926, 21.) Die kunsthistorischen Aufsätze in der „Österreichischen Reisezeitung“ des Jahres 1926 waren unter HTs Namen („Prof. Dr. Hans Tietze“) erschienen, stammten aber offensichtlich, zumindest zum Teil, von ETC  : Jänner 1926, „Dürer in Wien“ (14–15)  ; Februar 1926, „Tizian in Wien“ (6–9) und „Wiener Ausstellungen“ (9)  ; März 1926, „Rubens in Wien“ (4–6) und „Wiener Ausstellungen“ (6–7)  ; April 1926, „Velazquez in Wien“ (5–8) und „Wiener Ausstellungen“ (8–9). Ziemlich sicher von HT  : September 1926, „Schloss Hellbrunn bei Salzburg“ (11–13)  ; Oktober 1926, „Gotik in Österreich“ (11–14). Die für das Jahr 1926 zusammengestellte volksbildnerische Radioserie „Meister und Meisterwerke deutscher Kunst“ erschien 1927 unter HTs Namen und mit einer Einleitung, die aufgrund der allgemeinen sozialpolitischen Ausrichtung zweifelsohne auch von ihm stammte, im (Deutschen) Verlag für Jugend und Volk (Schulbuchverlag der Stadt Wien, gegr. 1921)  : „Historisches Wissen und völkisches Gefühl müssen sich, wenn sie nicht in Hohlheit verfallen sollen, aneinander entflammen  ; erst so entsteht die Gegenwartsbeziehung, die die Vergangenheit als etwas Lebendiges empfindet und die geistige Ausweitung, die im heute Geschehenden den vollen Sinn findet. Kunstgeschichte, die ein Stück Volksbildung zu sein begehrt, ist die Darstellung des künstlerischen Geschehens, soweit es noch lebendige Wirkung ausübt  ; wovon sollte eine solche Erklärung stärker gelten, als von Werken jener Meister, aus denen sich unser Instinkt den Begriff der Meisterschaft gebildet hat  ! Wir nennen sie Meister, weil sie zu uns gehören  ; und sie gehören zu uns, weil sie Meister sind.“ (Tietze 1927, Vorwort.) Die Autorenschaft der einzelnen Beiträge dieses Buches muss aber offenbleiben. Die Schule in der Boerhavegasse 15 im 3. Wiener Gemeindebezirk war 1919 auf ­Initiative 439

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Otto Glöckels per Gesetz vom 28.11.1919 (StGB 195, Nr. 542) als erste Staatserziehungsanstalt (ab 1920 Bundeserziehungsanstalt) gegründet worden. Wichtigstes Ziel war die Abschaffung der herrschenden Bildungsprivilegien. In der Entwicklung des höheren Mädchenschulwesens galt sie als ein „Kristallisationspunkt der Reformpädagogik der 20er Jahre“ (Tesar 1995, 21). ETCs Gedichtsammlung „Abschied“ erschien 1926 im Krystall-Verlag in insgesamt 60 Exemplaren (Ausgabe A, Nr. 1–20, und B, Nr. 21–60), handsigniert und nummeriert. Der Band umfasste 57 Gedichte, von denen etliche in diesen Tagebüchern erstmals aufgezeichnet wurden. Dem Band beigefügt waren drei (Serie A) bzw. eine (Serie B) signierte Radierungen von Georg Ehrlich (siehe dazu TB 1926, 12.7.). Während ETC bereits zuvor ihre Arbeiten meist unter ihrem Doppelnamen veröffentlicht hatte, erschien dieser Band unter „Erica Tietze“ – wohl als eine zärtliche Geste hin zu HT. „Ich kann nicht alles schreiben, Mich an alle möglichen Leute verschenken. Vieles muß ich verschweigen … Es gehört meinem Mann Allein –“, lauten entsprechend auch die ersten Zeilen des ersten Gedichts „Grenzen“ (E. Tietze 1926, 5).

Zum Modeatelier „Schwestern Berger“ siehe TB 1925, 15. 9.

2 Spanische Reise HT und ETC von Mitte April bis Mitte Juni  : Tarvis (I)  – Mestre  – Mailand  – Genua  – Porto Maurizio (Imperia) – Marseille (Île d’If ) (F)  – Barcelona (E)  – Tarragona  – Espluga de Francolí  – Barcelona  – Tarragona  – Poblet  – Tarragona – Valencia – Murcia – Lorca – Granada – Sevilla – Cádiz – Jerez (de la Frontera) – Sevilla – Córdoba – Aranjuez – Madrid – Segovia – Madrid – Toledo – Madrid – Escorial – Medina del Campo – Salamanca – Valladolid – León – Ponferrada – Monforte – Curtis – Santiago de Compostela – Pontevedra – Vigo – León – Burgos – Ventas de Baños – Miranda de Ebro – Saragossa – Barcelona – Montserrat – Sant Cugat del Vallès – Vallvidrera – Vich (Vic) – Ripoll – Puigcerdà – Irun – Perpignan (F) – Narbonne – Lyon – Solothurn (CH).

„Meine“ Tagliamento-Landschaft  – zu ETCs Fahrten entlang des Tagliamento, dieses „Königs der Alpenflüsse“, siehe TB 1925, 5.7.

3 Tietzes fuhren als Passagiere eines Frachtschiffs von Genua nach Barcelona. 4 „Motherthill“ – Mittel gegen Seekrankheit. 5 Île d’If mit dem Château d’If – Gefängnis- und Quarantäneinsel vor Marseille.

Zur Reise durch den „Midi“ siehe TB 1924, 1.10.

6 In der ehemaligen Music Hall „Alcazar“ ist heute die städtische Bibliothek von Marseille untergebracht. 440

Felix Dörmann, Dichter und Schriftsteller (vor allem bekannt für seine Operettenlibretti), galt als „eine typische Erscheinung der Jungwiener Moderne um die Jahrhundertwende,

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Zeitgenosse, Jugend- und Kaffeehausfreund von Hermann Bahr, Arthur Schnitzler und Hugo von Hofmannsthal“ (Zohner 1959).

Gisela Werbezirk glänzte in der Rolle der „komischen Alten“.

  7 Honoré Daumier, Ratapoil, Bronze, 1851, Musée des Beaux-Arts, Marseille. „[…] sorte de demi-solde, d’agent de propagande, de provocateur et d’espion au service de la cause bonapartiste. L’invention de ce personnage se rattache en effet à toute une campagne de caricatures antibonapartistes suscitée dès 1848 par les républicains, inquiets de l’ascension politique puis de l’omniprésence dans la vie publique du neveu de l’empereur Napoléon Ier.“ (Ratapoil et Casmajou, L’Histoire par l’image.)

Giovanni Castiglione, Einzug in die Arche Noah, um 1650, Musée des Beaux-Arts, Marseille.



Gustav Courbet, Hirsch am Wasser, 1861, Musée des Beaux-Arts, Marseille.



Notre-Dame-de-la-Garde, 1853–1864, 160 m über dem Meer das Wahrzeichen von Marseille.

  8 1926 erschien der erste Katalog der romanischen Sammlung  : Joaquim Folch i Torres, Museo de la Ciudadela, Catálogo de la Sección de Arte Románico, Barcelona 1926 (Borngässer 2004).   9 „Don de 1921“ – gemeint ist die Widmung („don“) des Bildes an das Museum im Jahr 1921.

Die Familie Picassos war 1895 nach Barcelona gezogen. Damals war Picasso bereits 14 Jahre alt. „When the family moved to Barcelona in October, 1895, Don José stopped painting altogether. His vigilance over his son’s progress continued, however, while he held the post of Professor of Fine Arts at the Barcelona Academy.“ (Barr-Sharrar 1972, 522.)

10 Montjuïc (173 m) im Südwesten, wie der Tibidabo (512 m) im Nordwesten, Hausberg Barcelonas. 11 Dom auf dem Tibidabo-Berg – Tempel „Expiatori del Sagrat Cor“ im neugotischen Stil (1902–1961). 12 Kathedrale „Santa Creu i Santa Eulàlia“, 1058 geweiht.

„Casa de la Diputación“, heute „Palau de la Generalitat“, 16./17. Jh., Sitz der politischen Einrichtungen der „autonomen Gemeinschaft Kataloniens“.



„Sala de la Audiencia“ – ehemals Ort der zentralstaatlichen Gerichtsbarkeit.

13 „Die älteste Pfarrkirche Barcelonas“  – „Sant Pau del Camp“, ehemals Teil des vor den Stadtmauern gelegenen gleichnamigen Klosters, gegründet 914. 14 Eigentlich  : diez o veinte centésimos, span. ‚zehn oder zwanzig Cent‘. Im Weiteren wird der etwas fehlerhafte Einsatz des Spanischen belassen, solange sich die Bedeutung noch nachvollziehen lässt. 15 Kilometerheft – ermäßigte Rundreisetickets. 441

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16 Man kann davon ausgehen, dass ETC in Kenntnis der gängigen (romantischen) Literatur über „Zigeuner“ nach Spanien reiste. Nachweislich kannte und mochte sie Achim von Arnims (1781–1831) Novelle „Isabella von Ägypten“ aus dem Jahr 1812, deren illustrierte Neuauflage sie 1919 rezensiert hatte. Während bei Arnim Juden die eigentliche Ursache für die „Verkommenheit“ der Zigeuner sind („Die Zigeuner waren damals in der Verfolgung, welche die vertriebenen Juden ihnen zuzogen, die sich für Zigeuner ausgaben, um geduldet zu werden, schon sündlich verwildert“), ist Isabella, das Zigeunerkind, „königlicher noch“ als ihr prinzlicher Geliebter Karl V. (Arnim 1959  ; Tietze-Conrat 1919a, 220  ; Arnim 1918).

„‚Neukatalonischer‘ Stil“ – Modernisme Català, katal. Modernismo Catalán, span. Künstlerische Ausformung der „Renaixença catalana“, der „nationalen Wiedergeburt“ Kataloniens. Im Gefolge des wirtschaftlichen Aufschwungs zählte – neben Sprache und Kultur – der „Modernismo“, auch katalanischer „Jugendstil“, zu den zentralen Pfeilern der „Renaixença catalana“.



Fest des hl. Georg (3. Jh., Patron von Katalonien) am 23. April („Día de Sant Jordi“).



Das berühmte „Gran Hotel La Florida“ an der Autostraße La Rabassada war gerade 1925 fertiggestellt worden.

17 Tietzes verwendeten eine Ausgabe des Baedeker, dessen kunsthistorischer Teil von Carl Justi (1832–1912) verfasst worden war. Im Jahr 1882 hatte sich der Kunsthistoriker in einem Brief an seine Schwester über seine Mitwirkung an dem für das nächste Jahr geplanten Baedeker kritisch geäußert  : „Ich habe gar keine Lust dazu  ; da ich für eine solche Skizze den Schmand von meinen Entwürfen abschöpfen müßte, und außerdem noch nicht für alle Theile abgeschlossen habe, so daß ich vieles sagen würde, was mir bald darauf auf der Seele brennen würde.“ Der kunsthistorische Teil der Österreich-Ausgabe des Baedeker von 1926 wiederum stammte von HT. Dass auch er, als herausragender Wienspezialist, über reichlich „Schmand“ zum Abschöpfen verfügte, steht außer Zweifel ( Justi 1923, 217  ; Tietze 1926a).

„Die Befestigung ist jetzt im Verfall, aber die Stadt gilt noch als ‚Plaza de Armas‘ (zeichnen verboten  !)“ (Baedeker 1912, 255.)



Zeichnende oder malende Kunsthistoriker waren keine Seltenheit. Franz Wickhoff (1853– 1909) wie auch Paul Clemen zählten zu ihnen. Von ETCs „Skizzenbüchern“ hat sich bedauerlicherweise keines erhalten. Die einzige ETC zuordenbare Zeichnung eines Frauenkopfes in der Manier Georg Ehrlichs findet sich im TB 1926, 7.7., als Abbildung.



Santa María  – Kathedrale von Tarragona (begonnen 1118), errichtet an der Stelle eines römischen Tempels und einer maurischen Moschee.

18 Kapelle der Santa Tecla (1760–1775) mit Reliquien der Schutzheiligen von Tarragona. 19 Das Zisterzienserstift „Monestir de Santa María de Poblet“ (gegr. 1151) ist eine der bedeutendsten Klosteranlagen Spaniens und Grabstätte der Könige von Aragon und Grafen von Barcelona. Zum Stift Klosterneuburg siehe TB 1924, 17.5. 442

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20 „Carlisten“ – Anhänger des Infanten Carlos de Borbón (1788–1855), eines Bruders Ferdinands VII. (1784–1833), der um den Thron gegen die legitime Thronerbin Isabella (1830– 1904) kämpfte. Tatsächlich hatte das Kloster während des ersten der drei Carlistenkriege (1833–1840) Schaden genommen. Die Königsgräber wurden aufgebrochen. Während der liberalen Ära wurde das Kloster 1835 im Zuge der „Desamortización“ (Enteignung unproduktiver Ländereien aus kirchlichem Besitz) vorübergehend aufgelassen (Klein 2006, 318  ; zu den Carlistenkriegen siehe Fontana 2007, 170–175  ; zur Geschichte des Klosters Poblet siehe Monestir de Santa María de Poblet, Monestirs de Catalunya). 21 Zu den Gründen, weshalb sich Objekte aus dem Kloster „Poblet“ im Museum („Museu Nacional Arqueològic de Tarragona“, 1. Hälfte 19. Jh.) befinden, siehe TB 1926, 25.4. 22 Valencia war von 714–1094 maurisch. 23 „„Capella della purissima conceptión“ – korrekt  : Capilla de la purísima concepción, span. ‚Kapelle der Unbefleckten Empfängnis‘. 24 Zur sogenannten Casparides-Schenkung (auch Kasparides-Schenkung) siehe TB 1923, 25.10. 25 ETCs Schilderung der Einäugigen erinnert stark an Picassos „La Celestina“ von 1903/04, heute im Musée Picasso, Paris. 26 Genau genommen spricht der Baedeker von 1912 von der „herabgekommenen Hauptstadt des ehem. Königreichs und der jetzigen Provinz“ (Baedeker 1912, 307). Murcia liegt im Tal des Rio Segura  ; die Kathedrale „Santa María“ (gegr. 1358) hat eine Rokokofassade an der Westseite von Jaime Bort y Meliá (  ?–1754). Der Salzburger Erzbischof Matthias Lang von Wellenburg war ab 1510 Bischof von Cartagena (Matthäus Cardinal Lang von Wellenburg, Catholic Hierarchy). Der Name des berühmten Bildschnitzers, der die Figuren für die Prozessionen in der Karwoche anfertigte, lautet Francisco Salcillo y Alcaraz. 27 Isabella I. von Kastilien (1451–1504) verstarb in Medina del Campo. Noch zu Lebzeiten hatte sie jedoch Granada als ihren endgültigen Bestattungsort bestimmt. Die „Capilla real de la catedral“ (Königskapelle, gegr. 1504) wurde die Grabstätte der katholischen Könige Isabella I. und Ferdinand II. von Aragonien (1452–1516) sowie ihrer Tochter Juana I. von Kastilien (1479–1555, genannt „die Wahnsinnige“) und ihres Schwiegersohnes Philipp I. von Habsburg (1478–1506, genannt „der Schöne“), den Eltern Karls V. (Carlos I.). Zur Entstehung der Begräbnisstätte der katholischen Könige siehe NoehlesDoerk 2006.

Dirk Bouts, Passionsaltar, um 1450–1460, Museum der Capilla Real, Granada.



La Cartuja de Granada (Kloster „Nuestra Señora de la Asunción“), 16.–18. Jh.

28 Tietzes waren durch den Baedeker in jeder Hinsicht auf die Begegnung mit den „Zigeunern“ „vorbereitet“  : „Die Zigeuner, span. gitanos (d. h. egipcianos, weil lange für Ägypter 443

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gehalten), sind in Granada seit 1532 nachweisbar. Man kann die Höhlenwohnungen besichtigen und sich weissagen lassen. […] Ein ‚Zigeunerkönig‘ in seiner Phantasietracht belästigt die Fremden meist in der Alhambra.“ (Baedeker 1912, 320, 332 [Hervorhebung im Original].) Tatsächlich dienten die Höhlen bereits Ende des 15. Jahrhunderts Arabern und Juden nach deren Vertreibung durch die katholischen Könige als Unterschlupf (Clébert 1964, 250). Auch die „Gitanos“ waren – wie Juden und Araber – Opfer jener auf die territoriale Einheit abzielenden Politik der katholischen Könige (Vega Cortés 1997). Der typische Hut der andalusischen „Gitanos“ war der sogenannte „sombrero de catite“. Eine Ähnlichkeit mit dem mittelalterlichen „Judenhut“ mag Tietzes aufgefallen sein. Ob tatsächlich ein historischer Zusammenhang zwischen den beiden Hutformen besteht, konnte nicht geklärt werden. 29 Alhambra von Granada, vermutlich aus dem Arabischen  : qasr al-hamra – ‚Rote Festung‘, 13./14. Jh. 30 HTs Artikel über das Kloster „Poblet“ für die Volkszeitung konnte nicht ausfindig gemacht werden. 31 „La Peña de los Enamorados“ – „Felsen der Liebenden“ bei Antequera, Andalusien. 32 Der Originaltitel von „Vivir es mejor“ mit Douglas MacLean konnte nicht ausfindig gemacht werden. 33 Pedro Millán, Bildhauer, geboren in Sevilla, Wirkungszeit Anfang des 15. Jahrhunderts. Zu seinen wenigen gesicherten Werken zählen eben jene Figuren an den Westportalen der Kathedrale von Sevilla (El Espasa 1989, 295–296).

Bartolomé Estaban Murillo, Visión de San Antonio de Padua (Dem hl. Antonius von Padua erscheint das Christkind), 1656, Kathedrale Sevilla.

34 Alcázar (al-qasr, arab. ‚Palast‘), auch „Real Alcázar de Sevilla“, war ursprünglich 913 als Festung errichtet worden, erfuhr dann aber zahlreiche Erweiterungen bis in die christliche Zeit. Im 13. Jh. ließ Alfons III. den gotischen und im 14. Jh. Pedro I. den „Mudejar“-Palast errichten. „Mudejar“ – „während des 13. Jh. […] maurisch-gotischer Mischstil“ (Riese/Kadatz 2008, 288–289). Möglicherweise war die Beeinflussung gerade umgekehrt als von ETC angenommen  : „Everyone who sees the palace is struck by the resemblance to the Alhambra of Granada. […] After Muhammad [V. (1338–1391, Emir von Granada)], who had lived at the Seville Alcazar while in exile from 1359 to 1362, was restored to his throne, he sent artisans from Granada to Seville to work on the Alcazar for Pedro. It is tempting to identify the Seville façade as a derivative of the Alhambra façade, but since both Pedro and Muhammad were engaged in remodeling their antiquated palaces, it is quite possible that the Seville façade predated comparable works of the Alhambra.“ (Ruggles 2000, 91–92.) „Baños de Doña María de Padilla“, ein nach der Geliebten Pedros I. benanntes, mit gotischen Gewölben gedecktes Wasserreservoir. Die Dimensionen dieses Beckens entsprechen 444

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augenscheinlich tatsächlich jenen des riesigen barocken Fischkalters im Benediktinerkloster Kremsmünster (gegr. 777) in Oberösterreich. 35 Das Museo de Bellas Artes de Sevilla besitzt eine große Sammlung von Werken des Malers Francisco de Zurbarán, in deren Zentrum die Gemälde der Kirchenväter sowie Zyklen aus dem Klosterleben stehen. 36 Bartolomé Esteban Murillo, La inmaculada Conceptión (La Colosal), um 1650, Museo de Bellas Artes, Sevilla. 37 Sevilla, „Hospital de la Caridad“ (um 1663)  : Von den ursprünglich sechs Gemälden Murillos zum Thema der Barmherzigkeit waren im Jahr 1810 vier von napoleonischen Truppen verschleppt worden und gelangten über den Kunsthandel in diverse internationale Museen. Im Museum selbst hängen Reproduktionen (Hospital de la Caridad [Sevilla], Wikipedia).

Zu Professor Musiker können keine Angaben gemacht werden.

38 „Convento de Santa Paul“, gegr. 1475, Sevilla – Terrakottaornamente von Francisco Niculoso Pisano, vermutlich aus Pisa, tätig erstes Viertel 16. Jh.–1529 (Malo Cerro 2001, 46). 39 „Hospital de las mujeres de Cádiz“ (Mitte 18. Jh.)  : El Greco, Visión de San Francisco – bei August L. Mayer im Katalog von 1926 als nicht gesichertes Werk aufgenommen  ; als Original El Grecos bei Cossío 1908 und Wethey 1967 (Posada Kubissa 2010, 284). 40 Vermutlich die alte Kathedrale „Santa Cruz de Cádiz“. Zu dem vermeintlichen Werk des Frans Franken konnte nichts ausfindig gemacht werden. Auf der Internetseite der andalusischen Regionalregierung finden sich Hinweise zur Restaurierungsgeschichte des Altarbildes „Dornenkrönung mit Judaskuss“, das von Tietzes ursprünglich Hans Holbein d. J. zugewiesen worden war. Das Werk befindet sich heute im Dommuseum und wird Francisco de Comontes (1. Hälfte 16. Jh.) zugeschrieben, einem Meister der Schule von Toledo, mit einer Entstehungszeit zwischen 1540 und 1545 (Conservatión y Restauración, Instituto Andaluz del Patrimonio Histórico). „Museo Arqueológico de Cádiz“ (heute „Museo de Cádiz“) mit Gräbern und Gräberfunden aus der phönizischen Nekropolis von Cádiz. Auch dieses Museum geht, wie zahlreiche andere, auf die „Desamortización“ (siehe TB 1926, 25.4.) von Kirchengütern unter der liberalen Regierung des Jahres 1835 zurück. Bei der erwähnten phönizischen Skulptur handelt es sich um einen Sarkophag  : Anthropoider phönizischer Sarkophag, Marmor, ca. 400 v. Chr. (Almagro Basch 1947, 147). Zweifellos handelte es sich beim „spanischen Meyer“ um den Kunsthistoriker und Spanienspezialisten August Liebmann Mayer. Zu Mayer siehe TB 1938/1, 1.2. Offenbar gab es noch einen anderen „Mayer“ oder „Meyer“, eventuell einen Deutschen, über den man jedoch nur mutmaßen kann. 41 Park – „La Alameda de Hércules“, Sevilla.

ETC verwendet beharrlich die falsche Schreibweise des Namens von August L. Mayer. 445

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42 Offenbar handelte es sich beim „Schottischen Freier“ („El novio escosés“) um einen Trickfilm. 43 Moschee (Mezquita) – Kathedrale von Córdoba, Asunción de Nuestra Señora, ab 1523 in der ehemaligen „al-Dschāmi al-kabīr“ (Hauptmoschee) errichtet. 44 Auf eine Anfrage nach dem von ETC erwähnten Künstler Juan von Córdoba und seiner „Verkündigung aus Stein“ gab die Leiterin der Restaurierungs- und Forschungsabteilung des Museo Arqueológico y Etnológico de Córdoba folgende Auskunft  : „Dabei handelt es sich um einen relativ unbekannten Künstler aus Córdoba, der einzig im Diccionario biográfico de artistas de la población de Córdoba, herausgegeben von Rafael Ramírez de Arellan, Erwähnung findet. Der Künstler wird darin als Bildhauer bezeichnet, wobei nur ein in Holz ausgeführtes Werk seine Signatur trägt. Das Ensemble der Verkündigung im Museo Arqueológico de Córdoba wird diesem Bildhauer zugeschrieben, wobei gesicherte Grundlagen für diese Zuschreibung fehlen. Das Werk stammt aus der Kapelle von Ribagorazo, der heute nicht mehr bestehenden Kirche der Inkarnation.“ (María Jesús Moreno Garrido in einem Schreiben vom 23.2.2012 an die Herausgeberin, Übersetzung Alexandra Caruso.)

Aranjuez – „Casa del Labrador“, „ein Schlößchen nach Art des Trianon in Versailles“ (Baedeker 1912, 122). Wahrscheinlich handelte es sich um den Palast von Godoy y Osuna, vor dem es im März 1808 zum Aufstand der Noblen („Motín de Aranjuez“) gekommen war, der mit der Abdankung Karls IV. zugunsten seines Sohnes Ferdinand endete.

45 Madame Sans-Gêne, Stummfilm, Regie  : Léonce Perret (1880–1935), Frankreich/USA 1925. 46 Tizian, Karl V. zu Pferd nach der Schlacht bei Mühlberg, 1548, Prado, Madrid.

„Dazu kommt, daß Madrid der Ort ist, wo sie geschaffen wurden, und wo in Menschen und Natur noch immer der lebendige Kommentar dazu vorhanden ist“, schreibt Carl Justi in seiner kunstgeschichtlichen Einführung im Baedeker zu den Bildern des Velázquez im Prado ( Justi 1912, XCI). Justi gilt bis heute als der bedeutendste deutschsprachige Biograf Velázquez’. Mit seinem Buch „Diego Velázquez und sein Jahrhundert“ (Bonn 1888) wurde „den Deutschen das kulturgeschichtliche Panorama einer ganze Epoche spanischer Geschichte […] ins Haus geliefert“ (Warnke 2005, 11).



Gegen Ende ihres Lebens griff ETC mit ihrem Buch „Dwarfs and Jesters in Art“ (erschienen bei Phaidon Press, London 1957) das Thema der Zwerge und Hofnarren in der Kunst wieder auf. Darin finden sich zahlreiche Abbildungen jener Zwerge von Velázquez, die den kleinen spanischen Prinzen und Prinzessinnen als Begleiter gedient hatten.

Goya, Die Familie Karls IV., 1800, Prado, Madrid. Goya, La maja vestida, 1800–1807, Prado, Madrid. Goya, La maja desnuda, 1795–1800, Prado, Madrid. Raffael, Porträt des jungen Kardinals, um 1510, Prado, Madrid.

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Raffael, Heilige Familie, genannt „die Perle“, um 1518, Prado, Madrid. Von König Felipe IV. (1605–1665) als die „Perle“ seiner Sammlung bezeichnet (Sagrada Familia Ilamada „la perla“ [Rafael], Museo Nacional del Prado). Mantegna, Der Tod Mariä, publiziert von ETC, in  : Tietze-Conrat 1923a, 8. „Eines seiner frühen Gemälde, der Tod Mariä im Prado (um 1462), das ein altertümliches Motiv Castagnos feinfühlig weiterführt, zeigt in der durchsichtigen Atmosphäre und freiesten Entwicklung den Ausblick auf die Gewässer von Mantua, auf die gedehnte Brücke, die die Seen des Mincio scheidet.“ 47 Der Kunstpublizist und Spanienkenner Alfred Kuhn hatte im Jahr zuvor ein Reisebuch, „Das alte Spanien, Landschaft, Geschichte, Kunst“, veröffentlicht (Kuhn 1925). Kuhn war, wie HT, langjähriger Redakteur der Zeitschrift „Kunstchronik und Kunstmarkt“ gewesen und schrieb ebenfalls für das Feuilleton der Münchner „Allgemeinen Zeitung“. Der der Malervereinigung „Die Brücke“ nahestehende Walter Gramatté hatte wie Oskar Kokoschka Mitte der Zwanzigerjahre Spanien bereist. Dem Trend auf die Iberische Halbinsel folgten u. a. 1929 auch die Tietze-Freunde Josef Floch und Willy Eisenschitz (Walter Gramatté, Galerie Remmert und Barth). Möglicherweise Franz Hohenlohe (Wladimir Aichelburg, Das Wiener Künstlerhaus, Mitglieder). Ein Maler namens Maggy konnte nicht identifiziert werden. 48 Galerie der „Real Académia de Bellas Artes de San Fernando“. Dreißig Jahre später heißt es bei Soehner, die Tendenz der Nachahmer sei gewesen, „den Stil des Meisters zu übersteigern  : Streckung der Proportionen, Verschmälerung des Kopfes ‚entmaterialisieren‘ den Stil Grecos“ (Soehner 1956, 57). Goyas „schwarze Bilder“ („pinturas negras“), Wandmalereien aus der „Quinta del Sordo“ (dem „Landhaus des Tauben“). Zu einem späteren Zeitpunkt von den Wänden auf Leinwand übertragen (wobei die Werke großen Schaden nahmen), sind die Bilder seit 1889 im Prado ausgestellt (Goya, Dos mujeres y un hombre, Museo del Prado). Die beiden Revolutionsbilder von Goya im Prado  : „El dos de mayo de 1808“ (Kampf mit den Mameluken), 1814, sowie „El tres de mayo de 1808“ (Erschießung der Aufständischen), 1814. Die Gobelinentwürfe waren ab 1775 von Goya für die königliche Manufaktur angefertigt worden. 49 Kunstgewerbemuseum – „Museo Nacional de Artes Industriales“, Madrid.

Welcher Museumsschatz („Tesoro“) gemeint war, konnte nicht eruiert werden.

50 Tizian, Karl V. mit Hund, 1533, Prado, Madrid. Tizian, Karl V. zu Pferd nach der Schlacht bei Mühlberg, 1548, Prado, Madrid. Tizian Werkstatt, Philipp II., 1549/50, Museo del Prado, Madrid. Tizian, Philipp II., 1551, Prado, Madrid. „Mars u. Bacchus bei d. Hirten“ – die Stelle ist im Original nur schlecht lesbar. In beiden Gemälden lassen sich Einflüsse von Rubens und den venezianischen Malern des 16. Jhs. festmachen. Doch kann der „Mars“ von ca. 1641 schwerlich zu Velázquez’ „Jugendwerk“ 447

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gezählt werden. Der „Bacchus bei den Hirten“, auch „Triumph des Bacchus“ („Los Borrachos“), stammt von 1628/29 (siehe dazu Warnke 2005, 68–69, 114–115). José de Ribera, Traum des Jakob, 1639, Prado, Madrid. „La Biblioteca Nacional de España“, Madrid. 51 Wurstelprater – Wiener Vergnügungspark. 52 Das „Klösterlein“ heißt korrekt „Ermita de la Virgen de la Cabeza“, 19. Jh. Fransisco de Goya, Gefangennahme Christi, 1798, gefertigt für die Kathedrale „Santa María de Toledo“, heute im Prado, Madrid. El Greco, Das Begräbnis des Grafen Orgaz („El entierro del señor de Orgaz“), 1587, Kirche Santo Tomé (siehe dazu Dvořák 1924b). „Ist der Raum breit, tief  ? Man weiß es nicht. Die Figuren sind zusammengedrängt, als ob der Künstler in ihrer räumlichen Verteilung unbeholfen gewesen wäre.“ (Dvořák 1924b, 262.)

Die Eröffnung des „Wohnhauses“ des Greco geht auf eine Initiative des Marquis Benigno de la Vega-Inclán (1858–1942) zurück. Dass der Maler tatsächlich in dem Haus gelebt hat, gilt heute als unwahrscheinlich. „Welche Rolle mit ‚zu gut‘ gemeinten Restaurierungen der Marqués de la Vega Inclán spielt, der nach der Jahrhundertwende die ‚Casa del Greco‘ in Toledo in ‚ursprünglichem Stil‘ aufbaute und aus allen Konventen Grecos zusammenkaufte, um sie herrichten zu lassen, muß erst untersucht werden.“ (Soehner 1956, 56.) Vega-Inclán, der neben dem Greco-Haus noch weitere Künstlerhäuser stiftete, gilt als wichtiger Wegbereiter der spanischen Tourismuswirtschaft (Benigno Vega-Inclán, Museo del Prado  ; Doménech 1916). Das El Greco zugeschriebene Wohnhaus liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer der beiden bedeutenden mittelalterlichen Synagogen Toledos. Das Spezifische dieser Geschichte wurde offenbar wortlos unter die bedeutungsvollen Steine subsumiert, die für sich selbst den „überzeugende[n] Beweis“ des „historischen Schicksals“ der Stadt darstellten (selbst der Baedeker war dazu expliziter …). Velázquez, Papst Innozenz X., 1650, Galerie Doria Pamphili, Rom.

53 El Greco, Ansicht von Toledo (mit der Brücke von Alcantára), 1597–1599, Metropolitan Museum, New York. 54 Madrid – Tietzes begaben sich, wohl auch angeregt durch Carl Justis Beitrag im Baedeker (TB 1926, 13.5.), auf die Suche nach Kunstwerken in kirchlichen Einrichtungen  : Goya, Die letzte Kommunion des hl. Josef von Calasanz („La última comunión de San José de Calasanz“), 1780, gemalt für den Altar der Kirche „San Antonio Abad“ (San Antón), befindet sich heute im Museo Calasancio, Madrid. Rubens, Martyrium des hl. Andreas, Spitalskirche „San Andrés de los Flamencos“, Fundación Carlos de Amberes, Madrid. 55 La (Real) Armería – königliche Waffensammlung im Königspalast in Madrid  ; gegr. durch Karl V. 448

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Parque de la Bombilla – zentrale Parkanlage in Madrid.



Neuwaldegger Park  – erster Landschaftspark Wiens, im Nordwesten der Stadt (heute Schwarzenbergpark).

56 „Real Sitio de San Lorenzo de El Escorial“ (1562–1584) – politisches und kulturelles Zentrum des Reichs Philipps II. Auch hier handelt es sich um eine bedeutende königliche Grablege (siehe dazu Scholz-Hänsel 2006).

El Greco, Das Martyrium des hl. Mauritius und der Thebaischen Legion, 1578–1582, El Escorial. In welchen Text ETCs „kleine archäologische Arbeit“ zu Tizians „Abendmahl“ (1564, El Escorial) schlussendlich eingeflossen ist, konnte nicht nachvollzogen werden.



Mehrere Einträge belegen, dass Tietzes an der damals virulenten Diskussion Anteil nahmen, welchem der beiden Künstler – Velázquez oder El Greco – die bedeutendere Stellung in der Geschichte der Kunst sowie als Vorreiter der Moderne zufalle. „In the meantime El Greco had surpassed Velázquez in popularity in Germany. It was not only the expressionists and the artists of the Blaue Reiter who had discovered the painter from Crete as ‚modern‘. The art historians too had changed their interests. Julius Meier-Graefe [1867–1935], for example, went to Spain in 1908 to see Velázquez, who totally disappointed him  ; he then ‚discovered‘ El Greco instead. While Heinrich Wölfflin wrote about Velázquez in 1899, Max Dvořák created new aesthetic categories for the discussion of El Greco as a predecessor of expressionism in 1922. Velázquez was in a way dethroned, Greco enthroned.“ (Hellwig 2011, 3.)

57 „Medina di Campo“ – eigentlich „Medina del Campo“, Kastilien und León. 58 „Alte Gehäuse um neu gekaufte Fabriksware“ – Anspielung auf die platereske Ornamentik in den Kirchen. Dazu der Kunsthistoriker Ludwig Justi  : „Ohne die Baugerippe zu ändern, wurden die plastischen Zierformen in gleichbedeutende des neuen Idioms übersetzt, an die Stelle der Filialen treten Obelisken, Giebelkreuzblumen werden ersetzt durch Palmetten. Es kam zu wunderlichen aber höchst kunstvollen Mischformen. […] die Bauten erinnern an Werke der Edelmetallkunst. […] Dem doktrinären Geist der zweiten Generation der Renaissance, mit ihrer systematischen Beherrschung der antiken Bauformen, erschien dieser reiche dekorative Stil als eine hybride Mischung von Altem und Neuem.“ ( Justi 1912, LVII.)

„S. Pablo u. S. Isidoro (Universität)“ in Valladolid – ETC verwechselt hier möglicherweise etwas. Sinnvoll wäre es hier aufgrund der auffallenden Gemeinsamkeiten, die spätgotischplateresken Fassaden der Klosterkirche „San Pablo“ und des „Colegio San Gregorio“, beide spätes 15. Jh., in einem Atemzug zu nennen (Mayer 1922, 9).



Das „Museo Provincial de Bellas Artes“, das zum Zeitpunkt von ETCs Reise noch im „Colegio de Santa Cruz“ untergebracht war, wurde dann tatsächlich 1933 in ein „Museo Nacional de Escultura“ (nationales Skulpturenmuseum) umbenannt  ; es bezog neue Räumlichkeiten im bereits erwähnten „Colegio San Gregorio“. Die Bestände dieses Museums gehen, wie zahlreiche andere, auf die Zeit der „Desamortización“ von Kirchengütern unter der liberalen Regierung Mitte der 1830er-Jahre zurück (Museo nacional de escultura, 1933 fecha decisiva). 449

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Zu Juan de Juni in Thieme/Becker  : „französ. Bildhauer, Maler u. Architekt, geb. in Joigny (Burgund), † zwischen 8. u. 19.4.1577 in Valladolid im Alter von 70 Jahren, Vater des Isaac. […] 6.4.1551 Vertrag für den Retablo in der Cap. del Trascoro in S. Benito el Real zu Valladolid, gemeinsam mit seinem Neffen Inocencio Berruguete ausgeführt. Von den im Prov.-Museum erhaltenen Statuen der Hll. Johannes Bapt., Magdalena, Helena u. Hieronymus werden die beiden ersten J[uni] allgemein zugewiesen.“ (Thieme/Becker 1926, 495.) Juan de Juni, Beweinung („El entierro de Cristo“ ), 1541–1545, Museo Nacional de Escultura, Valladolid. „Y no quedan agotadas con ellas sus sondeos de dolor  : ya expresando el arrebato, en el grupo inolvidable de María y Juan, del Museo de Valladolid.“ (GómezMoreno 1931, 70.) 59 Kathedrale „Santa María“, 1199–14. Jh., „eins der hervorragendsten Werke früher Gotik auf spanischem Boden, […] eng verwandt mit den Kathedralen von Reims und Amiens“ (Baedeker 1912, 148). „Basílica de San Isidoro“, 11./12. Jh., „Panteón de los Reyes“ – Grabstätte der Könige und Königinnen des Königreichs León. 60 „Die beiden Kirchen“ – gemeint sind die Kathedrale „Santa María“ und die „Basílica de San Isidoro“. „Museo Provincial de León“ im Kloster San Marcos mit der archäologischen Sammlung. Zum Begriff der plateresken Architektur von Juan Agustín Céan Bermudez (1749–1829), Freund Goyas und Autor des berühmten „Diccionario histórico de los mas ilustres Profesores de las Bellas Artes en España“ (6 Bände, Madrid 1800)  : „Plateresque architecture is perhaps so called because it was used in Spain by silversmiths in custodias and other ecclesiatical vessls. It is nothing else than the classical style in the early phase of its restoration – poor in the distribution of the members, prodigal in ornaments, and, in general, lacking elegance.“ (Zitiert nach Bury 1976, 221 [Hervorhebung im Original].) 61 Kathedrale von Santiago de Compostela (1075–1211). Auf das Portal der Kathedrale („Pórtico de la Gloria“) von Santiago de Compostela mit ihrem reichen skulpturalen Schmuck von Maestro Mateo waren Tietzes unter anderem durch Ernst Buschbecks Doktorarbeit eingestimmt, die dem „Pórtico de la Gloria“ gewidmet gewesen war (Buschbeck 1919), außerdem durch Arthur Kingsley Porter, Romanesque Sculpture of the Pilgrimage Roads I, Boston 1923, siehe TB 1923, 24.–30.6. Bamberger Reiter – Steinskulptur am Bamberger Dom, um 1230. 62 Hier widersprechen Tietzes der Auffassung Justis im Baedeker, in dem es hieß  : „[…] diese malerische Silhouette und den Ruhm der schönsten Kirche Spaniens verdankte sie dem Meister HANS VON KÖLN, dem Urheber der durchbrochenen Helme und des Cimborio. Von seinem Sohne SIMON stammen die Condestable-Kapelle und das Kloster Miraflores. Die Kölner beherrschten die Diözese Burgos.“ ( Justi 1912, LIII [Hervorhebung im Original].) 450

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Bei „Santa María la Real de Las Huelgas“, 12./13. Jh., in Burgos handelt es sich um ein Zisterzienserkloster, gegründet 1187 von Alfons VIII. von Kastilien (gest. 1214) und Leonor von England (gest. 1214), die auch dort begraben sind (Sánchez Ameijeiras 2006).



Burgos – Karthause „Cartuja de Miraflores“, 15. Jh., Grabstätte von Juan II. von Kastilien (1405–1454) und Isabella von Portugal (1428–1496), Eltern der „katholischen“ Isabella I. von Kastilien (Noehles-Doerk 2006, 389–391).

63 Juan Bautista Martínez del Mazo, Blick auf Zaragoza im Jahr 1647 („Vista de Zaragoza en 1647“), Prado, Madrid. Das Gemälde wurde gelegentlich auch Mazos Schwiegervater und Lehrer Diego de Velázquez zugeschrieben. Abgebildet wurde die bedeutendste Brücke der Stadt, die „Puente de Piedra“ (Steinbrücke), aus maurischer Zeit.

Virgen del Pilar – u. a. Schutzheilige der „Hispanidad“ (d. i. die gesamte spanischsprachige Welt) und der „Guardia Civil“ (paramilitärische Polizeitruppe), Holzplastik von Juan de la Huerta (1413–1462), 15. Jh., in gotischem Talar. Vermutlich trug die Madonna eine Rokokobekleidung (Louis XVI.) (Nuestra Senora del Pilar, Catholic.net).

64 „El Canal Imperial de Aragón“ – Kanal, unter Karl V. zur Bewässerung angelegt und im 18. Jahrhundert auf 110 km Länge ausgebaut. 65 HTs Feuilleton über die „Spanischen Königsgräber“, das – wie man sehen kann – bis zu einem gewissen Grad auch die Reiseroute mitbestimmt haben dürfte, konnte bisher nicht ausfindig gemacht werden. Bekannt ist aber, dass die Spanienreise vielfältige wissenschaftliche „Verwertung“ gefunden hat. So hielt HT im Sommersemester 1927 eine Vorlesung zur „Spanischen Malerei von Greco bis Goya“, und möglicherweise war der Vortrag HTs in der Kunstwissenschaftlichen Bibliothek Warburg in Hamburg im gleichen Jahr zum Thema „Romanische Kunst und Renaissancekunst“ nicht zuletzt ebenfalls der Spanienreise geschuldet. 66 Montserrat („zersägter Berg“) – ca. 30 km von Barcelona gelegenes Bergmassiv (1.235 m), mythischer Berg der Katalonier  ; Heiligtum mit wundertätiger Schwarzer Madonna, der Patronin Kataloniens  ; Benediktinerkloster „Santa Maria de Montserrat“ (1550) mit Wallfahrtsbetrieb (Abtei Montserrat 1961). 67 Montserrat, „Und der aufregende Atem der Geschichte“ – Brand und Zerstörung des Klosters im Unabhängigkeitskrieg (1811/12), Flucht der Mönche, Verkauf von Kirchengütern im Zuge der „Desamortización“ (siehe TB 1926, 25.4.; Monasterio de Santa Maria de Montserrat, Monasterios de Catalunya)  ; Montserrat gilt als Wiege des katalonischen Nationalismus. 68 Die Ortschaften Vallvidrera und Sant Cugat gehören heute zum Stadtteil Sarrià-Sant Gervasi in Barcelona.

„Monestir de Sant Cugat“ – bedeutende ehemalige Benediktinerabtei mit großem Kreuzgang im Stil der katalanischen Romanik, 12. Jh. (Monestir de Sant Cugat del Vallès, Monestirs de Catalunya).



Zum Tibidabo siehe TB 1926, 22.4. 451

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69 Das Archäologische Museum im erzbischöflichen Palais („Museo Episcopal de Vic“) des Städtchens „Vich“ bzw. „Vic“ wurde erst 1891 eröffnet, geht aber auf eine große archäologische Ausstellung alter Kunst im Jahr 1886 zurück (Museu Episcopal de Vic, History of the Museum). „Holzgruppe der Kreuzabnahme“  – Meister von Erill (  ?), Kreuzabnahme („Descendimiento“), 1. Hälfte 12. Jh. (aus der Kirche „Santa Eulàlia“ in Erill la Vall), „Museu Episcopal de Vic“. 70 „Die kleine Meder (  !)“ – Erinnerung an Josef Meder, Leiter der Graphischen Sammlung Albertina während der ersten Jahre nach dem politischen Umsturz (1920–1922). 71 Zwar übersiedelte der Wiener Maler Viktor Tischler endgültig erst im Jahr 1928 nach Frankreich, auf Studienreisen hatte er jedoch bereits die südfranzösische Landschaft festgehalten (Roessler 1924). 72 Hans Holbein d. J., Solothurner Madonna, 1522, Kunstmuseum, Solothurn. 73 Le Chausseur de chez Maxim’s, Komödie von Yves Mirande (1876–1957) und Gustave Quinson (1863–1943), 1920, der „Künstlerfirma“. 74 Die „Schriftliche“ – schriftlicher Teil der Matura (Abitur).

Albrecht von Hallers (1708–1777) Lehrgedicht „Die Alpen“ erschien erstmals 1732.

75 Nachdem HT seine Stelle im Ministerium aufgegeben hatte, fand er im „Verein der Museumsfreunde“ vorübergehend als Ausstellungskurator ein neues Betätigungsfeld. Der Katalog der Ausstellung „Gotik in Österreich“, veranstaltet durch die Museumsfreunde im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie (15.8.–8.11.1926), scheint mit seinen sorgfältigen Angaben zu Literatur und Provenienzen vorbildhaft. Augustiner-Chorherrenstift Sankt Florian, Oberösterreich. Benediktinerstift Kremsmünster, Oberösterreich. Ein Skizzenbuch des zwölfjährigen Andreas Tietze hat sich im Nachlass erhalten (Privatarchiv Filiz Tietze). Adalbert Stifter (1805–1868), Studien, Sammlung von Erzählungen in 6 Bänden (1844– 1850). Zur Vorlage für Albrecht Dürers „Flucht nach Ägypten“ (Marienleben) siehe Tietze/ Tietze-Conrat 1928, 280–281, und Abb. 209, Nr. 273. Max Sauerlandt, Die deutsche Plastik des 18. Jahrhunderts, München 1926. Erica Tietze-Conrat, Max Sauerlandt, Die deutsche Plastik des 18. Jahrhunderts, Leipzig 1926 (Rezension), in  : Belvedere, Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde, Nr. 9/10, 1926, 180–181. Erica Tietze-Conrat, Max Sauerlandt, Die deutsche Plastik des 18. Jahrhunderts, Leipzig 1926 (Rezension), in  : Belvedere, Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde, Nr. 11, 1927, 174–175. 452

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76 Es ist anzunehmen, dass Ehrlich, Lampls sowie Gerda Seitz mit ihren Eltern bei dieser Gelegenheit auch die Donaueschinger Musiktage besuchten, die seit dem Jahr 1921 in dem Schwarzwaldstädtchen abgehalten wurden. Zahlreiche Uraufführungen  – auch von österreichischen Komponisten der Moderne, darunter Werke Hauers – haben bei diesem weltweit ersten Festival für Neue Musik stattgefunden (Programm des Jahres 1926, SWR). 77 „Aus Köln zurückgekommenen Sachen“ – TB 1926, 27.3.

Schließlich wurden drei Mutter-Kind-Darstellungen aufgenommen, die als Sequenz die Entwicklung in der Mutter-Kind-Beziehung illustrieren  : Radierung 1 stellt eine monumentale Mutter mit ihrem Wickelkind dar, Radierung 2 die etwas aus der Distanz gesehene Gruppe, ergänzt durch ein Kleinkind, und Radierung 3 eine gealterte Mutter hinter ihrer heranreifenden (als Halbakt dargestellten) Tochter.



HT hatte sich 1908 für mittelalterliche und moderne Kunstgeschichte an der Universität Wien habilitiert. 1919 war ihm der Titel eines ao. Professors verliehen worden. Der Inhaber der I. Kunsthistorischen Lehrkanzel, Josef Strzygowski, hatte damals, laut Protokoll der Kommissionssitzung, seine Zustimmung zur Verleihung des Professorentitels an HT an die Bedingung geknüpft, dass HT sich beruflich nicht an der Universität entfalte, eine Sorge, die Dvořák (ebenfalls laut Protokoll) für ohnedies unbegründet hielt (Archiv der Universität Wien, Personalakt Hans Tietze, Protokoll der Kommissionssitzung vom 7.7.1919). Zwanzig Jahre später waren die in dieser Floskel formulierten Vorbehalte eindeutig  : „In eigenen ,Nichtarierpromotionen‘ wurde ihnen von der NS-Bürokratie in Ministerium und Universität eine Promotion gestattet, aber nur unter der Auflage einer eidesstattlichen Erklärung, den entsprechenden Beruf im gesamten Gebiet des Deutschen Reichs nicht auszuüben – also Promotion nur bei gleichzeitigem Berufsverbot.“ (Posch/Ingrisch/Dressel 2008, 124  ; zur Geschichte der Kunstgeschichte an der Universität Wien siehe Aurenhammer 2002  ; ders. 2004  ; ders. 2005.) Otto Reich – gemeint ist höchstwahrscheinlich der langjährige Bibliothekar der Akademie der bildenden Künste, der wie Strzygowski später Nationalsozialist wurde. „Otto Reich, Bibliotheksdirektor der Akademie, war bereits seit 1933 Mitglied der NSDAP.“ (Klamper 1990, 20  ; zu Strzygowski siehe Schödl 2011.) Karl Maria Swoboda hatte bereits seit 1924 Lehraufträge am Institut für Kunstgeschichte sowie ab dem Wintersemester 1925/26 zusätzlich am Österreichischen Institut für Geschichtsforschung inne. Der naturwissenschaftlich interessierte Christoph Tietze hatte möglicherweise nach bestandener Matura (Abitur) ein Praktikum am Deutschen Museum in München angetreten. Zu den Besuchern an diesem Tag zählten neben der Familie Steiner (Vater Hugo, Mutter Lily, Töchter Eva und Maridl) und Hilda Lampl HTs ältester Bruder, Landesgerichtsrat Paul Tietze, und dessen Frau Stefanie. Während Stefanie Tietze 1941 noch in Wien verstarb, wurde Paul Tietze in das KZ Theresienstadt deportiert, wo er 1943 ums Leben kam. Vermutlich hatte Paul Tietze wegen der Krankheit seiner Frau selbst zu lange in Wien ausgeharrt, sodass eine Flucht nicht mehr möglich gewesen war. 453

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Stephan Poglayen-Neuwall war österreichischer Redakteur der Kunstzeitschrift „Der Cicerone“. Ein Artikel über Georg Ehrlich konnte für die Jahrgänge 1926 und 1927 nicht nachgewiesen werden. Pamela – vermutlich handelte es sich um Pamela Ware, ein Austauschkind, siehe dazu TB 1937/1, 26.5.

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Alexandra Caruso (Hg.)

Erica Tietze-Conrat Tagebücher Mit Geleitworten von Edward Timms und David Rosand Band II : Mit den Mitteln der Disziplin (1937–1938)

2015

Böhlau Verlag Wien Köln Weimar

Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)  : PUB 174-V21 und PUB 175-V21

Das Projekt wurde gefördert durch den Zukunftsfonds der Republik Österreich. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie  ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Erica Tietze-Conrat auf Reisen, 1930er-Jahre, Foto Hans Tietze, Privatarchiv Kristin Matschiner © 2015 by Alexandra Caruso and Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Lektorat, Bibliografie: Brigitte Ott, Wien Korrektorat: Meinrad Böhl, Wien Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Satz: Michael Rauscher, Wien Druck und Bindung: Prime Rate, Budapest Gedruckt auf chlor- und säurefrei gebleichtem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-205-79545-2

Inhaltsverzeichnis

David Rosand : Foreword . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 7

Alexandra Caruso : Mit den Mitteln der Disziplin . . . . . . . . . . . . . . . .

11

Tagebuch 1937/1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

Tagebuch 1937/2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

Tagebuch 1937/3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Tagebuch 1938/1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Tagebuch 1938/2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292

5

David Rosand

Foreword

The diaries of Erica Tietze-Conrat invite us to join her and her husband Hans Tietze on their journey of exploration in 1937–1938, visiting art collections and collectors throughout Western Europe. The itinerary is exhausting. Criss-crossing the continent and Britain, she records their responses to an amazing variety of works of art. Their primary purpose was to gather material for their projected catalogue of The Drawings of the Venetian Painters of the Renaissance, which was published in 1944. As an art historian whose own studies were inspired by and dependent upon their work, I am especially pleased to accept the invitation of the diaries to accompany the Tietzes on their visits, to listen in on their discussions of attribution, their comments on other scholars and some of the more eccentric collectors, to follow Hans’s photographic campaign, the results of which were to form the illustrated core of The Drawings of the Venetian Painters in the 15th and 16th Centuries. Although they were looking at all the art they could see, their trip was the culmination of several years of preliminary research on the drawings of the Venetian painters. The project began with the discovery by Erica of the very rich collection of Venetian drawings in the Uffizi, drawings never properly studied or catalogued. Inspired by Bernard Berenson’s monumental catalogue of The Drawings of the Florentine Painters (first published in 1903), the Tietzes set out to do justice to the painters of Venice. Even before their journey of exploration, they had already set forth an approach and methodology that would challenge inherited notions of Venetian drawing and practice. First promulgated in the sixteenth century, especially by the Tuscan Giorgio Vasari, these assumptions continued to inform the attitude of subsequent generations of connoisseurs  : it was held that painters in Venice rarely practiced drawing and that drawing played little role in the preparation of paintings in Venice. Correcting this misconception, the Tietzes returned the drawings of the Venetian painters to the studio, demonstrating the ways in which drawings functioned in that workshop context. The publication of The Drawings of the Venetian Painters established new foundations for the study of the many dimensions of art in Venice  : studio practice and the preparation of paintings, the technical aspects of painting on canvas, the structure and traditions of the family workshop. But Erica’s diaries offer more than a record of the research of two pioneering art historians  ; their professional activities are recorded within very human contexts. Her keen eye responded not only to the art they saw but to the setting as well, especially the aristocratic houses of Great Britain and, indeed, their owners. Even as she was 7

Foreword

impressed by the pictures on the wall, she noted the eccentricities and posturing of some of the more pretentious art historians they met. Of one she noted  : “Sehr selbst­ verliebt, sich auf seinen Charme verlassend, oxfordisch schnoddrig u. high brow,” asking in conclusion, after quoting a rather fatuous statement by him  : “Kann man versnobter sein  ?” In addition to registering the response of two connoisseurs, the diaries are also a travelogue. We are informed of the weather and conditions of travel  : “Sea rather rough,” Erica quotes the announcement on the boat train crossing the English Channel, adding  : “Das Schreiben ist nicht leicht …” As we travel from city to city with them, she observes the details of railroad stations and cars and the quality of the many hotels. Indeed, most of the entries made upon arrival in a new city begin with a quick observation on the hotel, its site, its rooms, its price  : “nicht sehr gemütlich”  ; “gut, aber teuer”  ; “ruhig, primitiv eingerichtet”  ; “sehr ruhiges Zimmer. Mit Bad 50 fr.” And food is treated to the same scrutiny, depending upon the location. In Switzerland, breakfast of “Chocolade und Schlag” is duly noted. But a feast in Dijon is worthy of full description  : “das zog sich – echt franz[ösische] Provinz – fast zwei Stunden lang hin. Hors d’œuvres, in Butter gebrat[ene] Fische, Endiv[ien] mit Käse u. Bechamel in d. Gratinierschüssel, Lammcot[elette] mit Erdäpfel u. gefüllten Tomaten, Salat, Käse, Obst, Vin compris. Und was für einer  ! Da muß man zwecks Verdauung einen Schwarzen trinken. Jetzt wiederum im Museum, das ist eine harte Nuß.” The diaries move in and out of work, in effect between life and art. As they continue into 1938, however, life becomes ever more urgent  : “Heute kommt der Führer nach Italien” (2 May). Erica follows news of the meetings of Hitler with Mussolini and then Chamberlain with growing, and understandable, foreboding, as she listens on the radio to Hitler’s ranting  : “Doch haben wir d. Radiorede Chamberlains am 25. abends gehört, deren Ton unsagbar wohltuend von dem hysterischen Bierbankgebrüll Hitlers abstach” (29 September). Two days later she laments  : “Mein Gott, was hat man nicht in diesen 2 Tagen wieder alles erlebt  ? Der Krieg ist abgeblasen, Hitlers Wille fast in jedem Punkt erfüllt.” By 6 December, having made application some weeks earlier, the Tietzes obtained their American visas. Hans had already received an invitation to be a visiting professor at the Toledo Museum of Art in Ohio. The accomplishments of this emigré art historian were impressive indeed  : he was responsible for reorganizing the museums of Vienna and was author of twelve volumes of the Österreichische Kunsttopographie, a publication dedicated to the art monuments of Austria, as well as of an important book on the theories and methods of art history. Together, the Tietzes published the first major catalogue of the work of Albrecht Dürer. Despite all that, in America Hans Tietze never found the position in the academy that he deserved. Serving in an advisory capacity to museums and collectors, the 8

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­ iet­zes continued to publish important studies on a range of subjects  ; nonetheless, T they were obliged to sell their double portrait by Kokoschka, painted in 1909 (now in the Museum of Modern Art, New York). Finally, for the spring semester of 1954 Hans was invited by Columbia University to teach a course on Venetian painting of the Renaissance. Midway through, his cancer made it impossible for him to continue lecturing  ; he died on 4 April 1954. The course, however, continued, with Erica stepping in where Hans had left off  : a final collaborative effort of this couple who had worked together so intimately throughout their married years. Columbia invited her back to lecture in 1955 and 1956. I was beginning my undergraduate studies then, without any particular focus, and so in retrospect I can only regret a missed opportunity.

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Alexandra Caruso

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Das Material der späten Tagebücher ist spröder in Stil und Thematik und daher vielleicht nicht unbedingt als einfache Lektüre zu bezeichnen. Das Ehepaar Tietze absolvierte in den Jahren 1937 und 1938 eine Tour de Force durch private und öffentliche Kunstsammlungen Westeuropas. Die wichtigsten Stationen der Reise, auf der intensiv geforscht wurde, hielt Erica Tietze-Conrat in einem Reisetagebuch fest. Dabei ist das Selbstverständnis, das sie bei allen Unternehmungen an den Tag legt, nicht zur Schau gestellt. Die meisten Routen haben die beiden schon mehr als einmal zurückgelegt. Das umfassende, gemeinsam verfasste Werkverzeichnis zu Albrecht Dürer sowie Hans Tietzes Monografie über Tizian sind bereits erschienen, die Arbeiten zu seinem „Tintoretto“ im Wesentlichen abgeschlossen.1 Hauptanliegen der hier dokumentierten Reisen ist die Erstellung eines weiteren großen Katalogwerks, diesmal zu Handzeichnungen venezianischer Maler des 15. und 16. Jahrhunderts, an dem Tietzes bereits seit dem Jahr 1935 arbeiten.2 Die Idee zum neuen Korpus sei von Erica Tietze-Conrat ausgegangen, schreibt Madlyn Millner Kahr 1981 in einem biografischen Aufsatz und zitiert aus einem heute nicht mehr vorliegenden autobiografischen Text Erica Tietze-Conrats, der die Entstehungsgeschichte des Katalogwerks wiedergibt  : „While H. T. was preparing his Titian monograph, I, travelling with him, concentrated on the drawings. I had published some smaller papers on Venetian drawings, correcting some attributions in the Albertina catalogue. When I encountered the enormous material in the Uffizi and was able to identify some drawings that were anonymous or superficially listed under collective names, I suggested to H. T. that we make something like a corpus of the Venetian Renaissance drawings. We therefore from 1935 on travelled through Europe with this purpose in mind.“3 Nun stellten diese Aufzeichnungen keinen eigentlichen Arbeitsbehelf dar. Es gibt Hinweise, dass Erica Tietze-Conrat noch separat Arbeitsnotizen angelegt hat („Was ich bei Witts atemlos gearbeitet habe, das hab ich alles aufgeschrieben“). Die unglaubliche Fülle des erfassten kunstgeschichtlichen Materials in einem ausgedehnten Raum lässt Anklänge an die großen kunsttopografischen Unternehmungen der Denkmalpflege zu Beginn des 20. Jahrhunderts erkennen. Wie bei der Bergung der Kunstwerke im Weltkrieg eröffnet der Blick weg von den Kunstschätzen ein unruhiges weltgeschichtliches Panorama. In der kunstwissenschaftlichen Literatur gibt es zu Erica Tietze-Conrats Tagebüchern kaum etwas Vergleichbares. Gelegentlich wecken die Aufzeichnungen Erinnerungen an Gustav Friedrich Waagens (1794–1868) Mit11

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teilungen von den Sammlungen Britanniens.4 Fast immer sind Angaben zu Kollegen, Institutionen, Kunstwerken oder sonstigen gesellschaftlichen Ereignissen derart präzise, dass sie sich in anderen Quellen exakt wiederfinden. Auch das Atmosphärische scheint authentisch eingefangen, und sie lässt das vergnügliche oder verdrießliche Nebenher nie aus den Augen. Neben den ausgiebigen kunsthistorischen Besuchsritualen dienen die Reisen auch der Aufmunterung („Die Abwechslung gerade in diesen atmosphär[ischen] Dingen ist es, die d. Reisen so wohltuend macht“). Carl Justis Reisebriefe aus Spanien hatten z. B. ebenfalls memorierenden Charakter. Doch muss der von Erica Tietze-Conrat imaginierte Leser anspruchsvoller gewesen sein als Justis Schwester und Mutter, den Adressaten seiner recht banalen Briefe.5 Wenn also die eigentlichen Arbeitsmaterialien nicht mit den Tagebuchnotizen übereinstimmen, so stellt sich – wie schon in Band I – die Frage nach dem eigentlichen Zweck der Aufzeichnungen. Und wieder kommt man über Mutmaßungen nicht hinaus. Mindestens ein Leser von Erica Tietze-Conrats Tagebüchern ist gesichert. Hans Tietze, Weggefährte bei allen Unternehmungen, wird unmittelbar angesprochen („Wirst du das Tagebuch lesen u. d. Brief hin an dich finden  ?“). Durch Hans Tietze als autoritative Instanz erhält das Tagebuch einen offiziösen Charakter („Bevor ichs niederschreibe, will ichs aber erst d. Hans erzählen“). Der Vollständigkeit halber ist er sogar angehalten, seine allein unternommenen Besichtigungen in ihrem Tagebuch festzuhalten. Erica Tietze-Conrat lässt den Leser wissen, dass Organisation und praktische Abwicklung dieses Mammutprogramms Hans zu danken seien („… ein einmal vorgenommenes Wochenprogramm tatsächlich zu erledigen, ist Hans’ Werk u. daß ich nicht ausspringe, seine Energieübertragung. Ich wäre längst irgendwohin abgeschweift, wenn ich allein gewesen wäre“). Am Ende der ersten Reise bestätigt er schließlich auch die Wahrhaftigkeit ihrer Aufzeichnungen („Ich bestätige den richtigen Inhalt dieses Tagebuchs“). Dabei meint man gar eine leise Gekränktheit zu vermerken, als ob er geahnt hätte, dass ein späterer Leser seine Rolle in dem ganzen Unternehmen gering schätzen könnte. Bei dem von Erica Tietze-Conrat vielleicht imaginierten Leser handelt es sich offenbar nicht notwendigerweise um einen Kunsthistoriker, denn sie fürchtet, zu „insiderisch“ zu werden („Ich werde zu kunsthistorisch, wie ich es in diesem Tagebuch doch nicht sein wollte“). Und wenn nicht Kunsthistoriker, was sonst  ? Vielleicht liegt in der Tatsache, dass sich die „Bücheln“ im Nachlass ihres Sohnes Andreas („Anderl“) befunden haben, auch bereits die Antwort auf die Frage nach dem intendierten Leser. Die Aufzeichnungen gehörten ihren Kindern, sogar mehr noch den Enkelkindern oder, vielleicht abstrakter, einer nachfolgenden Jugend, die auf diese Weise etwas von ihrer Begeisterung an der Arbeit, ihrer Weltläufigkeit und einem „trotz allem“ geglückten Leben erfahren würde. Mit ihrem 2008 herausgebrachten Sammelband stellt Almut Krapf-Weiler die Kunsthistorikerin als Spezialistin für barocke Skulptur und feinsinnige Rezensentin 12

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des Œuvres verschiedener befreundeter Künstler und Künstlerinnen vor.6 Betrachtet man die Tagebücher über die Jahre hinweg, so treten intellektuelle Schwerpunkte hervor, die in der deutschsprachigen Forschung bisher praktisch unbeachtet geblieben sind. Sie weisen den Weg zur Grafikspezialistin. „She is an outstanding specialist on the field of old masters’ drawings and early engravings and, to tell the truth, I doubt that there is any person living, combining such a thorough knowledge both of German and Italien graphic art (and even of French, on which she published a book) as she has“7, so Hans Tietze im März 1938, als es darum ging, das Berufsleben neu auszurichten. In einem Brief an Sohn Andreas – denn auch mit ihren Kindern erörterte sie gelegentlich kunstwissenschaftliche Fragen – kommt Erica Tietze-Conrat im Zusammenhang mit Hans Tietzes Tintoretto-Monografie auf die gemeinsame Arbeit zu sprechen  : „Ich habe heute mit dem Abtippen des Tintoretto angefangen  ! Am Sonntag habe ich das Manuskript gelesen, es ist sehr knapp und schön disponiert, ganz ohne Längen, alles Kunsthistorisch-Kritische, auf Literatur etc. Eingehende in die Anmerkungen zu den Abbildungen verlegt. […] Wenn ich denke, wie hinausgeschmissen ich mich gefühlt habe, wie der Papa die große Arbeit über die gotischen Architekturpläne gearbeitet hat  ! Jetzt fühle ich mich bei jedem Wort, bei jedem Gedanken angesprochen (im wörtlichen Sinn  !), bei jeder Tatsache vorher gefragt (das nicht wörtlich). Die Art unseres Zusammenarbeitens ist wirklich einzig.“8 An anderer Stelle thematisiert Erica Tietze-Conrat die Differenzen in der Herangehensweise  : „Ich teile Kunsthistoriker ein in Weitsichtige u. Kurzsichtige“, schreibt sie dem befreundeten Kunsthistoriker Erwin Panofsky. „Ich gehöre zu den Kurzsichtigen  ; 2/3 meiner (viel zu großen) Publikatio[nen] hat Fakten herausgebracht, die für alle Zeiten richtig sind (z. B. Nachweise, daß angewandte Kunstwerke von Stichen abhängig sind, Zuschreibungen von Skulpturen auf Grund gleichzeitiger Stiche, unlängst die Komposition einer verbrannten Tiziandecke auf Grund einer Rubenszeichnung u. eines ,Programms‘ und ähnliches Kleinzeug). Kurzsichtige Augen sehen eben präzis. Die großen Kunsthistoriker sind weitsichtig  ; was sie schaffen, wird durch spätere (kurzsichtige) in einem Lebensalter überholt sein, aber ihre Hypothesen werde[n] die stepstones (stepping stones  ?), auf denen die Wissenschaft fortschreitet.“9 Kaum ein Zweifel, dass Hans Tietze nach Erica Tietze-Conrats Meinung zu den Weitsichtigen gehörte. Wenn es über die Jahre auch vielleicht nicht immer einfach gewesen sein mag, die Aufgaben- und Interessengebiete gegenüber dem anderen zu behaupten, so überwog doch die Selbstverständlichkeit der Teamarbeit.10 Die lebenslange Hinwendung zur Jugend, die im Wesentlichen informellen Vernetzungen (ehemalige Logiergäste, Austauschkinder, Untermieter, Studenten) bieten verstreute Anknüpfungspunkte, zwanglose und kurzfristige Verbindungen, die man später auch in der Emigration aufgreifen kann. Nicht selten gehen Kontakte noch auf Hans Tietzes Dienst in der militärischen „Kunstschutzgruppe“ [sic  !] oder seine 13

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Tätigkeit im Unterrichtsministerium zurück, manche hielten sich seit der Studienzeit der beiden bei den renommierten Vertretern der „Wiener Schule“. Die wichtigsten beruflichen Ansprechpartner kommen jedoch aus den Museen. Die Arbeiten an den Katalogwerken haben geholfen, dieses Netzwerk zu festigen. In den diversen Häusern zeigt man sich entgegenkommend, das Arbeiten wird ihnen leicht gemacht („Die Leute sind wirklich ganz besonders freundlich. Das Herz tut mir weh, wenn ich an d. Betrieb denk, an d. Ton, wie er jetzt bei uns in d. Albertina herrscht. Die mißtrauische Feindseligkeit, oder Wurschtigkeit des Beamtentums“). Im Zuge ihrer Recherchen in Museen und Privatsammlungen treffen Tietzes auf alte Bekannte aus dem Deutschen Reich. Sammler, die sich in der Schweiz und in Holland niedergelassen haben, Vertreter von Universitäten, Museen und Galerien, die gezwungen waren, das Land zu verlassen. Nicht wenige dieser vertriebenen Kunstfachleute sind nun im Kunsthandel tätig. 1937 teilt man noch kein gemeinsames Schicksal, die Perspektive ist eine andere. Erica Tietze-Conrat zeichnet Miniaturen von Begegnungen, die immer auf Augenhöhe stattfinden.11 Die Tagebücher liefern seltene Einblicke in die Zusammenarbeit von Museumsbeamten, Sammlern, Privatgelehrten, Händlern und Künstlern in der Zeit unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg. Fachkundige Leser werden die Wege konkreter Bilder verfolgen können. Die ständigen Ortswechsel geben ein verdichtetes Bild des zerfallenden Europas. Alles scheint im Fluss – die politischen Grenzen, die Sammlungen mit ihren Massen an Kunstwerken, Sehenswürdigkeiten und zum Bild gefasste Landschaften. Während alte Strukturen zusammenbrechen, werden Tietzes gleichzeitig Zeugen von Neuanfängen, zu denen häufig die Fluchtbewegung Anstoß gegeben hat. Zu den Institutionen, deren Entstehen Erica Tietze-Conrat in ihren Aufzeichnungen bezeugt, gehören etwa das „Rijksinstituut voor Kunsthistorische Documentatie“, die Ansiedlung der Bibliothek Warburg in London, die Etablierung des Courtauld-Instituts mit den entsprechenden Geburtsschwierigkeiten sowie die Anfänge der Fotosammlung Walter Gernsheim oder auch von Musikfestspielen in der Schweiz und in Großbritannien. Bereits in den frühen Tagebüchern fiel Erica Tietze-Conrats Schweigen zu den politischen Verhältnissen auf. Und doch kann man ihre Notizen keinesfalls als unpolitisch bezeichnen. Vier Jahre austrofaschistische Diktatur liegen bereits hinter ihnen. Wortlos war man genötigt gewesen, sich mit so vielem abzufinden, das offensichtlich der eigenen Einstellung zuwiderlief. Stets galt es, Haltung zu wahren („Wir benahmen uns zurückhaltend u. heiter verächtlich“). Die Bedrohung ist unmittelbar („Die Listen jener Menschen, die nach dem verabredeten Zeichen umzubringen wären, seien fertig …“), und so richten sich die Worte an die gefährdete Tochter („Burgl in polizeil[icher] Untersuchung  !“), die von Anfang an auf Widerstand setzte. Einen Widerstand, an den Tietzes in dieser Form nicht glauben mögen („So lebt man immer ein Doppelleben – Burgl  !“). Italien ist „trotz alldem – fascismo“ zur zweiten Heimat 14

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geworden. Die Stadt der ersten Wahl ist Venedig. Man ist zu Hause und das Tagebuchschreiben wird überflüssig (1938). Als wichtigste Devise gilt, nicht unter den entmenschlichenden Einfluss des Nationalsozialismus zu geraten. Aber wie bereits in Österreich ist das Gefühl der Sicherheit auch in Italien prekär („Italien hat sich gleichgeschaltet. Wir gehen nicht hin“). Das Wetter gibt an, dass das Schicksal nicht in den eigenen Händen liegt („… fangen d. letzten Sonnenstrahlen, die letzten, nicht weil es Abend wird, sondern weil d. Wolken nach d. Sonne jagen. Auch am politischen Himmel sind schwere Wolken aufgezogen“). Als die politische Situation in Österreich im Frühjahr 1938 eskaliert, geht alles Schlag auf Schlag. Die Reise, bisher Grundlage der Arbeit, mutiert zur Flucht. Tietzes reihen sich ein in das Heer der Vertriebenen. Der Übergang erscheint fließend. Und obwohl sie die Geschwindigkeit, mit der die Veränderungen stattfinden, überrascht, treffen sie die Vorgänge nicht unvorbereitet. Teile ihrer Existenz sind bereits entfremdet. In anderem ist man noch an die alte Heimat gebunden, etwa durch die in Wien verbliebenen Angehörigen, das Wohnhaus in der Armbrustergasse oder verschiedene Arbeitsverpflichtungen. Nun gilt es, mit allen Mitteln dagegen anzukämpfen, selbst zum Bittsteller zu werden („Haben also d. Leute etwa 45 Pfund erspart, was einem Österr[eicher] mit Minderwertigkeitsgefühlen ein sehr angenehmer Gedanke ist.“ – „Wir sind vielleicht zu Gast, aber nicht sicher“). Während Europa zum Krieg rüstet, wird Erica Tietze-Conrats Disziplin – die Kunstgeschichte – zum Bollwerk („Das Hundsgestirn regiert u. wir wehren uns dagegen mit d. Energien unserer Disziplin u. d. Klugheit“). Die Kunstforschung sichert den wichtigsten Halt und bei aller Entrechtung zumindest die „Bewahrung ihrer Identität als Wissenschaftler“12. Schlimme Nachrichten von Verwandten und Freunden erreichen sie – und immer wieder erfährt man von Selbstmorden aus Verzweiflung. Die Ängste um die nächsten Angehörigen sind quälend. Die Lage wird so bedrückend, dass Erica Tietze-Conrat nun selbst in abergläubisches, magisches Denken verfällt („Wenn ich ein Geldstück find, ist das ein gutes Zeichen. Ich hab zuhause auf der Bettdecke 50 ct. gefunden  !“). Und prompt kommt die befreiende Nachricht  ! Gemeinsam mit zwei Genossen ist Burgl auf Skiern die Flucht über die Alpen in die Schweiz gelungen. Man kann aufatmen und verbringt den Tag ausnahmsweise „unkunsthistorisch“ („Nur in d. Borghesegalerie waren wir“). Mit dem persönlichen Schicksal findet man sich erstaunlich schnell ab („Jetzt noch ein Schlafmittel u. morgen wollen wir dann nach dieser Woche der Chocs u. Ängste ein neues Leben anfangen“). Die Geborgenheit in der Arbeit wird nun auf eine harte Probe gestellt – und bewährt sich stets aufs Neue („Wir waren furchtbar deprimiert und haben uns in die kunstgeschichtliche Seite der Sehenswürdigkeiten verbissen“). Die Tage laufen nach einem festen Muster ab. Man könnte meinen, die Reise diene nur mehr zur Vergewisserung, dass die Kirche noch an ihrem angestammten Platz steht. Die größte 15

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Sorge gilt der Wahl des Hotelzimmers. Man benötigt vor allem Ruhe, um zu arbeiten und die Nacht durchschlafen zu können. Auch die Geldmittel werden knapp und es ist schwierig, die nötigen Transitvisa zu erhalten. Und dennoch – man hat Glück gehabt  : „Our fate was mild compared with what others had to suffer and endure. Whatever we had possessed, we lost  ; the children, who had made our house so alive, were scattered. But – we had not for a single hour lived under Nazi rule.“13 Doch im Juli 1938 kann die Contenance nicht mehr aufrechterhalten werden. Konnte man auf die nationalsozialistische Bedrohung noch reagieren, geht die Fassung angesichts der allgemeinen Mobilmachung und Bedrohung durch den bevorstehenden Krieg verloren. „Wo bin ich  ?“, fragt sich Erica Tietze-Conrat orientierungslos auf dem Bahnhof eines französischen Provinzstädtchens. Einen Krieg hat man bereits miterlebt, und so lange an den Folgen laboriert  ! Wo wird man den nächsten überdauern können  ? („Wir sehen die kleinen Orte, durch die wir durchkommen, schon daraufhin an, ob sie zum ,Daueraufenthalt‘ geeignet sind …“) In dieser ausweglosen Situation kommen auch ihr Gedanken an Selbstmord  : „Wenn ich mir bez[iehungsweise] wenn ich uns einmal das Leben nehme, so nur in einem sehr vornehmen Hotel. Es gehört doch eine Umgebung dazu, die einen mehr anspricht.“ Hans ist dagegen. In dem Zeitraum, von dem die Tagebücher berichten, geht es noch nicht eigentlich um einen Neuanfang, der schließlich mit der Übersiedlung in die USA 1939 anzusetzen wäre, sondern um Augenblicke des Absprungs („Ich saug’ mich gern voll mit solchen sightseeings, wenn man doch nach Amerika hinüberreist“). Die Suche nach einem Aufnahmeland läuft auf Hochtouren. Auch über das Wohin dürfte in der Theorie bereits Klarheit geherrscht haben – nur die Praxis muss noch gemeistert werden. In England werden junge, anpassungsfähige Wissenschaftler bevorzugt. Für eine Übersiedlung in die USA hatte man über Jahrzehnte – intuitiv oder ganz bewusst vorausschauend – Vorsorge getroffen.14 Kurze Zeit nach dem „Anschluss“ erhält Hans Tietze dank der Interventionen des Direktors des Philadelphia Museums of Art, Fiske Kimball, eine auf ein Jahr befristete Stelle als Carnegie-Professor am Museum of Art in Toledo, Ohio. Ihm ist auch der Katalog venezianischer Handzeichnungen, der 1944 unter erdenklichen Schwierigkeiten in New York erscheint, gewidmet.15 Anmerkungen 1 Werkverzeichnis zu Albrecht Dürer sowie Hans Tietzes Monografien über Tizian und Tintoretto  : Hans Tietze/Erica Tietze-Conrat, Kritisches Verzeichnis der Werke Albrecht Dürers, Bd. I, Der junge Dürer, Verzeichnis der Werke bis zur venezianischen Reise im Jahre 1505, Augsburg 1928  ; Hans Tietze/Erica Tietze-Conrat, Kritisches Verzeichnis der Werke Albrecht Dürers, Bd. II, Der reife Dürer, 1. Halbbd., Von der venezianischen Reise 16

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im Jahre 1505 bis zur niederländischen Reise im Jahre 1520, nebst Nachträgen aus den Jahren 1492–1505, Basel-Leipzig 1937  ; Hans Tietze/Erica Tietze-Conrat, Kritisches Verzeichnis der Werke Albrecht Dürers, Bd. II, Der reife Dürer, 2. Halbbd., Von der niederländischen Reise im Jahre 1520 bis zum Tode des Meisters 1528, Basel-Leipzig 1938  ; Hans Tietze, Tizian, Leben und Werk, Bd. 1, Textband, Wien 1936  ; Hans Tietze, Tizian, Leben und Werk, Bd. 2, Tafelband, Wien 1936  ; Hans Tietze, Tintoretto, Gemälde und Zeichnungen, London 1948.   2 Hans Tietze/Erica Tietze-Conrat, The Drawings of the Venetian Painters in the 15th and 16th Centuries, New York 1944 [neu aufgelegt 1970, 1979].   3 Madlyn Millner Kahr, „Erica Tietze-Conrat (1883–1958)  : ‚Productive Scholar in Renaissance and Baroque Art‘“, in  : Claire Richter Sherman/Adele M. Holcomb (Hg.), Contributions in Women’s Studies, Bd. 18, Women as Interpreters of the Visual Arts, 1820–1979, Westport 1981, 301–326, 303.   4 Gustav Friedrich Waagen, Treasures of Art in Great Britain, being an account of the chief collections of paintings, drawings, sculptures (etc.), 4 Bde., London 1854–1857.   5 Carl Justi, Spanische Reisebriefe, Bonn 1923.   6 Almut Krapf-Weiler (Hg.), Schriften der Akademie der bildenden Künste, Bd. 5, Erica Tietze-Conrat, Die Frau in der Kunstwissenschaft, Texte 1906–1958, Wien 2007.   7 Hans Tietze an Fiske Kimball, Rom, 13.3.1938, Emergency Committee in Aid of Displaced Foreign Scholars, Manuscripts and Archives Division, The New York Public Library, Hans Tietze.   8 Erica Tietze-Conrat an Andreas Tietze, 14.12.1937, Privatarchiv Filiz Tietze.   9 2241, Erica Tietze an Erwin Panofsky, 2.10.1958, in  : Dieter Wuttke (Hg.), Erwin Panofsky, Korrespondenz 1910 bis 1968, Bd. 3, Korrespondenz 1950–1956, Wiesbaden 2006, 319. 10 Karen Michels, „Kunstgeschichte paarweise“, in  : Ulmer Verein für Kunst- und Kulturwissenschaften (Hg.), Kritische Berichte, Bd. 30, Nr. 2, Marburg 2002, 32–42. 11 Zu den Kunsthistorikern im Exil siehe Ulrike Wendland, Biographisches Handbuch deutschsprachiger Kunsthistoriker im Exil, Bd. 2, L–Z, München 1999 (Hans Tietze  : 689– 699  ; Erica Tietze-Conrat  : 699–703)  ; Peter Betthausen/Peter H. Feist/Christiane Fork, Metzler-Kunsthistoriker-Lexikon, Zweihundert Porträts deutschsprachiger Autoren aus vier Jahrhunderten, Stuttgart 1999, 415–418. 12 Johannes Feichtinger, Campus-Forschung, Bd. 816, Wissenschaft zwischen den Kulturen, Österreichische Hochschullehrer in der Emigration 1933–1945, Frankfurt am Main 2001a, 20. 13 Erica Tietze-Conrat, Hans Tietze (March 1st, 1880–April 11th, 1954), unveröffentlichtes Typoskript zu den wichtigsten Abschnitten von Hans Tietzes Biografie, verfasst nach Hans Tietzes Tod, Privatarchiv Kristin Matschiner, 21. 14 Nicht in die Zeit der Tagebücher fallen zwei Vortragsreisen, die Hans Tietze 1932 und 1935 17

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in die USA und nach Kanada geführt hatten und die als Vorbereitung auf künftige Eventualitäten angesehen werden müssen. 1935 hatte Erica Tietze-Conrat Hans Tietze zumindest zeitweise begleitet. 15 Zu den Integrationsmöglichkeiten von Kunstwissenschaftlern im Zuge der Emigration siehe u. a. Karen Michels, Studien aus dem Warburg-Haus, Bd. 2, Transplantierte Kunstwissenschaft, Deutschsprachige Kunstgeschichte im amerikanischen Exil, Berlin 1999  ; Feichtinger 2001a  ; Johannes Feichtinger, „The Significance of Austrian Émigré Art Historians for English Scholarship“, in  : Edward Timms/John Hughes (Hg.), Intellectual Migration and Cultural Transformation, Refugees From National Socialism in the EnglishSpeaking World, Wien u. a. 2003, 51–69.

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Reise Frühjahr 1937 [1. Büchel] Die aufgefundenen Notizen ETCs setzen – nach elfjähriger Unterbrechung – im April 1937 in Form eines Reisetagebuchs wieder ein. Die Gründe für die intensive Reisetätigkeit waren wissenschaftlicher, aber auch privater Natur. Tietzes standen den herrschenden politischen Verhältnissen in Österreich distanziert gegenüber. Außerdem nahmen die inzwischen erwachsenen Kinder das Familienhaus in der Armbrustergasse in Beschlag – Sohn Stoffel hatte sich im obersten Stock gemeinsam mit seiner Frau Trude eine Arztpraxis eingerichtet. Die politischen Aktivitäten von Tochter Burgl, einer radikalen Gegnerin des autoritären Ständestaates, erfüllten die Eltern mit großer Sorge. Unmittelbarer Anlass für die Reise – wie auch für die darauffolgende zu Beginn des Jahres 1938 – war jedoch, das Material für den geplanten Katalog von Handzeichnungen venezianischer Maler des 15. und 16. Jahrhunderts zusammenzutragen (Tietze/Tietze-Conrat 1944). Die erste hier überlieferte Tour dauerte vom 18. April bis zum 29. Juli 1937 und führte ETC und HT über die Schweiz, Frankreich, Belgien, Holland, England und Irland nach Italien, wo sie in Venedig inzwischen ihren zweiten Lebensmittelpunkt gefunden hatten. Die Obhut über das Haus und dessen Bewohner blieb – wie immer, wenn Tietzes sich auf Reisen befanden – in den Händen von Haushälterin Therese Kurzweil. Die Aufzeichnung dieser Reise umfasst drei „Büchel“ (1. Büchel  : 18. April–17. Mai 1937, 2. Büchel  : 18. Mai–7. Juli 1937, und 3. Büchel  : 8.–29. Juli 1937)  ; diese Gliederung wurde in der Edition beibehalten. Abb. 1  : The Drawings of the Venetian Painters,

Abfahrt Sonntag d. 18. April ½ 3, Anderl begleitet New York 1944. zur Bahn. Lektüre engl[ische] Detektivgeschichte mit angeschlossener, aber verklebter Lösung. Wir lesen abwechselnd. Schauen d. Lösung erst in Salzburg im Hôtel (Pitter) nach. Nachtmahlen im „Stein“.1

19. [April] Blauer Morgen. Taubengurren. Spaziergang durch Mirabellgarten. Tradition. Frühstück Chokol[ade] + Schlag. In d. Studienbibl[iothek] viele sehr interessante Z[eichnung]en gefunden, aber was für ein komischer Kauz von Direktor (v. Frisch). Löst die Klebebände auf, um die einzelnen Z[eichnung]en dann nach – Themen zu 23

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Abb. 2  : Trude und Christoph Tietze, Erica Tietze-Conrat links, 1930er-Jahre.

ordnen  ! Alle Diana- u. … Kallisto-Dar­stel­l[un]gen zusammen und unabhängig von Schule u. Zeit u. s. w. Wir beschließen einmal ausgiebig zu kommen, denn natürlich ist es unmöglich bei solcher Ordnung zuverlässig durch d. Material durchzukommen.2 Hans hat 8 Aufnahmen gemacht (meist Palmas – Rötel Fresko Pal[azzo] Vendramin „Giorg[ione]“ ). Um 12h50 mit spärl[ich] eingekauftem Mittagskäse nach Zürich weitergefahren, im Speisewagen gejausnet u. ohne Fährlichkeiten über unsere erste Grenze gekommen. In St. Anton fiel dichter Schnee. Ich habe mit großer Anstrengung das 1. Buch des Anthony Adverse hinter mich gebracht. Zufuß zum Limmat­ hof  ; einem Zug kostümierter Zünftler mit Abzeichen „Hund“ (Ko(r)nstaffler) begegnet, denn es war der Tag „des 6 Uhr-Läutens“ (Züricher Volksfest, Mitteil[ung] Dr. Gradmanns am nächsten Morgen, der sehr stolz ist, obgleich er erst 6 Wochen am Ort u. eigentlich in Wien geboren, schon bei der „Meise“ eingeführt zu sein  !). Wunderbar trotz festlich Lärm im Zimmer „sechsunddreißig“ eingeschlafen.3 20. [April] vormittags Zürich. Platten gekauft, Gradmann im Kunstgewerbemus[eum] besucht, Bank (sehr wichtig) Gold geholt, Kunsthaus Zeichnungen angesehen (Wartmann gab mir kaum d. Hand u. benahm sich überhaupt so „schweizerisch“, daß es wie eine Dousche wirkte) und nur das einzig interessante Blatt (auf das wir vorbereitet waren), Hu24

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gelshofers „Palma“ gefunden. Drüben im Polytechn[ikum] bei Dr. Bernoulli wiedergutmachende Wärme gefunden. Er hatte schon den Dürer II/1 u. gratul[iert] dazu. Von einer Baldung­ z[eichnung] hat er Teilkopien aus d. Stregozzo abgelöst, u. das ist doch nett, daß Baldung wohl selbst diesen Stich kopiert hat  ! (Erzählte von […] interess[antem] Bekannten in Florenz, der Stregozzo mit Knochenfunden in Zusammenhang brachte, die damals dort gemacht wurden u. d. Phantasie beschäftigt haben … Fragte ob d. verkratzte Ritter u. Landschaft bei Dürers Großem Roß nicht spätere Hinzufügung sein könnte  ?) …4 Im Limmathof aus d. Papierl gegessen u. nach Winterthur gefahren. Samm­l ung Reinhart (geführt vom Abb. 3  : Der Kunsthistoriker Erwin Gradmann. Sekre­tär Dr. Streif, da Besitzer verreist) durchwandert. Die Cranachbilder, der Geertgen, die Lichtsche Marienzeichn[ung] v. Grünewald, der Narr von Géricault höchste Höhepunkte. Eine Pietá, des Gerard David heißts, die ich aber eher für französ[isch] halten möchte. Eine Riesensammlung mit C[aspar] D[avid] Friedrichs, Waldmüllers, Kobell, herrlichen Thomas (ganz früh) u. Leibls (u. a. d. Porträt Langbehns d. Rembrandtdeutschen, dem nur das Hitler Schnurrbärtchen fehlt, um der typische Durchschnittsdeutsche zu sein (gemein u. sentimental). So schöne Blumen im Haus u. draußen, Aussicht  !5 Zurück schon sehr abgespannt, dann aber sogleich in eine Elektr[ische], die uns an d. See hinaus führte, ins Atelier von Haller, bei dem wir uns in d. Früh teleph[onisch] angesagt hatten. Ein Holzbungalow sehr groß in einem Garten mit blühenden Obstbäumen u. viel Wiese, auf der er im Freien seine Großplastiken arbeiten kann. Man sieht noch d. Fleck, auf dem das Waldmann-Denkmal gestanden ist, das vor ein paar Tagen seinen Platz an d. Brücke bezog[en] hat. Es war sehr nett wenn auch d. Terracotten in allen Dimensionen stehend od. auf Fauteuils u. Stellagen lagernd, erschreckend dilettantisch wirken. Wohltuend seine Bescheidenheit. Sehr menschlich. Ich hab meine Müdigkeit nicht gemerkt – inzwischen ist sie aber wieder herausgekommen. Es kommt noch Anderls Freund zu uns – vielleicht empfang ich ihn schon im Bett …6

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Abb. 4  : „Nicht Tizian, sondern Palma Vecchio“ – Lucretia im Kunsthaus Zürich.

21. [April] Dazu kam es nicht. Robert-Rudi kam bei strö­men­ d[em] Regen ins Restaurant u. wir hatten einen sehr verstimmenden Abend. Heute immer noch sehr mäßiges Wetter. Mein letzter Blick (beim Frühstück) auf eine der malerischsten Punkte Zürichs, die alten Mühlen oder Schleusen bei der Insel der Limmat, die noch immer Bally- u. Desinfekt[ions]mittelplakate tragen, was wirklich nicht erlaubt werden sollte. Jetzt auf nach Luzern (im Zug Luzern–Basel am späten Nachmittag).7 In Luzern (in dem phantastische Blicke auf See u. beschneite Berge mit Regengüssen wechselten) zuerst bei Steinmeyer (englische Frau, sagt „darling“ zum Gatten), wo ein recht gutes Veroneseportr[ät], die Holford hl. Familie, ein Belliniportr[ät] mit gefladertem* Hintergrund (der sehr abscheulich war) u. zwei ½ lebensgroße Adr[iaen] de Vries-Bronzen waren, nackte Männer, der eine mit Fackel in d. Händen (dem anderen ist sie wohl nur abhanden gekommen). Wir empfahlen Prager oder A’damer Museen als Käu-

Abb. 5  : Marcantonio Raimondi, Lo Stregozzo (Der Hexenzug).

* gestohlenem

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Abb. 6  : Leibls Porträt Langbehns, des Rembrandtdeutschen, 1877 – „Nur das Hitler Schnurrbärtchen fehlt, um der typische Durchschnittsdeutsche zu sein.“

fer. Vor Tisch gingen wir noch zu Frau Zelenka von Gilh[hofer] u. Ranschburg (sehr aufgeblondet). Zu sehen war nichts, aber wir bekamen Sammleradressen. Spaziergang u. lunch in einem Tearoom  ; „Kalbsvoressen mit Kartoffeln à la duchesse“ zu deutsch Eing’machts mit Grösti. Dann in d. Galerie Hansen, die eigentlich Heinemann ist, der schließlich nur ein Fr[äu]l[ein] da hatte, selbst in München war. Aber er hat wenigstens einen der Suida-Tizians da gehabt (die Böhlerschen waren gerade alle in London), einen Bärtig[en,] der über d. Schulter herausblickt mit d. untizian[isch]sten Landschaftsausblick […], alles sehr char[a]kt[eristisch] f. Sebast[iano] um 1520. Interessant ein sog[enannter] Tintoretto, hl. Familie mit anbetenden bärtig[em] Stifter (Oberkörper), eher von einem aus d. Norden kommenden in Venedig Eingelebten. Ein entzückender von Friedländ[er] bestimmter Strigel von 1503, Brustbild eines Jünglings mit Nelken in d. Hand und auf d. Federhut, roter Grund, Mantel Schwarz u. Gelb, mit Adler gesticktes Hemd. Was noch  ? Cranach Jes[us] am Brunnen, ein Männerbildnis angebl[ich] von Beham u. s. w. Der sog[enannte] Karton d. Albamadonna – aber eher die Untermalung für eine Kopie, zu der es dann nicht gekommen ist …8 27

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Leider konnten wir diesmal nicht d. Regen abwarten, gingen zu Fischer, der auch abwesend war. Leider nicht der von Suida bestimmte Tizian  ! Danae. (Sein Palma (hl. Familie s[iehe] Belvedere) ist besser, jedenfalls durch Größe imponierend u. ein altes Bild). Am nettesten ein Gobelin d. h. Bildwirkerei deutsch, um 1475/85, ein König mit Dame im Schooß, derselbe sich mit einem Holz aufs Fingerlein klopfend, Spruchband Ach Got…hellft….fingerlein. Wohl ein Fragment (für d. Kurth). Am Bahnhof lang hin u. her überlegt, dann alles umgestoßen, Reise nach Straßburg etc. aufgegeben u. nach Basel. Hôtel Bristol, beim Bahnhof (nicht sehr gemütlich).9 22. [April] Wieder schlechtes Wetter. Zuerst das neue Museum, das uns gut gefiel, obwohl gerade d. ital[ienische] Teil der uns heute interess[ieren] würde, trostlos ist. Die österr[eichische] Ausstell[ung] ist sehr gut untergebracht. Das Kupferstichkab[inett] wie ein ideales Klublokal. Hinreißend. Die ital[ienischen] Z[eichnung]en absolut null. Dann zu Dr. Loeb (Holbeinverlag), der erst morgen früh ankommt. Dann zu de Burlet, der außerordentliche Sachen hatte. Unter anderem eine thronende Venezia, eine Art Deckenbild Art d. Pordenone. Von Zeichnungen  : eine Verleumd[ung] d. Petrus, 4 x dieselbe Gruppe von 3 Gestalten in einem Durchblick von einander überschneidender Architekt[ur]. Er glaubte  : Tizian, was ganz ausgeschloss[en]. Laviert. Wir erbitten Photo  ; ebenso von 2 aus S[amm]l[un]g Grassi stammenden, dort Tintoretto genannte Martyrien, die von einem anderen Terrafermamann sein können. Eine sehr interess[ante] […] Maria (Magd[alena]  !) in Kreide mit weißen Hakeln à la Dürer um 1508 u. zugleich florentin[isch], Hans meint viell[eicht] ein früher […]. Nach d. Essen bei Raeber große Überraschung  ! Die schönste Tiepolokopfzeichn[ung], leider nur in Photo, er hat sie via Christ[ian] Nebeh[ay] verkauft. Von anderen Z[eichnung]en einmal in seinem Besitz, jetzt bei Christ, zeigt er einen kürzl[ich] in O[ld] M[aster] D[rawings] publiz[ierten] „Dosso“, eine männl[iche] Vanitas mit Stundenglas Spiegel u. Pfau, die sehr spät sein müßte. Eine Europa, die von der Tizians ausgeht, wollen wir morgen früh photogr[aphieren] (Verdizotti  ?). Wundervolle Longhi Kostümstudien f. ein Porträt. Noch eine Photographie von dem Aquarellbildnis einer Alten, von dem d. Brit[ish] Mus[eum] die ausgeführte Version hat (L….. als Dürer, aber schon lang ihm abgesproch[en] u. für Cranach gehalt[en]). Raeber meint   : Baldung u. kann recht haben. Die Kupferstichs[amm]l[un]g hats erworben. Wir gehen hinüber, um das Blatt anzuschauen, aber Koegler lässt sagen, daß wirs nicht sehen können, es werde gerade montiert. (Tableau  !) Zum Schluss bei der von Gilh[hofer] u. Ranschb[urg] empfohlenen Frau Schulthess, sie hatte zwar keine Z[eichnung]en, aber das Schweißtuch, dessen Röntgenaufnahmen uns Dr. Reber zu Weihnachten gezeigt hatte u. die damals schon wie ein Grünewald aussah. Das Bild ist großartig, aber für d. arme Frau ein Danaergeschenk, denn wer kauft etwas derartig blutrünstiges. Sie behauptete, 28

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Hans als Grünewaldkenner schon längst erwartet zu haben, erbat eine Expertise u. s. w. Wir wollen d. Tafel noch morgen früh wieder sehen – eine Expertise wird sie aber nicht bekommen, wenn wir auch noch so entzückt sind …10 Abschluss im Nachtasyl, französ[ischer] preisgekrönter Film von Jean Renoir, mit Jouvet etc., ganz famos. Und so schönes französisch. Zurück per Tram, denn es regnet, regnet, regnet. –11 Nachtrag  : Erste Post von zuhaus (Stoffel) u. Nachgeschicktes. – 24. [April] Bern, Frühstück. Gestern hab ich gar nicht geschrieben. Die Grünewaldtafel war auch in d. Früh sehr schön. Bei einem Kunsthändler Stöcklin vis-à-vis war nichts zu sehen. Bei Dr. Raeber haben wir den „Verdizotti“ photogr[aphiert]. Dann bei Dr. Loeb, der voll Fidus war u. von 130 in Deutschl[and] bereits ausgelieferten Werken II/1 sprach. Die Einstellung Winklers gegen uns liegt ihm stagelgrün auf. Tant mieux. Auch er erzählte von seinem Ausfall im Z[eichnung]enband d. D[eutschen] V[ereins], den alle Leute als grobe Taktlosigkeit empfinden. –12 (Verlust einer Goldplombe bei Kaffeebonbon). Abreise. Bern. Edles Hôtel (Savoy). Museum mit neuen Tafeln Antonius […] Einsiedlerlegende M[anuel] Deutsch  ! Altarflügel mit Toten Messe haltend etc. bez[iehungsweise] Heer von Toten gegenüber Lebenden, Seele Empfang genommen oben – kein H[ei]l[i]ger  ! Hahnloser getroffen, Gang durch die entzückende Stadt Nachtmahl bei ihm mit (hochschwangerer) Frau u. Bremer Schwiegervater. (Mitgebrachte Chokolade-Revanche). Durch d. Laubengänge heimgewandelt …13 Ich schreibe beim Nachtmahl im Hôtel Simplon in Lausanne, wo wir im 4. Stock ein Zimmer mit Balkon u. Aussicht auf – sagen wir, auf Schneeberge haben. In d. Früh waren wir bei Dr. Bruck dessen Bernerisch sich als künstlich erwies, er ist Kroate u. besonders sympathisch, wenn er auch nur Niederl[änder] d. 17. u. Graphik (Goya u. Daumier) sammelt. Zeigt Kunstwerke eines Freundes, die er bei sich im Safe hat. Expertisen von Baldaß etc. Und – der bärtige, den Frühling 1936 Eigenberger restaurierte u. Fiocco als Tizian durch d. Wiener Zeitungen gehen ließ. In aller bestem Fall ein Calcar  ! In d. Expertise schreibt Fiocco  : Portr[ät] Papst Paul III. und 1550–60. Empörende Frivolität. Dann mit Hahnloser im Histor[ischen] Mus[eum], die herrlichen Paramente und Tapiss[erien] angesehen. Großer Genuß  ! Zuhaus große Mittagspause, in der uns Hahnloser die 2 ersten Kapitel einer Dissertation von Hofer über venez[ianische] Landschaft schickte, da er sich nicht auskennt. Wir haben dann alles mit Hahnloser im Institut durchgesprochen, der Notizen nahm. Direktor v. Mandach klärte uns über d. Totenmesse auf, die viell[eicht] vom Vater d. Man[uel] Deutsch in d. Kathedr[ale] gestiftet ist. D[er] Aussteller von Rembrandtgraph[ik] etc. kam dazu (Holländer De Bruyn), der am Tag vorher Hans’ Tizian bekom[men] hatte. Herrliche Fahrt herüber, es ist Sonne bis ½ 8, da wir am Rand der westeurop[äischen] 29

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Zeit sind  : der Vollmond dann hat d. Verdienst, endlich gutes Wetter gebracht zu haben. –14 25. [April] Abends. Noch in Lausanne. Wir haben gemeint, daß d. Sonntag heute ein Ruhetag sein wird – daweil* ists ganz anders gekommen. Früh waren wir bei wunderbar erfrischendem Schönwetter in einem Park, wo wir Vögeln in einer Volière zusahen und uns sonnten, bis das Museum darin um 10h aufmachte. Bis auf eine Bronzegruppe von Soldani (Perseus tötet d. Medusa, daneben Pegasus, auf Marmorsockel) nichts los. Das richtige Museum ist d. erschreckendste Bau u. d. erschreckendste Tothängung u. Totaufstellung d. Skulpturen, die denkbar ist. Da alles „gratuit“ war, haben wir nur Spaß gehabt u. 3 Ansichtskarten von eindrucksvoll[en] Stücken erworben (Familienbild Sablet u. ein Bartolom[äus]nachtbild eines damals Emigrierten). Dann gingen wir in eine Privats[amm]l[un]g (Cérenville) wo wir aber nicht erwartet u. darum im Pijama empfangen wurden (weißbärt[iger] Herr, Pariser Junggesellenmilieu, sehr liebenswürdig). Wir fanden ein paar sehr gute Z[eichnung]en (Tiepolo u. andre Venez[ianer] 18., merkten 2 Blatt zum Photogr[aphieren] u. Aufnehmen für morgen vor, wo er dann nicht mehr im Pijama sein wird. Nach Tisch um 2 bei Strölin. Eine einzigartige S[amm]l[un]g, nichts wie Höhepunkte. Von Dingen, die uns nichts angehen  : hl. Christoph[orus] (von hinten) u. Einsiedler, daneben Architekt, Mitte des 14.! (böhmisch  ?). Eine Aposteltrennung (Mitte 15.) sehr groß, Nachfolg[e] Witz. Die hl. Agnes od. Marg[arethe], die Winkler als Dürer publiz[ierte], ein Riesenblatt Maria mit Kind von Tura (das Bild im Mus[eum] Correr) dahinter Felslandsch[aft]  ; eine sehr große schwarze, leicht (verschwindend) weiß gehöhte Kreidezeichn[ung] Halbfigur eines langhaar[igen] Knaben mit hinaufgebund[enem] Hut / wie Rembrandts Titus so lebendig u. ausdrucksvoll) um 1510 (ein Sforza Kind  ?). Eine Pietà von Rubens, viele Tiepolos herrliche Franzosen d. 19. u. Menzels. Wir haben vier Stunden geschaut, geschrieben, photogr[aphiert], bis wir fast umfielen vor Müdigkeit nach so viel Konzentration u. Erregung. Dann schnell hinunter zum See, noch ein Stündchen in d. untergehenden Sonne. Es war sehr sehr schön – aber wir doch noch zu erregt, um es ganz restlos aufnehmen zu können. Eigentlich hätten wir jetzt nach d. Nachtmahl noch zu Frau Reber gehen sollen, lassen es aber sein, da wir viel lieber nach so viel Genuss – u. Arbeit schlafen gehen.15 26. [April] Anderls Geburtstag. Er lebe zuhöchst  ! Ein ruhiger Tag, schon sehr notwendig, ich hab nach d. Anstrengung gestern ein Schlafmittel nehmen müssen. Wir haben in d. Früh bei M. Cérenville photogr[aphiert] (2) u. noch ein paar andre Blätter, die uns * dabei

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nicht direkt angehen, notiert u. skizziert. Dann ein Höschen gekauft u. M. Vallotton gesucht. Die Adresse im Telephonbuch führte uns an d. Grenze d. Stadt in eine schön gelegene Villa, in der die Gattin ganz alleine hauste u. uns empfing. Wir sahen Bilder (des Onkels) ohne Ende u. zum Auswachsen u. fuhren dann in d. Stadtgeschäft, wo es [ein] paar nette Sachen von Zeitgenossen Vallottons u. andern frühen Franzosen mit Kunsthändlergesprächen dazu gab. Unsre bei Cook besorgte Karte erwies sich leider nachträglich als idiotisch zusammengestellt, so daß wir überhaupt nicht nach Besançon (wohin wir wollten), sondern morgen um 10 (wenn alles gut geht) nach Dijon kommen werden. Das Wartezimmer in Verrière, wo wir 1 ½ Stunden Aufenthalt haben, bevor es nach Pontarlier (Grenzstation schon Frankreich), wo wir übernachten wollen, weitergeht, ist reinlich aber stark überheizt. Die unfreiwillige Muße ist für die Nerven sehr gut. –16 27. [April] Die Nacht in Pontarlier, Hôtel de la Poste et du Télégr[aphe], empfohlen vom Eisen­ bahner Edouard (mit Gruß an d. Patron) war eindrucksvoll. Ein Appartement mit ungemein ausgedehnten Zimmern, in meinem eine Tapete in Schwarz u. Gold, eine dekorative Nische mit Palmentopf, ein exprès gebauter Wandpfeiler, darauf ein Bronzehund (lebensgroß) u. irgendwo auf d. Erde, an eine Wand gelehnt ein gestickter Polster mit einem Papagei – kurz d. realisierte Songe de Luxe eines Porteurs, der unser Wirt – Mitteilung Edouards – bis vor Kurzem war. Trotz allem Warmwasser u. Bidet etc. Pontarlier liegt 850 m hoch u. in d. Früh hat es geschneit. Nach einer angenehmen Fahrt waren wir um 10 in Dijon, wo es dann merklich wärmer war. Das Museum hat 54 Säle u. vier neue wurden gerade gebaut. Es vermehrt sich auf d. Wege d. Stiftungen. Es gibt unendlich viel Bilder hier u. ein paar sehr gute Skulpturen, aber alles hängt wie gespendet, es ist vollkommen unübersichtlich. Drei Räume mit Zeichnungen  ; nicht viel was uns angeht. Die S[amm]l[un]g His de la Salle hat noch ein paar gute Blätter hier, eine Tillien zugeschriebne Landsch[aft] mit Hirte u. Nackter  ? Hirte  ?, haben wir gar nicht notiert, sicher nur bologn[esische] Nachempfin­ d[un]g. Unter den anderen Blättern zwei, die in das von Winkl[er] publiz[ierte] Skizz[en]buch um 1500 gehören u. eine kuriose Grau-in-Grau Pinselzeichn[ung] „Préparat[ion] pour un Triomphe“, florentin[isch] 15., ein junger Mann, der etwas aufgesetzt bekommt, dabei Pferde in Boxen. Um 12 wurde zugemacht u. wir mussten essen gehen  ; das zog sich – echt franz[ösische] Provinz – fast zwei Stunden lang hin. Hors d’ouvres, in Butter gebrat[ene] Fische, Endiv[ien] mit Käse u. Bechamel in d. Gratinierschüssel, Lammcot[elette] mit Erdäpfel u. gefüllten Tomaten, Salat, Käse, Obst, Vin compris. Und was für einer  ! Da muß man zwecks Verdauung einen Schwarzen trinken. Jetzt wiederum im Museum, das ist eine harte Nuß. –17 Jetzt im Zug 2 Stunden vor Paris. Vis-à-vis liegt einer u. schläft seit Lyon – ein Arm hängt ihm starr weg, bei d. Station greift Hans nach seinem Puls u. niemand 31

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steigt bei uns ein. Alle anderen Abteile sind schon voll. Wir haben im Museum in Lyon 3 Photos gemacht  ; die Z[eichnung]en, die gerahmt ganz in der Höhe hingen, wurden mit Leitern heruntergeholt, Staub von 50 Jahren (zuverlässige Auskunft des Aufsehers) lag auf d. Rahmen. Ich bin viel auf Leitern geklettert u. mag das gar nicht. Von Bildern, die uns angehen, war kaum etwas da (Maria in Glorie, Tintor[etto]), ein Porträt des weisen Friedr[ich] von 1523 mit d. Inschrifttafel, genau nach d. Stich, glauben wir, aber bisserl größer. Interess[ante] deutsche Bilder. Die Verkündigung, die Benesch als Cranach publizierte, ganz verkehrte Idee. Eine Variation um das Thema Eccehomo-Witz v. Tizian, die Franken gemalt haben wird. Eine sehr schöne Rem­br[andt­]zeichn[ung] Wir haben unsere Ankunftszeit an Floch telegr[aphiert], ein spärliches Nachtmahl eingekauft, obs dazu kommen wird  ? Das Wetter ist schon viel milder, genau die Landsch[aft], die wir französisch nennen. Ich freu mich auf Paris u. hab ein bißchen Angst vor d. 1. Mai.18 29. [April] Ich bin gestern – d. erste Tag in Paris  ! – gar nicht zum Schreiben gekommen. Also  : Floch hat uns treu wie immer an d. Bahn abgeholt u. ins Hôtel gebracht. Nachher noch ums Eck bei einer „petite blonde“ oder bok zusammen. Überwältigend (auch wie immer). Mit der Zeit bekommen wir eine Vorstell[ung] von Paris, die von seiner Person einfach eingeprägt ist. Jetzt alles unter d. Zeichen „Künstlerbund“, dessen Präsident er ist u. der 13 Mitglieder zählt, von denen er nur 11 aufzählen konnte, von denen eines die Mme Gutmann ist. Als Gegenüber vom K[ün]stlerbund die Österr[eichische] Ausstell[ung], die morgen eröffnet wird u. zu der etwa ein Dutzend Leute aus Wien hergekommen sind, um zuzuschauen wie Mop[p] sie hängt. Eine echt österr[eichische] Angelegenheit  : Stix hat zu schweben, Haberditzl das (moderne) Material zu sammeln. Was geschieht  ? Das Belvedere sammelt bedächtig, Stix nimmt autoritativ Sachen dazu – u. Mop[p] macht die letzte Auswahl. Im Hôtel ein Brief vom Anderl u. anderes mehr gleichgültiges.19 Am nächsten Morgen gingen wir zuerst in d. Cabinet des Estampes, wo aber alles zu war, da sie provisor[isch] jetzt im ehemal[igen] Rothschildpalais untergebracht sind. Dort trafen wir Kurz mit seinem Guercinomanen Engländer, suchten d. Direktor auf u. nahmen die Tizianbände (7 Stück) durch, fanden alles, was wir suchten, hatten großen Genuß (Der Hieron[ymus] Holzschnitt von 1515 sehr große Erfindung, aber nicht Tizian (eher Correggio)). Die Zeichn[ung] „Tizian“, die wir in Lyon photogr[aphiert] haben, jetzt richtig mit d. Holzsch[nitt] (D ↑ C) in 27/III in Zusammenhang, geht also auf eine wirklich alte Z[eichnung] zurück u. a. m. –20 Zumittag haben wir in einer warmen Cremerie gegessen u. sind dann schon sehr erschöpft ins Cab[inet] d. Dessins in d. Louvre hinauf. Der alte Diener ist krank, der Unterbeamte macht sehr laut u. geärgert auch für ihn d. Dienst, die Leute kommen stehen telefonieren u. gehen – es ist noch immer das alte Caféhaus. Wir haben 32

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Abb. 7  : Jacopo Tintoretto, Paradies, Entwurf für die Sala del Maggior Consiglio, 1579/80, Louvre, Paris.

wieder Kurz u. seinen Guercinomanen Engländer getroffen, aber nicht weiter Notiz von einander genom[men], da wir ihm schon eine gute Reise gewünscht hatten. Kurz hat nur wiederholt unser Maß geliehen, wofür ich mir eine Fußnote ausbat. Wir haben die Palmazeichn[ung] u. einige andere Kartons angesehen, haben entdeckt, daß es in Lyon in d. Bibl[iothek] auch Z[eichnung]en gibt (Publikation eines Choix von 1911) u. schließlich Rouchès, der a) d. Frau verloren hat, b) Öbe[r]ster d. Z[eichnung]ens[amm]l[un]g am Montag geworden ist, also so u. so anzusprechen war. Mit d. Ausflug nach Chantilly kann es bestenfalls nächste Woche etwas werden, die Rothschilds[amm]l[un]g ist immer noch versiegelt.21 Nach kurzem Durchblättern d. Z[eichnungen]photos bei Braun (Chantilly) gingen wir nachhaus, wo ich mich kurz ausruhte. Hans blieb unten. Dann zu Floch, wo wir d. Abend verbrachten. Das Kind krank 39,6° Fieber. Trotzdem ganz gemütlich, die Frau hat sich so zusammengenommen. Schließlich wurden wir noch f. denselben Abend zu Mme Gutmann eingeladen, was ich aber für meine Person nicht annahm, sondern nachhaus ging u. Hans alleine es machen ließ. Und heute war es anfangs verkorkst  : der Mann mit ev. Z[eichnung]en in d. Rue Jacob war in London, ebenso Lugt u. […] hat jetzt d. Godefroyzeichn[ung] des Hieron[ymus]baums bis nach Nizza reisen lassen u. weiß von Z[eichnung]en unserer Zeit in Paris überhaupt nichts. Ob wir d. S[amm]l[un]g Masson kennen  ?  ! (Es hat nur gefehlt, daß er uns auf d. Louvre aufmerksam gemacht hätte …).22 Dorthin gingen wir dann u. hatten sehr viel Spaß mit d. Bildern, die uns angehen u. die uns nichts angehen. Gerade standen wir vor d. sog[enannten] Skizze zum 33

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Paradiso Tintorettos, die gar keinen Zusammenhang mit d. ausgeführten Bild hat u. so detailliert ausgeführt ist, bis in d. letzten Hintergründe hinein, wie nicht einmal d. ausgeführten Bilder Tintor[etto]’s es sind – da kam d. Ehepaar Wotruba daher u. ergoss d. ganzen dreckigen Schwall der typischen Künstlermentalität über uns, als ob eine andre Piepe nur aufgedreht worden wäre wie gestern (u. vorgestern) bei Floch. Wotruba hat seinen Mahlerprozeß in d. 1. Instanz verloren u. geht jetzt zur 2. Ein bißchen weiter stießen wir auf Böckl, der hier im Louvre zeichnet u. kopiert (Tintor[etto]) u. den Eindruck eines prachtvollen Idioten macht, was mir 1000 x lieber ist als der des kombattanten Karrieremachers. Schließlich waren wir dann doch wieder ein Weilchen allein mit d. Bildern. Ich ruh’ mich im Hôtel aus. Hans ist einen Holzschn[itt] photograph[ieren] gegangen u. holt mich in der École d[es] B[eaux] A[rts] ab.23 1. Mai Gestern wieder nicht geschrieben. In d. Éc[ole] d[es] B[eaux] A[rts] war eine sehr interes­s[ante] Ausstell[ung] von ital[ienischen] Z[eichnung]en des 17. u. 18. Jhs., mit Katalog. Für uns wichtig, da die Tizianrenaiss[ance] des An[nibale] Carracci besonders deutlich wurde (eine Landsch[aft])24 2. Mai Und schon wieder abgebrochen. Ich fahre fort – Nach gutem Ausruhen hat uns Dr. Edel im Hôtel abgeholt. Wir haben bei d. Chinesen genachtmahlt u. sind noch bei einem Bok zusammen gesessen. Dieser Hungeridealismus ist unendlich erschütternd. Er lebt von 200 fr[ancs] im Monat, von denen er 50 noch der Académie, in der er arbeiten darf, zahlt. Es ist unbegreiflich, daß jemand unter diesen Umständen noch das strahlende Glücksgefühl d. Jugend aufbringt – u. so jung ist er ja gar nicht, schon über 30. Ich muss immer an Stoffel denken …25 Der nächste Tag – der 30. April – hat mit einem Ausflug zum Garde Meubles d. Schweizer Tiziansammlers angefangen, wo wir in einer gutverpackten Kiste d. Portr[ät] Franz I. zu sehen bekamen. Es war zwar eine ungewohnte Ansicht u. d. Vergleichung mit d. Louvreoriginal erschwert, aber dennoch glauben wir mit gutem Gewissen d. Bild als alte Kopie ansehen zu können. Dann die Degas-Ausstell[ung], die die 10 fr[ancs] Entrée wert war, wenn sie auch gar keines der schönen Jugendporträts enthielt. Dann hinüber in d. Österreich[ische] [Ausstellung] Jeu du Paume. Da am Nachmittag d. Eröffn[ung] ist, war es so gut wie fertig, nur fehlt d. Katalog. Unten die alte Kunst sieht ganz gut u. reichlich aus. Es ist alles auf Durchschnitt u. Ensemble gearbeitet, ganz ohne Höhepunkte u. Sensationen. Oben hat alles Mop[p] gemacht, er schießt herum macht Witze u. Stimmung für sich (gegen andre). Wenn man hinter die Kulissen sieht u. seine Feindschaften (gegen Faistauer, gegen OK etc.) kennt, so ist es widerlich, was geschehen ist und wenn man auf die Bühne sieht u. sein Portrait 34

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des Bernh[ard] Altmann als Mittelstück sieht, so ist es noch widerlicher. Als ich dem Stix sagte, wie schlecht ich das Bild finde, wurde er so grob mit mir (nannte mich eingebildet u. s. w.), daß es sich mir wie eine dunkle Wolke über die Stimmung d. Tages legte. Wenn jemand gegen mich grob wird, bin ich wie gelähmt. Und jetzt verstehe ich es doch wieder  : Stix, der Mop[p] walten läßt u. sich als den österr[eichischen] K[ün]stler propagieren läßt, hat natürl[ich] ein schlechtes Gewissen, weil es doch über d. Kopf d. Haberditzl geschieht, d. eben kein Kopf sein kann, da sein Körper gelähmt ist  ! Natürlich mußte ihn meine Kritik darum doppelt reizen …26 Wir gingen mit Floch dejeunieren und das war auch keine Aufheiterung. Zum Kunsthändler Gobin, der krank war, sein „junger Mann“ Ströhlin war nicht da  ; Besorgungen  ; nachhause. Ausruhen. Abends im Athénée, École des femmes von Molière, mit Jouvet, Inszenierung von Bérard (Freikarten). Entzückend, geistvoll u. tief  ; der reinste Genuß. Und wie klug ist es doch vor Beginn ein Avant le Rideau zu spielen  ! Welch ein weiser Verzicht in solch einem Stück liegt, das sich ohne Rancune bescheidet, nichts sein will als Lockerung, Appetit-machen. Die Weisheit des Hors d’œuvre, das wir verfressene kulturlose Östler auch nicht richtig zu handhaben wissen, sondern immer so viel davon vertilgen, das uns d. Appetit für nachher vergangen ist. Bei uns würde man wahrscheinlich ein Avant le Rideau bei Nietzsche bestellen …27 Am nächsten Tag – das war gestern – ist alles unter d. Zeichen d. 1. Mai gestanden. Hätten wir z. B. wenn es nicht d. 1.V. gewesen wäre, Tischler in Auteuil aufgesucht  ? So haben wir sogar mit ihm dejeuniert, und das in jenem Keller, der heute abends die österr[eichische] Künstlerbund-Kneipe sein soll. Anwesend war noch eine Strzyg[owski] Schülerin Hahndl die hier jetzt Kunst treibt, der Linzer Maler Kleophas Bogailei (ehemals Reischl), ein Pfiffikus, der genau weiß, warum er sich seine kindliche Seele bewahren soll, ein Maler Goebel u. seine Freundin Freist. Sie sollten dann das Lokal für den „Empfang“ künstlerisch ausgestalten. –28 Wir gingen am Nachmittag zu Mme Bertrand, die so entzückend wohnt u. überall noch ein Haucherl Anderl in d. Räumen hängen hat. Linette war da, unverändert, fast erschreckend unverändert. Und nicht mehr 17 sondern 22. David kam auf einen Augenblick, er hatte „Reportage“ photographiert u. mußte wegstürzen, Rendez-vous eines „Lagers“ draußen, weekend. Dann Vater Eisenschitz, der viel mehr Künstler, Wiener u. Franzose als Vater ist. Wir fuhren dann in seinem alten Kasten, eigentlich kaum mehr ein Chassis, in sein Atelier. Sympathische Bilder wie d. Mensch selbst. Nachtmahl am B[oulevar]d S. Michel (Steinbach), wohin auch Floch kam. Tiptop angezogen, in seiner Eigenschaft als Président von einem Empfang irgendwo, wo Pernter drei jüdische französ[ische] Minister anstrudeln musste. Abschluss in einem Cinemac (d. h. Cinéma Actualités), wo für mich d. Hauptnummer eine Reportage über Father Divine war. Wir haben alle Typen wiedererkannt, es ist nicht wahr, daß „man ist schwarz u. damit gut“ ist. Lang in d. Sonntag geschlafen.29 35

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Abb. 8  : Willi Eisenschitz, Claire Bertrand, 1940.

3. Mai abends 7 Uhr. Wir warten in den Strohsesseln unserer Flohkiste als wärs bei Ritz, auf Segonzac. Gestern Vormittag waren wir fast 3 Stunden im Louvre, Neuaufstellung d. antiken u. späteren Skulpturen, bei d. Bildern. Fast ohne Bekannte, nur Dr. Burchard u. Graf Seilern. (Unlängst begegneten wir gleichfalls im Louvre 2 Herren  ; Hans nachher  : „Wenn man 2 Österreicher trifft, ist d. eine ein Dessauer, der andre ein Holländer …“). Nach Tisch Ausruhen, Thee bei Floch mit Besichtigung d. Kindes, das sehr natürlich aufwächst. Es spielt in d. Villa Brune mitten auf d. Straße mit Steinderln. Niemand braucht ein Auto dort in d. Sackgasse zu fürchten. Auch das gibt’s in Paris. Und am Abend in den schon genannten Keller beim Künstlerbund. Ich saß lange zwischen d. Rücken des Pernters u. der Vorderansicht d. Merkel, der unangenehmer denn je war. Wenn d. Kellner fragte, was er ihm bringen solle, sagte er  : „Dasselbe wie dem Minister, dem man gerade besonders gehäufte Schüsseln serviert hatte.“ Es wurde viel geboten, vor allem die von allen Künstlern gemalte Suzy, 36

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Abb. 9  : „Die Stellung des Mundes wie ein Mädchen, das nach den Schiffen ausschaut.“ – Man Ray (1890–1976), Suzy Solidor, 1929.

die sehr bezaubernd ist mit ihrem schönen Körper u. d. ausdrucksvollen Gesicht u. Gebärden u. immer noch etwas im Blick hat u. d. Stellung des Mundes wie ein Mädchen, das nach den Schiffen ausschaut (so sind auch die Lieder „de mon pays“, die sie singt.) Ein Komiker sagte Gedichte auf, die nur französisch waren sonst wie bei uns – ein andrer hatte eine mehr literar[ische] Note, er war zwar von d. Comédie francaise, aber noch mehr (glaub ich) ein Freund vom Architekt[en] Bauer, der natürlich auch da war. Wer war denn nicht da  ?  ! Sogar der Maler Kriser tauchte am Ende auf. Steiners, Tischlers, Frau […], Buschbeck, Frau Levy-Gutmann, Wotruba, Edel, Eisenschitz, Linette, etc. etc. Wir waren doch imstande bald nach 12 Uhr weggehen zu können. Der Rauch biß mir in den Augen. Zurück durch das ganz verlassene Palais 37

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Abb. 10  : Kastanienbäume wie „festliche Riesenboukets“, Lilly Steiner, 1930.

Royal, dessen Zauber mich gefangen nimmt. Stammt nicht von dort auch Anderls Yoghurtmaschine  ? Heue früh haben wir das belgische Visum uns besorgt, das leider u. merkwürdigerweise viel Geld kostete u. sind dann nach Chantilly hinaus. Ein Gewitter stand am Himmel, kam aber nicht herunter sondern begnügte sich mit malerischen Effekten. Aber der dünne Wald tat doch gut – erst auf d. Wiese dahinter merkten wir, wie schwül es war. Die Zeichnungen, die uns angehen, sind nicht bedeutend, wir haben ein paar photographiert, mit denen wir gar nichts anfangen können …30 4. Mai Segonzac unterbrach mich. Er kam gerade aus der Arbeit, hängt eine Ausstellung in der Bibl[iotèque] Nat[ionale], die Mittwoch eröffnet wird und die wir heut vormittag uns anschauen dürfen. Wir fuhren in d. Champs Elysées hinaus, wo wir in einem sehr netten Restaurant im Freien nachtmahlten. Stundenlang. So viele Gänge, mit 38

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Liebe ganz leicht ausgewählt u. so herrlichen Wein dazu. Wir tranken drei Flaschen. Begannen mit Champagne nature u. endeten mit Bordeaux und Erdbeeren. Es war wundervolle Luft so milde u. d. noch blühenden, aber schon ganz dicht begrünten Kastanienbäume von unten her beleuchtet, daß sie wie festliche Riesenboukets aussahen. Gespräche  : allerhand. Politisches Bekenntnis  : Demokratie, Respecter les autres. Künstlerisches  : la mème chose. Gemeinsame Wege bis c. 1910 (tout comme chez nous), dann die Trennung in d. verschiedenen Lager. Seither alles sehr zerflattert, nicht mehr d. Kontinuität die das 19. Jh. als feste Tradition weitergab. Viele Anekdoten von gestern u. heute, die bei Segonzac noch ins voru. vorvorgestern zurückgehen. Einer seiner Ahnen war Minister zu Daumiers Zeiten u. ist von diesem karikiert worden  ; da Daumier auch Kollegen dieses Ahnen karikierte, fand sich eine kleine S[amm]l[un]g von Lithos in d. Familie zusammen …31 Nach einem kurzen Spaziergang bis hinter die Pferde von Marly brachte er uns wieder ins Hôtel, wo wir zärtlichen Abschied nahmen, wie es sich für solch einen Abend gehörte, um uns heute Vor- Abb. 11  : Luc-Albert Moreau (1882–1948)  : Dunoyer de Segonzac mittag in andrer Stimmung wiederzufin- beim Gravieren der „Georgica“. den.32 5. Mai Amiens. Grand Hôtel Univers. Entzückend untergebracht für 35 fr[ancs]. Also gestern war unser letzter Tag in Paris. Wir gingen erst ins Cab[inet] d[es] Est[ampes], um von Linzeler Abschied zu nehmen u. seine Renseignements für Liesb[eth] Askonas abzuholen. Dann in d. Ausstell[ung] d. Segonzac, der seit 6/7 Jahren Radierungen macht. Landschaften direkt aufs Kupfer gezeichnet, vibrierende figurale Szenen, die uns sehr gepackt haben. Am schönsten vielleicht u. reichsten ein Dutzend Blätter d. neuen Folge, die bei Vollard erscheint, Virgils Georgica (mit franz[ösischem] u. latein[ischem] Text) es sollen 100 werden  ! Ein kostbarer „Schmierer“. Am Weg zum Gasthaus zeigte mir Hans die photogr[aphischen] Aufnahmen aus 39

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d. Span[ischen] Krieg in d. Rue Laffitte. Grauenvolle Kriegs- und Elendberichte. Ein armes Volk muss mit Pinkerln* in d. Händen, Weiber u. Kinder, auswandern, damit d. ital[ienischen] u. deutschen Generalstäbe Platz für ihre Manoever bekommen …33 Mittag mit Floch, der die bei Ausstellungen, von Mop[p] arrangiert, üblichen Kontroversen schilderte, wie sie sich diesmal nur ausnahmsweise erst nach der Eröffnung abgespielt haben. Am Montag früh hat Thöny mit Floch u. Tischler, diesmal zugunsten d. lebenden Merkel u. toten Faistauer, umgehängt. Bei dieser Gelegenheit ist Lilly Steiners Selbstportr[ät] auch an eine weniger sichtbare Stelle gerückt, worauf die Künstlerin prompt aus d. K[ün]stlerbund ausgeschieden ist. Diese u. andere Geschichten …34 Am Nachmittag noch in einem Boulevard-Café im Freien auf Strohstühlen gesessen – zum ersten mal  ! –, dann in d. Académie Ranson, wo Edel Bildhauerei lernt. Hinten Garten ebenerdig, Malerklasse, Bildhauerklasse, Gipsgießraum, Ausstellungsraum. Eine Schweizer Dame – mütterlich fraulich – leitet, da sie Geld hat, gibt es wohl mehrere, die wie Edel nur einen Bruchteil zahlen. Schöne Modelle, kollegialer Ton. Als Concierge das ehemalige Modell von Degas (für die Büglerin, die den Mund offen hat)  ; ich hab so eine Freude darüber gehabt, daß ich unbedingt Handschütteln musste (am liebsten hätte ich sie des historischen Augenblicks halber umarmt).35 Dann mit Edel in seine Atelierbaracke. Er zog d. Floch einen Span aus dem (schon eiternden) Finger, zeigte uns die Figur u. d. Büsten, die er zuhaus arbeitet. Hans ging dann noch einmal mit Floch in d. österr[eichische] Ausstell[ung], wo am Tag vorher von Floch, Thöny u. Tischler, zugunsten Merkels u. Faistauers etc. (s. o.) Umgehängtes wieder z[um] T[eil] von Mop[p] verändert worden war. Ich blieb mit Edel allein, er kochte Tee u. ich gab ihm das Geld, das Hans ihm zugedacht hat (200 fr[ancs]) u. versprach d. Rest, den Floch uns noch schuldig ist (120). Kaum stieg in mir d. trostlos verlassene Stimmung des bitterarmen Ateliers auf, die ich vor so u. so viel Jahren in einem unsterblichen Gedicht verewigt hatte, da kam eine sehr reizende amerikano-französische Kollegin Edels und wirkte sehr beruhigend. Sie lernt bei ihm deutsch u. er – anscheinend – bei ihr wiederum die Lust zu Leben … Um ½ 6 durchs Luxembourg ins Hôtel, mit Hans per Auto an d. Bahn u. nach Amiens. Ich lese in der Bahn immer noch d. Anthony Adverse u. er wird immer unnötiger. Mit 2 Aspirin ins Bett, denn mein linkes erstes Zeigefingerglied ist rheumatisch. – Hier haben wir die Kathedrale besucht  ; ich hab dabei gemerkt, wie wenig Hans u. wie viel ich von diesen Dingen, die man doch alle einmal gewusst hat, vergessen habe. Das Museum ist sehr sehr groß u. vollkom[men] ungeordnet. Wir haben einen illustr[ierten] Katalog gekauft, da uns einiges interessierte – nichts aber anging. Ein merkwürdiges Bild von Alvise Vivarini von 1500 in schlechtem Zustand, aber * Bündel

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Abb. 12  : „Das ehemalige Modell von Degas (für die Büglerin, die den Mund offen hat)“ – Edgar Degas, Büglerinnen, um 1884–1886.

in Kompos[ition] u. Typik den alten u. jungen Zeitgenossen so voraus, daß man sich eigentlich gar nicht vorstellen kann, daß er Einfluss auf sie ausgeübt hätte (s[iehe] Berenson). Aber um 12 war ganz Amiens für uns zuende. Wir haben ein prix fixe um 12 fr[ancs] gegessen, was hier gar nicht viel ist (Essen gegen Paris sehr kostspielig), immerhin eine Stunde in Anspruch nahm. Radiomusik dazu. Herrlich einlullend. Im Hôtel dann Briefe geschrieben (u. a. an Liesb[eth] Ask[onas]) und jetzt sitzen wir hier in einem Square, neben uns fängt ein Kind – im vornehmen Kinderwagen – an unruhig zu werden. In d. Haustoren sind auf schwarzen Brettern Kreideaufschriften, mit denen d. Publikum aufgeford[ert] wird, keine Zeitungen zu kaufen, solange ein Zeitungsverkäufer nicht mehr als 20 fr[ancs] pro Tag bekommt. (Hans rechnet sichs um auf d. Monat u. sagt  : „wenn man bedenkt, daß der Dr. Edel von 200 fr[ancs] leben muss …“)36 41

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6. Mai Lille. Die Fahrt her im herrlichen Abteil (vom Hans mit Zunge-heraus in dem vollen Zug Paris–Amiens etc. erobert), nur daß gelegentlich einer für eine Station mitgefahren ist – natürlich weiterrauchend – obwohl es doch Raucherwagen gesondert gibt  ! Ich frage mich (u. Hans), ob ich mich mehr über d. Rauch ärgere als über d. Übertretung. In Lille hat mich Hans an einer nahen Straßenecke als Eckstein eingepflanzt u. ist, leicht beschwingt, ein Hôtel suchen gegangen. Minerva. Hat alle Vorteile u. Nachteile d. französ[ischen] Hôtels gehabt. Zu ersterem rechne ich die famosen Waschgelegenheiten, zu letzterem das „breite Bett“. Ich nenne es das Rücksichtbett  ; man schläft ganz dünn, aus lauter Rücksichtnahme  ; lässt sich nicht aus … Wir haben auf dem elenden Pflaster, das schon an die nahen Pays Bas gemahnt, einen langen Abendspaziergang gemacht, dann trefflich diniert (so billig wie in Paris kann man leider in d. Provinz nicht essen), alle Cinémas u. Cinémacs von außen besichtigt u. sind dann zu bett gegangen. Heute ist leider ein Feiertag, sodaß wir im Museum nicht fertig werden können. Die Zettel versprechen einiges … (Was für vorzügliche Croissants gibt es hier  !). (Abends) Wir haben den ganzen Vormittag u. Nachmittag im Museum zugebracht. Besonders interessant Bilder u. Zeichnungen, aus denen Prestel gleich mehrere Mappen wählen könnte. Prachtvolle Raffaelzeichnungen, Fra Bart[olommeo], Dürer  ! Altdorfer, Beham (2, wenns stimmt) Sogliani, Franzosen, Rosso, mir fällt nicht alles ein. 100e Blätter. Der Konservator war nicht da, sein Sekretär, der immer durch d. Nase (wie Wald[emar] Georges) d. Luft knipste, hätte uns ganz gern photogr[aphieren] lassen, aber wir habens doch lieber auf morgen verschoben, wenn jemand da wäre, der d. Z[eichnung]en aus dem Rahmen nehmen kann. So haben wir auch politisiert u. Erinnerungen aus d. Zeit d. Besatzung angehört, die von 1914–18 dauerte. Am schlimmsten war er auf Vanadelle zu sprechen, was Hans, sehr klug, als Hudeln* identifizierte. Der hat (als Kunstoffizier) einfach kommandiert, als ob d. Museum u. sein Staff ihm gehörte. Die anderen (Feulner) sind in besserer Erinnerung. Als d. Museum erledigt war, gingen wir ins Kino. Da ich gerne vorne sitze teils dieserhalb teils außerdem nahm Hans in d. 5. Reihe Karten. Herrliche Fauteuils, in denen meine müden Museumsfüße gut rasten konnten. Alle Reihen vor uns und buchstäblich 10 Reihen hinter uns waren alle Fauteuils frei, die Leute drängten sich dann, ebenso auf dem Balkon – denn hier sind die vorderen Sitze die teureren, ganz umgekehrt, wie es bei uns ist. Da unsere Sitze überdies in der Mitte waren, fühlten wir uns in unserer Isolierung erschreckend im Mittelpunkt d. großen u. vornehm belichteten Theaters  ; Hans zog die Handschuhe an. Die Filme waren französisch (d. h. der erste L’enfant de la forêt ein synchronisierter amerikanischer) u. z[war] d. zweite Ménilmontant mit Signoret u. Larquey in d. männlichen Hauptrollen und Mlle Therese Dorny, d. Freundin Segonzacs in der * Übereilen

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weiblichen. Sie spielt sehr komisch u. sehr herzlich, eine famose Charakterschauspielerin u. sieht genau so aus, wie er sie radiert hat. Ich hatte sie gleich erkannt, obwohl sie in einem pariserisch-chicen Sommerkleid in d. Armbrustergasse natürlich nicht ihre anderen Qualitäten d. komischen Alten zeigen konnte. Der Film ist kurz vor unserer Abreise in Wien gegeben worden u. das hat mich natürlich bisserl gekränkt  : ich hätte gern etwas weniger Pariserisches hier gesehen, aber von Lille lässt es sich wohl nicht erwarten. Wir haben beide Sacktücher voll geweint. Es hat von 5 bis ¼ 9 gedauert  !37 Nach d. Nachtmahl gingen wir noch in ein Zeitungsreklamehaus im Vorübergehen, wo eine Art Kermesser Greuz und ähnl[iche] Späße aufgestellt waren. Alles drängte sich herum, contemplant was man nicht alles gewinnen könnte, ohne daß auch ein einziger die paar Franken gewagt hätte hineinzuschmeißen. – Die Städte hier sind nicht eindrucksvoll. Von Amiens weiß ich die Kathedrale auf ihrem stillen Platz  ; vom Museum kaum mehr als das merkwürdige Riesenbild von ich weiß nicht wem  : eine Dienerin führt, […], eine nackte Reiterin durch eine schmale Straße, die als Hochbild unendlich viele Fenster in d. Häuserfronten zeigt. Thema  : ein Graf verlangte zu viel Steuern  ; Godiva seine Gattin wollte für d. Armen Erleichterungen vermitteln. „Nur wenn du nackt wie du aus dem Mutterleib gekommen, durch die Straßen reitest“, sagte der Gatte – u. bereute sogleich. Godiva tat es, er aber drohte Todesstrafe, wenn auch nur einer es wagte ans Fenster zu treten u. sie anzuschauen. Nun ist das taktvoller Weise kein Thema, das man malen darf. Sind doch wir, die wir schauen, der Todesstrafe verfallen. Man denke sich das seelische Dilemma des Beschauers aus, dessen Blick aus jedem Stiegenhaus, in jedem Saal geschickt gerade nach diesem Riesenbild, einem umgekehrten Christophorus an d. Kirchenfassade, geführt wird  ! …38 Von Lille weiß ich nur die großen Plätze u. langen breiten Straßen u. Avenuen. Auf der Grande Place das schwarze Haus voll mit Skulpturen. Man ist schon in Belgien …39 7. Mai sind in Hazebrouck, wo wir von Bergues nach Lille umsteigen mußten. Es feuchtelt. Ganz flach, gelegentlich eine Pappel, die hier sicher – wie dann in Holland – ein Maskulinum ist und – noch gelegentlich – ein Windrad. Bergues liegt hinter uns. Eine Stadt, der ihr altes Kleid zu vornehm geworden ist. Alte Tore mit Aufzugbrücken, ein Beffroy, in dem das naturhistor[ische] Mus[eum] untergebracht ist, eine Mairie aus dem späten XVIIen in d. d. Kunstmus[eum] ist. Wir haben ein paar Dutzend ausgestellte Zeichnungen (darunter ein sehr lebendiges Blatt von Thulden mit der üblichen Allegorie des Kaminbildes u. allen Aufschriften) und 1300 in Mappen eingestaubte gesehen. Kaum etwas ganz besonderes, soweit wir blättern konnten, jedenfalls nichts was uns anging. In Erinnerung blieb mir eine sehr große 43

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Komposit[ion] von Tassart 1770 u. nur Belgien. Wir haben Bergues „erledigt“ („finster, finster“, sagt d. Stoffel) wir lassen uns nicht mehr verleiten, nochmals hinzufahren (ein originelles Jud[ith] + Holofernesbild vor der Exekution von dem Berguesner Lokalmaler Elias (E[nde] 17.). Wir erwarben d. Katalog.) Der Konservateur hat sich uns den ganzen Vormittag lang gewidmet, obwohl er gerade Männer zum Umhängen da hatte. Ein eleganter alter Herr der selbst aussah als käme er noch aus Bergues großer Zeit herüber. –40 Wir lunchten in d. Bahn einen Port Salut u. Bananen. Im Museum in Lille war das versprochene Photographieren fast schon ins Wasser gefallen. Nicht wegen d. abscheulichen Lichtes, nein d. Museumsdirektor, der um 3h da sein sollte, kam nicht und als wir ihn schließlich holen ließen, bedauerte er, er sei verhindert u. wir sollten es mit Hilfe d. Diener durchführen. So war kostbare Zeit verstrichen, d. einzig bequeme Zug abgegangen u. wir gezwungen stundenlang die Dons de l’Etat und andere Plastik d. XIX. u. XX. Jhs. anzuschauen, richtiger Hausgreuel in Riesendimensionen, so dann den Regen in einem Cinémac abzuwarten u. schließlich mit einem Zug zu fahren, der uns wieder zum Papierl-essen verurteilte. An der belgischen – dritten  ! – Grenze waren wir beide plötzlich ganz einsam in einem Waggon weit draußen im offenen Gelände. Wir unterhielten uns, ob Hans’ Hut noch bis London aushalten würde oder er sich schon einen neuen in Brüssel erwerben solle, als von irgendwo aus d. Ferne die Aufforderung an uns erging mit allem Gepäck zur Douane auszusteigen. Ach, die Nässe  ! Hans schupfte d. Koffer heraus, die der Mann mit d. Postsäcken auf seinen Wagen nahm. Und als wir dort anlangten, da war der oben genannte Hut im Koupé zurückgeblieben … Jetzt sitzen wir im Zug nach Brüssel. Die Nächte in Lille in denen wir die Zanzaren summen hörten, liegen hinter uns. Zugegebene Zanzaren, was an sich schon eine Seltenheit ist  ; sogar in Venedig werden sie nur nach dem 28. Juli zugegeben. In Lille bot mir das Hôtelmädchen sogleich Netze vor d. Fenster an, falls ich die Absicht hatte, es bei Nacht offen zu lassen. 8. Mai Ganz im Zeichen von Anderls Brief, den wir gleich früh auf der Post holten. Burgl in polizeil[icher] Untersuchung  ! Ich will nichts weiter darüber schreiben …41 Wir waren bis gegen 2 Uhr oben im Museum, das ausgezeichnet aufgestellt ist  ; alle zweitrangigen Meister oder zweitrangige Bilder erstrangiger Meister sind in einer Galérie documentiert untergebracht, die aber – ebenerdig – jedem, der sich interessiert, offen steht. Was aber oben ist, hängt bequem in bestem Licht  ; kleinere Räume für die Primitiven u. Niederländer, große für d. Vlamen. Interessante Gegenüberstellungen von Italienern u. anderen (ein prachtvoller Crespi, der ganz an d. späten Tizian anknüpfte, ein ikonogr[aphisch] interessanter Orley, der den Palma Gio[vane], bez[iehungsweise] d. Invidia-Relief, vorwegnimmt „Der Reiche im Fege44

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Abb. 13  : Belgien.

feuer“), Skulpturen (zumeist Tonmodelle) in kleinen Vitrinen zum Ausruhen dazwischen. Wir haben auch d. modernen Skulpturen angeschaut, bei Van der Stappen Erinnerungen gefeiert (ich wenigstens), ein großer weibl[icher] Torso von Despiau, mitten darunter auch Arbeiten aus dem 17., sehr lehrreich u. abwechslungsreich. Die Prestelmappe – eben erschienen – mit 25 Z[eichnung]en liegt in einer Vitrine auf, – für uns nichts drinnen …42 Wir haben in demselben vegetar[ischen] Restaurant in d. Rue Royal gegessen wie vor 8/9 Jahren u. es war genau so unerfreulich wie damals. Sind dann nachhause, um 45

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die dringlichsten Briefe zu schreiben. Dann im Jardin des Plants (gleich bei uns) spazieren gegangen u. oben auf d. Stufen eines Ausstell[ungs]gebäudes in d. Sonne gesessen u. eingenickt. Für Minuten vergessen können  ! Im Garten oben beim Schloss wieder spazieren u. langsam herunter, über d. Grande Place, die noch immer ganz intakt ist mit lauter schwarzen Häusern mit Skulpturen daran. Abends zuhause im Zimmer gearbeitet. – 9. [Mai] (Sonntag) Früh nach Brügge. Voller Zug, aber jeder hat seinen Sitzplatz. Der Frauentyp eindrucksvoll, man versteht, daß Belgien d. Land d. Skulpturen ist. Bruges war heute keineswegs la morte, da Kirmes war u. d. große Platz so besetzt mit Ringelspielen u. Buden, daß keine Nadel zuboden fallen konnte. Waffelbuden mit Spiegeln in lackiertem Weiß u. spärlichem Gold wie Rokokoboudoirs eingerichtet. Inmitten dieses Getriebes die stillen Inseln des Johannisspitals („Memlingmuseum“) und Städtischen Museums (1929 erbaut). Das erstere hat die Haltung angegeben, in der das neue Museum sich darzustellen wünschte. Wenige Objekte, aller erster Qualität, gepflegte Darbietung. Obwohl uns gar nichts speziell anging, haben wir uns so gefangen nehmen lassen, daß alles andere versunken war. In der Frouwenkirche d. Michelangelo eingebaut in eine hohe schwarze Nische mit anderen (späteren) Marmorfiguren – ganz unmöglich. So klein u. so ausgeschüttet durch das Weiß gegen Schwarz  ! Am Rückweg haben wir in Gent einige Züge überschlagen. Hier war d. Museum nicht ausgeputzt, sondern alles beisammen, noch vermehrt durch immer neue Erwerbungen. Wie d. Ablagerungsstätte eines Kunsthändlerkonzerns. Dazu war es zeitweilig finster, Regen prasselte ohne d. Dreck des Glasdaches wegschwemmen zu können. In d. Erinnerung blieb d. Verspottung Christi von Bosch, wirklich etwas ganz großes. Jetzt ruhen wir im Hôtel aus bevor wir zu Dr. Goldschmidt Richtung Uccle fahren.43 10. [Mai] Die Wohnung geschmackvoll, der Bub Leo schlafen gegangen, die Frau in anderen Umständen. Der Mann nicht mehr so sehr Schlafmütze, aber doch so oberflächlich. Dennoch scheint er jetzt seinen Weg gefunden zu haben. Verleger seit einem Jahr, bis zu einem gewissen Grad offizieller Verleger, da er d. Kataloge der „Beaux-Arts“ Ausstellungen macht. Das netteste der (bisher) erschienenen 4 Hefte ist die Zerlegung in makro-aufgenommene Details d. Bosch in Lissabon. Er hat uns Gesamt- u. Detailaufnahmen eines großen Bildes (165 x 170  ? bez[iehungsweise] umgekehrt) Gastmahl d. Esther gezeigt, das ein ganz früher großformatiger Rembrandt sein soll u. von allen Rembr[andt]kapazitäten als solcher anerkannt wird (nur Degener hat sich nicht geäußert, nach Goldschmidts Meinung, weil das Rijksmuseum kein Geld hat und es doch, wenn es das Bild als Rembrandt anerkennt, es auch kaufen müsste). Mein erster 46

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Eindruck war  : ausgeschlossen. Man meint, daß er wenn er so angefangen hätte, niemals d. Weg zu „Rembrandt“ gefunden haben könnte. Dann kamen d. Überlegungen, wie zu datieren, wer könnte sonst und d. Typen stimmen. Mit einem Wort  : Konstruktion d. Jugendoeuvres. In diesem Fall würde sie sich lohnen …44 Wir haben einen Besuch bei Stoclet für Mittwoch nach Tisch ausgemacht u. da dies via Tante Goldschmidt ging, haben wir vorher einen lunch bei diesem „kleinen“ Sammler auch noch abgemacht. Alles bis Mittwoch, so daß wir einen Tag länger, als wir d. Absicht hatten, hier bleiben. Eine nette Geschichte erzählte man uns  : die „guten Richter“ vom Van Eycker Altar wurden vor etwa 2/3 Jahren gestohlen. Ein Preis ohne Bestrafung wurde ausgesetzt (oder sonst ein Modus), aber es meldeten sich Dutzende, die gegen Hinterlegung einer Riesensumme den Flügel wieder zurückschaffen wollten. Einer der Diebe schien wenigstens ehrlich zu sein, er konnte nämlich nachweisen, daß er der richtige Dieb war, indem er auf die Rückseite des Altarflügels weisen konnte, die er in einer Bahnhofsgarderobe abgegeben hätte. Man fand sie dort  ! Wer aber sollte d. Million zahlen, die er verlangt hatte  ? Darüber war ein Streit zwischen Stadt u. Kirchenverwaltung. Darüber vergingen Monate, ohne daß eine Einigung erzielt wurde. Inzwischen starb d. Dieb. D. h. es starb ein ehemaliger Meßner von St. Bavo, der ein Wechselgeschäft hatte u. in dessen Schreibtisch man den aufgesetzten Brief über d. Diebstahl u. d. Forderung d. Million etc. gefunden hatte. Das Haus d. Mannes wurde durchsucht, durchleuchtet, abgerissen etc. (die nichts ahnende Witwe entschädigt), aber d. Flügel nicht gefunden … Ein Journalist machte sich d. lehrreichen Spaß mit einem ganz in Größe u. Format d. Flügels zugeschnittenen u. verpackten Brett durch Belgien zu reisen  ; er gab es mehrmals in Bagagedepots d. Bahnhöfe ab, ja er kam sogar damit in den Vorraum eines Experts, von dem er aber nicht empfangen wurde, da er nicht schriftlich angesagt war. Nirgends fiel sein Paket auf  ! (er hat es dann publiziert).45 Heute früh waren wir erst auf d. Post, wo wir Stoffels Brief bekamen (noch ohne Entscheidung). Dann im Museum, wo wir den Direktor aufsuchten (Van Puyvelde), der sehr einfach u. freundlich war und eine genussreiche Stunde in d. Galerie hatten. Vor allem M[arten] de Vos interessierte uns (hl. Paulus lässt d. Bücher verbrennen von 1568), der direkt aus Tintorettos Zeichnungen geschöpft haben muß. Wir erbaten auch die Tertiärgalerie ansehen zu dürfen u. Photos von Romanisten.46 11. Mai Haben es auch getan u. ein Bild von M[arten] d[e] Vos in Stockholm gefunden, das d. beschwägerten Tritonen hat, die ?Fr[öhlich-]B[um]  ? als Barbari  ? bestimmt hat. (Albertina  ? Nachtrag  ?). Ein dort angestellter Dr. Lavalleqc sprach uns an, er schreibt gerade eine Besprechung unseres 2/1 Dürerbandes u. schimpft auf Winklers Publikum, u. a. daß er uns nicht einmal zitiert hätte. So rundet sich allmähl[ich] d. Vorstellung über dieses Buch, dessen direkter Bekanntschaft wir noch immer ausweichen konn47

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ten (Er verehrte seine Dissertation über Just[us] v. Gent). Abends waren wir im Kino Avez-vous quelquechose à déclarer  ? mit Raimu der (allein) gut spielte. Da wir in der 2. Hälfte des Stückes hineinkamen, war es ganz amüsant, festen Boden unter d. Füße zu bekommen. Heute ist es quälend schwül. In d. Früh kam eine Absage von Prof. Delaere aus Gent, daß er keine venez[ianischen] Z[eichnung]en besitze, dazu ein Seperatum über Rubensskizzen als Hommage. Der zweite für heute in Aussicht genommene, von Van Puyvelde genannte Sammler Monsieur de Ramaix hat auch nicht reagiert, scheint also verreist zu sein. Wir fuhren ins Cinquantenaire Museum, das sich aber größer als inhaltsreich erwies. Zuerst zurück, immer langsamer schlendernd, weil d. Luft so drückte. Zuhaus aus d. Papierl gegessen  ; geschlafen – mit schlechtem Gewissen, wie wird es dann in d. Nacht damit gehen  ?  ! Eine herzliche Karte von Burgs, die uns erwarten. Wir sagen uns in Anvers, Plantin-Mus[eum] und in R’dam an.47 13. [Mai] Den Nachmittag hab ich im Garten gesessen, während Hans die Dame, die bei Fixleins in Exchange sein soll, besucht hat. Nach d. Nachtmahl (wie immer bei Novada, Rue Neuve) Kino Mlle le Docteur (ein Spionagefilm, von Pabst gedreht, Jouvet – sehr gut – in einer Nebenrolle). Erst haben wir sehr wenig verstanden, dann nur ich. Ein sehr instruktiver u. beglückender Vorfilm über d. Glasfabrikat. Dann der gestrige Tag (Mittwoch), an dem ich gar nicht zum Schreiben kam. Rendezvous bei den Z[eichnung]en de Grez mit Goldschmidt, das sog[enannte] Skizzenbuch von Patinir, wohl später, nur eine Bildkopie nach Bild Patinirs an d. Namen Schuld. Auch Kopien nach anderen – noch primitiveren – Bildern, eine nach einer italienischen mit Erinnerungen an Crivelli (Putto von hinten)  ; ganze Serie von ordentlich nebeneinander gesetzten Felsdetailstudien, als ob Z[eichnung]en Dürers als Vorbilder gedient hätten. Noch einen Gang durchs Museum, wo – zu Ehren d. englischen Krönung  ! – um 12 die Sonne angenehm aufschien. Gerade über Bouts.48 Dann zu Dr. Ernst Goldschmidts Onkel u. Tante, er als Jude mit Geld dreimal so konservat[iv] als nötig, sie als geborene Russin in der gleichen Situation, aber harmlos u. liebenswürdig  ; ein netter Sohn, Advokat. Zus war auch da, Augenbrauen herausgerissen, aber dann ungenügend nachgezogen. Tisch und Stühle unter einem heranschleichenden Diener u. geschriebenes Menü. Gespräche über führende u. mitlaufende Habsburger. Also sehr haute volée. (So lebt man immer ein Doppelleben – Burgl  !). Nach dem Kaffee mit Mutter u. Sohn, der chauffierte, ins Haus Stoclet. Das war die allergrößte Überraschung. Das Haus steht jetzt seit z[irka] 30 Jahren da, von oben bis unten, von außen u. innen Hoffmanns Werk. Kein Nagel, dessen Form er nicht entworfen hat, kein Entwurf, den nicht die Wiener Werkstätte ausgeführt hat. Und alles so wundervoll gearbeitet, daß es heute noch absolut intakt ist. Am eindrucksvollsten ist d. Mosaikdekoration im Speisesaal nach Klimts Zeichnungen  ; edelstes Mosaik, ganz im Materialgeist erfunden u. edelster Klimt zugleich. Irgendwo 48

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Abb. 14  : Palais Stoclet, Außenansicht.

taucht ein kleines Wiener Gesichtchen auf, ein Eckchen Natur in ihrer Unmittelbarkeit, ein Fleck Gemaltes, sonst nur Stein an Stein Dekoration. Und dieses Werk seines Geistes, fast könnte man sagen, dieses einzige Werk seines Geistes (jedenfalls das einzige, das so reich ersonnen u. durchgeführt ist) hat Hoffmann niemals gesehen  ! Es ist nicht zu glauben. Zu Beginn d. Jhs. haben Herr u. Frau St[oclet] in Wien gelebt, sie gingen auf der Hohen Warte spazieren, sahen ein Haus, das ihnen auffiel, läuteten an, fragten nach d. Architekten. Es war d. Haus von Molls. So kamen sie zu Hoffmann. –49 Aber diese Rehabilitierung Hoffmanns – und Klimts – war nicht unsere einzige Überraschung. Die viel viel größere noch waren d. Kunstschätze, die wir zu sehen bekamen. Herr St[oclet] sammelt seit drei Jahrzehnten  ; ganz persönlich nach seinem Geschmack, der die Kostbarkeiten aller Jahrhunderte vor dem Quattrocento umfasst. Ein halbes Hundert erlesenster italien[ischer] und französ[ischer] Primitiver, in einzigartiger Erhaltung, sensibel u. köstlich ohne irgendeine Rücksicht auf kunsthistor[ische] Dokumentierung, auf Expertisen u. solcherlei. Fast alle Bilder kommen vom Diener Frédéric hereingebracht aus dem „cave“ u. werden vor uns hingestellt. Die Dame d. Hauses hilft mit, gibt d. Anekdoten dazu, der Herr sehr still – Arthritis Deformans – wirft nur gelegentlich ein Wort dazwischen. Aber wie stark spürt man die Wärme seines Genießens  ! Egyptische Fragmente, archäologische 49

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Abb. 15  : Palais Stoclet, Brüssel, Josef Hoffmann, Gustav Klimt, Speisezimmer, um 1910.

Skulpturen, Bronzen aus d. 11., 12. Jh., orientalische Kunst, merowingische Grabfunde, karolingische Goldschmiedearbeiten. Es ist wie in einem Märchen  ! Und jedes u. alles wird einem im Augenblick nahe u. unendlich wichtig, weil es gewählt u. aneinandergefügt ist von der schöpferischverlebendigenden Liebe d. Sammlers. Wir waren vier Stunden dort u. nachher so frisch u. erschöpft zugleich, als hätten wir wieder einmal etwas ganz zur Neige getrunken und wären an einem hörbaren Punkt u. Gedankenstrich angekommen. Erst nachher in d. Eisenbahn nach Antwerpen u. mehr noch beim abendlichen Spaziergang an den Hafen bin ich wieder zur mir gekommen. Aber dieser Spaziergang war schön  ! Die Schelde ist so breit, kaum ein Fluss mehr, sondern ein Land, das sich in Streifen ans Meer verliert. Daß wir in etwas mehr als einer Woche darüber fahren sollen, war kaum ein Schatten über der Augenfreude … Merkwürdig einsam war d. Stadt dort, ein paar Restaurants waren da, gedeckte Tische, auch etwas Licht, ein Kellner im ganzen. Wie Mitteilungen aus dem Geisterreich hingen die kreidegeschriebenen Menus am Eingang. Wir wagten uns hinein  : „On est tout seul  ?” „Tout le monde est à Londres,“ antwortete d. Kellner lachend. – 50

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Heute hatten wir einen richtigen „Sightseeing“ Tag, d. h. gar nichts, was uns unmittelbar angeht, aber doch so viel Anregung u. Vertiefung, sowohl im Plan­tin­ mus[eum] wie auch im Großen. Im Plantinmuseum Anknüpfungen an Dürer (Paradiesvogelbalz, Erlangen) u. Prinzipielles über Graphikvorlagenzeichnungen, die wirklich (wie wir immer annahmen) seit d. Mitte d. 16 Jhs. (u. etwas früher schon) d. Schattenberge laviert haben u. nichts mehr graphisch geschrafft. Im Museum haben wir ein (200) Bilderbuch erworben, in dem viele M[arten] d[e] Vos drin sind, die uns wegen d. Zusam[men]hang mit Venedig interessieren. Wir blieben bis ½ 3 im Museum, wo wir während einiger Gewitter (Rembrandtsaal) fast im Dunkeln tappten, dann aber wieder durchs herrlichste Licht belohnt wurden. Jetzt verlassen wir Antwerpen u. Belgien, fahren nach R’dam hinüber …50 14. [Mai] Gestern abends unsere vierte Grenze war wiederum recht ungewöhnlich. Ein Zug brachte uns von Antwerpen nach Essen, wo alles aussteigen musste, um genau visà-vis einen eigenen Zug nach Rosendaal – also durch das Niemandsland  ! – zu nehmen  ; dort wiederum aussteigen und overstappen in noch einen Zug, der uns endlich nach R’dam geführt hat. Die Geleise entlang Wiesen mit weiß-schwarzen Kühen, bei dreien jedes Mal ein ausgelassenes Rößlein  ; Felder entlang mit Riesenquadraten oder Streifen mittendrin, auf denen die Tulpen standen. Eigentlich ein phantastischer Eindruck dieses Luxusgemüses, richtig da um ein koloristisch begabtes Malervolk zu erziehen. Endlich über hochgeführte Dämme zwischen Wasser gefahren, breit endlos wie ein Meer, die Mündung, d. h. d. Zusammenfluss von Maas u. Schelde. In R’dam übernahm uns ein alter Hôtelportier, der natürlich alle unsere Entschlüsse zu „Coomans“ zu gehen auf d. Basis von 25 ct Ersparnis umstieß (auch „Coomans“ beruhte nur auf der Empfehlung eines Mitreisenden, der nicht einmal sehr empfehlend aussah). Wir fuhren mit d. Tram und bei jeder Station trat d. Portier aus dem anderen Abteil zu uns herein, um uns in d. Topographie einzuführen. Bei der ersten Station war d. Hauptpostgebäude  ; wo wir ausstiegen, war d. Spital an der […], so daß wir d. Gefühl d. Beruhigung bis zum letzten Ausmaß haben konnten (Mus[eum]  ? und d. Leichenhalle  ?). Und dann haben wir in unserem Zimmer aus dem Papierl gegessen, letztes aus d. billigen Lande (Belgien) Mitgebrachtes u. in einem Café, das wie ein Clubraum (angenehm) wirkte in tiefen Lederfauteuils Bier getrunken. (Bei mir hat aber eine große Dosis Schlafmittel nachhelfen müssen.) Und heute früh – o dieses Frühstück  ! das erste holländische Frühstück  ! Das kann man nicht beschreiben, das muss man erleben. –51 15. [Mai] (Mittagspause A’dam) Der gestrige Tag bei den Z[eichnung]en von Koenigs in R’dam verlief ohne Mittagspause. Wir haben fast sieben Stunden ruhig u. genußreich ge51

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arbeitet u. sind nicht fertig geworden. Das Kabinett ist wundervoll eingerichtet, wir waren seine einzigen Gäste u. wurden vormittags mit Kaffee, nachmittags mit Tee von den Beamten gelabt. Was hat dieser Koenigs innerhalb ganz weniger Jahre für eine köstliche Sammlung zusammengebracht. Das Museum selbst lassen wir uns für den Donnerstag, da wollen wir wiederkommen. Wir fuhren dann zur Bahn u. mit unserem ganzen großen u. zahlreichen Gepäck nach Haarlem mit einem Zug, mit dem wir eigentlich in Dord’[recht] noch einmal sollten „overstappen“, worauf wir verzichteten, trotzdem wir hast-du’s-nicht-gesehen Bummelzug wurden u. um ¼ Stunde später in Haarlem einlangten. Immer noch ganz rechtzeitig, da d. Burgs gar nicht zuhause waren, sondern uns u. Herminchen am Bahnhof um ½ 8 (da hatten sie uns erwartet) abholen gefahren waren. So richteten wir uns ein, alles ist sehr freundlich (u. wäre es noch mehr, wenns Wetter danach wäre) u. herzig u. klein u. wenig Platz u. doch gemütlich. Und abends ein Bad  ! (Heut früh Fixleins Brief, der über B[urgl] ein wenig doch aufklärte. Nicht erfreulich, weiß Gott, aber immerhin noch Gerichtsverfahren, also Advokat  !) Mit d. Wagen nach A’dam geführt worden, haben wir zuerst im Prentenkab[inett] keine guten Z[eichnung]en gefunden, aber doch viel aufregende Bestätigung betreffend d. Rötelzeichn[ung] in Salzburg zum (u. nicht nach dem) Vendraminfresko. Mit de Vries alles Wichtige besprochen u. ertelephoniert. Ein Gang durchs Museum ohne viel Anteilnahme. Sogar d. italienischen Meister genauer betrachtet, so ganz unerfreulich (Savoldo-, Tintoretto-porträts). Interessant immerhin die beiden „Jahreszeiten“ Tintorettos von Ofenheim ( Jaispitz  ?). –52 Pfingstmontag, 17. [Mai] Vorgestern Nachmittag – mit Taxi trotz 2 Minuten Entfernung  !, so hats gegossen – zu Dr. Beets, der uns eine Reihe ganz interessanter Zeichnungen zeigte, auch Photos schenkte u. ein Bild (erworben aus S[amm]l[un]g Hamilton), das V[an] Marle im Internat[ional] Studio 1930 als Tizian veröff[entlicht] hatte, das aber wie jenes Bild bei Johnson, Philad[elphia], ein „umgekehrter Fluteur“ war. Der Pfingstsonntag war ein wenig „opklaart“ u. wir benützten ihn zu einem Tagesausflug per Auto nach Den Helder, dem nördlichsten Zipfel jenes Westteils Hollands, in dem wir stecken. Erst durch Parks mit Siedlungen, dann über eine Fähre u. endlose Deiche entlang, Alleen, Einsamkeit, Windmühlen, Segeln, klein u. weiß, die über Wiesen aufstachen, als würden weiße Schmetterlinge auf Blüten sitzen. Gelegentlich durch einen Badeort, durch ein Städtchen. Den Helder ist der alte Kriegshafen, hat noch sichtliche Schiffsu. Befestigungsreste auch Militär, pfingstlich mit Damen spazierend. Wir sind dann auf d. Insel Wieringen hinüber, wo d. Kronprinz von Deutschl[and] nach Kriegsende 2 Jahre interniert war. Er hat im Pfarrhaus gewohnt. Das ist schon eine schlimme Internierung. Etwas anderes ist so ein Wagenausflug am Festtag nachmittag mit Schleusenbesichtigung. Mit ungeheuren Schwierigkeiten auf einem verschlammten Seitenweg hat Frau Margret d. Wagen dirigiert. Auf d. einsamen Wiese haben wir 52

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mitgebrachte Fresspakete u. Picknickkofferchen ausgepackt u. gegessen. Zurück über das neugewonnene Polderland. Entwässertes Gebiet in erster, ja allererster Bebauung, bis es schließlich Getreide trägt. Die ganze Landschaft merkwürdig unwirklich, Hans sagt, wie ein aus Todeserstarrung Erweckter, der noch nicht recht weiß, ob er denn wirklich lebt oder noch tot ist. Es ist ein Albdruck von der Brust weg, wenn man wieder auf „alter“ Erde landet. Und gerade in d. tiefen Schichten dieses Dünenlandes, die noch sandig sind u. doch schon Erde, sollen d. Tulpenzwiebel besonders gut gedeihen. Wir waren über 8 Stunden im Wagen. –53 Anmerkungen 1 Reiseroute vom 18. April bis 17. Mai 1937, 1. Büchel   Salzburg (A) – (St. Anton) – Zürich (CH) – Winterthur – Zürich – Luzern – Basel – Bern – Lausanne – (Verrière) – Pontarlier (F) – Dijon – Lyon – Paris – Chantilly – Paris – Amiens – ­Lille – Bergues – (Hazebrouck) – Lille – Brüssel (B) – Brügge – Gent – Uccle (Brüssel) – Antwerpen (Anvers) – (Esch, Roosendaal) – Rotterdam (NL) – (Dordrecht) – Haarlem – Amsterdam – Den Helder – Insel Wieringen. 2 Mirabellgarten – barocke Gartenanlage in der Stadt Salzburg.

1930 hatte man sich in der Salzburger Studienbibliothek darangemacht, sechs dicke Klebebände mit mehreren Tausend Zeichnungen und Stichen „bibliotheksmäßig aufzunehmen“. Die Zerlegung der Bände fand in Wien unter Aufsicht des ehemaligen Direktors der Albertina Josef Meder statt (Frisch 1945  ; sowie Schreiben vom 19.2.2010, Beatrix Koll, Leiterin der Abteilung für Sondersammlungen der Universitätsbibliothek Salzburg, an die Herausgeberin).

3 Mehrere Zeichnungen aus der Salzburger Studienbibliothek, vor allem Palma Giovanes, fanden Aufnahme in den Tietze’schen Katalog (Tietze/Tietze-Conrat 1944), Rötel-Zeichnung befindet sich keine darunter. Zum „Rätsel“ Palma-Giorgione-Fresko im Palazzo Vendramin siehe TB 1937/1, 15.5.; TB 1937/3, 14.7., 17.7.; TB 1938/1, erster Eintrag „Basel“.

Die eigentümliche Schreibweise legt nahe, dass ETC hier einem etymologischen Irrtum unterlegen war. Bei den „Konstafflern“ (auch „Constaffler“  ; aus dem Lateinischen von constabilio bzw. comes stabuli) handelte es sich im 14. Jh. um eine Vereinigung von Vertretern der Züricher Oberschicht, die keiner Zunft angehörten. Ihr Zeichen war ein roter Rüde. Mit dem „Sechseläuten“ des Züricher Großmünsters wurden seit dem Mittelalter der Beginn des Frühlings und somit längere Arbeitsstunden angekündigt. „Meise“ nennt sich die Zunft der Winzer (Konstaffel [Constaffel], Historisches Lexikon der Schweiz).



Erwin Gradmann wurde in Wien geboren, wo er seine Schul- und Studienzeit verbrachte. 1935 promovierte er an der Wiener Universität im Fach Kunstgeschichte. Nach dem Studium übersiedelte Gradmann, dessen Vater Schweizer Staatsbürger war, in die Schweiz. Von März 1937–1947 war Gradmann Bibliothekar des Kunstgewerbemuseums Zürich. 53

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Der dreibändige historische Roman „Anthony Adverse“ des US-amerikanischen Autors William Hervey Allen (1889–1949) von 1933 war 1936 mit Musik des Wieners Erich Wolfgang Korngold (1897–1957) verfilmt worden.

4 „Platten gekauft“  – Bereits bei den Erhebungen zur österreichischen Kunsttopografie in den 1910er-Jahren hatte sich HT als Fotograf betätigt. Bedauerlicherweise ist außer einigen wenigen Aufnahmen von Familienmitgliedern aus HTs Wiener Jahren nichts erhalten geblieben.

Die Zeichnung „Lucretia“ von Palma Vecchio (Tietze/Tietze-Conrat 1944, Nr. 1271, 229), von Walter Hugelshofer 1933 in der Zeitschrift „Pantheon“ (Hugelshofer 1933) publiziert, wäre ein „schönes, wenn auch etwas mitgenommenes Blatt, das noch stets hier als eine der wenigen wichtigen Altmeister-Zeichnungen verwahrt wird“, so Christian Klemm, Vizedirektor des Kunsthauses Zürich, in einer E-Mail vom 18.4.2011 an die Herausgeberin.



Das Eidgenössische Polytechnikum wurde 1911 in „Eidgenössische Technische Hochschule“ (ETH) umbenannt. Rudolf Bernoulli war dort von 1923–1947 Leiter der Graphischen Sammlung.



Dürer I  : Hans Tietze/Erica Tietze-Conrat, Kritisches Verzeichnis der Werke Albrecht Dürers, Band I, Der Junge Dürer, Verzeichnis der Werke bis zur venezianischen Reise im Jahre 1505, Augsburg 1928.



Im Holbein-Verlag erschienen  : Dürer II/1  : Hans Tietze/Erica Tietze-Conrat, Kritisches Verzeichnis der Werke Albrecht Dürers, Bd. II., Der reife Dürer, 1. Halbbd., Von der venezianischen Reise im Jahre 1505 bis zur niederländischen Reise im Jahre 1520, nebst Nachträgen aus den Jahren 1492–1505, Basel-Leipzig 1937. Dürer II/2  : Hans Tietze/Erica Tietze-Conrat, Kritisches Verzeichnis der Werke Albrecht Dürers, Bd. II, Der reife Dürer, 2. Halbbd., Von der niederländischen Reise im Jahre 1520 bis zum Tode des Meisters 1528, Basel-Leipzig 1938.





Bei „Lo Stregozzo“ handelt es sich um einen Kupferstich, vermutlich aus dem frühen 16. Jh., der heute im Allgemeinen Marcantonio Raimondi zugeschrieben wird. Die Originalplatte befindet sich im Kupferstichkabinett der Veste Coburg (D). 1936 hatte ETC einen kleinen Aufsatz zu diesem rätselhaften Stich veröffentlicht  : „Der Rohstoff ist fast derselbe, wie ihn die deutschen Hexendarstellungen zeigen“, heißt es da. „Er ist nur bereichert durch einzelne Vorstellungen, die aus der klassischen Antike kommen. […] Aber Italien hat wie das nordische Spätmittelalter aus seiner Vergangenheit eine abergläubische Gespensterwelt mit heraufgeführt. Sie fand neben der literarisch fixierten, eindeutig erhellten Welt der Antike und der in langen Jahrhunderten strenggebundenen christlichen nur höchst selten Eingang in die Kunst.“ (Tietze-Conrat 1936a, 59.) ETC „meditates on the partial transformation of folk culture into antique. She supposes the subject is a goddess, Hecate, rather than a witch outright, and that the nudes are the restless dead, having died before their time“ (Emison 1999, 634).

Albrecht Dürer, Ritter, Tod und Teufel, Kupferstich, 1513 (Tietze/Tietze-Conrat 1937a, Nr. 574, Abb. 246). 54

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5 ETC und HT besichtigten die Sammlung 1937 noch im Wohnhaus von Oskar Reinhart am „Römerholz“. Heute verteilt sich die Sammlung Reinhart in Winterthur auf zwei Museen. Nach dem Weltkrieg wurde das „Museum Oskar Reinhart am Stadtgarten“ mit seiner Kollektion deutscher, österreichischer und schweizerischer Kunst des 19. Jahrhunderts eröffnet. Der zweite Teil der Sammlung umfasst rund 200 Werke hauptsächlich europäischer Kunst von der Spätgotik bis zur Moderne. Dieser Teil der Sammlung Reinhart verblieb im ehemaligen Wohnhaus Reinhart am „Römerholz“ und ist heute im Eigentum der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Oskar Reinhart, Historisches Lexikon der Schweiz  ; Museum Oskar Reinhart, Winterthur, Der Sammler  ; Sammlung Oskar Reinhart, „Am Römerholz“, Winterthur).

Wilhelm Leibl, Julius A. Langbehn, 1877, Sammlung Oskar Reinhart, Winterthur. „Am glücklichsten fühlte er [Langbehn] sich in der Gesellschaft der drei jungen Maler Karl Haider, Wilhelm Leibl und Hans Thoma, die ihn alle porträtiert haben. Mehr und mehr wurde er zu einem Bohemien, und schon zeigte sich gelegentlich an ihm seine spätere Vorliebe für Heimlichkeit und Absonderung.“ (Stern 2005, 150  ; zu Langbehn siehe TB 1923, 19.10.)

6 Das von dem Bildhauer Hermann Haller gestaltete Reiterstandbild des eidgenössischen Heerführers und Bürgermeisters von Zürich Hans Waldmann war im April 1937 eingeweiht worden. Es steht an der Münsterbrücke nahe dem Frauenmünster in Zürich. Das Atelier Hallers am Zürichsee ist heute ein kleines Museum. 7 Mit „Robert-Rudi“ war der Reisegefährte Anderls, sein ehemaliger Studienkollege Robert Anhegger gemeint. Dieser hieß allerdings mit zweitem Vornamen nicht Rudolf, sondern Friedrich. Möglich, dass es sich dabei um eines jener im familiären Rahmen beliebten Namensspiele handelte. Auch in der Korrespondenz ist stets von „Rudi“ die Rede (siehe z. B. Brief ETC u. HT an Andreas Tietze vom 19.11.1937, Privatarchiv Filiz Tietze).

Bally – Schweizer Schuhhersteller.

8 Fritz Steinmeyer hatte 1920 mit Julius Wilhelm Böhler (1883–1966) in Luzern die Kunst AG Luzern gegründet (Hopp 2012, 112–113).

A’dam – Amsterdam.



Die Kunsthändlerin Leopoldine Zelenka, die in Wien eine Zeit lang eine Prokura bei Gilhofer & Ranschburg innehatte, war während der Zeit des Nationalsozialismus als Sachverständige für die Einkäufe des in Linz geplanten „Führermuseums“ tätig (Archiv des BDA Wien, Korrespondenz Posse, K 10/1, 1944/I, Jänner–März  ; siehe auch Francini/Heuss/ Kreis 2001).



Circa seit dem Jahr 1919 bestand eine Beteiligung des Münchner Kunsthändlers Fritz Heinemann an der Galerie Hansen AG in Luzern. 1930 übernahm Heinemann die geschäftliche Leitung der Kunsthandlung (Schreiber/Drauschke 2010, 178).

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Um welches so detailliert beschriebene Bild von Bernhard Strigel es sich gehandelt haben könnte, konnte nicht geklärt werden.

Raffael, Alba-Madonna, ca. 1510, National Gallery of Art, Washington D. C.   9 Zu Suida und Danae siehe auch Suida 1926, 125  ; Suida 1934. Der Kunsthistoriker Wilhelm (William) Suida, der bis zum „Anschluss“ einen Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Universität Graz innehatte, emigrierte 1939 in die USA (Morassi 1960).

Die Kunsthistorikerin Betty Kurth war Spezialistin für mittelalterliche Bildteppiche. Ihr Hauptwerk war den „deutschen Bildteppichen des Mittelalters“ gewidmet (Kurth 1926).



„zu Fischer“ – Galerie Theodor Fischer, Luzern, siehe Francini/Heuss/Kreis 2001.

10 Kunstmuseum Basel  – der von den Architekten Rudolf Christ (1895–1975) und Paul Bonatz (1877–1956) entworfene Neubau war 1936 eröffnet worden. Die Sammlung gilt als die älteste öffentliche Kunstsammlung der Welt.

Dr. Raeber – Dr. Willi Raeber, Basler Kunsthändler und Galerist. Dr. Reber  – Gottlieb Friedrich Reber  ; der deutsch-schweizerische Tuchfabrikant und Kunsthändler besaß eine bedeutende Sammlung moderner Kunst.



Es handelte sich um die Galeristin Marguerite Schulthess (TB 1938/1, 24.1.; Kunsthandel der Moderne, Mitteilungen des Kunstarchivs Werner J. Schweiger). Zu den drei hier angeführten Schweizer Kunsthändlern sowie zu den Verwicklungen der Schweiz in den Handel mit Kunst aus Nazi-Deutschland siehe Francini/Heuss/Kreis 2001.



„Old Master Drawings, A Quarterly Magazine for Students and Collectors“, gegr. 1926, Herausgeber  : Karl T. Parker. HT gehörte neben Frederik Lugt, Max Friedländer, Paul Ganz, Campbell Dodgson und weiteren renommierten Kunsthistorikern zum beratenden Komitee des Herausgebers.



Giovanni Mario Verdizotti – Freund und Schüler Tizians.



Grundlage für das im Katalog verwendete Fotomaterial bildeten die von HT angefertigten Fotografien, ergänzt durch Abbildungen, die ihnen von Sammlungsleitern oder Privatsammlern zur Verfügung gestellt wurden. Nach Abschluss der Arbeiten verkauften Tietzes ihren Fotobestand dem Metropolitan Museum of Art in New York und finanzierten damit die Veröffentlichung des Katalogs (Tietze/Tietze-Conrat 1944, Introduction, IX).



HT galt nicht als Fachmann für Matthias Grünewald. Zu Grünewald ist einzig seine Rezension „Grünewalds Isenheimer Altar im Lichte neuer Würdigungen“ in der Zeitschrift „Die Bildenden Künste“ (Tietze 1920) bekannt, in der vor allem die neuartigen „MakroAufnahmen“ des Piper-Verlags Würdigung erfuhren.

11 Nachtasyl (Les bas fonds), Regie   Jean Renoir, Frankreich 1936. 12 Der aus Trier stammende Kunsthistoriker Hermann Loeb, Inhaber des Prestel Verlags in Frankfurt, musste Deutschland 1933 verlassen, blieb aber weiter für die Auslandsgeschäfte 56

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des Verlags zuständig. Gleichzeitig gründete er 1933 in Basel den Holbein-Verlag, der sich auf englische und französische Ausgaben von ehemaligen Prestel-Autoren spezialisierte (Haug 2008).

Der Mittelalterspezialist Friedrich Winkler, von 1933–1957 Direktor des KupferstichKabinetts in Berlin, war  – wie Posse und Zimmermann  – ein Protegé Wilhelm von Bodes gewesen (siehe TB 1923, 19.10., 29.10.). Sein monumentaler vierbändiger Katalog der Zeichnungen Albrecht Dürers wurde zwischen 1936 und 1939 vom „Deutschen Verein für Kunstwissenschaft“ herausgebracht. Bereits in der Einführung wird der vernichtenden Kritik an Tietzes erstem Band des Werkverzeichnisses (Dürer I) beachtlich viel Raum gegeben  : „Eines der schlimmsten und gefährlichsten Erzeugnisse“, heißt es da, „– gefährlich weil es von außerordentlich regsamen und nicht unbegabten Verfassern herrührt – ist das Buch des Ehepaar Tietzes über den jungen Dürer. […] Die völlig verständnislose Art, mit der von Tietzes das Künstlerische beurteilt wird, und die dreiste verneinende Kritik, sind durchaus nicht so vereinzelt, wie man glauben sollte, wenn den anderen Arbeiten auch nicht der schlimme zerstörerische Grundcharakter und die bedenkenlose Flüchtigkeit eignet, durch die das Tietze’sche Buch geradezu aufreizend wirkt. Trotz alledem ist die Ansicht des Ehepaars, die sehr bemerkenswerter Weise kein einziges Mal durch Meinungsverschiedenheiten getrübt ist, oft berücksichtigt worden – allzu oft werden manche vielleicht sagen – weil gerade jetzt der Vorwurf zu erwarten ist, Tietzes seien als Juden von der deutschen Wissenschaft totgeschwiegen oder nicht genug beachtet worden. Ich empfehle dieses Buch, weil es bequem in die die Literatur einführt und wie wenige Bücher zu erkennen gibt, wie man’s nicht machen soll.“ (Winkler 1936, XX  ; Schilling 1965.)

13 Der „Allerseelenaltar“ des Reformators Niklaus Manuel (genannt „Deutsch“) in der Antonierkirche in Bern ist zwischen 1518 und 1520 entstanden und gibt Szenen aus dem Leben des heiligen Antonius Eremita wieder. In die Sammlungen des Kunstmuseums Bern gelangte er erst kurz vor ETCs Besuch. Abgebildet ist der Altar auf der Homepage der EvangelischLutherischen Kirche in Bern (Evangelisch-Lutherische Kirche Bern, Hochaltar von Niklaus Manuel). Zum Werk von Niklaus Manuel siehe u. a. Dupeux/Jezler/Wirth 2000.

Hans Hahnloser hatte 1926 in Wien bei Julius von Schlosser, dessen Assistent er anschließend wurde, promoviert. Von 1934–1968 war Hahnloser Ordinarius für Kunstgeschichte an der Universität Bern.

14 Ludwig von Baldaß war zu diesem Zeitpunkt Kurator am KHM in Wien.

Robert Eigenberger, Direktor der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste, war Maler und Restaurator.



Der spätere Ordinarius für Städtebaugeschichte und Restaurierung Paul Hofer hatte 1938 als erster Doktorand bei Hans Hahnloser an der Universität Bern promoviert, der Titel seiner Doktorarbeit lautete  „Die italienische Landschaft im 16. Jahrhundert“ (Hofer 1938).



Laut Michael Egli, Bern, ist der sogenannte „Allerseelenaltar“ (Altar mit Totenmesse) von Thüring Fricker (um 1429–1519), dem Großvater von Niklaus Manuel, gestiftet worden. In der Reihe „Œuvrekataloge Schweizer Künstler“ des Schweizerischen Instituts für Kunst57

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wissenschaften (SIK-ISEA) entsteht zurzeit der Catalogue raisonné zu Niklaus Mann (EMail-Auskunft Michael Egli vom 28.3.2011 an die Herausgeberin). 15 Musée cantonal des Beaux-Arts, Lausanne.

Sammlung (René de) Cérenville, Lausanne.



Sammlung Alfred Strölin, Lausanne.

16 „Sahen Bilder (des Onkels)“ – Bilder des Schweizer Malers Felix Vallotton.

„Weltreiseunternehmen Wagon-Lits/Cook A.-G“.

17 Musée des Beaux-Arts, Dijon.

Vermutlich der Maler Henri Tillien (16./17. Jh.).

Friedrich Winkler, Skizzenbücher eines rheinischen Meisters um 1500, in  WallrafRichartz-Jahrbuch, Bd. 6, Köln 1930, 123–152. 18 Musée des Beaux-Arts, Lyon.

„Variation um das Thema Eccehomo-Witz v. Tizian“ – die Bedeutung dieser Stelle konnte nicht geklärt werden.



Frans Franken (oder Francken) der Jüngere – flämischer Maler.



Gemälde nach dem Kupferstich von Albrecht Dürer „Kurfürst Friedrich der Weise“ (1524) (Tietze/Tietze-Conrat 1938a, Nr. 927, 52).

19 Josef (oder Joseph, wie er sich in Frankreich nannte) Floch war seit 1925 in Paris ansässig und die erste Ansprechperson der Tietzes in dieser Stadt.

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Zum „Künstlerbund“ in Paris konnten in der Literatur keine eindeutigen Hinweise gefunden werden. Reinhold erwähnt ein Pariser Komitee, welches bei den Vorbereitungen zur österreichischen Ausstellung „Exposition d’Art Autrichien“ 1937 federführend gewesen sein soll. Ihm hätten unter anderem Josef Floch, Any Levy-Gutmann und Viktor Tischler angehört. Unklar ist, inwiefern es ein Naheverhältnis zu dem von deutschen Emigranten gegründeten „Kollektiv Deutscher Künstler“, das später in „Deutscher Künstlerbund“ umbenannt wurde, gegeben hat. Im April 1938 soll es beim „Deutschen Künstlerbund“ jedenfalls zu einer erneuten Namensänderung in „Freier Künstlerbund“ gekommen sein, um auch die „österreichischen und tschechoslowakischen Künstler einbeziehen zu können“ (Frank 1985  ; Reinhold 2008).



Zu Any (auch Anny) Levy-Gutmann, die höchstwahrscheinlich aus Wien stammte, konnte bisher nur eruiert werden, dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits seit Längerem mit HT bekannt gewesen war (WStLB, Handschriftensammlung, I. N. 219.296, Hans Tietze an Josef Floch).



Die „Exposition d’Art Autrichien“ fand von Mai bis Juni 1937 (Eröffnung 30.4.) im Musée du Jeu de Paume des Tuileries statt und gilt bis heute als wichtiges kulturpolitisches Projekt des Austrofaschismus. Wie Reinhold ausführt, scheint die Initiative, eine Über-

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blicksdarstellung österreichischer Kunst in Paris zusammenzubringen, ursprünglich von HT ausgegangen zu sein. HT sei, so Reinhold, ein „(erfolgloser) Spiritus Rector“ der Ausstellung gewesen, denn er habe bereits 1930 bei Henri Verne, dem Direktor des Louvre, ein Ausstellungsprojekt mit dem Titel „Wiener Kunst mit Werken der Malerei, der Skulptur und [der] dekorativen Künst[e] des Barock, des Biedermeier und der Gegenwart“ angeregt (Reinhold 2008, 308). Gut möglich, dass dieser Vorstoß HTs 1930 noch im Rahmen der GFMK (Auflösung 1933) unternommen worden war. 1937/38 konnten Stix, Haberditzl und Buschbeck – als ehemalige Vorstandsmitglieder der GFMK – auf die damals geleisteten Vorarbeiten zurückgreifen. Vier Jahre später, also während der Ständestaatdiktatur in Österreich, sind einem Brief HTs an Floch wesentlich kritischere Töne zu einem derartigen Ausstellungsvorhaben in Paris zu entnehmen  : „Was speziell die Ausstellung in Paris anbelangt, so habe ich nach wie vor gegen ein solches Unternehmen vor allem Bedenken, daß eine solche Ausstellung im gegenwärtigen Augenblick nichts für die Pariser Interessantes bieten könnte. Daß Sie und andere in Paris lebende Österreicher, unter der Patronanz des Staates Oe. auftretend, dort einen Erfolg und Vorteil haben könnten, gebe ich zu  ; aber brauchen Sie dazu einen solchen Apparat  ? Dieser kann entweder aus der üblichen Waldmüllerei bis Klimt inkl. bestehen, was ich mir auch noch nicht sensationell vorstelle[,] oder aber aus Werken lebender Künstler, die entweder ganz offiziell zustandegebracht werden und dann entsetzlich sind, oder aber von einem verantwortlichen Fachmann ausgewählt werden, der wie die Verhältnisse heute sind, dem Druck nicht entgehen wird, allerhand provinzielle und wienerische Mediokritäten mitzunehmen. Aber selbst wenn er tun könnte, was er wollte, was hätte er denn zu zeigen  ?  ! O. K. [Oskar Kokoschka] befindet sich augenblicklich in einer solchen Krise, aus der ein Verfall oder eine Altersreife werden kann, daß seine Arbeiten wohl für Kenner seiner Kunst interessant, aber für Außenstehende kaum sehr wesentlich sind. Böckl, Wiegele – abgesehen davon[,] wie Sie persönlich zur Kunst dieser Maler stehen – glauben Sie wirklich, daß diese das Rückgrat einer Ausstellung für Paris bilden können  ? […] Selbstverständlich tue ich alles, was Sie und Ihre Freunde für nützlich halten, aber zu einem Jahrmarkt provinzieller Erzeugnisse wird man mich hier in Wien weder heranziehen, noch möchte ich damit zu tun haben.“ (WStLB, Handschriftensammlung, I. N. 219.296, Hans Tietze an Josef Floch, 5.4.1935.)



Zur Ausstellung notierte Floch in sein Tagebuch  : „Die mod. Öst. Malerei hört 1913 auf, kathastrophaler [sic  !] Stillstand mit elendem Epigonentum. Wien eine Stadt voll Talent, ohne durchzuhalten, gleichzeitig größenwahnsinnig.“ (Pallauf 2000, 52.)



Die Oberaufsicht über die Ausstellung lag in Händen des ersten Direktors des KHM, Alfred Stix, ehemals Direktor der Albertina und während der frühen 1920er-Jahre engster Verbündeter HTs bei der Museumsreform. Mittlerweile hatte sich Stix zu einem Exponenten des autoritären Regimes entwickelt. Stix gehörte auch zu den persönlichen Förderern des Malers „Mopp“ (Max Oppenheimer)  ; 1924 war von Stix, damals Direktor der Albertina, „Das Graphische Werk von Max Oppenheimer Mopp“ erschienen. Franz Martin Haberditzl, einer der anerkanntesten Kenner zeitgenössischer österreichischer Kunst, war aufgrund einer schweren körperlichen Behinderung nicht in der Lage, selbst an der Ausstellung teilzunehmen. 59

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20 Otto Kurz, der hier mit einem Guercino-begeisterten Engländer durch den Louvre eilte, gehörte zu den lebenslangen Freunden der Tietzes. Er und seine Frau Hilde (geb. Schüller) sind Verfasser der Tietze’schen Bibliografie (O. Kurz/H. Kurz 1958). An der Wiener Universität hatten beide bei Julius von Schlosser studiert, dem sich Otto Kurz lebenslang dankbar verbunden fühlte. 1934 hatte Kurz gemeinsam mit Ernst Kris die Studie „Die Legende vom Künstler, Ein geschichtlicher Versuch“ herausgebracht (Kris/Kurz 1934). Nachdem er in der Wiener Universitätsbibliothek von Nazis zusammengeschlagen worden war und in Wien auch kein berufliches Fortkommen für sich sah, wechselte er an die Bibliothek des Warburg-Instituts, deren Leiter er später wurde (mehr zu Kurz bei Perloff 2004  ; Wendland 1999a, 399–404  ; Otto Kurz, Dictionary of Art Historians).

Giovanni Francesco Barbieri, genannt „il Guercino“ („der Schieler“).



Der Abschnitt über die Zeichnung „Tizian“ konnte nicht geklärt werden.

21 Cremerie – Feinkostladen mit großem Sortiment an Käsen.

Nach dem Tod von Edmond James de Rothschild im Jahr 1934 gingen Teile seiner Sammlung (Drucke sowie Zeichnungen bis zum Ende des 17. Jahrhunderts) an den Louvre.



Chantilly – Gemeinde nördlich von Paris/Picardie.

22 „Das Kind krank“ – es handelte sich um die 1935 geborene Tochter von Josef und Mimi Floch, Jenny Eva.

Tietzes waren spätestens seit HTs Zeit im Ministerium mit dem niederländischen Kunstgelehrten und Sammler Frits Lugt bekannt. Lugt hatte damals auf dem Tauschweg ebenfalls Dubletten aus der Albertina erworben (ÖStA, AVA, BMU, 15 Museen, Albertina, fasc. 3159, Nr. 15157, 15.9.1923). 1921 erschien Lugts noch heute grundlegendes Verzeichnis von Sammlerzeichen (Lugt 1921  ; Lugt 1956). Ab 1938 publizierte Lugt seine Sammlung von Auktionskatalogen („Répertoire des catalogues de ventes publiques intéressant l’art ou la curiosité“, 4 Bde.), die über 100.000 Exemplare aus einem Zeitraum von 1600 bis 1925 umfasste (Lugt’s Répertoire Online, Frits Lugt [1884–1970], The Répertoire).



Manuskripte, Drucke, Architektur- und Altmeisterzeichnungen – Legate der Familie Masson an die École des Beaux-Arts, Paris (Beaux-Arts de Paris, l’école nationale supérieure, La Collection).

23 Nachdem 1577 die Säle des Maggior Consiglio und des Scrutinio im Dogenpalast ausgebrannt waren, kam es zu einer Neugestaltung  : Für das große Gemälde ging der Auftrag anfänglich an Veronese und Francesco Bassano  ; da aber der Plan vor Veroneses Tod (1588) nicht mehr ausgeführt werden konnte, übertrug man den Auftrag schließlich Tintoretto. „[…] es wird immer klarer, daß[,] einer venezianischen Gepflogenheit entsprechend, eine Konkurrenz ausgeschrieben war, an der sich Veronese, Francesco Bassano, Palma Giovane beteiligten und gewiß auch Tintoretto, der bei dem Wettkampf um den ganz ungewöhnlichen Auftrag nicht beiseite gestanden haben wird, dessen Skizze im Louvre […] offenbar in dieses frühe Stadium der Vorgeschichte gehört und nicht erst in die Zeit unmittelbar vor der Ausführung des großen Gemäldes.“ (Hadeln 1919, 122.) 60

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Fritz Wotruba erhielt 1934 den Auftrag zur Gestaltung eines Denkmals für Gustav Mahler. Er fertigte zwölf Modelle an, die im Juli 1936 in der Neuen Galerie in Wien der Öffentlichkeit präsentiert und wohlwollend aufgenommen wurden. Der Standort für das Monument war zu diesem Zeitpunkt bereits aus der Wiener Innenstadt in einen Außenbezirk verlegt worden. Dann wurde das geplante Denkmal stark verkleinert und kam schließlich überhaupt nicht zur Ausführung (Fritz Wotruba Privatstiftung, HP  ; N. N. 12.7.1936). Oliver Hilmes sieht hinter den Vorgängen eine Intrige Alma Mahlers, die – von Wotruba in Liebesavancen zurückgewiesen – ihr ergebene Persönlichkeiten dazu angehalten habe, den Bau des Denkmals in dieser Form zu verhindern. Wotrubas schließlich erfolgte Klage wurde auch im Revisionsverfahren abgewiesen (Hilmes 2004, 279–280). HT bzw. die GFMK hatten zu den frühen Förderern Wotrubas gehört.

24 École des Beaux-Arts, heute École nationale supérieure des Beaux-Arts de Paris (ENSBA).

In dem als „eklektisch“ bezeichneten Stil Annibale Carraccis werden verschieden Einflüsse festgemacht, unter anderem von venezianischen Malern wie Tizian und Tintoretto.

25 Trotz intensiver Recherche konnte zu Dr. Max Edel nur wenig herausgefunden werden. Dies ist umso bedauerlicher, als Edel Ende der 1930er-Jahre zum engeren Bekanntenkreis der Tietzes in Paris zählte. Der 1906 in Wien geborene Edel, der in Paris eine Ausbildung zum Bildhauer absolvierte, war 1932 zum Mediziner promoviert worden und daher möglicherweise ursprünglich ein Studienfreund von Christoph oder Trude Tietze gewesen. 26 Tizian, Porträt Franz’ I., 1539, Louvre, Paris.

Ausstellung „Degas“, Musée de l’Orangerie des Tuileries, Paris, März–Mai 1937.



Max Oppenheimers Künstlersignatur entwickelte sich aus M. Oppenheimer zu M. OP, weiter zu M.OPP und schließlich zu MOPP (Weibel 1976b+, 143).



ETCs kritische Einstellung gegenüber MOPP ging vermutlich noch auf jene Zeit zurück, als man dem Maler vorgeworfen hatte, Oskar Kokoschkas Stil zu plagiieren (vgl. dazu Kokoschka/Spielmann 1984).



Max Oppenheimer, Porträt des Wiener Textilfabrikanten Bernhard Altmann.

Haberditzl war bereits seit Jahrzehnten aufgrund einer schweren rheumatischen Erkrankung fast gänzlich immobil. 27 Molière, L’École des femmes (Die Schule der Frauen), Théâtre de l’Athénée, Regie und Hauptrolle   Louis Jouvet. Die Ausstattung stammte vom Maler und Designer Christian Bérard. 28 Das österreichische Malerpaar Gottfried Goebel und Greta Freist war 1936 nach Paris ausgewandert, da beide die „Auseinandersetzung mit den avanciertesten Formen der Kunst der Anerkennung in Österreich vorzogen“ (Forsthuber/Plakolm 1991, o. S.). 29 Der Maler Willy Eisenschitz lebte bereits seit 1912 in Frankreich. Er war mit der Malerin Claire Bertrand verheiratet. Die Kinder der Tietzes und des Ehepaars Bertrand-Eisen61

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schitz waren ungefähr gleich alt. Als sie noch zur Schule gegangen waren, hatte während der Ferien ein wechselseitiger Austausch stattgefunden. Sohn Anderl malte gerne, und Tietzes wussten eine künstlerische Umgebung für ihre Kinder zu schätzen. Tochter Linette Eisenschitz wurde ebenfalls Malerin. David Eisenschitz schloss sich der Résistance an und wurde 1944 deportiert (Willy Eisenschitz, HP).

Hans Pernter – von 1936 bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten Bundesminister für Unterricht in der Regierung Schuschnigg.



Father Divine, recte George Baker – „one of the most flamboyant leaders of the Depression era. […] Father Divine’s teachings were codified in 1936 in the ,Righteous Government Platform‘, which called for an end to segregation, lynching, and capital punishment. Movement members refrain from using tobacco, alcohol, narcotics, and vulgar language, and they are celibate. Moreover, members attempt to embody virtue, honesty, and truth.“ (Father Divine, Encyclopaedia Britannica)

30 Der in London geborene Kunsthistoriker u. Sammler (Graf ) Antoine Seilern stammte aus einer altösterreichischen Familie. Ludwig Burchard war Spezialist für den Flamen Rubens.

Das Atelier von Josef Floch in Paris befand sich in der Straße „Villa Brune“, Hausnr. 7.



Bei dem von „allen Künstlern gemalten“ Modell handelte es sich um die exzentrische Sängerin und Schauspielerin Suzy Solidor.



Chantilly – Musée Condé, ehemals erzherzogliche Privatsammlung.

31 André Dunoyer de Segonzac, L’œuvre gravé, dessins, aquarelles, Préface de Claude RogerMarx, Paris 1937. 32 „Pferde von Marly“ – Bronzeskulptur von Guillaume Coustou (1677–1746) am Beginn der Champs-Élysées (Originale im Louvre). 33 Zu den biografischen Daten des (möglicherweise aus Deutschland stammenden) Grafikspezialisten André Linzeler („our friend André Linzeler“ [Tietze/Tietze-Conrat 1944, 47]) konnte nichts ausfindig gemacht werden. Zu Liesbeth Askonas siehe TB 1938/1, erster Eintrag „Basel“, 25.2.

„Virgile, Les Géorgiques“, mit Radierungen von André Dunoyer de Segonzac, Paris 1944/47. Erstmals umfassend ausgestellt wurden diese herausragenden Radierungen zu Vergils Lehrgedicht über den Landbau 1948 in der Galerie Charpentier in Paris.



„[…] his [Segonzac’s] mother, Marie-Amélie, was the granddaughter of Jean-Charles Persin, a cabinet minister under Louis Philippe, who was made famous by Daumier’s caricatures of him.“ (Distel 1980, 8.)



Seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten sich zahlreiche Galerien in der Rue Laffitte im 9. Pariser Arrondissement angesiedelt.

34 Lilly Steiner, Selbstbildnis, 1937, Belvedere, Wien. 62

Reinhold verweist auf ein Schreiben im Archiv des KHM, laut dem Lilly Steiner die Ab-

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hängung ihres Gemäldes wegen der „unpassenden Nachbarschaft zu Zülow“ verlangt hat (Reinhold 2008, Anm. 57, 317  ; zur Ausstellung siehe außerdem Westheim 1937). 35 Académie P. Ranson, gegründet 1908, seit 1901 unter der Leitung der Bildhauerin und ehemaligen Schülerin des Instituts Harriet von Tschudi Cérésole (1894–  ?). Edgar Degas, Die Büglerinnen, 1884–1886, Musée d’Orsay, Paris. ETCs Enkeltochter erinnerte sich im Gespräch mit der Herausgeberin daran, als Kind mit der Großmutter dieses Modell Degas’ in London besucht und sogar bei ihr logiert zu haben. Der Name der Frau konnte nicht mit Sicherheit eruiert werden. Als einziger Hinweis fand sich im Internet, und zwar tatsächlich im Zusammenhang mit der Académie Ranson, folgendes  : „Concetta, ancien modèle de Degas pour Les repasseuses et de Rodin pour Le Baiser, veille à sa bonne tenue.“ (Académie Ranson, Wikipedia.) 36 Palais du Luxembourg, 17. Jh.

Notre-Dame d’Amiens, größte Kathedrale Frankreichs, 13. Jh.



Musée de (la) Picardie, Amiens.



Alvise Vivarini, Santa Conversazione, 1500, Musée de Picardie, Amiens. „In spite of Mr. Berenson’s efforts to make Alvise Vivarini’s well circumscribed figure Giovanni Bellini’s counterpart, the artist has remained somewhat hybrid. He remains so perhaps less as far as the attribution of individual paintings goes, than for the whole individuality which should show through all sorts of production.“ (Tietze/Tietze-Conrat 1944, 363  ; siehe auch Berenson 1901.)

37 1924 hatte Hermann Loeb (TB 1937/1, 24.4.) das auf Kunstdrucke und grafische Mappenwerke spezialisierte Traditionsunternehmen „Galerie F.  A.  C. Prestel“ in Frankfurt übernommen und in „Prestel Verlag“ umbenannt.

Lille war von Oktober 1914 bis Oktober 1918 von deutschen Truppen besetzt. Kunstschätze aus französischen Sammlungen wurden während des Krieges von deutschen Besatzern erfasst und verlagert. Für die Überführung der Kunstwerke aus dem Museum von Lille nach Valencienne, wo sie gesammelt ausgestellt wurden, war neben Adolf Feulner und Detlev von Hadeln  – Letzterer dürfte auch mit „Vanadelle“ gemeint gewesen sein (dazu passend HTs Wortspiel „Hadeln“ und „Hudeln“, wienerisch für „übereiltes Handeln“)  – unter anderem auch Hermann Burg verantwortlich. „In Valencienne wurde seit dem Frühjahr 1917 das Bergungsmuseum, das größte Kunstdepot des Kriegsschauplatzes, nach Instandsetzung des ausgedehnten Gebäudes errichtet, das durch Sendungen aus den Nachbararmeen mitgespeist wurde.“ (Burg 1920, 22  ; Demmler 1918.) „Die Trennlinie zwischen Kunstschutzmaßnahme, einer Beschlagnahmung von Faustpfändern und reiner Plünderung ist im nachhinein schwer zu ziehen.“ (Kott 1998.) Der Kunsthistoriker Feulner widmete – wie Burg und manch anderes Mitglied des militärischen Kunstschutzes – seinem Einsatzgebiet eine kunsthistorische Arbeit (Feulner 1918).

Ménilmontant, Regie   René Guissart (1888–1960), Frankreich 1936.

Der Besuch des Malers Dunoyer de Segonzac und dessen Freundin, der Schauspielerin 63

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Thérèse Dorny, bei Tietzes in der Armbrustergasse dürfte im Sommer 1936 stattgefunden haben. Hinweise auf den „französischen Besuch“ finden sich in einem Schreiben ETCs an ihre Schwester Lili vom 19.8.1936 (Privatarchiv Kristin Matschiner). 38 Legende der angelsächsischen Adeligen Lady Godiva (Godgifu), 11. Jh.

Ein „umgekehrter Christophorus“, d. h. einer, der auf eine Stichvorlage zurückgeht. Zu Christophorus-Darstellungen siehe u. a. Tietze-Conrat 1924m. Auf ein Abbild des Schutzheiligen zu blicken, soll vor einem „bösen Tod“ bewahren (Christophorus, Ökumenisches Heiligenlexikon).

39 Lille – Place de la République, Palais des Beaux-Arts mit dem Musée des Beaux-Arts. 40 Die Pappel, franz. peuplier, m.

Bergues – Städtchen in flämischer Bauweise, Belfried (14./16. Jh.), Rathaus (17. Jh.) mit Gemäldegalerie.



Vermutlich Tassaert – flämische Künstlerfamilie.

41 Die Verhaftung Burgls stand möglicherweise im Zusammenhang mit den  – illegalen  – Pro­testen zum 1. Mai 1937, an denen sie sich als Aktivistin der Kommunistischen Partei (KPÖ) beteiligt hatte. „Neben der zunehmenden Einschränkung der Pressefreiheit wurde auch das Versammlungs- und Demonstrationsrecht immer stärker eingeengt, wie insbesondere im Verbot der traditionellen 1.-Mai-Feier der Sozialdemokratie 1933 zum Ausdruck kam.“ (Neugebauer 2005, 298–299.) Bereits 1933 waren außerdem die KPÖ (26.5.1932) und die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP, 20.6.1933) sowie andere politische Organisationen verboten worden (Neugebauer 2005). Schon während ihrer Mittelschulzeit hatte Burgl – damals noch als Mitglied der sozialistischen Jugendorganisation „Rote Falken“ – nach Protesten gegen die Politik des autoritären Ständestaatregimes eine mehrwöchige Haftstrafe verbüßen müssen (Tonbandprotokoll eines Gesprächs mit Walburg Rusch aus dem Jahr 2006 im privaten Archiv der Herausgeberin). 42 Brüssel – Musées royaux des Beaux-Arts de Belgique.

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Giuseppe Maria Crespi, Blendung Polymnestors durch die Trojanerinnen, 1700–1705, Musée royaux des Beaux-Arts de Belgique, Brüssel.



Bernard van Orley, De la vertu de Patience (Hiobsaltar), 1521, Musée royaux des BeauxArts de Belgique, Brüssel.



Der Bildhauer Van der Stappen war Lehrer Ilse Conrats gewesen, die in Begleitung ihrer Großmutter nach der Jahrhundertwende nach Brüssel gezogen war, um an der dortigen Akademie Bildhauerei zu studieren. Anlässlich seiner Ausstellung in der Wiener Secession hatte Van der Stappen gleich mehrere Wochen als Gast bei Familie Conrat verbracht. „Wir feierten ihm zu Ehren Feste, aber seine Stimmung wurde immer trüber, denn wie gewöhnlich in einer Ausstellung, die nicht sehr konventionell war, wurde

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nichts gekauft“, erinnerte sich ETC in ihrem autobiografischen Bericht (Tietze-Conrat unveröff./a, 11–12).

„Die Prestelmappe“ – Leo van Puyvelde (Hrsg.), Meisterzeichnungen aus den Königlich Belgischen Museen der Schönen Künste zu Brüssel, Flämische und holländische Meister, Frankfurt am Main 1937.

43 „Bruges-la-Morte“  – symbolistischer Roman des belgischen Autors George Rodenbach (1855–1898). Rodenbachs Roman inspirierte den belgischen Maler Fernand Khnopff (1858–1921), den die junge Erica Conrat in Wien kennengelernt hatte, zu einer Serie von Zeichnungen. Der Wiener Komponist Erich Wolfgang Korngold (1897–1957) nahm das Buch 1920 als Vorlage für seine Oper „Die tote Stadt“ (Pudles 1992).

Das „Memling in Sint-Jan – Hospitaalmuseum“ und das „Groeningemuseum“ (Städtisches Museum) im Zentrum von Brügge.



Michelangelo, Madonna mit Kind, Marmorstatue, 1501–1504, Frauenkirche (Onze-LieveVrouwekerk), Brügge.

Hieronymus Bosch, Kreuztragung (Verspottung Christi), 1510–1516, Museum voor Schone Kunsten, Gent. 44 Ernst Alexander Goldschmidts Verlag war die „Éditions de la Connaissance“, Brüssel (The Butler merchant family of La Rochelle, HP). Um welche Publikation zu Bosch es sich handelte, konnte nicht eruiert werden.

Jenes „Gastmahl der Esther“ von Rembrandt scheint heute nicht in den Sammlungen des Rijksmuseums auf.

45 Jan van Eyck/Hubert van Eyck (?), Genter Altar  – Anbetung des Lamms, 1432 Weihe, Taufkapelle der St. Bavo-Kathedrale, Gent. Die Tafel auf der Festtagsseite des Altars, die „Gerechten Richter“ darstellend, ist seit dem Diebstahl 1934 nicht aufgefunden worden, „da der Dieb das Geheimnis mit ins Grab nahm. Die Rückseite der Tafel, die Grisaille-Darstellung Johannes des Täufers, hat der Dieb in einem Gepäckdepot aufbewahrt und dessen Nummer den Behörden mitgeteilt. Sie konnte also gerettet werden. Von den ,Gerechten Richtern‘ wurde in den Jahren 1943/44 eine Kopie angefertigt, die jetzt in St. Bavo das Original vertritt.“ (Schneider 1986, 107.) 46 Marten de Vos zog nach Beendigung seiner Lehrzeit nach Italien, wo er sich vor allem Tintoretto anschloss. Marten de Vos, Saint Paul a Éphése (Der Heilige Paulus in Ephesos), 1568, Musées royaux des Beaux-Arts, Brussel. „Beau coloris  ; des gris et des bleus y trahissent l’influence du Tintoret.“ (Bautier 1932.) 47 Vous n’avez rien à déclarer  ?, Regie  : Léo Joannon (1904–1969), Frankreich 1936.

Dr. phil. et ius. Hermann Burg studierte Kunstgeschichte in Wien und promovierte 1912 bei Max Dvořák zum Thema „Der Bildhauer Franz Anton Zauner und seine Zeit“ (Burg 1912). Im Ersten Weltkrieg war er an der Westfront ebenfalls als „Kunstschutzoffizier“ im 65

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Einsatz und hatte dazu Erinnerungen publiziert, siehe Burg 1920. Weiters konnten folgende Daten zu Hermann Burg erhoben werden  : 1928  : Galerie Dr. Burg, Dr. Hermann Burg, Köln, Domhof 8, Gemälde alter Meister, Antike und mittelalterliche Skulpturen (Falke/Mayer 1928). 1929  : Dr. Burg & Co. G.M.B.H, Kunstwerke früherer Epochen, Gemälde alter Meister, Berlin W9, Friedrich-Ebert-Straße 5 (Falke/Mayer 1929). Berliner Telefonbuch 1933, E. T. 3964. 1937  : London mit Franz Drey. Haarlem, Zoune Laan 13 (Korrespondenz Tietze). Nachruf  : Dr. Hermann Burg (N. N. 1946). Eine Besprechung Lavalleqcs von HTs/ETCs Dürerband II/1 konnte nicht gefunden werden. Zu Winkler siehe TB 1937/1, 24.4.

Plantin-Moretus-Museum, Antwerpen (Anvers). 48 Mademoiselle Docteur, Regie   Georg Wilhelm Pabst, Frankreich 1937.

Die Glasfabrikate erinnerten ETC möglicherweise an die Erzeugnisse ihres Freundes Fritz Lampl und seiner Glaswerkstätte Bimini (siehe TB 1923, 29.12.) in Wien.



Sammlung de Grez – 1913 im Königlichen Museum der Schönen Künste, Brüssel.



„In Exchange“ – auch Dr. Felix und Dr. Hertha Tietze mit ihren beiden Kindern Hanki (Rick) und Margarethe nahmen Logiergäste sowie Austauschschüler bei sich auf.



Am 12.5.1937 fand in London die Krönung König Georgs VI. statt.

49 „Zus“ – Spitzname von Elisabeth Goldschmidt, der Ehefrau Ernst Alexanders und Zwillingsschwester von Ary Bob de Vries (The Butler merchant family of La Rochelle, HP).

Der Maler Carl Moll war einer der ersten Bauherren jener ursprünglich als Künstler-, später als Villenkolonie geplanten Siedlung auf der Hohen Warte (19. Wiener Gemeindebezirk). Moll ließ sich von Josef Hoffmann auf der Hohen Warte gleich zwei Häuser errichten (Haus Moll I, Wien 19, Steinfeldgasse 8, 1900/01  ; Haus Moll II, Wien 19, Wollergasse 10, 1905–1907), siehe dazu Kristan 2004.



Das Palais Stoclet in Brüssel war von Hoffmann als Gesamtkunstwerk konzipiert und zwischen 1905 und 1911 errichtet worden. Die Ausführung lag bei den Künstlern und Handwerkern der Wiener Werkstätte. „Man betritt den Speisesaal entweder von der Halle oder vom Frühstücksraum. An der Schmalseite, in der Längsachse des Raumes, befindet sich das 1 Meter breite Mosaik mit dem ,Ritter‘  ; an beiden Längsseiten über den Buffetschränken, genau gegenüberliegend, die beiden mehrteiligen 7 Meter breiten und 2 Meter hohen […] Klimtschen Mosaiktafeln […]   Rechts die ,Erwartung‘ mit der Tänzerin, links die ,Erfüllung‘ mit dem Liebespaar.“ (Kurrent/Strobl 1991, 22.) „The Stoclet’s collection, destined to be displayed near the dining room where the Frieze was to be mounted, no doubt influenced Klimt’s design and even choice of materials, which included enamel, ceramic, and semi-precious stones.“ (Warlick 1992, 119.)



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50 R’dam – Rotterdam.

Unbekannter Nürnberger Künstler, Paradiesvogel in Vorder- und Rückansicht, um 1550, Graphische Sammlungen Friedrich-Alexander-Universität, Erlangen-Nürnberg.

51 Essen – Gemeinde in der Provinz Antwerpen, Belgien. 52 Zum „Rätsel“ Palma-Giorgione-Fresko im Palazzo Vendramin siehe TB 1937/1, 19.4.; TB 1937/3, 14.7., 17.7.; TB 1938/1, erster Eintrag „Basel“.

In den frühen 1920er-Jahren hatte der deutsche Bankier Franz Koenigs damit begonnen, neben seiner Gemäldesammlung eine Kollektion von Altmeisterzeichnungen, die schließlich rund 2.670 Stück umfassen sollte, zusammenzutragen. Zum Zeitpunkt des Besuchs der Tietzes befanden sich die Zeichnungen bereits nicht mehr beim Sammler, sondern im Boijmans Museum, Rotterdam. Zur Sammlung Koenigs siehe TB 1938/1, 26.2.

Herminchen – Tochter von Hermann Burg, persönliche Daten sind nicht bekannt.





Klar ist, dass Tietzes aufgrund der vielen willkürlichen Rechtsabänderungen und tendenziösen Urteile ein starkes Gefühl der Rechtsunsicherheit haben mussten. Erst im Jahr zuvor war bei den sogenannten „Sozialistenprozessen“ gegen führende Funktionäre der Revolutionären Sozialisten von der Staatsanwaltschaft die Todesstrafe beantragt worden (Neugebauer 2005, 306). „Während illegal tätige Nationalsozialisten bei sympathisierenden Richtern auf Nachsicht rechnen konnten, wurde bei sozialistischen und kommunistischen Angeklagten der Strafrahmen meist ausgeschöpft.“ (Neugebauer 2005, 308.) Burgl war zwar keine „führende Funktionärin“ der KPÖ, aber doch immerhin nach dem Verbot der Partei für diese im Untergrund tätig. Für die Eltern muss selbst eine „milde“ Kerkerstrafe eine schreckliche Aussicht gewesen sein. Tintoretto, Allegorie des Frühlings und des Sommers, 1575–1585, Carnegie Museum of Art, Pittsburgh. Teile der Sammlung Wilhelm Ofenheim befanden sich in Wien bzw. in Schloss Jaispitz ( Jevišovice, Tschechische Republik). 1932, nach dem Tod Ofenheims, gelangten Objekte der Sammlung über die Nederlandsche Standaard Bank, deren Gründer und Teilhaber Ofenheim gewesen war, ans Rijksmuseum in Amsterdam (Museo Poldi Pezzoli, Milano, „Omaggio a Beato Angelico“).

53 Raimond van Marle, International Studio, Nr. 96, 1930.

„Landscape with three shepherds – one playing the flute, and moving toward the r. […] The composition occurs in a contemporary Venetian woodcut.“ Ein „umgekehrter“, also gegensinnig wiedergegebener „Flötenspieler“ (vgl. dazu Tietze/Tietze-Conrat 1944, Nr. 1974–79, 326–327).

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2. Büchel 18.V.1937 Der gestrige Nachmittag noch immer pfingstlich, viel schönes Wetter – endlich  ! Erst im Garten Siesta, ich auf einer aufgeblasenen Gummimatratze. Dann mit dem Wagen durchs „Haarlemer Meer“ (vor bald 3 Generationen schon ausgepoldert) mit einem neogotischen Pumpwerk am Rande, das d. Entwässerung besorgt hat u. einem Kanal ringsum, der viel höher liegt als d. „Meer“ selbst. Das ist nun wieder sehr merkwürdig. Besonders, wenn man Segelboote weit weg auf dem Kanal fahren sieht hoch oben  ! u. man selbst auf d. tiefergelegenen Poldergrund steht …1 Dann Gärtnerorte entlang, die Häuschen eine Gehstunde lang einen Kanal entlang, jedes mit einem aufziehbaren Steg über den Kanal mit d. anderen Ufer verbunden. Schließlich ein Spaziergang in Nordwijck, ich glaub demselben Seebad, wo ich seinerzeit (1920) mit Anderl d. Pfingsttage als Gäste Abb. 16  : Carla – Jonkvrouwe Caroline Henriëtte de Carlas u. Minnys verlebt. Ich habe ein paar Muscheln Jonge, 1960er-Jahre. aufgehoben des Bückens wegen, das nach d. langen Autofahren Bedürfnis ist. –2 Heute war wieder ein Arbeitsmorgen  : bei Lugt, d. h. mit Lugt in einem Kellerraum d. Ackerbauministeriums (Den Haag), wo er provisor[isch] seine Blätter deponiert hat. Wir sahen kaum mehr an als uns anging, aber das war schon unglaublich viel u. sehenswert. Es wird uns bißchen Angst vor dieser Arbeit, die wir auf uns genommen haben. Das Technische allein ist ein Problem …3 19. [Mai] Das Mauritshuis – das wir zwischen Lugt u. d. neuen Institut einschalteten – ist noch immer allererste Klasse. Die großen Eindrücke – Rembrandt  ! – wirken noch wie ehemals, sie sind auf tiefste Menschlichkeit basiert, die wohl ein Leben lang unveränderlich oder kaum messbar veränderlich bleibt. Die kleinen Meister geben ihr bestes u. das ist so viel, daß es ihnen an weniger hohen Stellen – ich meine, in anderen Museen oder gar im Handel – zu höheren Namen verholfen hatte …4 Im ehemal[igen] Städt[ischen] Mus[eum] ist jetzt d. neue Instit[ut] eingerich­ tet  ; Schneider vom Mauritshuis ist d. Leiter, der aus eigener Tasche Dr Gerson (Koninck-Buch), einen deutsch[en] Emigranten zahlt. Es ist eine Witt-Library für Holländer, verbunden mit einem Bilderkatal[og] in weitestem Sinn. Kern d. Insti­ 69

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t[uts] die Verlassensch[aft] von Hof­st[ede] d. Groots allem Ausgezettel. Dazu kam Lugts Bibliothek u. Samml[ung] d. Auktionskataloge. Jetzt wird alles mit Hilfe von freiwilligen Helferinnen auf- u. ineinandergearbeitet. Wir haben alles betrachtet, Stichproben gemacht u. schließl[ich] mit Lugt seine vene­z ia­n [ischen] Zeichnungenmappen in Photo durchgesehen, die uns einen Vorgeschmack gaben, welche Art von Arbeit uns bei Sir Witt erwartet. Das Wetter hielt sich leicht feucht bis heute  ; für heute sind Niederschläge vorausgesagt u. zu erwarten. Herr D r Burg fährt heute abends nach London, letzte Hand an den neuen „Laden“ legen, den Burgs mit Drey in St. James’ 32 einrichten. Er fährt erst im Juni nach. Er ist ein wenig schlapp, zu kleiner Blutdruck, sehr leicht müde …5 Wir fahren jetzt gleich, nach d. Frühstück, nach R’dam … Abb. 17  : Erica Tietze-Conrats „Kunst in Holland“. Dort erst ins Museum, wo wir uns wieder in d. Kö­ nigs’­schen Z[eichnung]en stürzen. Diesmal Tintoretto ohne Ende – fast ohne Ende, schließlich doch zu Ende  ! Dann noch d. Nachtrag der dem Greco zuschrieb[enen] Serie, auf die wir schon durch eine Kreuzannagelung bei Lugt vorbereitet waren. Mitten drin kam Hannema uns holen, um mit ihm zu lunchen. Er brachte uns im Taxi in sein Haus, das ein venezian[isch] geschulter Architekt des vergangenen J[ahr]h[undert]s mit ganz unholländischer Weiträumigkeit gebaut hat. Aus einem mehrteiligen venez[ianischen] Palazzofenster sah man auch auf einen Canal Grande – Maas – hinaus, auf dem sehr unvenezianische Schiffe fuhren. Gleich nach Tisch ein paar Schritte zum Haus van Beuningen, Besitzer verreist, großes holländ[isches] Reinemachen, die Bilder dementsprechend zumeist von d. Wänden genommen u. in nächster Nähe besehbar. Viel sehr gutes, unter das wohl auch d. Tizian „Knabe mit Hunden“ zu zählen. Der Breughelsche „Babelturm“ den Glück unlängst publiziert hat, wirkte in d. Farbe nicht angenehm, der litt unter seinem Milieu – sonst sehr schön. Luc[as] v[an] Leyden (Susanne v[or] d[em] Richter, abge­ b[ildet] Friedländer), Gossart (Hermaphrodit), ein interessantes Törichte Jungfrauen (Tintorettoschule) u. niederländ[isch]-venezian[ische] Anbetung d. Könige (dort Veronese genannt) von denen beiden wir d. Photos erbaten. So viele Bilder aus S[amm]­ l[un]g Auspitz, von dort auch kleine Bronzen u. dergl[eichen]. Dann wieder ins Museum, wo wir fortsetzten u. dann zum Schluß noch so viele neue Mappen vorgestellt bekamen, daß wir doch einmal wiederkommen müssen. Auch haben wir d. Museum noch gar nicht gesehen  ! Hannema, der nach d. Haag wollte, nahm uns wieder mit d. 70

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Taxi zur Bahn. Die starke Abspannung hat sich nach d. Abendessen auf einem langen Spaziergang durchs Grüne, durch Villenstraßen u. Felder, an d. Spaarne wieder gegeben. –6 21. [Mai] Dopo lavoro (Gestern nicht zum Schreiben gekommen  !) Gestern Ausflug nach A’dam, wo wir zuerst zu Van Regteren Altena gingen, eine Himmelsleiter für wirklich Tugendhafte hinauf, so steil war es (Vossiusstraat). Die Z[eichnung]en kunsthist[orisch] interessant, er versprach Photos für ein Gegengeschenk eines Separatums. Ein langer zarter Mensch mit einem schüchternen Bauernknabengesicht, intelligent u. feinfühlig …7 Wir holten dann Bob de Vriis im Rijksmus[eum] ab, meldeten uns bei […], der aber schon zum Kaffeetrinken weg war u. fuhren nach A’dam Sud, wo de Vries eine Etagenwohnung hat  : Jeder in der Siedlung Abb. 18  : Sir Robert Witt, 1930. hat eine eigene Treppe, die Zimmer sind klein u. angenehm eingerichtet, die junge Frau (eine Baronesse Günzburg), eine Russin, die als 8jähr[ige] mit d. ganzen Familie über d. Grenze geflohen ist (von d. 13 Reserveoffizieren, die von d. Bolschew[iken] gefangen wurden, ist ihr Vater als einziger nicht erschossen worden, da er seine unpolitische Vergangenheit nachweisen konnte). Ihre Schwester, die beim Verlassen Russlands 20 war, hat dann nach Madrid (Bauer) geheiratet, eine besonders nette Frau, die jetzt in Spanien zum zweitenmal die Heimat verloren hat …8 Nachher bei Herrn vom Rath, einem 70jährigen Junggesellen, der wie irgendein anderer etwas grobschlächtiger Kaufmann aussah, aber überraschend (vor allem für Holland  !) interessante Bilder hat. Es ist die Nebensam[mlung] von Lanz. Am meisten hat uns eine Untermalung (oder Grisaille  ?) von Pordenone (ehemals Casti­ gl[ioni]) begeistert u. ein Tintoretto genanntes großes Bild (Ehebrecherin)  ; ein sog. Veronese, Herkules (ein edles Knäbchen) am Scheideweg, ist sicher ernster, später, wenig dekorativ …9 Im Fodormus[eum] waren dann neue Ankäufe von Regteren Altena, die uns auch angingen, gar nicht d. Kunsthändlerbesuche bei Goudstikker, Houthakker, Douwes. Rendez-vous am Leidse Plaats mit Carla, gemütlicher Abend mit diesem wirklich braven u. warmen Menschen. Heute ein Brief von Trude, darin Verschiebung von Anderls Stellung beim Militär auf d. Herbst. Den ganzen Tag mit Burg im Teylersmus[eum] verbracht, wo viel für uns zu sehen war. Der Direktor Buisman 71

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besonders liebenswürdig, widmete sich unermüdlich wie ein Aufseher schuftend, so daß [wir] auch noch das Trinkgeld ersparte[n]. Am Rückweg stießen wir auf Dr. Bier, der uns, d. h. Burg ins Museum nachgegangen war. Zuhause gab ich Unterricht im Yoghurtmachen, hoffentlich erfolgreich, denn die Apparatur war unzulänglich …10 23. [Mai] Der gestrige Tag war unser letzter in R’dam bei d. Z[eichnung]en, wir haben das Material noch einmal durchgearbeitet – es sind z[irka] 130/140 Blätter, ich glaube mehr, als d. Albertina für uns hat. Direkt[or] Hannema musste nach A’dam, doch lud er uns ein, im Garten d. Museums „Kaffee“ zu trinken, wofür uns der Diener noch „Brötchen“ brachte. Wir fanden diesmal noch Zeit, das Museum selbst anzuschauen, dessen Bilderschatz – u. entsprechend dann auch der Eindruck – dem früheren gegenüber etwas zerzogen ist. Vieles in d. Anlage erschien uns grob, vor allem d. Geschlossenheit der Kabinette, die durch Türen in versteckten Schrägen verbunden sind. Weniger gut d. Helligkeit (auch d. Wand) im italienischen Saal. Das scharfe Licht d. Glasdaches geschickt durch eine Art Glasrouleau darunter gemildert. Die S[amm]­ l[un]g Koenigs’scher Bilder – vor allem der Rubens Skizzen – ist ausgestellt, die Perle d. Rubensskizzen „Achillesgeschichte“ (Stiftung v. Beuningen) wirkt geschlossener. Eine dem Mus[eum] gehörige Skizze zu einer Art Verklärung oder Paradies wirkt wie eine Fortsetzung venezianischer („Do[menico] Tintor[etto]“) Kunst, wir haben absolut kein Rubensgefühl dabei gehabt  ; wie wir aber abends durch Dr. Hirschmann hörten, wäre dieses Bild eines jener, die Dr. Burchard als Jugendœuvre Rubens’ „herausgeschält“ hätte, die ganze Gruppe vormals f. Skizzen Van Dycks gehalten, wären jetzt Frühwerke d. Rubens. Daher d. Manierismus. „Noch“ – und nicht „schon“. Wir müssen dieser Sache nachgehen. Mit Dr. Hirschmann haben wir den letzten Abend bei Burgs verbracht. Ich habe ihn vor 17 Jahren bei Hofst[ede] de Groot kennen gelernt, es war damals seine letzte Zeit dort, bevor er sich selbständig (als Kunsthändler) machte. Er ist Schweizer u. hat sein als solches schon etwas fragliche Deutsch so ziemlich ans Holländische verloren. (Burg erzählte nachher, daß er von 11–4 nur seinen Laden (in A’dam) führe, dann in sein Haus in den Haag zurück führe, wo er seine Kaktäenzucht lebe. Er hätte auch 2 richtige Krokodile dort, eines 40 cm lang, immerhin ein Krokodil.) …11 Nun sitze ich im Zug R’dam–Vlissingen, berechne schon d. Zeitpunkt, an dem das […] genommen werden muss …12 Wir sind mit unserer holländ[ischen] Woche sehr zufrieden (eigentlich wars eine Dekade, aber durch d. beiden Pfingsttage nur eine Arbeitswoche). Viel Material u. lauter ungelöste Fragen … Und jetzt – es ist gegen 8 schon – sitz ich bereits in […] im Zug u. warte auf d. Abfahrt. Es war das feinste crossing, das man sich denken kann. Als hätten wir un72

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sere Streckstühle an einem Sonntag Nachmittag daheim in den Garten gestellt  ! Das einzige vielleicht Negative ist, daß wir von der Sonne ziemlich aufgezogen sind … Merkwürdig ist das mit d. Uhr  : in Haarlem rutschten wir von Freitag auf Samstag in d. Sommerzeit und hier, wo wir schon lange Sommerzeit haben, müssen wir d. Uhren um 20 Minuten zurückschieben. Gerade haben wir unsere fünfte Grenze überschritten  ; beim Gepäck war das ganz ohne Belästigung, anders beim Pass. Was wir vorhaben  ? To study in the Brit[ish] Mus[eum]. Der Beamte unendlich misstrauisch  : To study  ?  ? Er wollte wissen, was wir studieren. Ob wir Einführungsbriefe haben, ob Hans Urlaub von d. Universität hat, was „Ministerialrat“ beim Pass bedeutet, wie viel Geld wir haben, wer es für uns aufbewahre, ob wir wieder nach Wien zurückkehren würden u. s. f. Schließlich fragte er, ob Hans ihm nicht eine Visitkarte zeigen könne, prüfte sie lange – u. gab sich zufrieden. Wie mag hier manchem das Herz gebebt haben, der nicht wie wir ganz ohne Absicht kam  ! 24. [Mai] Unser erster Londoner Tag geht zuende  ! Was haben wir nicht alles schon gearbeitet  ! Aber es geht so selbstverständlich u. ohne Hast, daß man es kaum merkt. Schon d. Ankunft gestern abends. Da war sofort ein Träger da u. ebenso sofort war man aus d. Bahnhof draußen im Taxi. Die lange Fahrt von Liverpool Station stand noch ganz im Zeichen d. Coronation  ; alles ist noch beflaggt u. beleuchtet und straßenlang gibt es noch Tribünen aufgestellt, denn es sollte noch d. Dankgottesdienst in St. Pauls als Abschlussfeier erfolgen. Ganz zu Beginn von Holland Road blieb unser Wagen stehen, der Chauffeur kam verlegen ans Fenster er sei dry. Weg[en] 18 Häusern – wir wohnen auf 39 – mussten wir einen anderen Wagen nehmen … Unser Zimmer liegt im Gartenniveau u. öffnet sich auch durch eine große Glastüre hinaus  ; da d. Garten von einer hohen Mauer umgeben ist, schlafen wir bei offener Türe. Die Dame d. Hauses u. ihre Tochter – sie lernt auf Pottery u. Sculpture – sind mager wie nur Engländerinnen sein können  ; das Lächeln, das sie für jeden Satz (wie Weitsichtige d. Zwicker zum Lesen) aufsetzen, wirkt geisterhaft u. peinlich auf d. verhungerten Gesicht. Das Zimmer ist ein sog. bed- and sittingroom, zwei niedrige Couches, zwei Waschtische etc. in d. einen Hälfte, die Fauteuils u. Tische in der alkovenartig abgetrennten anderen  ; es ist von den übrigen, in mehrere Stockwerke verteilten Hausbewohnern ganz abgetrennt. Noch immer gibt es keinen Bus, wir haben uns eine Wochenkarte auf d. Underground gekauft, es war lange nicht so crowded, wie wir gefürchtet hatten. Im British Museum empfing uns erst Popham u. führte uns sogleich auf d. Gallerie zu d. Zeichnungen, die wir – ebenso wie die Bücher – uns alleine herausnehmen dürfen. Niemand kümmert sich  ; idealstes Arbeiten  ! Später kam Hind, der sehr krank noch aussieht. Wir machten eine kurze Mittagspause in einem d. lunchrooms um d. Museum, in dem d. Servierenden ihre Damenhaftigkeit dadurch betonen, daß sie d. Zigarette nicht aus dem Mund gaben. Wir (und nicht 73

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nur wir alleine) reagierten darauf, indem wir kein Trinkgeld gaben. Wir haben im ersten Anhieb das Quattrocento durchgearbeitet. (Es ist der weitaus knappere Teil für uns). Mehreres haben wir überhaupt nicht gekannt, manches noch nicht abgebildet gesehen. Wir haben d. Vertrauen, das wir hier gut zuende kommen werden. –13 26. [Mai] (gestern nicht zum Schreiben gekommen) Es war ein guter u. arbeits-gefüllter Tag. Gute Nachricht von zuhause  ; ein Brief von Anderl, der sein Philosophicum erledigt hat u. erfreuliches von jedem einzelnen mitteilt (von Burgl, daß sie d. Advokaten eine Vollmacht gegeben habe). Den ganzen Tag im Printroom, fernere Sammlungen, einleitende Gespräche mit Popham, die Einzelkünstler des 16. bis Michelangelo  ! Innere sehr aufschlussreiche Auseinandersetzung über Tizian-Campagnola. Über d. lunch, den wir diesmal in einer Art Milchgeschäft nahmen, ist nichts näheres zu berichten. Ein Pflichtakt nur. Die Hitze war nahezu unerträglich. Am Nachhauseweg in Bond Street ausgestiegen, wo wir auf Stratford Place im dritten Stock oben in einer dreiZimmeratelierwohnung Dr. Walther Gernsheim, Old Master Drawings, aufsuchten. Eine prachtvolle Ausstellung Bologneser (Carracci u. Nachfolge), z[um] T[eil] mit großen (auch von ihm selbst gemachten) Photos nach berühmten Beispielen ergänzt. Er war ganz gerührt, daß Hans – der erste Carracciforscher – bei ihm eintrat. Wir haben den „Raub d. Europa“ aus d. Oppenheim S[amm]l[un]g (dort unverständlicherweise als Veronese) hier als Annibale Carracci wiedergefunden (Entw[urf] f. d. Fava-Fresko) u. eine herrliche Z[eichnung] von Guercino, die ein Theater mit Zuschauern (im Freien) darstellte. Wir haben auch d. Mann selbst angestaunt, ein Burscherl schmächtig u. prononciert schwarz, das sofort nach seinem Doktorat (München) hierher kam u. in diesen 3 Jahren d. Lebenskampf führt. Ein doppelter Kampf  : ums Leben selbst und um sein Leben, denn in diesem Erwerbskampf möchte er sich doch auch d. Anspruch nach wissenschaftl[icher] Einstellung bewahren. Was für Kräfte d. Judentums hat dieser Hitler doch wiedergeweckt  ! Die letzte Rettung war er vor dem Sattwerden  ! Wahrlich ein umgekehrter Moses, der die verägypterten wieder tatkräftig machte …14 Nach d. Dinner gingen wir – d. h. fuhren wir 2 Stationen mit unserer abonnierten Underground zu Wares. Der Empfang war so herzig  : Alice die Getreue war zwar nicht mehr da, sie hat geheiratet u. d. Hund mitgenommen. Mrs. Ware ist noch etwas runder geworden u. ihrer Mutter ähnlicher u. sehr glücklich mit ihren Enkelkindern, die sie in Photos herzeigte  : zwei Mädeln von Anne u. einen Buben (ihr pet) von Emily. Pamela die Spröde, hat mich umarmt u. dann auch Hans, was wir alle sehr rührend fanden. Sie sieht recht unverändert aus, so ein armes Geschöpf, das so viel Mut braucht, um sich fit zu halten. Jetzt noch dazu mit d. so fraulich prosperierenden Schwestern …15 In der Nacht gab es 3 Gewitter mit Platzregen. Hans schloss unser Tür-Fenster, da merkte man erst, wie tief unten unser Zimmer liegt. Heut ist es wieder schön. – 74

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27. [Mai] Wir bekommen beide (Gott sei Dank zu verschiedenen Stunden, so daß der eine d. anderen immer noch trösten kann) Angst, daß uns d. Arbeit über d. Kopf zusammenschlägt. Im Printroom ginge alles ganz gut weiter, wenn Popham nicht einen Extraband Palma G[iovane]-Zeichnungen heraufgebracht hätte  ! Und wir wissen, was das bedeutet  ! Beim Zahnarzt Rudolph, auf dessen Veronese-Zeichn[ungen] alleine wir aus O[ld] M[aster] D[rawings] vorbereitet waren, fanden wir so unendlich viel, daß wir zwei Stunden u. mehr sogar blieben. Es war nur gut, daß wir uns zu einem verspäteten kalten Dinner zuhause angesagt hatten  ! Der hagere große Mann sammelt erst seit ein paar Jahren. Es fiel ihm plötzlich in einer Z[eichnung]enausstellung ein u. er ging zu ganz kleinen Händlern, kauft drauf los, hatte Glück – und sein Hobby gefunden  ! Er hat vorzüglich montiert, nach Schulen u. Alphabeten geordnet einen ganzen Kasten voll. Kauft auch d. Literatur dazu u. findet schon gelegentlich richtige „Zusammenhänge“. Erstaunlich ist es, wie schnell einer, dem Geld eine Rolle spielt, versäumte Schulung nachholen kann u. wie doch andererseits erschreckende Lücken bleiben – wie sie schließlich aber auch die sog. Kenner haben, wenn es sich um Selbstentdecktes handelt. Er hat uns von Anny E. Popp erzählt, daß sie mit Blättern bei ihm war, die sie ihm um lächerlich hohe Preise anhängen wollte. Sehr traurig. Nach Nacht- u. Taggewittern gröbster Sorte (die wir aber sämtlich versäumten) herrlich entspannt.16 28. [Mai] Meine Tagesbeschreibungen werden immer kürzer – ein Zeichen, daß die Arbeit sich immer konzentrischer abspielen kann. Der gestrige Tag war wieder fast ausschließlich d. Printroom gewidmet und zwei angestrengte Stunden davon d. Palmaband, der viel einheitlicher – u. darum langweiliger – ist als die beiden Münchner. Sonst sind wir bis in den Tintoretto vorgedrungen. Kurze Begrüßung mit Dodgson, der noch schwerhöriger geworden ist  ; weitere Sammlungsangelegenheiten einleitende Gespräche mit Popham (vor allem Rayner-Wood). Mittags holte uns Frau Tarnay zum lunch ab, sie kam gleich nach Erhalt meiner Karte, begierig von Cis etwas zu hören. Das ist wohl d. ärmste Mensch, den man sich denken kann  ! So furchtbar heruntergekommen. Eine Frau gerade in dem gefährlichen Alter, in dem man um seine Jugend noch kämpfen möchte und nicht einmal imstande, etwas für die Fassade ihrer Zähne zu tun. Ihr Elend ist so fühlbar, daß einem das Zusammensein mit ihr peinlich wird. Und das ist dann natürlich das Letzte …17 Am Nachhausweg sind wir von Bond Street nach Marble Arch zu fuß gegangen, haben aber nur den Mut aufgebracht zu Wildenstein hineinzuschauen (der nur eine Constable Ausstell[ung] hatte u. nichts, was uns anging) und ein wenig weicheres Erdreich im Hyde Park unter unsere müden Füße gelegt. Während des Dinners Radio  : Zauberflöte, von Busch dirigiert, in deutscher Sprache gesungen. Direkte Über75

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tragung. Von wo  ? Keine Oper auf deutschem Boden würde um diese Zeit (zentraleuropäisch + keine Sommerzeit) schon angefangen haben  ?  ! Ein reicher Mann hier in England in seinem Landhaus hält für broadcast von der ganzen Welt und einem Publikum von 200 Personen (5 Pf d. Billet inkl. Fahrtspesen u. Dinner) Opernsaison. Es ist eine wirklich vornehme Art sein Geld loszuwerden. Abends sind wir zuhausgeblieben, haben „aufgearbeitet“. Heute verkehren d. Bu[s]se wieder, da – nach c. 3 Wochen – eine Basis für Verhandlungen endlich gefunden wurde. –18 29. [Mai] Gestern früh brachte Hans Platten dem Kris, der sie nach Wien mitnehmen wollte (5 Dutz[end]) Kris Abb. 19  : Campbell Dodgson, 1939. ist ganz selig, aus d. Dorf Wien für einige Zeit entkommen zu sein. (Er hielt hier einen Vortrag über Kari­k[atur] im C[ourtauld]-Institut u. einen andern über etwas Psychoan[alyse] an entsprech[ender] Stelle.) Im Printroom haben wir an den verteufelten Farbskizzen „Tintor[etto]s“ gearbeitet und nach d. lunch (in einem andern Dairy-Haus will nicht Stammgast sein) den Palmaband weiter, der gar kein Rätsel aufgibt plain old Palma only u. darum so fad ist. Um ½ 5 kamen wir zu Colnaghi, aber Byam Shaw war noch nicht von d. Auktion zurück, wie er gemeint hatte. Ein Herr sprach uns deutsch an u. entpuppte sich als Parker. Oxfordisch schlampert, aufgeschwemmter u. verstaubter (äußerlich) als früher, sodaß wir ihn nicht sofort erkannten. Er gab uns Ratschläge u. wird uns sicher d. Aufenthalt in Oxford leicht machen. Dann kam Byam Shaw, der uns einige Auskünfte gab, diesmal aber nur innerhalb von Photos, es war zu spät seine Originale zu betrachten. Wir gingen Bondstr[eet] weiter. „Hier ist d. Buchhändler Goldschmidt“, sagte Hans, „der früher bei Gilhofer war.“ Wir läuteten an u. gingen d. Halbstock hinauf. Er freute sich über Wiener Bekannte, zeigte uns einen venezianischen Holzschnitt, zu dem wir ihm etwas sagen konnten u. hoffentl[ich] noch mehr sagen werden u. gab uns im Handumdrehen Auskunft über d. Clairobscur Aretin u. d. Sirene. Das hat uns viel Sucherei erspart. Weiter dann. „Hier ist Frank Sabin.“ Wir gingen in d. Ausstell[ungs]raum u. sahen d. „Freund Tizians“ an, der noch immer nicht verkauft ist  ! Seine Bilder alle sind vermalt u. verwischt, es ist ganz unwahrscheinlich. Am unwahrscheinlichsten der Mann selbst, der auf uns zustieß, – ein Beau, wie ein Greco in einem Lawrencekostüm, ganz so leicht unter d. Aufmachung wie sonst sitzt diesmal der Polnische nicht  ; die Aufmachung mit d. hohen weißen Piquékravatte u. d. hellgelben nonchalant-verschmuddelten Weste ist zu gut. Er bat uns für ein nächstesmal, so76

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eben säßen „Museumsdirektoren“ in seinem Studio u. kramten in seinen Photos u. Z[eich­nun­g]en, (wir nehmen an es war Parker, der vor uns Colnaghi verlassen hatte), er wolle uns schöne Venezianer zeigen, Tintorettos, eine große Komposit[ion] von Giorgione (er zählte sie eigentlich als fünfte u. a. auf  !) und ähnliches. Hans war über d. Erscheinung d. Mannes so aus allen Himmeln gefallen, daß er einfach nur lachen konnte u. kein Wort herausbrachte …19 Das war schließlich das Ende unserer Erkundungsfahrt  ; wir fuhren heim u. fanden einen lieben armen Brief von B[urgl] u. einen positiven von Stoffel vor. Danach anscheinend Spanien-S[amm]l[un]g u. sitzen müssen bis Ende Sept[ember]  ! Trotz und trotzalledem ein Gefühl d. Beruhigung (!) über diese Nachricht. Beweis dafür, was wir nicht alles Schwereres gefürchtet hatten  !20 30. [Mai] Sonntag. Unser erster Sonntag in London. Ich zog einen schwarzen Rock u. eine weiße Crepe de Ch[ine] Blouse an u. komme mir damit sehr kirchenersatzmäßig vor. Für uns ist es aber ein richtiger Sonntag, wenigstens Sonntagvormittag, denn wir wollen zuhause bleiben, ich sitze im Garten, der ja eigentlich unser alleiniger Garten ist, wenn ich von Tops dem Hund und   ? dem Kater absehe. Gestern sind wir im Brit[ish] Mus[eum] mit dem letzten Tintorettoblatt u. d. letzten Palma G[iovane] Zeichn[ung] in d. Extraband in d. letzten Minute pünktlich fertig geworden. Diese Art, ein einmal vorgenommenes Wochenprogramm tatsächlich zu erledigen, ist Hans’ Werk u. daß ich nicht ausspringe, seine Energieübertragung. Ich wäre längst irgendwohin abgeschweift, wenn ich allein gewesen wäre. Jetzt haben wir eigentlich d. Hauptstock „aufgenommen“, manches auch schon photogr[aphiert], fehlen noch die 2. Garnitur u. Großformate, das „Ausgestellte“, das auch noch fehlt, ist so außerordentlich, daß wir es in Faksimiles eigentlich schon kennen, es also da keine Überraschungen geben wird. Die ominöse Farbskizzens[amm]l[un]g, die von Hadeln dem Do[menico] Tint[oretto] zugeschrieben wurde, liegt uns als unverdauter Bissen im Magen. Dutzende von Kompositionen immer zusammengehörig u. lauter Varianten u. zu keiner einzigen ein Bild erhalten  ! Z[um] T[eil] Kompositionen, wie sie sich überhaupt nur hinter den Kulissen der sonstigen Thematik abgespielt haben werden. Daß es aber derartiges Hinter-d.-Kulissen gab, bezeugen diese Skizzen (rein technisch auch Unika in ihren Abbreviaturen), die es absolut unmöglich ist als moderne „Variation venezianischer Themen“ abzutun  ; ihr Pedegree ist zu gut …21 Als wir um ¾ 5 in d. Oxford Street hinauskamen, war sie so leer, daß sie sich wiederum nicht ähnlich sah (eine Erinnerung an einen Samstag meines letzten Aufenthalts). Wir fuhren nach Liverpool Street und fanden dann mit großer Mühe hinauf u. hinunter über Bridges […] unseren Zug nach Gidea Park. Man fährt durch East, nicht sehr schöne Gegend, ist aber bald vor endlosem Garten, der sich als Friedhof 77

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entpuppt. In Gidea Park war Mrs. Hartley u. beide Töchter an d. Bahn. Sie wohnen nicht weit in einem kleinen richtigen englischen Häuschen mit einem sehr langen Rasenstreifen dahinter auf dem köstliche Sitzgelegenheiten stehen, Blumenbeeten an den Rändern u. am Ende, zwischen denen mit taktvollem architektonischem Gefühl über Steinpfeiler eine Sonnenuhr (sie funktioniert nicht) aufsteht. Ich ruhte mich – es war wieder the hottest day of the year, wie d. headlines konstatierten – auf einem Feldbett aus, das noch aus der Garderobe des (im Kriege „vermißten“) Vaters stammt. Wir dinierten dann im Freien einen kalten Aufschnitt mit Salat, Gelée und Kompott u. Käse, das Kochbare von Mrs Hartley gekocht u. alles mit Liebe u. Vorsorglichkeit reichlich u. freundlich angerichtet, bis es uns chilly wurde und wir den Kaffee dann im Hause tranken. Es war sehr nett u. wäre noch viel ausruhender gewesen, wenn auf den angestrengten Tag ein etwas schweigsameres Beisammensein hätte folgen können u. mein Ehrgeiz mich nicht in so anspannende englische Probleme gelockt hätte. Um ½ 10 brachen wir auf u. waren um 11 zuhause. Ich hab im Zug schon ein wenig vorgeschlafen. Da d. Zug, in Liverpoolstation an eine Mauer stößt, war keine Gefahr, d. Aussteigen in London zu versäumen. – Prof. Adler, d. Individualpsycholog, starb in Edinburgh. Die Blätter widmen ihm Nachrufe, die er in Wien kaum bekommen hätte …22 Dieses Weekend steht im Zeichen des „Bathing“, daß wir an diesen Dingen keinen Anteil nehmen, zeigt wieder einmal d. Einseitigkeit – Kleinseitigkeit – mit der unsereins eine fremde Stadt aufnimmt. – Abends. Das war ein feiner Ausruhetag. Wie im Nu sind d. Vormittagsstunden im Garten mit Briefschreiben etc. verflogen  ! Zumittag haben wir (um 1h) zuhause gedinnert. Dann gleich in d. Wallace Coll[ection]. Es war furchtbar schwül, die Bilder alle verglast, die ganze Aufmachung quälend. Nun, wir habens eine Stunde ausgehalten. Dann mit Bus Regent Park entlang nach Gloucester Road zu Dr Scharf. Stille nette Leute, eigentlich ein Österreicher, der aber seit seinem 5. Jahr in Berlin lebte, zuletzt am Kais[er] Fr[iedrich] Mus[eum] volontierte u. seit 4 Jahren in London ist. Die Frau gibt hier Stunden, er scheint für einen Corpus (Antiken in Z[eichnung]en u. Stichreproduktionen), das er breit vorbereitet, etwas von d. Warburgbibl[iothek] zu bekommen. Daneben treibt er wohl mit Zeichnungen (verschämt) Handel. Die er uns gezeigt hat, waren – bis auf eine von Tintoretto, deren Photo er uns versprach – nicht für uns geeignet. Aber zur Beglaubigung einer Z[eichnung] hatte er eine Photo[graphie] da nach einer prachtvollen Dogenpal[ast]komp[osition] von Vicentino, einer Skizze in hiesigem Privatbesitz. Wir baten ihn beim Besitzer ein Photo für uns zu erwirken (er tat geheimnisvoll od[er] nur diskret  ?). Um eine andre Photogr[aphie] nach einer Z[eichnung] (die Scharf nach Paris an Dr Wertheimer abgegeben hat) schreiben wir direkt. Wir bekamen eine Jause, die alles was wir bisher hier an Gastronomischem erfahren haben, himmelweit zurückließ. Zurück lange zufuß durch Regent Park, wo noch die Camps von Soldaten, die zur Krönung gekommen waren, 78

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zu sehen sind und unzählige reizende spielende Kinder, an Mme Tussauds Wachskabinett vorbei, in das wir – höchstens einmal – mit Ivo gehen wollen und mit einer Underground von Baker Street (Innercircle) nach High Street Kensington, die lange nicht so under dem ground ist wie unsre übliche Central Line. Nachtmahl in unserem Zimmer (Ersatz f. d. gestern versäumte dinner) und ein bißchen noch gearbeitet. Gutenacht Tagebuch. –23 1. Juni Es ist gegen ½ 7 abends  ; wir sitzen im Green Park in Streckstühlen, fangen d. letzten Sonnenstrahlen, die letzten nicht weil es Abend wird, sondern weil d. Wolken nach d. Sonne jagen. Auch am politischen Himmel sind schwere Wolken aufgezogen. Die Spanier haben Bomben auf ein deutsches Kontrollschiff gelegt u. viele Opfer gefordert. Die deutschen daraufhin eine kleine spanische Hafenstadt zur Strafe bombardiert u. mit vielen Toten  – darunter auch ein Kind  ! – d. Ehre Deutschlands wiederhergestellt. Die sind aus d. Kontrollkommission ausgetreten, d. Ital[iener] haben sich angeschlossen …24 Ich will aber nicht über Politik schreiben. Wir haben gestern einen sehr vollen Tag gehabt. In d. Früh im South Kensingt[on] Museum, zuerst bei Mac­ lagan. Er ist jetzt (oder immer schon  ?) Sir Eric u. hat uns alle Verbindungen hergestellt, die uns noch fehlten, darunter auch d. zu K[enneth] Clark, der das weitre machen soll. Bei jedem, nach dem wir fragten, sagte er, daß er mit ihm in d. Schule gegangen sei u. zückte schon d. Telephon. Als wir nach d. Earl of Abb. 20  : Sir Eric Robert Dalrymple Maclagan, Harewood fragten, meinte er, daß er noch am selben Direktor des Victoria und Albert Museums, 1937. Abend ihn nach seinen Z[eichnung]en fragen werde, bez[iehungsweise] d. Erlaubnis für d. Besuch seines Schlosses bei Leeds erbitten werde, er sei bei ihm eingeladen, der Earl of Harewood sei [ein] Cousin von seiner Frau.25 Die Liebenswürdigkeit Maclagans vor allem seinen Untergebenen gegenüber ist jedesmal von neuem eindrucksvoll. Uns hat er wunderbar geholfen. Die Z[eichnun­g]­en sind z[um] T[eil] sehr gut (Tintorettos). Die große Menge durch Widmungen erreicht, ohne daß etwas dazu getan wurde od. wird. Sie kaufen nur „ornamentale“ Blätter. Wir haben im Mus[eum] selbst gegessen u. sind dann in Sir Witts Library hinüber, wo wir – natürlich – Bekannte getroffen haben (Grete Ring, Lütjens, Gerson (aus Den 79

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Haag)) u. uns ein wenig mit Tizianphotos beschäftigt haben. Das ist anregend, aber kein Vergnügen. Um vier Uhr schließen d. Leute in d. richtigen Voraussetzung, daß man so etwas doch nicht zu lange aushalten kann. Wir sind zu Langton Douglas, der aber zwischen zwei unaufschiebbaren Dingen war u. uns für Freitag bestellte – und dann zu Frank Sabin, der uns seinen „Giorgione“ zeigen sollte. Er war – Frank Sabin – eindrucksvoll wie das erstemal, diesmal mit einer grünen Weste die mit Hirschen überstickt war – aber auch sein Giorgione war es, die wohl sichere bessere Fassung der Salome im Doria vom Northbrook House, in Berlin restauriert. Der kl[eine] Engel im Bogen (?) r[echts] fehlt, die Dienerin l[inks] in prachtvollem Grün, sonst eher etwas kalt. Hans meint trotz alledem (d. h. trotzdem Richter das Bild als Giorg[ione] in sein Buch nimmt) daß d. Bild vom jungen Tizian ist. Wir sahen noch ein Venus u. Adonisbild, das von Tintoretto sein soll, was in meine bisherige Vorstell[ung] von Tintor[etto] nicht hineinpassen will. Es fehlt ihm d. Rhythums in d. Posen, ich möchte sagen  : das Netz, das die Quadrille d. Figuren zusammenhält. So tintorettesk in Einzelheiten, so doch im ganzen mit einem Spritzer aus d. Norden … Schließlich – was uns nicht angeht – ein Velazquezporträt, d. Königin Marianne in Schwarz  ; schön, flüchtiger gemalt als d. fertige Bild. Wir blieben, solang wir konnten. D. h. bis 6h. –26 2. Juni (Fixleins Geburtstag  !)27 Ich bin gestern im Green Park wieder nicht fertig geworden u. muß daher heute früh mit „vorgestern abends“ starten. Da sind wir nämlich nach d. Nachtmahl zu Captain Reitlinger nach Princess Garden gefahren. Der wohnt jetzt – u. ist jetzt – viel üppiger, als ich ihn von anno dazumal („Sultan-Kopie“) in Erinnerung hatte. Bei ihm eine Nichte jung u. hübsch u. das stark jüdische Element des Onkels schon mehr – wenigstens im Aussehen – auf englisch eingefärbt. Die Sprache aber bei beiden so unverkennbar, daß es lang schwer war den lockenden Singsang aus d. Ohren zu kriegen. Die Bilder – lauter vlämische Manieristen u. ein Wunder d. hl. Markus, d. d. […]knaben aus China fortträgt, […] d. Z[eichnung] von Altomonte, Kunsttop[ographie]  ? – wo  ? –  ; d. Z[eichnung]en sehr gut in dieser Schule, unansehnlich, was Italien anbelangt, bis auf eine gute Tintorettozeichn[ung] f. d. Bild in d. Eremitage, von der Witt d. Photogr[aphie] haben soll. Es war im Ganzen mehr originell u. anstrengend als ertragreich. Gestern haben wir früh erst Burgs aufgesucht, die direkt gegenüber d. Brit[ish] M[useum] uns am Weg wohnen. Dann d. doubtful u. unmounted zur Entlastung d. Gewissens im Printroom durchgearbeitet und d. „Imperial“ (zum Unterschied der Royal (Normalformate)[)] am Nachmittag. Geluncht mit Frau Tarnay, was immer eine schmerzliche Angelegenheit ist. Eine Stunde Originale unter Byam Shaws Leitung – darunter mein Legote von […]  ?–28 Ein ¼ Stündchen im Green Park – s[iehe] oben Anfang vom 1. Juni – und dann Gang nach Soho, wo wir von Christine zum Abenddinner eingeladen waren. Ganz merkwürdig wohnt sie in dieser Hinterhausgegend des großen Amüsierviertels mit 80

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schlichten künstlerkneiperischen Unternehmungen u. d. entsprechenden Bewohnern dazu. Ihr Flat ist zwei Häusern abgewonnen mit Stiegen auf u. ab, einer Art RosaEinrichtung, very studio like, aber mit alter Irish-maid, Riesenflasche mit Kerze darin im Stiegenhaus wie von einer Tairoffbühne, originell u. traditionell zugleich, wirklich Harlekin und Prinzessmilieu, mit vielen Kerzen u. Schirmchen herum im verdunkelten Speiszimmer ein Tisch der die Gedecke so weit auseinander trägt, als wär’s eine Theaterbühne u. d. Tenor braucht Spatium zum Näherrücken in d. großen Arie. Dazu paßt es gut, daß das Dinner aus d. Resten eines stag dinners bestanden hat, das der reichere Advertising brother Davy am Tag vorher some big men gegeben hatte. In diesen eindrucksvollen u. anders als alles artigen Milieu eine Christine ganz ernst, wie zerschlagen von all den traurigen Schicksalen, die ihr von früh bis abends ihr job zuträgt und mit ihrem alten Lachen, das aus einer verschütteten Tiefe mit einmal vorbricht. Entzückend zum Anschauen wie je und doch ein anderer Mensch. Besonders erschütternd für uns ihre warme Erkundigung nach Burgl, so wissend u. eingehend, daß es schwer war zu schweigen …29 3. [Juni] Ich beginne meinen Bericht über d. gestrigen Tag in d. Eisenbahn nach Windsor. Im Brit[ish] Mus[eum] sind wir gestern mit d. Z[eichnung]en in d. Ausstell[ung] fertig geworden u. hinüber in d. Nat[ional] Gal[lery] wo wir gustierend – aber mit Genuß, weiß Gott – herum gingen. Dann zu K[enneth] Clark, der auch eine Sensat[ion] war. Sehr jung u. auf Degagiertheit posierend. Erinnert mich an d. früh[heren] englischen König mit einem Schuß Otto Nirenstein. Lud mich ein Platz zu nehmen, schwang sich selbst auf d. Tisch hinauf. Als wir ihn nach seinen Z[eichnung]en fragten, sagte er, er habe welche, wisse aber nicht, ob venez[ianische] darunter wären. Er habe etwa 100 vor ein Dutzend Jahren gekauft, sie langweilten ihn aber, er schaue sie nie mehr an, verschenke sie an seine Freunde. Dann fiel ihm ein, daß er Z[eichnungen] nach Oxford geschenkt habe. Er war unglaublich liebenswürdig, versprach vom Arbeitszimmer d. Königs angefangen alles, was es an venez[ianischer] Kunst auf d. Insel zu sehen gebe. Er zeigte uns dann die Depots, in denen auch viele gute Bilder sind, die wir aus den Bilderbänden u. aus d. Literatur kannten. Nachdem wir allerlei verabredet hatten, gingen wir wieder in d. Gallery und genossen weiter u[nd] z[war] jeder gesondert. Da sah ich dann Hans mit zwei Herren beisammen stehen u. er rief mich u. winkte mich dazu – u. siehe da – der eine war Segonzac  ! Da war d. Freude des Wiedersehens groß. Leider war er nur auf 2 Tage nach London gekommen, um d. Jubiläum d. Kunsthändlers Turner mitzufeiern …30 Als Abschluß d. Nachmittages fuhren wir ins Thames House zu Warburgs. Das war wieder eine komische Gesellschaft  ; zugegebene u. erst werdende Narren. Unter d. ersteren d. Leiter Saxl, mit dem das Beisammensein schon wirklich etwas lästig wird. Er kommt vom 100. ins 1000. Sieht aus wie ein fett gewordenes Bocherchen. Fer81

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ner Kurz, Gombrich, Frau Dr. Bing (sehr sympathisch). Outsiders oder Randabgraser d. zünftigen Wissenschaft alle dementsprechend Über- u. Minderwertigkeitsgefühle. Wir haben geschäkert Wissensch[aft] u. Politik. Man fragt sich, wie solche Menschen im Lebenskampf durchkommen. –31 Nach dem Dinner um 9h mit einem Bus, der uns von Haus zu Haus brachte, zu Mr. Oppé der in entzückender Lage, gleich bei d. Themse wohnt. Ein netter alter Herr, sehr begeistert u. mit unzähligen Blättern versehen. Wir haben uns einzelnes – auch was uns nichts angeht – zum Photogr[aphieren] angemerkt u. wiederzukommen versprochen. Das Stubenmädchen ist aus Linz – aber eine Deutsche, die nur zuletzt dort gelebt hat. Die Dame d. Hauses erzählte mir von d. Coronation, die sie von einem Stuhl aus in Westminster Abbey – nicht gesehen hat. Ihr Ausblick war auf d. Chorgitter, Abb. 21  : Gertrud Bing und Fritz Saxl, ca. 1930. wo d. dazu Beorderte d. Königin u. d. Peeresses die beim Gehen zur Schlange geschmolzenen Schleppe mit einer Hand u. einem Stock auseinanderbreitete. Die Dame war ein wenig müde u. während wir d. ersten Z[eichnung]en ansahen schlief sie richtig ein, ohne ihre aufrechte Haltung dabei zu verlieren. Nachher war sie viel ausgeschlafener u. munterer als wir. –32 Unser Ausflug nach Windsor war eine sehr angestrengte Arbeiterei – die wir nächstens fortsetzen wollen –, aber kaum eine Sensation. Der Wert d. S[amm]­ l[un]­g liegt bekanntlich in ganz anderer Richtung. Immerhin einiges das weiter verfolgt werden soll. Morshead ist auf Urlaub, aber ein älterer Ober –  ? war da (Händedruck, kein Trinkgeld), der uns alle Erleichterungen machte, was Selbstbedienung u. Photograph[ieren] anbelangt. Wir hielten Mittagspause – das ist hier eingeführt u. freuten uns so wie die übrigen Besucher d. Schlosses an d. rotfrackigen Wachesoldaten, die sich alle paar Minuten ein kleines Ausschreiten gönnen dürfen, das sie aber jedesmal mit einem rundbogigen Stampfen bei Fuß einleiten u. abschließen müssen. Das ist aber auch wirklich ein Spaß. Das Wetter hat ausgehalten und ich auch – den warmen Mantel. –33 82

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4. [Juni] Es ist ¼ 5, wir sitzen bei C[a]pt[ain] Langton Douglas, der uns bestellt hat u. nicht zuhaus ist. (Ich hatte es mir gedacht  ; d. Mann sah aus, als würde er Rendez-vous vergessen.) Wir waren vormittag „aufarbeiten“ im Vict[oria] + Alb[ert] Museum u. konnten in d. Bibl[iothek] auch eine Z[eichnung] von gestern in Windsor als Morazzone fix u. festlegen. Das war nett. Noch netter, daß Maclagan uns versprach, alle Photos kostenlos machen zu lassen  ; das erspart uns viel Arbeit u. Geld. Nach kurzem Aufenthalt bei Colnaghi, wo wir a.) den dort unlängst vergessenen Shawl abholten, b.) d. Z[eichnung], die dort als Bassano gilt, als jenes dem Murillo zugeschr[iebene] Blatt, das von Legote ist, d. B[yam] Shaw identifiz[ieren] konnten). Lunch in einer Snack Bar, wo d. Luft nicht so schlecht war wie sonst, zu Witt, wo wir wirklich gute Fortschritte bei d. Landschaftsz[eichnung]en von T[intoretto] machten. Leider kann auch dort nichts bis zu Ende an Ort u. Stelle durchgearbeitet werden, da d. Holzschnitte u. Stiche fehlen  ! Wir fanden noch eine dritte Petr[us] Mart[yr] Z[eichnung] in d. Art der Fr[öhlich]-B[um]schen in Bayonne, unzweifelhaft auf demselben Sitz gearbeitet wie diese, deren Kenntnis vielleicht sogar diese unerschütterliche Forscherin gewarnt hätte. Dann langsam zu C[a]pt[ain] Douglas – (Ich fahre auf einem Streckstuhl im Hyde Park eine Stunde später fort) –, der doch nicht vergessen hatte, sondern gleich gekommen ist. Er zeigte uns ein Musikerportr[ät], das noch nie veröffentl[icht] ist u. aus d. Besitz jener Familie stammt (ich hab d. Namen vergessen), d. Shakespeare einmal geklagt hat ([…]). Er sitzt nach r[echts] schaut zum Beschauer heraus u. hält in d. l[inken] Hand eine aufgeschl[a]g[ene] Notenschrift. Sehr „Gior­ gionesk“ („Junger Tizian, Giorg[ione], Cariani“ wurden genannt). Er zeigte noch anderes, wurde immer liebenswürdiger, schenkte uns ein Buch, eine Photo[graphie] des Musikerportr[ät]s, eine Envelópe für beides, begleitete uns immer liebenswürdiger d. Stiege hinunter u. – bis vor die Türe hinaus. So einen liebenswürdigen aber entschiedenen Abschluß eines Besuches haben wir beide noch nie erlebt. Wir haben direkt Spaß damit gehabt …34 Gerade war der Mann da u. hat […] pro Streckstuhl eingehoben. Er klingelte wie beim Bus-Ticket nehmen. Ich hab nicht gewußt, daß man f. d. Streckstühle zahlen müsse u. verstehe jetzt, warum d. Leute sich auf d. Bänken drängen oder im Grase ihr Baucherl verkühlen. Das Buch, das C[a]pt[ain] Douglas uns schenkte, ist der von ihm besorgte Katalog d. S[amm]l[un]g Lampson Locker  ; c. 20 Bilder, die d. Besitzer – inzwischen – im ganzen verkaufen möchten. Es sind ganz nette Sachen dabei, eigentlich im ganzen doch nur eine Sekundärsammlung. –35 6. [Juni] Sonntag. (Hans ist gerade nach Kings Cross um die Ivo abzuholen.) Wir haben gestern a rather dull morning im British Mus[eum] verbracht (nach einem kurzen Step in bei Burgs im Thackeray Hôtel)  ; es ist nicht anders, wenn man drei Bestände das zweitemal 83

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durchgeht. Dazu waren wir ärgerlich, denn wir waren auf Kälte u. bösen Regen angezogen (laut Prognose u. Morgen-Eindruck) u. es ist herrlich blau und sommern geworden. Ganz langsam, schlängelten wir uns zur Teezeit durch d. samstäglich ausgeleerten Gassen in eine reizende Wohngegend. Kensington Gate Street, wo Borenius wohnt. Er ist noch kenntlich (in d. Sprache) als Schwede, ein großer Mann mit einem Dorfpfarrergesicht u. einer Perücke, dessen reine Kragen ein andrer trägt. Der Tee u. die Tochter waren sympathischer. Er war übrigens sehr liebenswürdig, versprach vieles, von dem er einiges hoffentlich halten wird  ; zeigt uns seine Z ­ [eichnun­g]­en, von denen nur die von Veronese gut war, die anderen (was vor allem die uns angehenden belangt) unter d. Kanone. Auch seine Bilder, darunter ein Votivbildchen, das er Romanino nennt, das aber auch namenlos etwas unbeschreiblich intimes u. herziges bleibt (Mann, Frau u. Tochter (beide in weiß) vor einer sitzenden Madonna mit großkopfertem Kind hingegeben kniend, Landschaft, ganz kleines Breitbildl  ; ferner ein als Pietro Vecchio altbeglaubigtes großes Bild, zu dem (oder nach dem) – wenn mich nicht alles täuscht – eine „Tizian zugeschr[iebene]“ Z[eichnung] in Cheltenham ist. Er zeigte uns auch eine mittelalterliche Steinskulptur aus dem Jagdschloss der Plantagenets bei Salisbury, dessen Ausgrabung er seit einigen Jahren leitet. Das war alles sehr interessant, sodaß auch dieser Tag doch noch seine Sensation geliefert bekommen hat. Nach dem dinner haben wir noch gearbeitet u. gegen ½ 10 (es war wirklich noch ganz hell) sind wir noch spazieren gegangen. Meistens erwartet uns dann noch Post  ; diesmal von Dodgson eine Karte, daß er noch keine Antwort von Donnington Priory bekommen hat, die Leute also wohl verreist sind. Das ist das 2., was sich spießte  ; das erste  : die Z[eichnung]en vom Earl of Harewood. –36 7. [Juni] Den Sonntag gestern hab ich so angestrengt verbracht, daß ich nicht zum Schreiben kam. Er stand zumeist unter d. Zeichen Ivo, die um 11h aus Tolmers ankam, sehr nett u. patent aussah, aber so voll Schulgeschichten u. noch dazu englischen Mädchenschulgeschichten voll war, daß wir uns total umstellen mußten. Das war bißchen anstrengend. Wir haben bei Sir Eric Maclagan geluncht, die nette freundliche Frau war da u. der intelligente Sohn Michael, d. Historiker, der jetzt ein Stipendium von Oxford hat u. d. Lebensgeschichte eines seiner Groß-groß-Onkel dafür erarbeitet, weil es eine Arbeit d. 19. (zu seinem Kummer) sein muß. Wir hatten Möweneier u. andere Seltsamkeiten, aber es war schmerzlos u. angenehm. Den Nachmittag in d. Nat[ional] Gall[ery], weil Ivo noch nicht dort war  ; wir trafen dort Byam Shaw (Eva Benesch würde sagen  : „Er war immer ein Streber“) und ich fand das Legote-Bild, das mit seiner (ehemals Weigel-)Z[eichnung] zusammen hängt  ; es ist eine Anbetung, die hier „Velasquez zugeschrieben“ heißt. Als Ivo genug hatte, gingen wir Eiscreme-essen u. Hans brachte sie zur Bahn. Ich schaute mir noch d. neue Universität an, die etwa zur Hälfte fertig ist (nur von außen) u. ging dann an diesen deftigen Residential Houses 84

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an d. Seite d. Brit[ish] Mus[eum] entlang, die mir so ganz besonders gut gefallen. Wir (Hans u. ich) fanden uns wieder bei Burgs zusammen mit denen wir dann ins Restaurant Little Vienna gingen (in Soho), das ein ehemaliger u. pleitegegangener Teppichhändler führt, dessen Aussehen u. Sprache nicht einmal an Vienna von weitem erinnert. Franz Drey u. Frau warteten dort schon auf uns (er sehr schwerhörig, sie so banal, daß sie dadurch noch anstrengender wird, als er mit seiner Schwerhörigkeit). Es ist nicht viel über das weitere zu erzählen – ich ließ mir aus Protest gegen d. Genius loci, der ein Beinfleisch offerierte, einen Lachs mit Mayonnaise bringen – es sei denn, daß wir beide immer mehr müde wurden und uns erst in zwei Streckstühlen unter d. ungeheuer weiten Himmel in Hyde Park ein wenig erholten. Hätten die anderen nur auch geschwiegen  !37 8. [Juni] Der gestrige Tag war –

Abb. 22  : Georg Franckenstein, österreichischer Botschafter in England, 1937.

9. [Juni] Der vorgestrige (ich bin gestern unterbrochen worden u. d. ganzen Tag bis 11h nachts nicht mehr zum Schreiben gekommen  !) Tag war etwas eintönig. Mit der GreenLinie nach Windsor, das war sehr voll. Unsere Straße ist so weit westlich, daß sie gar nicht mehr auf unserem Baedeker Stadtplan vorkommt  ; und dann sind wir mit dem schnellen Bus sicher noch 40 Minuten weiter nach Westen gefahren u. immer noch war d. Stadt nicht zuende. Ganz neue große Siedlungen lauter Einfamilienhäuser dann Swimming Pools open the whole night und appetitliche Riesenfabriken wie schön präparierte Ausstellungsobjekte im ebenen Gelände (Darunter Cotys Parfums, man roch sie eine Strecke weit). In Windsor war es unergiebig, aber „Aufarbeit“, schwül u. wir beide sehr matsch*. Am Nachhauseweg haben wir im Bus sogar schlafen können (Für gewöhnl[ich] läßt mich das Gezitter nicht aus u. der einzige Erfolg * erschöpft

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ist ein Riesenhunger). Abends von Stoffel zwei Briefe, darin Genaueres über Burgls weitere Prognose –).38 Gestern dann war es dichter gefüllt. Früh bei Oppé photographiert u. „erledigt“. Die eine Kopfzeichn[ung] die uns nichts angeht, ganz prachtvoll Signorelli  ? Mantegna  ? Oder doch ein Florentiner  ? – Dann ist Hans zu Baron Franckenstein u. ich zu Witts Library, wo ich Fr[öhlich]B[um]’s Lottozeichn[ung] aus d. École d. B[eaux] Arts als ersten Entwurf f. Antonio Campis sign[iertes] u. dat[iertes] (1540) Bild in Cremona etc. etc. fixieren konnte. Hans holte mich dann dort u. sah ­Giorgioneporträts durch, stieß dabei auf eines d. Gran Capitan gegensinnig dem ersten ital[ienischen] Stich, beim Earl of Yarborough. Obwohl d. Photogr[aphie] Giorgione hieß, war sie nur mit Klaus Stürzenbecher unterschrieben u. hatte daneben noch d. Vermerk „German“, war also nur mit d. Hopferstich in Zusammenhang gebracht worden. Wie sehr mußte sie als Giorgione wirken, wenn sie Giorgione zugeschrieben war, ohne daß d. Zusammenhang mit d. Gran Capitano u. Giorgione, (den erst mein Aufsatz gesichert hat) bekannt war  ! Wir wollten nun d. Bild verfolgen, ob es noch bei d. Earl of Y[arborough] ist, oder mit andern Sachen bei Christie verkauft wurde …39 Um eins wird man leider bei Witt Abb. 23  : Daniel Hopfer, Kunz von der Rosen, Kupferstich, um 1515. hinausgeschmissen. Wir gingen zum Brit[ish] Mus[eum] u. arbeiteten unsere zweite Durchsicht weiter, dann ins College of Arms, einem prachtvollen alten Palais nahe von St. Pauls, wo d. Lancaster Herald Russel sein Amt hat. Wir blieben mehr als zwei Stunden bei ihm, sahen dutzende von Photos u. viele Zeichnungen durch, es war eine ganze Menge dabei, was uns speziell anging. Ein Teil d. Blätter ist allerdings in Swanage (das ist am Meer in Dorset) u. er lud uns fürs weekend dahin ein. Wir nahmen an – vor allem unter dem Eindruck einer Photogr[aphie] nach einem Marmorrelief, das ziemlich allgemein c. 1490 datiert wird, das bald Bertoldo genannt wird, bald mit d. gewissen Discordia-Relief im South Kens[ington] in Zusammenhang gebracht wurde, das aber Hans u. ich ganz unabhängig voneinander 86

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als – Michelangelo – erkannten  ! Bum – eingeschlagen. Wir waren fabelhaft aufgeregt, versuchten aber kaltes Blut zu behalten u. lehnten jeden Alkoholgenuß (Sherry war angeboten) ab. Ja, sicher Michelangelo  ! U[nd] z[war] zwischen Madonna an d. Treppe oder neben ihr u. eine Vorstudie oder besser Vorversuch zum Zentaurenkampf  ! Eine Affinität zu d. Parthenonmetopen, wie sie mir durch allervornehmstes Genie zu erklären ist. Am Schluß tranken wir doch noch den Sherry u. kamen dann ungemein schnell, überraschend von Verkehrsglück begünstigt, wie es nur dem Trunkenen [zuteil] wird, zu Dr Churchill, die in wunderbarer Lage ganz allein ein üppiges Haus bewohnt. Ruth u. Gatte und Ruthens Bruder waren anwesend, es war ganz nett – wie hatte es nach solchem Erlebnis auch anders sein können  ! Um 11h brachte uns Dr. Churchills Chauffeur nachhause u. das war auch sehr angenehm. Jetzt habe ich ganz vergessen über d. gestrige Wetter einiges unerfreuliches zu sagen  ; so will ich es dabei bewenden lassen. Jedenfalls hat es uns nicht gestört. –40 10. [Juni] Heute kühl regnerisch. Gestern schwül, regnerisch. Früh bis Mittag Kunsthändler und Christie, wegen des Earl of Yarboroughbildes  ; es kommt im Katalog d. Versteigerung (1929) nicht vor, doch soll er seither vieles direkt verkauft haben. Wir gehen d. Sache weiter nach. Bei Knoedler nur spätes 18. u. 19. Bei Abb. 24  : Stella Churchill, 1953. Turner nichts, Asscher u. Welcker hat seine Lottozeichn[ung] an Orey verkauft. Nur bei Agnew Erfolg  ; erstens sahen wir dort den nachdenklichen Mönch, der in Hadelns engl[ischen] Tizianband aufgenommen ist, er hat ihn aus der Cooke’schen S[amm]l[un]g zurückgenommen  ; Ad[am] + Eva (s[iehe] auch Hadeln […]) ließ er dort, da das Blatt neuerlich durch ein zerbroch[enes] Glas so schlimm gedammaged wäre. Ebendort – bei Agnew – eine noch nicht publiz[ierte] Tintorettozeichn[ung] eines gefesselten Sklaven u. ein merkwürdiges großes Blatt Befreiung d. hl. Jakobus (oder Rochus  ? mit Pilgermuschel u. Stab) aus d. Gefängnis durch hereinfliegenden Engel, das in d. Hauptzügen Tintorettos großem Rochusbild d. Krankenheil[un]g nachkompon[iert] ist. Mir kommt 87

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d. Komp[osition] auch überdies sehr bekannt vor, vor allem erinnere ich mich an d. Gitter im Fußboden vorn, in das ein Gefangener á la Michelangelo hinuntergreift, während d. Oberkörper eines anderen (vom untern Stockwerk her) daraus hervorragt. Wir bekommen d. Blatt ins Brit[ish] Mus[eum], um eine Aufnahme machen zu können. Nach d. Papierlessen am Eingang ins Brit[ish] M[useum] trennten wir uns, Hans ging allein zum Zahnarzt Rudolph photogr[aphieren], ich blieb im Printroom. Nachher trennten wir uns wiederum, Hans ging zu einem Vortrag d. Borenius, ich tee-te mit Mrs Hartley und – da es feuchtelte – besuchte ein Kino, Green lights, das wirklich nur durch d. „Fenster“ u. d. Regen entschuldigt werden konnte. Sentimental zum Kotzen u. langweilig dazu. Schließlich „our party“ bei Gennaro, in einem sehr gut[en] ital[ienischen] Restaurant mit Burgs u. Christine. Richtig italienisch gegessen, angenehm gelüftete Räume (New Compton Street), nicht teuer. Ein Stündchen Nachsitzen in d. Hall d. Thackeray Hôtels, die sich langsam zu unserem AusruhClub entwickelt. Bequeme Heimfahrt mit d. 73er Bus. Dünn geschlafen, alle Vögel gehört. –41 Noch spät abends. Eben Blitz Donner Wolkenbruch. Herrlich  ! Den ganzen Tag hat sichs hingezogen, wir waren schon ganz zermürbt davon. – Ein ganz voller Tag wieder. Früh einen Sprung zu Rob[ert] Frank, der aber nichts da hatte u. mit seinem Geschäftskollegen Bottenwieser erst das Material vorbereiten wollte (Verabredung für nächst[en] Dienstag). Dann zu Harris (spanische Galerie), wo wir mehrere Tintorettozeichn[ung]en sahen, aber mittendrin abbrechen mußten, da es für uns Zeit war ins Bridgewater House zu eilen. Ach, wie schwer war dieses Eilen, da die Sonne schon durchgebrochen war u. sich über unsre Mäntel lustig machte  ! Ist das eine prachtvolle Sammlung u. wie vornehm geschmacklos ihr Rahmen  ! Da ist unten ein Riesensaal mit Marmorboden u. vielleicht 60 Büsten u. Figuren in schrecklichem weißen Marmor u. von erschütternder Qualität herum. Wenn dazwischen nicht ebenso viele prachtvolle blaue Blumen gewesen wären, wäre es noch schwerer zu verdauen gewesen. Aber wie gleichgültig gegen d. Bilder, die uns der „Keeper“ Thomson dann zeigte. Die Bridgewater Madonna, noch andre Raffaels erster u. zweiter Güte, ein Tintorettoporträt (das nicht sehr erfreulich ist) ein allerliebster kleiner Maes, eine einfadelnde* Frau vor einer Landkarte. Aber das war nur unten. Das eigentliche ist erst oben – wenigstens für uns  ; erst im Umgang um d. Halle Poussinsche Sakramenti, kürzlich erst neu geputzt. Von außerordentlicher farbiger Qualität u. Reinheit. Wirklich so, daß man verstehen kann, was für einen Einfluß dieser Maler hatte. Und dann die eigentliche Gallerie. Dieses Aktäonbild Tizians (wie sein Pendant eben auch gereinigt) ist das kühnste das man sich vorstellen kann. Die Körper viel weniger abstrakt wie man sich das beim alten Tizian vorstellt, alles noch ganz bis ins letzte durchgefühlt, durchgezittert und durchgeschüttelt, die * einfädelnd

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Landschaft rechts ein erstes ersehntes Sichhingeben an d. Natur. Ist das ein Fest  ! Das Lebensalterbild daneben sieht aus wie in einem blinden Spiegel ertrunken – man kann gar nichts darüber sagen, weil es alles – vielleicht – noch heraus kommen müßte, wenns einer erst reinigen wird. Das (zweite) Kallistobild ist nicht so überraschend wie sein Pendant, wirklich alte Konzeption noch in neuer Farbe. Die Landschaft l[inks] erinnert stärker an d. Hügel vom „Fluteur“, als ichs in Erinnerung hatte. Schön auch ein Lottobild mit einer ganz dürerisch-getüftelten Landschaft mit 2 Staffage[n] (Hirte u. Holzträger) und ein früher Palma. Ein anderer Palma Vecchio hat eine so späte Ruinengeschichte, daß es von 1528 unmöglich ist. –42 11. [Juni] (Ich fahre jetzt am 11. abends um 6h in meinem Gärtchen fort). Im Bridgewater House war noch ein junger Amerikaner geführt von einem Händler namens Durlacher, der eigentlich nur wegen eines gleichfalls gerade gereinigten Rembrandt (das Selbstporträt – erschütternd  !) da war. Wir verabredeten einen Besuch gleich nach 5, er wollte uns mehreres uns Interessierendes zeigen. Wir enteilten zurück zu Harris (The Span[ish] Gall[ery]), wo wir unsere Tintorettobesicht[igung] wieder aufnahmen und noch d. Photoalbum durchsahen u. mehrere Abzüge versprochen bekamen, von anderem nur den gegenwärtigen Standort zu tracieren erbaten. Es ist uns diese ganze Kunsthändlerei einfach rätselhaft  : Wir finden meistens bei d. Händlern Blätter, die diese bei anderen Händlern gekauft hatten. Sind Zeichnungen so etwas wie kleine Geldeinheiten, die sie zum Austarieren ihrer Bildertauschlerein gebrauchen  ? Wird jemals ein Gegenstand wirklich verkauft  ? Immer nur herumgeschoben  ? …43 Es war schon fast zwei, als wir ins Printroom kamen, wo Hans ein Dutzend Photos aufnahm (darunter auch d. merkwürdige Z[eichnung], die wir von Agnew dazu erbeten hatten ( Jakob im Gefängnis)[)]. Und immer sind noch so viele Blätter übrig, die photogr[aphiert] werden müssen  ! Dann schwer beladen mit Regenschirm u. Mantel, grimmig u. verspätet zu Durlacher – der nicht da war. Wieso  ? Wir hatten uns doch bei Lord Ellesmere – – –  ? Er war nicht dort gewesen – unmöglich  ! Ein Mißverständnis. Wir beschrieben unseren Durlacher – nein, der richtige ist an old rather shaky man. Hans hat Ahnungen, er ruft bei Agnew an – siehe da, dort werden wir wieder erwartet. Der falsche Durlacher entpuppt sich als der junge Mann von Agnew  ; der allerdings sehr ähnlich heißt und durch das typische Auftreten eines „Jungen Mannes“ (alles per „Ich“ habe … „Ich“ werde ihnen zeigen) so selbständig wirkte. Wir gingen zu Agnew, wo uns diesmal der ältere Eigentümer d. Firma empfing u. einen Tizian zeigte (der Jüngere unlängst war auch in den Bildern, die er vorführte, ganz auf Tintoretto eingestellt). Es war ein von Lionello Venturi gesichertes Porträt des Navigero, Profil (fast scharf ) nach l[inks] mit prachtvollem Oberkopf, aber etwas schütterem Bart u. vor allem schütterem Körper. Immerhin ein ernstes u. schönes Bild. Es ist – bez[iehungsweise] muß sein – aus dem 4. Jahrzehnt, also aus d. Zeit, 89

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da Calcar bei Tizian arbeitete – ist es vielleicht doch von Calcar  ? Man ist bei einem Blondbart so leicht versucht auf Calcar zu tippen. –44 Dann gingen, d. h. fuhren wir heim u. waren vor d. Gewitter, das d. ganzen Tag über uns hing, so abgespannt, daß wir uns nach d. Nachtmahl erst ein halbes Stündchen ausruhten, bevor wir zu arbeiten begannen. Und heute wars wieder so heiß, als hätte es gestern nicht geregnet – wir aber waren danach angezogen  ! Hans ist allein nach Cambridge gefahren, ich bin ein wenig später fort u. hab (als erster) in Witts Library angeläutet. Erst hab ich die Photogr[aphie] d. Kieslinger Z[eichnung] „erledigt“ (weiß Gott  !) – die er für einen Entwurf d. Rubens für d. Bauerntanz hielt, von der ich mir aber ein Photo erbat, da sie mich an d. Tanzenden hinten in der Venus d. Metropolitanbildes ein wenig erinnerte. Nun, ich hatte ein richtiges Gefühl  : sie sind dürftig nach einer in einem Stich Corneilles erhaltenen Campagnolazeichn[ung] herauskopiert, im Sinn d. Stichs, die Bäume nur weggelassen, was ihnen das Impromptu gab. Dann Paris Bordone, Giorgionezeichnungen u. Bilder, Palma Giovane. (Ich glaube, ich bin einem Tizianbild auf der Spur, das verschollen war  ; bevor ichs niederschreibe will ichs aber erst d. Hans Abb. 25  : Kurt Winkler – „Ein mutiger Bursch“, 1937. erzählen.)45 Um eins bin ich dann mit Frau Tarnay lunchen gegangen. Das ist immer herzzerbrechend mit dieser verschütteten Existenz zusammenzukommen. Von 2 bis 4 hab ich dann d. Originale Sir Roberts angesehen u. bin eigentlich im großen ganzen durchgekommen. Tintorettozeichn[ungen] sind gut, Palma G[iovane] lauter späte, so charakteristisch (Gott seis geklagt)  ; interessant vor allem kleinere Meister wie Damini, Corona etc. Und dann war’s sehr heiß zum Nachhausefahren u. ich hab den Schirm nicht im Bus gelassen, weil der Busmann es zu verhindern wußte. Und dann hab ich mir um 2£ und 2¢ Trinkgeld d. Haare waschen lassen, was nicht einmal sehr lästig war, obgleich ungewohnt „Kopf nach vorn geneigt“. Und dann bin ich nachhaus, wo ein Brief von Kurtl u. Trude wartete. Und dann – und dann bin ich jetzt fertig u. schon sehr ungeduldig, daß d. Hans kommt. (Nachtrag  : bei Witts sprach mich Delbanco aus Hamburg an  ; er ist schon seit 7 Jahren hier. Natürlich auch Kunsthändler.) –46 90

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13. [Juni] Nach dem Frühstück (nicht London, sondern) Scarbank House, Swanage, Dorset zu Weekend bei A. G. B. Russel, dem Lancaster Herald. Wir sind gestern fast schon im Morgengrauen aufgestanden u. um 8h30 in Waterloo Station abgefahren. Sehr voll, lauter Weekendleute. Fast vier Stunden dauert d. Reise, das letzte Stück in sehr freundlicher Landschaft. Föhren, grünste Wiese, Hügel mit altem Gemäuer u. immer wieder Ausblicke aufs Meer. In Swanage wartete d. Wagen mit dem Hausherrn drinnen u. seiner Housekeeperin, die ohne Hut, aber mit weißen Handschuhen (nur mit How do you do, aber ohne Vorstellung) chauffierte. Man fährt durch d. Ort, der ein richtiger Sommerfrischlerort ist, hinaus in die Wildnis  ; hinaus u. bißchen hinauf, wo man nach einem Viertelstündchen u. weniger schon d. Haus sieht. Vor etwa 10 Jahren gebaut, ganz aus Stein, aus zwei ebenerdigen Flügeln bestehend, zwischen denen ein einstöckiger Mittelteil – wie der Balken im H die Verbindung herstellt. Der eine Flügel ist The boys wing, der in den vielen Monaten, die diese fort sind, einfach aus d. Betrieb ausgeschaltet werden kann. Der Bauplan ergibt eine wundervolle Einfahrt nach d. einen Seite – mit einer großen Bleifigur, englisch, 18. auf dem Türbalken – und eine noch wundervollere Terrasse nach der andern Seite. Und weil d. Terrain nach dieser andern Seite absinkt, ergibt es noch eine an dem einen Flügel zum Ausgleich mit d. Terrain angebaute Porch  ; auf d. Dach d. Flügel aber ist nicht nur ein luft- u. licht- u. windvolles Hinaustreten möglich, sondern ein richtiges ausgreifendes Auf- u. Abgehen, denn nirgends ist mit d. Raum gespart u. der ganze große Steinorganismus dieses Hauses wächst mit langsam u. tiefgezogenem Atem aus dem sanften Hügel heraus. Drinnen ist alles u. mehr, als der englische hohe Lebensstandard benötigt. Warmwasserheizung u. Elektrizität, die sie selbst erzeugen u. Blumen, wohin man blickt. Im oberen Zimmer d. Mitteltraktes ist das Museum. Die ausgezeichneten Zeichnungen an d. Wänden, die d. Besitzer sich aus seinen verschiedenen Verkäufen zurückbehalten […] und von denen vor allem der Ruderer von Veronese einen Eindruck macht, der d. Lichtdruck u. d. Photo weit zurückläßt. Bei diesen könnte man an Tintoretto denken, von dem Original ist nichts davon zu spüren  ; das ist die Seide u. Atmosphäre, das Mithereinbeziehen d. Farbe – d. Hände sind leicht getönt – Veroneses. Hier ist auch d. Marmorrelief, das wir nach der Photogr[aphie] als Michelangelo ansprachen. Vor dem Original tun wir es vielleicht noch immer, aber mit d. Bewußtsein, daß Michelangelos Autorschaft nicht in d. Augen springt, (was in diesem Fall nicht nur heißen will, daß d. Relief keinen geläufigen Zug Michelangelos wieder bringt), sondern bewiesen werden muß. Es ist ein Jugendwerk, in dem die Madonna an d. Treppe u. d. Zentaurenschlacht schon ihre Wurzeln haben, vor allem aber d. Marsyasrelief seinen Verwandten. (Als besondere Stücke d. Museums nenn ich noch d. Lottozeichn[ung], die immer noch ein Puzzle bleibt, den Tiziankopf u. die „von Hadeln anerkannte“ (aber nie publizierte Landschaft), die wir – d. Landschaft – nicht einmal in unsere Kartothek aufnehmen  ; schließlich diese Anbetung d. Hirten, eine kleine Aquarellmalerei, ganz dunkel ge91

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halten, mit einem in Deckweiß gewaltsam hinein gesetztem Kind in Glorie, das wir nicht einmal zu lokalisieren wissen (Oppenheimer S[amm]l[un]g) irgendeine Volkskunst aus d. Ende des 16. Der Kunstgenuß wurde immer wieder durch Spaziergänge u. Mahlzeiten unterbrochen. Die Gegend ist wunderbar einsam, ganz nahegerückte Ausblicke auf eine edel geschwungene Klippe, die das Meer in eine tiefe Kluft hereinholt. Die Mahlzeiten so gut u. reichlich, wie es zu erwarten war. Das einzig lästige war die nicht enden wollende Gesprächigkeit d. Hausherrn. Nicht nur, daß er alle Leute kennt u. mit allen gut friends ist u. auf andre wieder einen Pick* hat, so hält er sich auch stundenlang an sachliche Themen  ; sie gingen zwischen den Polen Nachtschmetterlinge u. Aristoteles hin u. her  ; am ausgiebigsten übrigens bei diesen selbst verweilend. Es dauerte bis ½ 1 u. ich nahm ein Schlafmittel, um das ganze Ge-englisch nicht noch einmal wieder zu haben. –47 14. [Juni] Montag früh. Zurück in London und noch dazu mit dem Eingeborenenstolz, ein richtiges Abb. 26  : „Der Ruderer“ von Paolo Veronese. Weekend genossen zu haben. Viel Post u. vor allem Photos, die unsere Spanne ausweiten  : Kleinmeister  ! Ein Brief von Hendy, der uns vielleicht unsre Reise umstellen u. zuerst nach Schottland zu reisen veranlassen wird. Ein mysteriöser Brief von Prestel-Holbein – jedenfalls scheint d. Paginierfehler sich auf das Burg geschenkte Exemplar allein zu beschränken …48 15. [Juni] Der gestrige Montag fing schlecht an u. schloß sehr verstimmt ab – aber was dazwischenlag war erfreulich. Im Bus entdeckten wir, daß d. Lord Lee eine Antwort von * auf jemanden schlecht zu sprechen sein

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uns erwartet hatte, ob wir also zur vorgeschlagenen Stunde kommen wollten. Wir hatten diesen Passus übersehen u. fuhren recht ängstlich u. einen verlorenen Vormittag voraussehend nach Richmond. Dann aber war alles gut. Das Haus White Lodge inmitten, aber wirklich ganz allein inmitten des unendlich großen Parks nur von einem Blumengarten von ihm abgetrennt ist eine große Überraschung. Wir fuhren mit dem Taxi vom Eingang d. Parks etwa 2 Meilen hin. Der Lord selbst sehr liebenswürdig u. unterrichtet, die Bilder z[um] T[eil] ausgezeichnet, z[um] T[eil] fragwürdig, immer aber interessant. Ist Lord Lee Jude  ? „Friedländer verzeichnet 38 Bilder von Luk[as] v. Leyden  ; ich habe drei davon. Ist das nicht ein schöner Prozentsatz  ?“ Klingt das nicht danach  ? Oder macht Sammler sein an sich nicht schon diesen Eindruck  ? Viele Freunde in Klischee u. Photo hab ich wiedergefunden. Z. B. die gewisse von Hadeln als Tizian publiz[ierte] Madonna mit Joh[annes] Knaben u. Ritter, die ich immer für einen Lotto gehalten Abb. 27  : Arthur Hamilton Lee, 1st Viscount Lee of hatte, hängt hier mit d. Täfelchen Lotto. Die Petr[us] Fareham, 1917. Marter von Bellini, d. von Miethke stammt. Den Tod Mariae, Grisaille von Breughel. Eine Taufe Christi ganz klein von Veronese, Pendant zur Madrider Mosesfindung. Sehr merkwürdig ein Supraport Moses zieht d. Schuh aus vor d. brennenden Dornbusch, das wohl auf eine Komposition Giorgiones zurückgeht, aber sicher nicht von ihm selbst gemalt ist, wenn es Richter auch in seinem neuen Buch einwandfrei anerkennt (ohne Abbildung) …49 Ein wundervoller Weg zufuß durch d. Park, ein lunch darin auf zwei Streckstühlen, ohne daß d. Twopennies–Einheber kam und der Besuch der Cookschen S[amm]­ l[un]g waren der gute Abschluß d. Ausflugs. Von Cooks weiß ich kaum mehr als Rembrandts Titus, u. zwei sehr puzzlinge dritte-Meister (Triumph d. Keuschheit u. d. Ruhmes, 4 Friese ohne Ende, sie heißen versuchsweise Schiavone  ; eine Taufe Christi, die Greco heißt u. ganz gut von unserem Kritzelmeister sein könnte (leider nicht abgeb[ildet])  ; und dann ein herrliches Lavatory mit wirkl[ich] heißem Wasser, sehr auffrischend. Daß ich nicht vergesse  : ein Schläfchen wieder auf 2 Streckstühlen, diesmal gezahlten, mit d. Blick auf d. Themse-Insel.50 Heimfahrt. Georgs schwarzgeränderter Brief  : Selbstmord der Mutter Ehrlich. Nach d. Dinner Zusammenkunft mit d. jungen Hess, der einen verzweifelten Eindruck auf uns machte. Wenn ich denke, daß jene Schuhe, die ich aus seinem Elternhause als Geschenk mitnahm, noch famos intakt sind, während sich bei ihm alles 93

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verändert hat, d. Vater †, die Firma aufgelöst, d. Geld futsch u. Hitler d. Karriere unterbrochen und er jetzt hier den struggle of life hat, bei dem er zu kurz kommen wird. –51 16. [Juni] Gestern war a rather busy day. In d. Früh eine – zwei erquickende Stunden in d. Nat[ional] Gal[lery], endlich ganz hineingekniet in d. Venezianer. Dann laut Verabredung bei Harris, The Span[ish] Gall[ery], wo wir alle möglichen venez[ianischen] Z[eich­nungen] nachgeliefert bekamen. Weiter zu Read, der uns trotz Regen ausgerechnet zu Victor führen wollte, einem franz[ösischen] Restaurant. Man saß sehr nett dort u. aß auch sehr gut. Am nettesten war aber Read selbst. Wie ein verträumter Student trotz seiner weißen Haare. Ein Gefühl gab mir ein, ihn nach Aldington zu fragen, dem Autor von The death of a Hero, das ich grade lese, ich meinte, er müsse ihn kennen – und mein Gefühl hat mich nicht getäuscht. Nachher – etwas verspätet – zu Witt, wo Hans von dem Tizian-Bild, das ich unlängst hier entdeckt hatte (jetzt ists heraus), auch sehr begeistert war. Für 4h waren wir in Green Street bestellt, wo Harewoods provisor[isches] Domizil ist, in das uns Borenius führen wollte. Provisorisch – bis eine der etwa 90jährigen Anverwandten d. K[öni]gl[ichen] Hauses sterben würde, deren Schloß sie dann beziehen könnten. Borenius führte uns ins Boudoir von Princess Mary, (er sagte mit belegter Stimme  : „hier sind sie im Allerheiligsten“), wo d. Veronesezeichn[ung] (das Modello f. d. Decke) hängt u. z[war] in einem Rahmen, der d. Schnitzerei d. Deckenfeldes im Dogenpalast nachbildet. Sicher Borenius’ Idee. Wie er auch so glücklich war, d. K[öni]gl[ichen] Hoheit ein Bild von Sargent vorschlagen zu dürfen, das d. Raum im Dogenpal[ast] darstellt. Dann gibt es dort eine Sammlung –52 (Ich fahre am 17. [Juni] abends fort) – – von Teniers Kopien nach d. Wiener Bildern, es sind schon sehr viele beisammen, aber Borenius will nicht, daß es bekannt wird, sonst wird d. Hoheit von Händlern überlaufen. Wir machten ihn auf ein Bild bei Suida aufmerksam, überließen ihm aber d. Verhandlung zu führen (Wir hörten dann von –   ? von Burgs glaub ich, daß er – Borenius, nicht Suida von jedem Ankauf Prozente bekomme). Von Bildern, die uns angingen war nur ein Tintoretto genannter Fries, der irgendein historisches Ereignis von Zara darstellen solle  ; viele Schiffe sehr frische Malerei, aber sicher nicht Jacobo Tintoretto. Viel zu amüsant, lieblich. Der stärkere Eindruck war wieder Borenius selbst. Er ist so eitel, daß man ihn ohne Scham pflanzen* kann. Er hat uns sogar en passant (mit zwei Anführungszeichen) erzählt, daß er für d. 12. September zum Empfang zur Königin Mutter befohlen sei, er wies d. Brief vor, in dem die Ordre stand. Er war unerhört stolz, uns in das hoheitliche Haus geführt zu haben u. ich * necken

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sagte ihm, daß uns ein langgehegter Wunsch, dessen Erfüllung wir oft angestrebt, aber nie erreicht haben, damit erfüllt wurde. Ich verschwieg, daß Maclagan uns lang vorher es ermöglicht hatte …53 Wir verließen ihn u. taxiten zu BottenwieserFrank, der die versprochenen Tintorettozeichnungen vorbereitet hatte (es sind gewiß die selben, die Scharf zeigen wollte, aber immer „beim Montieren“ hatte) u. dazu noch einen schönen sign[ierten] Leandro Bassano zeigte (Laurentiusmarter, sehr v. Tizian inspiriert). In dem kleinen Laden, der eigentlich nur d. Agentur der Thyssenschen S[amm]l[un]g ist, trafen wir alles, was es an beflissener Jugend hier gibt. Den jungen Gronau, den Dr Gerson aus d. Haag mit Frau, schließlich noch den viel berühmten Norris. Sehr selbstverliebt, sich auf seinen Charme verlassend, oxfordisch schnoddrig u. high brow. Wir sprachen kaum miteinander und doch grüßte er Hans beim Weggehen mit einem Händedruck „to the man who hates so much as I do the Verona portrait“. Kann man Abb. 28  : „Am nettesten war aber Read selbst.“ – versnobter sein  ? –54 Herbert Read, Kunstwissenschaftler, Dichter, Um ein mäßig langes Eck ins Mayfair Hôtel zum Anarchist, 1940. hinkerten Silbervogel. Natürlich saß er in der Lounge mit einem ungarischen Filmstar (Corda), der, wie er sich nachher bei uns entschuldigte, es immerfort hören wollte, wie schön er sei und die er am liebsten daran erinnern wollte, daß er sie genau so schön als Helena vor 14 Jahren schon gesehen hätte. Er empfing uns in seinem Zimmer, ließ Tee kommen (sehr erwünscht), scheint aber ohne Frau zu sein – doch nicht geschieden  ? das hätte Dolly schon mitgeteilt. Wir erzählten ihm alles, was wir auf der Pfanne hatten. Er bat uns noch zu Christie zu gehen, wo ein   !Dürerportr[ät]  ! zu sehen wäre. Wir hängten ihm daraufhin ein Paket mit Plattenschachteln an und fuhren heim, um uns ein Weilchen auszuruhen. Aber daraus wurde nicht viel, da Lugts Photos, eine herrliche Kollektion, angekommen waren  ! Dann schnell umgezogen und (5 minutes late) zu Oppé, wo wir ein gemütliches Dinner bekamen u. dann wieder Blätter aus seiner Sammlung u. welche, die er zum Kauf angeboten bekommen hatte, besahen. Er ist nämlich seit ein paar Tagen beauftragt, für ein Dominionmuseum zu kaufen. Sie haben nicht viel Geld u. er will ihnen nur möglichst Gesichertes verschaffen. Dabei hat man eigentlich doch das Gefühl, die schlechten ins Töpfchen, die guten ins Kröpfchen, wobei über Töpfchen u. Kröpfchen gar kein Zweifel besteht. Oppé erzählte uns, daß Russell eine kurze Zeit lang, bevor er Herald wurde, einen Shop gehabt hätte  ; artdealer, ganz deklariert. Und 95

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Abb. 29  : Der Kunsthändler Elkan Silberman, österreichischer Reisepass.

er erzählte uns weiter, daß Russells Frau heute noch in Swanage einen Antiquity shop hätte. Und er erzählte auch, daß Lord Lee eigentlich nur Händler wäre u. für Duveen einkaufe. Als wir (wieder so) spät heimfuhren, seufzten wir  : ein Lord, der ein Händler ist u. ein Herald, der Geschäfte macht und ein hoher Beamter im Board of Education (Oppé), der in merkwürdiger Inkompatibilität für die eigene Samml[ung] u. für ein Museum kauft – ach diese Engländer  ! Und mitten unter ihnen die ehrlichen deutschen Juden, die nichts anbringen können. Am Mittwoch – also gestern – waren wir erst den neuen Laden bei Burgs anschauen (bei dieser Gelegenheit auch Dreys frühes Tintorettoporträt, mit dem wir kaum etwas anfangen können. Ein elegantes Bild mit silbrigem Grund, ohne Tiefe. Der Besuch bei Christie enthüllte uns in erschreckender Weise des hinkerten Bruders Silbervogel Ignoranz. Im Printroom haben wir „wiederholt“ und endlich erreicht, daß Popham d. lang versprochenen u. immer wieder gemahnten Brief nach Malvern (Rayner-Wood) schreibt.55 Per Taxi zu Kenneth Clark, der in einem herrlichen Haus aus d. 18. Jh. in Portland Str. wohnt. Bei d. Haustüre schon zwei antike Büsten, die auf d. Straße schauen. Drinnen zumeist moderne Kunst. Renoirs, Cezannes (so viele  !), Degas, einzelnes Altes u. einzelnes darunter ganz nett, aber nichts aufregendes. Wie von einem sehr reichen Mann gesammelt, der gern oft kauft, aber nicht mit Hingabe. Die Frau sehr reizend, das Lord Lee’sche Paar, Clarks Mutter u. – last but not least – Swarzenski. Das Essen ungemein kultiviert, auch ungemein kultiviert gedeckt (Clark selbst soll ein ganz reicher Mann sein, „einer von d. ganz reichen Leuten Englands“, wie Swarzenski sich ausdrückte, aber mir macht so eine üppige Note keinen angenehmen 96

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Eindruck – da wäre es mir lieber gewesen, wir hätten nicht das Obst auf Majolika gegessen u. Clark hätte die beiden Verpflichtungen, die er übernommen hatte, nicht vergessen. So aber hat er sie vergessen u. wir kamen nicht nach Buckingham, wie es verabredet war u. nicht zu Lansdowne, wie er sich angetragen hatte. Ich hatte es geahnt, ja ich hatte es Basil Gray voraus gesagt …56 So gingen wir also mit Swarzenski fort u. verabredeten, ihm in sein Hôtel zu folgen, um nach langer Zeit wieder mit ihm zu plaudern  ; er wollte uns auch ein Giorgione-Bild zeigen, das er vor kurzem fürs Staedel erworben. Es war eine Romulus u. Remus-Geschichte, aber ohne Wölfin, sondern mit Lupa – der „Hure“ – als Gattin d. Bauern u. Ziehmutter d. Kinder. Eine Tafel sehr zart, kaum mehr als eine Zeichn[ung], eine Untermalung, aber reizvoll. Wenn nicht Giorgione, so doch ihm nahe stehend. Von Frankfurt hat er nicht viel erzählt, aber das wenige war schon schlimm genug. Geheimnisvolle Andeutungen über Schilling, der „noch“ da ist, aber (schon) Arbeitsurlaub hat. Das hat er auch erzählt, daß Posse geheiratet hat (es scheint, seine Haushälterin) und daß Zimmermann zwei ital[ienische] wichtige Bilder an Duveen abgegeben habe, um d. Holbein von Goldman † hereinzubekommen (nach Swarzenski politische Liebäugelei) …57 Dann nachhaus, wo die von Kris nach Wien mitgenommenen Aufnahmen von Trödhan eingelangt waren u. von mir sogleich beschriftet wurden. Jetzt noch den heutigen Tag. Hans ist früh nach Cheltenham gefahren u. hat mich mit d. Wohnungsschlüssel u. mit reichlichem Geld ausgestattet, damit ich für Burgl d. Mantel kaufen könne, zurückgelassen. Ich fühlte mich aber so shopping-lustig, daß ich gleich in d. früh mir ein Notizbuch erwarb (1 penny, sehr preiswert). Bei Witt konnte ich es gut brauchen, es ist schon sehr voll  ! Bei Witt wird mir immer die Zeit zu kurz. Man kommt ja nicht oft zu Lösungen, da sie ja nur Material bringen, aber keine Sicherheit dazu – aber Anregungen sind ohne Ende  ! Ich blieb wie immer, bis man mich hinauswarf und ging dann zu einem schon vorausgewußten Spezialisten, wo mir gleich das erste Stück, das man mir zeigte, das entsprechende zu sein schien. Im Printroom dann war es viel mühsamer, da mir d. Allein-Herumhantieren mit den schweren Kartons nicht angenehm ist. Ich sprach Popham, dem ich Burgs Nic[colo] dell’Abbate-Zeichn[ung] zeigte und Dodgson, der gerade an uns schreiben wollte, daß es also beim Montag-Ausflug nach Gath[orne] Hardy bleibt u. er uns Mittag um eines zum lunch erwarte. Beim Nachhauseweg schaute ich ins Thackeray Hôtel, ohne Burgs anzutreffen und jetzt – jetzt hab ich schon gedinnert u. geschrieben u. geschrieben. Jetzt mache ich noch d. Lugt’schen Photos fertig, bis man mich zum Bade rufen wird. Ich habe ein winterliches Wollkleid an u. eine Decke auf d. Knien u. freue mich trotzdem auf mein Bad, das mich hoffentlich wärmen wird. Und was machst du jetzt, Hans  ? Du liest  ? du schreibst  ? aber nicht an mich. Mich siehst du ja – morgen  !58 97

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18. [Juni] Mein Hansl, wenn du aus Cheltenham zurückkommst, werde ich wohl gerade bei Wares sein. Wirst du das Tagebuch lesen u. d. Brief hin an dich finden  ? Ich hab von heute wenig zu berichten. Ich habe, trotzdem ich allein schlief, die Gartentüre offen gelassen u. richtig Besuch bekommen. Eine Katze war da – oder war es unser Kater  ? Sprang auf mein Bett u. weckte mich. Ich schmiß ihn dezidiert hinunter. Als ich in d. früh aufwachte, glaubte ich schon, daß ich alles geträumt hätte. Leider aber fand ich d. Pfotenspuren auf dem Pijama, das ich dir gestern abends gewaschen habe. Post kam nicht viel, ich leg es unter das Büchel. Das Wetter hat wieder so viel herumgewechselt, daß ich mich dreimal umziehen mußte, bis ich wegkam. Heut hab ich’s gemerkt, wie eingelebt ich mich schon fühle  : ich hab einer Werkelfrau einen ha’penny gegeben  ! Was ich bei Witts atemlos gearbeitet habe, das hab ich alles aufgeschrieben  ; ich sprach nur Scharf u. Gronau, die mir eine Photogr[aphie] zeigten, die nach einem 1672(?) datierten Bild war (Venus mit 2 Damen in d. Schmiede d. Vulkan) u. wir alle nicht lokalisieren konnten. Das befremdlich zwiespältige kam wohl daher, daß d. Venusgruppe (wie ich ihnen sagen konnte) nach Bloemaerts Stichen gearbeitet war. Mittag ließ ich meinen Sack dort u. zog mit meinem Lunchpackerl in d. Hyde Park – lief mich aus und lief mich dann um 4h noch einmal aus, bis zu Alberts Memorial, denn ich mußte meine Augen ausruhen, die sehr hergenommen waren. Zuhause fand ich dann den Brief von d. Kindern. Sie sind mir alle sehr lebendig geworden. – sogar Anderl, von dem nur ein Wort drinnen steht, daß er lange zu tun hatte, die Therese zu beruhigen. Wie charakteristisch, daß diese Aufgabe ganz selbstverständlich ihm zufiel. Sogar Burgel, die wenn auch nicht da, doch überall durchscheint. Mein stolzes tapferes Mädel. – Kommst du mich holen  ? –59 20. Juni, mein Geburtstag. Seine wesentliche Feier gestern abends Kurts Karte, die Burgls Enthaftung in Aussicht stellte. Wir haben Grund zu hoffen – er hätte es nicht geschrieben, wenn’s nicht schon Körper angenommen hätte. Wir hatten die ganze Zeit schon das Vorgefühl einer günstigen Wendung  ; wir sprachen darüber, wieso wir mit solcher Heiterkeit in der letzten Zeit an B[urgl] denken konnten, wohl weil sie jetzt in einem ordentlichen Gericht, oder weil sie Handarbeiten darf, eine Stunde spazierengehen  ? Hans sagte mir zu diesen Überlegungen, daß er auch seitdem sie bei Gericht ist, ganz ruhig wäre …60 Aber ich muß vorgestern abends beginnen. Ich ging zu Pamela, von der ich hörte, daß die Großmutter (82 Jahre alt) die doch immer so frisch u. lebensfroh war, am Sonntag plötzl[ich] operiert werden musste, ein Gewächs im Bauch  ; sie dürfe noch nicht besucht werden, man hoffe, daß sie davon käme. Ich legte mein Gesicht in die gebührlichen Falten, aber sie erzählte dann gleich wie köstlich es gestern in Music 98

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Hall bei dem berühmten Volkskomiker mit d. roten Nase gewesen u. daß sie heute Nachmittag mit ihrer Mutter im Kino war u. gerade nachhause gekommen. Die Mutter – Tochter der Schweroperierten – trat dann ins Zimmer in Gold u. türkisfarbenem Samt gekleidet, soweit d. Busen frei blieb mit ebensolchen Emailschmuck behangen, nacktarmige Venus im siebenten Jahrzehnt  ! Wir hatten das Dinner u. schon mußte sie fort zu einer Bridgepartie. Ich bügelte meine teilnehmenden Falten wieder aus … Hans holte mich ab und wir fuhren bei einem einsetzenden Regen heim. Da ich meinen Abendmantel hatte, der schrumpelt, wenn er nur Regen im Radio angekündigt hört, war ich sehr grimmig. Es folgte ein Wolkenbruch mit Donner u. Blitz – aber da waren wir schon zuhaus. Und gestern dann das graueste Wetter. Es ist richtig kalt und bei Pamela war u. gerade jetzt neben mir ist es im Kamin geheizt. Das sieht sehr nett aus, aber macht keinen Unterschied, ich habe mein winterliches Wollkleid nicht ausziehen müssen … Wir waren in d. Früh einen Sprung bei Burgs, denen wir das „Michelangelo“Relief zeigten, sie waren gleichfalls sehr intrigiert. Dann haben wir im Printroom gearbeitet, vormittags mit Photographien gemischt, nachmittag nur bei den Sotheby-, Christie- etc. Katalogen. Ich helfe Hans beim Photographieren, schnüffelte aber, während er einstellt, in d. Büchern herum, was zur Folge hat, daß ich gelegentlich das Abblenden etc. vergesse (was sonst mein Geschäft ist), sodaß eine Platte futsch ist – was aber auch zur Folge hat, daß ich ganz zufällig eine Anregung erwische. Gestern war eine Platte futsch, aber ich bin auf Zeichnungen von Franc[esco] di Giorgio in L’arte gestoßen, die das Rätsel des Liebespaares (Anonym, vielleicht Zoan Andrea) bei Lugt lösten. Das hat uns beiden viel Spaß gemacht. Jetzt muß ich nur noch nachsehen, ob sich vielleicht zufällig eine Cassone von F[rancesco] di G[iorgio] dieses Stoffs erhalten hat. Das kann ich leicht bei Witt …61 Die Verbindung zwischen d. Törichten Jungfr[auen] Zeichn[ungen] bei Lugt u. d. ausgeführten Modello im Brit[ish] M[useum] kann jetzt mit d. eingetroff[enen] Photos von Lugt leicht hergestellt werden. Von den „Greco“blättern wird sich so d. Brücke nach Verona schlagen lassen, das ich – im Gegensatz zum Albertinakatalog – schon voriges Jahr als Entstehungsort der gewissen Tintorettozeichn[ung] von Grassi angenommen hatte. Ich werde zu kunsthistorisch, wie ich es in diesem Tagebuch doch nicht sein wollte. Zuhause war eine sehr herzige Karte von Mama, ein Geburtstagsbrief von Georg (als wäre er von seiner Großmutter geschrieben), andres mehr und ein Telegramm von Lord Allendale, der uns mit Vergnügen sein Bild zeigen wird (und wir werden es doch wiederum nicht für einen Giorgione halten, fürchte ich  !), er telegraphiert aus Windsor, also ein Mann, der auch beim Ascotrennen dabei ist, ja wir haben hier sehr vornehme Bekannte … aber am meisten freute mich doch die Karte vom Kurt  ! Heut ist der richtige Londoner Sonntagvormittag. Tagebuch schreiben, Briefe, Photos einordnen, ausruhen. Am Nachmittag sind wir schon wieder tätig.62 99

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Abb. 30  : Giorgione, „Allendale Nativity“, 1505–1510.

22. [Juni] Wir waren in Dulwich, wo uns d. Polizeimann einen falschen Weg [ge]wiesen hat, so daß wir durch die allerschönste Natur (die dort dem College gehört, das mit diesen Riesenterritorien das Häusermeer Londons abschneidet bzw. unterbricht) zum Museum zurückgehen. Das Museum ist ganz erfreulich, sogar mit ein paar Bildern drin, die uns angingen. Wir haben ein Bilderbuch erworben, indem sie aber nicht alle drin waren. Das amüsante ist, daß sein Stifter – der Maler Bourgeois – mitten unter seinen Bildern begraben liegt. Man sieht durch Glasfenster in den einfach ausgestatteten Gruftraum hinein, in dem, sehr vorsorglich, auch die Röhren der Zentralheizung angebracht sind  ! Saxl, der sich als Dulwicher für das Museum verantwortlich fühlt, traf uns dort  ; er sagt bei jedem besseren Bild, „das ist von Rubens, da kann man nichts dagegen machen“ oder „das ist von Poussin, da kann man nichts dagegen machen“. Die Phrase faszinierte uns beide qualvoll, wir warteten schon immer darauf, wie aufs 100

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Zahnweh. Er nahm uns dann in seinem Wagen in sein Haus mit, wir tranken im Garten Kaffee (Fr. Dr. Bing, die mit ihm wohnt, machte die Hausfrau, Saxls Tochter war auch dabei, aber nur eine Stumme Rolle – leider keine unsichtbare  !). Es wurde dann ein ganz gemütlicher kunsthistorischer Stammtischnachmittag, der sich bis gegen 7 hinzog. Wir konnten (nach einem furchtbaren Wolkenbruch u. Gewitter) dann leider nicht nachhaus, ich war furchtbar abgespannt. Fuhren zum Regent Park, wo wir in einem der entzückenden Häusern (von Nash um 1820 gebaut) in einem Flat bei Basil Gray nachtmahlten. Die Frau (Tochter Binyons) ist ebenso reizend zum Anschauen wie reizend als Mensch. Sie arbeitet über langobard[ische] Inschriften, kein Corpus, aber immerhin, hat d. Haare straff mit einem Kamm zurückgehalten wie ein braves Mäderl in einer Klosterschule. Das steht ihr so persönlich. Die beiden Kinder (Baby-Mäderl u. dreijähr[iger] Bub, wir sahen sie nur schlafend) sind ganz oben in einer Art Dachgeschoß untergebracht, in dem Flat darunter wohnen andere Leute. Da die Nurse sehr zuverlässig ausschaut, wird sie wohl viel Zeit für ihre Inschriften verwenden können. –63 Ich war vom späten English-reden so erschöpft, daß ich die ganze Nacht nicht schlafen konnte. Erst lange nachdem es hell geworden ist u. d. Vögeln schon ausgesungen hatten, schlief ich ein. Trotzdem hab ich denn gestern bei Witt gut gearbeitet (Hans hat photographiert)  ; zuerst über die Francesco di Giorgiozeichnung Lugts, dann viele Bassanozeichn[un]gen identifiziert, auch eine bei Mrs. Rayner-Wood, ein Christkind, das wir erst sehen sollen. Wir haben bei Dodgson geluncht, das ist nur paar Schritte von Witt entfernt (d. Frau war nicht in London) und seine neue erworbene Rötelzeichn[ung] von Baldung bewundert  ; er hat sie kurz vor d. Oppenheimerauktion in dem Warwick-Sale um 16 Pf. erworben, da sie schlecht beschrieben war (nur als „German“) u. niemand sie beachtet hatte. Es ist eines d. schönsten deutschen Blätter (ein bärtiger Kopf vor einem bartlosen, sehr groß). Gleich nach d. Lunch fuhren wir zwei Stunden mit Dodgson in seinem Wagen nach Donnington Priory zu Gathorne-Hardy. Das ist über Ascot hinaus, eine sehr nette Fahrt, bei schönem Wetter u. im offenen Wagen wirklich sehr erquicklich. Auch dort war die Frau nicht daheim (sie mußte zum Zahnarzt nach London), aber der Hausherr, der als Schwiegersohn von Malcolm die paar außerordentlichen Blätter der S[amm]l[un]g hütet. Wirklich hütet, nicht eines ist verkauft worden – u. was für Werte sind es doch  ! Es war ein eindrucksvolles Milieu. Der große Landedelmann der gerne Forellen im Bach fängt, der durch seinen Garten fließt. Und wie schön ist dieser Garten, der als richtiger „englischer“ anfängt dann mit einem Wäldchen in seine Nutzabteilung überleitet, in der an Stangen Sweetpeas gezogen werden u. bunte Blumenbeete die Gemüseäcker kaschieren. Ziegelmauern sind durchgezogen, damit d. Edelobst eine geschützte Rückenwand finde u. die letzte dieser Mauern hat eine Tür, die geradeaus in die Stallgebiete führte. Wir machten die Türe auf, Dodgson u. ich, da sahen wir vor uns den Ausblick auf eine Kuh, das heißt nur auf d. hintere Hälfte einer Kuh, denn 101

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die vordere war von einer Mauer – wie vom Plattenrand – abgeschnitten. „Dürers Kuh“, sagten wir beide aus einem Mund  ; „aber kein Ochse  !“ sagte ich, denn auch das war zwischen Winkler u. uns kontrovers gesehen worden, der die Vorzeichn[ung] zum verlorenen Sohn-Ochsen für eine Kuh gehalten hatte. Das aber blieb zwischen Dodgson u. uns die einzige Anspielung auf Dürer …64 Ich setze wieder oben ein  : der große Landedelmann, der sich aber mit voller Hingabe für alle Fragen d. internationalen Politik interessiert, viel auf d. Kontinent reist u. ohne an eine praktische Umsetzung seiner Kenntnisse zu denken, über die Ergebnisse seiner Studien für einen wissenschaftlich interessierten Klub Vorträge hält …65 Es war eine sehr schöne Fahrt, aber anstrengend, da Dodgson recht schwerhörig geworden ist. Wie gerne wären wir diesmal nachhause zurückgekehrt, aber Burgs hatten uns ins Gennaro eingeladen und so fuhren wir mit Dodgson stadtwärts. Die Fahrt hatte uns Appetit gemacht u. die italienische Küche war eine Wohltat. Zuhause aber hab ich ein Schlafmittel genommen, es ist doch das einzige, der Erschöpfung Herr zu werden. Jetzt komme ich zum heutigen Tag. Der fing blau an u. endete mit Regen  ; wir brachten alles was wir an Büchern entbehren konnten u. auch die (II) bisher aufgewachsenen Plattenschachteln zum hinkerten Bruder, der sich des Packens u. Versendens annehmen will. Bei Sotheby sahen wir dann einen richtigen Suidaschen Tizian, halt so ein gewisses Männerporträt, das immer wie ein ausgezogener Handschuh ausschaut. Ein Stilleben von Velazquez u. ein „Eli u. Samuel“ von Fabritius daneben, gleichfalls Ehrenplatz. Ganz versteckt ein Romaninoportr[ät], das überschmiert, aber gut schien. Im Printroom haben wir weiter „wiederholt“, mit Popham auch wegen unserer Reise nach Malvern gesprochen, die wir doch lieber auf unsere Rückkehr verlegen (Mrs. Rayner-Wood hat uns eingeladen, bei ihr zu übernachten). Ich habe den „Gran Capitaneo“ Stich durchgepaust, da d. Earl of Yarborough das Bild nicht identifizieren konnte, das wir bei ihm sehen wollten. Nach dem Lunch (auf d. Bank am Museumseingang) gingen wir ein Bassanoportr[ät] anschauen, das Silberman gekauft hat. Es war schon beim Bilderpacker, der als solcher auf seinem Schild bezeichnet wird. Zwei Klacheln* mit Schürzen aber runden Hüten hielten uns d. Bilder. Bei Christie im Keller sollten wir dann ein Bild „Schule Giorgiones“ anschauen, das war aber schon zu weit gegangen. Dann verabschiedeten wir uns vom hinkerten Bruder, der aus diesem Zusammensein die Lebensregel als Gewinn davon trug, daß immer der Vater – Jacopo heißt. Bellini, Tintoretto, Bassano. –66 Im Victoria u. Albert Museum trafen wir nur Miss Longhurst – Maclagan was not in –, die uns die Photos von d. Z[eichnun]gen überreichte. Wir versuchten dann einige Bertoldophotos etc. wegen d. Russellreliefs anzuschauen, es war aber nicht ergiebig, sie haben sie auch nur nach K[ün]stlern geordnet u. wir wollen mehr anonymes sehen. So schlenderten wir noch durchs Museum und fielen in den Raffael* grobschlächtige Männer

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Abb. 31  : „Dürers Kuh – kein Ochse  !“ – Albrecht Dürer, Der verlorene Sohn, um 1496.

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Kartonsaal, obwohl er im oberen Saal liegt, wie in einen Keller, so finster ist es drin  ! Vielleicht – er hat Oberlicht, die Glasscheiben sind aber verdunkelt – um d. Kartons nicht zu sehr d. Licht auszusetzen. Das ist sehr traurig, denn der Eindruck könnte unbeschreiblich sein, man sieht es an den Fragmenten, die man auffassen kann. –67 Jetzt sitzt Hans u. stöhnt über eben eingelangten Dürer II/2 Korrektur[en]. Hans hat sie hererbeten – sie schicken sie knapp bevor wir aufbrechen  ! So ist es immer. –68 23. [Juni] abends. Heute früh kam von Sir Audley Neeld eine definitive Absage  : er ist an allen Tagen des Juni u. Juli awfully engaged u. ist awfully sorry etc. Da er 82 oder 92 Jahre alt ist und – wie wir aus who is who wissen – ein persönl[icher] Freund von Edw[ard] VII. oder William The Conquerer können wir wohl nichts dagegen machen u. müssen uns damit begnügen, die Photogr[aphie] seines hl. Georg bei Witt gesehen zu haben. Ein Brief von Fixlein, der Margaretls Durchfall in Latein u. Näheres über Burgl enthielt, hat uns die Laune weiter verdorben. Wir fuhren stadtwärts, Hans zur Bank, ich in die Spanish Gallery, wo ich viele Photos nach Z[eichnung]en u. Bildern geschenkt bekam.69 Dann trafen wir uns Ecke Piccadilly – Bond Street u. gingen nach Piccadilly 144 zu Lord Allendale, der in einzig schöner Lage am Rand d. Hyde Parks wohnt. Er hat selbst einen schönen Garten u. gleich dahinter noch außerhalb dieses ist ein andrer Park, zu dem er d. Schlüssel hat. Aus dem Hyde Park sind Entlein zu ihm herein geflogen u. haben sich ein Nest gebaut, sind ausgekrochen u. schwimmen jetzt in seinem Teich. (Mitteilung des Butlers). Der Allendale-Giorgione ist ein sehr bedeutendes Bild u. sicher niemandem näher als dem Genius, den wir Giorgione nennen. Die Landschaft ist wie auf d. Tempesta aufgebaut u. der Josef wie d. Greis auf d. Wiener Bild  ; es ist sicher ein zeitgenössisches Bild. Aber alles ist doch wie von einem, der sich nicht darum plagen mußte. Sehr gekonnt, sehr gepflegt. Die Staffagefiguren sind feinster Giorgionestaffagestil wie auf d. Hintergrund d. Giulio Campagn[ola]. Johanneslandsch[a]ft oder auf d. Hügelweg d. Noli me Tangere. Im selben Raum ist ein entzückendes Anton[ius] Abbasensemble von Giov[anni] di Pietro, ein Zinsgroschen von Rembrandt, ein herrlicher Steen. Wir haben noch alle Bilder in anderen Räumen betrachtet u. dabei die verschiedenen Unterrichtsstunden der jungen Herrschaften gestört. In einem Zimmer lernte ein Knabe französisch, das aber seine Governess weiß Gott sehr unfranzösisch aussprach, in einem andern Mäderl (in altgelb mit ebensolchem Velasquezmascherl im blonden Haar) u. Bubi etwas andres. Die Erzieherin hier sprach uns deutsch an  : „Waren Dresden Bilder sehen  ? Ich dort Pensionat. Raffaelmadonna sah  !“ Dann aber erzählte sie weiter, daß die Kleine mit deutsch angefangen habe, aber mit einem deutschen Fräulein, was uns doch ein wenig beruhigte. Lord Halifax wohnt auch sehr schön am Eaton Square, aber doch mehrere Grade weniger „aussichts“reich. Er hat das Temple Newsam Porträt, das noch am 104

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ehesten wie ein Tizian aussieht, aber für mein Gefühl doch wieder nicht so ganz wie ein Tizian. Es ist doch etwas härter gemalt u. stärker sentimental als Tizian um diese Zeit gewesen wäre. Aber ein ganz erstklassiges Bild. Sehr gut auch u. wohl erhalten eine Kreuzabnahme vom Bartholomäusmeister mit einem Schergen – oder sonst was – Figur ganz oben (der Christus herunterläßt), spreizig u. turnerisch wie eine Weberknechtspinne. ( Ja richtig im Kinderzimmer bei Lord Allendale war ein entzückendes datiertes u. signiertes Bild von […], merkwürdig venezianisierend ein Motiv der großen Figur vorn  ; darunter stand ein von einem Drahtgitter umgebenes Körbchen auf der Erde, drin ein Hündchen, flaumig weiß …70 Wir hatten Mittag mit Christine Rendez-vous in einem netten italien[ischen] Lokal (Vajano) in d. Charlotte Street. Wir haben ihr von Burgel erzählt u. sie gab uns Ratschläge, falls sie herkommen will … Dann zu Witt, wo ich mich mit Veronesephotos beschäftigte. Das „Giorgione“bild von Frankfurt ist in einer Photo[graphie] (E[duard] Plietzsch, Berlin 1936) (in übermaltem Zustand) dort  ; wenn das nun ein Giorgione ist, dann muß d. Zeich[nung] in Berlin mit d. Bauernhäusern, die so „dilettantisch 17.“ ausschaut, nicht zu weit von ihm sein …71 Um ½ 5 trafen wir uns mit allen Hartleys beim Tee  ; wir gaben uns alle Mühe heiter zu sein, was uns alten, die wir einen Krieg schon erlebt hatten, nicht leicht fiel. Die Headlines sind nicht sehr beunruhigend u. man sieht eigentlich gar nicht, wie die Katastrophe noch aufgehalten werden kann. Deutschland u. Italien aus d. Kontrollverband ausgetreten, behalten sich alle weiteren Schritte in Spanien vor. Am Nachhauseweg haben wir uns bei Cook das Rundreisebillet für Irland – Schottland bestellt  ; ich habe direkt ein Gefühl d. Erleichterung wenn ich denke, daß wir damit noch weiter wegkommen – als ob man überhaupt wegkönnte, heraus könnte wenns zum Klappen käme u. nicht jeder darin gefangen wäre … 24. [Juni] Gestern hab ich geglaubt, früh schlafen gehen zu können, aber das hat unser guter Oppé vereitelt, der eine Bassanozeichn[ung] für sich oder seinen canadischen Auftraggeber kaufen wollte, aber erst unsre Meinung darüber hören wollte … Wir fuhren also am späten abend hin, aber die Z[eichnung] war nicht den (eng­l[i­ schen]) Shilling Fahrspesen wert. Heut früh haben sich unsre Wege getrennt, Hans ist nach Salisbury, ich zu Sir Witt, wo ich sehr erfolgreich war (Veronese). Zum Dank für unsre Aufnahme hab ich der Lady Witt heute den englischen „Tizian“ überreicht. Ich hab mich in d. Mittagspause u. dann nach Arbeitsende fleißig im Grünen ausgelaufen, bin durch u. durch gegangen, auch ein Weilchen an d. Springbrunnen weiter, der um das Jennerdenkmal angelegt ist, hin gesetzt. Die Unbegabtheit dieser Nation für alles was über d. Bedarfsartikel hinausgeht, ist phantastisch. Die ganze Anlage ist wie von einem Preisausschreiben für neue Ankersteinbaukastenvorlagen in die schöne 105

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Abb. 32  : Wilton House, Wiltshire.

Natürlichkeit d. Parkes hineingesetzt. Hans muß diesmal seinen Ausflug hierher niederlegen, schlimm genug, daß ers mit Cheltenham unterlassen hat.72 Einschub Hans Tietze  : Sehr bequeme Bahnfahrt von Waterloo-St[ation], dann Auto nach Wilton House (Pembroke) wo mich die Haushälterin herumführt. Prachtvolles Inigo Jones Schloss mit spätmittelalterlichen Resten, noch prachtvollerem Park mit den ältesten u. größten […] u. Steineichen in England. Im Schloss große altmodische antike Marmorsammlung, unzählige Familienbilder von Van Dyck, Reynolds, Gainsborough, unter ersteren das große Familienbild. Von Einzelstücken  : Tintoretto späte Fußwaschung, Lucas v. Leyden Kartenspieler, Breu Schlacht v. Pavia, westfälische Beweinung Christi, viel schlechte Bilder, Reste ehemaliger Pracht. Dann zurück Salisbury, reizende Altstadt, Kathedrale, lunch. Nach diesem Longhurst Castle (Radnor) nach der andern Seite in noch größerem und schönerem Park. Gut gehaltenes Haus, XVII. Jh., mit fabelhaft guten englischen Möbeln des XVII. u. XVIII. Wieder viele Familienbilder (besonders Gainsborough), aber viele andere Hauptstücke  : Holbein Erasmus, Mabuse Egydius, Velazquez Pareja, Bordone Dame. Herrlicher Rubens Escoriallandschaft, Poussin Mannalese u. Gold[enes] Kalb. Berühmter Eisenschnitzsessel von Thom[as] Rucker f. Rudolf II., Überblümelhuber. Zurück durch den Park gelaufen, dann über die lästige Strasse gehatscht*.73 * gegangen

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25. [Juni] Wir sind bei so trüben Wetter (man mußte beim Frühstück Licht brennen  !) nach Hampton Court, daß wir nicht nur alles Regen-entsprechende anhatten, sondern auch fürchten mußten, von d. Bildern nichts ausnehmen zu können. Es klärte sich aber schon auf der Hinfahrt im Trolley-Bus auf (wir saßen oben, wo man von den Oberdrähten das Gedonnere aus erster Hand hat), sodaß die eine Sorge genommen war, aber die lästigen Mäntel u. Schirme uns dafür blieben  ! Clark hatte uns einen Brief an den dortigen Beamten (Rainbow) mitgegeben, der uns die 2 Sh[illing] Entreé ersparte, dafür die Depots u. Schranken vor d. Bildern öffnete. Die Galerie ist neu aufgestellt u. katalogisiert (den Katalog hatten wir erworben)  ; es sind schon sehr interessante Bilder darin  ; der sehr gute frühere Jacopo Bassano, ganz hell und das wunderbare mondsilbrige Spätbild. Das prachtvolle Porträt von Tintoretto  ; das […] bild (wohl früh  ?), das Esther vor Ahasver-Bild (das ich nicht für Tintoretto halte). Die Doublette des Gaston de Foix wird hier als Savoldo geführt, scheint mir eine späte Kopie zu sein. Wundervoll d. Anbetung d. Kindes von Savoldo. Die vielen Dossos, an denen man die Provenienz so vieler Bilder aus Mantua merkt. Als Spezialität erwähne ich „die Zusammenkunft des englischen Königs mit Maximilian“ by an unknown painter, nach meiner Erinnerung eine Vergrößerung ins 100.fache aus Dürers Ehrenpforte heraus. Wir blieben so lange, daß wir garnicht in d. Park kamen, sondern mit d. Zug nach Waterloo Station fahren mußten, wo wir d. Vereinfachung halber auf dem Bahnhof im Buffet speisten. Es ging schnell, war aber nicht eigentlich „restfull“, da es so laut auf d. Bahnhof zugeht, daß man sich nur schreiend verständigen kann. Bei Witts hab ich dann dem Hans einiges gezeigt, worauf ich gestern gestoßen bin. Darunter die anonyme Z[eichnung], die in der Geigerschen Versteigerung 1920 war, die ich für einen Tizian halte. Noch nie etwas den Liller Petr[us] MartyrSkizzen so ähnliches gesehen  ! Eine schwierige Sache, wenn man das Bild nicht zur Bestimmung dabeihat  ! Wer hätte bei d. Liller Kritzeleien an Tizian gedacht, wenn man nicht die Hilfe des Bildes gehabt hätte  ?  ! Wir nahmen provisorischen Abschied bei Witts, Hans fuhr zum Photographen wegen d. Platten urgieren und auf d. Post, ich ging d. Oxford Street zufuß zu Cook, wo wir uns trafen. Ich habe zum erstenmal, seit ich von Wien weg bin, meiner Leidenschaft gefrönt u. mir Schuhgeschäfte angesehen. Die Eisenbahnkarten haben nicht mehr gekostet, als wir erwartet hatten (bez[iehungsweise] als Hans sich ausgerechnet hatte), darüber waren wir sehr befriedigt, nahmen ein Taxi u. fuhren ins Claridge zu Duveen. Dort waren wir aber zu früh u. vertrieben uns noch ein kleines halbes Stündchen die Zeit (u. d. Hunger) in einem ABC, bevor wir bei dem alten Herrn antreten konnten. Der empfing uns zubette liegend, hoch kongestioniert und unerhört viel sprechend. Er sperrt in 18 Monaten d. amerikanische Geschäft zu. Sein Neffe führt das Pariser Geschäft weiter, seine Leute in Amerika führen weiter Geschäfte, aber nicht mit d. alten Firmennamen. Er bleibt in London, wo er sich ein Haus mit vier Acres mitten in d. Stadt kauft u. s. w. Nie107

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mand will es glauben (er erzählt das nämlich schon seit 10 Jahren), aber diesmal wird’s wirklich wahr. Inzwischen hat er auf die Allendale’sche Anbetung geboten u. auf d. Temple Newsam’sche Tizianbild (Halifax). Das Allendale’sche Bild wird er als Giorgione kaufen u. wird es seinem Kunden als Giorgione verkaufen, wenn auch Bibi es für einen Tizian u. Richter in seinem neuen Buch für Cariani halten (Was ein Giorgione ist, bestimme ich  !). Natürlich imponiert es einem, wenn ein Mensch so viel Geld hat, daß er mir nix dir nix in einem Satz mit so viel Geld herumschmeißt – aber eigentlich ist es doch nur ein alter kongestionierter Jud, der jeden Morgen eine Stunde u. mehr von seiner Pflegerin malträtiert werden muß, bis sein „bowel cleaned“ ist. Nebbich.74 26. [Juni] Vor dem Dinner. Unser letzter Tag, d. h. letzter Arbeitstag in der City. Früh haben wir Maclagans ausführliche Verständigung bekommen, wann wir in Harewood sein können (direkt von Dublin kommend) und wie lange der Earl of Harewood sich daselbst auf – und zu unserer Verfügung hält, da er allein d. Schlüssel zu d. Zeichnungen hat. Unglaublich die Liebenswürdigkeit dieser Leute  ! Der DirekAbb. 33  : Baron Joseph Duveen, 1935. tor der Galerie in Edinburgh, an den wir geschrieben hatten u. in einer Nachschrift uns beiläufig nach einem Hôtel erkundigt hatten, schickt uns einen großen Stadtplan u. ein dichtes Hôtelverzeichnisbuch, empfiehlt überdies ein Hôtel in Gehweite vom Museum, das nicht im Verzeichnis steht … Wir haben uns vor d. British Museum bei Burgs verabschiedet. Die Holzschnitte von […] nach Girolamo da Treviso sind sehr wichtig für uns, da sie in Fensterausblicken Landschaften zeigen, die wir vielleicht zur Fixierung von Zeichnungen auf Gir[olamo] d[a] Trev[iso] verwenden können. Wir wollen sie photogr[aphieren], wenn wir in 14 Tagen wiederkehren. Die „Tizian“zeichnung, die ich bei Witt unter den Anonymen entdeckt habe, ist in der Geigersale (Sotheby) von einem Händler Neumayer um 1 Pfund gekauft worden  : Wir waren in der Mittagspause (in Soho, bei einem Italiener  !) bei diesem Mann, der aber schon lange d. Zeichnungenhandel aufgegeben hat u. nur mehr Bücher hat. Er hat keine Ahnung, wem er das Blatt verkauft hat. Wann wird das wieder auftauchen  ?  ! Wir haben die „Doubtfuls“ noch einmal durchgearbeitet, das letzte aus dem Palma G[iovane]-Band herausgeholt, Popham 108

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adieu gesagt und sind dann schwer beladen mit unseren photogr[aphischen] Utensilien (ich) und einem Riesenpaket neuer Platten (Hans) heimwärts gegangen. Haben in Oxford Street nach schwerem Entschluß unter Hochdruck der emergency ein Paar herrliche Strümpfe um 3’11 gekauft, deren einer sich zuhause dann als zweifarbig herausstellte. Das ist genau die Art Pech, die ich habe und die es mir eben so schwer macht, mich zu einem Kauf zu entschließen. Das ist doch jedesmal wieder so gewesen …75 28. [Juni] (Am Abend unsres ersten Oxforder Tages, in The Gresham Hôtel, Beaumont Street, fast gegenüber d. Museum, jedenfalls gegenüber Parkers Wohnung). Unser gestriger Tag in London verlief nach allen Regeln eines Sonntags u. eines letzten Tages. Wir haben am vormittag gepackt u. das war sehr mühsam u. sehr kopfzerbrechend, mußten wir doch für 14 Tage jeden Klimats u. fast alle gesellschaftl[ichen] Überraschungen berücksichtigend packen und wollten wir doch möglichst viele Behälter in London zurücklassen  ! Aber endlich kam es zustande und zwei größere Stücke konnten aus unserem Gepäck ausgeschieden werden  ! Nach Tisch fuhren wir in die Nat[ional] Gall[ery], ach es war wieder so schwül. Dieser Londoner Sommerhimmel so blaßblau, daß man nicht weiß, lacht er oder weint er, man kann schon verstehen, daß die Leute es nur 5 Tage in d. Stadt aushalten oder sogar von Freitag bis Montag Weekend halten. Wir gingen wieder zu den Venezianern, ließen aber die lange Wand mit d. Veronesebildern u. Tizians Vendraminbild aus, um nicht wieder d. Maßstab für d. andern Bilder zu hoch zu schrauben. Die Mondsche Madonna von Tizian will mir diesmal gar nicht mehr gefallen – u. ich hab doch gerade von ihr immer so großen Eindruck gehabt  ! Der Kopf ist gar so klein, das Gesichtchen fast mickrig. Wann hat Tizian solch einen Typ  ? Ganz etwas andres als der Typ vom Verkündigungsbild in San Salvatore. Würde ein Spätbild nicht eher d. gespitzten Schnitt d. Gesichts, der Wiener Lukretia haben müssen  ?  ! …76 Ein junger Mann sprach uns an u. stellte sich als Sohn von Dr Churchill heraus. Es war eigentlich nichts Auffälliges an ihm u. darum nichts Berichtigenswertes, es sei denn, daß er in d. Galerie war u. augenscheinlich einen neuen Anzug anhatte. Ein älterer Mann sprach uns an u. war Dr Schilling. Er stellte uns eine sehr sympathische junge Dame vor, die offenbar zu ihm gehörte. Es scheint, daß er jetzt doch sein Amt am Staedel verliert (wegen Versippung) u. Fuß in London fassen will. –77 Daheim wurden wir von Mrs. Bonham zu einer Jause eingeladen (was sehr willkommen war, da wir vergessen hatten, uns für d. Zug, ein Papierlessen zu besorgen) u. ließen dann ein Taxi kommen, mit dem wir zuerst nach Regentpark fuhren, um bei Dr Churchill, unsrem künftigen Logis, die zwei zurückbleibenden Koffer absetzten, dann nach Paddington, von wo wir abfuhren. Der Verkehr in London u. auf d. Station war sehr mühsam, da der König an diesem Nachmittag die Ex-Soldiers des 109

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Great War im Hyde Park empfing. Der Park war darum für d. übrige Publikum gesperrt, aber alle Zufahrtsstraßen waren dicht mit Zuschauern umsäumt, die den König oder die befahnten u. mit Orden geschmückten „men“ sehen wollten. Trotzdem hatten wir reichlich Platz im Koupé … N. B.: Wir haben bei Pamela ein ausgeliehenes Buch abgegeben  : d. Großmutter ist richtig vor drei Tagen gestorben. Und noch einmal N. B.: Natürlich haben wir unsren Hausschlüssel von Holland Road 39 abzugeben vergessen  ! – Wir kamen gegen ½ 10 abends an, es war kaum finster, die Straße so nett leer, die Häuserfronten so gutmütige Gesichter – Kleinstadt. Und was so viel mehr ist alte, ganz alte Kleinstadt. Es ist sehr einfach, aber das Bad war gut u. so viel Hänge- und Legemöglichkeiten in den zwei Räumen unseres Appartements, daß man fast verlockt wird ganz auszupacken. Trotz alle Versprechungen einer guten Nacht nahm ich doch lieber ein Schlafmittel, um mir d. Bekanntschaft mit dem neuen Bett zu erleichtern … Heute früh gingen wir erst spazieren – man sieht nur mehr sehr wenig Studenten, die meisten sind schon in d. Ferien, nur wer noch für Prüfungen zu lernen hat, ist noch hier geblieben. Die Zeichnungen bei Parker waren nicht zahlreich, aber gut. Er hat sicher Qualitätsgefühl u. kauft gut – u. billig. Den neuen Dürer (von dem d. Berliner den Abklatsch hatten) hat er in einem Trödelladen in Oxford gefunden, wo er seit 10 Jahren in d. Auslage war  ! Am Nachmittag hat Hans photographiert u. dann haben wir uns noch deutsche Zeichnungen angesehen. Die Raffaels u. Michelangelos, von denen ein Teil gerade ausgestellt, sind gewiß die besten  ! Er nahm uns dann zum Tee mit, wo wir erst den jungen Hund u. dann d. Frau kennen lernten. Beide mischten sich stark in unsere Unterhaltung, die sich – wie sich mit d. Editor d. O[ld] M[aster] D[rawings] versteht – ausschließlich um Z[eichnung]en drehte. Vom Hund ließen wir es uns nicht gefallen, der Frau aber gaben wir nach, es ist auch wirklich eine nette Frau. Nur so unsubstantial, es ist unbegreiflich, wie wenig an so einer Engländerin dran ist, wenn sie mager ist. Kein Fleisch, aber auch keine Bliner. Die Dämmerungsstunde, d. h. die Stunde vor dem drohenden Regen, die so lichtschwach war, als wäre es d. Dämmerung schon, brachten wir im Worcester College Park zu, ganz nah, abwechslungsreich mit Wiese u. Bäumen u. bunten Blumensäumen und Teichen. In den Teichen allerhand Wasservögel  ; am stehenden Wasser auch die hineingetupften Flecke der Seerosenblätter. Wir nahmen das Dinner im Hôtel.78 29. [Juni] Heut nur ein kurzer Bericht. Wir haben tagsüber in Christ Church gearbeitet, gut gearbeitet – gefroren, gut gefroren. Bei tiefblauem Himmel aufgestanden u. dann Wettersturz über Wettersturz. Die Folge  : so ein schönes grünes Land. Wir haben es nach Arbeitsschluß zuerst im St. John’s College, dann – nach 6, da schließen die Colleges – in d. University Gardens genossen. In Christ Church ist wirklich eine in110

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teressante Gallerie (Katalog von Borenius gekauft). Ein Teil d. Z[eichnung]en ist im Drehständer, das meiste in einem Riesenschubkasten, zu dem uns der Keeper (Hitchcock) den Schlüssel gab. Er ist ein faux-Penseur  ; weiße Haare kurz u. dicht wie ein englischer Rasen, tiefst liegende schwarze Augen, sehr freundlich, reserviert – aber offenbar ganz ununterrichtet. Er hat erst bedauernd auf eine Ordre hingewiesen, die d. Photographieren untersagt, aber als wir uns abends trennten, es eigentlich doch schon für morgen gestattet – offenbar aus Scheu, die Eingabe machen zu müssen. Und gleichfalls als wir weggingen, hat er uns auf Portofolios aufmerksam gemacht, die ein bisher ganz ungesichtetes Material enthalten, das auch nicht in Bells Katalog erwähnt ist. Ich bin schon fabelhaft ausgeruht. Daß ich per pedes – und per so wenig pedes – zu meiner Arbeitsstätte komme, tut mir sehr wohl. Auch Hansl hat ein übriges an Wohlleben nachgeholt  : er hat sich d. Haare schneiden lassen. –79 30. [Juni] Auch heute war es ein gradliniger Tag u. darum wenig zu berichten. Das Wetter fing gleich dezidiert schlecht an, kalt-schwül, sodaß wir eigentlich in d. Nachmittagsstunden recht arbeitsscheu waren. Desto teilnehmender vormittags in Christ Church, wo wir also doch photogr[aphieren] durften. Wir haben dann die Großformate u. die Unkatalogisierten durchgearbeitet u. mit d. Dekorationen begonnen. Dort haben wir ganz besonders faszinierende Blätter gefunden, die z[um] T[eil] noch gar nie bearbeitet wurden. Da hätte ein Spezialist ein ergiebiges Feld, wir die es nichts angeht, haben nur gustiert. Nach Tisch (d. h. wir kauften uns was ein, sind vom Frühstück eigentl[ich] immer f. d. ganzen Tag satt) gingen wir wieder ins Ashmolean, wo wir d. Blätter ein zweitesmal durchgingen. Über Empfehlung Parkers suchten wir diesmal den Garten vom Wadham College auf, das ganz nah von dem Wren’schen Theater gelegen ist. Wir saßen lang auf einer braunschwarzen Holzbank in besonders gepflegter Form u. blickten über den köstlichen Rasen auf die graue gotische Kapelle, die an die Collegegiebeln anschließt. Hinter uns gleich war eine Riesenrotbuche, wir konnten ihr gerade noch unter die Röcke schauen, es war ein sehr geheimnisvolles Dunkel. Aber mehr noch blickten wir nicht u. schauten auch nicht, sondern hatten die Augen zu  ; da wich auch nach u. nach die Erschöpfung u. wir wurden wieder frisch. Das merkt man gleich an den Gesprächen, die sich dann um künftige Reisen drehen. Wenn wir nur gute Nachrichten von zuhause bekämen  !80 1. Juli. (Unser letzter Monat fängt an.) Wir sitzen am Bahnhof in Derby, durch die Spießerei mit Chatsworth auf diese Nebenroute verschlagen, ohne etwas davon zu haben, statt geradewegs nach Liverpool gelangt zu sein. Wir mussten in Birmingham auf einen anderen Bahnhof, hier in Derby auf einen anderen Perron. So haben wir diese beiden Orte mit einem längeren u. einem kürzeren (beim Banane-Einkauf ) „Glance“ 111

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aufgenommen, ohne auf mehr neugierig zu werden. Kohle. Eisen. Entsprechende Luft. Hinauf d. Perron sind Automaten für alles u. mehr  ; Marken u. Zündhölzer, Milchchokolade (1 penny) u. Milch-Ei-Chokolade (2p). Alle Arten drops, für 6 pence ein Irish linen handkerchief u. 1 p. put in the slot kann man Stephensons Model Rocket sich bewegen sehen. Ich habe alle diese Versprechungen nur platonisch genossen. Den letzten Tag in Oxford haben wir ausschließlich in Christ Church gearbeitet  ; wir sind mit d. Dingen, die uns interessieren, fertig geworden u. haben noch sehr amüsante Seitensprünge gemacht. Nett war es mitten in dem Sfumato der Dekorationszeichnungen des italienischen Secento ein präzis u. handwerklich nüchtern ausgefärbeltes Blatt d. Pencz zu entdecken  ! Wir waren die ersten, die dafür Verständnis hatten. Ein früherer Besucher, der darauf beim Blättern gestoßen war, hatte versuchsweise – Pozzo  ! dafür vorgeschlagen, sein ursprünglicher Besitzer einen unbekannten Brescianer Namen darauf geschrieben. Und andres mehr. Bevor wir abfuhren, suchte Hans noch Parker auf (während ich fourage einkaufte), um sich zu verabschieden u. den Scheck für Photoauslagen u. O[ld] M[aster] D[rawings] Beiträge abzuholen. Für letzteres 1 Pfund für d. ganzen Jahrgang  ; diese Art Veröffentlichungen sind immer mehr eine rein idealistische Angelegenheit …81 Wir lesen im Zug (Hans Aldingtons Death of a Hero, ich Forsters Passage to India), dazwischen schauen wir hinaus in die gedeckte Water Colour Landschaft, die so keine Ähnlichkeit mit einem Julitag in unseren Breiten hat. Gelegentlich schauen wir auch die Mitfahrenden an  ; hier in d. Provinz sind sie weiß Gott wenig attractive. Es ist, als würde die Großstadt auch hier alles Ästhetische für sich einsammeln – wenigstens läßt sie nichts davon für d. Eisenbahnen übrig. Aber die Leute sind so absolut stumm, daß Reisen hier auch in den vollen Zügen Erholung ist. Die Polsterung nicht zu vergessen. –82 2. [Juli] Liverpool, Hôtel Imperial das ganze Haus riecht nach Fisch. Bei uns im 5. Stock etwas weniger penetrant, aber doch deutlich erkennbar. Kein Wunder, wohin man schaut  : Fischmarkt, Fischgeschäfte en gros, en detail. Das macht aber nichts, wenn es nicht nach Fisch riecht, so würde es nach anderem riechen. Die ganze Stadt ist mit einer dicken grauschwarzen Wolke lauen Gestanks verhangen. Hans hat mich gewarnt u. er hat recht  : abscheulich. In unserem Hôtelzimmer sind 3 Stühle u. ein Tisch alle Möblierung zum Sitzen, Hängen, Legen. Außer dem Haken an der Türe keine Möglichkeit, sich unterzubringen. Trotzdem waren wir still u. zufrieden, die Betten waren gut, das Bad herrlich so viel heißes Wasser – das ist d. Hauptsache. Und ist man nicht mit allen Unbequemlichkeiten einverstanden, wenn die größere winkt  : 10 Stunden Überfahrt auf einem kleinen Schifferl  ! Als wir gleich früh zu Cook kamen, um eine Kabine zu booken, erfuhren wir, daß alle besetzt wären. So erwartet uns ein Fauteuil in d. Lounge – hof112

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fentlich ist der noch unbesetzt  ! Wir freuen uns aber so auf die unbekannte Insel, daß uns auch diese Aussicht nicht verstimmt … Der Tag hier war ganz interessant  ; in der Walker Gallery haben wir die sehr zahlreichen 19. Jh. Bilder u. die drei Räume alter mit Muße angesehen  ; die Zeichnungen des Roscoe Bequest waren in einer großen Mappe deponiert, wurden uns aber am Nachmittag gebracht. Wir nahmen vier Bassanoblätter in verschiedenen Graden der Echtheit daraus auf, photographierten sie auch, ohne erst zu fragen (es war nur eine unkompetente Sekretärinnen Dame da, wir hatten Angst, daß sie Umstände machen könnte). Eine müßige Stunde verbrachten wir auch in der Bibliothek, in die man uns irrtümlich vom Museum aus gewiesen hatte  : man hatte unter drawings – auch prints verstanden  ! Wir wurden sehr freundlich aufgenommen, mit der Zeit kamen alle Beamten bis zum Direktor heran, um uns zu begrüßen. Nachdem d. Irrtum aufgeklärt war, ließen wir uns d. „Apollo“ geben und blätterten die Bände zwischen 1930 und 34 durch (leider hatten sie keine früheren, gerade am 1928er war uns viel gelegen  !). Es war ganz aufschlußreich, u. a. haben wir an einem Zurbaran Spaß gehabt, einer Geburt Mariae, die eine Dürer-Paraphrase war. Merkwürdig, wie viel Monumentalität u. Pathos in dieses Marienlebenstakkato hineingeht. Es roch derartig nach einem Pissoir in der Bibliothek, bez[iehungsweise] nach den Desinfektionsmitteln daselbst, daß wir es wohl lange nicht aus den Kleidern bringen werden  ! Während wir ruhig unsre Apollobände durchsahen, baute einer d. Beamten auf einem Tisch Stapel um Stapel auf, trat dann bescheiden zu uns u. bat uns, bevor wir d. Biblioth[ek] verließen, einen Blick auf die kleine Ausstellung zu werfen, die er so frei war, für uns zusammenzustellen. Natürlich taten wirs, es waren Stiche u. Holzschnitte Dürers, Lukas v. Leyden, der Kleinmeister, Meryons, ein Band mit französ[ischen] Portraitstichen. Alles wirklich sehr nett u. gut gemeint. Wie abgebrüht ist man doch, wenn man in der Albertina aufgewachsen ist …83 Unter den „Modernen“ in d. Gallery hat uns Watts viel Spaß gemacht, unter den älteren Stubbs 1724 bis 1800 und einiges, ein Schimmel in großer Landschaft vor einem Löwen zitternd  ; d. Landschaft mit Tizianischem Pathos, der Löwe – nur sein Kopf ein bißchen komisch, aber d. Schimmel wirklich schon Schreckgespenst durchgezittert, das heißt zu einem nicht mehr lebendigen Wesen vor lauter Schreck. (Nachtrag von gestern  : wir haben in Christ Church die Musikerin Sobotka-Peßl getroffen. Sie ist seit 3 Tagen in Europa u. war furchtbar verkühlt. Sie erzählte, daß Heinz sie einmal besucht hätte –). 3. [Juli] abends (sehr schläfrig) in d. Lounge des Hôtel Parkside, in Dublin, aber am End’ d. Welt, wo uns Direktor Mahr anempfohlen hatte, ein Zimmer zu nehmen. 3. Juli, versteht sich und d. Kamin geheizt. Sehr schläfrig, weil es heut nacht ganz anders kam, als wir gehofft hatten. So viele Leute konnten keine Kabine bekommen, es war in d. 113

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Abb. 34  : „Wenn sie fliegen, sind sie herrlich.“ – Josef Floch, Möwen, 1935.

Schiffslounge so voll, daß wir fast aufrecht die ganze Nacht sitzen mussten. Es war eine entzückende Abreise, fast einstündig die Verspätung  ; wir haben von der Reling das Einfahren d. Cars zugesehen. Wir haben acht oder mehr auf unserm kleinen Schifferl einwaggoniert (wenn das richtig gesagt ist). Eigentlich haben wir bei jedem einzelnen gefürchtet, daß was passieren könnte. Es geschieht alles so dilettantisch, ich mein improvisiert, wir wissen nicht  : ist das schon irisch oder sind die Engländer auch so lätschig*  ? Die Leute mit d. Koffern in d. Hand sind noch um ¾ 11 ganz gemütlich dahergekommen, obwohl 10h15 unsere Abfahrtszeit war. So viele Möwen sind um uns geflogen, Hans findet, daß Floch sie eigentlich ganz richtig gemalt hat, sie sind sehr insipide Viecher, wenn sie irgendwo oben sitzen. Wenn sie auf dem Wasser sitzen schauen sie unbedeutend aus wie irgendeine andre Ente. Aber wenn sie fliegen, sind sie herrlich. Wenn man von oben auf sie sieht, schauen sie ganz körperlos aus nur Flügel u. Schwanzfedern aneinander. Wenn man von unten auf sie hinaufschaut, hängen ihnen die Beine parallel herunter, wie bei Störchen. Sie schnappten im Fluge die Brotbissen, die sie erst durch begehrliches Flügelschlagen herauszubetteln schienen. Kluge Tiere –. Als das Schiff ins Freie kam, wurde es zu kalt, um weiter auf Deck zu bleiben. Wir gingen hinunter u. machten uns auf alles gefasst. Die Gleichmütigkeit mit der Engländer Unannehmlichkeiten ertragen, hat etwas Aufreizendes. Aber es zwingt einen in dieselbe Linie. Es war eigentlich ein böses Crossing u. so viele Leute um uns herum mussten hinausstürmen u. drangen dann mit diesem unerfreu* schlapp

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lichen Geräusch durch alle Schiffsgeräusche zu uns durch. Wir kamen um mehr als eine Stunde früher an, als wir erwartet hatten. Auf d. Dogana wurden die Koffer angeschaut, aber nicht die Pässe. Der erste Eindruck d. Stadt war schon durch das abscheuliche Wetter und d. frühe Morgenstunde abstoßend. Es war kein Regen, sondern man ging einfach durch eine Wolke, wurde naß, weil’s naß war und so blieb es den ganzen Tag. Hier im Hôtel wurde uns ein Zimmer angeboten, das eigentlich nichts anderes als eine große eingerichtete Glasveranda ist. Es hat nur den einzigen Mangel, daß Hans keine Platten drinnen umlegen kann. Wir frühstückten u. legten uns schlafen. Aber nach zwei Stunden begannen wir doch unseren Tag (d. h. Hans begann ihn, ich hätte sonst wohl bis abends geschlafen). Wir fuhren zuerst ins Museum (zu Mahr). Die irische Plastik u. Goldschmiedekunst dort ist sehr eindrucksvoll u. fremd (uns ist jetzt so vieles fremd, seitdem wir so konzentriert arbeiten). Abb. 35  : Adolf Mahr – „ein Umstandsmeier, Mahr ein Umstandsmeier, Wirrkopf u. Nazi. Hielt Wirrkopf und Nazi“. lange politische Reden, die für seine (deutsche) Zeitungslektüre aufschlussreich waren. Er erzählte uns von 300.000 aktivistischen Kommunisten in Österreich u. Munitionstransporten aus Tschechien herein. Die Regierung habe solche Angst vor d. Nationalsozialismus, daß sie alles das angehen ließe. Ich fragte, woher man d. Ziffer wisse. Er antwortete, sie sei authentisch. Die Listen jener Menschen, die nach dem verabredeten Zeichen umzubringen wären, seien fertig. So wie in Spanien würde es gehen. England sei auch schon ganz bolschewisiert, d. Stimmung viel schlimmer gegen Deutschland als vor einem Jahr. Englands weitere Bolschewisierung könne es vielleicht zum Krieg treiben, der von Deutschland keineswegs gewollt wäre. U. s. w. Dann lud er uns zu sich ein. Hans machte ihn auf d. fehlenden arischen Ahnen aufmerksam, […] die er vielleicht vergessen hätte. Gar nicht vergessen, aber für ihn habe Nationalsozialismus nichts mit Antisemitismus zu tun. Dann kam Mr. O’Brien mit Frau (er Maler-Professor, sie eine sehr nette alte Dame) u. nahmen uns zum Lunch in den Club mit. Es war gemütlich u. ungenießbar. Das kränkt uns aber gar nicht, da wir diese Mahlzeiten gerne unausreichend nehmen u. froh sind, für das, was wir stehen lassen, nicht selbst aufkommen zu müssen. O’Brien ließ es sich nicht nehmen, in d. Galerie unser Führer zu sein. Er war aber dort weniger belästigend, als wir gefürchtet hatten. Ist das aber eine herrliche Sammlung  ! Wir blieben etwa 2 ½ Stunden, aber nur, um einen Überblick zu bekommen. Das weitere dann morgen u. Montag. Von 115

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Zeichnungen haben wir nur 2 venezian[ische] (und einen interessanten „Zurbaran“, der sehr Bassano-artig aussah) gefunden. Aber vielleicht hat Furlong, der Montag zurück sein wird, welche in store. –84 5. [Juli] (draußen gießt es). Gestern war ein wunderbarer Tag. Wie dankbar ist man, wenn man klares Dunkelblau u. weißgeballte Wolken sieht  ! Nach so viel schwülen u. feuchten Tagen. Die ganze Stadt hatte ein andres Gesicht. Allerdings dauerte der Zauber nicht lange. Klarte erst spät auf u. heute wiederum – brrr. Wir waren um ½ 12 vor dem Museum, wo Mahr in Begleitung eines Dr Hartmann aus Oldenburg, der hier auf 1–2 Jahre keltische Sprachforschung betreibt, uns aufsperrte. Ein netter junger Mann, der in intelligent schwieg, während Mahr, typischer Fall des Skurrilwerdens in verschlagener Exilstellung (notwendige Selbstüberschätzung, schon um sich in der eigenen Familie halten zu können, vieles hatte sich am heimatlichen Stammtisch der Gleichinteressierten abgerieben) ununterbrochen tradierte. Und worüber  ! Über ein Material, das (zugestandenermaßen) für uns kaum Interesse hatte. Glas, Porzellan, Parapluis, Kunstgewerbe jeder Art, wie es mit d. Bequester in jedes zentrale Institut kommt. Und wie  ! Vollkommen ohne Kenntnis – die verlangt man auch nicht von einem über diesen Ableitungen nur schwebenden Direktor – und ohne irgendeinen Sinn für Historie. Es scheint, daß d. Prä-Historiker keine Lehre aus d. Historie ziehen kann. Er sprach von d. absoluten Minderwertigkeit der Stile der letztvergangenen Generation, von Geschmacklosigkeiten, denen für alle Zeiten nie mehr etwas positiv Wertendes nachgesagt werden wird. Und sagt es in so gewissenhaft grammatikalisch durchkonstruierten Sätzen, als würde er einen neuen Duden herausgeben wollen), daß man dazu immer seinen kleinen sicher klug ausschauen[den] irländischen Staff herumstehen sah, der hinter d. Hand ein Zwinkern u. Gähnen verbarg. Natürlich war niemand von dem Staff da, die waren am Sonntagvormittag viel zu klug, ins Museum zu kommen, sondern nur wir u. der stumme u. intelligent schweigende Doktor aus Oldenburg. Dann führte er uns in d. Keller u. zeigte uns seine „Funde“. Ein in Laden aufgeteiltes Krahuletzmuseum. Das wird ja gewiß sehr wichtig sein u. ich mag nichts negatives darüber sagen  ! Um ½ 2 gingen wir auseinander u. hatten die uns wirklich interessierenden irisch-frühchristl[ichen] Dinge nicht gesehen  ! –85 Wir aßen eine Chokoladetafel, gingen auf 2 ½ Stunden allein in d. Galerie, wo wir viel Spaß miteinander hatten und dann in d. Phoenix Park, gleich bei unserm Hôtel. Das war herrlich. Am Parkeingang hunderte u. hunderte von kinderreichen Familien im Grase, bunte Farbspritzer weiß u. rosa und Rosenbeete weiß u. rosa. Dann ein lustiges Hundetreiben um einen Teich mit verzweifeltem Widerstand, […] Genuß u. verschämtem Naßsein  ; weiter dann große Flächen mit dilettierenden Footballern u. d. nationalen Criquett, das für d. uneingeweihten Zuschauer gar nicht belustigend ist. 116

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Schließlich nur Wiese u. Baumgruppen, endlos, als ginge der Park, ohne daß mans weiß, einfach in die Insel über. Richtig waren d. Kühe auch da und wir machten kehrt. Zum Abendtee (½ 7) hatten wir d. richtigen Hunger. Der einzige Schatten über d. Tag war das Aprés-le-souper bei Mahr. Das war auch danach u. noch dazu unter d. Bilde Hitlers an d. Wand u. mit versäumter letzter Tram. Ich war grimmig und böse über Hans, daß es dazu kam. Was soll ich noch sagen – Daß es auch heute nicht besser ist. Unausgeschlafen – (vor dem Packen u. Dinner  ; sehr beruhigt, da ein Brief von zuhause gekommen ist  : Anderl hat ein Gripperl gehabt, anscheinend unbedeutend u. vorbei). Wir haben den heutigen Tag, an dem es fast ohne Unterbrechung goß (jetzt wird’s blau, denn ein Wind hat eingesetzt, was in Anbetracht der Seefahrt auch nicht das Richtige ist) ganz gut verbracht. Im Museum haben wir – allein – das richtig Irische nachgeholt. In d. Galerie mit Direktor Furlong die Depotbilder angesehen  : einen sehr guten sign[ierten] Ping von 1548, der einen 28jährigen (oder 1546 oder 26jähr[igen]) Bildhauer darstellt (der um gut 15/20 Jahre älter aussah)  ; der hält ein Grupperl – Elfenbein  ? – in der Hand. Faun u. Nymphe mit Halbmond (Diana  ?), beide sitzend, er aggressiv, sie abwehrend. Ferner ein dem Olivieri zugeschr[iebenes] großes Breitbild Mad[onna] + K[ind] thronend mit sehr interess[anten] großen sitzenden Musikengel an d. Seiten wie Dürers Chantillyzeichn[ung] (wir haben d. Photo bekommen).86 Am Nachmittag (d. h. um ½ 3, wir haben 2 Bananen u. ein bisserl Chokolade im Taxi gegessen) fuhren wir in eine Privatsamml[ung] am Rande d. Stadt  : Father Shine (24 St. Kevin’s Park). Dieser Geistliche – Philos[oph] von Beruf – hat d. ganze Haus voll Bildern, die er aus Quellen, die sein Geheimnis sind (I never say, where I buy), zusammenkauft. Das meiste ist unbenennbare Unterware. Einiges kunsthistor[isch] interessant  : eine Anbetung von Fra Bartol[ommeo], die knapp 1930 im Pantheon publiz[iert]. Eine Maria + K[ind] aus d. Holford Collect[ion], dort als Rosso, jetzt nach d. Reinigung eher Pontormo. Ein Bildchen aus d. spanischen Kriegen von einem Rembrandtnachahmer Fontyn, von dem überhaupt nur ein einziges Bild im Rijksmuseum u. das eine Stilleben im Thieme/Becker verzeichnet ist. Am interessantesten ein großes Bild, das eine Signatur von Schidone u. d. Datum 1609 (d. neue Leinwand undeutl[ich] übertragen zeigt u. unzweifelhaft d. Unterlage für Van Dycks großes Altarbild in d. Augustinerkirche in Antwerpen ist. (Der hl. August[inus], d. hl. Monika  ; oben aber Gottvater ganz allein, sehr corregiesk der Mönch rechts kniet hat lauter Sterne auf d. Gewand u. neben sich einen Teller, darauf ein Vogel). Kunsthistorisch sehr wichtig. –87 6. [Juli] (Bahnhof Liverpool). Der Aufbruch war sehr überhetzt. Die Folge, daß Hans d. Notizbuch und seine Handschuhe beim Photograph vergessen u. – da er nur sukzessive darauf kam, nach u. nach – darum schreiben mußte. Auf dem Boot hatten wir eine Protektionskabine 117

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(d. h. für 3 Personen und Mitte), aber d. Überfahrt war abscheulich. Fast noch im Hafen begann ein solches Gewackel, daß alle Leute fluchtartig sich in d. Kabinen u. die horizontale Lage stürzten. So lagen wir knapp nach 9h schon (das Schiff war wieder mit großer Verspätung abgefahren) u. konnten den peinlichen Geräuschen um uns herum lauschen. Wenn ich auch gar nicht selbst belästigt war oder ankämpfen mußte, so war d. Gestampf d. Maschine so furchtbar, daß ich doch nicht einschlafen konnte. Gegen 6 kamen wir an u. gegen ½ 8 brachte dann d. Stewart das heiße Wasser zum Rasieren. Wir frühstückten auf dem Schiff (die Extravaganz einer Grapefruit ausgenommen zum ersten Mal kontinental), sahen noch ein Weilchen den Ausladern zu, nahmen von d. Möwen Abschied und gingen an Land. Die Kofferrevision war nur eine Farce mit d. Kreide. Das Wetter ist momentan trocken, die Luft wie an einem kühlen Aprilabend. Für heute versprechen wir uns weder kunsthist[orische] noch landschaftliche Sensationen. Es soll – in Leeds – ein Ausruhtag sein, der uns für d. Rezeption d. nächsten Tage wieder empfänglich machen soll. Ob es zu dem Kinobesuch kommen wird, den wir schon die ganzen Wochen in London auf diesen leeren Tag in Leeds hinausgeschoben hatten  ? (Das netteste gestern war doch Anderls Brief.) – 7. [Juli] (Ein Datum, seit langem in unsre Berechnungen gezogen, einzige Möglichkeit den Zeichnungenschlüssel in Harewood zu erwischen  !) Gestern früh u. gestern abend haben wir etwas herziges erlebt. In d. früh beim Frühstück auf d. Schiff hat d. Obersteward in d. Küche d. Bestellung einer Sausage with eggs mit dem Nachsatz hinunter telephoniert  : „For a gent  !“ Es war d. Bestätigung, daß Hans in Dublin, ohne daß darüber weiter gesprochen wurde zwei Spiegeleier zu seinem Schinken bekam u. ich nur eines. Das zweite war abends in unserem ital[ienischen] Restaurant, da fragte uns unser ganz junger bebrillter Kellner, ob wir Rolls wollten oder Viennese Bread. Ich fragte ihn, wie denn letzteres wäre. Er konnte nicht beschreiben, redete mir aber besonders zu, daß es really a very fine bread wäre. Es kam dann ein Stück Stange, wie man sie in Paris bekommt. Ich sagte d. Kellner, daß diese Art Brot in Wien gar nicht existiere, wofür ich absolut einstehen könne, da ich aus Wien komme. Nach einiger Zeit trat er wieder an unseren Tisch heran, sichtlich in undienstlicher Absicht u. sagte  : „An argument arouse among the members of the staff, where Vienna is. Some say in Spain –.“ Wir waren dann im Cinémac u. sahen einen von d. Madrider Regierung selbst herausgegeb[enen] Film, der d. Entwicklung d. ganzen Ereignisse zeigen wollte, aber so arm u. dürftig gearbeitet war, daß d. Hilflosigkeit dieses geschlagenen Volkes durch diese Dürftigkeit doppelt erschütternd wirkte. – Wir haben aber kein Wort von unserem Leedser Tag erzählt  ! Er war danach. Ein Museum, das als einzige Qualitätsstücke ein paar Blätter von Whistler hatte, ansonsten ein Greuel an Bequests  ! Reiche ach so reiche Familien, die ihre üppig gerahmten 118

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Geschmacklosigkeiten dorthin ausgebowelt haben. „Dorthin“ – das ist ein Gebäu[de], dessen einzige Hoffnung eine Holztreppe ist, die d. Stockwerke in aufdringlicher Anlage verbindet  : Vielleicht brennt sie doch einmal ab und d. unglückselige Hendy (momentan am Lago Maggiore) kann d. ganze Museum mit Versicherungssumme neu starten. Das war d. Vormittag. Der Nachmittag war eine Siesta, in der wir einen Teil d. auf d. Schiff versäumten Nacht nachholten. So eine Siesta u. die durchschlafene Nacht danach, das ist ein solches Untertauchen ins Jenseits, daß man d. Distanz dann doppelt spürt. Ich kann es mir nicht denken, daß ich vorgestern noch auf d. andern Insel war, mit den tiefen Schatten und dem vielen warmen Braun in d. Baumkronen. Hier ist d. Luft ein Graus, das Badewasser eine rotgraue Sauce, die Häuser schwarzroter Ruß. Die Lichtreklame am Abend gegen den Schwefel-gelben Himmel aus dem es Chokolade näßt, giftig, ob sie grün oder himmelblau scheinen. Da hab ich so oft von dieser entsetzlichen Luft in d. Industriestädten hier gelesen (Lawrence), aber man liest ja nur darüber hinweg, wenn man das nicht selbst einmal erlebt hat. Das Auto musste parallel mit d. Industrialisierung dieser Städte erfunden werden, was hätten sonst d. reichen Leute hier vom Leben gehabt  ! –88 Abends (Chesterfield). Das war ein aufregender Tag. Zuerst per Taxi (hin u. zurück 1 Pfund  !) zum Earl of Harewood. Aus dieser abscheulichen Stadt durch Villenviertel ins Hügelland mit d. unendlichen von Mauern eingefassten Park. Der Earl hat plötzlich schon um 10 mit d. Bahn nach London müssen, hat ins Hôtel teleph[oniert], ob wir früher kommen könnten u. s. w., aber dann alles für uns hergerichtet u. abgefahren. Wir wurden wie d. Fürsten bedient u. waren sehr froh, alles allein sehen zu können. Die wahren Schätze d. Hauses sind nicht die von Borenius herausgegebenen Bilder, unter denen nur das „Diana u. Aktäon“ von Tizian hervorragen, sondern das China-Porzellan. Nicht daß ich es beurteilen könnte, aber die Erbsteuerbemessung dient mir als Grundlage. Von d. Zeichnungen, die in zwei Kasteln untergebracht sind, ist außer dem Tizian (Pfingstfest), einem Carpaccio, einem Palma Giov[ane], und einer Diana, einem Veronese (der merkwürdigerweise hier noch immer Van Dyck (?) heißt, nur ein herrlicher Signorelli, Gozzoli (2seitig), Lodov[ico] Carracci. (Wir sahen unter dem entzückenden Chippendale-Möbel einen Fauteuil, dessen Sitz u. Rückseite ganz in Petitpoint gestickt war  ; das hat d. Earl of Harewood selbst getan, er reist so viel mit d. Eisenbahn u. da stickt er, statt Kreuzworträtsel zu raten. Der Earl – u. nicht seine Gattin, die Schwester des Königs – ist 50 Jahre alt.) Da wir schneller fertig wurden, als wir gedacht hatten telefonierten wir nach Chatsworth, daß wir schon um 2 ankämen, damit d. Wagen in Chesterfield an die Bahn käme. Alles klappte u. wir fuhren mit dem liebenswürdigen Librarian Thomson (dem älteren Bruder des Keepers von Lord Elsmere Bridgewaterhouse) aus dem öden Chesterfield über einen Hügel, hinter dem der Himmel klarer wurde, nach Chatsworth. Was ist das doch für ein wun119

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Abb. 36  : Chatsworth, Derbyshire.

dervoller Park  ! Edelwild u. Kühe weiden friedlich drinnen u. fürchten sich weder vor Besuchern noch vor Autos. Im Schloß, das weitläufig ist wie ein Fiebertraum, arbeiteten wir ungestört in d. Bibliothek u. nahmen dazwischen d. Tee in Thomsons Arbeitszimmer. Wir haben sehr bedeutende Blätter wiedergesehen u. ein sehr bedeutendes auch gefunden  : eine Z[eichnung] für das (von Van der Borcht) gestochene Hauptfresco d. Giorgione am Fondaco. Eine sehr gute Cinquecentozeichn[ung]. Das rollt wieder schwere Probleme auf, die ich noch gar nicht formulieren kann. Wir haben auch (flüchtig) das Van Dycksche Skizzenbuch durchgesehen, das jetzt als Faksimile bei Schroll herauskommen soll. Eine (nicht weiter einem K[ün]stler zugeschriebene) Bildkopie eine Mad[onna]+ K[ind] ist darin, die nach dem (von uns Sebastiano del Piombo zugeschriebenen) Bild gearbeitet ist, das die bedeutende Zeichnung (dort Tizian zugeschrieb[en]) im Vict[oria] u. Albertmus[eum] vorbereitet. Das ist so erfreulich, wenn sich alles zusammenschließt.89 Beim Nachhausefahren (nach unserem Hôtel in Chesterfield) hat uns Thomson von einer Autoreise erzählt, die er mit einer Bischofsfamilie in 2 Wagen nach Belgien – Deutschland – Tirol unternommen hat. Die Bischöfe tragen d. Namen ihrer Diözesen, ihre Frauen führen die Namen d. Mannes aber weiter. So hieß sein Bischof London nach d. Ort seines Bischofssitzes, seine Frau Mrs. Morley. Das war aber im Ausland schwer zu verstehen, daß ein Mann namens London mit einer Frau namens Morley d. gleiche Schlafzimmer haben wollte – notabene dieser Man auch noch ein Bischof war  ! – Am Abend, als wir die vor uns liegende Arbeit überdachten, waren wir ganz sicher, morgen im Lauf des Vormittags fertig werden zu können. Frisch entschlossen teleph[onierten] wir an d. Earl of Yarborough, um unseren Besuch dort ansagen zu 120

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können. Nach 7 Uhr kostet jedes Gespräch innerhalb Englands einen Schilling. Ach, wie viele 3 Minuten aber mußte Hans warten, bis d. Earl erreicht, gefragt, geantwortet, wiedergefragt, selbstgekommen, wieder befragt war u. endlich sich für Freitag früh entschlossen hatte  ! Wir können nach dieser Telephonrechn[ung] auf d. Größe d. Schlosses schließen u. auf d. Alter des Kapitäns, wenn wir dieses nicht ohnedies aus Who is Who schon gewußt hätten. Darf ich noch zum Schluß etwas Verhängnisvolles vom Dienst am Kunden erzählen. Auf d. Speisekarte fungierte Caramel Cream, etwas auf das ich fliege. Weil Cream dabeistand, fragte ich den Kellner, ob es richtiger Caramell wäre und no ice, I mean not real ice (vergeblich nach d. Unterscheidung zwischen Gefrorenem u. Creme suchend). Der Kellner, der nur meine Angst vor einer kalten Speise heraushörte, ließ das kleine runde Ding mit dem Teller erhitzen, sodaß es ganz zerfallen, ein armseliger Koch, vor mich hingestellt wurde  ! Ich aß es u. hatte zu d. schweren Enttäuschung u. Ungenießbarkeit d. Speise noch das unerquickliche Gefühl dazu, daß der Kellner mich für einen Narren hielt. Anmerkungen 1 Reiseroute vom 18. Mai bis 7. Juli 1937, 2. Büchel   Noordwijk (NL) – Den Haag – Rotterdam – Amsterdam – Rotterdam – Amsterdam – Haarlem – Rotterdam  – (Vlissingen)  – London (GB)  – Cambridge (HT)  – Swanage  – London  – Richmond – Cheltenham (HT) – Donnington Priory – London – Wilton House (HT) – Salisbury (HT) – Longford Castle (HT) – London – Hampton Court – London – Oxford – (Birmingham, Derby) – Liverpool – Dublin (IR) – Liverpool (GB) – Leeds – Harewood – Chesterfield – Chatsworth.

Haarlemer Meer (heute Haarlemer Polder), Provinz Nordholland, wurde u. a. mithilfe des Pumpwerks „De Cruquius“ (1849) zwischen 1840 und 1853 trockengelegt.

2 ETC verfügte über langjährige Kontakte zu den Niederlanden. Als „Geschäftsführerin für Holland“ der „Staatlichen Lichtbildstelle Wien“ (angesiedelt in der Abteilung für Volksbildung des Unterrichtsministeriums) war unter ihrer redaktionellen Leitung ab 1920 die Reihe „Meisterwerke der Kunst in Holland“ erschienen. „Wir arbeiten für die holländischen Museen, vorläufig fürs Rijksmuseum, Museumshefte, die deutsch, holländisch und englisch erscheinen sollen und eine Art populäre Einführung eines einzigen Kunstwerks darstellen. Also ästhetisch-kunsthistorisch  – aber vor allem lesbar, einfach geschrieben“, hatte ETC 1920 Fritz Saxl das ungewöhnliche Vorhaben geschildert (WIA GC, 12615, ETC an Fritz Saxl, 13.11.1920). Vorgesehen waren mindestens 40 Nummern, von denen rund 15 nachweislich erschienen sind.

Beiträge ETCs zur Reihe „[Meisterwerke der] Kunst in Holland“  : Kunst in Holland, Nr. 3, Der Utrecht-Psalter, Wien 1920 (erschienen auch auf Niederländisch  : Het Utrechtsch Psalterium, Wien 1920). 121

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Kunst in Holland, Nr. 8, Erasmus von Rotterdam im Bilde, Wien 1920 (erschienen auch auf Niederländisch  : Erasmus van Rotterdam in de beeldende kunst, Wien 1921). Meisterwerke der Kunst in Holland, Ser. 1/17, Rijksmuseum Amsterdam, Pieter de Hooch, An der Kellertür, Wien 1922. Meisterwerke der Kunst in Holland, Ser. 1/18, Rijksmuseum Amsterdam, Gerard Dou, Selbstbildnis, Wien 1922. Meisterwerke der Kunst in Holland, Ser. 3/2, Bojmans-Museum Rotterdam, Aert de Gelder, Abraham die Engel bewirtend, Wien 1922. Meisterwerke der Kunst in Holland, Nederlands Museum, Amsterdam, Drei Genrereliefs des 17. Jahrhunderts, Wien 1923. Die spätere Leiterin des Centraal Museum in Utrecht, „Jonkvrouwe“ Caroline „Carla“ de Jonge (TB 1937/2, 21.5.), mit der ETC seit Langem freundschaftlich verbunden war, hatte seinerzeit mindestens einen Beitrag in ETCs Reihe zur Kunst in Holland (zum Dom von Utrecht, TB 1937/2, 18.5.) verfasst. Nicht geklärt werden konnte, wer die Person namens Minny (Willemina  ?) gewesen ist.

3 Heute befindet sich der Hauptteil von Frits Lugts Sammlung von Drucken und Zeichnungen als Studiensammlung in der 1947 von ihm in Paris gegründeten „Fondation Custodia Collection“ (Fondation Custodia, HP). 4 Museum im Mauritshuis, Den Haag – ehemals private, seit 1816 staatliche Sammlung.

„Das neue Institut“ – Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie, Den Haag.

5 „Schneider’s name is forever associated with what is known as ,Rijksbureau voor kunsthistorische documentatie‘. The somewhat cumbersome name of this institute is due to him, as are its initial policy and the foundation of its technique. It came into existence as the result of a legacy from Hofstede de Groot and with large contributions from Frits Lugt and E. A. van Beresteijn [niederländischer Politiker, Anm. der Hg.]. It was Schneider’s task to create out of this material a centre for the study of Dutch art. […] When circumstances deteriorated for many of his German colleagues during the Hitler régime, with boundless energy he set about assisting them in every possible way.“ (Gerson 1954.)

Die Dissertation Horst Karl Gersons, „Philips Koninck, Ein Beitrag zur Erforschung der holländischen Malerei des XVII. Jahrhunderts“, erschien 1936 als Buch (Gerson 1936).



Neben einer privaten Kunstsammlung hatte Sir Robert Witt, Vorsitzender des „Natio­ nal Art-Collections Fund“, seit den 1880er-Jahren eine umfangreiche Sammlung von Fotografien, Reproduktionen von Kunstwerken und Auktionskatalogen angelegt, die den Grundstock der Witt-Bibliothek bildete. Mit Witts Tod ging seine Bibliothek 1944 an die Universität London, zur Verfügung des ebenfalls unter Witts Mitwirkung gegründeten Courtauld-Instituts (Wuttke 1984, 141  ; Robert Witt, Dictionary of Art Historians  ; außerdem Feichtinger 2001a, 341).

6 Die Zeichnungen der Sammlung Koenigs befanden sich seit 1935 im Boijmans Museum der Stadt Rotterdam. Direktor des Museums war Dirk Hannema. 122

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Die Sammlung des Großindustriellen Daniel van Beuningen ging 1958 an das Boijmans Museum, das seither den Namen „Museum Boijmans Van Beuningen“ führt.



Im KHM in Wien befindet sich die größere Version von Pieter Breughels d. Ä. „Turmbau zu Babel“ (1563), in der ehemaligen Sammlung Van Beuningen, dem heutigen Museum Boijmans Van Beuningen, eine kleinere Version (1565).



Gustav Glück, Pieter Bruegels des Älteren „Kleiner“ Turmbau zu Babel, in  : Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen, 10. Jg., Wien 1936b.



Susanna vor dem Richter (?), um 1509, Sammlung Van Beuningen, Rotterdam.



Max J. Friedländer, Die altniederländische Malerei, Bd. 10, Lucas van Leyden und andere holländische Meister seiner Zeit, Berlin 1932, 135.



Jan Gossaert, Metamorphose von Hermaphrodit und Salmacis, um 1520, Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam.



Teile der Sammlung des Wiener Bankiers Stephan Auspitz (1869–1945) wurden nach dem Zusammenbruch des Bankhauses Auspitz, Lieben & Co. im Jahr 1931 an den Den Haager Kunsthändler Kurt Walter Bachstitz (1882–1949) verkauft. Über ihn gelangten die Objekte in die Sammlung Van Beuningen (Archiv des BDA Wien, Restitutionsmaterialien, K 31/1 bzw. Karton 24, Fasz. Auspitz  ; zur Sammlung Auspitz außerdem Borenius 1932  ; Lillie 2003, 112–136).

  7 Iohan Quirijn van Regteren Altena war von 1932–1937 Kurator der städtischen Sammlung Fodor (Fodor-Museum) in Amsterdam (Iohan Quirijn van Regteren Altona, Dictionary of Art Historians).   8 Günzburg (Gunzbourg)  – Petersburger Bankiersfamilie. Ein Hochzeitsfoto von Arie de Vries und Irene Günzburg sowie weitere Angaben zu den Familien Goldschmidt und de Vries findet sich unter The Butler merchant family of La Rochelle, HP.

Bei „Bauer“ handelt es sich um Verwandte von Bettina Ehrlich-Bauer (Gaugusch 2011, 105, 1.036).

  9 Der Konnex zwischen den Sammlungen vom Rath und Otto Lanz konnte nicht festgestellt werden. Offenbar waren Teile der Sammlung Castiglioni (siehe TB 1923, 22.6.) in die Sammlung vom Rath eingegangen. 10 Fodor-Museum, Sammlung von Werken des 19. Jahrhunderts, heute Teil des Amsterdam Museum.

Der „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland kam der Einberufung Andreas Tietzes zum Militär zuvor. ETCs Schwiegertochter Trude war ebenfalls Ärztin. Christoph Tietze hatte 1932, Trude 1936 promoviert.



Teylers Museum, Haarlem – Museum der Aufklärung und Wissenschaftsgeschichte, ältestes Museum der Niederlande. „Ein wunderbares Museum“ (Gottfried Fliedl, Museologien, HP). 123

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Vermutlich handelte es sich um den aus Nürnberg stammenden Kunsthistoriker Justus Bier. Der vormalige Direktor der Kestner-Gesellschaft in Hannover emigrierte 1937 in die USA ( Justus Bier, in   Böttcher 2002, 56).

11 1935 war das durch Architekt Adrianus van der Steur (1893–1953) entworfene neue Museum Boijmans unter Direktor Hannema eröffnet worden.

Peter Paul Rubens „Geschichte des Achill“ umfasst acht Ölskizzen, acht Modelli sowie die Teppiche, für die jene angefertigt worden waren. „The exellence of the oil sketches and the modelli, and the sophistication of the artist’s interpretation of the subject, makes the series stand out as a major work.“ (Haverkamp Begemann 1975, 13.)



Bereits 1939 hatte Ludwig Burchard die Herausgabe seines Werkverzeichnisses von Peter Paul Rubens angekündigt. Das Vorhaben erfuhr jedoch durch den Weltkrieg eine längere Unterbrechung. Nach Burchards Tod erschien schließlich zwischen 1968 und 1982 in 27 Bänden das „Corpus Rubenianum Ludwig Burchard“ basierend auf den von Burchard geleisteten Vorarbeiten. Herausgeber war das Nationaal Centrum voor de Plastische Kunsten Brüssel (Ludwig Burchard, in   Wendland 1999a, 78–83  ; Ludwig Burchard, Dictionary of Art Historians).



Zur Person Otto Hirschmanns konnte nichts weiter herausgefunden werden, als dass er Mitarbeiter Cornelius Hofstede de Groots gewesen war und auch zu dessen Sammlung publiziert hat (Hirschmann 1917).

12 Diese Stelle ist im Original schlecht lesbar. ETC spielt hier möglicherweise auf die strategisch-militärische Bedeutung des Hafenstädtchens Vlissingen an. 13 Arthur Popham war Stellvertretender Keeper des „Print Rooms“ im British Museum, 1945 folgte er Arthur Hind als Keeper nach.

Arthur Hind, Keeper des „Departments of Prints“ im British Museum von 1933–1945 (Popham 1957  ; Arthur Mayger Hind, Dictionary of Art Historians).

14 Andreas Tietze hatte von 1932–1937 Geschichte und Sprachen an der Universität Wien studiert. Zu Burgls Verhaftung siehe TB 1937/1, 8.5., 15.5. „Tizian-Campagnola“ – „Viele Blätter C[ampagnola]s wurden früher Giorgione, noch mehr dem Tizian zugeschrieben  ; heute neigt man etwas zu sehr dazu, die ganze Masse geringerer tizianesker Zeichnungen, so weit sie nur in den Motiven irgend etwas mit C. gemeinsam haben, diesem zuzuweisen, wobei man vergißt, daß nicht nur C. Tizian imitierte, sondern nun wiederum von anderen nachgeahmt wurde.“ (Detlev von Hadeln, in   Thieme/Becker/ Vollmer 2008, 89.)

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Walter Gernsheim hatte seine Galerie „Old Master Drawings“ (Stratfort Place/Oxford Street) eben erst eröffnet. In dieser Zeit begann er auch, seinen monumental angelegten „Corpus Photographicum“ von Altmeister-Zeichnungen zusammenzutragen. Dieser sollte Forschern die Arbeit mit oft schwer zugänglichem Material erleichtern. Das

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Projekt wurde durch den Ausbruch des Weltkriegs unterbrochen (N.  N. 1937  ; Gernsheim 1948/49). Fotografien, die Werke in internationalen Museen wiedergeben, wurden in einem internationalen Gemeinschaftsprojekt digitalisiert und über die ARTstor Digital Library zugänglich (ARTstor Digital Library, Gernsheim Photographic Corpus of Drawings). Teile des Corpus’ gingen als Schenkung Gernsheims an die Bibliotheca Hertziana in Rom und wurden im Rahmen eines Forschungsprojekts, unterstützt von der Mellon-Foundation, inventarisiert (Bibliotheca Hertziana, Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte Rom, Fotothek).

„Der erste Carracciforscher“ – „Thus he proved a pioneer of Seicento studies in his fundamental paper on Annibale Carracci’s Galleria Farnese which published in 1906.“ (Gombrich 1954, 289  ; Tietze 1906/07.) HT hatte sich mit der Arbeit zu Carracci an der Wiener Universität habilitiert.

Annibale Carracci, Geschichte des Jason und Geschichte Europas, Fresken, um 1583/84, Palazzo Fava Bologna. 15 Zur Familie Wares können keine Angaben gemacht werden. Pamela Wares – und möglicherweise noch weitere Geschwister – dürfte als Austauschkind in den 1920er-Jahren bei Tietzes in Wien gewesen sein, Vgl. dazu TB 1926, 26.7. 16 Sammlung Rudolph, vermutlich  „Seated man from behind, attributed to Paolo Veronese, black chalk on blue paper, 23,8 x 19,8 cm“ (Rudolf 1962, 16).

Die Kunsthistorikerin Anny E. Popp hatte 1915 ihr Studium an der Universität Wien mit einer Dissertation zur Florentiner Plastik des 16. Jahrhunderts abgeschlossen (Anna Popp, Universitätsarchiv Wien).

17 Campbell Dodgson, dessen Verbindungen zu den Vertretern der Wiener Schule bis ins späte 19. Jahrhundert zurückreichten, gehörte zu den ältesten Bekannten der Tietzes in England. Spezialist für Grafik der Gotik und Renaissance sowie des 19. wie 20. Jahrhunderts, hatte Dodgson – wie auch Tietzes – regelmäßig in den „Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst“ publiziert. Dank seiner ausgezeichneten Deutschkenntnisse übertrug Dodgson zahlreiche kunsthistorische Werke ins Englische. Von 1912 bis 1932 stand der Pionier einer modernen Kunstgeschichte in England als Keeper dem „Department of Prints and Drawings“ des British Museum vor. Sein besonderes Interesse galt dem grafischen Werk Albrecht Dürers, zu dem er 1926 ein Handbuch herausbrachte (Dodgson 1926). Als Keeper der Grafischen Sammlung erwarb Dodgson 1923 auch Dubletten aus der Albertina für das British Museum (Friedländer 1932b  ; Schilling 1948  ; ÖStA, AVA, BMU, 15 Museen, Albertina, fasc. 3159, Nr. 15157, 15.9.1923).

Zur Besichtigung der Privatsammlung Rayner-Wood in Malvern ist es im Rahmen dieser Reise nicht mehr gekommen. Wie aus einem einige Monate später verfassten Brief der Eltern an Sohn Andreas bekannt, gab die noch ausstehende Besichtigung dieser wichtigen „venezianischen Privatsammlung“ mit den Ausschlag dafür, dass sich Tietzes Ende 1937 erneut auf Reisen begaben (Brief ETC an Andreas Tietze vom 14.12.1937, Privatarchiv Filiz Tietze). 125

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Die aus Wien gebürtige Bertha Tarnay war Malerin. In Berlin hatte sie sich dem Kreis um die sozialkritischen Künstler Heinrich Zille (1858–1929) und Käthe Kollwitz angeschlossen. Von der Website des „National Museum of Women in the Arts“ in Washington D. C. erfährt man jedoch Näheres über die tragischen Familienzusammenhänge  :  „Her [Bertha Tarnay’s] personal life was also rather difficult. Her first marriage in 1914 was an unhappy one. When she became pregnant by another man, her husband shot and killed her lover, although he was later acquitted of the crime. Tarnay’s second marriage also ended in divorce.“ (National Museum of Women in the Arts.) Tarnays Tochter Cis gehörte zu den Schützlingen der Tietzes. Aus privater Korrespondenz geht hervor, dass man an ihrem Fortkommen regen Anteil nahm. „Gestern habe ich Cis gesehen, die mir ihr Herz ausgeschüttet hat   die plötzlich mit so viel lange verdrängten Bedürfnissen aufgetauchte Mutter ist ja wirklich eine furchtbare Last auf ihr  !“ Mit der Mutter zusammenzuziehen, riet man Cis ab   „Das ist kein Milieu für einen jungen Menschen, der studieren u. Prüfungen machen soll.“ (Brief ETC an Andreas Tietze vom 5.11.1937, Privatarchiv Filiz Tietze). Dass Cis (später Francis) – wie Tochter Burgl 1915 geboren – zumindest zeitweise auch im Hause Tietze gelebt hat, darf angenommen werden. Cis Tarnay ist vermutlich identisch mit der angesehenen amerikanischen Biochemikerin Helga Francis Havas, geb. Höllering. Diese hatte an der Wiener Universität bis 1938 Medizin und Biochemie studiert und war 1938 nach London emigriert. Ihr Studium der Biochemie beendete sie 1939 in Lyon. 1941 zog sie weiter in die USA (Posch/Ingrisch/Dressel 2008, 407).

18 Wolfgang Amadeus Mozart, Die Zauberflöte, Oper, Uraufführung 1791, Dirigent 1937  : Fritz Busch, Glyndebourne Festival Opera. Das Festival wurde 1934 von John Christie (1882–1962) und dessen Frau Audrey Mildmay (1900–1953) auf deren Landsitz in Sussex gegründet und anfänglich von Fritz Busch sowie anderen deutschen Emigranten geleitet (The Glyndebourne Festival, Pre-war years). 19 Ernst Kris gehörte durch seine Ehefrau, die Ärztin und Psychoanalytikerin Marianne Rie (1900–1980), dem engeren Kreis um Sigmund Freud (1856–1939) an. Er sollte sich nach seiner Emigration 1938 vor allem psychoanalytischen Aufgaben widmen. Dem Thema Karikatur als Grenzbereich zwischen Kunstgeschichte und Psychoanalyse hatte Kris seit den frühen 1930er-Jahren besonderes Interesse entgegengebracht und ihm u. a. 1934 den Aufsatz „Zur Psychologie der Karikatur“ gewidmet (Kris 1934). 1940 erschien seine gemeinsam mit Ernst Gombrich verfasste Studie „Caricature“ (Gombrich/Kris 1940  ; Rose 2007  ; Ernst Kris, Wordpress  ; Ernst Kris, in  Wendland 1999a, 387–392).

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„So-called sketchbook, more correctly an album or scrapbook dismembered after its acquisition in 1907. Most of the drawings are oilsketches, monochrome with brown, gray white predominating, but in some cases adding other colors too.“ (Domenico Tintoretto, „Londoner Skizzenbuch“, in  Tietze/Tietze-Conrat 1944, Nr. 1526, 263.)



James Byam Shaw, ein Spezialist für Handzeichnungen, war von 1937–1968 Direktor der Kunsthandlung P. & D. Colnaghi in London ( John James Byam Shaw, Dictionary of Art Historians  ; Nebehay 1995, 57).



Ernst Philipp Goldschmidt – bevor der angesehene Buchantiquar 1923 in London seine

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Firma E. Ph. Goldschmidt & Co. Ltd. gründete, war er Geschäftsführer beim Wiener Antiquariat Gilhofer & Ranschburg. „Vom ersten Tag seiner Londoner Tätigkeit an setzte er sich an die Spitze der wissenschaftlichen Antiquare.“ (Nebehay 1983, 199.)

Frank Sabin war polnisch-jüdischer Herkunft.



Karl T. Parker war von 1934–1962 Keeper der Kunstabteilung des Ashmolean Museum in Oxford (Sir Karl Theodore Parker, Dictionary of Art Historians).

Tizian zugeschrieben, Pietro Aretin und Sirene, Clairobscur-Holzschnitt, 1537. „Für Tizian spricht bei diesem in erster Linie wieder nicht seine persönliche enge Beziehung zu Aretin – der nach dem ganzen Zusammenhang und nach seinem wie eine Devise hingestellten Lorbeerzweig der Dargestellte ist […] –, sondern auch die hohe Qualität der Erfindung […].“ (Tietze/Tietze-Conrat 1938b, 62, 71.) Bildnis eines Freundes Tizians, Sammlung Marquise von Lansdowne, London (Tietze 1936b, 295). 20 Was genau ETC mit „Spanien-Sammlung“ meinte, kann nicht gesagt werden. Walburg „Burgl“ Rusch erwähnte in einem Gespräch mit der Herausgeberin im Jahr 2006, dass sie nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis die Absicht gehabt habe, sich wie ihr späterer Ehemann Gustav Furtmüller aktiv aufseiten der Republikaner im Spanischen Bürgerkrieg zu engagieren. Aus diesem Vorhaben sei jedoch schließlich „nichts geworden“ (Tonbandprotokoll eines Gesprächs mit Walburg Rusch aus dem Jahr 2006 im privaten Archiv der Herausgeberin). 21 Zu den „ominösen Farbskizzen“ siehe TB 1937/2, 29.5.

Detlev von Hadeln war Pionier in der systematischen Erforschung der Zeichnungen venezianischer Maler der Renaissance. Hier sei vor allem auf seine bei Paul Cassirer erschienene Reihe verwiesen  



Detlev von Hadeln, Zeichnungen des Giacomo Tintoretto, Berlin 1922. Ders., Zeichnungen des Tizian, Berlin 1924. Ders., Venezianische Zeichnungen des Quattrocento, Berlin 1925. Ders., Venezianische Zeichnungen der Hochrenaissance, Berlin 1925. Ders., Venezianische Zeichnungen der Spätrenaissance, Berlin 1926.



„Despite the efforts of earlier scholars and, most notably, Detlev von Hadeln – efforts fully acknowledged by the Tietzes – the study of Venetian drawings had been a rather neglected field.“ (Rosand 1970.)

22 „Man fährt durch East“ – das Londoner East End – Einwanderungs- und Industriegebiet.

Der Tod des Begründers der Individualpsychologie Alfred Adler muss bei beiden Erinnerungen an frühere Kontakte zu expressionistischen Dichtern und diversen Volksbildungseinrichtungen im Wien der 1920er-Jahre wachgerufen haben. Adler hatte Österreich bereits 1934 aus politischen Gründen verlassen und war in den USA mehreren Lehraufträgen nachgegangen. Am 28.5.1937 verstarb er auf einer Vortragsreise in Schottland. 2011 ist seine Urne schließlich in einem Ehrengrab der Stadt Wien beigesetzt worden. Gestalter 127

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des Grabsteins ist ein Verwandter ETCs (Burgls Schwiegersohn), der Wiener Architekt Günter Matschiner (geb. 1941). 23 „Ab 1934 […] Mitarbeit am Katalog antiker Bildwerke, die den Künstlern der Renaissance und des Barock bekannt waren (Projekt des Warburg Institutes, zunächst zusammen mit Ludwig Burchard).“ (Alfred Scharf, in  : Wendland 1999b, 602.) Zu Scharfs Ehefrau Felicie  : „1933–39 Erteilung privater Deutschstunden. Mitarbeit an den Forschungen des Ehemanns.“ (Felicie Scharf, in  : Wendland 1999b, 604  ; N. N. 1966.)

Tietze/Tietze-Conrat 1944, Nr. 1709  „Jacopo Tintoretto, Crouching Nude, […] Gallery Dr. A. Scharf London.“

Otto Wertheimer – TB 1938/1, 29.1.

Zu Ivo – TB 1937/2, 6.6.

24 Am 29.5.1937 wurde das Panzerschiff „Deutschland“, das vor der Insel Ibiza vor Anker lag, bei Luftangriffen durch republikanische Geschwader getroffen. Als Vergeltungsmaßnahme bombardierten deutsche Kriegsschiffe die südspanische Hafenstadt Almeria. Auf Initiative Englands und Frankreichs installierte das „Internationale Komitee zur Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten Spaniens“ zwischen März und Juni 1937 ein komplexes System zur Kontrolle der spanischen Land- bzw. Seegrenzen, wobei der Luftraum unberücksichtigt blieb. Unterzeichner des Abkommens waren neben England und Frankreich auch Italien und Deutschland, die den Verband jedoch bereits Ende Mai 1937 verließen (Moradiellos 1998–2000  ; Kirsch 1973  ; Chroniknet, Tageseintrag für 29.5.1937).

Das Wachsfigurenkabinett der Madame Tussaud, London.

25 Das „South Kensington Museum“ war 1899 in „Victoria & Albert Museum“ umbenannt worden.

Sir Eric Maclagan war von 1924–1945 Direktor des Victoria & Albert Museum, London.

Kenneth Clark, von 1934–1945 Direktor der National Gallery, London (Sir Kenneth Mackenzie Clark, Dictionary of Art Historians).

Harewood House (18. Jh.), Leeds, Yorkshire, Earl of Harewood (Nicolson 1947).

26 Grete Ring und Helmut Lütjens – Partner bzw. Nachfolger des Kunsthändlers Paul Cassirer (1871–1926). „Sein [Paul Cassirers] Geschäft, das die Partner Grete Ring und Walther Feilchenfeldt [1894–1953] in Berlin sowie Helmuth Lütjens in Amsterdam weiter führten, wurde in Deutschland zwischen 1933 und 1938 zerschlagen. Während der Kunsthandel in London, Amsterdam und Zürich über den Krieg hinaus fortgeführt werden konnte.“ (Feilchenfeldt 2006, 39.) Die Filiale in Amsterdam unter der Leitung Lütjens bestand bereits seit 1921. „Grete Ring liquidierte, nachdem ihr die Reichskunstkammer und die Reichsschrifttumskammer jegliche Tätigkeit verboten hatten, die Berliner Firma, versuchte[,] Kunstwerke, Graphik, Buchvorräte und Archivmaterial, das nicht in die Emigration mitgenommen werden konnte, sicher unterzubringen[,] und verließ Berlin im Mai 1938. […] Bereits zuvor 128

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hatte sie mit Feilchenfeldt und Lütjens eine vorbereitende Englandreise unternommen und die drei hatten dabei London für eine weitere Filiale, anstelle der Berliner Firma, vorgesehen.“ (Feilchenfeldt 2005, 138–139.) Lütjens hatte 1927 Kokoschka nach Algerien begleitet.



Zu Horst Gerson siehe TB 1937/2, 19.5.



Das Bild („Salome mit dem Kopf Johannes des Täufers“) war aus dem Besitz des Earl of Northbrock über einen Zwischenverkauf als Giorgione an Frank T. Sabin gegangen. 2005 gelangte es bei Sotheby’s New York als „Venezianisch, spätes 16. Jahrhundert“ erneut zur Versteigerung. Laut Katalog Sotheby’s sei das Bild „directly related to Titian’s famous work of circa 1515 in the Galleria Doria Pamphilij in Rome, though there are small differences between the two, such as the omission of the putto above the archway behind Salome“ (The City Review, Art Auctions).



Diego de Velázquez, Porträt der Mariana de Austria, 1652, Museo del Prado, Madrid.

27 Dr. Felix Tietze, geb. am 2.5.1884 in Prag. 28 In welchem Band der „Österreichischen Kunsttopographie“ die erwähnte Zeichnung Martin Altomontes, eines wichtigen österreichischen Kirchenmalers der Barockzeit, zu finden ist, konnte nicht festgestellt werden.

„Kunsttopographie“  – inventarmäßige Erfassung der österreichischen Kunstdenkmäler nach regionaler Zusammengehörigkeit. Von 1907–1931 hatte HT unter ETCs fachkundiger Assistenz zwölf Bände der „Kunsttopographie“ verfasst.



„mein Legote“ – die Stelle ist unleserlich. Möglicherweise handelte es sich um eine kleinere Publikation ETCs zu Legote, die jedoch nicht in die Kurz’sche Bibliografie Eingang fand.



Unbekannt bleibt hier der Name von Henry Reitlingers Nichte bzw. was mit der „SultanKopie“ gemeint war.

29 Der sowjetische Theatererneuerer Aleksandr Tairov hatte in den 1920er-Jahren in Wien einige Gastspiele gegeben. Seine im Wesentlichen durch die „Kubatur“ bestimmten Bühnenaufbauten sollten dem „dreidimensionalen“ Körper des Schauspielers den nötigen „Aktionsraum“ und die richtige szenische Atmosphäre verschaffen, eine verfeinerte, theatralisierte Kunstwelt im Kontrast zur Außenwelt. Die „Urkristalle sind die geometrischen Grundformen, die uns als Material zum Bühnenaufbau dienen. Diese Konstruktionen rufen natürlich keinerlei lebenswahre Illusionen hervor, dafür sind es aber in Wahrheit freie und schöpferische Formen, die keine anderen Gesetze anerkennen, als die der inneren, aus der rhythmischen Handlungsstruktur der Inszenierung gebotenen Harmonie.“ (Tairov 1964, 139–146  ; Lesák 1993, 16.)

Christine – bedauerlicherweise ist es in diesem Fall wieder nicht gelungen, ausgerechnet zu einer nahen Bekannten Genaueres herauszufinden. Christine gehörte offensichtlich zu den persönlichen Freunden, vermutlich noch aus Wiener Tagen.

30 Möglicherweise war Segonzac anlässlich der Feierlichkeiten zum 60. Geburtstag des 129

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Kunst­händlers und Galeristen Percy Moore Turner nach London gereist. Zur Freundschaft der Tietzes mit dem Maler Segonzac siehe TB 1937/1, 6.5. 31 Nach der Ankunft in London 1933 wurde die Warburg-Bibliothek vorerst im „Thames House“, einem Geschäftshaus im Stadtteil Millbank, untergebracht (Vgl. Wuttke 1984, 138).

„Bocherchen“ – aus dem Hebräischen bah-CHOOR, ‚Jüngling, Junge‘.



Die Bekanntschaft mit Fritz Saxl reichte Jahrzehnte zurück und war, wie die Korrespondenz im Warburg-Archiv belegt, beiderseits – wenn auch nicht frei von Ambivalenzen – im Wesentlichen durch gegenseitige Hilfeleistungen geprägt. Der Wiener Kunsthistoriker Saxl war seit 1913 erst als „wissenschaftlicher Hilfsarbeiter“, nach längerer Unterbrechung durch den Weltkrieg ab 1920 als Bibliothekar in Aby Warburgs Bibliothek tätig. Während Warburgs Erkrankung baute Saxl die Bibliothek zu einer kunstwissenschaftlichen Forschungseinrichtung auf. Nach Warburgs Tod 1929 übernahm er die Leitung, die er auch nach der Überführung der Bibliothek nach London bis zu seinem eigenen Tod 1948 innehatte (N. N. 1947a  ; Schoell-Glass 2005).



Ernst Gombrich ist heute der wohl prominenteste Vertreter jener jüngeren Kunsthistorikergeneration, die Österreich bereits Mitte der 1930er-Jahre verließ. In England konnte sich seine Karriere entfalten.



Zu Otto Kurz siehe TB 1937/1, 19.4.

32 Westminster Abbey, Collegiate Church of St. Peter, 11. Jh. 33 Die „Drawings Gallery“ der königlichen Sammlung in Schloss Windsor ist vor allem wegen der Zeichnungen Raffaels sowie von Künstlern aus dessen Umfeld bedeutungsvoll.

Sir Owen Morshead – königlicher Bibliothekar.

34 „Art d. Fr[öhlich]-B[um]schen in Bayonne“ – (Tietze/Tietze-Conrat 1944, A 1873 Bayonne, Sketch for the martyrdom of St. Peter Martyr, 312.) Gemeint ist eine dank der Fotografie in der Witt-Bibliothek identifizierte weitere Skizze zu bzw. nach Tizians 1867 zerstörtem Gemälde „Tod des Petrus Martyr“ für die Kirche San Giovanni e Paolo, Venedig. Lili Fröhlich-Bums Zuschreibung an Tizian (Fröhlich-Bum 1923a) wurde zurückgewiesen. Für Tietzes handelte es sich vielmehr um ein „Carraccesque aftermath of Titian’s style“ (Tietze/ Tietze-Conrat 1944, 312). „Bei der von uns geforderten Verknüpfung von Zeichnungen mit beglaubigten Werken besteht immer die Gefahr, daß Nachzeichnungen mit Vorzeichnungen, also Blätter, die zu einer Komposition hinführen, mit solchen, die von ihr abstammen, verwechselt werden. Ein lehrreiches Beispiel für diese typische Verirrung bietet das reiche Material, das Fröhlich-Bum in mehreren Veröffentlichungen um das Petrus-Martyr-Bild gruppiert hat.“ (Tietze/Tietze-Conrat 1936a  ; zu den „Petrus-Martyr-Skizzen“ siehe TB 1937/2, 11.6., 16.6., 25.6.) 35 „Katalog d. S[amm]l[un]g Lampson Locker “ – Douglas Robert Langton, A Few Italian Pictures Collected by Godfrey Locker-Lampson, London o. J. 36 Nach dem Tod ihres Ehemanns Ernst von Twardowski war ETCs älteste Schwester Ilse 130

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mit Tochter Ivo (Elisabeth) in München verblieben. Ähnlich wie ETC mit ihren Kindern war auch Ilse von Twardowski bemüht, ihrer Tochter möglichst viele Aufenthalte im Ausland zu ermöglichen. Ivo besuchte zu diesem Zeitpunkt gerade für ein Jahr das Mädcheninternat Tolmers Park, Hertfordshire. „Es ist seltsam gewesen, wenn man aus Deutschland nach England kam, dann wurde einem (speziell einem halbarischen Menschen) erst bewußt, daß man in Deutschland doch unter Druck lebte. Ich kann mich überhaupt nicht beschweren, denn ich hatte nie Schwierigkeiten, aber man vermied es doch als junges Mädchen z. B. Bekanntschaften zu machen, aus Angst, wenn der neue Bekannte erfährt, du bist ,halbert‘, daß er dich dann fallen läßt. Ich bin nie zum Tanzen gegangen, wenn ich nicht einen Partner hatte, der entweder in der gleichen Lage war wie ich oder der uns gut kannte und dem es nichts ausmachte[,] mit mir gesehen zu werden. […] Man war völlig daran gewöhnt, seinen Mund zu halten, oder jemandem Recht zu geben, der den ,Führer‘ lobte o. ä.[,] und plötzlich war alles vorbei. Die Atmosphäre war ganz anders“, erinnerte sich Ivo Kahmann Jahre später an ihre Anfänge in England (Kahmann unveröff., 319). Tancred Borenius – finnisch-britischer Kunsthistoriker, ab 1922 erster Inhaber des Lehrstuhls für Kunstgeschichte am University College London. „The first holder of the chair was Tancred Borenius, known as ,the Flying Finn‘, who remained professor until his death in 1947“ (UCL, University College London, History of Art, About Us)  ; „Borenius’ opinion on art was highly valued in England“ (Tancred Carl Borenius, Dictionary of Art Historians).

Pietro Vecchio – siehe Pietro della Vecchia.



Cheltenham – Privatsammlung Fenwick  ; Tizian Kreis, Zuschreibung A. Popham (Tietze/ Tietze-Conrat 1944, Nr. A 1984, 328  ; Popham 1935).



Ausgrabungen – Jagdschloss der Plantagenets – königlicher Palast des Hauses Plantagenet (1145–1485) in Clarendon (nahe Salisbury, Wiltshire).

37 Eva Benesch – Tochter von Lilli und Hugo Steiner, den Freunden aus Wiener Jahren (siehe TB 1923, 1924, 1925), Ehefrau des Kunsthistorikers Otto Benesch und ehemalige Kollegin ETCs an der Wiener Graphischen Sammlung Albertina.

Sammlung Weigel konnte nicht mit Sicherheit bestimmt werden.



Universität  – es handelte sich um das 1937 eben fertiggestellte Senate House (Verwaltungsgebäude der University of London) im Stadtteil Bloomsbury  ; Architekt war Charles Henry Holden (1875–1960).



Beinfleisch – beliebtes Wiener Suppenfleisch vom Rind.

38 Als Reisehandbuch wurde ein weiteres Mal der Baedeker herangezogen. 39 Georg Franckenstein war von 1920–1938 österreichischer Botschafter in London. Nach der blutigen Niederschlagung des Bürgerkriegs im Februar 1934 hatte Franckenstein gegen die Vorgehensweise der österreichischen Regierung Protest eingelegt. Laut Neugebauer sind es nicht zuletzt diese Interventionen aus dem Ausland gewesen, die die österreichische Regierung damals zu einem gewissen Einlenken bewegt hätten (Neugebauer 2005, 303). 131

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„Virgin and Child surrounded by little angels. […] Publ. by Mrs. Fröhlich-Bum in Graph.Künste, LI, p. 7, fig. 3, as Lotto, with reference to paintings from his Bergamasque period (1515–1528). Publ. by us in Gaz. d. B. A. [Gazette des Beaux-Arts] 1942, p. 115ff., fig. I as the sketch of the upper part of Giulio Campi’s altar-piece in S. Sigismondo, Cremona, dated 1540 […].“ (Tietze/Tietze-Conrat 1944, Nr. A 773, 186.)



„Gran Capitano“ – Gonzalo de Córdoba.



„The ,gran Capitano‘ as he was called was so popular that a first edition of his printed portrait was soon exhausted and a second had to be made“, schrieb ETC 1940. „It is evident that the arguments which are meant to confirm the precedence of Hopfer’s etching over the Italian print cannot stand a thorough investigation. In my opinion the latter is an authentic portrait of Gonsalvo from about 1500. […] Where could the painted portrait from which both versions in question evidently are graphic translations have originated  ? […] Is there somebody in Venice who could have painted it  ? […] there exists in the Earl of Yarborough collection a picture already mentioned by Waagen. […] In spite of many arguments in its favor I do not dare to insist on the authenticity of the painting in Yarborough. In its present state it does not look like an original of about 1500.“ (Tietze-Conrat 1940b, 172–175.) „Die Behauptung, dass Giorgione ihn [Gonsalvo] bei dieser Gelegenheit porträtiert haben soll, ist wohl frei erfunden, nicht zuletzt deshalb, weil ein solches Bildnis bislang nicht identifiziert werden konnte.“ (Feser 2008, 89.)





Den Stich Daniel Hopfers hatte ETC bereits 1935 publiziert (Tietze-Conrat 1935). „The objections I raised against identifying the portrait as Kunz von der Rosen were justifiably rejected by Erwin Panofsky, in the Art Bulletin, vol. 24, no. 2, June 1942.“ (TietzeConrat 1957, 107.)

40 College of Arms – englisches Wappenamt, Amt für Heraldik. Der „Lancaster Herald“ dient im Wappenamt neben anderen Offizieren des College of Arms. Sie werden dem Haushalt des Königs zugerechnet (British History Online, Clarenceux King of Arms).

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Zur Auflösung des Rätsels um das Marmorrelief siehe TB 1938/1, 26.4.



Francesco di Giorgio Martini, Discordia, Stuckrelief, 1477–1480, Victoria & Albert Museum, London. Siehe dazu u. a. Panofsky 1924 [1998].



Der Parthenon – Tempel der Athene, 550 v. Chr., Akropolis, Athen, war mit 92 plastisch gestalteten Paneelen („Metopen“) geschmückt (Vgl. Beard 2009).



Michelangelo, Die Madonna an der Treppe, um 1490, Marmor, Casa Buonarroti Florenz, sowie Kampf der Zentauren, 1490–1492, Marmor, Casa Buonarroti, Florenz.



In England sollte sich die Medizinerin und Sozialpolitikerin Stella Churchill als besonders hilfsbereite Freundin erweisen. Als Witwe des 1921 verstorbenen britischen Generalkonsuls in Neapel hatte Churchill Medizin an der London School of Medicine und in Cambridge studiert. Sie engagierte sich für die Labour Party und war Verfasserin mehrerer Bücher zu Fragen des Mutterschutzes und der Kinderwohlfahrt (N. N. 1954).

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41 Yarborough-Sale, Christie’s, London, Juli 1929.

Detlev Baron von Hadeln, Titian’s Drawings, London 1927.



Tintoretto, Heiliger Rochus unter den Pestkranken, 1549, Chiesa San Rocco, Venedig.



Green Light, Regie   Frank Borzage (1894–1962), USA 1937.



Tietzes erwähnen einen C. E. Cooke in  Tietze/Tietze-Conrat 1944, 311.

42 Zu Thomas Harris Ltd., The Spanish Art Gallery, 6 Chesterfield Gardens, London, siehe Anita Harris Family and Family Tree, HP.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Bridgewater House durch Bombardierung stark beschädigt. Zur Sicherung waren die Meisterwerke der Sammlung bereits vorher in die National Gallery of Scotland nach Edinburgh verbracht worden. Nach 1945 überließ der 5th Earl of Ellesmere rund dreißig Gemälde dem Museum als Dauerleihgabe, darunter auch Raffaels „Jungfrau mit Kind“ („Bridgewater Madonna“), die „Sieben Sakramente“ von Nikolaus Poussin sowie von Tizian die „Drei Lebensalter“ und „Diana und Kallisto“. Tizians „Diana und Aktäon“ ist inzwischen von der National Gallery erworben worden und ist abwechselnd in London und Edinburgh zu sehen. Tizian hatte „Diana und Aktäon“ wie sein Pendant „Diana und Kallisto“ in den 1550er-Jahren für Philipp II. von Spanien gemalt (National Galeries Scotland, Collection Titian [Tiziano Vecellio]).



Mit „Fluteur“ könnte Pars pro Toto Giorgiones respektive Tizians berühmtes Gemälde „Ländliches Konzert“ gemeint sein (um 1509, Louvre). Vgl. TB 1937/1, 17.5.



43 Kunsthandlung Durlacher Brothers, Bond Street, gegründet 1843 (N. N. 1942). Die Firma hatte u. a. auch eine Zweigstelle in New York. 44 Das von Lionello Venturi gesicherte Porträt des Navigero konnte nicht ausfindig gemacht werden.

Der aus Deutschland stammende Maler Jan Calcar war vorübergehend in Tizians Werkstatt eingetreten  „In Venedig schloß er sich (nach Vasari) an Tizian an, dessen Stil er so nahekam, daß seine Bilder oft mit denen seines Meisters verwechselt wurden. Er ist dann später nach Neapel gezogen, wo er ein beliebter Porträtmaler wurde.“ ( Jan Calcar, in   Thieme/Becker/ Vollmer 2008, 40.)

45 Tizian und Werkstatt, Venus mit dem Lautenspieler, um 1565–1570, Metropolitan Museum of Art, New York.

Corneille – französische Kupferstecherfamilie, vermutlich Michel Corneille le Jeune.



Zum „neu entdeckten“ Tizianbild bzw. den „Petrus-Martyr-Skizzen“ siehe TB 1937/2, 4.6., 16.6., 25.6., 26.6.

46 Kurt „Kurtl“ Winkler war damals Noch-Freund von Tochter Burgl. Die beiden trennten sich – sehr zum Bedauern ETCs – bald nach Burgls Haftentlassung. Burgl fühlte sich da133

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mals bereits zu Gustav Furtmüller, einem Genossen aus der kommunistischen Bewegung, hingezogen. Zu Kurt Winkler, der 1938 – obwohl nicht jüdisch – nach Australien emigrierte, konnte nichts weiter ausfindig gemacht werden. 47 „Museum“ – Privatgalerie im Anwesen des Lancaster Herald A. G. B. Russel in Dorset.

Tietze/Tietze-Conrat 1944, Nr. 2107, 347, Paolo Veronese, Gondoliere.



Zur Auflösung des Rätsels um das Marmorrelief siehe TB 1938/1, 26.4.



Der Kunsthistoriker und Sammler A. G. B. Russel hatte auch einen Namen als Insektenforscher (British History Online, Clarenceux King of Arms).

48 Erwähnter Paginierfehler war vermutlich bei dem 1937 beim Holbein-Verlag erschienenen „Kritischen Verzeichnis der Werke Albrecht Dürers“, Bd. 2, aufgetreten. Zum Prestel bzw. Holbein-Verlag siehe TB 1937/1, 22.4., 6.5. 49 Lord Lee galt als graue Eminenz bei der Etablierung und Förderung der Kunstwissenschaf­ ten in England. So war er maßgeblich an der Überführung der Warburg-Bibliothek von Hamburg nach London sowie an der Errichtung des Courtauld-Instituts, in das auch Teile seiner Kunstsammlung einflossen, beteiligt. Er gehörte dem Verwaltungsrat mehrerer Sammlungen und Museen an. Mit seiner amerikanischen Frau residierte er auf dem Anwesen White Lodge Richmond Park in London (Clark 1947  ; Lord Lee of Fareham, The University of Warwick  ; Witt 1932  ; Feichtinger 2001a, 341).

George Martin Richter, Giorgio da Castelfranco, Called Giorgione, Chicago 1937 (Werkverzeichnis mit Bibliografie bis zum Jahr 1936).

Pieter Breughel d. Ä. , Der Tod Mariä, Richmond Park, Sammlung Viscount Lee of Fareham (Glück 1936a, Abb. 18).

Die ältere venezianische Malerdynastie der Bellinis wird im Tietze’schen Katalog etwas stiefmütterlich behandelt. „The Bellini material is the most glaring instance of an interpretation in need of correction.“ (Rosand 1970.)

50 Sammlung Sir Herbert Cook – „[…] many of his [Sir Herbert Cook’s] own additions to the family collection were of an importance which it is as well here to emphasize – we will only mention two of them, the Schiavona by Titian from the Crespi collection at Milan, and the Portrait of Titus as a Boy by Rembrandt.“ (N. N. 1939.)

Beim sogenannten „Kritzelmeister“ handelte es sich um Tizian. „Titian, Sketches for the ,Martyrdom of St. Peter Martyr‘, Musée Wicar Lille“ (Tietze/Tietze-Conrat 1944, Nr. 1923–1925, 318–319).

51 In der Friedhofsdatenbank der Israelitischen Kultusgemeinde Wien findet sich als Sterbe­ datum für Rosa Ehrlich der 9. Juni 1937. Sie wurde 65 Jahre alt. Ehrlichs Vater, Kurt Ehrlich, der 70-jährig im Oktober 1938 verstarb, wurde neben seiner Ehefrau beigesetzt.

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Hans Hess’ Vater, der Erfurter Schuhfabrikant Alfred Hess, gehörte zu den bedeutendsten Förderern moderner, vor allem expressionistischer Kunst in Deutschland. Zu den zahlrei-

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chen Besuchen im Haus seiner Eltern erinnerte sich Hans Hess  „Jeder einzelne Künstler verbreitete seine eigene Atmosphäre, von jeder Persönlichkeit ging eine eigene Magie aus, und diese Magie färbte den ganzen Tag. Es gab dunkle Tage und helle, ernste und ausgelassene, aber auch Arbeitstage, an denen man die Besucher gar nicht zu Gesicht bekam. Die Gastfreundschaft meiner Mutter und ihre Freude an neuen Menschen macht es den Gästen leicht, sich zum Haus gehörig und nicht wie ,zu Besuch‘ zu fühlen. Die Maler und ihre Frauen brachten neue Freunde ins Haus – Schriftsteller und Kunsthistoriker, die mit ganzen Scharen von Studenten kamen, um nach der Gotik im Dom den Expressionismus im Haus zu studieren.“ (Hess 1957, 41.) Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise brachten die Schuhfabrik M. & L. Hess AG, die von Hans Hess nach dem Tod des Vaters 1931 weitergeführt worden war, in ernste Schwierigkeiten. Der Konkurs konnte jedoch abgewendet werden. Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde die Fabrik in „arische“ Hände übertragen. Hans Hess’ Mutter Thekla war gezwungen, die Villa, in der sich die berühmte Sammlung befand, zu verkaufen. Thekla Hess folgte ihrem Sohn 1939 in die Emigration nach (Menzel 2008  ; Feilchenfeldt/Romilly 2000  ; Schnabel/Tatzkow 2009, 63  ; Hans Hess, in  Wendland 1999a, 294–295).

1924 hatte HTs GFMK bei der großen „Internationalen Kunstausstellung“ auch ein Werk aus der Sammlung Hess gezeigt.

52 Um die Mitte des 20. Jahrhunderts gehörte Herbert Read, Poet, Kritiker und Anarchist, zu den schillerndsten und vielseitigsten Persönlichkeiten unter den britischen Intellektuellen. „Read’s diverse activities as a writer, editor, and translator led to the publication of over ninety books during his lifetime in fields ranging from poetry, fiction, literary and art criticism to philosophy, education, politics, and industrial design.“ (Brennan 2000, 175.) Richard Aldington, Death of a Hero, Roman, 1929.

„Both [Aldington and Read] draw attention to the fact that they shared alike the war and Imagism  ; that in such a dual context each contained in himself the possibility of integrating the two experiences of literary and social upheaval, assuming that such an integration was possible“, schrieb Jon Silkin in seinem Buch über die Dichter des Ersten Weltkriegs (Silkin 1998, 187).



Paolo Veronese, Triumph der Stadt Venedig, Deckenbild, 1578–1582, Sala del Collegio, Dogenpalast, Venedig.



Zum „neu entdeckten“ Tizianbild bzw. den „Petrus-Martyr-Skizzen“ siehe TB 1937/2, 4.6., 11.6., 25.6., 26.6.

53 Princess Mary war die Tochter des englischen Königspaars George V. und Queen Mary sowie die Schwester von König George VI.

„von Teniers Kopien nach d. Wiener Bildern“ – der Maler David Teniers hatte die Erzherzog Leopold Wilhelm’sche Kunstsammlung betreut und Kopien der Bilder angefertigt.



Schlacht um Zadar (ital. Zara), 1202.

54 Zu dem englischen Kunstgelehrten Christopher Norris, dessen Aufsätze in zahlreichen 135

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Kunstzeitschriften der Zeit erschienen sind, konnten keine Lebensdaten ermittelt werden. Tizian, Bildnis eines Herrn, Museo Civico, Verona (Tietze 1936b, 314). „This so-called portrait of a member of the Castancance family is widely accepted as by Titian. The composition is Titianesque, but how should the chain, left ear, right arm, the oily quality and false drawing of the left hand with the glove be attributed to the master of the ,Young Englishman‘ or ,Ippolito Riminaldi‘ from the Pitti Gallery  ?“ (Norris 1935, 128.) „Die starke Ähnlichkeit der körperlosen Hände und des bleichen Inkarnats mit dem Herrenportrait von Lotto im Brera läßt die Zuschreibung an Tizian nicht unbedingt gesichert erscheinen.“ (Tietze 1936b, 314.)

55 Eine Person namens „Silbervogel“ konnte nicht eindeutig identifiziert werden  ; es handelte sich aber ziemlich sicher um einen der beiden Brüder Elkan und Abraham Silberman. Diese waren mit Tietzes seit Jahren näher bekannt (siehe u. a. Brief vom 13.8.1937, HT mit Andreas Tietze, Privatarchiv Filiz Tietze). Im Privaten trieb ETC gerne Namensspiele. Dolly war die Schweizer Ehefrau von Elkan Silberman  ; der Kontext scheint daher nahezulegen, dass es sich beim „hinkerten“ Bruder um Elkans Bruder Abraham, der offenbar ein körperliches Gebrechen hatte, gehandelt haben dürfte. Zur Kunsthandlung der Brüder Silberman siehe TB 1937/2, 22.6.

Der Filmstar war wahrscheinlich die aus Ungarn stammende Schauspielerin Maria Corda (geb. Farkas).



„Since 1937 he [Paul Oppé] advised the National Gallery of Canada on the purchase of drawings.“ (Ford 1957, 207.)

Sammlung Rayner-Wood, Malvern – siehe TB 1938/1, 5.2., 7.2. 56 Georg Swarzenski hatte von 1906–1938 die Direktion des Städelschen Kunstinstituts in Frankfurt inne und war ab 1928 auch Generaldirektor der städtischen Museen. 1933 wurde Swarzenski seiner städtischen Ämter enthoben, verblieb aber noch bis 1938 auf dem Direktorenposten des privaten Städelschen Kunstinstituts. 1938 emigrierte er schließlich in die USA (Georg Swarzenski, in  : Wendland 1999b, 677–683  ; Schilling 1958).

Lansdowne – Sitz des Marquess of Lansdowne, Somerset.

57 Giorgione-Nachfolger, Auffindung von Romulus und Remus, Städel-Museum, Frankfurt am Main.

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Der Grafikspezialist Edmund Schilling war von 1919–1937 Direktionsassistent bei Swarzenski am Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt am Main.



„Posse geheiratet“ – die Bekanntschaft der beiden Tietzes mit dem Direktor der Dresdner Gemäldegalerie reicht Jahre zurück. Hans Posse und HT hatten beide 1903 bei den Professoren Wickhoff und Riegl promoviert. Auch hatte Posse Kokoschka bei sich beherbergt, als dieser Anfang der 1920er-Jahre eine Professur in Dresden innehatte. Posses spätere Ehefrau Elise, geb. Käpernick, eine überzeugte Nationalsozialistin, war tatsächlich jahrzehntelang seine Haushälterin gewesen (Maaz 2012a, 22  ; Schwarz 2013).

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Ernst Zimmermann war ab 1936 Direktor der Gemäldegalerie des Berliner Kaiser-Friedrich-Museums in Berlin. Zum Ausbau der deutschen Sammlung der Gemäldegalerie wollte Zimmermann das „Bildnis eines Mannes mit Laute“ von Hans Holbein d. J. aus der ehemaligen Sammlung Henry Goldman erwerben. Ansprechpartner für einen geplanten Tausch war der Kunsthändler Joseph Duveen. „One of the paintings the Kaiser Friedrich [Museum] was willing to exchange was Duccio’s Nativity with the Prophets Isaiah and Ezekiel, a fourteenth-century triptych on wood. Mellon [Paul Mellon (1907–1999), USamerikanischer Großunternehmer und Mäzen] was delighted to buy it and it is now at the National Gallery.“ (Secrest 2005, 337.) Zimmermanns Vorgehen wurde vom Beirat der Gemäldegalerie gedeckt, der dem Tausch des Holbein-Gemäldes gegen die von Duveen geforderten Gemälde – eine Altartafel von Duccio di Buoninsegna sowie eine Madonna mit Kind von Fra Filippo Lippi (um 1406– 1469) – zustimmte (Winter 2013, 5). „Eine Bewertung dieses Tauschgeschäfts muß jenseits aller kunsthistorischen Maßstäbe auch die historisch-politischen Umstände einbeziehen, die es im Jahr 1937 vollkommen angebracht erschienen ließen, ein deutsches Gemälde gegen zwei hochkarätige italienische Gemälde zu tauschen.“ (Winter 2013, 6.) Bei den emigrierten Kunsthistorikern stieß dieses Vorgehen jedenfalls auf Fassungslosigkeit.

58 Cheltenham – Privatsammlung Fenwick. 59 Dieser Tageseintrag ist persönlich an HT gerichtet.

Albert Memorial in Kensington Gardens, Architekt   George Gilbert Scott (1811–1878).

60 Im November 1933 war zur Umgehung der Geschworenengerichte das Standrecht eingeführt, im Februar 1934 allerdings wieder aufgehoben worden. „Die nach der Aufhebung des Standrechts am 21.2.1934 tätigen ordentlichen Gerichte unterschieden sich deutlich von den Standgerichten. Hier war nicht nur die Prozeßführung relativ fair, auch die verhängten Strafen – meist einige Monate, höchstens einige Jahre Kerker – waren wesentlich milder  ; vielfach erfolgten Freisprüche oder Verfahrenseinstellungen. Grundsätzlich waren alle vom Gericht Entlassenen der Polizei zur weiteren Verfügung zu übergeben, die vielfach Einweisungen in ein Anhaltelager vornahm.“ (Neugebauer 2005, 304.) 61 Zeitschrift „L’Arte“, Herausgeber   Adolfo und Lionello Venturi, Turin. 62 Zur Tintoretto-Zeichnung von Grassi siehe TB 1938/1, 29.3. „The Allendale Adoration, or Nativity, as it is usually called, has always been considered a work of Giorgione’s although to this day there is talk about whether it could be an early Titian, or perhaps could have been painted by Giorgione with some amendations by Titian.“ (Secrest 2005, 362  ; zur „Allendale Nativity“ siehe auch TB 1937/2, 23.6., 25.6.)

Ascot – Pferderennen und Treffen der englischen High Society.

63 Dulwich, Südlondon, Dulwich Picture Gallery.

Dr. Hedwig Saxl, die Tochter Fritz Saxls, litt an schweren Depressionen (Wuttke 2003, 137

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345)  ; Gertrud Bing war damals Vizedirektorin des Warburg-Instituts und Fritz Saxls Lebensgefährtin. Saxl erhielt 1939 die britische Staatsbürgerschaft (Schoell-Glass 2005). 64 The Henry Oppenheimer Sale, Christie’s, 10.–14.7.1936  ; The Earl of Warwick Sale, London, Sotheby’s, 17.6.1936.

„Der als Schwiegersohn von Malcolm“ – vielleicht ein Irrtum ETCs, denn es dürfte sich um Geoffrey Malcolm Gathorne-Hardy, den Enkel von John Malcolm of Poltalloch gehandelt haben (Geoffrey Malcolm Gathorne-Hardy, The Peerage). „Malcolm, John, of Poltalloch (1805–1893), art collector and landowner“ ( John Malcolm of Poltalloch, Oxford Dictionary of National Biography).

Albrecht Dürer, Der verlorene Sohn, Kupferstich, um 1496. Albrecht Dürer, Der verlorene Sohn, Zeichnung, um 1496, British Museum, London.

Betrachtet man den Kupferstich und die Vorzeichnung aus dem British Museum, so kann man das Hornvieh mit einigem Glück als Ochsen identifizieren. Im Tietze’schen Katalog wird es diplomatisch als „Rind“ bezeichnet (Tietze/Tietze-Conrat 1928, Abb. 48, 153).

Campbell Dodgson, Two Versions of The Prodigal Son, by Dürer, in  The Burlington Magazine for Connoisseurs, Vol. 74, Nr. 435, Juni 1939, 295. 65 Geoffrey Malcolm Gathorne-Hardy, Fachmann für internationale Politik und norwegische Geschichte. Ausstellung der Zeichnungen – Sammlung Geoffrey Malcolm Gathorne-Hardy, Oktober– November 1971, P & D Colnaghi & Co. Ltd., und November 1971–Jänner 1972, Ashmolean Museum, Oxford. 66 Zum „Gran-Capitaneo“-Stich siehe 1937/2, 9.6.

Die aus Ungarn stammenden Kunsthändler Abraham und Elkan (später Elkein) Silberman (in Wien Silbermann) hatten Kunsthandlungen in Wien, New York und Budapest, wobei das Geschäft in Wien hauptsächlich von Elkan, das in New York von Abraham Silberman geführt wurde. Das Wiener Geschäft wurde während der NS-Zeit arisiert und – wie die Privatwohnung Elkan Silbermans – geplündert (Anderl 2006, 48–58  ; zu E. & A. Silberman siehe auch Lillie 2003, 1.202–1.213  ; Archiv des BDA Wien, Restitutionsmaterialien, K 47, Silberman Elkein  ; weiters TB 1937/2, 17.6.; TB 1938/1, 28.2.).

67 „Both in her own specialist studies [ivory carvings] and in her official position as the first woman Keeper in a national museum, Margaret Longhurst was a pioneer“ (N. N. 28.1.1958).

Die berühmte Sammlung von Raffaels Tapisserie-Vorlagen aus der Royal Collection in Hampton Court befindet sich seit 1865 im Victoria & Albert Museum.

68 Hans Tietze/Erica Tietze-Conrat, Kritisches Verzeichnis der Werke Albrecht Dürers, Bd. II, Der reife Dürer, 1. Halbbd., Von der venezianischen Reise im Jahre 1505 bis zur niederländischen Reise im Jahre 1520, nebst Nachträgen aus den Jahren 1492–1505, BaselLeipzig 1937. 138

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69 Es handelte sich um einen Brief von HTs Bruder Felix, der berichtete, dass seine Tochter Margarethe die Matura (Abitur) offenbar nicht auf Anhieb bestanden hatte. Felix Tietze kümmerte sich um Burgl, die auf ihren Prozess wartete. 70 Tietzes sahen die „Allendale Nativity“ noch beim ursprünglichen Eigentümer. Kurze Zeit später erstand Duveen das Gemälde und verkaufte es anschließend an den amerikanischen Sammler Samuel Kress (1863–1955) weiter. Zur „Allendale Nativity“ siehe auch TB 1937/2, 20.6., 25.6. Giorgione, Die Anbetung der Hirten („Allendale Nativity“), 1505–1510, National Gallery of Art, Washington. Giorgione, Die drei Philosophen, um 1508, KHM, Wien. Giorgione, La Tempesta (Das Gewitter), um 1506–1508, Gallerie dell’ Accademia, Venedig.

Giulio Campagnola, Johannes der Täufer, um 1505, Kupferstich.



Tizian, Noli me tangere, um 1514, Vermächtnis Samuel Rogers 1856, National Gallery, London.



Raffael, Die Sixtinische Madonna, 1512/13, Staatliche Kunstsammlungen, Dresden.



Temple Newsam, Landsitz mit Kunstsammlung in der Nähe von Leeds, West Yorkshire, 16./17. Jh. Tietzes sahen das sogenannte Temple-Newsam-Porträt, auch „Bildnis eines bartlosen Mannes“, bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal. Es war durch Suida Tizian zugeschrieben worden. Ludwig Justi tendierte zu Giorgione (Tietze 1936b, 292  ; Justi 1936, 331–332).

Master of the Saint Bartholomew Altarpiece, The Deposition, 1500–1505, National Gallery, London.

71 Die Publikation von Eduard Plietzsch aus dem Jahr 1936 konnte nicht ausfindig gemacht werden. 72 Der Landarzt Edward Jenner (1749–1823) entwickelte die Pockenschutzimpfung. Sein Denkmal steht in Kensington Gardens.

Der Anker-Steinbaukasten war ein populäres Architekturmodellspiel. Die vielfältigen Vorlagen wurden von Künstlern und Architekten geschaffen.

73 Die Gegend um Salisbury, Wiltshire, ist von außerordentlicher Naturschönheit mit zahlreichen adeligen Landsitzen.

Wilton House – Landsitz des Earl of Pembroke, nahe Salisbury, Wiltshire. Das Herrenhaus stammt vom Architekten Inigo Jones (zur Sammlung Wilton House siehe Pembroke 1968).



Longford Castle – Sitz der Earl of Radnor, südöstlich von Salisbury, 16. Jh.



Offenbar geht der von HT verwendete Name „Longhurst“ auf einen Eigentümer des 16. Jahrhunderts zurück, der außerdem Herr über „Hurst Castle“ gewesen war.



Hans Holbein d. J., Erasmus, 1523, Longford Castle. 139

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Velázquez, Juan de Pareja, 1650, heute im Metropolitan Museum, New York.



Der schmiedeeiserne Sessel wurde 1574 von Thomas Rucker aus Augsburg für die Kunstkammer Kaiser Rudolfs II. hergestellt.

74 Gemäldegalerie im königlichen Palast Hampton Court, Surrey (16./17. Jh.). Girolamo Savoldo  ?, Porträt eines Mannes in Rüstung (Gaston de Foix  ?), um 1529, Louvre, Paris. Albrecht Dürer u. a., Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I., 1515, Holzschnitt.

Benno Geiger – Sale Sotheby’s London, 9.12.1920.



„Titian, Sketches for the ,Martyrdom of St. Peter Martyr‘, Musée Wicar Lille.“ (Tietze/ Tietze-Conrat 1944, Nr. 1923–1925, 318–319.) Das vermeintliche Tizian-Bild aus der ehemaligen Sammlung Benno Geiger konnte nicht identifiziert werden. Unklar bleibt, ob es ebenfalls mit dem verbrannten Gemälde „Tod des Petrus Martyr“ in Zusammenhang zu sehen ist. Zum „neu entdeckten“ Tizian-Bild bzw. den „Petrus-Martyr-Skizzen“ siehe TB 1937/2, 4.6., 11.6., 16.6., 26.6.



Ende April 1939 war Duveen in seine Lieblingssuite im Claridge Hotel, London, gezogen, wo er kurz darauf einen Schlaganfall erlitt, von dem er wohl gerade im Begriff war, sich zu erholen, als Tietzes ihm den Besuch abstatteten (Secrest 2005, 379). Die Zuschreibung der sogenannten „Allendale Nativity“ durch Duveen an Giorgione war offenbar Auslöser für den Bruch mit seinem langjährigen Mitarbeiter Bernard Berenson, der das Werk dem jungen Tizian gab. „In terms of appreciation, the game of who painted it is irrelevant. But from a commercial point of view, the Allendale Nativity was being sold for a Giorgione price and therefore had to be a Giorgione.“ (Secrest 2005, 362.) Hintergrund für den Bruch der langjährigen Partner dürften allerdings finanzielle Misshelligkeiten gewesen sein. Zur „Allendale Nativity“ siehe auch TB 1937/2, 20.6., 23.6. Tietzes folgten in diesem Zusammenhang Berenson („Bibi“ bzw. „B. B.“, der Spitzname Bernard Berensons), der insgesamt die Anzahl der gesicherten Werke Giorgiones drastisch reduziert hatte (Tietze/Tietze-Conrat 1949).

75 Benno Geiger-Sale Sotheby’s London, 9.12.1920.

Zum „neu entdeckten“ Tizian-Bild bzw. den „Petrus-Martyr-Skizzen“ siehe TB 1937/2, 4.6., 11.6., 16.6., 25.6.

76 Tizians „Vendraminbild“   Gruppenbild der Familie Vendramin, um 1543–1547, National Gallery, London.

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Tizian, Maria das Kind säugend, um 1565–1575, National Gallery, London, „Mond Bequest“, 1924. „Das Motiv des nach der Brust greifenden Kindes, draufgängerisch und schüchtern zugleich, kehrt noch[,] michelangelesk abgewandelt, in der späten Madonna der National Gallery wieder.“ (Tietze/Tietze-Conrat 1938b, 64.)



Tizian, Mariä Verkündigung, 1565, Kirche San Salvatore, Venedig.

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Tizian, Tarquinius und Lucretia, um 1570–1575, Akademie der bildenden Künste, Gemäldegalerie, Wien.

77 Stella Churchill hatte zwei Kinder, zu denen keine Angaben gemacht werden können.

Edmund Schillings Ehefrau Rosy war Jüdin (Wendland 1999b, 617–618).

78 Karl Parker, Stellvertretender Keeper des „Department of Fine Arts“ im Ashmolean Museum, Oxford. Von 1926–1940 war Parker Herausgeber der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift „Old Master Drawings“ (O. M. D.) (Lowe 1992  ; Shaw/Robertson 1962). 79 Tancred Borenius, Pictures by the Old Masters in the Library of Christ Church Oxford, Oxford 1916.

C. F. Bell, Drawings by the Old Masters in the Library of Christ Church, Oxford 1914.



Christ Church College, Oxford.

80 Christopher Wren, Sheldonian Theatre, 1663–1669, Oxford. 81 Modell der Dampflokomotive „Rocket“ von George Stevenson (1781–1848) und Robert Stevenson (1803–1859) aus dem Jahr 1829.

„Design for a Ceiling Painting – Christ Church Library, Oxford – Pen and ink with pale brown and pinkish brown washes  ; 23.0 x 15 m.“ (Tietze/Tietze-Conrat 1936b, 18.)



Folgende Beiträge ETCs in „Old Master Drawings“ (O. M. D.) sind in der Bibliografie von Otto und Hilde Kurz (Kurz, Otto/Kurz, Hilde 1959) für das Jahr 1936 aufgenommen  : Titian’s „Cavalli“, in  : Nr. 10, 54–57  ; Two Drawings by Palma Giovane, in  : Nr. 11, 21–24.



Hans Tietze/Erica Tietze-Conrat, Albrecht Dürer-Landscape, Florence, Uffizi, in  : O. M. D., Nr. 11, 1936, 34–35.

82 Edward Morgan Forster (1879–1970), A Passage to India, Roman, London 1924. 83 Walker Art Gallery, Liverpool. Die Sammlung von Renaissancekunst des englischen Aufklärers William Roscoe stellt heute das Rückgrat der Liverpooler Walker Gallery dar (William Roscoe, National Museum Liverpool).

Apollo-Magazine, London, gegr. 1925.

84 Mitte der 1920er-Jahre kam der österreichische Archäologe Adolf Mahr nach Dublin. Anfänglich „Keeper of Irish Antiquities“, wurde er 1934 zum Direktor des National Museum of Ireland ernannt. Mahr, dem ein Teil der organisierten Nationalsozialisten der deutschen Kolonie in Irland unterstand, pflegte auch intensive berufliche Kontakte zu einzelnen Juden. „As Hitler’s star rose, so did Mahr’s  ; for as long as Germany was not threatening Ireland, Mahr’s career was under no threat. It appeared that he could successfully work for one country while swearing allegiance to another.“ 1939 musste Mahr Irland jedoch verlassen und ins Deutsche Reich übersiedeln. Nach dem Krieg erhielt er für Irland Einreiseverbot (Mullins 2007, 67). 141

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Vermutlich besuchten sie gemeinsam mit dem Maler Dermod O’Brien und dessen Ehefrau die Gemäldegalerie der National Gallery of Ireland, Dublin.

85 „The Mahr home became a meeting house for Germans and Austrians studying or working in Ireland. […] The children best remember the tall Hans Hartmann […]  ; he arrived from Germany to learn the Irish language in 1937.“ (Mullins 2007, 63.)

Krahuletz-Museum – lokales Natur- und Frühgeschichtsmuseum in der niederösterreichischen Kleinstadt Eggenburg.

86 Der Direktor der National Gallery of Ireland (1935–1950), George Furlong, hatte 1928 in Wien zum Thema „Die anglosächsische Buchmalerei im 10. und 11. Jahrhundert“ im Fach Kunstgeschichte promoviert (Furlong 1928  ; ders., Universitätsarchiv Wien). Ab 1933 unterstützte er aktiv Verfolgte aus Deutschland und Österreich (Vgl. Otto Pächt, in  Wendland, 1999b, 471  ; George Joseph Furlong, Dictionary of Art Historians). Albrecht Dürer, Entwurf zum Allerheiligenbild, Zeichnung, 1508, Musée Condé, Chantilly (Tietze/Tietze-Conrat, 1937a, Nr. 382, Abb. 199). 87 Kunstzeitschrift „Pantheon, Monatsschrift für Freunde und Sammler der Kunst“, gegr. 1929 von Otto von Falke (1862–1943) und August L. Mayer.

In Thieme/Becker/Vollmer 2008, 86–87, ist zu Pieter Fontyn, Maler von Porträts und fröhlichen Szenen des Alltagslebens, kein einziges Werk verzeichnet.

88 Philip Hendy, der spätere Direktor der National Gallery, London, war zu diesem Zeitpunkt bereits an Aufbau und Organisation mehrerer Sammlungen in den USA und England beteiligt gewesen, z. B. Wallace-Collection, Steward Gardner Museum Boston, Museum of Fine Arts Boston (Cox 1981  ; Sir Philip Hendy, Dictionary of Art Historians). 89 Vermutlich hieß der „Keeper“ Thompson und nicht Thomson  :   Francis Thompson, Chatsworth, A short History, 1949 London. Tancred Borenius’ Publikation zur Sammlung in Chatsworth konnte nicht eruiert werden.

Zu Chatsworth und den dortigen Sammlungen siehe auch „Old Master Drawings from Chatsworth“ (N. N. 1963  ; Gere 1949  ; Chatsworth, Art and Archives).



Fondaco de Tedeschi (ehemals Sitz der deutschen Kaufleute) in Venedig. Von den einstigen Fresken sind nur mehr wenige Elemente erhalten. Stiche des 18. Jahrhunderts zeigen, dass „die zum Canale Grande ausgerichtete Fassade im unteren Teil mit horizontalen Friesen geschmückt war, während sie im oberen Teil ganzfigürliche Darstellungen zwischen den Feldern und zwei größere zentrale Felder aufwies“ (Feser 2008, 94)  ; zum Stich von Van der Borcht siehe TB 1937/3, 14.7.



Das „Italienische Skizzenbuch“ (British Museum) wurde von Antonis van Dyck während seiner ersten drei Jahre in Italien zwischen 1622 und 1624 angelegt (dazu Tietze-Conrat 1950).

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(3. Büchel, Frühjahr 1937) 8. Juli (abends in einer Lounge in Hull). Wir haben den Morgen in Chatsworth gearbeitet. Der Himmel war endlich blau, als wir aufstanden, blieb es auch noch während uns Thomson auf einem andern womöglich noch reizenderen Weg ins Schloß brachte. Wir kamen an kleinen Cottages vorbei, von denen manche drei Jahrhunderte alt waren. Man kennt es nur an der gewachsenen Form – kein einziges Ornament hilft dabei. Strohdächer hängen schräg fast bis an d. Erde. Gainsboroughlandscape. Eigentlich war es mehr ein Aufarbeiten. Die Rötelzeichnungen nach Putten und Gottvater (die hier unter Correggio eingereiht sind), die Fiocco als Pordenone „entdeckt“ hat, haben hier schon den Vermerk von Mrs. Strong, daß sie wohl nach Pordenone und nicht nach Correggio kopiert wären. Wir sind auch ganz überzeugt davon, Fiocco konnte sie wohl nur f[ür] Orig[inale] halten, da er sie nur nach d. Braunschen Photos kannte. Er war nie in Chatsworth. Wir haben nichts besonderes neues heute mehr gefunden (aber gute Kleinmeister)  ; dafür uns tief in die Giorgionezeichnung hinein verbissen, die ebenso mysteriös ist wie d. Komposition selbst. Während d. Arbeit kam d. Duchess u. lud uns zum Lunch ein. Als es Zeit dazu war, packten wir unsere Sachen ein, um uns die Hände zu waschen, aber durch eine Verknüpfung von Umständen (zugefall[ene] Türe etc.) landeten wir verfrüht im Zimmer der Herzogin u. während Thomson Hans abführen konnte, war ich darauf angewiesen, von der Hohen Frau selbst aufs Klo geführt zu werden (das hier euphemistisch Bathroom hieß). Ich kannte es schon von gestern, es ist durch eine getarnte Tür neben Holbeins Heinrich VIII. Der Lunch war sehr gemütlich u. lebhaft, die alte Dame ist ebenso hübsch anzusehen wie amüsant u. menschlich. Am besten hat mir ihre Natürlichkeit gefallen  : sie haben das Haus dreimal d. Woche für d. Besuch freigegeben, man zahlt also einen Sch[illing] pro Kopf, das Geld bekommen die Spitäler, an manchen Tagen kommen 5000 Personen. Über diese Besuche wurde gesprochen, wie sie sich gerne absentieren, um einen überraschenden Einblick in irgendeinen Raum zu bekommen, der nicht auf d. Besichtigungstour liegt. „Am liebsten gingen sie natürlich in ein Schlafzimmer. Ich kann das sehr gut verstehen, wenn ich auf Reisen bin, bin ich genau so.“ Das Essen war wie meistens ganz leicht u. Miniaturportionen, kein Alkohol, viel Obst. Der Duke, der wie sich sein eigener Sohn ausdrückt (Mitteil[ung] Thomson’s), so viel ißt, daß man immer Angst hat, er könnte platzen, war nicht dabei, er scheint es vorzuziehen, seinem Laster allein zu huldigen. Nach dem Lunch gingen wir das Schloß bez[iehungsweise] seine Kunstschätze besehen  ; von den beiden Tizian zugeschrieb[enen] Porträts, scheint dem Hansen das eine Sebastiano anzugehören, das andre einem Nachahmer Tizians  ; ein sehr beschädigtes Bild, das kaum beurteilt werden kann. Eine Replique des Prinzen Philipp II. ist etwas hart, aber wohl in der Werkstatt entstanden. Ein kl[einer] Hieron[ymus] mit entzückender Landschaft ist 145

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Abb. 37  : Hull.

Tizian nahe, aber doch zu unsicher in d. Form. Ein wundervolles hier Holbein betiteltes, aber doch nur als „German“ geglaubtes männliches Porträt ist ein prachtvoller Vlame vom A[nfang] d. 16. Viel zu psychologisch durchgeführt für ein deutsches Bild. Eine ganze Galerie von Vogelaquarells (ein anscheinend früheres in der Vas[ari]-­ Soc[iety] veröff[entlichtes], eines von 1540 datiert, die meisten wohl aus dieser Zeit) beweist d. Abstand solcher lehrhafter Stücke zu Dürers Studien. Früchte, in gleicher Absicht geschildert, schließen sich an. Ein herrlicher Altar d. Memling, d. V[an] Dycks u. Holbeins übergehe ich. –1 Wir fuhren wieder in den Schwefelregenhimmel Leeds u. nach einer verzweifelten Stunde dort (die mir aber dieses Büchlein einbrachte) herüber nach Hull. Hier große Überraschung  ! Schon der Bahnhof reinlich u. schmuck  ; die Stadt sympathisch, entzückend aber der Pier, an dem unser Hôtel steht (Victoria), das ein richtiges Seemannshaus ist. Die Lounge heißt „Wellington“ das Schreibzimmer „Waterloo“ das Private „Nelson“. Hans ist begierig, wie das Badezimmer heißen wird. Ach und wie schön d. Blick aufs Wasser, das ein Meer zu sein scheint, aber nur eine Flußmündung ist, über die uns morgen früh die Ferry tragen soll. Und weil das wirklich früh ist, gehen wir jetzt ins Bett. (Motto  : Von Giorgione zu Giorgione). –2 146

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9. [Juli] Das war eine angenehme Atmosphäre, da hat es uns auch nicht weiter gestört, daß d. Steamer vor unserem Fenster hin u. wieder tuteten. Wir schliefen gleich weiter. Mitten in d. Nacht hat es auch so mächtig an unsere Türe gepämpert, daß ich es schon f. d. weckenden Steward hielt  ; es wird aber nur ein Geist der vielen hier gewohnt habenden Kapitäne gewesen sein, die das Fremdenbuch aufweist. Um ½ 7 war es dann der richtige Wecker, notabene mit einem Teetablett, das uns sehr gelegen kam, da wir wegen d. frühen Aufbruchsstunde das Frühstück überschlagen wollten. Die Sonne war da u. der Himmel lachte. Wir lachten auch u. in der Stadt hinter uns lachte sicher auch das vergülte Reiterbild von 1734, das gestern abends nur trüb gedöst hatte.3 Kurz vor 8 fuhr dann unsere Ferry los, wir – ganz ohne Gepäck – mit. Es ist d. Humber hier so breit, daß man die Ufer in der Mitte d. Fahrt nur wie ferne Streifen erkennt u. das Wasser braungelb aufschlägt wie Seewasser. Am südl[ichen] Ufer wartete hundert Schritte weit ein Bähnchen. Es ist aber noch immer nicht d. richtige Ufer, sondern nur ein hinausgebauter Damm. Die Leute herum gähnen – early risers are proud and sleepy. Sie sind d. Frühaufstehen hier so gar nicht gewöhnt. (Nach dem Lunch, wieder zurück in Hull in unserm freundlichen „Victoria“, im Schreibzimmer „Waterloo“. Bei strömendem Regen zurück – u. die Stimmung nicht genau so, aber doch sehr verwandt. Im Harbrour haben wir im Station Hôtel richtig gefrühstückt, nachdem es uns gelungen war, die kompetenten Leute dazu wachzukriegen. Es war ein richtiges englisches Wappoltenreit  ; aber an d. Wänden waren ganz amüsante Dinge wie eine Unterglasmalerei (eine Mühlenlandschaft) ein großer Stich d. Kathedrale in Lincoln u. ein noch größerer Steindruck  ; bunt, soweit es das Sujet erlaubte, ein afrikanisches Missionsschulzimmer darstellend (etwa von 1860). Als ich den Wirt fragte, von wo er das Blatt herhabe, meinte er ausweichend, daß er es schon lange besitze und fuhr fort  : „But they (das ist d. Earl of Yarborough, wir hatten kurz vorher nach d. Weg dahin gefragt) sell sometimes.“ Ein vielversprechender Anfang. –4 Wir gingen das halbe Stündchen zum Schloß zufuß (Brockley Hall), eine angenehme Aussicht auf Wiesen u. Bäume, die Straße schon wie durch einen Park geführt, mit Kühen auf der Weide, von denen Hans richtig beobachtete, daß sie heller würden, je mehr wir uns d. Schloß näherten (es hatte mit richtig schwarzen Kühen begonnen). Das letzte Stück durch d. richtigen Park, der alle Stückeln spielte. (Auf den Teichen schwammen Wasserrosen – die in Mustern angeordnet waren  !) Wir betraten das Schloß von der Hauptseite, waren nach ein paar Schritten in der Entrance Hall u. noch vor dem Earl – dem Giorgione gegenüber. Vielleicht 5 m hoch an d. Wand, in einem Rahmen, der das Bild unverrückbar macht, ein helles, klar u, dünn dreinschauendes Bild, in ledergraufarbenen u. rötlichen Tönen mit hellem graugrünem Grund. Von unten unverkennbar eine Kopie. Und von oben (wir kraxelten dann auf einer Leiter näher) auch nicht viel anders. Man stellt doch absolut fest, daß d. 147

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Original vom Anf[ang] d. Jahrhunderts war – ferner daß es sich zur Zeit Vasaris nicht mehr in Venedig befunden hat, da es Gonsalvo mitgenommen hatte (Vasari schreibt „gerüstet“, der Stich zeigt es doch ohne Rüstung, nur mit d. Schwert) – von wann wäre die Kopie  ? Das Bild ist seit dem Ende des 18. Jhs in der Familie, wohin es durch Heirat kam  ; die Eltern der eingeheirateten Anfreri hatten die Sammlung um 1750 zusammengebracht. Es ist auf Holz gemalt, eine große Tafel. Kopiert man im 18. Jh. auf Holz  ? Dazu kommt noch, daß Waagen es zu Beginn des 19. als „Kopie eines bedeutenden venez[ianischen] Bildes“ nennt. Ist es dieses Exempl[ar], das Waagen so bezeichnet hat  ? Oder wäre es erst kürzlich kopiert worden  ? Dagegen spricht, daß d. Orig[inal] dann nie aufgetaucht wäre u. daß man in moderner Zeit alte venez[ianische] Bilder, die als Giorgione in d. Familie gelten, wohl dunkler zu kopieren gewußt hätte. Ich könnte mir vorstellen, daß das alte Bild zu Beginn d. 19. Strich um Strich übermalt worden wäre. Dafür würde auch sprechen  : die Tafel ist mehrmals vertikal gesprungen – oder gewölbt nur  ? – ohne daß man in d. Malerei selbst etwas Klaffen sieht  ; So muß es doch wohl – einmal – stark übermalt worden sein. Ist vielleicht doch etwas drunter  ? Offene Fragen. Was wir sonst fanden, war im großen Durchschnitt unbedeutend, mit kleinen besseren u. guten Dingen eingestreut. Aber d. Anlaß, weswegen wir kamen, ist nicht aufgeklärt worden. –5 10. [Juli] (Beim dinner in einem volksmäßigen „Lakal“ mit Musik. Daran schon zu erkennen, daß wir mit unserm Roxburghe Hôtel hineingefallen sind. Es ist für uns zu teuer, wir essen auswärts.) Die Ankunft in Edinburgh war hinreißend schön. Diese Princes Street ist wirklich eine große Überraschung  : die eine Straßenseite ganz besonders vornehm, gerade gezogene lange Häuserfront, die andere Seite ohne Häuser, das abfallende Terrain u. das eingeschnittene Tal mit Gärten besetzt und jenseits eine wundervolle Verbindung von Ferne u. Zugehörigkeit [–] die Schloßhügel, ein Hohensalzburg auf einem, eine Art Nürnberg auf dem zweiten Rücken. Das alles – noch gegen 10 Uhr nachts in den warmblütigsten Sonnenuntergang getaucht. Und auch noch wenige Minuten vor 10h d. Post offen u. d. Poste Restante-Briefe behebbar  ! Der heutige Tag war fast durchgängig feucht u. nur jetzt am Abend ist es bißchen netter geworden. In jedes Geschäft, in das wir kamen, die gleiche einleitende oder abschließende Frage „seems we shall have another rain“. So blieben wir zumeist im Museum, das so erstklassig ist, wie wir es nach Heinzens Katalog gar nicht erwartet hatten. Die ausgestellten Zeichnungen sind mit geringen Ausnahmen sehr gut, die Auswahl aus ein paar Dutzend Klebebänden, wie wir uns in vielstündiger Arbeit überzeugen konnten, gelungen. (Am Nachmittag haben wir ein halbes Dutzend Photos machen können). Ein mitten drinnen stecken gebliebenes Cima zugeschriebenes Bilderl zeigt eigentlich, wie d. Zeichenstil unter der Malerei steckt. Der große Jacopo Bassano ist famos – ein Gegenüber zum Hampton Courter, so leicht und hell. Kein Maler war so 148

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Abb. 38  : Edinburgh.

entwicklungsfähig wie Bassano. Darin kommt er allein an Tizian heran. Tintoretto wäre es vielleicht, wenn man eine Jugendentwicklung kennen würde. –6 Am erschütterndsten ist das Hendrikje Stoffelsbild von Rembrandt. (Nach d. Reproduktion scheint d. Eremitagebild ähnlich zu sein). In diesem Bild ist doch wirklich alles Menschliche gesagt  ; ohne Rücksicht auf „die Leute“. (Mir fällt ein Gespräch in Chatsworth ein. Die Duchess  : „Don’t you think it nice not to mind about other people’s opinion.“ Ihre Gästin, die wegen Charity gekommen war und genau wußte, daß die Duchess es nur ironisch gesagt hatte  : „I think it selfish not to mind.“) In d. Gallerie stießen wir auf Delbanco (Ex-Hamburger), der zwischen 2 Nachtfahrten Kunst aufnahm. (Er ist Kunsthändler u. hat eine sympath[ische] Art, es sofort zu sagen. Es ist leider fast das einzige, was an ihm sympathisch ist). Wir sind mit dieser Sensation „Edinburgh“ fast am Ende unserer neuen „Eindrücke“reise sehr zufrieden – darf ich noch erwähnen, daß d. Lounge in unserm Hôtel geheizt ist – die Badezimmer natürlich auch. Und das am – (Datum s. o.). –7 149

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11. [Juli] (Sonntag). Die Züge gehen so ungeschickt, daß wir viel Zeit verlieren mit unserm Überlandausflug nach Glasgow. Das Wetter so so lala. D. h. heut früh war es so so, aber für Mittag ist schon la la für Ostschottland angesagt, nachher improvement. Das gestrige improvement haben wir noch gut ausgenützt. Nach unserem Supper gingen wir in den Garten bei Princes Street, der vom Anfang an, die ganzen Stufen hinunter den ganzen Tag einen Bewundererrücken dicht gedrängt zeigt  : der kleine eingesetzte Pflänzchenteppich, der in Majuskeln u. Ornamenten u. Bildern den Besuch d. Königspaares verherrlicht. Weiter unten dann um das Freilufttheater (der Sitz 2 pennies) ein andres Publikum, mit d. Zaungästen herum, dem Bag piper concert lauschend. Das ist eine sehr aufwühlende Musik, mehr ein Gepemper u. Gezwitscher, jedenfalls näher zu Afrika als zu Europa. Wir waren natürlich auch unter d. Zaungästen u. stiegen bald d. Treppenweg zum Schloßhügel hinauf. Es ist so merkwürdig, wenn man paar Schritte von d. städtischen Zivilisation u. in einem Milieu, das unbedingt an d. Rue de la Paix erinnert, so einen richtigen Alt-Aussee-Boden unter d. Füßen hat  ! Da aber der Garten bald geschlossen werden sollte, wurde nach uns gepfiffen und gewunken u. alle diese energischen Gesten zwangen uns herunter u. hinüber u. wir mußten den Berg mit d. Burg von außen herum umzingeln u. erobern, taten es auch. Durch armselige Viertel durch. Bettelkinder drängten sich, den Fremdenführer zu machen u. geleiteten uns mit pathetischem Singsang wie Predigt u. Rhapsodie zugleich die Straße hinauf. Es war merkwürdig in diesem […] Ton die lokalen Sehenswürdigkeiten vorgeführt zu bekommen. Der Blick oben wundervoll. In d. Burgarchitektur weiträumiges u. wohlgeordnetes Renaissancegefühl. Der Platz davor (geschmacklos aber) unauffällige Denktafeln und – mal an vergangene Kriege mit Highlander „[…]“. Es hat etwas für sich, daß man bis gegen elf Uhr, als wäre es immer noch Tag u. Dämmerung, spazieren gehen kann. –8 Sonntagabends (Hôtel Lounge). Unser Tag in Glasgow war nicht anstrengend, aber wir waren müde  ; haben auf der Hin- u. Rückfahrt im Zug geschlafen. Glasgow ist weiß Gott keine schöne Stadt. Weiträumig ohne Großzügigkeit, Altes u. Neues sieht durch d. gemeinsamen Dreck drauf aus, wie aus einer Zeit. Die mit Sternchen (Baedeker) ausgezeichnete Kathe­ drale wirkt wie eine (in ein Moorbad getunkte) Kapelle, weil man ein modernes Spital doppelt so hoch wie die Kathedrale daneben hingestellt hat u. einen Riesenplatz darum freigelegt hat. Am eindrucksvollsten ist die Stalaktitensilhouette des Friedhofs. Das Museum am andern Ende ist ein beängstigend großer Bau  ; mit der Zeit aber merkt man, daß seine eine Hälfte d. Natur, sein Unterstock dem Gips und Schiffbau etc. gewidmet sind und nur zwei Räume – eigentlich nur ein einziger – uns persönlich angehen. (Ich sehe ab von einer Serie von geschnitzten Holzreliefs, die „the renowned Tyrolese woodcarver Sonneder – oder sonst wie – gearbeitet hat, u. kürzlich 150

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jemand hergespendet hat. Darstellungen Tiroler Brauchtums, der Andreas Hoferkriege etc. Ich nehme an ein Glasgower, der auf Sommer oder Winterfrische in Tirol war, dort einem Hôtelportier hineingefallen ist u. daheim nicht wusste, was er mit dem Ankauf machen sollte …) Die Ehebrecherin war leider so gut wie unsichtbar, so hat sie gespiegelt  ! Aber sonst war d. Gallerie sehr interessant  ; ein Ant[onello] d[a] Messina, wirkl[ich] ein Juwel – aber sicher nicht von Antonello. Sehr eigenartig – aber wieder nicht von Jac[opo] Bassano, dem es zugeschrieben war – ein Traum d. Joachim genanntes Bild – vielleicht von einem Niederländer, der Bassano u. Veronese nahe war. Ein entzückender wohl sehr früher (bez[eichneter]) P[aris] Bordone (eine sitzende Santa Conversaz[ione] in Landsch[aft]). Ein sehr gutes Calcar gegebenes Männerportr[ät] Eine Venus mit Erntehommagen von Jan Breughel (von dem auch eine signierte reizende Z[eichnung] in der Schiffe-Zeichnungen-S[amm]l[un]g in Edinburgh war), die lebhaft an eine d. Münchner „Palma“blätter erinnerte. Wundervoller Rembrandt und überraschend schöne Ruysdaels (gar nicht so groß, wie er sonst gewöhnlich ist). Wir waren zwei Stunden bei d. Bildern u. haben uns dann auf einer Gartenbank u. dann in einem Tearoom ausgeruht. In Edinburgh war alles auf der Straße, was sonst in Fabrik, Geschäft u. Haus tätig ist, erstens wegen Sonntag, zweitens weil d. Königspaar heute abreist. Man ging auf u. ab (allerdings nicht so zahlreich so durchaus jugendlich, von 12 bis 18, so trampelnd u. kreischend trotz aufgeschriebenen Verbot „laut im Museum zu pfeifen“ wie im Glasgower Museum. Das nur als Nachtrag zu Glasgow  ; es war diese jugendliche Fülle so eindrucksvoll, daß ich sie nicht verschweigen wollte. Weil es lustig ist auf d. Holzboden mit d. Stöckeln klappern zu können oder weil d. spiegelnden Gläser so gut zum sich anschauen sind  ? Für jedes – zarte – Alter ist dort gesorgt …) Man saß u. stand im Konzertgarten, man hörte kommunistische oder konservative Reden an den Garden Corner. An unserer Ecke waren andre Straßenkonzerte  ; in Gruppen von vielleicht 20 Personen an zwei Stellen postiert waren fromme Kirchenlieder-Sänger in dunklen Kleidern mit dem Notenblatt – weiß – in d. Hand. Aber keine Heilsarmee …9 12. [Juli] (Schon in unserer Ecke, Koupé non smoking Edinb[urgh] – London Kings Cross) Wir haben in unserm freundlichen (aber zum erstenmal auf dieser Reise weit über unsere Verhältnisse gehenden) Roxburghe Hôtel gleich früh alles fertig gemacht, sind danach noch vor dem Museum zur Post (Cis’ Brief über B[urgl] und Kurt) und Nachtmahlkäse kaufen gegangen. Im Museum trafen wir den wirklich charmanten Cursitor, der uns auch d. Rätsel löste, warum in seinem Museum – allein  ! – die Gläser vor d. Bildern nicht stören. Er frönt d. Mode d. hellgestrichenen Wände nicht, hält d. Wände dunkel u. auch d. Streifen über d. Bildern zur Decke hinauf. Wir haben die restlichen Zeichnungen noch durchgesehen, noch ein Selbstportr[ät] d. Palma u. einen sign[ierten] Benedetto Caliari gefunden, auch noch d. gerahmten ausgerahmt 151

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bekommen u. z[um] T[eil] photogr[aphiert]. Es war nur ein Aufarbeiten. Interessant dabei der auf Holz gemalte Landschaftsstreifen, der Tizian hieß, aber jetzt als „vielleicht nicht einmal ital[ienisch]“ angesehen wird. Wir kraxelten auf d. Leiter hinauf u. fanden doch so viel tizianisches in d. Farbgebung drin, daß uns Do[menico] C[ampagnola] nicht ausgeschlossen erscheint  ; an sein flüssiges Pathos erinnerten auch d. kleinen Staffagefiguren (wie d. Mann am Pflug)  ; vielleicht daß d. von Michiel beschrieb[enen] Landschaften von Do[menico] C[ampagnola] so ausgesehen haben. (Wir erbaten eine Photogr[aphie]) Zum Abschied speisten wir unsern Lunch im Angesicht d. Schloßbergs. Da es unseren üblichen Tarif nicht überstieg, kalkulierte d. Wirtin die Aussicht in die Portionen ein, die an „Schneewittchen bei den 7 Zwergen“ erinnerten. Am Schluß noch ein weißer Kaffee in einer kleinen Mokka Tasse serviert …10 Und jetzt sitzen wir im Zug nach London, haben das […] Gefühl d. Umkehr, Heimkehr. Wenn ich d. Schwierigkeiten bedenke, die uns daheim erwarten, macht mich dieses Gefühl nicht sehr froh … 14. [Juli] (gestern nicht zum Schreiben gekommen) Vorgestern – nach durchlesener Fahrt – und Photos durchgearbeitet, 7 ½ Stunden Zeit – fahrplanmäßig angekommen. Dr. Churchills kleiner Chauffeur war an d. Bahn, aber ohne Wagen, der hat einen Breakdown gehabt. Die Dame selbst hat nur einen Brief zum Willkommen geschickt, sie ist in Birmington, wo sie bis Donnerstag zu tun hat. So konnten wir uns bequem in dem großen verlassenen Hause einleben, das nur einen Nachteil hat, daß unser Schlafzimmer sehr lärmend ist. Wir haben alles ausgepackt u. z[war] in einer Ordnung, die durch die tüchtige Ethel gegeben war, die Wäsche u. Kleider unserer zurückgebliebenen Koffer schon in Kästen u. Laden placiert hatte. Den ersten Tag verbrachten wir bei Witt u. im Printroom, einiges von d. Reise war nachgeschlagen, vor allem d. Giorgione-Fresko-Zeichnung in Chatsworth u. ihr Verhältnis zum Stil. Die Z[eichnung] ist gegensinnig u. viel eingehender im Gewanddetail, absolut cinquecentistisch, was man dem Van d[er] Borchtschen Blatt nicht nachsagen kann. Es ist interessant, wie sehr Justi d. Giorgione nahestehenden (zeitlich u. darum auch stilistisch) Charakt[eristika] des Stiches lobt, der „verhältnismäßig“ früh ist – gegensätzl[ich] zu Zanetti. Bei Zanettis Vendramin Stich spricht er vom derben Typ, der ein Beweis für d. jungen Tizian (Ridolfi) sein könnte. Unsre beiden Zeichnungen – Salzburg u. Chatsworth – stoßen alles um. Wir haben bei Witt photogr[aphiert,] Desideraten aufgenommen u. im British Museum den De Nanto-Gir[olamo] da TrevisoHolzschnitt Einzug nach Jerusal[em] bez[iehungsweise] d. Landschaftsausblick, der ein Licht auf venezian[ische] Landschaftszeichnungen wirft. Hans hat sich eine neue Brille kaufen müssen (die alte hat einen „handle“ zerbrochen) u. das in demselben Geschäft getan, wie ich vor 10 Jahren. Dann haben wir uns unsere Legitimation f. 152

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Abb. 39  : „Streckstühle“ im Regent’s Park heute.

d. Pariser Ausstell[ung] besorgt. Viel Andrang – u. vom Hôtel Bisson eine Absage  ! Alles voll  ! Floch ladet uns ein, bei ihm zu wohnen – wir können uns aber nicht entschließen  ; werden es aber doch wohl tun müssen, es ist zu viel in Paris zu sehen, als daß wir’s in einem Ausflug von irgendwo herein machen könnten. Auch mit d. Abfahrt in d. Früh zu unbequem …11 Nach d. Nachtmahl kam Frau Tarnay (qualvoll  !) u. ein Brief von Trude, der uns viel Spaß machte. – 15. [Juli] Gestern war ein anstrengender Tag. Zuerst gingen wir zu Maclagan, um uns für alle erwiesene Unterstützung zu bedanken, noch ein Tintorettophoto abzuholen u. etwas in d. Bibl[iothek] nachzuschlagen. Der Zeichnungenchef (Laver) ist merkwürdigerweise ein sehr erfolgreicher Romanschriftsteller. Dr. W[olfgang] Born war auch da, ein freundlicher Gruß aus d. Heimat. (Er scheint vergessen zu haben, daß er auf uns böse ist). Wir lunchten mit Christine, die wieder ganz reizend war. Nachher Tate Gall[ery] , eine öde Angelegenheit, uns scheinen die neuen Plastikräume viel zu hoch u. kahl, um erfolgreich etwas darin aufstellen zu können. Beim Clark haben wir dann vier kleine Täfelchen d. h. 2 Täfelchen mit je 2 Bildchen darauf gesehen, die auf d. Rücks[eite] unseren Bundesamtsstempel tragen. Ein Ekloge aus d. Bembokreis. Er glaubte Giorgione, wir versuchten es ihm auszureden – ob wir Erfolg hatten  ? Nach unserer Meinung ein viel altertümlicherer Mann, der Giov[anni] Bellineskes mit Giorgioneskem für seine Cassonehudelei mischte. Dann kam d. Zeit d. versprochenen Besuch bei Duveen zu machen, der uns diesmal noch viel mehr Todeskandidat erschien als das erstemal. Er hat kein Wort gesagt, das er nicht mit demselben Tonfall 153

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schon das letzte Mal gesagt hätte. Der Neffe Lowengard, dessen Namen Hans aus Verachtung immer wieder vergißt, war auch anwesend. Das Gespräch hatte Nuancen, z. B. daß es keine schönere Skulptur gebe als Bendas lachenden Knaben – über den wir mit Maclagan gerade am Vormittag gesprochen haben, daß er d. Gipfel des in Wien tagenden Fälscherkongresses sein werde. Oder daß d. Tintorettoausstell[ung] eine Enttäuschung, Tintoretto selbst nur ein dekorativer Maler wäre. Das netteste waren Jugenderinnerungen. Das erste Bild das er gekauft hätte  ? Als 18jähriger einen Millais um 3.000 Pf[und]. Er wurde lange später um 1500 verkauft u. erreichte vor kurzem einen Preis von 430 Pf[und] bei einer Auktion. Sein Vater u. Onkel waren überhaupt gegen d. Einkauf v. Gemälden, da sie nur mit Objets d’art handelten  ! Wir nachtmahlten dann mit Burgs, die sehr zufrieden mit ihrem Start in London sind. Wir saßen mit ihnen auf Streckstühlen im Regent Park (Queen Mary’s Garden), bis uns d. Wächter um 10h hinauswarf. Es war eine herrliche Sommernacht. –12 17. [Juli] (Zwei Tage nicht geschrieben  !) Am 15. – Donnerstag – früh gingen wir zuerst zu Clark (wo wir Lionello Venturi trafen), um unsren Einführ[ungs]brief fürs Buckingham Palace abzuholen. Wir zeigten Clark (allein) das Salzburger GiorgionePhoto, der eher an eine Nachzeichnung d. Freskos glauben möchte (wie wir übrigens auch beim ersten Eindruck). Das Buckingham Palace ist genau so, wie man es sich vorstellt. Viel roter Plüsch, viel weißer Marmor u. viel gelbe Decken. Das sog[enannte] Tizianlandsch[afts]bild hat derartig gespiegelt, daß wirs aus d. Rahmen nehmen mußten. Das ist sicher nicht Tizian. Und sicher nur ein Ausschnitt. Sonst gibt es schon Holländer, Vlamen u. viele berühmte engl[ische] Portr[ät]s, ganz lebensgroße u. merkwürdig nur, daß auch d. englischen Könige sich keine Ahnen von Gainsborough etc. aufhängen konnten, sondern fremde Herren als Gainsboroughs etc. Über einem Standerl* bei Burgs, die von geplanten Z[eichnung]enkäufen in einer Auktion am Nachmittag erzählten, gingen wir zu Sir Rob[ert] Mond zum Lunch u. nachträgl[icher] Besichtigung. Borenius d. mit Wittkower zusammen d. Katalog seit 5 Jahren arbeitet, warnte uns, daß der alte Herr schwer asthmat[isch] wäre u. bei Tisch wegen zu viel Redens Erstickungsanfälle bekäme, die für d. Anwesenden peinlich wären – für ihn noch peinlicher. Seine Tage wären überhaupt gezählt. Nun, geredet hat er viel, aber erstickt ist er nicht. Wir aber waren vollkommen erledigt. So viel Geschwätz u. so wenig Qualität (das Essen ausgenommen, das vorzüglich war). Wir waren uns darüber einig, daß eine zweite u. dritte solche Samml[ung] uns d. Arbeiten aufzugeben veranlassen würde. Gut nur ein Veronese u. ein Palma Giov[ane]  ! (was bekanntlich nicht ausreicht). Wir hatten Rendezvous mit Schilling vor d. Brit[ish] Mus[eum]. Er war entzückend. Gibt Staedel, Haus, Pension, alles auf, um * Kurzbesuch

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als 49 Jähr[iger] sein Leben neu aufzubauen. Er kann d. Leben in dem Régime nicht aushalten. Geht in d. Welt, um – Schillingsche-Z[eichnung]en etc. für Hirsch (wenn wir ihn richtig verstanden haben) zu kaufen  ! Eine Auslese von diesen, die er am Nachmittag bei d. Auktion erworben, sahen wir dann in Burgs Hôtel, die gleichfalls einiges erstanden hatten. (Leonardo  ! (2 Köpfe), Perugino H[ei]l[i]ger etc.). Nach feierlichem Abschied geschwind nachhause, wo wir unsere Gastgeberin zu erwarten hatten. Es war ein gemütlicher Abend mit einem refugee – Kunsthistoriker Kitzinger aus München u. einem englischen Dichter Sir Robert Nickels, der viel sprach, obgleich er an einem Katzenjammer laborierte …13 Gestern war ein Tag, der in viel anregender Erinnerung in uns weiterleben wird. Trip nach Great Malvern. Erstens ist d. Gegend entzückend, das Haus u. d. Leute (der Mann ein retired housemaster aus Eton war abwesend) warmherzig u. heiter, drittens ist d. S[amm]l[un]g eine absolut unerforschte Fundgrube, die ganz aus Venedig zu stammen scheint (18.) u. für uns darum das größte Interesse besitzt. Wir glaubten nur ein paar Blätter zu finden u. sahen uns eine ganze Reihe von Kasteln mit montiertem, von Klebebändern u. von überhaupt nur locker in Kasteln hineingelegtem gegenüber. Es hatte eigentlich keinen Sinn, daß wir überhaupt anfingen, wir waren aber so aufgeregt über d. wenigen Ansätze, die wir schürfen konnten, daß wir weder f. d. Gesellschaft noch f. d. entzückende Lage d. Platzes die richtige Aufmerksamkeit aufbringen konnten. Es war alles in keine Abschiedsmelancholie getaucht sondern wie ein Vor[ge]schmack der Freude des Wiederkommens  ! Die Erregung hielt so lange vor, bis ich sie durch ein Schlafmittel niederzwang. –14 Unsre Gastgeberin war inzwischen auf ihr Cottage gefahren u. wir sollten ihr heute nachkommen. Wir haben aber abteleph[oniert], es wäre ja doch nur wieder eine Abhetzerei geworden. So haben wir noch am Vormittag im Printroom arbeiten können u. haben jetzt gerade zuhause d. Besuch von Scharf gehabt, der ein paar Blätter zum Anschaun u. Photographieren brachte  ; eines darunter (ein bunter Jac[opo] Bassano) ungewöhnl[ich] gut. Hans ist hinaufgegangen, um mit d. Packen zu beginnen. Ich folge ihm nach, dann nachher wollten wir endlich d. Manuskripte f. d. O[ld] M[aster] D[rawings] (auf der Maschine von Dr. Churchill) druckfertig machen. So wird unser letzter Tag ein wenig banal wohl zuende gehen. –15 18. [Juli] (Schon im Boattrain) Wir haben noch gestern einen netten Spaziergang durch unseren Hausgarten gemacht, bevor wir nachtmahlten (Wiener Café, wo wir mit d. jungen Hess seinerzeit waren). Als wir schon in später Dämmerung – gegen 10 Uhr – heimgingen, war gerade das „open theatre“ mit Julius Cesar im Gang. Wir kamen an der Brettereinzäunung vorbei, konnten nichts sehen, aber hörten das tragische Geknödel. Ein Radfahrer stand auch außen an d. Bretterwand u. horchte, indem er gleichzeitig in einem mitgebrachten Shakespeareband mitlas. – 155

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Die letzte Nacht war lärmender denn je – der einzige Nachteil unserer Gastwohnung. Jetzt warteten wir die letzten Minuten, Pussi*, von Mrs. Bonham begleitet, [die] ist schon zu uns gestoßen, wir chapronieren sie bis Paris …16 19. [Juli] Die Reise war sonnig, angenehm schläfrig u. ohne Zwischenfälle. Floch am Bahnhof  ! Total erschüttert  ! Alles war für unser Kommen gerichtet – da meldet sich d. Schwester für denselben Abend an. Da er uns aber schließlich doch im Hôtel Bisson unterbringen konnte, sind wir gar nicht so unglückl[ich] darüber, wie es erschien. In einem Garten gleich bei einem d. Ausstellungseingänge hat er uns dann die Details d. Oesterr[eichischen] Ausstell[ung] erzählt. Wir hörten die Wellen über unserem Kopf zusammenschlagen. Dann haben wir in einem kleinen Restaurant bei d. Chambre des Députés genachtmahlt. An den Wänden hingen alte u. neue Gemälde in Rahmen zu herabgesetzten Preisen. Mit großen Namen. Floch warf einen Blick darauf  : „Das soll von Modigliani sein  ?  ! Das war nie von Modigliani  !“ (H[ans] denkt  : Glückliches Land, in dem einer einen Modigliani fälschen kann  !) Dann ging Floch seine Schwester abholen. Und wir in d. Ausstellung. Was wir in d. Nähe sahen (wir waren in d. Avenue d. Marchands geraten) war der letzte Schund. Aber immer wieder hatten wir d. Blick in d. Ferne. Feine Silhouetten märchenhaft in d. Willkür ihrer Formen u. märchenhaft auch in ihrer Entrückung durch die dazwischen gelegten Wasserflächen. Ganz stille, fein nuancierte farbige Visionen. Träume, ohne Realität. –17 (Abends beim dinner auf d. Straße Rue Mazarine). Wir waren am Vormittag in d. Ausstell[ung] französ[ischer] Kunst in dem neugebauten Haus bei d. Place de l’Alma, das etwas dauerndes sein soll, aber wie ein Gebäude wirkt, das nach Gebrauch wieder abgerissen werden soll. Die Ausstell[ung] fängt mit antiken Ausgrabungen an u. endet mit d. Ende d. XIX. Jhs. Wir machten das letzte Jahrhundert, das den oberen Stock einnimmt, nur sehr kursorisch durch, erstens weil es oben noch drückender heiß war, zweitens weil wir schon von unten am Ende d. Aufnahmefähigkeit waren. Die Qualität der mittelalterlichen Kunst ist unvergleichlich, die Teppiche ganz einzig u. d. Goldschmiedearbeiten. Die Bilder zumeist Wiedersehen schon alt Bekannter. Entzückend die einzelnen Beispiele von Skulpturen. Das 17. Jh. mit Latour u. Poussin als Höhepunkte. (Ein Poussin aus d. Eremitage hat mir wundervoll gefallen). Wir haben uns unser Mittagessen eingekauft u. im Zimmer gegessen, das noch nicht aufgeräumt war  ! (Ein langer Brief von Anderl teilt seine nächsten Pläne mit  ; einer d. Felix veranlaßt Hans an Skubl zu schreiben). Waren sehr ausgeruht, als Floch uns holte u. nach einem Schwarzen sehr aufgefrischt. Im Petit Palais die Ausstell[ung] der heutigen Kunst war sehr anregend  ; Despiau u. Maillol als Repräsentanten u. Gegensätze  ; dann die Maler jeder mit einer Auswahl, die die ganze Entwicklung zeigen * Bussi

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sollte. Am Amüsantesten wie abhängig die meisten anfingen  ! (z. B. Vlaminck). Am imponierendsten Matisse als Überwinder der eigenen Vergangenheit. Dufy mehr schon hineingeborener Kronprinz. –18 20. [Juli] Gestern hab ich etwas vergessen, wie immer in Paris  : wen werden wir überraschenderweise treffen  ? Floch gilt natürl[ich] nicht. In d. alten Kunstausst[ellung] sprach mich gleich am Eingang eine Wienerin an, um mir einen bestimmten Katalog als besonders praktisch anzupreisen. Sie kannte den Herrn Professor von Vorträgen. Gilt das  ? Wir kennen sie nicht. Dann war’s Canetti, den wir zwar erkannten, aber d. Namen glatt vergessen hatten. Schließlich Goldwater aus New York  : „How is Cate  ?“ „Fine –“ Heute wieder kontinental-blauer Himmel  ! Ich habe unterisch noch weniger als nach oben an. Armer Stoffel, der in 10 Tagen hier sightseeing sein will  ; wir dürfen uns doch wenigstens unser Programm einteilen – soweit Floch das nicht tun will. –19 (Abends  ; wir sitzen im Hôtel u. warten auf den eingeladenen M. Edel.) Das war ein tätiger Tag, der schon um 9h anfing. Wir besorgten den Geldwechsel u. Karteneinkauf Paris – Modane mit Reservation, weil doch alle Züge so furchtbar voll sind. Bei Braun vergeblich nach d. Photo […] aus Fontainebleau gefragt, in den Archiven eine ganze Reihe von Z[eich­nungen]photos aus Besançon, Bayonne u. Paris ausgewählt u. gezahlt. Wann werden wir wieder so Abb. 40  : „El Greco“, Ausstellung bei Wildenstein, billige Franken haben. Im Pavillon […] die Ausstel- Paris. lung […] Jahrhunderts mit viel Spaß besehen. (Floch war auch da). Hans meint aber ganz richtig, daß mehr Erklär[ungen] sein sollten. Dann im Louvre wegen Pardovenus, die aber – da muß man wohl „ausgerechnet“ sagen – beim Photogr[aphieren] war. Die gewaschenen Delacroix u. Courbets angeschaut, die wirklich ein Vergnügen sind u. noch mehr auf Nachfolge hoffen lassen. Floch ist ganz amüsant, wenn er über Bilder spricht. Bei Delacroix „14. Juli“  : „Das ist wohl das erstemal, daß ein Maler die Tricolore zum Grundthema macht.“ Es war aber so schwül und stickig, die Menschen so „abgekämpft“ (Hansen’s Ausdruck) auf den roten Plüschsofas, daß einem jede Lust verging. Wir schleppten uns zu unserm Greisler u. heim u. bald danach ins Bett. Ohne diese Siesta kann mans nicht aushalten. Am Nachmittag gingen wir uns erst von einem Kaffee aufputschen, dann zu Wildenstein in d. Grecoausstell[ung]. Die vom König v. Rumänien geliehenen 157

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Bilder sind z[um] T[eil] sehr eindrucksvoll (Anbetung d. Kindes), dann noch das Familienbild Grecos. Interessant ist das griech[isch] bez[eichnete] Reliquiar aus Modena, das von Pallucchini u. A[ugust] L[iebmann] Mayer kürzl[ich] als Jugendarbeit publiz[iert] wurde. Weniger wichtig die beiden voriges Jahr von Mayer in Straßb[urg] „entdeckten“ Frühwerke, die uns in keiner Weise aus d. Masse venezian[isch]-tintoresker Durch­schnittsware als notwendige Grecos herauszufallen scheinen. Wir zahlten Entrée, wurden aber dann von Frl. Rubinstein agnosziert u. wenigstens mit d. Katal[og] beschenkt. Bei Duveen  – es war knapp vor Sperrstunde – bekamen wir nur d. neu erworb[enen] Luca della Robbia (Mad[onna] + K[ind]) zu sehen u. von Herrn Lowengard einen Speech über die Ausstell[ung] im Großen u. d. […] daselbst im Kleinen zu hören. Das hat uns sehr aufgemuntert. –20 21. [Juli] Unser dritter u. letzter Pariser Tag  ! Nach gut durchschlaf[ener] Nacht (ab 12 h  ; nachgeholfen mit einem Bok  ; Edel mit seiner sehr lieben Freundin. Nachtmahl  ; Palais Royal, wo Hans bemerkte, daß er seinen Hut im Restaur[ant] vergessen. Hut geholt. Deux Magots.) Wir sind von Place de la Concorde auf einem Schifferl in d. Ausstell[ung] gefahren. Das ist wirklich nett. Man sitzt gut (auf GummibänderFauteuils) u. sieht d. Gegend entlang. Viele Pavillons besucht. Rußland – ganz Photomontage –, Italien witzigere Reklame u. wirkl[iche] Kunst. Deutschland eine lange Bahnhofshalle mit schrecklichen Plakatbildern, die aber so viel humorlose Sentimentalität mithatten (unerfreulich). Österr[eich] mit spontanen Appreciations bei Bimini etc. Überhaupt sehr harmlos liebenswürdig. Anna Mahlers nackte Riesenfrau auf d. Protektionsplatz, Georgs „Jüngling“ als letzter Gartenschmuck. Man weiß eigentlich kaum mehr, ob er noch „dazugehört“, so wurde er aufgestellt.21 Wir wanderten mehr als zwei Stunden, aßen dann sehr nett draußen u. gingen in d. Van Goghausstell[ung], die ganz ausgezeichnet von dem Louvremann Huyghe, der

Abb. 41  : Paris per Knopfdruck – ein Wegweiser durch die Weltausstellung in fünf Sprachen, 1937.

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Abb. 42  : „Überhaupt sehr harmlos liebenswürdig“ – Österreichs Pavillon auf der Weltausstellung, Innenraum mit Großpräsentation der Großglockner Hochalpenstraße, 1937.

auch d. Delacroixausstell[ung] gemacht hat u. von Rivière arrangiert ist. Das Leben, die Familie, die Beeinflussungen, alles dokumentiert. Photogr[aphische] Ansichten der Motive neben den Zeichnungen danach u. d. Briefen darüber. Das ganze nicht zu groß, nicht totgeritten, wirklich eine mustergiltige Ausstell[ung]. (Apropos  : im Österr[eich] Pav[illon] ist ein schwarzes Brett mit Autogrammen, das erste auf das jeder stößt. Darin durch d. ornamentale Schrift als Auffallendste  : ein Brief von Hanak an den Hans  : „Sehr geehrter Herr Hofrat Tietze“ … Am Schluß noch ein Gruß an mich. Wir haben viel Spaß gehabt …). –22 159

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22. [Juli] Abends Torino, im Freien, auf Calamaretti fritti wartend. Die 9. Grenze überstanden. (Sie war ähnlich übel wie die meisten auf dieser Reise  : wir mußten, obgleich wir in einem direkten Wagen saßen, mit d. ganzen Gepäck aussteigen.) Aber ich habe noch von gestern zu erzählen. Wir brachen am Nachmittag auf u. gingen zuerst in Edels „Ausstellung“  ; er hat wirklich große Fortschritte gemacht. Seine kleine Freundin ist uns beiden ausnehmend sympath[isch]. Wir tranken noch Kaffee in d. Rotonde u. fuhren dann per Taxi, mit Hängekoffer zu Floch. (Diesen soll Stoffel nachhause bringen). Die letzten Bilder (aus Italien) waren sehr fein, aber doch schon wie entseelt – oder nur Seele wie entkörperlicht  ? Jedenfalls seltsam fragil, wie gläserne Träume. Interessiert hat uns, seine gemalten Landschaften mit den Zeichnungen dazu u. von ihm selbst aufAbb. 43  : Ein Schreiben des Bildhauers Anton Hanak an „Hofrat genommenen kleine Photos und – AnTietze“. sichtskarten zu vergleichen. Diese regen ihn besonders an. Auf einer alten Ansichtskarte von Ventimiglia ist ein Paar von hinten, das er genau (sogar mit d. Farben) u. an derselben Stelle ins Bild genommen hat  ! Wir nachtmahlten zusammen u. fuhren dann in d. Louvre, wo wir d. Skulpt[uren] bei künstlichem Licht sahen. Es war sehr voll u. in manchem Saal sogar mehrere Führungen zugleich im Gang. Die Nike ausgenommen, die lichtgetaucht gegen Schwarz erscheint, wie d. verhaßte Zwischenakt im Kino, ist das elektr[ische] Licht eigentl[ich] nur Tageslichtersatz. Es hat nichts mit d. Experimenten zu tun, die Goethe in d. Düsseldorfer Kunstkammer beschreibt. Floch war ausnehmend nett  ; er erzählte von einem Traum, in dem ihm sein Vater erschien, der vor c. 30 Jahren †. Am nächsten morgen habe er bei einer Kletterpartie den Stein aus d. Ring herausverloren, den er nach d. Mutter Tod geerbt hat u. schon sein Vater getragen hat. Er ging d. Felsen zurück u. fand d. Stein auf einem Grasbausch blinken. Seither hat er erst d. Gefühl, daß er mit diesem Erbteil verwachsen ist …23 Wir wollten noch Biertrinken u. ich schlug ein kleines leeres Lokal vor, an dem wir gerade vorüberkamen. Hans wollte aber in ein betuchteres gehen, weil er in d. leeren 160

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ein laues Bier vermutete. Floch sagte mir  : „Wenn aber niemand hineingeht, muß er ja ein schlechtes Bier haben. Ich muß da immer an unser Geschäfterl denken u. geh ins leere Lokal hinein u. trink das laue Bier …“24 Die Nacht war furchtbar. An sich schon kurz, wurde sie durch die vielen vergeblich läutenden u. an d. Haustür rüttelnden Heimkehrer gestört  ; es war wieder die Reihe d. Nachtdienstes an der festen Schläferin. Diesmal hab ich zweimal interveniert. In vier Nächten waren zwei auf diese Weise gestört. Wir zahlten aber nur 25 fr[ancs] zusammen, trotz Weltausstell[ung], die Wirtin hat unsern Hausmeisterdienst gewiß hinein kalkuliert. Heut war es ein kühler Morgen u. blieb kühl bis gegen Mittag  ; so war der erste Reisetag in d. Süden recht glimpflich verlaufen. Die Landschaft ist wundervoll  ; ganz in d. Horizontale mit dem See –, die Pappeln auch nur d. Horizontale harmonisch ausgleichend – und ganz Staccato, wenn man Frankreich verlässt u. aus dem Mont Cenis-Tunnel kommt. Hier in Italien fühl ich mich trotz u. trotz alldem – fascismo, Spanien etc. – in d. zweiten Heimat. Aber sie ist heiß, diese zweite Heimat. Heiß u. laut  : Fantasia dell’ opera Boheme da Puccini …25 24. [Juli] (Gestern – Reisetag – nicht zum Schreiben gekommen.) In Turin in d. Nacht hat es 32° gehabt  ! (Mitteilung d. Hôtelportiers). Wir waren vergeblich ausgestiegen  : der Bibliothekar, an den wir eine Empfehlung v. Planiscig hatten, ist in Frankreich  ; er hat keinen Vertreter, die S[amm]l[un]g ist für Juli–August gesperrt. So hielten wir uns ein Stündchen in d. Pinakoteca Sabauda auf u. fuhren mit einem früheren Zug nach Venedig. Es war dreiviertel voll, d. h. bei uns im Coupé sechs Personen u. ein Bébé. Letzerem hatten wir d. schwachen Belag zu verdanken u. daß auch dieser zum großen Teil im Gang sich aufhielt. Wir ertrugen die Zwischenfälle mit Gleichmut, ja mit Wohlwollen. Erstens weil d. junge kupferhaarige Mutter ein schöner Anblick war, zweitens weil dieser Lebensüberschuß u. Natürlichkeit für uns ein Teil d. Südens ist. Eine Frau, die ihren Teil davon aufs Kleid oder auf d. Schuhe bekam, hatte mehr zu leiden als wir. Es war aber tatsächl[ich] d. Kreislauf des Wassers. In jeder Station trank d. Mutter Gazose oder aß Gelato  ; in jeder Fahrt gab sie das Eingeschluckte in Form von Milch heraus u. das weitere tat dann d. Kind … Fällt mir ein, daß zum Kreislauf der Übergang zum Gazose oder Gelato fehlte. Giovanni d. Diener holte uns am Bahnhof ab. Das Zimmer ist groß, mit Moskitonetzen u. verhältnismäßig ruhig. Wir machten noch einen Erkundigungsspaziergang nach d. Nachtmahl, ob alles am Platz war. Ja es war alles „am Platz“, d. Markuskirche u. die […]. –26 25. [Juli] Unsern ersten venez[ianischen] (gestern) Tag haben wir vormittag in d. Ausstell[ung], nachmitt[ag] in S[an] Rocco, dazwischen im Bett verbracht. Abends mit Ehepaar Gironcoli bei Floriani. Hans hat sich eine weiße Hose u. ich mir eine dunkelblaue 161

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Abb. 44  : Venedig.

„Visiera“ als Hutersatz gekauft. Damit ist eigentlich alles gesagt  : das Hundsgestirn regiert u. wir wehren uns dagegen mit d. Energien unserer Disziplin u. d. Klugheit  ; eigentlich aber leben wir erst in d. Nacht auf. –27 Die Ausstell[ung] ist sehr interess[ant] und wir haben das Gefühl, erst hier eine wesentliche Seite des Tintor[ettos] kennen gelernt zu haben, die Koloristische. Denn zum erstenmal sehen wir große Kompositionen in Fülle in einem gereinigt[en] Zustand  ! Das so restituierte – Abendmahl von S[an] Marcuola gibt einen Ausgangspunkt für ein Jugendoeuvre. Darin ist aber alles noch unbestimmt … Natürlich ist S[an] Rocco – auch durch d. gemeinsame Eintrittsbillet verbunden  – eine notwendige Ergänzung. Aber auch mit S[an] Rocco ist d. zu seiner Künstlerschaft gehörende Fülle nicht erreicht  ! Fehlen alle histor[ischen] Kompositionen großen Stils. Und auch d. Dogenpalast – in den wir heute nach dem 2. Aus­ stel­l[ungs]­-­­besuch gingen – reicht nicht aus. Es liegt aber sicher nicht daran, daß d. einzelnen Zweige seiner k[ün]stler[ischen] Persönlichkeit an verschied[enen] Orten aufzugreifen sind. Mehr liegt es daran, daß d. Gesamtkunst Tintorettos sich innerhalb einer kürzeren u. weniger umwandlungskräftigen Zeitspanne abspielt u. darum mit der gewaltigen Quattrocentoüberwindung, die den jungen Tizian so hinreißend 162

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Abb. 45  : Dr. Franz Reichsman mit seiner Ehefrau Mary Jane Lang, ca. 1945 in den USA.

macht, nicht konkurrieren kann. Tintorettos Überwindung d. […] jungen Tizian ist eine stillere weniger emotionierende Angelegenheit. Darum – und aus den andern Gründen auch, – wird diese Ausstell[ung] nicht so populär werden (in bestem Sinn populär) wie d. Tizians.28 (Abends). Wir haben uns heute (Sonntag  !) nach d. Ausstell[ung] noch eine Ergänzung im Dogenpalast geholt u. sind nach dem Nachmittagsschlaf auf d. Lido in Gironcolis Capauna gefahren. Es war noch eine polyglotte Russin da u. ein Prof[essor] d. Chemie, der sich aber (italienisch) schweigend verhielt. Nach d. Nachtmahl mit Franz beisammen, der uns heute abend teleph[onisch] erreichte. Er scheint Kunst- und Badegenuß hier recht einsam durchzumachen u. das ist sicher nicht das Richtige. Was er von zuhause erzählte, hat mich nicht sehr beglückt. Schließlich so eifersüchtig wie er u. Therese auf d. Anderl sind, bin ich auch. Die Details um Burgls Abenteuer waren auch nicht sehr beruhigend. So war seine Person der erste handgreifliche Schatten, den die Heimat vorauswarf. –29 26. [Juli] (Im Bett. Hans badet gerade. Ein furchtbares Gewitter meldete sich an, rollte zwischen schwarzen Wolken, brach nicht aus, steht noch immer.) Wir waren früh (mit Franz) in d. Ausstell[ung], die immer interessanter – u. in Einzelheiten unverständlicher wird. Nachher nur ein paar Kirchen, aber sie waren zu voll u. wir zu müde. 163

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Abb. 46  : Der Lido mit den Cabanen, Venedig, um 1930.

Um ein Uhr am Lido (bei Gironcolis Capauna), wo diesmal d. Frau allein mit dem Direttore d. Ca’ Foscari-Universität (Economista) u. d. Chemieprof[essor], den wir schon kannten, war. Ich zog d. Schwimmkostüm d. Mutter an, das mir wie angegossen paßte, was viel heißen will, wenn man d. elegant gewachsene Frau (Fausta […]  ?) kennt u. wenig heißen will, wenn man bedenkt, daß es gestrickt war. Das Bad war herrlich u. ebenso d. Schlafen nachher, zu dem man uns allein ließ. Bis dann d. Mutter kam – ich wickelte sie in Gespräche ohne Ende ein, damit der Schwimmanzug inzwischen trocknen könne – aber Hans hatte ihn nicht ganz ausgedrückt, sodaß er immer noch trotz der glühenden Sonne auf dem Zeltdach verräterisch feucht war  ! Ach ist das eine Mutter  ! Ein banales Weib  ! – 27. [Juli] (Ihr Eindruck währte noch bis heut früh.) Am Nachmittag suchte uns dann noch Franz auf, der aber seine kunsthistor[ischen] Interessen seit dem Morgen ganz zurückgestellt hatte  ; wir sahen nachher an seiner Seite den graziösen Rückenakt, der den Wandel verursacht haben wird. Nach d. Nachtmahl gingen wir auf d. Piazza, wo Frau Gironcoli uns mit Geiger bekannt machen wollte. Aber es kam nur zu einem großen Tische-Aneinanderschieben mit wieder einem andern Professor der Ca’ Foscari (Belli), der deutsche Literaturgeschichte unterrichtet (u. einen Correspondente d. Corriere della Sera mit Frau, die aber am andern Ende saßen). Es war eigentlich ein Abschiedsabend, denn Frau Gironcoli reiste noch am selben Abend nach Conegliano, um am nächsten ins Salzkammergut zu reisen. Sie ist eigentlich ein armer Teufel, denn sie hat anscheinend überhaupt keine greifbaren Positiva. Keine Kinder, keine mit d. Mann – oder niemandem anderen geführte Gemeinsamkeit – nur ihre 164

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Jugendlichkeit zu erhalten u. ein paar recht konventionelle (noch dazu) Lebenslügen, wie etwa ein „gebildeter“ Mensch zu sein. Vieles Negative wird ein wenig durch ihr Bedürfnis, mit Menschen freundlich zu sein wettgemacht. Das ist sicher etwas, aber nicht genug. –30 Abends im Bett. Wir waren in den Sc[uola] di San Rocco u. sahen d. Bilder, die das Vormittagslicht brauchen. (In d. Chiesa konnten wir d. Vorbild einer Brünner Z[eichnung] finden). Dort haben wir dann Franz verlassen u. sind in d. Akademie. Am Nachmittag trafen wir Phil Hendy in d. Ausstell[ung], der einen sehr müden u. kranken Eindruck machte. Wir waren abends bei Floriani zusammen. Ich fühlte mich ganz heimatlich, wieder einmal engl[isch] sprechen zu können. (Photoeinkäufe, Wohnungssuche für September). – Letzte Karte von zuhaus  ! – Anderl  ! 29. [Juli] früh. Wir sitzen schon in d. Eisenbahn, abfahrtbereit. Heimfahrtbereit. Unsere Probereise – die erste gemeinsame so lange dauernde – geht zuende. Nichts bleibt zu tun – als die Tagebücher nachzulesen  ! Nein, noch eines  : den letzten – gestrigen – Tag in Venedig festhalten. Wir sind in d. Früh nach Sta. Maria dell’ Vito, um von den beiden – herrlich beleuchteten Bildern die letzte wichtige Ergänzung zur Mostra zu finden. Der Tanz ums gold[ene] Kalb wirkt klarer, stärker, vielleicht weil die großfigurige ruhige Kompos[ition] ganz nach vorn gelegt werden konnte. Ein irdisches Bild. Das Jüngste Gericht ist daneben eingezwängt, die wichtige obere Hälfte allzu gedrängt. –31 Vielleicht liegt es aber nur daran, daß man nicht ganz zurücktreten u. mühelos dabei d. Fenster weghalten kann. Ich müßte erst einmal bei Nachmittagslicht dieses zweite Bild sehen. Oder von d. Galerie  ! Ich erinnere mich, von dort einmal einen guten Überblick gehabt zu haben … Nachher in die Mostra  ; sie wirkt noch immer „überraschend“, jedes Bild „neu“  ! Wir freuen uns, jetzt eine ausgiebige Distanz zwischen d. Eindrücke legen zu können – bis September zumindest sechs Wochen  ! Franz erschien mit dem Rückenakt, diesmal von vorn und „Glaser“ benamst u. nicht nur das, sondern auch aus der Formanekgasse u. nicht nur das, sondern auch eine ehemalige Kollegin von Maria Schönberg, was eigentlich sich aber auch von selbst versteht. Er verabschiedete sich bald, ich denke, er „führte“ sie dann durch d. Ausstell[ung], wie ich ihn geführt hatte. Am Nachmittag schliefen wir ausgiebig u. gingen dann nach San Sebastiano in die P[aolo] Veronesekirche, die ganz einsam war  ; ihre größte Zeit ist erst in zwei Jahren – la Mostra di Paolo Veronese  ! wie sie d. Katalog d. Tintorettoausstell[ung] schon ankündigt. Höchste Zeit, was diese Kirche anbelangt  : sie ist sehr restaurierungsbedürftig. Bei manchen Teilen kommt d. Restaurier[ung] wohl schon zu spät  ! Der Mesner mit d. Brille, der wie ein Professore aussieht, hat Angst, man wird ihm d. Bilder alle 165

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wegnehmen u. in d. Ca’ Pesaro führen – wir haben ihn beruhigt, auf den Präzedenzfall d. Scuola di S[an] Rocco gewiesen …32 Mit unserer Wohnungssuche am Tag vorher wenig einverstanden gingen wir dann nach d. Zattere entlang u. fuhren nach Casa Frollo hinüber, das uns durch seine Lage, seine Riesenräume u. seine ungeheuren Gärten wiederum ganz für sich gewann. Da wir ja doch nicht bei Signora Ridottolo wohnen können, wollen wir es doch einmal mit d. Casa Frollo versuchen. Wie herrlich sind diese großen Räume der alten Palazzi  ! Kaum möbliert geben sie dieses Gefühl architektonischer Weite, in der man selbst nur pathetisch seinen Platz beziehen kann. Man ist kein Mensch des 20. Jhs., wenn man zu seinem intimen Leben zwischen Strümpfe aus d. Lade fangen u. sich die Bürste holen eine Halle durch„schreiten“ muß, in der Tintoretto die ganzen Gäste des Canamahles unterbringt …33 Auf d. Piazza haben wir Hendy vergeblich erwartet  ; ist er krank geworden  ? Ist er weggereist  ? Professor Gironcoli setzte sich zu uns an den Tisch. Er ist sehr sympathisch, aber nach so viel Arbeit u. vor so viel Arbeit immer in seinen Energien etwas heruntergeschraubt, seinem italien[ischen] Temperament die Ader gelassen  ; dadurch angenehm gemütlich. Eigentlich hat das übervolle Venedig fast keine „Bekannte“ aufgewiesen. Beim ersten Mostra-Besuch das Ehepaar […], Hans hat dort auch einmal den Maler Zerritsch getroffen, in Piazza Frau Prof. Zilsel sitzen gesehen. Das ist alles, was in diesem Büchlein noch nicht ausdrücklich erwähnt wurde. Mit unserer Signorina haben wir melanchol[ische] Gespräche geführt, Abb. 47  : „La mostra del Tintoretto“, Palazzo Pesaro, Venedig. da wir nicht auf ein baldiges Wiederwohnen rechnen können …34 Mir aber kommt es jetzt gar nicht so richtig vor, als ob wir definitiv von unserer 102-tägigen Reise heimführen, da hierher an unserem letzten Ort das nächste Wiederkommen gesichert ist (wie heute schon irgendetwas gesichert ist – nämlich b. e. = bello excepto). Wofür ich der ausgezeichneten Reiseleitung meines Gefährten zu danken habe. Für andres auch  : W il Hause  ! Schrift Hans Tietze  : Ich bestätige den richtigen Inhalt dieses Tagebuchs I–III. Nur der Schluss ist nicht 166

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ganz richtig, da das gute Ergebnis nur der Verträglichkeit, Umsicht und Genügsamkeit des H. zu danken ist. Das Ende muss also heißen  : Es lebe der H.! Hier endet das „Reisetagebuch“ ETCs für das Jahr 1937. Die finanziellen Mittel hatten sich erschöpft, und man kehrte nach Wien zurück, auch um bei der verbliebenen Familie nach dem Rechten zu sehen. Bald wurde jedoch mit Plänen für die nächste Reise begonnen. Vor allem in England galt es noch, wichtige Sammlungen aufzunehmen.

Anmerkungen 1 Reiseroute vom 8. bis 29. Juli 1937, 3. Büchel  : Chatsworth (GB) – (Leeds ) – (Kingston-upon-)Hull – Brockely Hall – Edinburgh – Glasgow – London – (Great) Malvern – Paris (F) – (Mont-Cenis-Tunnel) – Turin (I) – Venedig.

„Thomson“ – Francis Thompson, Bibliothekar und Keeper der Sammlungen des Duke of Devonshire in Chatsworth, North Derbyshire.



Gastgeber waren Evelyn Cavendish, Duchess of Devonshire, Mistress of the Robes (Hofdame) von Königin Mary (Evelyn Emily Mary Petty-FitzMaurice, The Peerage), sowie der Duke, Victor Cavendish (Victor Christian William Cavendish, The Peerage).



Berühmtes Ganzkörperporträt Heinrichs VIII. von Hans Eworth (um 1520–1574) nach Hans Holbeins d. J. Fresken in Whitehall (Foister 2004).



„die Giorgionezeichnung“ – das Blutzeugnis einer Heiligen, lavierte Federzeichnung ( Justi 1936, 303–304  ; Tietze/Tietze-Conrat 1944, 172).



Vasari Society, gegr. 1905, widmete sich auf der Grundlage von Subskriptionen der Reproduktion von Altmeisterzeichnungen (Hill 1906).

2 Kingston-upon-Hull, Yorkshire – gelegen am Nordufer des Humber, im Mündungsgebiet der Flüsse Trent und Ouse. Das Meer ist noch rund 3 km entfernt. 3 Vergoldetes Reiterstandbild von King William III., errichtet 1734 durch Peter Scheemakers (1691–1781). 4 „Harbrour“ – vermutlich harbour für engl. ‚Hafen‘.

Wappoltenreit  – ob damit auf das Dörflein Wappoltenreith im entlegenen, waldreichen Gebiet im nördlichen Niederösterreich angespielt wurde, muss dahingestellt bleiben.

5 Gemeint ist „Brocklesby Estate“ in Lincolnshire, Sitz der Earl of Yarborough.

„Dieses Werk, das Consalvo mitnahm, war ganz außerordentlich, und man bekam kein schöneres Gemälde als dieses zu sehen.“ (Vasari 2008.) 167

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Bei Gustav Waagen heißt es  „GIORGIONE (?) – Portrait of a man scated, in gay dress. Too weak in drawing, and not refined enough in feature, for Giorgione, but a good and interesting picture of the Venetian School.“ (Waagen 1854, 501.)

  6 Edinburgh – Princes Street – „lined on one side with gardens and commanding a view of the castle, is perhaps one of the finest streets in Europe“ (Baedeker 1927, 561).

Hohensalzburg – zentral in der Salzburger Altstadt gelegener Festungsberg.



Edinburgh  – National Gallery of Scotland. Der Bestandskatalog war offenbar ein Mitbringsel von ETCs Neffen Heinz Fraenkel gewesen.



Jacopo Bassano, Die Anbetung der Könige, um 1540, National Gallery of Scotland, Edinburgh, respektive Die Anbetung der Hirten, 1546, Royal Collection, Hampton Court, London.

 7 Rembrandt, Junge Frau im Bett, um 1645, National Gallery of Scotland, Edinburgh, respektive Junge Frau mit Ohrringen, 1657, Eremitage, St. Petersburg.   8 Wechsel zwischen eleganter Einkaufsstraße (Rue de la Paix – Paris) und lieblich hügeliger Landschaft (Altaussee).   9 Glasgow – St. Mungo’s Kathedrale, 13.–15. Jh., und daneben das Spital „Royal Infirmary“.

Das 1901 eröffnete Kelvingrove Museum ist ein architektonisches Stilgemisch mit Schwergewicht auf spanischem Barock.



Die Tiroler Bauernaufstände unter der Führung des Gastwirts Andreas Hofer (1767–1810) gegen die napoleonischen Verbündeten waren ein beliebtes heroisches Motiv in der lokalen Malerei des 19. und frühen 20. Jahrhunderts.

10 Cis Tarnay (siehe TB 1937/2, 28.5.) hatte ETC in dem erwähnten Brief von der Trennung Tochter Burgls von Kurt Winkler, den ETC sehr mochte, unterrichtet. „Sie hat mit Kurt schon Schluß machen wollen, als sie noch drinnen [im Gefängnis, Anm. der Hrsg.] war, das hat uns Cis nach Edinburgh geschrieben und Kurt hat mir gleich nach seiner Rückkehr aus Berlin erzählt, daß seine Beziehungen zu ihr sehr wackelig wären, da B. nicht darüber hinwegkäme, daß er sich nicht politisch betätige.“ (Brief HT und ETC an Andreas Tietze vom 21.10.1937, Privatarchiv Filiz Tietze.)

Der venezianische Patrizier Marcantonio Michiel legte zwischen 1520 und 1543 „Listen von Kunstschätzen in Kirchen, öffentlichen Gebäuden und Privathäusern Venedigs und einiger Städte des Festlandes“ an ( Justi 1936, 85). Erschienen ist Michiels Werk unter dem Titel „Notizie d’opere del disegno“ (Michiel 1884).

11 Birmington – gemeint ist vermutlich Birmingham, West Midlands, die Geburtsstadt Stella Churchills.

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Die venezianische Zeichnung in der Sammlung des Duke of Devonshire, Chatsworth, ist abgebildet in  Tietze-Conrat 1940a, Abb. 13, 28. „A drawing in Chatsworth almost exactly corresponding with the reversed engraving [von Henrik van der Borcht] shows at least the

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original arrangement. Perhaps it shows still more, for it is evidently closer to the original than the engraving.“ (Tietze-Conrat 1940a, 31.) Maler und Radierer Hendrik van der Borcht (der Ältere wie auch der Jüngere). „Zanetti bringt noch eine vierte Radierung, einen Freskenrest aus dem Palazzo VendraminCalergi, früher Grimani, den er ebenfalls dem Giorgione zuschreibt. […] Ridolfis Zuschreibung an Tizian, welcher Zanetti widerspricht, mag der Wahrheit näher gekommen sein […].“ ( Justi 1936, 257.) Der Radierer Zanetti hatte die nicht mehr erhaltenen Fresken Giorgiones am Haus der deutschen Kaufleute in Venedig (Fondaco de Tedeschi, siehe auch TB 1937/2, 7.7.) in einigen Stichen überliefert. Antonio Maria Zanetti, Varie pitture a fresco de’principali maestri veneziani, Venedig, 1760. Zum „Rätsel“ Palma-Giorgione-Fresko im Palazzo Vendramin siehe TB 1937/1, 19.4., 15.5.; TB 1937/3, 17.7.; TB 1938/1, erster Eintrag „Basel“.

Als wichtigste Schrift zur venezianischen Malerei gilt das zweibändige Werk „Le maraviglie dell’arte“ des venezianischen Malers Carlo Ridolfi aus dem Jahr 1646. Neu herausgegeben von Detlev von Hadeln und Carlo Ridolfi, Le Maraviglie dell’Arte, Le vite degli illustri pittori, Berlin 1914 (Hadeln/Ridolfi 1914).



„De Nanto  – Gir[olamo] da Treviso-Holzschnitt“  – The life of Christ, Holzschnitt, 1520–1530 (1849, 0609.46), British Museum, „After Girolamo da Treviso, Print made by Francesco de Nanto“ (The British Museum, Collection online).



Weltausstellung – „Exposition Internationale des Arts et Techniques dans la Vie Moderne“, Paris, 25.5.–25.11.1937.

12 James Laver, Schriftsteller und Kulturhistoriker mit Spezialgebiet Kleidung und Mode war von 1938–1959 Leiter des Departments „Prints, Drawings and Paintings“ im Victoria & Albert Museum.

Der aus Breslau stammende Kunsthistoriker und Maler Wolfgang Born hatte sich ab 1923 in Wien aufgehalten. Er war dort unter anderem als Kunstredakteur beim „Wiener Kunstwanderer“ und „Neuen Wiener Journal“ sowie als Ausstellungskurator tätig gewesen (zu Born siehe Wendland 1999a, 60–64  ; Wolfgang Born, Dictionary of Art Historians).



„unseren Bundesamtsstempel“ – Ausfuhrstempel der österreichischen Denkmalbehörde.



Kreis um den Humanisten und Dichter Kardinal Pietro Bembo.



„Cassonehudelei“  – flüchtig bemalte („gehudelte“) Prunk- bzw. Brauttruhen der Renaissance.



Desiderio da Settignano (1430–1464), Lachender Knabe, um 1464, Skulptur, KHM, Wien. Der österreichische Industrielle und Kunstsammler Gustav Benda hatte seine Kunstsammlung per Legat dem KHM vermacht. 1939 wurde die Sammlung Benda dort aufgelöst und an diverse Museen verteilt (Haupt 1991  ; Archiv des BDA Wien, Ausfuhren, 1919, Z 2691 Benda).



Armand Lowengard, Neffe Duveens, war Leiter der Pariser Filiale der Kunsthandlung. ­Joseph Duveen verstarb im Mai 1939 in London. 169

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Möglicherweise fand im Zusammenhang mit der von Ernst Kris und Leo Planiscig von September bis Oktober 1937 kuratierten Ausstellung zu gefälschten Kunstwerken auch eine Tagung zum Thema statt (Kris/Planiscig 1936).



„La mostra del Tintoretetto“ vom 25.4.–4.11.1937 in Venedig, Kurator   Nino Barbantini.

13 Kenneth Clark war von 1934–1944 „Surveyor of the King’s pictures“.

The Royal Collection, Buckingham Palace, London.



Handzeichnungen, H 335, Allegorische Frauenfigur (Kopie nach Giorgione  ?), 17. Jh., Rötel Universitätsbibliothek, Salzburg (Sondersammlungen).



Das als „weibliche Kopfstudie“ in der Studienbibliothek geführte Blatt (H 135) gilt seit 1945 als verschollen (Universität Salzburg, Sondersammlungen).



Zum „Rätsel“ Palma-Giorgione-Fresko im Palazzo Vendramin siehe TB 1937/1, 19.4., 15.5.; TB 1937/3, 14.7.; TB 1938/1, erster Eintrag „Basel“.

Tancred Borenius (unter Mitarbeit von Rudolf Wittkower), Catalogue of the Collection of Drawings by the Old Masters, Formed by Sir Robert Mond, 1937 (Popham 1938).



Edmund Schilling  – „1937 eigene Kündigung und Emigration aufgrund der Verfolgung seiner jüdischen Ehefrau und aus Opposition gegen den Nationalsozialismus. Ab 1937 Aufenthalt in England. Freiberufliche Tätigkeit als Berater von Sammlern und als Zeichnungs- und Graphikexperte.“ (Edmund Schilling, in  : Wendland 1999b, 613.) Nach dem Krieg widmete von Hirsch dem Städel aus seiner Sammlung eine RembrandtZeichnung („Der verlorene Sohn bei den Dirnen“) in Erinnerung an die ihm von Schilling geleisteten Dienste. Die gesamte Sammlung Hirsch wurde im Frühjahr 1978 vor ihrer Versteigerung durch das Auktionshaus Sotheby’s ein letztes Mal im Städel-Museum sowie im Kunsthaus Zürich der Öffentlichkeit präsentiert (Schneider 1978  ; N. N. 1978).



Ernst Kitzinger war von 1935–1940 für das British Museum tätig (Abteilung „British and Mediaeval Antiquities“). Er stand dem Warburg-Institut nahe. Nach Internierung und Deportation nach Australien emigrierte Kitzinger Ende 1941 in die USA (Ernst Kitzinger, in   Wendland 1999a, 365–371).



Bei dem „englischen Dichter Sir Robert Nickels“ handelte es sich vermutlich um Robert Nichols.

14 Malvern  – „die uns so wichtige venezianische Privatsammlung“ (Brief vom 14.12.1937, ETC an Andreas Tietze, Privatarchiv Filiz Tietze).

„retired housemaster aus Eton“ – Algernon Cockburn Rayner-Wood (1874–1953) unterrichtete Fremdsprachen in Eton (siehe Rayner Wood 1939).

15 ETC beteiligte sich seit Gründung der Zeitschrift „Old Master Drawings“ (O. M. D.) im Jahr 1926 regelmäßig mit Beiträgen am Programm. Für das Jahr 1937 wird allerdings in der Kurz’schen Bibliografie kein Aufsatz für die Zeitschrift angeführt (O. Kurz/H. Kurz 1958). In der Kurz’schen Bibliografie der Werke ETCs für das Jahr 1938 nicht enthalten  : 170

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Francesco di Giorgio  ?, A Pair of Lovers, F. Lugt Collection, The Hague, in  : Old Master Drawings, Nr. 13, 1938, 25–26. 16 Zu Mrs. Bonham, bei der Tietzes offenbar zeitweilig in London Quartier bezogen, konnte nichts ausfindig gemacht werden. 17 Josef Floch erwähnt in seinem Tagebuch den Besuch seiner Geschwister Hans und Elsa Floch anlässlich der Pariser Weltausstellung (Pallauf 2000, 53). 18 Das Palais de Tokyo, ursprünglich Palais d’Art Moderne, wurde 1937 für die Pariser Weltausstellung errichtet.

Petit Palais, „L’exposition des maîtres de l’art indépendant 1885–1937“, Juni–Oktober 1937.



Michael Skubl war von 1934–1938 Polizeipräsident und Leiter der Bundespolizeidirektion Wien sowie von 1937 bis März 1938 Staatssekretär für Sicherheitsfragen in den Regierungen Schuschnigg und Seyß-Inquart. Vermutlich sollte Felix Tietze bei Skubl für Burgl intervenieren. In der Familie nimmt man an, dass Felix Tietze als Arzt Skubls Kinder betreute und unter anderem aufgrund dieser Bekanntschaft nach dem „Anschluss“ zusätzlich gefährdet gewesen sei (Kristin Matschiner im Gespräch mit der Herausgeberin, Februar 2012).

19 Bei Cate handelte es sich um eine Freundin der Tietze-Kinder, die vermutlich zeitweise Logiergast in der Armbrustergasse gewesen war. Zwar ist ein Foto von Cate (oder Kate oder Kati, wie sie in der Korrespondenz auch genannt wird) erhalten, genaue Angaben zu ihrer Person fehlen jedoch. Sie stammte vermutlich aus Ungarn und ist später in die USA übersiedelt (siehe u. a. Brief HT an Andreas Tietze vom 5.11.1937, Privatarchiv Filiz Tietze). Von Cate inspiriert, verfasste ETC in späteren Jahren eine Erzählung mit dem Titel „Cate is a graduate student“, die sich im Nachlass erhalten hat (Privatarchiv Kristin Matschiner). Dabei ist es allerdings angesichts der geringen Kenntnisse von Cate schwer abzuschätzen, wie hoch der Realitätsgehalt der Erzählung tatsächlich ist.

Unklar ist, ob der New Yorker Kunsthistoriker Robert Goldwater (1907–1973) gemeint gewesen sein könnte. Dieser war seit 1937 mit der Bildhauerin Louise Bourgeois (1911–2010) verheiratet.



Auf eine Reise Stoffels nach Paris, wo er offenbar bei Flochs Quartier nahm, wird in der Korrespondenz hingewiesen (Korrespondenzen HT/ETC/Andreas Tietze, Privatarchiv Filiz Tietze).

20 Modane (ital. Modana), französisches Grenzstädtchen zu Italien.

Tizian, Jupiter und Anthiope (Pardo-Venus), 1540–1542, Louvre, Paris.



Eugène Delacroix, La Liberté guidant le peuple („14. Juli“), 1830, Louvre, Paris.

El Greco – Ausstellung in Paris 1937, veranstaltet von Georges Wildenstein und der „Gazette des Beaux-Arts“ in der Galerie des Beaux-Arts (Mayer/Rubinstein/Busuioceanu 1937). Es handelte sich um die Greco-Sammlung König Carols II. von Rumänien (1893–1953) (Mayer 1935, 205–208  ; Pallucchini 1937). 171

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Zu August Liebmann Mayer und der Pariser Ausstellung Vgl. Posada Kubissa 2010  ; Mayer 1939.

21 Lex Deux Magots, Café im Viertel Saint-Germain-des-Prés  – seit dem 19. Jahrhundert berühmter Künstler-, vor allem Literatentreffpunkt.



Besonders eindrucksvoll war auf der Pariser Weltausstellung die architektonische Konfrontation der Kontrahenten Sowjetunion und Nazi-Deutschland. Albert Speer schilderte die deutsch-sowjetische „Konfrontation“ folgendermaßen   : „Auf dem Ausstellungsgelände lagen sich die Bauplätze des sowjetrussischen und des deutschen Pavillons genau gegenüber, eine beabsichtigte Pointe der französischen Ausstellungsleitung. Zufällig verirrte ich mich bei einem Besuch in Paris in den Raum, in dem der geheimgehaltene Entwurf des Sowjetpavillons ausgestellt war   Auf hohem Podest schritt eine Figurengruppe von zehn Metern Höhe triumphal auf den deutschen Pavillon zu. Daraufhin entwarf ich eine in schwere Pfeiler gegliederte, kubische Masse, die diesen Ansturm aufzuhalten schien, während vom Gesims des Turms ein Adler mit dem Hakenkreuz in den Fängen auf das russische Paar herabsah. Für den Bau erhielt ich eine Goldmedaille, mein sowjetischer Kollege ebenfalls.“ (Speer 1969, 95.) Russischer Pavillon  – Architekt   Boris Michailowitsch Iofan (1891–1976)  ; deutscher Pavillon  – Architekt   Albert Speer (1905–1981)  ; italienischer Pavillon  – Architekt   Angelo Bianchetti (1911–1994)  ; österreichischer Pavillon – Architekt   Oswald Haerdtl.



Zur Glaswerkstatt Bimini siehe TB 1923, 29.12.



Anna Mahlers Skulptur „Die Stehende“ wurde bei der Weltausstellung mit einem „Diplome de Grand Prix“ ausgezeichnet (Weidle/Seeber 2004, 219). Georg Ehrlich erhielt die große Goldmedaille für seine Büste „Italienischer Knabe“ aus dem Jahr 1934.



22 Van-Gogh-Ausstellung von Juni–Oktober 1937 in Les Nouveaux Musées, Quai de Tokyo, Paris.

Zu René Huyghe siehe TB 1938/1, 2.2.



Zwar sind einige Briefe des Bildhauers Anton Hanak an HT im Familienbesitz erhalten, jener mit den Grußworten an ETC allerdings nicht.

23 Café de la Rotonde am Montparnasse, im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts ein beliebter Künstlertreffpunkt.

Bei Pallauf (2000, 217) findet sich ein von Floch angefertigtes Porträt von Philippa (auch Filippa bzw. Bippa) Brooks aus dem Jahr 1932 – über die noch weniger herausgefunden werden konnte als über ihren späteren Ehemann Max Edel.

Flochs Vater Samuel war bereits 1909 gestorben.

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Die Malerin Charlotte Lichtblau, Schülerin und Mitarbeiterin Flochs in New York, erwähnte im Gespräch mit der Herausgeberin im September 2011 gleichfalls die Vorlage von Postkarten für Landschaftsbilder.

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Nike von Samothrake, 190 v. Chr., Louvre, Paris. Goethe hielt sich nach 1774 mehrmals in Düsseldorf auf und bewunderte die dortige Gemäldegalerie. Welche Experimente er dort anstellte, konnte nicht ausfindig gemacht werden ( Jeßing 2004).

24 Flochs Vater war gelernter Schneider. 25 Der Mont-Cenis-Tunnel (auch Col de Fréjus-Tunnel) verbindet Frankreich mit Italien.

Das faschistische Italien unterstützte die spanischen Nationalisten unter General Franco (1892–1975) massiv, u. a. mit Freiwilligenkorps.

26 Turin – Vermutlich hatten Tietzes vor, die Biblioteca Reale zu besuchen, gingen aber stattdessen in die Gemäldegalerie Galleria Sabauda. 27 „La mostra del Tintoretetto“, 25.4.–4.11.1937, Palazzo Pesaro, Venedig. Kurator der Ausstellung war Nino Barbantini, von dem auch der Ausstellungsführer stammte. HT übte in einer Rezension für das „Burlington Magazine“ zurückhaltende Kritik an der Auswahl der Werke, die ihm nicht immer gesichert schienen, sowie an der etwas zu populären Gestaltung des Katalogs. Zum ersten Mal jedoch könne man zahlreiche gereinigte Werke bei gutem Licht betrachten. Der Verlust an Ausstrahlung, den die Werke durch die Entfernung aus ihrer natürlichen Umgebung erlitten, werde kompensiert – „by the masterly manner in which they are presented  ; once more, Signor Barbantini has displayed his gift for bringing out the very best elements in works of art“ (Tietze 1937).

„Bei Floriani“ – das berühmte Caffè Florian auf der Piazza San Marco, Venedig.

28 La mostra di Tiziano, Palazzo Pesaro, Venedig, April–November 1935. Kurator der berühmten Schau war ebenfalls Barbantini gewesen. 29 Unklar, ob mit „Capauna“ etwa ein Badehäuschen oder ein Boot, das am Lido vor Anker lag, gemeint war.

Franz Reichsman aus Zagreb hatte in seiner Heimatstadt ein Medizinstudium begonnen, das er ab 1935 in Wien weiterführte. Als Logiergast teilte er mit Sohn Andreas ein Zimmer und wurde schnell in die Familie aufgenommen. Nach der Ermordung seiner Eltern im Konzentrationslager vertiefte sich Reichsmans Bindung an ETC noch weiter. Kurz vor ETCs Tod im Dezember 1958 bezeichnete er sich in einem Brief an Panofsky als „an adopted son of hers“ (Franz Reichsmann an Erwin Panofsky, 22.8.1958, Nr. 2.227, in  : Wuttke 2008).

30 Gemeint war höchstwahrscheinlich der aus Wien gebürtige und in Italien ansässige Literaturund Kunstwissenschaftler Benno Geiger. Geiger, der in Venedig einen Kunsthandel betrieb, sei – so Meike Hopp, die Geiger in ihrer Studie zum Kunsthandel im Nationalsozialismus ein eigenes Kapitel widmet – wegen unlauterer Geschäftsgebaren 1931 aus Italien ausgewiesen worden, habe dorthin aber 1935 dank der Intervention Mussolinis wieder zurückkehren können. Geiger habe außerdem intensive Kontakte zu nationalsozialistischen Kunsthändlerkreisen unterhalten (Hopp 2012, 156  ; zu Geiger siehe außerdem Zambon/Geiger Ariè 2007).

Ein Professor namens Belli der venezianischen Ca’-Foscari-Universität konnte nicht ausfindig gemacht werden. 173

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Helma de Gironcoli publizierte u. a. ihren Briefwechsel mit dem Maler Alfred Kubin, der auch gerne Gast „im Coneglianer Hügelhaus“ der Gironcolis gewesen war (Gironcoli 1965, 18).

31 Aufgrund ihres großen Formats konnten Tintorettos Gemälde „Die Anbetung des Goldenen Kalbs“ (um 1562) und das „Jüngste Gericht“ (um 1560) nicht zur Ausstellung in den Ca’ Pesaro transferiert werden und verblieben in situ, i. e. in der Kirche Madonna dell’ Orto, Venedig, der Grabstätte von Jacopo und Domenico Tintoretto. 32 Maria Schoenberg war Tochter von Hans Schoenberg und dessen Frau Emma, geb. Pohl, einer Cousine HTs. Schoenbergs hatten in der Nachbarschaft der Tietzes in Döbling gelebt.

Kirche San Sebastiano, Venedig (1. Hälfte 16. Jh.), mit Fresken Paolo Veroneses.



Die „Mostra di Paolo Veronese“ sollte schließlich von April–November 1939 im Palazzo Giustinian in Venedig stattfinden. Kuratiert wurde die Schau von Rodolfo Pallucchini.



Möglicherweise spielt ETC auf Umbauten in der Scuola di San Rocco gegen Ende des 19. Jahrhunderts an (Scuola Grande di san Rocco, Building and history).

33 Tintoretto, Hochzeit zu Kanaa, 1561, Kirche Santa Maria della Salute, Venedig.

Fondamenta delle Zattere – Uferpromenade entlang des Canale della Giudecca, Venedig.



Die Casa Frollo auf der Giudecca Insel – Palast (17. Jh.), der im frühen 20. Jh. als Hotel diente und in dem Tietzes Quartier bezogen.

34 Der friaulische Dichter und Publizist Franco de Gironcoli war Professor für Urologie und Spitalsleiter.

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Maler Fritz Zerritsch d. J., 1938/39 Lehrer an der Wiener Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt, war Schöpfer zahlreicher Briefmarken sowie des 1.000-Schilling-Geldscheins im Jahr 1938. Nach 1945 schuf er erneut einige österreichische Banknoten (Fritz Zerritsch, Österreichische Nationalbank).



Vermutlich handelte es sich um Ella Zilsel, Ehefrau des Wiener Philosophen und Volksbildners Edgar Zilsel (1891–1944, Selbstmord). Ella Zilsel war in Wien Professorin an einer Mädchenmittelschule gewesen. Ihre Stelle im Schuldienst hatte sie bereits 1934 aus politischen Gründen verloren (ÖStA, VVSt, VA 39527 Dr. Zilsel Ella  ; Zilsel 1990, 43  ; erstmals abgedruckt in   Stadler 1988).

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1. Büchel 20. Jänner–15. Mai 1938 „Basel“ Am 20. Jänner bin ich allein abgereist. Hans hat noch einen dringenden Zahnarztbesuch, einen Vortrag „Tizian“ im Volksbildungshaus u. d. Übergabe der Blaudrucke an Phaidon vorgehabt (das sind wenigstens die Posten, die ich weiß. Ja richtig  : auch L[iesbeth] A[skonas]’ Dissertation mußte noch auf gleich gebracht werden). Er brachte mich mit kleinerem Gepäck per Tram zum Bahnhof, setzte mich in einen von mir selbst gewählten u. darum minder guten Waggon u. zog ab. Er war von einem ungeheuren internationalen Zug d. einzige österreichische Wagen. Darum voll u. schlecht zu sitzen. Mit mir u. in d. angrenzenden Abteil fuhren lauter Beamte d. Handels- u. Gewerbekammer, die in Salzburg einen Akt hatten, der wohl auf Wochenende verlegt war, um ein richtiges Skiwochenende daran anschließen zu können. Solange sie ihre Papiere präparierten, waren sie angenehme Mitreisende, als sie nachher Skitouren gegeneinander ausspielten, wurden sie störend. Und das bei d. Lektüre meines vom Fixlein geborgten Buchs ( Jane Austen, Pride und Prejudices). In Salzburg wars quatschig, sodaß ich meine Gummischuh auspackte, aber doch nicht so nieselig, daß ich den neu geschenkten Schirm in Tätigkeit hatte bringen müssen. Bei Pitter bezog ich ein ruhiges Zimmer in einen Garten u. schlief bei dem Mädchenchor (Deutschland über alles, danach Horst Wessel) gegen zehn Uhr ein. Um ½ 7 ließ ich mich wecken u. war um 8 in d. Studienbibl[iothek], was zwei Nachteile hatte. Erstens wars so finster, daß man Licht brennen mußte, zweitens war ich bis Mittag durch alle Zeichnungen durch. Nach der schnellen Jagd im vergangenen Jahr hat diese langsamere Nachschau noch ein Dutzend Blätter gefördert. Zum großen Teil wiederum Palmas  ! Einige Nüsse habe ich für Hans zum Mitknacken separat notiert. Zumittag aß ich als wärs die Walfischgasse, nur daß ich für d. gleiche Summe hier edlen Schinken bekam. Nachmittagsschläfchen. Dann noch einmal in d. Bibliothek. Der Hof, den man durch gehen muß, ist eine ebene abschmelzende Eiskruste, das Riesenhaus ist staatlich u. d. Portier ist gegen d. Regime u. darum wird der Hof nicht gereinigt. Auch über andre Kalamitäten klagte Direktor Frisch. Natürlich war ich im Kino, was hätte ich tun sollen, als es finster wurde – mein Hotelzimmer ist nicht warm genug zum Dauersitzen. „Die graue Dame“, aber ganz angenehm spannend. Am Schluß war ich ebenso erstaunt wie d. Komplizen auf d. Leinwand, als sich d. Hauptverdächtige als Sherl[ock] Holmes entpuppte. In d. Wochenschau sah ich d. Einkleidung des neuen Bürgermeisters von London, was mir viel Spaß machte. Werden wir nach London kommen  ? Und Skifahrer mit Segelmäntel  ; das sieht sehr nett aus. Die meisten binden sich weiße Capes, einige auch schwarze um, sie spannen sie mit d. Armen aus u. gleiten wie Möven oder Fledermäuse über d. Schneehügel her179

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unter. Wenn ich jetzt auf d. Uhr schaue, ist der Hans schon lange durch Wels durch gefahren, vielleicht schon durch Attnang …1 Basel, Hotel Continental. (Wir kamen Mitternacht vom 22. zum 23. an, verlangten ein ruhiges Zimmer u. bekamen eines nach außen auf d. Elektr[ische], nach innen auf den Lift.) Also Hans kam fahrplanmäßig u. hungrig in Salzburg an u. brachte mir einen Brief vom Anderl mit. Den haben wir beim Nachtmahl im Pitterstüberl […] an d. Großmama zurückadressiert …2 In d. Bibliothek war ein aufpeitschendes Arbeiten. Die Rötelzeichn[ung] vom Vendraminfresko ist also doch eine Kopie, es gibt andre dazugehörige Blätter (gleiches Papier, gleiche Technik, gleiche Kürzungen) in d. S[amm]l[un]g. Sehr wichtig eine ganze Gruppe, die Meder für Bassano hielt, wir für Palmarichtung, aus denen man vielleicht eine neue Gruppe zusammenstellen wird. Hans hat auch photogr[aphiert] (8). Mittag sind wir ins Pitterstüberl haben ein magres Geselchtes bestellt, das „fertig“ war u. d. Kellner Eile aufgetragen. Er ließ uns 10 Minuten warten, brachte es fett u. wir zogen ab, ohne zu essen, ohne zu zahlen. Der Krach wurde noch effektvoller, als ich beim Aufstehen ein blechernes Tablett auf d. Erde stieß  ! Den Wirt hätte d. Schlag getroffen, wenn er nicht am Tag vorher schon gestorben wäre. In d. Bahn reisten wir diesmal in einem modernen Wagen (Hofmanntype), bei dem man überhaupt d. Holzklasse nicht spürt. Wenigstens ich nicht – dem dort mageren Hans legte ich mein Plaid unter. Es ist merkwürdig, wie angelsächsisch d. Land Tirol wirkt. Die Trainer haben sich ausgezeichnet angepaßt. Ab Innsbruck reiste ein junger Mann mit uns, der aus Wien kam, nach Paris reiste u. ausgesprochene Grenzangst hatte. Er reiste mit einem tschechischen Paß, der zu ihm paßte wie er – zum Gustl gepaßt hätte. Er erzählte uns, daß man unlängst an d. österr[eichischen] Grenze Polen u. andre Völker mit tschech[ischen] Pässen festgenommen hätte, die nach Spanien wollten. Qui s’excuse etc.3 Die Ankunft im Hôtel wirkte auf meine Lachnerven wie jede Ankunft in d. Schweiz. Der Portiergehilfe stand erst Kopf, daß wir mit d. Wiener Zug gekommen wären, weil der doch nie pünktlich eintraf. Dann als wir ihn nach d. Langegasse (wo Dr Christ wohnt) fragten, sagte er, daß sie nur 5 Minuten weit sei u. daß er dort vor „ausgerechnet“ 23 Jahren zum Konfirmationsunterricht gegangen sei. Es machte ihm sichtlich Freude, gerade über diese Gasse Auskunft geben zu können. Jetzt haben wir gefrühstückt u. warten auf den „Holbein“, der uns vor unserem Besuch bei Christ u. Hirsch sprechen wollte (was uns sehr intrigiert). Mittagessen  ; wir nehmen die „Muß“mahlzeit im Hôtel, aber nur eine Kleinigkeit, teils dieserhalb teils außerdem). Dr. Loeb begleitete uns zu Dr. Christ. Eigentlich wollte er uns nur vor d. Besuch beim H[errn] v. Hirsch sprechen, um uns zu bitten, falls sich die Gelegenheit dazu ergibt, ein Kriegsbeil einzugraben zu versuchen, das zwischen jenem u. ihm hängt …4 Dr Christ wohnt im Familienhaus in zwei kleinen Zimmern, die vollgehängt sind. Er hat ein paar ausgezeichnete Sachen, alle zumeist Rätsel, da er nur nach Ge180

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schmack u. nach Qualität, nicht nach Namen kauft. Eine entzückende doppelseit[ige] Feder­z[eichnung] (Engel – Maria) von Piero di Cosimo, eine Kreuzabnahme, die am ehesten nach Corla aussieht, eine prachtvolle Komposit[ion] Christ[us] u. Ehebrecherin, die Pleydenwurff gegeben wird u. wie für ein Relief erfunden ausschaut, ein Callot (Vorz[eichnung] f. einen Stich) Tanzende um Baum. Ein Fragonard (sehr schöne Tivolilandsch[aft]). Gute u. rätselhafte Bilder. Wir endeten mit Vermouth, der Appetit machen sollte, aber uns doch für die uns im Hôtel vorgeschrie­b[ene] Mahlzeit (s. o.) auf Krankendiät zurückschraubte. Darum schliefen wir nach, ich so lange, daß ich mich ganz schnell anziehen mußte, um zur Zeit (und doch leider zu spät – künstliches Licht  !) zu Herrn v. Hirsch zu kommen. Das ist eine herrliche Quali­täts­samml[un]g. Vieles auch was uns anging – oder sagen wir lieber einiges weniges, aber hervorragendes. Wir tracierten vor allem einiges von Wauters u. Oppenheimer her uns bekanntes (Veronese – bez[iehungsweise] Carpaccio u. Palma Vecchio, von Hadeln publ[iziert]). Er hat eine neue ganz unbekannte Z[eichnung] von Altdorfer, Pyram[us] wird von Thisbe gefunden, erworben. Sehr interess[ant], vom ­Stand­­p[un]­kt d. Ökonomie d. formalen Erfind[un]g, weil die Mantegna-Altdorfersche Umformung d. Johannes – Maria Kompos[ition] vom Fuß d. Kreuzes (Maria liegt in d. Tiefe) für d. profane Szene adaptiert wurde. Hirsch hat alle guten Z[eich­ nung]en, die eigentlich im Lauf d. letzten Jahre locker geworden sind. Den Urs Graf von Czeczowiczka, den Knaben von Rodrigues, Dürers Ölberg, Watteaukopie nach Bassano (Frauenfig[ur] von hinten). Mein Palma-Portr[ät] aus d. Crociferi ist prachtvoll – er aber glaubts nicht. Auch dort gabs – mitten drin diesmal – einen Tee, der uns f. d. Abendessen, zu dem uns Dr Loeb einlud, stark handikäpen dürfte. Auf diesen warten wir hier, nachdem wir in Eile unsre Zettel auf gleich gebracht haben. –5 24. [Jänner] Noch in Basel, kurz vor d. Abreise. In Niemandszeit, wenn diese Wortbildung für d. Phänomen der durch d. Übertritt in westeurop[äische] Zeit gestatteten Stunde erlaubt ist. Gestern haben wir mit Dr Loeb sehr gut u. verhältnismäßig wohlfeil bei den Sternen genachtmahlt (d. i. in d. Aeschenvorstadt, jenseits d. Sternengasse). Dr. Loeb hat uns über unsre Abrechn[ung] erzählt u. daß er im März nicht zahlen möchte  ; das war wenig erfreulich, aber was er sonst noch über sich selbst einfließen ließ, war so unvergleichbar unerfreulicher, daß wir gar nicht ernst über unsre Situation verzweifelt sein konnten. Zur allgemeinen Entspannung gingen wir dann in einen Film mit Raimu, Fernandel, aber es war nicht das Richtige. Schließlich saßen wir noch im Hôtel beisammen, bis eine internationale Sperrstunde erreicht war, nachdem d. Basels längst vorüber war. Heute früh waren wir erst bei Frl. Schulthess, die eine phantast[ische] Geschichte über ihr Schweißtuch von Grünewald erzählt hat. Sie hat es d. Luzerner Heinemann f. Thyssen zur Ansicht gegeben, nicht wissend, daß dieser Luzerner Heinemann nur d. Vetter d. Thyssen-Heinemann war. Auf wiederholte An181

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fragen, die immer mit umständlichen Briefen beantwortet wurden (Herr v. Thyssen brenne auf d. Besitz … H. v. Thyssen sagt zu d. Bild … u. s. w.) habe man ihr endlich d. Tafel zurückgeschickt aber so völlig in d. unteren Partie heruntergeputzt, daß sie jetzt (durch Dr. Christ) den Heinemann eingeklagt habe. Grünewald futsch, alle die dran verdienen wollten, gehen leer aus. Heinemann futsch – es ist wie nach einer Schlacht. Niemand hat was davon gehabt …6 Bei Dr. Raeber war gar nichts u. bei De Burlet haben wir mehrere Photos selbst gemacht, die er uns im vergangenen Jahr versprochen hatte. Er ist ja als ewiger Jüngling doch eine etwas schwerhörige Ruine … Jetzt zur Bahn. (Das Hôtel hier war bißchen zu teuer, man hat uns Jura empfohlen. Von außen hat uns Helvetia (auch gleich bei d. Bahn) gut gefallen. – 25. [Jänner] Die Fahrt war angenehm. Die Ankunft von selbem Reiz, wirklich endlich wieder einmal in einer großen Stadt – dann kein F[loch], der uns abholte  ! Im Hôtel Bisson Zimmer 37 anscheinend ein wenig neu ausstaffiert (mit reiner Wäsche  !) Ein Telegr[amm] u. Brief aus Malvern, wo unser Besuch f. d. 5. II. erwartet wird Abb. 48  : Leo Michelsen, Selbstporträt, 1921. (sehr angenehm). Wir packten aus u. zogen dann los ins sehr elegant gelegene u. aufgemachte Hôtel St. James, wo wir um 10h Frau Dr. Loeb aus d. Bett heraustelephonierten, kennenlernten u. bis nach Mitternacht mit ihr beisammen blieben. Sie wußte viel aus d. III. Reich zu erzählen u. a. von d. Umschulung der Museumsdirektoren, die Baudissin eingeleitet u. ein gewisser Hansen geleitet hat u. bei dessen erstem Vortrag der Ghettomaler Rembrandt angeprangert wurde (d. h. anempfohlen, seine Bilder aus den Schauräumen wegzunehmen, was nach einem Ondit in Cassel auch geschehen sein soll). Robert Schmidt soll darauf hin in den Saal gerufen haben  : Wer ist Hansen  ?  ! Und mit mehreren anderen, darunter Schenk von Schweinsberg abgegangen sein. Die meisten aber (unter ihnen Zimmermann) waren sitzen geblieben. Ich kann solche „Greuel“ ebenso wenig glauben wie daß Hunden, die von einem Nichtarier erworben wurden, d. Pedigree zu nehmen sei, während Pferde auch wenn sie in jüdischen Rennställen standen, weiter vollwertig blieben …7 182

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Nach zu kurzer Nacht brachen wir heute früh zu Michelson in d. Atelierhaus d. Rue Washington auf. Seine Bilder sind unerfreulich, d. Tizian aber ein sehr packendes Bild, das d. Nachteile, die d. Photogr[aphie] anzudeuten schien, nicht besitzt. Es ist viel farbiger u. reicher, wirkt darum auch nicht so früh wie auf d. Photo. Es ist ein so exzeptionelles Werk, so ganz anders als alles sonst, wirklich so, daß man sagen müßte „wenn nicht Tizian so Raffael“. Wir lunchten chez Fouquet phantastisch gut als seine Gäste u. stürzten dann heim, wo wir sehr bald darauf d. Besuch d. Advokaten Bataille aus Lille empfingen, der uns das Dürerverdächtige Bild d. Dornen-gekrönten zwischen d. 3 Schergen mitbrachte. Das Wappen auf d. Rückseite war inzwischen mit dem d. Mat­th[äus] Lang identifiz[iert] worden, was bekanntl[ich] auch mit d. Wappen d. Spengler übereinstim[mend] ist). Dürer ist es nicht, aber ein sehr malerischer Künstler den Hans immer noch am liebsten mit einem späteren Wolf Huber gleichsetzen möchte. Wir erbaten uns, als Revanche f. gehabte u. künftige Mühen, die voriges Jahr in Lille verpatzten Photos machen zu lassen u. gingen zu Rouchès, um Arbeitszeit etc. zu besprechen. Schließlich sind in d. G[alerie] d[es] B[eaux-] A[rts] wo wir unser Manuskript bei Mlle Rubinstein ergänzten Abb. 49  : Josef Floch, der Maler, und Ehefrau Mimi. u. uns d. Besprechung A. L. Mayers d. Tizian ausbaten. Die scheint zum Appetit verderben f. einige Mahlzeiten ausreichend. Zuhause fand ich einen Riesenrosenbuschen von M. Bataille vor, den ich abends zu Mimi Floch bringen will.8 25. [Jänner] 7h abends. Wir warten auf Edel u. Filippa. Der Abend bei Floch – ohne Kind – wie jeder abend bei ihm. Er ist vielleicht ein wenig weniger zerworfen mit sich u. d. Welt, obwohl die Niederlegung d. „Präsidentschaft“ (am 1. I.) natürlich eine tief einschneidende Sache war, die diskutiert werden musste. Ein gewisser Goebel hat den noch gewisseren Kleophas Bogailei als Nazi denunziert, um Unfrieden zu stiften. Bogailei hat eine Erklärung abgegeben, dass er keineswegs Nazi wäre – sollte man da nicht jenen Goebel, den der neue Präsident (Archit[ekt] Bauer) zum Schriftführer genommen, zur 183

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Rechtfertigung auffordern  ? U[nd] ähnliches mehr. Er hat uns neul[ich] Bilder gezeigt, die mir gut gefallen haben, die aber beim k[ün]stl[ichen] Licht noch geisterhafter aussahen als sonst. Wir kamen wiederum spät ins Bett u. waren pünktl[ich] um 10 im Louvre wo wir bei d. Venezianern mit A anfingen und am Nachmittag (Mittagspause mit Schlaf ) bis Robusti (mitten drin) kamen. Da aber mehr als d. Hälfte der Mappen leer sind (beim Kaschieren u. wo anders aufgestellt), werden wir mit dieser ersten Durchsicht bald durch sein. Im ganzen haben wir doch 5 Stunden arbeiten können. Ein Expert Monsieur Mathé hat uns 2 Blätter vorgelegt, die aus d. Rodrigues­s[amm]­ l[un]g stammen u. jetzt zu einer Vente kommen. Vögel (mit Tierkämpfen u. […] auf d. Rückseite) bei Rodrigues Uccello gegeben, weil’s Vögel sind, aber vielleicht von jemandem der aus d. Norden kommt (Mailand  ?) u. Aufträge á la Giov[anni] da Udine hat. Das andre, eine Madonna mit Kind, zwischen Parmig[ianino] u. Filippino Lippi (beide Qualitätsblätter). Den Tizian von Michelson kann man nicht im Louvre X rayen lassen, das dürfen sie nicht mehr für Private tun – man soll sich damit an einen Photogr[aphen] d. Polizeidirektion wenden  ! Hans will aber das Xraybild sehen, er meint ob d. Härten der Un-Tizianische Mangel des Sfumato, nicht doch daher kommen, dass d. Bild eine gleichzeitige Kopie eines Tizianschen Originals wäre. Jetzt haben wir unsere Freikarten in d. Louvre, ob wir da etwas weiterkommen werden  ? Ein Puzzle.9 26. [Jänner] 9h abends – und ich schreibe schon in der Horizontale. Das Nachtmahl mit Edel u. Filippa erschütternd  ! Er hat noch immer ein Fixum von 300 fr. im Monat. Und jetzt war der eine Schüler 14 Tage krank – das war ein finanzieller Ausfall, der kaum zu überstehen war. Edel selbst war auch krank, eine Magenvergiftung im Anschluß an ein zu fettes Geselchtes. Er ist noch magerer geworden u. sieht noch viel knabenhafter aus. Bleiches Gesicht, rote Ohren. Dazu dieser Enthusiasmus … In der Nacht begann es zu schütten, daß wir aus d. Cafe St. Miche mit einem Taxi heimkehrten. Heute haben wir am Vormittag angenehme, am Nachmittag durch die laut sich unterhaltenden Parteien sehr enverviert im Cabinet gearbeitet, dazwischen ein paar venez[ianische] Portr[äts] u. franz[ösische] u. ital[ienische] Primitive im Louvre angeschaut. Sie bauen so sehr, daß die Hälfte des langen Ganges abgehängt ist. Gegen 5 hatten wir mit Floch ein Rendevous in d. Orangerie, haben ihn aber am Weg dahin schon getroffen. Die Ausstell[ung] d. leg[ats] Walter Gay war sehr eindrucksvoll  ; die von mir seinerzeit entdeckte Zeichnung hängt noch immer als Pordenone dort, ich muß sie jetzt für die G[azette] d[es] B[eaux] A[rts] photo­gr[a­ phie­ren] lassen (Barrocio). Ein attrib[uiert] à la Albr[echt] Dürer, Maria mit Kind, scheint ein junger Dürer zu sein. Wir haben uns d. Blätter, an denen uns gelegen ist angemerkt u. werden sie nächstens heraus zubekommen versuchen. Die angeschlossene Goyaausstell[ung] war z[um] T[eil] sehr packend. Nichts aus Spanien, nur 184

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französ[ischer] öffentlicher u. privater Besitz. Darunter eine offiz[ielle] Sitzung, ein Riesenbild, wie Floch sagt, aus Castres (?). Ganz über d. Situation. Ein vorausgenommener Daumier …10 Nach Tisch gabs ein Gewitter mit Blitz, Donner u. Regenrauschen. Hat sich kaum bis zum Abend ganz erholt. Wir besuchten – ohne Floch – Wertheimer in der Avenue George V, der ein sehr gut aufgemachtes Lokal im 5. Stock eingerichtet hat. Er hatte keine Originale, die uns interessierten, aber viele Photos nach Sachen, die durch seine Hände gegangen sind. U. a. den gewissen Kopf von Cranach, den das […] Museum voriges Jahr gekauft hat, („ich hatte ihn zwei Jahre, da Winkler ihn angemerkt hatte“), von dem die ausgeführtere Kopie im Brit[ish] Mus[eum] ist (als Dürer bei Lippmann). Eine prachtvolle Büste voll signiert von Messersch[midt], die d. Deutsche Mus[eum] erworben hat. Zwei schöne aus Chartres stammende Köpfe …11 Nachher ein kleiner Spaziergang die Avenue George V. zu d. Elysées, mit d. Metro zum Palais Royale u. wieder ein Spaziergang zum „Georges“ in d. Rue Mazarine, wo wir gut u. gemütlich dinierten u. in d. gekauften Zeitung alle Kinoanzeigen durchstudierten, in die es sich lohnen würde hineinzugehen. Besser aber heute einen Ruhetag einzuschalten, da wir morgen ins Theater gehen … 28. [Jänner] 7h abends. (Gerade kam der erste Brief vom Anderl  ! das ist ein Spaß  !) Auch sonst war heute ein guter Tag. Ruhige Arbeit vor- und nachmittags bei d. Louvrezeichnungen, die uns in den Fragen um Tintoretto herum weiterbrachte. Vicentino schält sich ganz nett heraus. Das Wetter ist ständiges Nebelreißen. In d. Mittagspause haben wir d. Carnegieinstitut gesucht u. gefunden, aber derjenige welche ist derzeit in London u. kommt erst nächsten Dienstag zurück. Nach d. Arbeit waren wir bei Duveen, wo das Allendale-Bild schon fort war, wir aber eine ganze Reihe uns sehr wichtiger Detailaufnahmen geschenkt bekamen. (Lowengard wirkt wie irrsinnig, Mr. Youth (?) – sehr nett – wie sein Wärter). Um ¼ 9 haben wir Rendez-vous mit Floch, der uns vor dem Theater (Knock), zu dem er uns Billette verschaffte, sehen will, wenn ihm diese ¾ Stunde immer noch zu kurz ist  ! Es ist schwer …12 29. [Jänner] ½ 7 abends (Eben heim gekommen, Edel holt uns mit Filippa zu Nachtmahl ab). Das Theater gestern – hinten Parterre – war sehr nett. Wirklich wie ein Moliere gespielt. Das expressionistische Stück in solch stilvoller Übertreibung vorgeführt, ist französische Spezialität. Dafür gibt’s bei uns kein gegenüber. Ich hatte mit großem Appetit und voller Würdigung vorher im Alsace (Place St. Michel) diniert u. mit ebensolcher Freude u. ohne Müdigkeit d. Theater genossen, aber nachher doch so peinliches Mal aux cheveux gehabt, dass ich mit 2 Aspirintabletten zubett ging u. bis heute Mittag drin blieb. Um 8h früh gabs wiederum ein Gewitter – das zweite seitdem wir hier 185

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sind – u. seither war auch d. Elektrizität aus meinen Haaren gewichen, sodaß ich mich [als] gesund betrachten kann. Im Louvre haben wir bis 5 gearbeitet, darum hat uns M. Huyghe aufgesucht, der uns eine Confrontierung des Michelsonschen Bildes im Louvre Montag oder Dienstag ermöglichen wird. Das Photo hat ihn außerordentlich gepackt u. – eigentlich wie ich – sucht er das Bild nicht bei Tizian, sondern in d. vorangegang[enen] Generation – Giov[anni] Bellini oder Giorg[ione] – zu fixieren. Hans hat mit Michelson heute Vormittag besprochen, dass er sich nicht schon jetzt auf Tizian festlegen kann, aber die Sache an Silb[erman] weiterleiten würde. Daraufhin wollte Michelson doch noch eine sichere Expertise sich von anderer Seite verschaffen, um doch mit einem Namen in der Hand d. Auseinandersetzung mit d. Händler zu führen. Hans hat in diesem Sinn auch an d. Vogel geschrieben, hinterher aber eine Karte nachgeschickt – u. ein Telephon an Michelson – mit d. Entscheidung be­z[ie­hungsweise] d. Anruf Lionellos bis nach unsrer Konfrontierung d. Bildes mit d. Louvrebildern zu warten …13 Ein Besuch bei Marignane, der leider „au Midi“ weilt. 30. [Jänner] gegen Mitternacht. Gestern mit Edels „Chez Georges“ in d. Rue Mazarine genachtmahlt, nur ein einziger Tisch frei – u. am Nebentisch Frau Dr. Ring mit Dr. Huth u. Frau  ! Nachher vergeblich – u. ohne Ernst – ein Kino gesucht, aber doch in d. Capoulade geendet  ! Heute früh Post von zuhaus. Ein Brief von Burgel. („Gustl hätt’ so gern eine Ziehharmonika  ! Sie ist aber leider so teuer …“) (Die Albertina gewährt uns weiter ihre Gastfreundschaft.) Wir gingen ins Musee André Jacquemart, aber es ist nur von 13– 16 offen, darum zu d. Surréalistes, was ganz interessant war. Dahli, Breton, Masson, Chirico, Max Ernst etc. Lauter Geschlechtsassoziatión. Ein finsterer Saal mit Kohlensäcken an d. Decke, 4 gleiche Doppelbetten, herum Theatersümpfe, Mannequins u. leider auch Bilder  ! Ohne diese etwas Publikum-Packendes, das vielleicht auch für Kunst locker machen könnte. Lockerer jedenfalls als ein anderer Ausstellungsapparat. Geluncht bei Georges mit Steiners. Ganz gemütlich – ohne Hinweis auf Krach mit Tochter. Nachher zuhause ausgeruht u. Wäsche gewaschen u. zu Mme Steiner ins Atelier gefahren, ihre neuen Bilder anschauen, die akurat so waren wie die alten, die wir vor drei – fünf – sieben etc. Jahren gesehen hatten. Nach 4 bei Flochs als die ersten Gäste – die dann auch zu kaltem Aufschnitt als d. letzten blieben. Es kamen sukzessive M et Mme Tischler, M Edel et Mlle Brooks, M et Mme Lévy-Gutmann, M Eisenschitz, M Kars, der gerade seine Frau zur Bahn gebracht hatte. Sie fährt nach Prag, um dort ein Haus zu kaufen u. einzurichten, in dem sie halbjährig wohnen wollen – Er sagt mit, daß er irrsinnig war, vielleicht noch ist – u. weiß Gott, ich muß es glauben …14

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Abb. 50  : Exposition internationale du surrealism, Paris, 1938.

1. Februar, 7. Uhr. Gestern bin ich nicht zum Schreiben gekommen. Wir haben im Louvre gearbeitet, nachmittags eine Weile mit Huyghe, dann auf einem Boulevard eine Ausstellung über Spanien gesehen (was immer erschütternd ist), dann allein genachtmahlt u. mit Ehepaar Floch in einem linksorientierten Theater (Montmartre die „Madame Capet“ gesehen, d. Geschichte d. Marie Antoinette in Bildern, eine Art dramatis[ierter] Ste­ph[an] Zweig, mise en scène von Baty (wundervoll, ganz modern, aber ohne Gewaltsamkeiten), mit einer glänzend spielenden Marie Antoniette, Mme Jamois, die Frau Batys. Es war wirklich ein gelungener Abend. Am eindrucksvollsten, dass ein Linkstheater in Paris eine solche „reine“ habsburger Tragödie aufführt, wie man sie bei uns „natürlich“ der monarchistischen Propaganda zuliebe aufgeführt hätte. Heut früh (ich bin noch immer verkühlt) waren wir um ¼ 10 in d. Orangerie, Rendez vous mit Linzeler, und haben d. Gayschen aufgenommen. Dann im Louvre weiter die Reservoirs gearbeitet. Um 12 brachte Michelson sein Bild u. wir haben es mit den sog[enannten] Aretino, dem Pendant des homme au gánt verglichen. Es ist wun187

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Abb. 52  : August Liebmann Mayer, ca. 1916.

Abb. 51  : Spanischer Bürgerkrieg.

derbar daneben gestanden – aber kein Tizian. Ältere Generation. Vielleicht hab ich mit meiner Hypothese recht, daß es ein Spätbild Giov[anni] Bellinis ist. Nach kurzer Mittagspause (mit Brief an Silberm[an]) kehrten wir zum Louvre zurück, wo gerade auch A. L. Mayer d. Lift bestieg. Da er sich entschieden wegdrehte, haben auch wir keine Notiz von ihm genommen. Wohl von Goldschmied [kommend], der mit einem Koffer Degas-M[anu]s[kript] (Lemoisne’s, er gibt d. Katalog zusammen mit Wildenstein heraus) nachher mit uns jausnen ging.15 2. Febr[uar] Wir kommen aus d. Louvre, für 7 Uhr hat sich Eisenschitz teleph[onisch] angesagt, später Nachtmahl mit Edels. Der Tag heute war nicht so ausgenützt wie sonst, da wir am Nachmittag bei Blum, d. h. in d. Rothschilds[amm]l[un]g, d. h. bei Chauchard waren. Das ist alles ein u. dasselbe. Vor allem aber ist die Frage  : Narr oder Gauner. Linzeler erzählt uns, daß er d. „Übernahme“ d. Z[eichnung]en vorzunehmen hatte  ; aber trotzdem hat er nicht ein einziges Blatt zu Gesicht bekommen. Blum zeigte ihm nur d. Kartons. Wir haben wenigstens das Inventar gesehen u. die einzige vene­z[ianische] Z[eichnung] (Carpaccio), die uns danach anging, vorgelegt bekom188

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men. Bei d. Frage nach d. Photographien neue Schwierigkeiten. Schließlich gingen wir zu M. Huyghe, der der Chef d. Photogr[aphie] Commerciale des Louvre ist, der eine Aufnahme versprach. Blum wiederholte immer wieder, dass wir sein erster Besuch waren – fast 4 Jahre nach d. Tode Rothschilds hat er noch nichts für eine Installierung d. S[amm]l[un]g durchsetzen können. Er arbeitet nur mit Volontairen  ; einer  – ein junger Mann, der eine Thèse über d. ital[ienischen] Stich von Marcanton macht, begleitete uns durch d. (geschlossenen) Louvre hinaus. Im Cabinet habe ich – u. d. anderen – Spaß gehabt  : unter d. Italienern vom E[nde] d. 15. Jhs. hab ich einen prachtvollen großen Entwurf Duvets (Stich nicht erhalten) gefunden  ! Linzeler, der in d. Bibliothek Nat[ionale] d. Katalog Deutscher Graphik gemacht hat, hat viel Verständnis dafür gehabt. Weniger Rouchès, der den Mund nicht anders als sonst offen hielt, aber eine Pho­to­gr[aphie] aufnehmen zu lassen versprach. Es ist meines Wissens Abb. 53  : Ein Stich von Jean Duvet  : Selbstmord des Judas. die einzige Zeichnung Duvets – ob ich aber das rote Bandl dafür bekomme  ? Heute früh bin ich mit Femme de l’ouest von Benoît fertig geworden  ; nach d. Austen (Pride and Prejudice – Hans sagt, als spielte man mit einem Finger Klavier) das 2. Buch auf d. Reise. Ich beginne jetzt Frank Thiess, Der Weg zu Isabella …16 4. Februar, 10h früh, gerade vor d. Abfahrt nach Dieppe. Gestern bin ich nicht zum Schreiben gekommen, da ich nach d. Louvre bis zum Nachtmahl mit Hans gepackt habe. Wir haben d. Hängekoffer mit Sommersachen in Paris gelassen. Im Louvre war nichts Erschütterndes – es sei denn d. Sirenen, die jeden Donnerstag um 12h Probe-singen. In Saint-Germain-en-Laye tun sie es alle Tage um 12, (Mitteilung d. jungen Dieners, der dort wohnt). Wir haben die Venezianer, die anonymen Italiener (inkl[usive] d. Reserven, aber nicht d. Grands u. plus Grands zuende durchgesehen, dann noch d. 189

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Lombard[en] u. Genuesen (aber da nur die vordere Kastelreihe, ohne Reserven etc.) Wir haben d. Liste unserer photogr[aphischen] Desiderata überreicht, die – soweit sie vorhanden sind – bis zu unserer Rückkehr vorbereitet werden sollen. Wir haben nach einer Dossozeichn[ung] gefragt, die nicht auffindbar war u. in wirklich aufopferungsvoller Weise vom ganzen Staff – schließlich mit Erfolg – gesucht wurde. Die Leute sind wirklich ganz besonders freundlich. Das Herz tut mir weh, wenn ich an d. Betrieb denk, an d. Ton, wie er jetzt bei uns in d. Albertina herrscht. Die mißtrauische Feindseligkeit, oder Wurschtigkeit* des Beamtentums. Die Abwechslung gerade in diesen atmosphär[ischen] Dingen ist es, die d. Reisen so wohltuend macht. Hans hat d. Billete besorgt u. nach Tisch noch mit Rockefeller – Carnegie – Leuten auf d. Bd St. Germain wegen Stipend[ium] f. Anderl gesprochen. –17 Floch kam pünktlich, mußte aber zu einer Sitz[un]g d. österr[eichischen] K[ün]st­ l[er]­bundes, der am 28. Febr[uar] ein Fest gibt. Wir trafen uns erst nach d. Diner vor d. Dôme u. gingen mitsammen in ein Kino, wo erst ein schrecklich synchronis[ierter] Film La dame aux Gardénia (Ann Harding) gegeben wurde u. dann ein sehr lustiger (Le Rosier de Mme Husson) mit Fernandel als Keuschheitsprämierter. Das Lustigste dabei war aber trotz alledem Floch …18 5. Febr[uar] (im Zug nach Malvern).19 Die Fahrt war so angenehm, wie man sich nur wünschen konnte, das Meer spiegelglatt. Die Passkontrolle ein Kinderspiel  ! Dr. Churchills Car (Littlewood) auf Viktoria Station, ein allerliebstes Haus in entzückender Lage zu unserem Empfang bereit – die Hausfrau erst für Mittwoch zurückerwartet. Dinner – teleph[onischer] Anruf (Malvern), Christine u. Georg, der gerade bei d. Bergner war, dann noch gegen 10h herüberkam. Alles sehr gelungen. Das Bad d. Höhepunkt. Heute strahlender Frühling.20 7. [Februar] Nach d. Frühstück u. d. letzten 2 Aufnahmen, in Malvern. Das waren zwei sehr nette Tage. So ein englischer Landsitz ist schon etwas sehr eindrucksvolles, besonders zur Weekend-zeit. Im Hause aller Comfort bei räumlicher Weite, die ungemein wohltut. Nun müßte ich eigentlich zu jedem Wort mehrere Ausrufungszeichen setzen. Vom Auto angefangen, mit dem man Sonntags nach Tisch durch ein ganzes Skizzenbuch von Gainsborough eilen kann, über den ebenso optisch wie gastronomischen Reiz eines mit 4 roten Kerzen besetzten Silber u. Politurschimmernden Dinnertisch, bis zu d. Zauber des Badezimmers ist es eine – sprechen wir es nun so aus – wirklich gemütliche Pracht. Mein Gott, ist dieses Land noch reich, sind diese Parks noch anerkannter Selbstzweck mit ihren Hecken, die ihre tiefen undurchdringlichen Blätterdächer der Pflege * Gleichgültigkeit

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von 3 Jahrhunderten verdanken  ! Und da wohnt ein Mann, der bei uns Gymnasiallehrer in seine Paßrubrik schreiben würde u. hat eine von vor anderthalb Jahrhunderten von einem Groß-Großetc. Vater zusammengebrachte Z[eich­ nun­g]en­s[amm]l[un]g, die – wie wir gestern geschätzt haben – 4500 Pfund wert ist  ! Wir haben sie geschätzt – aber nur f. d. Versicherung, denn niemand denkt an verkaufen. Sie geht an d. Neffen d. Dame über einen derzeit 37jährigen jungen Mann, der einer d. Direktoren d. Bank of England ist, aber jedes Weekend zum Reiten irgendwo benützt. Sein jüngerer Bruder zieht d. Pferde auf, er aber ist Herrenreiter u. macht von Oktober bis April jede Woche mit ihnen ein Rennen. Und sieht genau so aus. Wozu noch hinzusetzen, dass er restlos rothaarig ist u. darum Ruby als Rufname bekommen hat. Wer war sonst noch zu Gaste  ? Abb. 54  : Georg Ehrlich, Selbstporträt, 1940, ehemals Sammlung Ein junger Zivilbeamter aus Afrika, ein Erica Tietze, New York. ehemaliger Schüler aus Eton, der sich selbst ins Bein geschossen hat – d. h. sein Revolver ging unglücklicherweise in d. Tasche los – irgendwo draußen in d. Wüste, sodaß schon d. Brand hinzugekommen war, als man ihn ins Spital gebracht hatte  ! Ferner ein Neffe des Hauses, der vor kurzem von seiner zweiten Südpolexpedition heimgekommen war, bei der sie entdeckt hatten, daß es dort doch zwei Kontinente gab u. nicht einen, wie man ursprünglich angenommen hatte. Dann Elisabeth Wilson, die wir schon vom Sommer her kannten (eine Nichte von […]), ohne nähere Erkennungszeichen. Eine plötzlich auf- u. wieder abtauchende ältere Dame mit erfrorenem Gesicht u. Augen, die aber doch mehr vom Porto als vom Frost zu kommen schienen. Im übrigen mehr Staffage und ohne Namen. Wir haben die S[amm]l[un]g durchgearbeitet u. über auch „geschätzt“  ; nachher haben wir in einem Brief Pophams gelesen, daß d. Colnaghi Leute (Byam Shaw), für solche Schätzungen 1% verlangen. Haben also d. Leute etwa 45 Pfund erspart, was einem Österr[eicher] mit Minderwertigkeitsgefühlen ein sehr angenehmer Gedanke ist. Es ist erstaunlich, wie gut wir im Sommer in such a hurry d. Aufnahmen gemacht haben. Nur ganz wenige Blätter haben gefehlt, die wir nachzutragen hatten … 191

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Jetzt warten wir aufs Heimfahren  ; wir haben gleich früh gepackt, was keine Kleinigkeit war. Hatte doch d. Jungfer unseren Koffer ausgepackt u. in d. weiträumigen Zimmer in d. Überfluß von Hänge  – u. Legemöglichkeiten unsre Dürftigkeit ausgebreitet. Ganz zum Schluß fand Hans noch in einer unerschlossen gebliebenen Lade einen Hemdkragen, den er schon verloren geglaubt hatte. Er lag ganz einsam …

Abb. 55  : Ein Heiliger von Lorenzo Lotto aus der Sammlung RaynerWood, Malvern.

8. Februar. Wir sind zurück in Dr Churchills Haus, finden eine Begrüßungskarte von ihr vor  – sie selbst kommt wohl morgen zurück. Gute Post auch von d. Kindern  ; Stoffel schickt sein Jännerpatientenreferat, das wirklich befriedigend ist, Anderl nur einen herzlichen Zettel. Er hat kein Heimweh nach Wien – aber doch nach Europa. Es ist ausgelöst aus seinem Mitfühlen, daß wir in Paris sind. „Das ist d. Stadt, nach der ich mich oft sehne“ –21 Wir sollen seine Briefe nicht nach Wien schicken  – er würde direkt hin-

schreiben, schon wegen Großmama … Wir waren ein Sprünglein bei Colnaghi, der uns d. Katalog seiner (im letzten Bur­ l[ing­ton] Mag[azine] besprochenen) Zeichn[ungen]-Ausstell[ung] schenkte u. uns in d. 2. Wochenhälfte einige Blätter zu zeigen versprach. Bei Agnew erreichten wir eine noch ausständige Tintorettophoto[graphie] u. trafen in d. Türe Kenneth Clark d. angegriffen aussah u. am nächsten Tag für einen Monat nach Paris aufzubrechen angab. Die Ausstellung d. 17. Jhs. war nur eine etwas lahme Angelegenheit – mir schienen nur d. italienischen Z[eichnung]en sehr gut gewählt zu sein (Popham). Die Austell[ung] ist bis 7h offen (Donnerstag sogar bis 10  !) – wir nutzten es aus u. endeten bei Burgs zum Abendessen, die jetzt in einem Appartmenthouse in Mount Royal wohnen. Er war gerade bei einer Nieren-Blasenuntersuchung gewesen, die ihn von vielen ausgestandenen Ängsten freisprach, mit d. Geschäft zufrieden, aber doch körperlich etwas shaky. Sonst freundlich u. taktlos wie immer. Es kam noch sein angeheirateter Neffe Dr Lukas hinzu, wurde rauchig und uninteressant. Um 11h waren wir zuhause.22 192

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9. Febr[uar] Früh. Unser erster Arbeitstag in London verlief ungestört im Brit[ish] M[useum], wo wir die Blätter heraussuchten, zu denen wir uns bisher noch keinen Reim gemacht haben u. die des Nachgehens wert sind. Von d. Z[eichnung]en, die Mrs Rayner-Wood dem Popham mitgegeben hat, ist eine richtige […]studie, ein großer H[ei]l[i]ger (r[echts] im Anconabild). Das ist immerhin eine bedeutende Sache, da man so d. Meister vom anderen Ende angehen kann  : nach d. Entwurf (Bassano) d. Frühzeit eine späte Studie mit Dürerscher Akribie. Ein kurzer Besuch bei Gernsheimer brachte nichts neues, galt vielmehr d. Möglichkeiten einer Ausstell[ung] Georgs in diesem Milieu. Abends bei Elisabeth Bergner, die ziemlich nah von uns in einem Haus mit Blick auf Hampstead Heath ganz hoch wohnt (Sie hat so, wie’s steht, Priestley abgemietet). Die Büste ist ganz gut, aber wenig brillant u. darum kaum geeignet, den einen Zweck, den sie haben sollte, zu erfüllen. Den anderen Zweck d. Auftraggebern zu gefallen, erfüllt sie ausgezeichnet. Außer uns war Myra u. Georg geladen u. ein Mann namens Mayer, (der d. Drehbuch für sie schreibt), schließlich d. Gatte, Dr Czinner, u. E[lisabeth] B[ergner]. Wir haben noch nie einen so gemütlichen Abend in einem Hause verlebt, in dem wir d. erstemal zu gaste waren. Dr Czinner ist so bescheiden liebenswürdig mit Georg, das ist reizend zuzusehen. Alles war gelungen, der gastronomische Teil erinnerte an alles nur nicht an England. –23 9. Febr[uar] abends. Wir haben vormittag im Brit[ish] M[useum] gearbeitet (auch d. Duvets durchgeschaut, da heute früh d. Photo kam)  ; dann mit Gombrich u. einem jungen ameri­ kan[ischen] Stipendiaten, der über Giulio Romano arbeitet (Hartt) geluncht, dann in d. Nat[ional] Gal[lery], wo wir (schwer enttäuscht) d. „Giorgione“panels ansahen, dann bei Read (mit dem wir eine Notiz über Walter Gay-Leg[at] abmachten), zu Burgs, denen wir d. Liller Bild – vergeblich – anboten, ins Royal Café, wo wir mit Christine zusammenkamen, die schöner denn je geworden ist u. einen neuen Job in d. Lon­don[er] Elektrizitätsgesellsch[aft] hat. Wir haben Christine u. Georg erfolgreich zusammengebracht und sind dann pünktlich beim Diner gewesen, wo unsre Gastgeberin gerade aus Vence (bei Nizza) heimgekommen war, mit Dr. Schwarz (Psychoanalytiker aus Wien) hier anscheinend ansäßig u. eine alte englische Freundin, die bei uns im Haus als Gast wohnen dürfte (wir haben das nicht sehr gut verstanden) dinierte, um mit d. letzten Bissen in die 8. Bruckner abzugehen. So eine alte Engländerin (ich meine d. Gastin) in einem meergrünen Abendkleid, das Arme, Busen u. Rücken fast völlig freiläßt ist ein wirklich schwer verdaulicher Eindruck …24 10. [Februar] abends (nach a busy day gerade heimgekehrt). Um 10 bei Christie, einen Elsheimer anschaun (ein Paradiso), der wirkl[ich] gut scheint. Daselbst auch ein kleiner Lotto, 193

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Hieron[ymus], von dem es bei Witt kein analoges Stück gibt. Burgs dort getroffen u. einen Händler namens Bier, der den Piero di Cosimo nach Worcester verkauft hat u. noch ein Pendant dazu besitzt. Dann zu Mr. Farrer auf St. James Square. Uralter Butler, der mir d. Weg verstellte, bis wir unseren Namen nannten. Großer Empfangsraum, offenes Feuer, zwei tiefe Clubsessel, darin jeder mit einer Zeitung die beiden uralten Brüder. Ganz weiß, klapprig, einer schwer hörend, d. andere schwer sprechend, aber beide Old England. Sie waren ganz konsterniert, als wir eintraten, da sie offenbar nur Hans allein erwartet hatten. Wir fanden dann einen Stock höher Tintorettos nie publizierten Ölberg, ein gutes frühes Bild, zu dem d. Z[eichnungen] im British M[useum] tatsächlich dazugehören. (Ferner noch drei Lebensalter, die BiBi dem Lanciani gab, einen ausgezeichneten Licinio (junger Mann mit Totenkopf ), eine sehr gute Montagna zugeschriebene (von BiBi) Maria mit Kind (Brustbild, d. Kind nach unten abgeschnitten) mit einem sehr schönen Spiel d. Hände zwischen Mutter u Kind  ; eine namenlose Adoration mit Stiftern, groß, Breitformat, mit Tizianschem Smaragdhimmel (aber doch nur Tizianschule, früh), einen Hieronym[us], der Tiziansche Größe in einem kleinen Format einfängt. Sodann zu Witts wo man Liebe u. Griesschmarn war u. uns sogar für morgen zum Lunch bat. Frau Burg holte uns ab u. geleitete uns in Dr Lukas’ (ihres angeheirateten Neffen) Wartezimmer, wo wir einen „fabelhaften, wirkl[ich] der Mühe werten“ Tintoretto begutachten sollten. Er war aber nur d. Kopie d. Münchner Anbet[ung] d. 3 Könige von Veronese notabene in einer gekürzten Ausgabe, wie sie genauso in 2 anderen S[amm]l[un]gen noch existiert (wie wir nach Tisch bei Witt konstatieren konnten). Wir speisten zusam[men] (ohne Gatten) u. sie klagte uns ihre Sorgen wegen Herminchens Erziehung. Sodann wieder zu Witts, wo wir viel erledigen u. manches einleiten konnten (getroffen  : Dr Heil, Dr Scharf. Auf d. Straße Delbanco, den ich erkannte.) Schließlich im Plane Tree Rendez-vous mit Mrs. Hartley u. Tochter, die Blumen überreichten, die ich – soeben – to the doctor – weitergab. Hans hat noch d. Absicht […] zu einer Künstlerzusammenkunft (Architekt[en], Georg) in Kensington zu gehen. Ich aber bleib zuhaus.25 12. [Februar] Gestern war’s mir vielleicht ein zu busy day (immer, wenn er bei Oppé endet  !). Und – kann ich gleich dazusagen – noch dazu bei Mr. Rudolf anfängt. Das ist wirklich der Mann, der einen nervös macht, besonders wenn man dabei photogr[aphieren] muß. Wir setzten diese Tätigkeit dann im Brit[ish] Mus[eum] fort, gingen zum Lunch zu Lady Witt  ; es war sehr reizend, aber unsre üble Korrespondenz (die dieser Lunch offenbar vergessen machen sollte) war mir noch zu lebendig im Bewußtsein. Wir arbeiteten noch einiges u. rasten dann in d. Burl[ington] Fine Art Club, wo wir die nette Diversenausstell[ung] sahen (mit d. 2 Lord Halifaxbildern) mit mehreren guten Z[eichnung]en (z[um] T[eil] auch von Rudolf ), darunter die Bellini gegebene (das Kind bei Colonel Colville, Vas[ari] Soc[iety], das wir noch nicht im Orig[inal] gese194

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hen hatten). Wir hatten im Klub Rendez-vous mit Saxl, der uns in the Gallery einen Tee servieren ließ, was mir, die ich ihn einzuschenken hatte, etwas peinlich war (aber es ging in keinem anderen Raum, weil Frauen nicht hinein dürfen  !). Wir sprachen bric-à-brac. Hoffentlich schaut was dabei raus. Dann zu Colnaghi, wo wir Z[eichnung]en, die für uns vorbereitet waren, ansahen u. nachhause to change. Schließlich zu Oppé, wo wir eine Viertelstunde mit d. Suche d. Hauses verloren (auch das ist d. Übliche dort) u. schließlich mit ihm u. Tochter dinierten u. ohne letztere bis nahe Mitternacht wieder über d. Z[eichnung]en saßen. Zuhause ein sehr zuversichtlicher Brief von Anderl, daß er sich entschlossen hat Stambul zu seinem Wohnsitz zu nehmen – für d. nächsten Jahre.26

Abb. 56  : Andreas Tietze in Istanbul, ca. 1938.

14. [Februar] Den Samstag (12.) waren wir d. ganzen Tag im Brit[ish Museum], haben dann im Bett liegend Korrekt[uren] gemacht (Tiziangraphe) u. mit Dr. Churchill gedinnert, mit Aspirin u. heißer Limonade (Hans) geschlafen. Gestern, Sonntag rather lazy gewesen. D. h. ich hab in d. früh meinen Duvetartikel geschrieben, Hans wichtige Briefe. Dann bei Gombrichs mit Kurzens zusammen gewesen, gemütlich, heiter. Heiter weil jung u. glücklich – aber doch Emigranten  ! Zumittag zuhause mit Ruth, George – Georg als Gast Rest […]. Brief an Anderl, der uns geschrieben hat, daß er Stambul f. d. nächsten Jahre als Wohnsitz haben will. Zum Nachtmahl bei Burgs, wo uns d. Frau ein Huhn gebraten hat (leider nicht ganz durch, was ihr Selbstgefühl drückte). Gespräch über Yarborough Giorgione. Nachher kam Dr Freudenberg mit Gerda, er ist schöner denn je. Nicht zu glauben, daß er aus d. heutigen Deutschland stammt. So sahen d. Freunde Feuerbach aus. Heut vormittag Photo v. Bordone vom Burl[ington] Mag[azine] zurückbekommen, hab so ein übles Gefühl, daß sie d. falsche Seite d. Vict[oria] + Alb[ert Mu­seum] Z[eichnung] reprod[uziert] haben  ! Brief von Burgl (herzig u. guter Dinge, nur über sich u. Gustl. Ein bisserl Großmama. Aber als ob d. Armbrusterg[asse] nicht existierte). Im Vict[oria] + Alb[ert Museum] noch einmal d. Blätter durchgearbeitet, eine 2. Version d. Campizeichnungen f. S[an] Sigismondo gefunden. Keine Ahnung, ob wir wirkl[ich] alles gesehen haben, da man uns nur Mappen „vorsetzt“.27 195

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15. [Februar] Nach d. Lunch bei Baronin Gutmann, die sehr reizend auf Englands größtem Platz in einem alten Hause wohnt, fuhren wir wieder ins Kunsthändlerviertel u. zuerst zu Frank. Der zeigte uns einen ausgezeichneten Ricci, ein größeres quadrat[isches] sehr dekorat[ives] Bild Christus von d. Engeln u. d. Versuchung gepflegt (250 Pf.). Ferner einen […], ein namenloses span[isches] Stilleben u. ein noch namenloseres Bild als wärs von Carpaccio erfunden, ein Wein- u. Chemistrygeschäft mit einem Alchimisten drinnen, als wärs Hieron[ymus] in seiner Zelle. Dann zu Bier. Dort wars großartig  : eine Krönung Mariae von […], einen noch nie gesehenen sehr frühen Poussin, Landsch[aft] mit Flußgott mitte vorn, der einem (eigentlich 2) Hund, der ein Amourettel hält, zu trinken gibt. Rechts hinten noch 2 Amouretten im Wasser. Schließlich d. Piero di Cosimo, das nicht ganz fertig gemalte Pendant – aber in d. Wirkung wie ein fertiges – zu dem nach Worcester verkauften. Mir kam d. Idee, ob die als Breughel publiz[iert] gewesenen Silberstiftz[eichnung]en in d. Uffizien nicht zu diesem Bild sein könnten, bez[iehungsweise] von diesem Piero di Cosimo. Bei Burgs haben wir Drey getroffen, der uns jetzt seinen (Nemes – Susanna) Tintoretto offiziell zeigt u. ein paar andre wertlosere Dinge. Schilling war da u. brachte uns ein (schlechtes) Photo nach einer Z[eichnung] bei Schwarz (ehemals Frankfurt, s[iehe] Fr[öhlich]B[um] –Giorgione Hier[onymus]landsch[aft]) mit, die ganz gut von Veronese sein könnte (Dogen  ? Kopf ). Er ist noch immer reizend u. sieht viel frischer aus als im Sommer. Den Abend verbrachten wir allein u. gemütlich mit the Doctor. Heute ists noch immer winterlich u. windig, Hans fährt nach Dorset, Kingston Lacy, den Giorgione bei Mrs. Bankes anschauen. Ich übernehme den Londoner Tag. Wenn nur die Z[eitungs]nachrichten über d. Entrevue Hitler – Schuschnigg besser wären  ! Das liegt uns wie ein Alb auf d. Brust …28 (Zur Teezeit, gerade heil nachhaus gekommen, furchtbares Schneetreiben). Wir waren zuerst bei Dr. Scharf der 2 gute Z[eichnung]en hatte  ; eine anonyme als wär sie ein Spätwerk des Lattanzio da Rimini – eine Palme. Dann trennten wir uns u. ich fuhr in d. Witts Library, wo aber im Diningroom Großgründlich gemacht wurde, sodaß man mich a) 4 x vergeblich läuten ließ, b) d. mir viel wichtigeren Italiener von P bis Z unzugänglich waren. Immerhin habe ich einiges durchgeschaut u. bin auf neue Probleme gestoßen. Daß Read die falsche Seite d. Bordonezeichn[ung] reproduziert hat, steht nun mehr fest. Zu ärgerlich. Schilling holte mich ab u. führte mich in ein nahgelegenes ABC zum Lunch. Er will gern mit Georg zusammenkommen u. ihm helfen (Ausstell[ung]). Er möchte auch die Verbind[un]g zu d. Winterschen Lippmann D[ürer]z[eichnungen] haben, ich versprach ihm, den Kunsthändl[er], der d. Verkauf übernommen hatte, mit ihm in Verbind[un]g zu setzen. Der Arm d. Eva (ehemals Erzherz[og] Fried[rich]) ist ihm jetzt aus Amerika zu 1000 Pf angeboten worden. Jene von uns veröffentl[ichte] Tizianz[eichnung] (Silberman) hätte er auch gern für Hirsch. (Das kann man ja machen).29 196

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Ich hab einiges im Printroom nachgeschaut u. bin dann zum Appointment mit Borenius geeilt, der (wie immer) zu spät kam. Wir sprachen über d. Vorträge, den nächsten „Course“ hält Weisbach, aber er wird es im Auge behalten, hofft vor allem auch, dass das momentan tote Cour­t auld-Instit[ut] wieder geweckt werden wird  – wir werden davon hören. Wir sprachen über die Anti ClarkGiorg[ione]-Campagne, die er – wie er sagte – in d. Blättern führte u. das ganze als unsere Dreyfusaffaire behandle. Auch d. Inter­pellat[ion] – die 3. schon – im Unterhouse zeigte er mir. Lion[ello] Ven­turi wollte ihm nicht als Zeuge helfen, obwohl er auch nicht an Giorg[ione] glaube, da er es sich nicht mit Clark verderben wolle. (Ob er uns als Zeuge führen wird  ?). Wir sprachen von d. Milon v. Kroton Bild aus Cobham Hall  ; er hat es ganz zufällig gefunden u. es soll jetzt restauriert werden. Er will es mit Eclat herausbringen (Burl[ington] Mag[azine]), bittet uns nicht über d. Entdeckung zu sprechen, aber gestattet dass wir in unserem Aufsatz darauf hinweisen. Er hält d. Abb. 57  : Dürers „Apostel Paulus“ aus der ehemaligen Sammlung Bild übrigens für einen Pordenone. Vor Josefine Winter, Wien. 80 Jahren wurde es in d. Lincoln Inn gestiftet, wo es in d. Bibl[iothek] hängt. Er wird es möglich zu machen versuchen, daß wir es sehen, wir sollen ihn Donnerstag früh antelephonieren. (Schilling erzählte mir, daß Agnew noch immer seine „Tizian“zeich[nung] habe (d. Spanische – aus USA). Er verlange 2 bis 300 Pf. dafür.)30 17. [Februar] Gestern bin ich nicht zum Schreiben gekommen (Österreich 4 Naziminister Finis Austriae  !). Am 15. abends brachte mich Dr Churchill zu Ruth, wo ich d. kälteste Wohnung, aber sonst menschliche Freundlichkeit fand. Hans holte mich ab, er wird von seinem Besuch in Kingston Lacy gesondert schreiben. Das war noch Dienstag. Am Mittwoch gingen wir früh unser ital[ienisches] Billet u. Geld besorgen, dann zu 197

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Seligmann d. h. Dr. Gronau, der sympatisch, reserviert, aber ohne venezian[ische] Bilder war. Bei Matthiesen d. h. Zatzenstein gab es eine Ausstellung Primitiver, darunter auch d. frühe Ludovicus (nicht Alvise schon Vivarini), den wir aus d. Douglas Katalog von Locker her kannten. Wir aßen früh bei Vayni u. photograph[ierten] dann im Printroom. […] konnte ich mich von d. zutreffenden Beobachtung überzeugen, dass d. sog[enannten] Breughelblätter (s. o.) unbedingt Piero zuzuschreiben sind. Abends waren wir bei Christine, die in aller vornehmster Gegend (Portland Place 24) mit ihrem Bruder Davy wohnt. Dieser ist ein sehr eigenartiger u. schön anzuschauender Mensch mit Ohren ohne Läppchen u. ganz faszinierenden Affektationen. Dazu gehört das Schimpfen über England u. Loben Amerikas u. Irlands. Kein Licht darf brennen bei Tisch nur vier ganz abgeblendete Kerzen, die wie eine billige „Leich“ wirken, sodaß er beim Tranchieren sich irgendwo abseits ein Extralamperl anzünden muß etc.31 Endlich heute. Ich teleph[onierte] an Scharf, ob er d. Z[eichnung]en f. d. beiden Tafeln kenne, er sagte nein u. ich bestellte ihn ins Printroom. Vorher photogr[aphierten wir] unsere letzten Desiderata, dann brachte uns Borenius in den Lincoln Inn, wo tatsächl[ich] das Bild (sehr hoch) in d. Biblioth[ek] hing u. uns schon wie ein Tizian anmutete (jedenfalls haben wir Borenius sehr energisch Pordenone auszureden versucht.) Der Kopf hat Tiziansche Tragik und d. Proportionen seine Gewalt. Kann es ein Pendant zu d. verschollenen Laokoonbild sein  ? Borenius setzte sich wieder ins Brit[ish] M[useum] ab u. brachte Hans zur Tategal[lery], wo dieser mit Georg ein Rendez-vous hatte, um vom Direktor (Manson (?) – Empfehlungen zu d. Austell[ungs]leitern zu bekommen. Ich traf Kurz im Stiegenhaus u. ging mit ihm d. Vasari gehörigen Z[eichnun­g]­en durch, um mir von d. venezian[ischen] Abzüge zu erbitten. Scharf kam u. ich zeigte ihm d. Blätter, die nicht unmittelbar gerade zu d. Tafeln als Vorstudien gehören, aber doch unverkennbar sind. Ich überzeugte ihn auch u. das immer nachdrücklicher je mehr u. je öfter ich betonte, dass ich nicht d. Absicht hätte, d. Blätter zu veröffentlichen, sondern die Beobachtung für sein Buch schenke. Er gratulierte mir zu dem Fund u. schloß „Ich hätte ganz an d. Z[eichnung]en vergessen“, was ich eigentlich nicht ganz verstehen kann, was er damit meinte. Er wollte sich nach seinen Worten mit ihnen einmal als Jan Metsys angehörig, im Anschluß an einen Auftrag Valentiners beschäftigt haben. Mein Gott, sind d. Menschen doch Kindsköpfe  !  ! Mittag speisten wir mit Georg, Schilling u. Frau, die auf [ein] paar Tage nach London gekommen war. Sie macht den Eindruck eines gebrochenen Menschen. Wir sind dann zurück ins Printroom u. haben uns mit d. Do[menico] Tint[oretto]skizzen beschäftigt, die trotzalledem immer noch ein Problem sind. Beim Fortgehen d. Ausstell[ung] der Rembrandtzeichnungen (alles hausgemacht) und d. asiatischen Malerei angesehen. Ganz große, aber doch so – esoterische Eindrücke. Und neben, über u. hinter allem was wir erleben steht d. Schicksal Österreichs, das unser eigenes Schicksal ist. –32 198

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19. [Februar] Auch wir stehen unter d. Eindruck von Zeitungen, die nur d. entgegengesetzte Absicht haben als die in Wien. Hans ist so aufgeregt, daß sein Gesicht d. bedauerlichen Spuren seines Rasiermessers trägt … Am 17. abends waren Dr Freudenberg u. Gerda bei uns, Gespräche ohne Ende. Gestern abends bei Burgs d. Fortsetzung, gestern Mittag u. Nachmittag mit Myra u. Georg bez[iehungsweise] Czinner. Aber das ist keine Reihenfolge  ! Also erst bei Witt, wo sich eine von d. Königschen Giorgionezeichnungen als die Studie für ein – irrtümlich – dem Schiavone zugeschr[iebenes] Bild erwies. Huyghe war da u. fror wie wir. Es war so schlecht geheizt u. der Wintertag so scharf, daß ich wiederum mein Haarweh bekam. Im Atelier Georgs sahen wir d. jetzt gegossene Bergnerbüste, die wirklich viel viel besser ist als d. Ton war, den wir damals gesehen hatten. Er war eingegangen. Jetzt war der Klang wieder ganz voll. Georgs Atelierchen ist in St. James’ Street im Haus, in dem d. Bureau d. Bergnerfilmhauses ist. Ein ganz altes Haus mit schmalen Holzstiegen, die bei Georg oben schon ganz steil sind. An seinem Atelier ist auch ein Badezimmerchen dran. Im Czinnerschen Bureau – ganz in blondem Velvet – ist ein Spiegel, der bei Barry war, rund, hohl, man ist ganz klein, aber gesammelt drin wie hinten auf dem Arnolfinibild. So möchte man die Welt heute sehen. Die Aussicht geht in einen Alt-Londoner Hof, der zum Sightseeing gehört, da darin das letzte Duell stattgefunden hat. Über ihm herein schaut ein kleines gelbes Giebelhaus, in dem Lord Byron gewohnt hat …33 Wir waren schon früh zuhaus und haben – ach so wichtige  ! – Briefe geschrieben. Zum Dinner war Ernst Kitzinger da, der junge bayrische Kunsthistoriker, den wir schon im Sommer bei Dr Stella getroffen hatten. Er volontiert noch immer für ein paar Pfund im Brit[ish] Mus[eum]. Dort aussichtslos. Nach seiner Darstellung war kein Emigrant noch in England angestellt worden (d. h. kein kunsthistorischer). Der Archäolog[e] Jacobsthal in Oxford ist ein anderer Fall.34 20. [Februar] Nach dem lunch, eingenommen an Bord (und Papierl). Sea rather rough – lasen wir im Morgenblatt. See rather rough – lasen wir die Ankündigung beim Boattrain. Das Schreiben ist nicht leicht … Gestern war unser letzter Londoner Tag. Hans hat eine unruhige Nacht gehabt u. sich schon zum zweitenmal beim Rasieren geschnitten. Er will doch nachhaus, schon um d. Pässe zu erneuern, mit d. Kindern zu sprechen u. s. f. Wir machten unser ital[ie­ nisches] Billet, d. h. unseren Scheck rückgängig, wobei wir 2 Pf. einbüßten. Das war aber ein so nachdrücklicher Entschluß, daß wir uns hinterdrein beide um mehr als die 2 Pf. erleichtert fühlten. Dann haben wir im Brit[ish] Mus[eum] ein letztes Photo gemacht, vieles überprüft u. neues durchgesehen, das uns nicht unmittelbar angeht. Popham brachte uns bestellte Abzüge u. die Photos einer Neuerwerbung des Ash­ 199

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mo[lean] M[useums], die uns Parker geschickt hat. Es soll in Kreide u. Blau – einer venez[ianischen] Z[eichnung] gleichschauen – ich konnte inzwischen nur d. röm[i­sche] Element darin erkennen, das bis in d. Raffaelkreis, d. h. bis in die Sibyllen von S[anta] M[aria] della Pace zurückführt. Wir haben dann noch Abschiedsbriefe geschrieben, die f. d. Zukunft anknüpfen sollten. Mit Dr Stella einen Abend allein gehabt, an dem wir uns über häusliche Sorgen das Herz ausschütteten u. dem Stoffel ein Nest zu bauen versuchten. Da sie uns immer wieder versicherte, daß sie Statistik „adore“, machen wir uns keine Vorwürfe darüber. Und jetzt – ist noch nicht aller Tage Abend, aber wohl für d. Crossing eine gute Prognose zu stellen. Hoffentlich erwarten uns keine allzu üblen Nachrichten in Paris …35 – abends im Hôtel Bisson. Ein Brief vom Anderl, noch vor d. Ereignissen in Österr[eich]. Ein Brief vom Stoffel vom 15. [Februar] geschrieben, mit einem Zeitungsausschnitt vom 16. [Februar], demzufolge alle politischen Strafverhandl[ungen] u. Strafen sistiert werden sollen. Wenn das wahr wäre, wäre das für Burgl ein unerwartetes Glück. Sonst schrieb Stoffel vom Franz (der durchgefallen ist), von einem neuen Spiel, das sie bei V[etter] Hans gelernt hätten u. s. w. – nicht ein Wort von d. politischen Lage. Wir griffen uns an den Kopf. Während wir noch auspackten, teleph[onierte] Michelson. Wir hatten ihm unsere Ankunft nicht angezeigt – daß er uns dennoch erwischte, hat mir Spaß gemacht. Wir nachtmahlten bei d. Bécassine u. gingen d. Bd St. Miche hinauf. Es war ein Gefühl d. Heimkehrens dabei u. wiederum ein Paris des Floch, dem wollen wir gleich morgen früh telephonieren. Man spielt jetzt schon d. Marseillaise (Film von Renoir), den nehmen wir gleich aufs Programm.36 An dieser Stelle des Tagebuchs findet sich ein Zeitungsausschnitt beigelegt  : „Politische Generalamnesie. Der Bundeskanzler …“, aus  : Das kleine Blatt, Nr. 46, 16. Februar 1938. 21. [Februar] Feierabend. Wir haben heut früh von Stoffel einen vernünftigen Brief bekommen, der uns zeigte, wie sie von d. Situation überrascht wurden, aber auch, daß beide entschlossen sind, ihr Rechn[ung] zu tragen. Am Vormittag u. Nachmittag im Louvre gearbeitet. Ein ­D[ut]­z[end] Aufnahmen u. die Florentiner Schule begonnen. Ein voll sign[iertes] Blatt von Aless[andro] Casolani, das ganz gut den sog[enannten] Giorgione in Chatsworth bestimmen könnte. Leider hatten wir keine Reprod[uktion] zum Vergleich bei d. Hand u. müssen bis morgen damit warten. Wir haben mit Michelson geluncht, den ich eigent­ l[ich] doch für einen anständigen Menschen halte. Wir waren gegen 5 dann bei Lévy, haben uns Adressen geholt, wo man so ein Buch über Anatol[ien] publiz[ieren] könnte, von dem Anderl schreibt. Zuhause dann fanden wir schon d. Nachricht, daß Floch angerufen hätte. Die Frau sagte am Teleph[on] „er ist in der vierten Depression“.37 200

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Abb. 58  : Februar 1938 – Amnestie für politische Delikte, Zeitungsausschnitt.

22. [Februar] Nun, es war nicht so schlimm. Auch er hat es versucht, die Katastrophe in Wien auf seinen Kreis dort von Hagenbündlern umzustellen, hat sich aber schließl[ich] auf einen Stoßseufzer auf Merkel beschränkt. Frau Mimi ist wunderbar gebräunt u. erholt vom Skilaufen heimgekehrt, ihre Partnerin (Dr Gutmann-Levy) mit einem schlimm verletzten Knie. Das Kind ist seit einem Tag in einem halbtägigen Kindergarten. Die Besucher dieses werden aus allen Bezirken per Sammelauto abgeholt. Heute haben wir vormittag nur im Louvre gearbeitet, darunter auch d. Casolani photogr[aphiert], den wir mit d. Chatsworth Blatt vergleichen konnten. Am Nachmittag waren wir in d. Acad[émie], wo wir d. ital[ienischen] Z[eichnung]en bis Sarto inkl[usive] gesehen haben. Manches uns sehr Interessierende, aber angenehm vereinzelt u. gut, keine Masse, die einem zum Hals heraus wächst. Ein einziger Farinati z. B. (Das ist schon ein Glück). Um ½ 5 dann bei M. Marignane, der manches sehr gute u. meistens Schmutz hat, wie er es eben mit d. Wünschelrute zusammenfängt. Er macht d. Eindruck eines docilen Narren. Eines Narren etwa von Sassoferrato gezeichnet. Seine Hauptblätter hat er au Midi, von wo er herstammt (Avignons Umgebung) u. wo seine Eltern – der Vater 90 Jahre alt  ! – noch leben. Wir haben eine entzückende Z[eich­nung] für d. Vict[oria] + A[lbert] Mus[eum] ausgesucht, florentinisch um 201

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1500, ein Festzugswagen mit Amorosen-Szenen u. Aufschr[ift] [„]istorie di venere di marmo ed dipinte[“] in schöner gleichzügiger Schrift. Nach seiner ­Mei­n[un]­g Filippino Lippi …38 Wir haben ihm Burgs Adresse gegeben. Es war reizend bei d. alten tauben Herren, besser  : es wäre reizend … gewesen, wenn es nicht so phantastisch kalt oben gewesen wäre, daß wir nachher einen Dauerlauf machen mußten u. ich jetzt im Bett unter d. Eiderdecke liege, um wieder auf gleich zu kommen. 24. [Februar] Der Tag rollt sich schon nach Schablone ab. Es kamen d. Photos vom Vict[oria] + A[lbert] Mus[eum]. Wir arbeiten vormittag im Louvre, nach Tisch in d. Éc[ole] d[es] B[eaux-]A[rts], wo wir durch d. ital[ienischen] Bestände durchkamen u. einiges zum Photogr[aphieren] auswählten. Nachher gingen wir in d. G[azette] d[es] B[eaux-]A[rts] mit d. Duvetzeichn[ung] u. zum Rendez-vous mit Floch, das er uns in d. Ausstell[ung] Tischlers gegeben hatte. Die war nicht anders, als wir sie uns vorgestellt hatten. An einem Bild steckte d. Zettelchen „vendu“, aber Floch sagte uns, daß es mehr zum Animieren dort steckte. Er ist in eine merkantil ungünstige Zeit hineingekommen. Wir blieben nicht lang, gingen eine späte Jause essen, die uns für d. „Marseillaise“ (von 7 bis fast 10h) fit machte. Das ist der gerade aufgetane Film von J[ean] Renoir, den das Volk selbst durch im vorhinein gezahlte Plätze finanziert hatte. Es war leider nicht so gut, wie wir es erwartet hatten u. in Anbetracht d. teuren Plätze erhofft hatten (20 fr  !). Es war sehr schön zum Anschauen, vor allem d. landschaftl[ichen] Aufnahmen u. Renoir selbst als König hat wundervoll gespielt, aber sonst wars ganz unnötig lang. Am Boul[evard] St. Michel in einem Caférestaurant im Souterrain genachtmahlt. Ganz voll auf rotschreienden Lederbänken, unter ganzen Kurven vor schreiendem Licht ein schreiendes Publikum – an d. Wänden eins neben dem anderen Aquarien. Darin durch d. dicke Glas ganz isoliert selbstbefriedigte Fische. Zwei Welten u. keine kümmerte sich um d. andre. Floch aber quälend bohrend. –39 Heut früh kam ein Brief v. d. Kalat mit Aufklärungen über Taylors Schweigen. Hans ging dann zu d. Amerikanern u. traf mich um 10 im Louvre wo auch d. Giulio Romano Mann Hartt schon im bloßen Hemd – ein Amerikaner – photogr[aphierte]. Während Hans photogr[aphierte] u. ich assistierte, schauten wir auch noch weiter flo­ ren­t[inische] Z[eichnung]en an, die uns nichts angingen. Nach Tisch machten wir alle Aufnahmen in d. Éc[ole] d[es] B[eaux-]A[rts], trennten uns dann, ich ging nachhaus mit d. Photogr[aphien-]Koffer, am Weg noch mich mit einer Schokol[ade] labend. Hans fuhr zur „Alpina“ einem Buchverlag, wo er sich wegen eines Reisebuchs Anatolien für Anderl erkundigen will. Edel u. Filippa holen uns …40

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25. [Februar] Beim Nachtmahl erzählte uns Edel, daß er eine neue Stunde habe  ; daß er ferner eine Patientin habe, von der er – nach u. nach – 800 fr. bekommen soll. Das ist doch wirklich ein feiner Mensch, daß er uns solches erzählt … Billiges Kino, ein gut gespielter, aber schrecklicher Film […] neuf u. ein guter (mit Raimu u. einer 17 jährigen Debutantin) „Gribouille“, den schon Christine empfohlen hat. Im Ganzen drei Stunden Film (eine Actualité dazwischen – ähnlich wie im Olympia am Tag vorher – in der das Publik[um] über Österreich u. d. polit[ische] Lage dort aufgeklärt wurde. Todmüde nachhaus (gegen 1 Uhr  !) u. unausgeschlafen aufgestanden. Ein guter Brief von Burgl, daß sie entschlossen ist, wegzugehen. Überhaupt sehr lieb geschrieben. Eine Karte von Mama, ein Brief von Liesbeth. Interessant wie diese drei verschiedenen Menschen u. Alter auf d. Ereignisse in Wien verschieden reagieren …41 Das Print Collector’s Quarterly hat d. Tizian Graphikaufsatz mit Vergnügen übernommen  ! Das heißt viel Geld, die zahlen gut, das können wir brauchen. Im Louvre haben wir vormittag photogr[aphiert] u. nachmittag die Venezianer zum zweitenmal anzuschauen begonnen. Ich auch die Florentiner weiter, während Hans noch bei d. „Alpina“ war. Es scheint, daß sich d. Verlag genau für das interessiert, was Anderl über Anatolien herausgeben möchte. Wir fanden einen sehr lieben Brief von ihm zuhause vor  ; er schaut sich anscheinend sehr heftig um eine Stelle um u. scheint auch etwas in Aussicht zuhaben. Er hält es für gut überhaupt nicht nach Wien zu kommen u. denkt auch an ein Rendez-vous in Zagreb …42 26. [Februar] Das war gestern ein reizender Theaterabend im Athéné. Floch hat uns [mit] Karten versorgt (2 Orchester zu 30 fr. – also ermäßigt), ist aber selbst nicht mitgegangen, er war zu müde u. wollte uns die billigen Sitze geben. Ich finde das von ihm rührend. Fährt durch halb Paris, um uns im Theater unterzubringen u. verzieht sich  ! Es wurde Plutus von Aristophanes in einer modernisierenden Adaption gespielt. Sehr gut inszeniert mit wundervollen Farben, alles gedämpftes Pastell, wie auf Vasenbildern bewegt. Es war der ewig gültige Rhythmus d. klassischen Originals hinter allen Aktualitäten noch durchzuspüren. Wir trafen im Theater Hannema von R’dam, der uns zu sich ins Haus einlud, da wir den nächsten Aufenthalt in d. Nähe d. König­ schen Z[eichnung]en selbst nehmen möchten. Wir sprachen von etwa 10 Tagen …43 Heute kam wiederum ein Brief von Stoffel, der im wesentlichen den letzten wiederholt u. auf Details eingeht. Wir haben wiederum vor- u. nachmittag im ­L ouvre gearbeitet. Linzeler hat die Communication meines Duvetfundes bei d. Société de l’Art francais angekündigt, er wird meinen Aufsatz in d. G[azette] d[es] B[eaux-] A[rts] (der schon im März erscheinen soll) vorlesen. Wir haben dann Dr Burg die beiden Blätter bei Marignane gekauft, er hat uns noch eine Fülle von Pho­to­gr[a­ 203

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phien] der Blätter, die er in Villeneuf hat, gezeigt u. erzählt, daß Schilling in Paris ist. (Die beiden Blätter, die wir bei Schilling photogr[aphierten], Carletto Evangel[ist] Matthäus, und die Skizzen zur Türkenschlacht, hat jetzt Marignane wieder (zurück  ?) genommen, es scheint, daß Schilling sie nicht verkaufen konnte.) Wir haben 3 Bassanos bei ihm gesehen (Anbetung von 1563, sehr hergenommen, farbig auf grün und zwei mit Kühen, sehr gut, mit Farb-[…]) und wieder den reizenden kleinen „Tizian“, die Reproduktion des Adonisabschieds, die Orazio für Cadore (?) gemalt hat. Marignane erklärte allerdings das nicht Tizianische daran anders, Tintoretto hätte d. Adonis gemalt. Ein Freund hat diese Kollaboration mit der Wünschelrute ermittelt  ! Floch teilte uns teleph[onisch] mit, daß der junge Gernsheimer – von Georg empfohlen – hier im Bisson wohnt. Am Montag ist hier die Z[eichnung]en Auktion von Mathey, darum d. Zulauf aus London  !44 28. [Februar] (gestern nicht dazugekommen) gestern (Sonntag) waren wir vormittag mit Schreiben u. Überprüfen d. Photos beschäftigt, haben nachtisch Schilling im Musée Jacquemart-André getroffen. Der Tiepolo wirkt in d. Pariser musealen Dunstigkeit gleich schütter. […]. Eine Kassone von Bastiani hat mich an d. 2 in d. Albertina mit d. D[ürer]schen Hemden erinnert. Wir haben uns mit Schilling über d. […] unterhalten, von der er d. Photogr[aphie] von Silberman f. von Hirsch bekommen hat. Er ist hingerissen von dem Blatt …45 Wir jausneten dann zusammen u. gingen zu Flochs, wo schon Gernsheimer saß. Will er eine Ausstell[ung] von Flochs Bildern in London machen  ? Es war ein Beieinandersitzen u. Sichunterhalten mit dazwischen tobender Mucki (Besitzerin ­einer Mundharmonika) u. kein Auseinandergehen, bis sich d. Nachtmahl (für so viel Leut’  !) von selbst ergab. Mimi ist bewunderungswürdig  ! Todmüde nachhause. Da mir ein Brief an Köhler im Kopf herumging (wegen Stoffels Affidavit) konnte ich nicht einschlafen – nahm ein Schlafmittel – u. früh schlecht aufzustehen. Wir sind im Louvre mit d. Blättern ziemlich fertig geworden (2., z[um] T[eil] 3. Durchsicht, immer noch zu wenig  !, haben uns auch bei einem Russen (Bd St. M[iche]l) pho­to­ gr[a­phieren] lassen (fürs Paßbild). Teleph[onierten] mit Michelson, d. sich heute tele­ ph[o­­nisch] mit d. Silbervogel erst in Wien, dann in Basel auseinandersetzte. Besuch in d. Académie Ranson u. bei Edel im Atelier, wo auch d. Karikaturist vom Slur ( Joss) war. Edel ist (mit Filippas Möbel) köstlich eingerichtet u. hat in seinen Büsten wirklich gute Fortschritte gemacht. Da er Deutschstunden noch zu geben hatte, gingen wir mit Pippa allein nachtmahlen (Capoulade), wo uns Edith Auerbach – rührend u. unerträglich – aufsuchte. Die armen, ärmsten Leute  ! Nach 12jähr[igem] Aufenthalt in Paris kann sie immer noch nicht Französin werden  ! Weil sie eine Frau ist, sagt sie …46 204

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2. [März] abends. Gestern – Hans’ Geburtstag bin ich wiederum nicht zum Schreiben gekommen  ! Es war eigentlich ein anspannender u. nicht sehr vergnügter Tag – notabene mit schlechtem Wetter (auf mehrere Stunden nur – wir sind aber sehr verwöhnt). Wir haben früh von Michelson d. Nachricht bekommen, daß sein teleph[onischer] Anruf beim Silbervogel in Basel sehr negativ war. Immer dieselbe Hinauszieherei. Hans hat daraufhin an Gronau (der angeblich Thyssen in Verschluß hat) per Luftpost geschrieben. Wir waren dann in d. Botschaft, haben unsere Pässe bestellt u. nur ein Stündchen im Louvre, wo wir Lugt sprachen, der liebenswürdiger als sonst sich gab. Es scheint, daß die Pariser Luft auch ihn auflockert. Zu mittag speisten wir mit Marignane bei seiner Schwester, d. Malerwitwe Patissou (Rue Littré 1) – der † hat einen Straßennamen in Nantes –47 Ein sehr ungewohntes Milieu  ; altväterisch Vogelhäuselzimmer – aber lauter Skizzen u. Z[eichnung]en an d. Wänden. Nach d. Kaffee eine Mappe noch aus der wir 5 Blätter in d. Louvre mitnahmen, von denen eines für eine ganze Gruppe Palma­z[eich­ nun­g]en (die wir nicht f. Palma gehalten hatten) entscheidend war. Zum Verkauf nahegelegt wurde uns nur eine Raffaelmadonna mit Kind, die wir aber an Fischel weitergaben. Nachmittag haben wir zuhause gearbeitet, nachdem wir einen angenehmen Spaziergang durch Anderls Gegend heim gemacht hatten (Bücher eingekauft). Genachtmahlt mit Mimi Floch in d. Abesienne. Sie ist eine reizende Frau – u. es war auch d. Geburtstag der Kleinen  ! –48 Heute haben wir vormittag im Louvre photogr[aphiert] u. gearbeitet und mit Michelson Mittag gegessen. Lange Kriegsrat gehalten, bis wir – zuhause – die tele­ graph[ische] Antwort von Gronau fanden, daß wir uns mit Bottenwieser in Verbindung setzen sollten, was geschah (morgen ½ 1). Am Nachmittag im Louvre erst mit Hans, dann allein (Spanier u. anon[yme] Flor[entiner]) gearbeitet. Hans ging zu Michelson (noch ein Bild anschauen), zu Bischof auf d. Botschaft u. d. Pässe holen. Ich trug dem Marignane d. Z[eichnung]en seiner Schwester zurück, bei welcher Gelegenheit er mir einen Cassone von Greco etc. etc. zum Ankauf anbot. Schließlich mit Burgs genachtmahlt, denen wir die f. sie gekauften 2 Zeichnungen übergaben. Von d. Filippino Lippi hab ich mich direkt schwer getrennt  ! 3. [März] Mittag. Heute haben wir unsere Fahrkarten etc. besorgt u. im Louvre Schluß gemacht u. Abschied genommen. Hans ist dann allein zu Michelson, wo er Bottenwieser trifft. (Gronau hat, abgesehen vom Telegr[amm], heute noch einen Brief geschickt). Ich hab schon einen Teil meiner letzten Weisungen an Therese geschrieben, fange also an, mich nicht nur von Paris, sondern auch vom Hans zu detachieren. Floch soll um 5 zum Tee u. Abschiednehmen kommen. Dann abends noch Burgs und morgen früh – 7h30 – kanns losgehen  !49 205

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Abb. 59  : Josef Floch, Bäume, 1938.

4. März ¾ 9 abends. Ich lieg schon im Bett – Torino, Albergo Bologna – mit einem Fenster, das auf einen umlaufenden Balkon hinausgeht. Ich fürchte, daß ich bei geschloss[enem] Fenster schlafen werde … Die Reise war herrlich. Ich hatte ein gut gelegenes Koupé ganz allein für mich u. draußen d. strahlendsten Himmel. Bäume wirklich wie sie Floch – er lebe hoch  ! – malt. Die letzten Stationen vor Modane Geleise u. Straßen tiefer Schnee. In Modane alles im Zug erledigt. Ich habe Espoir von Malraux gelesen, geschlafen, geträumt mit offenen u. mit geschloss[enen] Augen  ; Hans ist jetzt noch nicht in Zürich aber schon durch Basel durch. Ich denk zu ihm hinüber u. zu den Kindern hin …50 5. März, im Bett gegen 10h. Meine Uhr ging eine Stunde zurück – u. ich wußte es nicht  ! Überraschend fuhr ich in Turin ein, mußte geschwind meine Sachen zusammen packen. Und als ich heute in d. Bibliot[hek] kam, war’s nicht ½ 10, wie ich dachte, sondern halb 11 – und ich hätte schon um 9 da sein können  ! Notabene schloß man um 12 u. am Nachmittag war sabato fascista u. für mich nur d. Museum offen. So ist mein 1 ½ Freitag in Rapallo futsch …51 Ich wohne hier mit Pension (28 L.) u. das Essen ist gut zubereitet u. reichlich. Für mich viel zu reichlich. Ich war vormittag nach d. Bibliot[hek] lange im Park in d. Sonne u. nachmittag ebenso nach dem Museum, dem Hans einen Brief schreibend. 206

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Meine Empfehl[ung] an Prof. Zucchi (Commendatore  !) war schon gut, da er sonst Samstag u. Montag überhaupt nicht amtiert. Es sind nicht sehr viel aber ganz gute Z[eichnung]en da, eigentlich bis auf einige Farinatis, eine neue Art, sodaß ich bißchen erstaunt bin, wie wenig ich weiß trotz der 3 großen Samml[un]gen, die wir schon durchgearbeitet haben. Die Stadt ist so beruhigend – nach Paris. Auf Piedestals gestellte Schuppos im auffälligen Weißschwarz machen die reglementierten Gesten, gelegentlich mit ihnen einen Wagen heranlockend. Ich gehe gelüpfelte Übergänge, um niemandem das Spiel zu verderben. Die Via Roma ist schon sehr bald fertig gebaut, auch einen richtigen Wolkenkratzer gibt es, man weiß gar nicht warum, liegt doch d. Stadt in einer Ebene  ! Die Leute sprechen ihren unverständlichen Dialekt. Morgen ist auch ein Tag – weiß Gott, ein langer, ich habe nur d. Schloß (Palma) auf d. Programm. Für Ausflüge habe ich zu frühlingsschwere Füße.52 6. März. Heut früh fiel es mir plötzlich ein – nicht eine verrückte Uhr, sondern hier in Ital[ien] ist doch mitteleuropäische Zeit. Für einen Spezialisten dieser verwirrenden Tatsachen ist d. Blamage immerhin groß  ! Sonst war d. Vormittag erfolgreich. Ich kam gegen ½ 10 zum Schloß, wo d. Führung laut Mitteil[ung] um 10, laut Guiden erst am Nachm[ittag] sein sollte. Ich fragte eine Wache, die sich räkelte, von einem Fuß auf d. anderen überging u. ein Liedlein pfiff. Da war ich aber an d. unrechten gekommen. Ganz verzweifelt stieß er ein „Non posso“ aus und stürzte, um d. Versuchung mehr zu sagen, auszuweichen auf das vis à vis Wächterhäuschen. Ich fragte dann einen Bersalglieri der mich an einen Betreßten weiter gab, von dem ich dann erfuhr, daß d. Visitazione zwischen 9 u. 12 stattfindet. Man bekommt ein Billet auf Namen (warum das sicherer sein soll, kann ich nicht sagen) u. geht in d. 1. Stock, wo man im Schweizersaal auf d. nächste Führung wartete. Ich ließ dann 2 vorübergehen, denn dort war das Bild von Palma u. stimmte. Ich hatte alles Schlachtige u. Reiterliche an Palmaz[eichnung]en mitgenommen u. siehe da jene eine in d. Liechtensteingal[erie], auf deren Rückseite ich den Hinweis auf d. Bild in Turin geschrieben hatte, war das Richtige. Den einen kleinen Reiter in Kreide aus Oxford konnte ich auch noch in d. Mitte etwas tiefer, aber doch noch unter d. Vordergrundproportionen identifizieren. Nicht ganz genau, aber doch zugehörig. Die Entwurfz[eichnung] fürs ganze ist ziemlich nah d. Ausführung. Diese ist kolorist[isch] u. auch als ehrgeizige Kompos[ition] wundervoll. So reinlich erhalten, ein wirkliches Vergnügen. Wenn alle Palmas so aussehen würden …53 Die Führung, die dann durch d. Prunksäle mitmachte war nicht anders als jede andre Führung. Einer hat geleiert, die anderen haben nachher ein Trinkgeld gegeben. Dazwischen war viel Gold u. noch viel mehr provinzielle Geschmacklosigkeit … Ich ging dann in d. Via Gaudenzio Ferrari 1, wo nach meinem Guide der Museo Civico sein sollte, aber nicht war. Ich habe eine Reihe von mehr oder minder geeig207

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neten Passanten nach seinem Verbleib gefragt u. nur von einem d. Auskunft bekommen zu können  : man hat es auf d. Corso Galileo Ferraris übersiedelt. Der war dann am andern Ende der Stadt, aber das Museum war nicht dort, sondern d. Galleria Moderna. Da es schon ¾ 12 war und d. Gal[erie] um 12 schloß, meinte ich, könne nicht viel riskiert sein, einen Blick hineinzuwerfen. Und ich ward belohnt genug  ! Die fratelli Zuccato in d. Bleidächern Venedigs von 1858 für unsere S[amm]l[un]g kunsthistori[scher] Themen. Welch erfindungsreicher Geist war auf dieses Thema gekommen  ! Schön auch aus d. 70ger Jahren eine lebensgroße Halbfigur d. jungen Beethoven  : Er wirft die Hände herum (mit ganz langen Fingern, wie sie d. kleine Mann doch wohl nie gehabt hat) wie ein Liszt im höchsten Affekt und über d. harmlosen Knabengesicht steht die wilde Mähne, genau dieselbe wilde Mähne, die dann die späten Portraits zeigen. Jetzt ruh ich mich aus, Mittagspause. Dann zieh ich los in d. Palais Madama, wo d. Museo Civico jetzt wirkl[ich] sein soll, u. mit Schreibutensilien u. einem Buch ins Grüne …54 Abends. Es war ganz interessant. Ein Kunstgewerbemuseum mit sehr viel Porzellan, Unterglasmalerei, mit Skulpturen u. Malerei (vor allem von Defendente Ferrari). Nichts feines, aber sehr viel, wirklich auffällig viel Deutsches u. das alles aus d. Val d’Aosta. Z[um] T[eil] als deutsch erkannt, bei einem sehr charakterist[ischen] Bild aber als vläm[isch] (oder niederländ[isch]) bezeichnet. Es wäre ganz interessant, einen Aufsatz über diese deutsche Kunstenklave für – für d. alte Z[eitschrift] f[ür] B[ildende] K[unst] zu schrei­ben. Es waren Photos da, aber nicht das, was ich wollte. Übrigens kriegt man ja am Sonntag nichts. Vielleicht versuch ich es noch morgen, ich komme ja am Palazzo Madama vorüber. Dann bin ich im Park in d. Sonne gesessen u. hab dem Anderl geschrieben. Schließlich hab ich mir noch eine Postkarte f. d. Hans besorgt. Die geb ich heute noch auf …55 7. [März] abends Ich bin immer noch in Turin. So viele Zeichnungen hab ich durchgeschaut u. interessante gefunden. Dem Prof. (Commendatore) Zucchi hab ich Kopien nach den beiden Palmazeichn[ungen] versprochen. Ich habe alle ital[ienischen] Schulen durchgesehen u. d. Deutschen und fast in jeder etwas für uns gefunden. Von 9 bis 5 mit kurzer Mittagspause gearbeitet. In dieser war ich beim Photogr[aphen] Comello, der krank war (Via Garibaldi 3), aber durch eine Mittelsperson mit mir verhandelte. Für eine 9 x 12 Aufnahme verlangt er 15 Lire, für eine 13 x 18 sogar 20. Prof. Zucchi meinte, daß wir selbst d. Aufnahmen machen könnten, es muß aber eine Eingabe durch d. österr[eichischen] Botschafter in Rom an d. König gemacht werden. Ich hab alles aufgeschrieben. Es war ein angenehmes u. weiterführendes Arbeiten. So bin ich auf einen bologn[esisch]-röm[ischen] Maler gestoßen (Puppini), der ein Doppelgänger von 208

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Fr[öh­lich-]B[um]s Schiavone ist. Prof. Zucchi ist sehr nett  ; er hat ganz plötzlich bei mir Stunde genommen, wie man das ch ausspricht. Das geht einfach nicht. Er hört es auch nicht, wenn ich es sage, anders, als wenn er es spricht. Ich schrieb ihm schließlich ein X auf u. fragte ihn, wie er diesen griech[ischen] Buchstaben spreche. Er sagte  : Ka. So kamen wir auch nicht weiter …56 8. [März] abends im Bett. Das war heut ein verkorkster Tag. Genua bin ich nicht gewachsen. Die Fahrt war herrlich. Nach dem 8 km Tunnel haben plötzlich die Obstbäume geblüht. Ein Wunder  ! Dann aber war der Palazzo Rosso überhaupt gesperrt u. d. Pal[azzo] Bianco schon auf Sommerordnung eingestellt – seit dem 1. März, recht haben sie – u. mit Mittagspause von 12 bis 2. Dann ritt mich d. Teufel. Warum haben sie lauter Cambiasozeichnungen ausgestellt  ?  ! Man hat nicht nur nur – Cambiaso  ! Man hat zwar immer viele, er ist so ein zweiter Farinati, aber man hat nicht nur nur – Cambiaso. Und es gibt doch so ein illustriertes Z[eichnung]en Büchl vom Pal[azzo] Bianco. Ich fragte mich durch und fand mich um 3 drüben im Ufficio d. Pal[azzo] Rosso. Dort mußte ich warten, dann wurde ich einem mitteljungen Mann (Celle) vorgeführt, dem ich mich erklärte. Der Kompetente mit d. Schlüsseln war heute – ein einziges mal im Jahr  ! – verreist. Der zweite Kompetente – Bonsi – sollte gegen 5 kommen. Ich wollte also auch um diese Zeit wiederkommen. Ich ging ins Hotel zurück, wo das heiße Wasser nicht mehr abgedreht werden konnte. Das gute heiße Wasser lief einfach aus, ich war voll Mitgefühl, der Operario wurde bestellt, ich hatte keinen Augenblick Ruh in meinem Zimmer, das hier bekanntlich „Zu ebener Erd u. im ersten Stock“ gleichzeitig ist. Ich ging wieder weg in St. Annunziata hinein, wo es schon lang nicht so eiskalt war, als wie in Turin. Um 5 war ich wieder im Ufficio. Dort wartete ich bis um 6. Endlich waren alle da, der Direttore (Grosso), der urlaubte, der unterläufige Bonsi, der liebenswürdig u. aufhaltsam war, aber was schaute heraus – was sollte auch anders um ½ 7 abends herausschauen  ?  ! – daß ich heute nichts mehr sehen konnte, sondern morgen um 2h wiederkomme. Nun, ich bin verblieben, daß ich uns von Florenz aus oder Mailand im Mai ansagen würde, ein paar Tage voraus, und daß wir dann d. Z[eich­nung]en durchschauen könnten. Man war sehr liebenswürdig u. sehr bedauernd, daß es mich so viel Zeit gekostet hat, aber sie haben so viel bürokrat[ische] Angelegenheiten, es ist überall dasselbe, sie kommen nicht zu den „Studi.“ Ich nachtmahlte in d. kleinen Ristorante Turchia, z[um] T[eil] aus Liebe zum Anderl, z[um] T[eil] weil d. Prezzo fisso mir zusagte. Das war aber auch alles, was mir zusagte. Nein, ich bin Genua nicht gewachsen und sehne mich schon nach meinem Manager.57 10 [März] (gegen Abend). Gestern war mein Reisetag. Das ist doch eine schöne Fahrt, überraschend war für mich das Stück von Livorno südwärts d. Küste entlang  : Villa neben Villa – ein Gar209

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ten  ! Drei junge Mädchen fuhren mit, von denen 2 eine Prüfung (die nach dem laureo  ?) in Rom vor sich hatten (d. 3. war nur d. Schwester) u. eine d. Kandidatinnen sich nicht besonders sicher fühlte. Die Folge war, daß sie ohne die geringste Unterbrechung schwätzten. Nicht nur ich, auch d. beiden anderen Mitreisenden waren schon ganz verrückt davon. Ich bin dann ins Nachbarkoupée, wo ein bildschöner ganz junger Schwede mit seinem etwas schütterern Begleiter saß (d. h. dieser war auch noch meist auf d. Gang). Da habe ich mich erst tüchtig ausgeruht von dem lästigen Gezwitscher u. dann auf französ[isch], englisch u. schließlich deutsch mit dem Schweden unterhalten. Und zwar zumeist über Thomas Mann. Es war eigentlich eindrucksvoll. Der große blondgelockte Jüngling, der rot untersinkende Sonnenball, Rom, das kommt und als Treffpunkt zwischen Norden u. Süden germanisch […] der Italien-liebende deutsche Dichter, der ein Tschechoslowake werden mußte. Ich holte mir dann meine Adresse (Pensione Lepidini Via Ladoviri 46II) bei Frl. Einkemer u. fuhr mit d. Taxi weiter herauf, wo es wirklich die beste Luft in Rom gibt. Inzwischen hab ich nun eine gut durchschlafene Nacht hinter mir u. ein Frühstück im Zimmer  ; die Bekanntsch[aft] mit d. sympath[ischen] Tochter d. Hauses u. der unsympath[isch] lauten Mutter. Näheres wird mir erst d. Abendmahlzeit alle […] vom Betrieb zeigen. Ich habe mir erst zwei Briefe vom Hans auf d. nahen Piazza Silvestro geholt. Daß Anderl d. Stelle nicht bekommen hat, die er sich erwünscht hatte, hat mir sehr weh getan. Mir ist jede Enttäuschung, die er hat zum Heulen  ! Daß unser „Tizian“ graphisch noch einmal untergeteilt wird, ist das wenigst kränkende d. Briefes. Aber die Unruhe, die daraus sprach, das Zappeln u. Abzappeln, die teilweise Erfolglosigkeit, der Kampf u. Krampf, das hat mir wiederum gezeigt, wie ausruhend meine Tage in Turin u. Genua waren  !58 Ich bin dann mit d. Bus zum Ponte Garibaldi gefahren u. d. paar Schritte hinunter zur Corsini gegangen, wo ich mich sofort bei Z[eichnung]en installierte. Ich sah erst die spezif[isch] venez[ianischen] zwei Kasteln an u. begann dann (mit Hilfe einiger Lira Trinkgeld) Scatola um Scatola, wobei ich bis Nr. 11 (um 1 Uhr) vordrang. Das jetzige Fr[äu]l[ein] ist eine dottaresse Leonardo, mies u. sehr freundlich, aber absolut nur d. Tratsch ergeben. Zwar nicht mit mir, aber doch zumeist in d. Zimmer, in dem ich arbeite. Nachher ging ich noch ins Museum und dann gegen zwei langsam per pedes stadtwärts. Ich aß zwei Bananen u. trank eine Schokol[ade] mit einer pasta dazu, entdeckte im Vorbeigehen das Albergo del Sole gleich neben d. Piazza del Paradiso ([…]) das sehr einfach u. nett aussah, suchte ein Albergo diurno auf, ließ mir bei einem eleganten Friseur d. Haare waschen, blieb ein Stündchen im (sehr vollen) Borghesegarten, gab eine Ansichtskarte an Stella Churchill auf u. bin jetzt da.59 11. [März] Wieder gegen Abend. Das war gestern noch sehr schmerzhaft  : Im Nebenzimmer wurden Grammophonplatten ausprobiert, d. h. gespielt u. immer wieder abgebrochen. Schlager, Jazz, 210

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schrecklich. Ich war verzweifelt. Als dann beim Nachtmahl d. Radio mit ähnlichem Getute aufgedreht wurde, wehrte ich mich erfolgreich (In einer englischen Pension ist d. Essen halt schlechter  !). Heute war ein guter Brief vom Hans auf d. Post, der mir eine heitere Grundnote gab, die ich im Gabinetto delle Stampe trotz aller Arbeitsschwierigkeiten nicht verloren habe. Diese bestehen darin, daß d. Quasi Leiterin mit ihrem (weibl[ichen]) Unter­läu­fel und mit ihrem kommenden u. gehenden Besuchen ohne auch nur eine Minute zu pausieren tratscht. Als um ½ 1 wieder 2 Gäste, die mit großem Hallot konversiert hatten, mit demselben Hallot sich verabschiedet hatten, lief mir die Galle so über, daß ich sagte, wie difficile es sei sich zu concentrare u. zu lavorare, wenn immer im Zimmer gesprochen wird. Darauf setzte sich die doctoresse zum aller erstenmal an diesem Vormittag zu ihrem Arbeitstisch u. nahm ein Buch vor. Um eins ging ich fort, habe das Wesentliche durchgear- Abb. 60  : Konservatorenpalast mit „Museo Mussolini“. beitet. Ich kaufte mir am Weg wieder 2 Bananen, diesmal besonders große, eine Schokolade u. eine Art Strauben u. ging aufs Kapitol hinauf  ; da es die allgemeine Mittagspause war, hatte ich beide Museen für mich allein, was ich auf der Konservatorenseite, von d. Gartenterrasse d. Museo Mussolini aus, besonders genoß. Warum mich in d. vollen Borghesepark setzen, in dem doch so viel Staub von d. Wagen, Trams, Kindern, Pferden, Eseln u. s. w. in d. Luft liegt, wenn ich auf einem Aufseherstockerl, das ich mir in d. Sonne hinaus getragen habe, auch sitzen u. ins Grüne schauen kann  ?  ! Schließlich hat man ja 5 Lire Entrata gezahlt  ; d. h. nicht ein H[ans], dessen Tessera galt  ! Daheim hab ich einen Brief an Hans Sch[oenberg] geschrieben u. dann ein bisserl gearbeitet u. dann an Bastianelli teleph[oniert], der wirklich noch lebt u. anscheinend auch gesund ist, denn er ist verreist u. kommt erst morgen in Rom an. Und d. Hans morgen abends …60

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12. [März] nachmittags. Heute bin ich ganz niedergeworfen. Ahnungslos stieß ich heut morgens auf eine Zeitung. An 2. Stelle brachte sie die Nachrichten über Österreich. Also ist jetzt das Ende da. – Ich hab noch gestern einen Brief an Hans Schoenberg geschrieben u. ihm gedankt u. ihn zur Post getragen. Ach einen so ahnungslosen Brief. Und heute d. Katastrophe u. ihre mir ganz unklare Vorgeschichte, ich hatte ja nichts von der Wahl sogar gewußt gehabt. Ich las alles drüben im Borghesegarten. Ging dann doch ins Museum und war erstaunlich konzentriert bei d. Arbeit. Es ist sehr vieles umgehängt u. sehr vieles auch gereinigt (z. B. das sog[enannte] Dürerportr[ät], das seither noch mehr Schäufeleinartig aussieht. Jedenfalls mit den gewissen 2 Schäufeleinbildern absolut steht u. fällt). Wie vornehm ist doch diese Galerie jetzt geführt  ! Dieses Frauenbildnis, das doch von ernster Seite immer wieder Giorg[ione] gegeben wurde, hängt hier als Scuola Veneta schlechtweg, während d. 4 Täfelchen in London, an die niemand glaubt, bekanntl[ich] auch nicht der Direktor – in d. N[ational] Gal[lery] glatt Giorg[ione] heißen. Ich war um 12 zuhaus, immer wieder überlegend, daß d. Grenzen doch erst nach d. Rede Schuschniggs gesperrt worden sein dürften u. d. Hans da schon jenseits war. Zuhause war dann eine Karte da, die die sichere Abreise für Freitag früh ankündigt – und – nach einer weiteren Stunde Hangens u. Bangens – d. Telegr[amm] aus Venedig  ! …61 Wieder hat sich nichts anderes ereignet, als jeder vorausgesehen hat, aber das Tempo war auch nicht vorauszusehen gewesen und die Form, in der es sich vollzog, war auch nicht vorauszusehen gewesen. Ich blieb nach Tisch zuhause, hab mich mit d. Photos beschäftigt, aber jetzt fängt es an, im Zimmer zu kalt zu werden. 13. [März] gegen Abend. Erst das Wichtigste  : der H[ans] ist da  ! Und jetzt berichte ich. Gestern als ich ins Thermenmus[eum] ging, immer alte Plätze aufsuchend und alte Erinnerungen verträumt beschauend, fing es ein wenig zu regnen an u. es war d. Film da „Mutter Erde“ mit Muni u. der wunderbar spielenden (Rainer) „Mutter“ und gab mir zwei Stunden vergessen. Danach fiel mir ein, daß Heinz mir einmal erzählt hat, daß er in Rom 1933 war u. nach langer Pause wiedereinmal d. Z[ei]t[un]g in d. Hand nahm u. so vom Anbruch d. 3. Reichs überrascht wurde. Es schmiß ihn natürlich um, alles fiel zusammen. Aber was sollte er tun  ?  ! – er ging ins Kino, sah einen „blödsinnigen“ amerikanischen Film u. hatte alles vergessen …62 Dann zum Bahnhof, wo Hans pünktlich eintraf. Wir habens im Zimmer jetzt ein wenig eng u. die Decken in meinem Bett riechen nach Naphtalin, aber ich bin doch sehr froh. Er hat mir noch lange in d. Nacht hinein erzählt u. früh wieder angefangen. Dann sind wir zur Post, wo Anderls Brief noch immer nicht angekommen war  ! Und er hatte ihn doch schon am 7. abgeschickt. Und dann sind wir ins Vatik[anische] 212

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Abb. 61  : 15. März 1938 – Adolf Hitler blickt auf die Menschenmenge auf dem Wiener Heldenplatz.

Museum – das aber geschlossen war (unser Reiseführer von 1927 ist leider längst überholt  !) und in d. Borghesegalerie, wos wiederum sehr sehr schön war. Nachmittag in d. Ausstellung d. röm[ischen] Impero, die in d. Ausstellungshaus d. Via Nationale untergebracht ist. Von d. Vorgeschichte bis zur christl[ichen] Periode u. schließlich noch ein Ausblick aufs heutige Impero. Von Liviuszitaten bis zu Mussolinizitaten. Gipsabgüsse Photos Modelle. Da es nirgends Originale waren, störte auch nicht die photo-montagige Aufmachung. Die Gipse wirkten in d. gedämpften Licht warm. Es war ebenso lehrreich wie doch auch ärgerlich. Es ist doch jede Propaganda für etwas, das man innerlich nicht mitmachen möchte, besonders ärgerlich, wenn man ihre Wirkung fühlt. Wir sind gegen Sonnenuntergang zuhause gewesen. In d. Sonne ist es schön warm, der tiefblaue Himmel ist erfreulich – aber im Schatten hat es knappe 7° Celsius …63 Ich habe in d. Früh mit dem soeben angekommenen Bastianelli telephoniert, wir werden ihn um 5h morgen aufsuchen. 213

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14. März Heut hab ich Anderls Brief (an mich allein) auf d. Post vorgefunden. Den wird es auch packen … Wir haben in d. Corsini d. Z[eichnung]en zuende durchgesehen u. d. Gesuch wegen d. Photos geschrieben  ; diesmal haben beide Diener Trinkgeld bekommen u. beide Weiblichkeiten sich zurückgezogen (so erfolgreich war mein sich beklagen wegen Geschwätz gewesen). So ging es flott. Nachher in d. Galerie u. weiter nachher im Garten d. Kapitols aus d. Papierl geluncht. Bei Ragghianti überraschend vorgesprochen, der sehr belämmert war, da er 1.) unrasiert war u. 2.) noch immer nichts über den Verbleib der Photos wußte. Er wollte im November schon bei d. Post eine Eingabe gemacht haben, die aber bisher nicht beantwortet worden wäre  ! Er versprach aber in diesen Tagen unserer Anwesenheit in Rom d. Sache zuende zu führen (Nun wir werden sehen, ob er Wort hält). Um 4h waren wir (angemeldeter Weise) beim Direktor d. Borghesegallerie, Dr. De Rinaldis, zu dem man hintenrum ins Museum kommt u. mittels eines in eine Wendeltreppenspindel eingebauten Lifts hinauffährt (ganz rund u. eng, wie ein Rokokonachtkastel). Wir besahen uns die Depotbilder z. B. d. gewisse Venus von Sustris, deren Wiederholung in Bombay (?) oder Peking (?) als Tizian publiziert wurde  ; einen Christ[us] vor Ehebrecherin von Bonifazio  ; eine Venus + Amor + schüsseltragender Silen, den Van Dyck als Tizian im Skizzenbuch hat, der aber von Padovanino sein soll (wenn ich nicht irre  ; hier heißt er Paolo Veronese) u. a. m. De Rinaldis kam u. scheint ein Glasauge zu haben, was sehr peinlich im Anfang war, da man nicht wußte, ob er einen ansah oder zerstreut aus d. Fenster schaute. Ihm hat d. Michelsonbild einen großen Eindruck gemacht  ; er hält die ehemals Giorgione genannte Frau mit dem Tuch in d. Händen für einen übermalten Raffael. Uns hat das sehr interessiert, da wir beim Michelsonschen Bild auch schon einmal an Raffael gedacht hatten. Das müßte aus Raffaels Sebastianozeit sein …64 Ein Photo d. gereinigten Bildes bekommen wir bei Anderson … Auch De Rinaldis glaubt nicht, daß d. Männerportr[ät] von Dürer ist. Er sprach sehr vernünftig darüber … Wir schlenderten dann zu Bastianelli, schlenderten, weil es so früh war u. trafen ihn auf d. Gasse, gingen mit ihm ins Haus. Der 72jährige Mann ist ein Wunder  ! (Seine Schwester ist vor 20 Tagen †). So merkwürdig kindlich primitiv – u. daneben diese eiserne Willenskraft u. Leistungsdrang u. Leistungsfähigkeit. Er baut jetzt in Genua u. Lissabon, in Buenos Ayres u. Bombay Hafenanlagen etc. In Rom hat er ganz nah von seiner Wohnung ein ganz modernes Haus gebaut, in dem er auch sein Geschäft hat. Und in Grottaferrata eine Villa, die wir nächstens (Übermorgen) besuchen sollen. Er war tief ergriffen über die Ereignisse u. sprach es ganz spontan aus  : Wien unter Berlin  ! Zuhause haben wir eine Karte vom Portier überreicht bekommen, die aber nicht an uns adressiert war. Es war eine Ansichtskarte, französisch, an eine Dame, geschrieben von Frits Lugt  ! So ein merkwürdiger Zufall  ! Jetzt schreibt H[ans] 214

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Briefe, ich hab erst d. Photogr[aphien] durchgesehen u. d. Neue Zürcher Z[ei]t[un]g gelesen. An was man sich nicht alles klammert  ! Mein Gott –65 16. März. Gestern haben wir vormittag in d. Corsini ein Dutzend Photos gemacht u. sind dann in d. Kapitol[inische] Pinakothek, d. wieder sehr interessant war. Leider sind die Bilder lange nicht so gut gehalten, wie in d. Borghesegal[erie]. Im Gärtchen vor d. Museo Mussolini haben wir uns auf einem Stein sitzend in d. Sonne ausgeruht. Am Nachmittag waren wir im österr[eichischen] Institut, das als kaum zugänglicher Neubau mit aufgerissenen Straßen ringsum u. innen noch nicht ganz fertig vis à vis von Papa Giulia steht. Sehr hoch, römisch-rot, ein Kubus mit zwei Bronzefiguren d. Hauptportal aus Glas flankierend. Nicht erstklassige Architekturleistung, aber immerhin gute Schule, eindrucksvoll. Dengel hat viele Jahre sich Mühe gegeben, dieses neue Haus zustandezubringen. Jetzt ist es fast fertig – was wird damit geschehen  ?  ! –66 Wir sind schon im Dunkel über d. Pincio nachhaus. Um 9h bei Dr Kurt Cassirer, der in d. Via Margutta eine phantastische Atelierwohnung hat. Ein ganz altes Haus, im Hof tut sich ein Ausblick auf eine Art Athosgebirge auf, auf dem in verschiedener Höhe Lichterchen funkelten. Über Stiege, Zimmerkranz, Gartenwege (auf hohem Terrain) kam man an d. Türen d. einzelnen Wohnungen vorbei, die in verschiedenen Höhenlagen d. Hof umschlossen. Ein netter Mann mit einer kränklich aussehenden zarten Frau. Er ist Kunsthändler, hat aber nur drei Steinfragmente von Qualität zeigen können (eine 3teilige Tafel mit Evangelistensymbolen (ohne Engel)), ein Kanzelzwickelfragment, ein Markusöchslein, einen Schlangenmann als Konsolenträger. Alles kampanisch, 13. Die grau geword[ene] Steglich kam auch, ein lieber Mensch, der sich schwer durchschlägt. Derzeit scheint sie Führerindienste d. Baronin Oppenheimer zu leisten. Die alte Frau (83jährig  ?), die noch einmal Rom sehen wollte, kam mit ihrer Jungfer her. Sie hat natürlich nichts von dem Aufenthalt als eine Enttäuschung. Sie kann ja nicht gehen, kaum ein Stündchen im Wagen sitzen. Und jetzt dazu d. aufregende Politik …67 Und heute waren wir in d. Früh ein kleines Weilchen sehr froh, weil ein Brief v. Trude – d. erste Nachricht seit d. 11. [März]  ! In d. Galerie von S. Luca war nichts besonders erfreuliches, am unerfreulichsten allerdings die von Lazzaroni hingestifteten Bilder. Um ½ 12 holte uns Bastianelli mit seinem Wagen ab u. wir fuhren nach Grottaferrata in seine neue Villa. Sie ist in wundervoller Lage auf einem hoch ansteigenden großen Terrain, das erst ein richtiger Garten werden muß. Ein kürzlich erst gekauftes altes Bauernhaus daneben (d. Familie mit ihren vielen Kindern war ihm zu nah an d. Leib gerückt) macht sich sehr gut. Es muß noch innen hergerichtet werden. Bastianellis Haus ist eines Wasser- etc. Ingenieurs wirklich würdig. So weit ich es gesehen habe, hat es vier Badezimmer. Und wie herrlich eingerichtet  ! Beim Zimmer d. Herrn, der mit seinem Diener im obersten Stock wohnt (mit Wohnzim215

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mer u. Terrassen) eines u. bei jedem der 3 Fremdenzimmer auch eines. Es gibt auch einen Aufzug durchs Haus u. im Garten ein Wasserreservoir, das eine imponierende Wassermenge faßt. Und was sonst  ? Teppiche Möbel u. Bilder, alles d. Geschmack d. Hausherrn bezeugend. Es ist kein einziger Gegenstand, der nicht von ihm ersonnen u. bestellt wurde. Nun, ein Geschmack ist immer etwas, das nicht jedermanns Sache sein muß. Meiner z. B. ist anders als seiner. Aber es ist alles komfortabel u. reichlich geboten, und er hat eine wirklich empfundene ästhetische Freude dran …68 Wir waren dann noch – aufgeforderter Maßen – auf d. Quästur, aber es war nicht d. richtige, wir müssen auf eine andre gehen, um unser Aufenthaltspapier zu bekommen. Und schließlich nach heftigen Hemmungen in d. Hertziana. Wir sprachen nur Dr Schudt (Prof. Bruhns war bei einem Vortrag im Archäol[ogischen] Institut). Der dort gleichfalls angestellte Dr Degenhart bat uns, vorgestellt zu werden. Es war alles eitel Liebe u. Griesschmarrn – wir aber waren zurückhaltend wie nur möglich. Zuhause fanden wir direkte (vom Vogel, der fiebernd in Paris liegt) u. über Wien gelangte Post, die noch Stoffels Hand auf d. Umadressierung zeigt.69 17. [März] abends. Es ist noch immer herrliches Wetter. Wenns das nicht wäre, tät man so überschnappen. Aber heiß wars auch, richtig Frühling. Wir waren früh in d. Colonnagalerie, die wohl öde ist. Nachher im Vatikan, dessen Pinakothek wohl sehr bedeutend ist – sogar für uns. Aber doch nicht genug, um seine Sorgen zu vergessen. Die Six­tin[ische] Kapelle ist immer noch in ristauro. Man hat gar keinen Eindruck davon bekommen. Sie sah aus wie ein Stummel von einem Arm. Am späten Nachmittag waren wie am Pincio spazieren, bis d. Sonne unterging. Wir sahen hunderte von behaarten Raupen, die sich auf Häufchen begatteten u. dann in langen Schnüren sich fortbewegten, immer so 40, 50 – die einen langen Wurm bildeten. Abends wurden in d. Hertziana Photos angeschaut …70 18. [März] (Heut abends ist unser Schicksal gerade eine Woche alt.) Wir waren in d. Cit, haben Geld geholt u. d. Bahnkarte nach Neapel. Dann bei Doria, wo doch viele interessante Bilder für uns sind. Vor d. Bild d. Velazquez erklärte ein gebildeter Herr seiner Begleiterin  : „Und dieser Papst Innocenz X., der so ein Bild sich hat malen lassen können u. solchen köstlichen Rahmen, sehn sie mal d. Rahmen – als er starb, war kein Pfennig in d. Kasse  !“ Um ½ 12 hatten wir uns bei Hermanin angesagt, er war aber so besetzt, daß wir in d. Museum hinaufgingen. Kurz darauf kam er uns nach, d. h. er zog an uns vorüber, eine ganze Gruppe hoher deutscher Militärs, in Braun u. Schwarz, mit Armbinde u. Ordensbrust, durch d. Museum führend – jagend. Sturmschritt. Sogleich waren wir überholt  ! Aber Hermanin hatte uns erspäht u. war – kaum war die Führung erledigt, zu uns zurückgekommen. Er sprach herz216

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liche Worte der Teilnahme u. bot uns seine Hilfe an, da wir doch noch 2 Monate im Lande blieben, sollten wir uns seiner bedienen u. s. w. Inzwischen war es eins geworden u. wir speisten auf d. Forum. Das Haus Via del Campidoglio 5, in dem d. H[ans] 1903/4 wohnte, steht noch immer, überhaupt ist d. Blick auf Rom von dieser Stelle im Wesentlichen unverändert. Wir saßen in d. Sonne, während so etwas wie ein Gewitter sich zusammenzog. Als wir dann Prof. Engel besuchten, der gleich neben d. Forum wohnt u. eine köstliche Terrasse auf d. Dach hat mit Ausblick auf d. Palatin, da zerstreute es sich wieder. Die Frau war mir sehr sympathisch. Er weniger. Prof. Brunner u. auch d. Frau hatten ihnen sogleich nach d. Katastrophe freundliche Worte d. Teilnahme geschrieben …71 Wir haben oben die ersten Wiener Zeitungen neuer Ära gesehen. Nicht einmal die Nachricht von Feys Selbstmord steht drin. Abends gingen wir nur kurz zu Anderson unsere bestellten Photos abholen. Sonst nichts. –72

Abb. 62  : Heimwehrführer Major Emil Fey, um 1932.

19. [März] S. Guiseppe (Feiertag  !) Ich hab mir gestern abends auf d. Straße gedacht  : Wenn ich ein Geldstück find, ist das ein gutes Zeichen. Ich hab zuhause auf der Bettdecke 50 ct. gefunden  ! Und heute früh kam d. erste Nachricht von Burgel aus d. Schweiz. Und heute mittag eine Karte von Stoffel aus Zürich. Wir waren über diese erlösenden Nachrichten ganz kopflos. So eine Befreiung. Man kann wieder atmen. Der Tag verging darum sehr unkunsthistorisch. Nur in d. Borghesegalerie waren wir. Sonst sind wir in praller u. halber Sonne im Garten gesessen u. haben Karten u. Briefe geschrieben, die sich meist um B[urgel] bewegten. Bis zu Kati haben wir ihren tapferen Durchbruch gemeldet. Und natürlich auch an Anderl in d. Osten. Also weltumspannend es hinausposaunt. Nach Wien an d. Großmama eine getarnte Karte darüber …73 Und dann sind wir – wie wir es seinerzeit gelobt hatten – richtig in den Perlen d. Krone gewesen. Es hat uns sehr entspannt, obgleich d. Film einheitlich ins Italienische übersetzt, sicher sehr gelitten hat. Jetzt noch ein Schlafmittel u. morgen wollen wir dann nach dieser Woche der Chocs u. Ängste ein neues Leben anfangen.74 20. [März] Schon im Bett, Neapel, Albergo Jacheo (primitiv, aber anständig). Heut früh kam d. angekündigte Brief von Stoffel aus Zürich, er ist etwas ausgeruht, aber im217

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Abb. 63  : Palazzo delle Regie Poste, Neapel, 1937.

mer noch in seinen Nerven stark erschüttert. Erzählt einige Ereignisse auf, wie sie nachts T[ante] Rosa ausgeplündert haben, wie sie nach d. Hausdurchsuchung bei uns (Schutzbundwaf­fen  !) enttäuscht nichts gefunden zu haben, von ihm Geld wollten, ihm 450 Sch abgenommen haben, wie er dann mit ihnen in d. Kaserne gegangen ist u. dort d. Geld nach Verhandlungen wiederbekommen habe („6 Döblinger Nazi – Rowdies oder wirkliche S. A.?“), wie er nach schwerem Kreuzverhör mit bloßen 20 Sch und 25 Schw[eizer] fr. über d. Grenze kam. Gustav Schoenberg verhaftet u. s. w. Wir haben dann gepackt und sind spazieren gegangen. Haben auch in d. 2. Kirche (Teresa) d. Palma Bild aus d. Ridolfi vergeblich gesucht. Haben gegessen, geruht u. sind abgereist. Die (elektr[ische]) Bahn geht knappe 3 Stunden u. das ist ein gewöhnlicher Zug, es gibt auch schnellere. Wir wollten dann, da wir keinen Plan besitzen, durch einen Abendspaziergang ein wenig Orientierung bekommen. Das war aber sehr unerquicklich, denn d. Hauptstraße war von Trottoir zu Trottoir und der ganzen Länge nach (vielleicht 1 ½ km) aufgerissen, als hätte eine Schlacht drinnen gewütet. Die ganze sonntägl[iche] Bevölkerung tanzte Seil über die gelegentlich stehenden Geleise u. Eier über d. gelegentlich stehenden gelblichen Ecksteine. Es war wahnsinnig enervierend. Die Post ist ein Riesenneubau aus lichtgrauem Marmor mit starken hori­zon­t[alen] Gitterstäben als Hauptmotiv. Wir endeten dann in einer kleinen Trattoria (Genovese) die sehr appetitlich u. wohl zubereitetes servierte u. sich im Verlauf als eine Art Familienpuff herausstellte. Neben H[ans] saß eine Kupplerin, wie sie nur Goya hätte malen können.75

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21. [März] abends (im Schreibzimmer, das eigentlich d. Stiegenhaus ist). Ein sehr anstrengender Tag  ! Früh die Gemäldegalerie, die unendlich groß ist u. – wie man uns erzählt – noch größere Depots hat. Die Z[eichnung]ens[amm]l[un]g ist, wenn man d. ausgezeichnete (ausgestellte) Auswahl abrechnet, nichts wert – was Venezianer anbelangt. Unter d. ausgestellten eine wirkliche Jacopo Tintoretto Ölskizze, ganz anders als die im Bri­ t[ish] Mus[eum] u. viel ähnlicher i. d. Leichtigkeit d. Technik mit d. Oxford Skizze, die Hadeln irrtüml[ich] d. Domenico gab. Wir haben von allen Blättern Photos bekommen, bez[iehungsweise] versprochen bekommen. Der Direkt[or] Ortolani (etwas grauer als vor 5 Jahren) war sehr nett. In Gegenwart d. Aufsehers sprach er sich ganz eindeutig über das heutige Regime u. d. Gewaltstreich mit Österr[eich] aus. Wir sagten natürlich nichts dazu. Benesch war vor wenigen Tagen hier – er hatte d. Bilder zur Ausstell[ung] Napolianischer Malerei d. XVII., XVIII., XIX. Jhs. im Castello Angioino gebracht. Er hätte gesagt, Wien bleibe doch Wien, was Ortolani bestritt, überhaupt seinen Optimismus für etwas vorgemacht hielt. Wir aßen dann Mittag in einem Gärtchen beim Museum an einer kleinen runden Fontaine in der es Wasservögel gab. 5 Mann hoch, die Kinder nicht mitgezählt, auf einem kurzen Bänkchen, das für höchstens ein lauschiges Paar gebaut war. An d. Brüstung d. Fontaine wartete schon einer, bis jemand von unserem Bänkchen aufstehen u. ihm platzmachen würde. Kinder bloß- u. schwarzbeinig. Gut angezogene Mäderln in hohen Gummistiefeln. Offenbar haben sie nur solche Beschuhung gegen d. Regen. Und d. Sonne schien. Hier ist noch richtig zerlumptes altes Italien u. schaut gierig nach unserem Essen – traut sich aber nicht zu Betteln. Nachher noch einmal in d. Galerie u. dann hinüber zur Mostra, die noch keinen Katalog hat u. kaum Aufschriften, aber endlos groß ist. Das 19. haben wir kaum mehr gesehen, aber d. früheren Jahrhunderte sehr lehrreich gefunden. Todmüde nachhaus u. auf ein Stündchen ins Bett  : In d. Nähe genachtmahlt, in einem ganz kleinen, sehr netten Beiselchen, herrliche Calamaretti fritti mit Salat u. Rotwein. Es besteht erst seit einer Woche u. d. junge Wirt ist ein Deutschböhme, der Koch in d. vornehmsten sizilian[ischen] Hotels war. Wir haben ihm herzlichst Glück gewünscht …76 24. [März] vormittag (Wir warten in d. Uffiz[ien] auf erbetene Z[eichnung]en) Lange nicht ­geschrieben  ! Vorgestern war d. Reisetag von Neapel herauf, mit Pause in Rom von ein paar Stunden. Ankunft in Florenz erst um 11 nachts. Burgs im Hôtel Metropole, wir im Universo. Wir sahen uns erst am nächsten Morgen. Das war gestern. Fortsetz[ung] Dopolavoro. Erst gingen wir – wieder ist d. Stadt ganz aufgerissen – zum American Express, wo wir von Stella einen lieben Brief fanden u. von Anderl einen. Nichts von d. Kindern. Dann trafen wir Burgs u. machten mit ihnen eine Vormittagspasseggiata, die als äußeres Ziel d. Casa Visani u. als inneres Ziel unsere Lage hatte. Sie boten 219

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Abb. 64  : Florenz – Fratelli Alinari, Florenz.

uns in sehr freundschaftlicher Weise ihr Haarlemer Haus mit allem, was dranhängt, als Sitz f. d. Zeit zwischen Ascona u. – Amerika an. Nach Tisch suchten wir uns ein Zimmer. Agenzia Lega mit einem optimist[ischen] Dicken u. pessimistischen Dünnen, jener schwarz u. 40jährig, dieser grau u. 60jährig, beide an 2 nebeneinander stehenden durchsichtigen Schreibtischen vis-à-vis vor uns sitzend, wie aus einem Stück von Molière. Die einzig in Betracht kommende Wohnung am Angolo d. Piazza del Pesce, also direkt am Ponte Vecchio, war wie eine Folterkammer von Geschmacklosigkeiten. Daß ein Zahnarzt drin wohnte, war kein Zufall. Nota bene 4 Fenster nach allen Seiten, den tobenden Verkehr ein einziges Geschoß tiefer hereinfangend. –77 Eine zweite Agentur brachte uns drei Adressen, von denen wir gleich d. erste in Angriff u. Mühe nahmen. Zwei sehr junge ganz allein stehende Mädchen Cesarine u. Annemaria Norfini, Enkelinnen eines Hofmalers, Töchter eines Malers, die jüngere selbst Malerin. Das Milieu ist sehr herzig, sodaß man gern allerlei Unbequemlichkeiten in Kauf nimmt. Wir übersiedelten unsre Koffer aus d. Hôtel, packten aus, 220

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Abb. 65  : Felix Tietze mit Tochter Margarete, Ehefrau Hertha und Sohn „Hanki“, ca. 1938.

hingen auf, legten in Laden, schrieben Briefe. Es war schon Nachtmahlszeit, da kam Cesarina verzweifelt  : wir können heute Nacht nicht da schlafen  ; als sie uns anmelden wollte, kam heraus, daß sie erst um eine Konzession einkommen müsse, das könne erst morgen geschehen u. bis dahin dürfen wir nicht im Hause wohnen. Zur Hölle mit d. Bürokratie  ! Wir packten unser kleinstes Köfferchen mit d. Sachen f. d. Nacht, zogen auf Hotelsuche und landeten heimlich u. verschämt im Hôtel Metropole. Schlichen uns am nächsten Morgen ebenso heimlich u. verschämt mit unserem Köfferchen wieder hinaus (nach einer von einem Hund arg gestörten Nacht) und zurück in unsere Wohnung – die wir nicht bewohnen durften  ! Für alle diese Ärgerlichkeiten wurden wir im American Express durch gute Nachrichten entschädigt. Aus London ein Telegr[amm], daß Stoffel eingetroffen u. aus Paris von Edel ein Brief, daß Burgl mit Genossen angelangt wären. Sie kamen um ½ 1 in d. Nacht bei Edel an, hatten sich über d[iese] Grenze ebenso wie über d. Schweizer-­öster­r[ei­ chische] geschlichen, „aber leichter“ (schreibt Edel) u. er hat sie in Filippas Atelier über Nacht bleiben lassen (Edel war diese 2 Wochen an einer Mittelohrentzünd[ung] krank). Am nächsten Morgen (also 23. [März] früh) hat B[urgel] den Stoffel am Bahnhof abgeholt, der wird eine Freud gehabt haben, er wußte ja nicht, daß ihr auch nur der erste Übergang geglückt war  ! Stoffel fuhr gleich am Nachmittag weiter nach 221

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London. – Dann war noch ein Flugpostbrief von Lili von 11. abends da, ganz unter dem ersten Choc, den sie dank d. später aufgehenden Sonne schon am 11. früh erfahren hatte. Dadurch hat sie ihre Reise auch nicht angetreten u. fragt, ob sies überhaupt tun soll. Sie käme nur, wenn sie auch Mama nach Sao Paulo gleich mitnehmen könnte …78 Wir haben unsre Arbeit begonnen. Es war uns ein wenig sehr ungemütlich vor diesem Riesen–, ungesichteten Material. Aber das kann am ersten Tag nicht anders sein. Wir speisten wieder mit Burgs, die sich am Nachmittag auch bei d. Z[eich­nun­ g]­en aufhielten, holten dann Geld bei d. Cit suchten einen Kunsthändler auf, der abgesperrt hatte u. sitzen jetzt zuhause. 25. [März] Heut kam ein Brief vom Felix aus Dieppe, man hat ihn u. Hanki nicht in New Haven hineingelassen  ! Er mußte zurück. Furchtbar. Er bittet uns, Hertha mitzuteilen, daß alles in Ordnung ist, er hofft in wenigen Tagen die Reise erfolgreich antreten zu können. Gleichzeitig regt Amerika an, daß d. Länder d. aus polit[ischen] Gründen Emigrierten unter leichteren Bedingungen aufnehmen sollen. Diese Nachricht ist gut. Ebenso ein Brief von Cook, der Hoffn[ung] auf Toledo eröffnet. Wir haben gut gearbeitet, immer noch im Quattrocento u. Anf[ang] XV. (Giorgionegruppe, Carpaccio). Mit Burgs wieder Mittag gegessen – sie sollen heute abends unsere Gäste sein …79 26. [März] (Dopolavoro) Die „festa“ ist sehr gut verlaufen  ; Burg war sehr übererregt, er hat Generalvollmacht über d. Reifenbergsche Vermögen u. so viel Ärger mit d. Söhnen. Wir haben heute früh eine reichliche Post gehabt. Erfreulich d. erste Brief von Burgel u. von Stoffel, weniger daß Felix anscheinend nach London muß, nicht mehr nach Wien zurückkann u. aus seinem Dieppe nicht weiter kommt. Wie wir jetzt gehört haben, war das nach England Hineinkommen auch für Stoffel nicht leicht  ; er war in Folkestone 24 Stunden interniert, bis ihn Stella nach langem Bohren im Home Office bis Hoare hinauf herausholte. Jetzt hat er seinen Aufenthalt für 3 Monate bekommen u. ist selig. Wir haben in d. Uffizien nur bis eins gearbeitet, waren nach Tisch in d. Gallerie (sehr genußreich) und dann in ein paar Kirchen  ; schließlich bei Brogi, wo wir Zeichnungenphotos durchsuchten u. bestellten.80 28. [März] Gestern Sonntag, bin ich nicht zum Schreiben gekommen. Wir waren früh im Bargello, in d. Domopera u. in d. Accademia, wo noch immer die herrlichsten Michelangelo-Originale neben d. Gipsabgüssen stehen  ! Nach Tisch haben wir Burgs im Hotel abgeholt u. sind nach Fiesole gefahren. Wir mußten stehen, so voll war d. Vehikel, nahmen aber oben dann um 2 L. Entrata ins röm[ische] Theater (d. h. wir hatten so222

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Abb. 66  : „Und bin ich jetzt auch heimatlos“ – Gedicht von Anderl Tietze im Tagebuch (Originalgröße: 10 x 16 cm).

gen. d. gültige Tessera) u. versaßen d. Nachmittagsstunden in d. milden Sonne dort. Nach einer Jause gingen wir zufuß nach S. Domenico und fuhren dann in d. Stadt. Das Eßlokal war leider sonntäglich voll u. laut u. die Nacht nachher, zwar sehr früh begonnen, unerquicklich.81 Heut kam ein herzergreifender Brief vom Anderl. Der Abschied von d. Heimat geht ihm sehr nahe. Er schickt uns ein kleines Gedichtchen, daß ihm eingefallen  : Und bin ich jetzt auch heimatlos, Ich weiß doch noch was klein was groß Was schlecht was gut, was falsch was wahr Ich trag in mir der Bäume Maß Wenn mich der Garten auch vergaß Der meine Jugend war. 223

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Wenn ich das Gras nicht schere Versinkt darin der Kies Der Nußbaum bleibt im Nebel Es schläft das Paradies. Wir haben heute zum letztenmal mit Burgs zu Mittag gegessen, die gleich nachher nach Rom abgereist sind. Im Vorübergehen bei dem Brunnen auf d. Piazza della Signoria sahen wir zu, wie sich ein junges Mädel von dem dort postierten Cameramann aufnehmen [ließ]. Sie mußte jenseits der Kette einen der am Rand lagernden Bronzemänner umarmen. Sie tat es u. legte ihre rotlackierten Fingerspitzen um seinen Arm. Da aber auf diese Weise die anstößige Partie d. Figur auch auf d. Platte gekommen wäre, hatte sie ein rosaeingewickeltes Paketl ihm auf d. Schoß gelegt, das als Feigenblatt wirken konnte. Nach d. Arbeit gingen, d. h. fuhren wir zu Sansoni u. holten uns dort unser längst fälliges Honorar, das nach allerlei Abzügen 239 L. ausmachte. Dann haben wir aus d. Alinariphotos ein paar Dutzend ausgemacht, die uns Aufnahmen ersparen sollen. Daheim fanden wir d. erste direkt an uns geschickte Post vor u. a. einen langen Brief mit Formularen, die ausgefüllt werden müssen, aus London von einer wissenschaftl[ichen] Hilfsstelle. Die haben schnell geantwortet. –82 29. [März] Das war ein tiefblauer Morgen nach einer wundervoll durchschlafenen Nacht, die einiges nachgeholt hat  ! Wir haben am vormittag wieder photogr[aphiert], aber das eigentlich unpraktisch gefunden. Erstens ist da der Studierraum ziemlich frequentiert u. zweitens ist d. frischeste Zeit dadurch für d. eigentlich wissenschaftliche Arbeit verloren. Diese war heute sehr ergebnisreich  : wir fanden eine Z[eichnung], die nicht nur zur „Gruppe“ („Greco“, „Tintoretto“) gehört, sondern genau mit dem herrlichen Blatt vom Lugt mit d. Kreuzaufrichtung zusammenhängt. Und diese Zeichnung trägt auf d. Rückseite die augenscheinl[ich] gleichzeitige Namensaufschrift  : Alessandro Maganza. Nach dem uns zur Verfügung stehenden Material ist das ein schrecklicher Maler ([…]). Aber würde das nicht d. Erklärung dafür sein, daß wir kein einziges Bild, das mit d. Gruppe zusammenhängt, in irgendeinem europäischen Mus[eum] gefunden haben  ? Er war eben nur ein genialer Zeichner – ähnl[ich] wie Palma Giov[ane], der ja auch als Maler fast immer eine Enttäusch[ung] ist …83 Wir waren nach d. Arbeit beim Photogr[aphen] Cipriani, wo wir eine Schippel* Photos einkauften. Dann im Kunsthist[orischen] Instit[ut] (Piazza Sto Spirito 10), wo wir von Dr Haftmann sehr liebenswürdig empfangen u. herumgeführt wurden (da Dr Kriegbaum bis zum 3. April in Berlin ist) u. uns auch gleich zur Arbeit setzen konnten. Was sonst noch  ? Briefe Briefe Briefe schreiben.84 * Stoß

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30. [März] Wir haben viele Photos gekauft, die uns das Selbstphotogr[aphieren] etwas ersparen. Georg schrieb aus London, eigentlich energisch u. hoffnungsvoll. Über Bettina, daß sie sich mit Lampls u. Wlachs in London als kunstgewerbl[iche] Werkstätte auftun wolle. Und woher das Permit nehmen  ?  ! Die Arbeit stellt uns jeden Tag vor neue Rätsel. Jene Aufschrift „Maganza“ scheint zwar alt zu sein – aber ist sie auch eigenhändig  ? Haben wir nur neue Beispiele für unsre „Gruppe“ gefunden oder wirkl[ich] auch d. K[ün]stler  ? Wir waren bei jenem Antiquar, der eine Büste Messerschmidts (als Tacca) haben sollte, die wir wenn möglich für Burg erwerben sollten. Er hat uns d. ganzen Laden gezeigt, aber wir haben d. Büste nicht gefunden  ! Wir haben auf alle mögliche Weise danach gefragt, er hat aber nichts von d. Büste gewußt. Dann haben wir in einem anderen Geschäft Z[eichnung]en angesehen, aber kaum was rechtes gefunden (das meiste 19. Jh.). Nur eine kleine aber herzige Federzeich[nung] aus d. M[itte] d. 15. Jhs hat uns gefallen, ein Jupiter nackt über 2 Putten mit 2 Engerln sitzend, der d. Fuß auf einen hinuntergeschmetterten Saturn stellt, der einen Kopfsprung zu machen scheint. – Ein 2. Blättchen dazugehörig, ein Mann einen Baumstamm, d. h. Baum haltend mit Aufschrift DEMIPHON. Wir wollen d. Sache noch nachgehen. Heut kam ein rührender Einladungsbrief von Franzens Vater …85 31. [März] Ich bin heut bisserl matsch*, will nur kurz schreiben. Früh ein Brief von Stoffel mit 1) 2) 3) bis ich weiß nicht wie viel. Aber im ganzen ein bißchen sehr trocken. Da wir aber wissen, wie stolz er gerade darauf ist, daß er so „sachlich“ etwas „erledigen“ kann, so wirkt es nur komisch. Die Einreise d. Fixlein scheint jetzt durchgesetzt zu sein, er mußte sich nur verpflichten, nicht als Arzt, sondern als – Übersetzer seinen Lebensunterhalt zu verdienen. 9 Tage hat er in Dieppe darauf gewartet  ! –86 Wir halten jetzt bei der Tintoretto-Cartella. Überwältigend – und eine Riesenarbeit. Die wird uns sicher mehrere Tage kosten, bis wir nur durch das Material gekommen sein werden. Wir fanden eine Zeile von Prof. Bianchi Bandinelli vor (Prof. d. Archäol[ogie] in Pisa), daß er uns in seinem Hause erwarte. Wir gingen um ½ 5 zu ihm (Via S. Nicolo 95), er wohnt in einem köstlichen Palazzo, die ganze Wohnung (sehr kultiviert eingerichtet) auf der eine große Terrasse, die ihrerseits wieder auf einen steilen Garten geht, der ganz voll blühender Sträucher war. Man sah aus großen Fenstern hinaus wie in ein Pflanzenaquarium. Der Professore ist Mitte 30, spricht glänzend Deutsch, hat er doch in Groningen ein paar Semester lang deutsch[es] Kolleg gelesen. Im Handumdrehen war man im Gespräch bei d. aktuellen Fragen angelangt, bei deren Besprech[ung] weder er noch seine Frau sich eine Reserve auferlegten. Wir klagten ihm unsere vergeblichen Bemühungen, von Ragghianti d. Photos zu * erschöpft

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Abb. 67  : Mussolini und Hitler bewundern Canovas (1757– 1822) „Paolina Borghese“, dahinter Ranuccio Bianchi Bandinelli, Mai 1938, Galleria Borghese, Rom.

bekommen u. fragten nach unserem Aufsatz, den ihm Ragghianti geschickt hat. Er hat ihn nie bekommen. Es sei nicht das erstemal, daß Raggh[ianti] sich so benehme, er hätte ihn schon längst fallen gelassen, aber das Redaktionsgehalt sei Raggh[ianti]’s einziges Subsistenzmittel (da er kein P[artei] G[enosse] u. darum nicht öffentlich angestellt werden könnte), er würde es ihm gerne zukommen lassen, unter d. Bedingung, daß er sich nicht mit d. Redaktion befasse u. s. w. Nächstens fahre er nach Rom u. wolle bei Raggh[ianti] Hausdurchsuchung machen etc. Wir tranken Tee u. fühlten uns wohl. (Es gibt nur eine Nation, das ist die auf die Gemeinschaft von Interessen gegründete). Im Kunsth[i]st[orischen] Institut Photos (Tintor[etto]) durchgesehen, d. S[amm]l[un]g ist gut. Glaser war da, Hans hat ihn kurz gesprochen. Direkt zum „Oreste“, von wo wir jetzt – gegen ½ 10 – heimkehrten. Unsere Signorine liegen schon im Bett, d. Wohnung gehört uns allein.87 1. April (Und niemand hat mich hinein geschickt  !) Das einzig abwechslungsreiche ist unsere Post. Die Arbeit – jetzt d. Tintor[etto]zeichnungen – geht langsam weiter  ; das Material ist so ungeheuer – und schwierig. Wir sind (dank d. Liebenswürdigkeit d. Giglioli) eine Stunde über d. Sperrzeit geblieben u. haben im Institut gleich d. Durchsicht v. Tintorettophotos u. Palmaphotos angeschlossen. Bei dieser Gelegenheit eine Darmstädter Reiterzeichn[ung], die wir immer schon f. einen Palma gehalten hatten, mit Palmas Apokalypt[ischen] Reitern festlegen können. Im Instit[ut] haben wir auch 226

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Kurt Glaser gesprochen, der uns zu sich für morgen einlud. Er sieht sehr schlaganfällig aus. Zimmermann soll über sich selbst eine Disziplinaruntersuch[ung] beantragt haben u. inzwischen suspendiert sein, Graf Baudissin wäre gleich in d. ersten Tagen in Wien gewesen u. hätte dort d. moderne Gal[erie] geschlossen – solle übrigens auch selbst jetzt wackeln. Er wußte sonst nichts näheres. Wir konnten ein paar Photos ausborgen, die wir in d. Uff[izien] vergleichen wollen – das wurde uns gestattet, eine Ausnahme, daß es überhaupt geschieht. Man will hier viel gut machen.88 2. April (Burgs schreiben, daß sie sich auf d. Durchreise noch einmal aufhalten, sie kommen heut abends nach Florenz u. wollen d. Sonntag mit uns verbringen. Hans bringt Frau Margret jetzt ein Büschel […] zum Willkommen, das unsre Signorine als Veilchen […]gezogen haben.) Wir sind mit d. Tintor[etto] im Großen durch  ; es fehlen noch d. grands morceaux d. S[amm]l[un]g Santarelli u. d. im Passepartout. Ab Montag wird d. Kabinett geschlossen sein, da sie eine neue Austell[ung] – deutsche Z[eichnun­g]­en u. Stiche – herrichten  ; Giglioli hat uns, ohne daß wir darum baten, einen ebenso großen Tisch in einem anderen Raum eingeräumt. Wir waren Nachmittag im Pitti u. haben in d. Nymphe von Dosso ein Stück Malerei gefunden, das in d. Tat mit d. Michelsonbild d. größte Verwandtschaft zeigt. Ja, noch in d. späten Bambocciade ist in den Männerköpfen etwas von seiner Starre zu finden. Dann sind wir piano piano die Via Foscolo von d. Porta Romana aus hinauf, bis ans Ende u. dann Via Marignolli u. von dieser nach paar Schritten in d. Via Piana, wo auf Nr. 8A ein Gartentor ist, u. im Garten drinnen, weit weg vom Tor das Haus, das Glaser von einer Engländerin gemietet hat. Die Lage ist einzig schön. Wir jausneten im Garten u. gingen dann in die sehr nett eingerichtete Wohnung. Die Frau kam erst etwas später, er erzählte uns indessen, wie sich seine Stellung nach u. nach gelöst hat, wie es sich mit seiner Pension verhält, u. andres über deutsche Rechtsgepflogenheiten, die uns unbekannt waren. Die Frau hat ein feines Gesicht, ist ein wenig auf pervers hergerichtet, aber anscheinend eine gute Wirtin. Wir blieben bis es zu dunkeln begann u. versprachen einmal abends wiederzukommen. Es war ganz nett und ganz ohne Fachgesimpel. Was hätten wir auch für Gemeinsamkeiten auf diesem Gebiet haben sollen  ?  ! Zuhaus war von Anderl eine liebe Karte  : er wollte d. Trude schreiben, daß sie seine Münzensamml[ung] zu Geld machen solle u. dieses f. d. Haushalt verwenden solle. Und ob er ihr 10 Sch., die er mithatte, zurückschicken dürfe, ohne sich devisenrechtlich damit zu versündigen.89 4. [April] früh (Gestern kamen wir erst um 10h nachhause u. schrieben noch Briefe u. a. an Frau v. Winter, Schwiegersohn †). Der Sonntag anstrengend wie immer. 1.) Museo Bardini – mit geringen Ausnahmen wirklich der Lagerrest, der diesem Antiquitätenhändler 227

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übrig geblieben ist. Dann St. Croce, schließlich Uffizien. Zumittag trafen wir Burgs im Oreste, die von ihrem röm[ischen] Aufenthalt wenig befriedigt waren. Wir flogen nachmittag gegen Impruneta zu aus. Kamen aber nicht bis hin, da uns d. Abend überraschte. Ich bin ganz verliebt in diese Landschaft. Heute kam Nachricht von Trude, daß sie endlich zu Geld gekommen ist  ! –90 (Abends). Und von Weixlgärtner Neues aus d. Museum. Soll ich auf Stix schon den Nekrolog schreiben  ?  ! Wenn er nicht mehr organisatorisch drüber schweben kann, wird er d. Weg zurück in d. Wissenschaft finden  ? Oder wird er ganz versiveringern  ? …91 Wir haben heut im Gabinetto bei versperrter Türe ganz allein u. ungestört gearbeitet. Palma Giov[ane], der hier sehr reizvoll vertreten ist. Natürlich sind wir nicht fertig geworden. Um vier Uhr holten uns Burgs ab  ; eigentlich hätte d. Frau schon um ½ 12 fahren sollen u. wir hatten schon gestern abend von ihr Abschied genommen. Sie aber hatten sichs umüberlegt u. die gemeinsame Abreise am späten Nachmittag beschlossen. Wir sahen noch eine Messerschmidtbüste bei dem Antiquitätenhändler an, von dem er uns früher eine falsche Adresse gegeben hatte. Sie ist sehr gut. Der scharfe Geruch, ein schöner Bleiguß, der im Aufsatz d. Kris nur nach d. Abguß in Gips reproduziert ist. Es wurde mächtig gehandelt, aber zwischen 4000 einerseits u. 3000 andererseits kam es zum toten Punkt. Dr Burg wird auf unseren Rat d. Stück erst d. Vict[oria] + Albertmus[eum] anbieten, bevor er d. Handel perfekt macht. Dann brachten sie uns per Einspänner zum Institut u. waren noch anwesend, wie wir eine d. Parmig[ianino] zugeschrieb[ene] Z[eich­nung] in d. Wiener Akad[emie] mit d. Piazza S. Spirito beim Aussteigen identifizierten. Dann Winki winki – immer wieder – u. fort. Oben lud uns Glaser für Freitag abends ein – u. – per Teleph[on] – Berenson für Mittwoch Nachmittag. Wir arbeiteten bis Schluß, nachtmahlten bei Oreste u. schrieben dabei ein Karterl an d. Burgl. Jetzt schreiben wir zuhause weiter. Unsre Signorine haben d. Wasser schon aufs Gas gestellt u. sind in d. Klappe gekrochen. Das Haus gehört uns allein. Es war heute ein tiefblauer Tag, aber frisch u. windig. Jetzt hängt ein feines Kipfel am schwarzfunkelnden Himmel.92

Abb. 68  : Tizian, Helm.

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5. [April] Heut war ein guter Arbeitstag (nur vorübergehend durch Gespräche mit Bodmer u. Giglioli unterbrochen). Palma fertig. Die ausgestellten Tintor[ettos] u.

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Tizians zum größten Teil. Der „Helm“ (Tizian  ?) hat eine Rückseite, die schon gar nicht tizianisch aussieht  : schlank, kleinkopfig u. ein Scorzo, das so gar kein Problem mehr ist, daß die Pose wieder ganz einfach werden konnte. Näher an Tintoretto. Vielleicht doch ein Palma  ? Wir blieben bis 5 u. gingen dann ins Institut, wo wir Palma u. anderes ansahen. Ein Tag wie d. andre u. wenn er voll Arbeit war, dann war er gut. Für die Palmwoche erwarten wir Besuch. Erst Hartt, den amerik[anischen] Studenten, dann Mrs. Hartley, die „chiefly“ uns zu treffen am 13. kommen wird. Heut kam wiederum ein Brief vom G. Merkel  ; er will nach Amerika als Lehrer d. Malerei  ! Hans soll ihm dazu verhelfen.93 6. [April] Wir arbeiten weiter, sehr langsam weil die zwei ersten, frischesten  ! Stunden auf Photogr[aphieren] der Tintor[etto] Zeichnungen etc. wegfallen. Wiederum wurden wir zur Questura bestellt u. als wir um ½ 10 hinkamen, war d. Beamte schon fort. Wir sollen morgen spätes- Abb. 69  : Bernard Berenson und Elisabetta „Nicky“ Mariano, ca. tens 9 Uhr dort sein  ! Alles wegen d. 1936. Maientrevue Hitler  – Mussolini. Am Nachmittag fuhren wir zu Berenson nach Ponte a Mensola hinaus (I Tatti). Das Haus ist wirklich bezaubernd schön. Die Lage  ! Der Garten  ! Berenson ist natürlich alt geworden in den Dutzend Jahren, die wir ihn nicht mehr gesehen haben  ; immer noch feingliederig u. hübsch zum Anschauen mit seinem Spitzbart u. d. Fuchsaugen. Signorina Mariano hätt’ ich nicht erkannt, sie ist in d. Breite gegangen. Viele Leute waren da, sicher 8 oder 10  ; meistens Italiener. Aber auch d. junge Frau d. Londoner Gronau u. ein Clemenschüler. Dr Br., ein Enkel d. Münchner Bildh[auers] H., der sich hier durch kleine Kirchenguiden, die er in deutscher u. ital[ienischer] Sprache herausbringt (das Stück eine Lire) einen Einstieg schaffen will. Es war eigentlich ziemlich ungemütlich, […], wie immer wenn man in 3 Sprachen mit Menschen, die man nur einmal trifft, zu verkehren hat. Hans konnte sich doch etwas mit Bibi unter229

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halten, der eine Verbindung zu Mrs. Shapley (wegen d. Chicago Univers[ity] Press) herstellen wird. Es wäre nett, wenn unser Venetian Katal[og] gleich im Anschluß an seine Neuauflage d. Florentiner Kat[alogs] dort erscheinen könnte. Als er hörte, daß Stix gehen mußte, sagte Bibi, daß um den kein Schad wäre  : he was an innkeeper and no scientific man. (Hart, aber in vielem doch zutreffend). Wir gingen bis in die Dämmerung hinein zufuß zurück  ; am Rand d. Stadt erst nahmen wir d. Autobus. So ein wundervoller Abend  !94 7. [April] Heut war einiges – kleines – verpatzt  ; erstens mußten wir früh aufstehen um rechtzeitig auf d. Questura zu kommen u. da waren zum Frühstück d. Semmeln noch nicht da. Zweitens war das bei d. Quästur ein ganz lächerlicher Zeitverlust. Drittens war die „Deutsche Arbeitsfront“ heute geschlossen u. wir müssen morgen wiederum hingehen. Viertens – nein sonst war nichts verpatzt. Wir haben gut gearbeitet, interessante Blätter gesehen u. uns eingesehen. Z. B. d. Tizian von Hadeln zugeschr[iebene] Z[eichnung] d. Lagernden, die Fr[öhlich]-B[um] für eine Tintor[etto]z[eichnung] hielt, ist das sicher nicht. Es hat nichts von Tintor[etto]’s Abstraktheit, sondern ist d. Bildentwurf (vielleicht unter Benützung einer Skulptur) zu einem Prometheus. Man sieht noch deutlich d. Ketten an d. Armen u. den Adlerkopf. Darum auch d. Abwehrgestus d. Hände, der so gar nicht zu der übrigen Greisenruhe paßt. Im Institut trafen wir mit d. Santifaller zusammen, die zum Erschrecken krank aussieht. Der Leiter – Kriegbaum – ist aus Berlin zurück  ; Hans hat sich mit ihm unterhalten. Wir haben wieder einmal zuhaus genachtmahlt, den beiden ragazze, die so einsam sind, den Wurstel vorgemacht.95 9. [April] (Gestern kamen wir erst gegen 11 nachhaus, sodaß ich nicht mehr zum Schreiben kam. Auch nicht zum Briefeschreiben u. es ist ein Luftbrief von Lili angekommen  !) Wir haben in d. Früh d. Buch, das sich Anderl gewünscht hat, für ihn besorgt  ; das wird sein Geburtstagsgeschenk. Die Arbeit im Gabinetto war qualvoll gestört, da sowohl Bodmer als – o Schreck  ! – auch Giglioli unanbringbar waren. Wir haben dann bei einem Händler Z[eichnung]en angeschaut, es war aber nix. Im Instit[ut] gearbeitet, von wo wir mit Glaser in sein Landhaus hinaufgingen. Dort hat erst ein Kamin im Speisezimmer geraucht, dann aber ein Ofen im Wohnzimmer sehr ausreichend geheizt. Es war eine kleine Gesellsch[aft], d. Bruder d. Frau, ein Dr. Pudelko mit seiner Frau (einer Tochter Rebers), die sehr liebe Frau Purrmann, die Strohwitwe ist, da ihr Mann sich gerade in Berlin um d. Weiterführ[ung] d. Villa Romana (die ihm anvertraut ist) bemüht. Sie wurde ihm für ein Jahr zugesagt, bis ein geeigneter Nachfolger gefunden wäre. Wiederum hörten wir, wie sehr Zimmermann wackle  ; man macht ihm im Nachhinein wegen d. Versteigerungskatalog des „Berliner Museums“ eine Disziplinaruntersuch[ung]. 230

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Auch Posse soll schon weg sein – wegen d. Bilder, die er seinerzeit für d. Museum von Lebenden erworben hat. Glaser erzählt uns (aus d. Weltkunst), daß Leporini Leiter d. Alber­t[ina] geworden – wir hoffen, daß diese Nachricht sich nur auf d. provis[orische] Leitung während Reichels Krankheit bezieht.96 9. [April] abends (Noch immer keine Nachricht von St[offel] u. B[urgel] Wir warten schon viele Tage –) Ich hab noch im Bett an d. Lili geschrieben u. d. Zettel an Stoffel geschickt, damit er an sie weiterschreiben u. luftposten kann. Im Gabinetto – heut nur bis 1 Uhr – haben wir Ornamenti u. Ferraresi angesehen u. Tint[oretto] ­weiter pho­to­ gr[a­phiert]. Nach Tisch im Pitti. Dann beim Kunsthändler Volterra, der uns – zwei Tizians zeigte. Das eine, das er leider schon gekauft hat, ist eine Kopie der irdischen Liebe u. z. angelegt auf Alleinsein, in dem daß d. Laubkrone über d. Brunnen gleich nicht gemalt wurde  ; nur sehr wenig Farbe sitzt auf d. Leinwand, also man ist dem alten Tizian ganz an d. Leib gerückt – trotzdem ist d. Liebespärchen r[echts] im Gras, das das – gereinigte – Original sehr deutlich wieder zeigt, ebenso wenig zu erkennen, wie es auf dem Borghesebild vor d. Reinigung noch 1933 nicht zu erkennen war. Die Kanten d. Brunnens gehen deutlich durch d. Finger durch wie auf d. Borghesebild. Doch soll es von Suida expertiziert sein  ! – Das zweite ist eine Andromeda wie die der Wallace-Collection, nur geschönt u. d. ganzen Tintoretto durchpassiert. Ein sehr pikantes Bild, wohl um 1600. Auch dieses ausschließlich auf d. Dame hin angelegt, indem daß diesmal d. Perseus weggelassen wurde u. d. Meeresungeheuer noch unangefochten das Maul aufreißt. Ich fand dort auch d. gewisse mai­länd[ische] Bild, das ich schon (aus einer Vente  ?) gekannt habe u. das eine Frau mit Flügel in d. Hand darstellt u. eine Hieroglyphe d. Horapoll darstellt. Ich will es nächstens im Institut im Giehlow für ihn nachschlagen. Er schickte uns dann (wegen Handzeich[nung]) zu Prof. Clementi in d. Via Maggio –) der in einem prachtvollen Palazzo (Ricasoli) im 1. Stock seinen Laden hat. Wir wählten eigentlich eine Z[eich­nung] aus d. Anf[ang] d. 16. aus, waren aber von einer großen Terracottagruppe von Begarelli ganz entzückt. Ein Museumsstück  ! Es wurde fast sechs, bis wir wegkamen. Wir besuchten dann Ditta Santifaller, die nach Florenz gekommen ist, um sich hier f. d. Prüfung vorzubereiten u. jetzt schon wieder d. 4. Tag fiebert u. zubett ist.97 10. April. Also heute ist der große Wahltag. Dazu hier ein erbärmliches Wetter. Ein kalter Orkan, der allen Staub den d. Restaurierungsarbeiten hier aus der Erde holen, wirbeln läßt  ! Wir waren erst bei d. Eröffn[ung] d. deutschen Ausstell[ung] im Gabinetto, wo wir nur Pfötchen gaben u. uns wieder verzogen. Wir trafen dort Prof. Ganz, der nach einer Führung von 160 Schwizzern (wenn auch unter Assistenz von 6 Kunsthistorikern  !) sich erholte. Im Museum Archeologicum haben wir herrliche Kleinbronzen 231

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gesehen, bei Buonarroti dann die merkwürdig auseinandergehenden Jugen[d]proben. Zum Ausfliegen war das Wetter zu windig u. kalt, so blieben wir sonntäglich Siesta haltend ein Stündchen zu bett, arbeiteten dann ein weiteres Stündchen u. suchten Georgis auf in d. Via Lorenzo il Magnifico 18, die noch heute nach fünf Jahren in d. Erinnerung an Anderl schwelgen. Von ihnen bekamen wir d. Adresse von Anderls Freund Pierre, den wir demnächst ausnützen wollen. Am Rückweg schauten wir zur kranken Santifaller hinauf, in deren kleinem Zimmerl ein Radio aufgestellt worden war, um das sich die übrigen Insassen d. Pensione scharten. Ob das f. d. fiebernde Santifaller das Richtige ist  ?  ! Morgen kommt Carlo Visani zu ihr, sie will doch wissen ob sie reisen kann – soll.98 12. [April] früh Gestern war für uns ein Tag, der Hoffnung machte. Ein Telegr[amm] von TaylorWorcester, daß sich etwas vielleicht im Smith College für nächstes Jahr machen lassen wird. Ein Brief von Frau v. Winter, die meine Andeutung verstand u. auf sie einging. „Ich habe gestern von Ihrem Gatten ein Feuilleton über d. Marienburg im Tagblatt mit großem Vergnügen gelesen  !“ Dieses Feuilleton lag seit 1927 im Tagblatt in d. Redaktion  ! Als große Aktualität für d. Zeit d. Wahlpropag[anda] wurde es jetzt herausgeholt. In d. Uffizien haben wir mit dem Aufarbeiten angefangen. Im Institut hab ich mich mit Kriegbaum unterhalten, dann – im Vorübergehen – Graf Antoine Seilern begrüßt, dem Hans – gerade jetzt – Platten zum Nach-Wien-Mitnehmen ins Hotel bringt. Stoffel schreibt von einem kranken Finger, der geschnitten werden mußte u. ihn behindert. O[nkel] F[elix] mit Hanki auf Weekend gefahren. Nur ein paar Zeilen. Es muß doch ein Brief von ihm verloren gegangen sein.99 Abends. In der Marucelliana (wo wir heut arbeiten wollten) sind bis nach Ostern Reinigungsarbeiten  ; wir gingen zurück in d. Uffizien. Ein Brief von Dr Burg gab uns d. Auftrag, die Messerschmidtbüste für ihn zu besorgen. Wir taten das gleich nach Tisch, d. h. nach d. Nachmittagsuffizien (diesmal in d. Galerie) u. weil wir schon im Kaufen drinnen waren, haben wir die Kreidezeichn[ung] auf Blau, die wir für einen frühen Corla oder späten Ercole de’ Roberti halten, um 300 L (für Burg) gekauft. Pierre Cornell, Anderls Freund aus Paris, holte uns im Institut ab. Er ist ein Dampfplauderer u. wir waren durch eine Karte Trudes nicht darauf gestimmt. Immerhin gingen auch diese Stunden vorrüber. Daß er mit so viel Herzlichkeit an Anderl denkt, macht ihn uns im vorhinein sympatisch. 14. [April] früh. Gestern war ein – finanziell – vielversprechender Tag, diesmal schon Greifbares. In d. Früh ein Brief vom Holbeinverlag, der uns eine à conto Rente auf unser Hono232

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rar geben will u. am Abend ein Angebot aus Toledo (Ohio) für 1939/40 ganz oder halbjährig. Gut gezahlt. Wir nehmen natürlich an, aber mit Aussteigemöglichkeit. In d. Uffiz[ien] haben wir gestern 2 Z[eichnung]en, die als anon[ym] deutsch be­ z[ie­­hungsweise] Bonifazio Veronese lagen, als Arbeiten des Bartolome till oder sill oder fell zusammengebracht (Fell  ?), laut gleicher Aufschrift auf Rückseite. Eine andre Z[eich­nung] ergab abgekletzelt* den Namen Jesse, Maler zu Nerlingen oder Uberlingen, datiert 1496. Eine Monstranz hatte gleichfalls auf d. Rückseite eine gleichzeitige deutsche Zeichn[ung], die sich auf d. ausgeführte Goldschmiedestück (?) bezieht. Dann haben wir mit der 1000 Blätter umfassenden Menge der Paesi angefangen. Der gute Giglioli bringt uns durch sein unaufhaltsames Reden mit uns zur Raserei  ! Wir flüchteten ins Institut, wo wir vor allem d. Photos weiter durchsahen. Um ¾ 7 holten wir Mrs. Hartley ab u. begrüßten auch die Geschwister Visani an der Sperre. Stoffel soll unbeschreiblich „calm“ sein. Es war sehr gut, von ihm erzählt zu bekommen. Wir gaben es an Trude weiter. Ich war am Abend (Toledo, keine Nachricht v. Burgl, etc.) so schlaflos, daß ich nachts ein halbes Phanodon nehmen mußte.100 14. [April] abends. (Noch immer nichts von Burgl  !) Dafür (gibt’s da ein „dafür“  ?) ein sehr ermunternder Brief von Saxl. Wir haben heute in d. S[amm]l[un]g Horne d. Z[eichnung]en durchgearbeitet. Zu unserm Empfang waren drei Herren, darunter Conte Gamba, erschienen, die uns einem Vertrauensmann dort übergaben. Die früheren Venetianer sind in einem Kastel beisammen, z[um] T[eil] interessante Blätter. Wir sahen noch d. Grenzgebiete durch, zuletzt die „Stranieri“ und frühen, unter den Ignoli secl. XIX eine Originalskizze von Tintoretto u. z[war] glaub ich diesmal wirklich von Ja[copo] u. nicht von Do[menico]. –101 Hans war nach Tisch Haarschneiden, dann gingen wir zum Restaurator Markicz am […], der sich in einer ehemaligen Kirche ein Atelier eingerichtet hatte. Leider konnten wir d. Bilder, deretwegen wir kamen, nur mehr in Photos sehen, sie waren schon an Asta nach Venedig zurückgeschickt worden. Wir werden sie uns dort ansehen. Dann fuhren wir zu Mrs. Shapley, die im Villino von I Tatti (Berenson) ganz hoch oben in einem Bauernhaus von 1675 phantastisch wohnt. Wir tranken d. Tee im Freien u. blickten in das blühende Frühlingsland hinaus, während uns d. Duft der Glyzinien, die das Haus umranken, beglückte. Es war eine reine Freude. Und Mrs. Shapley, ein gütiger stiller Mensch, den Leiden innig u. heiter gemacht hat, paßt gut in diese Landschaft. Das Zusammensein tat uns wohl. Die beiden Mäderln (16 u. vielleicht 13) sehen kränklich u. arm aus. Wir gingen ein langes Stück wieder zufuß zurück, bis wir zur Stadtzone kamen, von wo die Filovia nur mehr 50 ct kostet. Zu* abgekratzt

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haus fanden wir die Photos vom Russel-Relief („Michelangelo“) u. einen Zettel von Hartt vor  ; er bleibt nur bis Samstag früh u. möchte uns in Österr[eich] gern etwas besorgen. Er gab eine Adresse an, aber Hans, der gleich hinüberging (sehr nah von uns) fand ihn nicht dort  ! Die Nummer muß falsch sein. Kann man denn so einem Faselhans etwas anvertrauen  ?102 16. [April] früh (Gestern nicht zum Schreiben gekommen). Hans hat Hartt also in d. Früh erreicht  ; er kam mit ihm herüber. Wir werden ihn vielleicht noch in Mailand wiedersehen, jedenfalls haben wir vereinbart, daß er in Wien bei Trude wohnen wird. Wir haben bis um 5 in d. Uffizien gearbeitet u. dazwischen zuhaus endlich von Burgl Post bekommen. Gustl ist gegen Süden abgereist u. Burgls Herz ist darüber fast gebrochen. Armes, armes Mädel. Und doch sind wir so froh, daß sie nicht mitreiste, sondern in Paris bleibt. Trude schreibt uns, daß V[on] d[er] Heydt schwer erkrankt sei, u. wir unsere Reise auf d. Monte Veritá verschieben sollten. Das ist ein wenig lästig, weil alles schon eingeteilt war. Nach d. Uffizien stiegen wir d. Erta Canina hinauf u. besuchten Mrs. Hartley. Wir saßen lange im Garten, es war wundervoll blau oben, alle Nuancen in der Ferne, Glyzinien – u. Flieder duftend in d. Nähe und […] überall. Mrs Hartley brachte uns Zuckerln, Zigaretten u. gab uns einen großen Fliederbuschen mit. Wir kamen zu unserem „Oreste“ wie von einer Landpartie. –103 Abends. Gerade totmüde u. ausgepumpt nachhausegekommen. Ein bisserl mich in Pierres Schreibmaschine einzuschreiben versucht, aber viel zu nervös. Schuld – Pierre  ! Das ist ein Mensch, der einen wirklich umbringt mit seiner Beredsamkeit. Er muß irrsinnig sein. – Heut früh war ein gutes Arbeiten (Fortsetzung u. fast Beendig[ung] d. „Ornamenti“), da Giglioli auf Osterurlaub ist. Dann brachten wir den Malraux zu Glasers hinauf, machten einen gemeinsamen Besuch bei Contini. (Mittw[och] 4h) fix, saßen bei ihnen im Garten in d. Sonne, für ein Weilchen (der leere Kinderspazierwagen stand herum, niemand spricht von d. Kind, das nicht normal sein soll) und zogen wieder ab auf einen anderen Hügel, um bei Pierre Tee zu trinken. Ein entzückender kleiner Bub, eine sehr sympathische, aber sehr häßliche italien[ische] Freundin, eine weißhaarige Schwiegermutter, die seinerzeit in Japan Hofmalerin war u. zwischendurch zu Pierre sagt  : „Ne fait pas des paranthèses.“ Der Kleine, der etwas fragt, wird zurechtgewiesen  : „Ne parles pas quand Babo parle  !“ Mein Gott, er kommt niemals zum Sprechen. Denn der Vater spricht spricht spricht, bis man schachmatt ein Glied nach dem andern streckt †. Und morgen Mittag sehen wir uns bei Visanis wieder  ! Wir fanden einen Abschiedsbrief von Gustl vor.104

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18. [April] Mein Gott, liegt das wieder zurück  ! Und nur einen einzigen Tag bin ich nicht zum Schreiben gekommen  ! Das war d. Ostersonntag. Sehr besetzt. Früh draußen noch einmal bei Mr. Acton  ; er hat wirklich wundervolle Primitive  ; Holzfigur von einer Kreuzigung wie die in Tivoli u. noch frühere. Ein entzückendes kleines Bild mit Goldgrund in dem d. gereckten Pferdehälse einer Kreuzigung mit Gewimmel (Altichiero  ? Avarzo  ?) Silhouetten schneiden. Er hat uns zwei unbedeutende Bilder ([…] Savary (Sign.) u. ein Holländer oder vielleicht doch Franzose, eine figurenreiche Küste) gezeigt, die er gegen etwas italien[isches] umtauschen möchte … Wir fuhren durch d. Via Milton zurück, wo er uns (Nr. 21) die Händlerin Viciani zeigte (sie war aber nicht zuhaus). Dann schrieben wir auf Pierre’s Maschine den Antwortbrief an Godwin, der so lange dauerte, daß wir statt um 12 (wie wir’s Mrs. Hartley versprochen hatten) erst nach ein Uhr zu Visani zum Essen kamen. Pierre war schon im vollen Redefluß. Es war alles sehr gut gemeint, aber das Huhn doch so zäh, daß der arme Hans eine Zahnkatastrophe davontrug … Wir saßen lang an d. Terrasse u. stiegen dann zur Stadt hinunter in die Via Albizzi 9, wo uns Offner einen sehr geschmackvollen Tee u. seinen weniger geschmackvollen jüngsten Bruder aus Hollywood servierte. Gleichzeitig lud er uns zu Lapi dapi zum Nachtmahl ein, wohin auch Mrs. Loeser kommen wollte. Wir ruhten uns vor diesem festa erst ein Stündchen zuhaus aus u. das war sehr gut, denn das Lokal dort im Keller des Palazzo Antinori (mit d. vielen Plakaten, wir waren schon mit de Nicola dort) war sehr nervenbeunruhigend. Man stolperte, wenn man über d. Treppe hinunter den Raum betritt, bei d. offenen Herden mit Köchen u. Küchenjungen vorbei, die unausgesetzt springend, gestikulierend, schreiend wie auf einer großen Kasperlbühne im Biergarten einem im Blickfeld bleiben …105 Heute wars schwül. Wir konnten – trotz Ostermontag – im Gabinetto arbeiten, haben es aber nur bis Mittag getan. Um 3 waren wir bei Mr. Murray, Via Lamarmora 6, der uns eine großartige Z[eichnung], ein Fragment von einer Trajanswitwe zeigte, die Fiocco dem jüngsten Mantegna zuschreibt. Dieser Name hat viel für sich, ist aber doch nicht durchaus befriedigend. Ich denke, daß AD [Albrecht Dürer] sein „Ding“ gekannt haben muß. Sonst war ein Riesenblatt mit Miniatur singender Mönche, vollaus bezeichn[et] u. datiert von Abbas Benedictus, d. Bruder d. Fra Angelico, sehr eindrucksvoll. Dann gingen wir schön langsam zu Mrs. Loeser hinauf (Torre di Gattaia) wo wir erst Tee, dann d. S[amm]l[un]g sahen. Die Z[eichnung]en sind ja seit paar Jahren in Harvard und im Palazzo Vecchio sind 3 Loeserzimmer eingerichtet, aber sonst ist noch, weiß Gott, genug im Haus geblieben  ! Wiederum Primitive, der große Savoldo (Elias), eine entzückende M[adonna] + K[ind] stehend („Guercia“) aus Holz, eine sehr innige Maria (unter d. Kreuz) 2. H[älfte] 13., ein ausgezeichneter Strozzi, eine Magd[alena] von Crespi, eine von Furini, Antike, viele u. vorzügliche Bronzen, sicher 1000 Gegenstände u. noch ein Zimmer mit Cézannes. Wir kamen 235

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erst um ½ 9 zum Nachtmahl, so lange dauerte d. Besuch. Das Schönste aber sind immer d. Ausblicke in den Garten (der jetzt auf alles goldgelb zum Blühen gebracht war, was danach ins Blaue gewandelt werden soll) und auf Florenz, dem man seine aufgeriss[enen] Straßen, seinen Staub, seinen tropfenden Anstrich aus solcher Perspektive nicht mehr verübeln kann.106 19. [April] Wir sind noch vor d. Frühstück fort u. waren den ganzen Tag in Siena. Es war wohl der kälteste Tag, den wir erlebt haben  ! Trotz tiefem Blau haben wir erbärmlich gefroren. Die Z[eichnung]en in d. Bibliot[eca] Comunale, in verschiedenen Klebebänden untergebracht, sind zu geringem Teil gut, aber auch dieser geringe Teil hat mehr lokales Interesse. Die von Zocchi als Tizian publiz[ierte] Z[eichnung] (Arte 1935) fällt tatsächlich heraus. Aber ist es ein Tizian  ? Wir meinen schon, eine venez[ianische] Kompos[ition] aus d. Jahrhundertmitte vielleicht, aber im 17. aufnotiert. Das Museum ist im Palazzo Buonsignori neu aufgestellt. Man hat tatsächlich einen sehr starken und runden Eindruck d. Sieneser Malerei, die ungebrochen durch d. Jahrhunderte ihre Eigenart klar entfaltet. Ein großes Material – groß besonders, wenn man bedenkt, daß d. Hauptstücke doch an anderen Orten d. Stadt zu sehen sind. Ein wissenschaftl[ich] gearbeiteter Katalog, den wir gekauft haben. Mittag war alles geschlossen, sodaß wir ins Gasthaus mußten. Es war am Hauptplatz gelegen, wo im August oder wann das große Fest ist. Wir saßen an derselben Seite d. Tisches, um d. Aussicht bewundern zu können. Dicht davor die Oleander unseres Schanigartens* bogen sich im Winde. Drüben die Uhr stand unentwegt auf ein Viertel drei. Wir wollten es tatsächlich nicht glauben u. schauten lange zu, ob sich d. Zeiger nicht am­ ende doch bewegten. Dabei aber zeigte sie auch die Ziffer 19 auf, das Datum, das ich darum, ohne erst den H[ans] fragen zu müssen, oben über meine Tageseintragung schreiben konnte. –107 21. [April] spätabends. Gestern hab ich nicht geschrieben. Wir waren früh in der Marucelliana, die aber nichts für uns hatten – wir haben alle Z[eichnung]en durchgesehen. Nachher ging Hans zum Zahnarzt u. ich nachhaus. Der arme kam mir eine Stunde später nach … Am Nachmittag haben wir im Institut gearbeitet u. d. Abend bei Prof. Offner verbracht. Sein junger Bruder war ausgeschaltet, da die Unterhaltung Offners Sekretärin Dr Steinbeck (?) zuliebe, deutsch geführt wurde. Heute – Natale di Roma – alles geschlossen u. schlechtes Wetter in d. früh (das aber am Abend sich ganz wieder aufheiterte). Wir besuchten den Restaurator Markicz (ums Eck), der uns nette Kleinigkeiten zeigte u. wiederum an Asta in Venedig wies. Dann Prof. Clementi, * kleiner Gastgarten vor dem Lokal

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bei dem wir wiederum die Primitiven ansahen u. ein besonders komplettes u. glänzend erhaltenes ganz kleines Andachtsbild von Ortolano (Christus als Gärtner). Zumittag bei „Oreste“, da alle Geschäfte geschlossen waren. Dann ins Bett, teils dieszuhalt teils außerdem weil’s so kalt im Zimmer war. Um 3 Appuntamento mit Glaser, Pudelko[s], beim Conte Contini, wo wir aber nicht d. einzigen Sightseer waren. Der Conte groß, schön, sehr der prächtige Typ eines Edelcondottiere  ; der Sohn glatzig u. schlechte Haltung als wäre er d. Vater (beide in Schwarzen Hemden  !), die Comtessa – eine sehr business like Köchin. Die Galerie unendlich groß u. z[um] T[eil] absolut erstklassig. Von Raffael eine Z[eichnung] (f. d. Libreria Pinturicchios) u. die 2 „verlorenen“ Bildchen Katharina u. Johannas von 1504. Von Spanien alles was Namen hat, darunter auch von Zurbaran eine Geburt Mariae, zu der wir angeben konnten, daß d. ganze Kompos[ition] aus D[ürer]’s Marienleben zusammengezogen sei. Von Tintoretto einiges sehr interessantes, (nur fraglich ob Jacopo selbst)  : Conversio Pauli, eine Schlacht (riesengroß), die sich um Asolo dreht, ein Johannes Ev[angelista] auf Patmos (sicher Do[menico]) u. s. f. zwei Riesenflügeln – Profet (ganz jugendlich) und Sibylle –, die Fiocco dem ganz alten Bellini gibt. (Von d. Tintor[ettos] versprach man uns Photos). Tizians – dank Suida u. Longhi – die Menge. Die sehr gute Ruhe auf d. Flucht aus d. Leopold Wilh[elm] S[amm]l[un]g. Eine Kleinausgabe d. Urbinobildes Abendmahl. Ein großes Abendmahl mit d. Figuren von Rizzo in Hintergrundnischen (das muß ich schon irgendwo gesehen haben), d. Auferstandene (Longhi – Tiz[ian] ), der Doria (Suida – Tizian), übrigens ein viel besseres Bild, als man nach d. Reprod[uktion] schließen konnte. Ein hl. Paulus, der aus d. Giorg[ion]esken Frühzeit stammen soll, mir aber eher wie ein Savoldo aussah u. s. f. Wir flohen vor dem Tee, vollkommen gerädert vom Schauen Schauen Schauen (das Lottobild, dessen Sebastian ich immer mit d. Talpino verwechsle, war auch dort, eine entzückende M[adonna] + K[ind], sitzend auf d. Erde (?), die Masolino heißt, weicher Stil, ein Sassettialtar, ein Uccellofragment, eine Castagnoaltartafel u. s. f.).108 Wir holten Mrs. Hartley in S[anta] M[aria] Novella ab und gingen mit ihr Teetrinken, fuhren dann zu Shapleys, wo wir d. Abend verbrachten. Die Frau ist reizend menschlich verstehend, ohne Worte. Die Kleine krank zu Bett. Der Mann krank außer Bett. Wie ein Geist eines an Leber- oder Gallenleiden Verstorbenen. Ähnlich auch in Gemüt u. Ausstrahlung. Als wir weggingen, war draußen finstere Nacht u. alle Lampade d. Hauses kaputt bez[iehungsweise] unauffindbar. Der alte Emilio faßte mich links, H[ans] rechts unter, u. so stiegen wir bei Kerzenlicht, das flackerte u. schließlich ausflackerte, d. Weinberg hinunter. Unten war das Tor zugesperrt, die […] wohnte weiß Gott wo. Über einen Wiesenpfad brachte uns Emilio an ein anderes, weiter ab liegendes Türchen. Wir waren überzeugt, d. Filovia nicht mehr erreichen zu können. Erreichten sie schließlich doch – Laufschritt.109 237

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22. [April] Die Tage laufen  ! Heut kam Post von B[urgl] u. A[nderl]. Das tut immer wohl, wenn man d. Kontakt hat. Das Photo vom Wallensteinschen Horoskop ist gekommen u. sehr gut. Hoffentlich führts zu etwas. Clementi schickte ein Photo d. herzigen Ortolanobildchens. Hans hatte erst Laufereien, dann Zahnarzt u. kam schließlich zu mir in d. Uffizien. (Ich hatte vorher das Geld bei Cit behoben). Nachtisch gingen wir neben verschiedenen Laufereien (darunter d. Bestätig[ung] unserer Unterschrift bei d. „deutschen Arbeitsfront“) ins Institut. Jetzt warten wir zuhaus auf Pierre, der sich seine mir geborgte noiseless Remington abholen kommen will. –110 23. [April] Auch heute war ein guter Arbeits(vormit)tag  ! Nachmittag mehr ausruhsam (Sabato fasciste). Hans war 3 x am Tag beim Zahnarzt, aber jetzt prangt er schon prächtig mit seiner Brücke. Wir haben von Giglioli u. dem guten Ristori Abschied genommen – u. auch von Bodmer, der seine Photos abholen kam. Ich zeigte ihm meine Zusammenstellung d. Nic[colo] dell’ Abbatezeich[nung]en (die Neuerwebung in London aus Burgs Klebeband, d. Jüngling den Wescher als Dosso u. d. Huhn, das Römer als Dürer publizierte). Er war mit allem einverstanden, datierte d. Jüngling in d. erste fran­zös[ische] Zeit, was schon aus d. Kostüm kenntlich u. wußte, daß d. Vogel zu einer Gruppe von Abbates Tierz[eichnung]en in Stockholm gehörte. Auch d. […] aus Rennes (dort Veronesi) erkannte er an u. schließlich zahlte er noch 80 Lire für das ihm aus Wien zugeschickte „Wien“. Zuhause fanden wir d. Nachricht, daß Asta uns aus Venedig einen ganzen Band Z[eichnung]en geschickt habe, der Restaurator Markicz wollte sie in der Früh bringen, damit wir sie in Ruhe studieren könnten. Wir waren dann im Bargello u. – mit der Santifallerin oben bei Mrs. Hartley. Hans brachte vom Zahnarzt d. Nachricht, daß Glasers – plötzlich – abgereist wären. Wir sind darüber etwas beunruhigt …111 24. [April] Sonntag. Wir sind vor d. Nachtmahl u. haben gerade zur Hälfte gepackt. Die Post war lästig u. angenehm. Lästig – daß d. Direkt[or] Sorrentino in Bologna schrieb, daß d. Mu­s[eum] in Umstellung u. d. Z[eichnung]en nicht zu sehen  ! Angenehm – eine Einlad[un]g Marignanes in sein Haus im Süden für d. Spätsommer u. die Nachricht vom Phaidon, daß der Verlag am 1. März in d. Hände Unwins übergegangen sei. Wir haben d. Z[eichnung]en Astas durchgesehen, das meiste ist nichts wert, aber einiges ist eine Kleinigkeit wert u. drei große Blätter, Kopien nach Jac[opo] u. Do[menico] Tintorettobildern im Dogenpalast halten wir für Arbeiten Tiepolos. Wir haben dann d. Reliefaufnahmen (Russels) mit d. Arbeiten in d. Casa Buonarotti verglichen, und wollen das morgen im Institut noch fortsetzen. Bei Giglio gegessen, dann langsam in d. Cascine hinausgeschlendert, auf einer Bank am Wasser gesessen 238

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u. über d. Arno hinausgeträumt, halb Nachmittagsschlaf halb Abschiedsstimmung, still. Die Ufer sind dort ganz schlampig, Bodenwellen, die unregelmäßig ins Wasser vordringen, hinter Vorstadthäuser, gelb mit grünen Jalousien. Brentakanalstimmung  ; Zurück auf schmalen Weglein ganz unten am Fluß, wo die vornehmen Cascine gar nicht mehr zu sehen sind. Bei Ognissanti eingekehrt, gerade als sie d. Tor aufschlossen. Wie merkwürdig erratisch hergeschoben wirken dort d. beiden Fresken von Bottic[elli] u. Ghirland[aio]. Zuhause noch einmal d. Z[eichnun­ g]­en von Asta durchgesehen, gepackt …112 26. [April] früh. Anderls Geburtstag. Er lebe hoch  ! Ach, so hoch  ! Abb. 70  : „Reborn Hellenism“ – „Russel-Relief“. Bologna. Wir sind gestern abend angekommen. Den letzten Tag in Florenz haben wir zumeist im Institut verbracht, wo wir uns um Tiepolo­z[eichnung]en u. um d. frühen Michelangelo umsahen. Wir zeigten d. Russelrelief d. Kriegbaum, der genau so wie wir davon stark impressioniert war, genau so wie wir datiert, aber auch zu starke Hemmungen hat, einen Vor-Frühstil anzunehmen, der durch ein nicht beglaubigtes Stück repräsentiert werden soll. Dr. Oertel (der d. Photos unter sich hat) zeigte uns ein deutsches Bild aus d. Galerie Ferroni in d. Via Faenza, das wir uns am Nachmittag ansahen. Auf d. Photo hieß er glatt Albrecht Dürer, in Wirklichkeit ist es ein sehr gutes Bild, kein Dürer. Es sieht viel dreidimensionaler aus als auf d. Photo. Sonst war in d. Galerie das meiste unerfreulich. Eine kleine Kopie nach Muzianos Kreuztragung in Orvieto als – Allori  ; eine harte Venus in Landsch[aft], ähnl[ich] postiert wir jene Continis heißt nur anon[ym] toskanisch vor 1662. Ob Hans nicht recht hat, daß jene bei Contini von Canlassi ist  ? Contini wollte 10.000 Lire für die überzeugende Zuschreibung d. Bildes geben. Ob er diese Summe auch für Canlassi geben will  ? (Hadeln hatte sie Sebastiano  ! genannt). Am American Express, wo wir unsre Adresse (Milano) angaben, fanden wir eine Karte von Georg u. einen – viel importanteren  ! – Brief von F[iske] Kimball vor. Danach wäre d. Universit[ät von] Philadelphia bereit u. Kimball hat sich mit Hans’ Brief an d. Unterstütz[ungs]fonds für Deutsche Gelehrte in N[ew] Y[ork] um eine finanzielle Ergänzung gewendet. Dieser Brief im letzten Augenblick war eine große Aufmunterung. Auf d. Bahnhof war Mrs. Hartley mit Blumen u. d. Santifallerin Abschied winken. Ein Neophyt […] verfrachtete unser Gepäck so ungeschickt, daß die beiden größten Stücke uns auf den Schoß fielen. Zur Versöhnung schenkte ich die Blumen d. Dame d. einen Betroffenen. Wem wird diese sie weiterschenken  ? –113 239

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Abb. 71  : Der erste Freund in den USA  : Fiske Kimball, um 1937.

In Bologna (Albergo Bologna) sehr gut untergebracht. Festa Marconi, alles elek­ trisch geschmückt. Es sprüht, ist aber wärmer als in Florenz. Die Kammerzofe erzählt, daß es vorgestern in d. Stadt geschneit habe  ! „Alles ist heute verkehrt“ – schloß sie pessimistisch.114 28. [April] Vorgestern u. gestern nicht geschrieben. Aber heute ist es wenigstens noch früh u. ich lieg im Bett. Also vorgestern, das war der Tag der in Bologna anfing u. in Modena endete. Es war ziemlich unfreundliches Wetter u. der ganze Tag war in Kirchen u. Museum u. auf d. Gasse u. ein Kitzeln im Hals als Folge, das auf Schnupfen hinzielte. Da wir im Museum „wegen Umbau“ d. Z[eichnung]en nicht sehen konnten (was uns d. Direktor Sorrentino schon geschrieben hatte), wollten wir uns wenigstens erkundigen, wann das möglich sein werde. Ach, war das eine unerfreuliche Erscheinung  ! Eine Art A. L. Mayer, der schwatzte, als ob er gerade vom Essen käme, obwohl er uns versicherte, daß er sehr pressiert sei, da er gleich dahin gehen müsse. Man kann den Haß der Nord- u. Mittelitaliener gut verstehen, wenn man solche Neapolitaner trifft, der um den Zweifel seiner Lokalisierung zu beheben – noch Sorrentino heißt. Andre Zeit haben wir in d. Sopra intendenza verbracht, wo es wie immer unzählige Beamte gab, wenn auch d. für unser Anliegen zuständigen (Baroccio – Photo) einen Augenblick nicht auffindbar waren. – Erfolg d. Tages  : eine Fixierung einer Palmazeichnung, also mager. Sogar d. Kunsthandel versagte  ! Z[um] T[eil] war er auf Furniture eingestellt, z[um] T[eil] ([…]) verstorben. Abends in Modena haben wir bei Lambrusco den Anderl gefeiert. Das Albergo in das wir gehen wollten, existierte nicht mehr, statt dessen eines („Reale“) 240

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das laut war, sodaß wir d. Fenster schließen mußten. Am Morgen Regen, aber unbedeutend, schlechtes Licht, erst nachmittag erfreulich. Wieder den ganzen Tag im Museum, diesmal z[um] T[eil] mit Zeichnungen. Wir haben alles durch gesehen u. einiges pho­ to­graph[iert]. Eine Serie von Imperatoren, die hier „nach Stichen  ?“ heißen, scheinen uns die von Fetti gezeichneten Originale zu sein. Jedenfalls stimmen sie nicht mit den Tizian-[…]stichen überein. Der Direttore Pallucchini (ein ausnehmend sympathischer Jüngling mit einer hochschwangeren Frau, die uns am Nachmittag zum Tee empfing –) war gerade seit gestern nicht mehr Direktor. Sein Vertreter (noch keiner defi­nit[iv]) Castelfranco aus Firenze wurde gerade eingeführt. Er selbst geht nach Venedig, Commune. Barbantini scheint nur mehr d. Ausstellungsspezialist sein zu wollen. Abends nach Parma, wo wegen des (heutigen) Viehmarktes alle Hotels voll waren u. Abb. 72  : Baptisterium von Parma. nur mehr ein Zimmer mit Matrimonialbett u. auf d. Straße  ! Entsprechend geschlafen. –115 Fortsetzung am Nachmittag in Piacenza (Wir haben schon alles besichtigt  !) Unser Vormittag in Parma war sehr lohnend, trotzdem für unsere Venezianer nichts herausgeschaut hat. Die Stadt hat so ganz andern Charakter als etwa Bologna. Keine Bogen, alles weit, landstadtmäßig. Eigentlich öde. Aber d. Bezirk Baptisterium Dom etc. unerhört eindrucksvoll. Das Baptisterium immer eine große Überraschung. Das Detail nicht so fein u. bedeutend wie in Modena, aber dafür durch Fülle u. Überfülle wirkend. Das Museum gut aufgestellt  ; die Correggios […], jede Bildklasse allein ein Raum mit besonderen Möbeln dazu. Es war nur die gleichfalls angestellte – Gattin des Direttore anwesend, die uns die paar völlig unbedeutenden venezianischen Z[eich­nung]en, die sie haben, zeigte u. dann einen eigenen Karton mit hunderten Blättern einer Privatsamml[ung], deren jedes sie per Leika aufgenommen hat u. jetzt damit nach Florenz reisen wird, um umfassendere Studien anzustellen. Ich hab noch selten so einen Dreck beisammen gefunden. Bei jedem Blatt fragte sie den Hans „che pensa, professore  ?“ Ich hüllte mich in meine laienhafte Anonymität u. genoß es, wenn Hans vollkommen sprachlos vor solcher Minderwertigkeit blieb. Wenn die Arme dann K[ün]stler á la Sebastiano oder Tintoretto vorschlug u. er doch nur Dreck Dreck dreimal Dreck war  ! Wir fuhren dann nach Piacenza den Schachtelkäse im Zug dinierend. Hier hatten wir d. Museo Comunale auf d. Programm, da einmal ein paar Pordenonezeichn[ungen] auf d. Rückseite von Puttenskizzen publiziert worden waren. Es waren aber nur Anatomien von irgendwem späteren. Ferner d. Madonna 241

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della Campagna […] viele Pordenones u. die Kreuzabnahme, die Tintoretto nach Daniele d[a] Volt[erra] hier kopiert haben soll. Die Kopie – bedeutend kleiner als d. Original weist nicht d. kleinsten Zug Tintorettos auf, das muß eine mißverstandene Tradition sein. Die von Fr[öhlich]-B[um] als Porden[one] veröffentl[ichte] Z[eichnung] d. Albertina (Vorderseite  : Predigt Katharinas, Rücks[eite]  : Verlob[un]g Kath[arinas]) ist nach einem Fresko u. einem Ölbild derselben 1546 erst aufgerichteten Kapelle – selbstverständl[ich] Kopie nach d. beiden Komposit[ionen]. Wir haben noch d. Dom u. d. Post aufgesucht (Absage Thyssens), sind über d. Hupferlpflaster* fluchend zu einem Café, wo wir an einem Tischerl in etwas kranker Sonne unsere obligate Chokolade tranken. Und zurück ins Hotel ([…]). Es ist sehr altvaterisch, kaltes Zimmer. Aber auf einer Glasveranda sind Tischerl à la Schreibzimmer. Ein Radio tobt, ebenso Vogerln in einem Käfig, jeder der vorüber kommt, schlägt d. Glastür zu. Sie hält es aus – u. wir auch.116 29. [April] Mittag. In einem herrlich geheizten Warteraum auf d. Bahnhof in Cremona auf unseren Triebwagen (roter Plüsch) nach Piacenza wartend. Wir vergessen die Ungemütlichkeit d. Albergo in Piacenza – inzwischen ist es der 30. [April] früh geworden, ich fahre fort, Milano, Albergo Doria e Svizzero, gut. In Cremona haben wir uns diesmal nur d. Galerie angesehen, deren Direktor – ein Geistlicher – uns mit d. Aufseher allein bei d. Z[eichnung]en ließ. Die venezianischen sind uninteress[ant] bis auf eine, die wir photogr[aphierten], eine richtig tintoretteske u. doch wieder so schwache – feminine  ! – Umsetzung sign[iert] Marietta Tintoretta  ! Von denen, die uns nichts angehen, hat uns eine mit Monatsdatum u. Jahr 1515 sign[ierte] Kopie aus d. Sixtina (Ahnengruppe Michelangelos u. einzelne Figuren wohl aus einem d. Quattrocentowandbilder) interessiert. Das Inventar sehr ausführl[ich] in d. Beschreib[ung] aber nur mit „Ignoto“ für d. Namen  ! Wir fuhren nach Piacenza zurück, holten unser Gepäck, bei welcher Gelegenheit H[ans] seine Füllfeder verlor, nocheinmal ins Hotel ging u. sie wiederbekam  ! Alles in 26 Minuten Aufenthalt. In Mailand machten wir einen giro zum Amexco (Post von Hartt, Bischop, Helma, Stoffel, Burgeline u. ein rekom[mendiertes] Schreiben von dem provis[orischen] Rektor Christian, daß d. Venia legendi auf Grund d. Erlasses so u. so entzogen sei). Dann zu Kunsthändlern. Pesaro  : Altarbild v. Cariani 1520 (Londoner Ausstell[ung]) Christus als Salvator, 2 empfehl[ende] H[ei]l[i]ge u. großes knieendes Stifterpaar. Ein wundervoller Antonello da Messina Mad[onna] + K[ind]. Eine frühe Bellinimadonna, die wir heute in Natur sehen wollen. Ein zweiter Händler hatte nichts, was uns interess[ierte] im Laden, * Kopfsteinpflaster

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wollte uns aber morgen „Tizians“ u. „Bellinis“ in seiner Wohnung zeigen. „Tintorettos“ hatte er auch, sind aber jetzt verkauft. Die Bekannten von Frau Reifenberg sind über d. Sonntag in Lugano. Wir schwanken noch, ob wir nach Zürich sollen oder nicht. –117 Abends. A busy day. Zuerst im Brera, Morassi seit einem Monat verreist, soll aber heut oder morgen heimkehren (hat also unseren Brief noch nicht bekommen). Die Galerie herrlich wie immer. Haben d. gewisse Bonifaziozeichn[ung] als Studie für d. Gruppe r[echts] im Bilde – Moses wird von d. Prinzessin aufgenommen – erkannt. Überhaupt ein merkwürdiges Bild  : eine Verbind[un]g einer Auffind[un]g Moses mit einem Liebesgarten d. hl. Magdalena (in diesen Komplex gehört auch d. Kulmbachz[eichnung] im Staedel (?)). Nach Tisch begannen wir beim Commendatore Pesaro den Kunsthandelgiro. Die frühe Bellinimadonna, die er uns heute im Original zeigte, hat uns nicht befriedigt, obwohl sie schöne Teile hat. Sie geht sehr gut (auch in d. Landsch[aft]) mit dem frühen Bellini in Newport zusammen. Aber ist das auch wirklich Bellini  ?  ! Wir besprachen für unsere Rückkehr nach Mailand alles Nähere, um d. Cariani u. den Ant[o­nello] d. Messina im Original sehen zu können. Die anderen Kunsthandlungen waren unerfreulich. Eine Ausnahme nur Ferrari u. z. die Bilder in seiner Wohnung (Via …… 17), wo uns d. taube Bruder u. ein sympath[ischer] junger Neffe empfingen. Der kleine versprochene Tizian (Mad[onna] + K[ind]) mit Expertisen von „allen“ war wohl eine Fälschung. Gut das große vielfigurige Santa Conversationebild mit Stifterpaar (in hereinragenden Brustbildern), das Van Marle u. andre (einer in langem Artikel  !) als späten Bellini veröffentlichten. Das ist es nicht, eher Previtali oder sonst ein K[ün]st­ler 2. Ranges. Aber ein wahres Museumsstück trotz alledem (viel zu bunt f. d. späten Bellini). Sonst hatte er amüsante Bilder. Eine Schulmeisterszene (nach Fiocco Pietro Vecchio, wir glauben später), eine ganz entzückende, sehr merkwürdige Szene, eine H[ei]l[i]ge, bei der ein Engel u. ein Löwe (schlafend), bekommt letzte Zehrung von Bischof. Ich habs für Pittocchi gehalten, aber Hans hat es mir nicht erlaubt, daß ich es auf ihn bestimme  ! Ein hl. Hieronymus, nicht sehr groß, wohl venezianisch, aber von einem ganz primitiven zurückgeblieb[enen] Gesellen vom Anfang d. 16. Es ist aus lauter Plagiaten verschiedener Dürerstiche zusammengesetzt, als Enddaten 1504  ! (Wir haben d. Photo[graphie] versprochen bekommen). Es war eigentlich ein amüsanter Besuch u. die Fahrt nachher im Autobus durch d. halbe Stadt sehr entspannend. Jetzt haben wir Briefe geschrieben u. a. dem Anderl, von dem wir einen am 26. geschriebenen heute im Amexco empfingen. Danach kommt es wirklich zu einem Wiedersehen in Zagreb  ! Juchee  !  !  !118 2. Mai. Heute kommt der Führer nach Italien. Ich habe gestern nicht geschrieben, der Tag war zu anstrengend  ! Früh […], Castello, nachmittag Ambrosiana. Lauter Samm243

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Abb. 73  : Basilica San Nazaro Maggiore, Mailand.

lungen, die die guten Bilder gegens Licht hängen  ! Im Castell fiel unser Blick auf ein großes Marmorrelief, fast zufällig, das genau dieselbe Kompos[ition] zeigt wie d. bez[eichnete] Fontanaz[eichnung] im Vict[oria] + Albertmus[eum]. Ein Stich dazwischen  ? Ambrosiana hat sehr viel uns interessierendes, wir freuen uns dahin zurückzukehren. Nach diesen drei schrecklich gehängten Riesens[amm]l[un]gen waren wir bettreif. Nachher Brief (u. a. dem Vogel u. Russel). Heute gingen wir früh noch einmal in S. Nazaro u. fanden in d. Seitenkapelle links die Glasfenster, die zu den unlängst gefundenen Tafeln dazugehören. Es ist kaum möglich, an jemanden anderen als die Dürerwerkstätte um 1503 oder 1498 (besser) zu denken. Im American Express war wieder viel Post, diesmal von Trude, beunruhigende Nachricht über Franzchen. Wir haben sie an Dr Wimmer wegen Intervention gewiesen. Ein Brief v. Adrienne aus Peking – sie kehren im Juni nach America zurück u. a. m. Die Leute in Kansas erbitten – telegraph[isch] – unsere Adresse wegen Korrekt[ur] d. Tizianmanuskripts. Wir gingen zu Morassi, der inzwischen eingetroffen war, u. alles zu vermitteln versprach. Heut nachmittag schon d. Breraz[eichnung]en, von denen uns eine einzige – Portr[ät] von Palma Giov[anes] Mutter, aber von wem  ? – anging. Wir haben gepackt u. noch d. Einzug einer Karawane in unser Hotel u. Zimmer erlebt. Da wir nicht nach Zürich fahren, ließen wir unser Gepäck im Hotel u. reisten ganz leicht beschwingt u. übervoll gerade ab. Das hab ich noch vergessen  : wir mußten uns auf d. Schweizer Konsulat ein Visum holen, weil Österr[eicher] das heute brauchen. Wir bekamen es sogleich, mußten jeder 2 fr. zahlen. Mit solch unbegründeter u. sinnloser 244

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Wurzerei antwortet der demokratische Freistaat auf Roosevelts Anregung d. Erleichterung d. Einreisen  !119 4. Mai Chiasso. Wir haben zwei Tage in Lugano hinter uns, die wir sehr genossen haben. So ein Schweizer Hotel ist kein leerer Wahn, wenn es auch ital[ienische] Schweiz ist. Der Ort ist reizend gelegen, die Sonne war wundervoll. In d. Nacht ein Regenguß, der d. Staub löschte. Post (mit Geld) von Holbein u. Burg (d. Rückzahlung d. für d. Büste ausgelegten) funktionierte, dazu ein positiver Brief v. Stoffel. Leider nix von Trödhan  ! Wir haben d. alten Maler Sigm[und] Lanzinger aufgesucht, der ein Schüler Böcklins ist u. immer noch in dieser Art malt – und unterrichtet  ! Er ist 83 Jahre alt, stammt aus einem Ort bei Ossig, hat 4 Jahrzehnte in München gelebt, viele Jahre in Florenz in Graz u. weiß Gott wo. Kam nach Lugano vor 13 Jahren u. will hier sterben. Macht nicht Miene bisher. Hab noch nie so forschen Kerl gesehen wie diesen Alten  ! Voll von Erinnerungen an Böcklin u. alle alten Kunsthistoriker vom alten Liphart angefangen bis Dörnhöffer. Erzählte wie ihm d. alte Liphart über d. Gartenmauer in Florenz an d. Nachbarmauer eingesetzt d. gewisse Michelangelorelief zeigte. Der alte hob ihn, der damals noch jung war, über d. Mauer, ums ihm zu zeigen …120 Er besaß nur mehr drei Z[eichnung]en, zwei andere hat er schon vor Jahren verkauft (Helbingauktion – u. z. die erste die Helbing machte – 1892 (?). Von ihm stammt z. B. d. gewisse Cascinaschlacht Z[eichnun]g, die heute in d. Albertina ist, u. nicht mehr als M[ichelangelo] anerkannt wird. Er hat sie beim Zimmersuchen in Wien gefunden. Die 3 Z[eichnung]en, die er noch hat  : eine Rötel, die – wie er sagt – f. eine Figur Raffaels in d. Disputa bestimmt war. Eine Kreidez[eichnung], die Michelangelo für seinen David gemacht hat (sie stimmt mit d. Modell im Buonarottimuseum überein – nicht mit d. Marmor). Die Z[eichnung] hat große Schwächen, die wohl nur z[um] T[eil] auf eine Überarbeit[un]g zurückgeführt werden können. Die 3. Z[eich­nung] ist ein sog[enannter] Gainsborough, der eine Allee in einem englischen Park vorstellt. (Nach meiner Meinung ist nur d. Michelangeloz[eichnung] interssanter). – Lanzinger bat uns auch eine S[amm]l[un]g von kunstgewerbl[lichen] Gegenständen bei einem Freund (Segel) anzuschauen. Die war aber trostlos. Amüsant nur ein großes Bild den Prozeß vom Sankt Bernhard darstellend, als sie kontraktbrüchig geworden. Es ist von Oscar Rex gemalt einen Munkacsy imitierend u. voll von Porträts. Das war aber unsre ganze kunsthistor[ische] Betätig[un]g. Sonst haben wir nur ausgeruht, ins Grüne geschaut auf die Berge – ins Tiefblaue auf d. Himmel u. auf den See. Und uns für zwei Monate Italien mit allem, was notwendig ist, versorgt.121 5. Mai Dopolavoro – ein busy day. Mit Morassi in touch, um d. teleph[onischen] Anruf bei Galbiati (Ambrosiana) zu erreichen, u. das Appuntamento für Rasini – über d. Fens245

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ter in S. Nazaro ist nichts bekannt. Es war einmal L[ukas] v. Leyden zugeschrieben, wird in d. neuesten Lit[eratur] (eine getippte Diss[ertation] über d. Kirche) „eher einem Schweizer“ gegeben. In d. Ambrosiana in d. Klebebänden viele venez[ianische] Z[eich­nung]en gefunden, es werden wohl ein Dutzend Aufnahmen sein. Eine – die uns nichts angeht – sieht aus, als hätte sie ein Franzose (à la Gourmond) gezeichnet. Vor allem haben wir fast ganze Bände voll Blätter von Panza gefunden, die es ganz außer Zweifel lassen, daß unsere Zuschreibung d. gewissen Tizianz[eichnung] an Panza zutrifft. Nach Schluß d. Bibliothek waren wir in d. Sopraintend[enza], die im Palazzo Reale beim Dom ebenerdig neu – u. köstlich – eingerichtet ist. Dr. Dell’ Acqua, an den uns Morassi gewiesen hatte, war nicht anwesend, dagegen eine Dottoressa –Wilkens (?) –, die sich vor Liebenswürdigkeit zerriss. Sie erreichte tele­ph[o­ nische] Anrufe, Empfehlungsschreiben, […], Adressen mit Hilfe eines aufgewirbelten Staffs binnen weniger Minuten, die sie überdies mit Omaggi, si figuri etc. noch auffüllte. Als Österreicher, der dagegen ist, (was vorausgesetzt wird), ist man hier in Italien jetzt sehr protegiert. Besonders d. Geistlichen in d. Ambrosiana stimmen sofort in dieses Horn. Einer brachte uns die Zeitung, in der eine Rede d. Papstes wiedergegeben ist, die sich gegen d. Hakenkreuz wendet … Wir haben dann am Amexco einen Brief v. Dolly behoben (sonst leider nichts), mit Pesaro ein Rendezvous für Samstag 3h abgemacht u. sind nachhaus. Ci siamo.122 6. Mai (wieder vor d. Nachtmahl) Wir waren gestern nach d. Nachtmahl noch mit einem aus Berlin 1933 emigrierten Arzt beisammen (Haut), an den uns Frau Reifenberg gewiesen hatte. Er heißt irgendwie schwer auszusprechen (polnisch), ist Baritonsänger, tritt aber nur im Radio in Lugano auf – hier darf mans gar nicht wissen. Es war ganz nett – u. unnötig. Heut haben wir uns erst d. beiden wirklich sehr interess[anten] Photos von d. Glasfenstern geholt u. dann in d. Ambrosiana die Bände aufgearbeitet u. aufphotographiert. Um ¼ drei waren wir bei dem sehr netten – u. sehr luxuriös wohnenden – Sammler Rasini, zusammen mit Morassi. Er hat nur wenige Bilder, darunter einen Bartolom[eo] Veneto, ein Gruppenbild mit zwei männl[ichen] u. zwei weibl[ichen] Musikern, lachende helle Wesen – wundervoll  ! Darunter hing ein Bildchen, das ganz nett war  ; eine Art Devise für jemanden, der etwas auf d. Judith hält. Irgendwie terra ferma mit Hügeln u. allem was sonst zu einer Landsch[a]ft. gehört wie Versatzstücke aufgestellt. Morassi hält es f. Giorgione. Ist dieses Bild Anstoß für das Giorgionebuch, das er schreibt[?]. In diesem Fall wär’ ich schon etwas ängstlich … Die Zeichnungen – vielleicht 1000  ! für uns nur ein paar, die in Betracht kommen. Einiges Gute, das meiste absolut uninteressant. Morassi ist übrigens ein Kind (d. h. ahnungslos). Wir haben ihm dann bei uns im Café ein paar Sachen gezeigt, d. wir in Photos herumtragen. Er war von allem (vor allem von dem „Michelangelo“) entzückt u. nahm Photos für Rasini mit.123 246

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8. [Mai] (Sonntag) Abend. Gestern war wieder so ein voller Tag (bis Mitternacht  !), daß ich nicht zum Schreiben kam. Früh beim Pfarrer von S. Nazaro wegen d. Glasfenster. Das war ein lustiger Patron, der uns auf dem kurzen Weg vom Pfarramt zur angrenzenden Kirche lauter Witze (politische, versteht sich) erzählte, den letzten noch in der Kirche drinnen  ! Er lieh uns d. Photos u. ging dann eilig zum Beichtstuhl, aus dem er uns noch, als wir ein paar Minuten später vorüberkamen herauswinkte, das schwerhörige Ohr zu seinem Beichtkind geneigt. In der Ambrosiana nahmen wir noch die ausgestellten Z[eich­nung]en auf u. bestellten ein Photo beim dasigen Photogr[aphen]. Im Castello wo man uns Z[eichnung]en vorbereiten wollte, war eine plötzlich anberaumte Sitzung wegen der im Herbst (Septemb[er]) zu eröffnenden Leonardoausstell[ung], sodaß wir warten mußten, Zeitschriften ansahen. Dann erschien Dr Baroni (ausgehungert u. orientiert), u. d. Direttore Nicodemi (fett u. verschwatzt), aber wir haben nur den ausführlichen Besuch am Montag eingeleitet, wobei es sich herausstellte, daß Montag festa dell’ Impero war (aber es wird doch gehen, daß wir Z[eichnung]en anschauen). Nach Tisch fuhren wir erst zum Americ[an] Expr[ess], wo wir einen Brief Stoffels u. Marignanes fanden. Der Stoffels war besonders gut, ein (wahrscheinl[ich] völlig ausreichendes) Darlehen von Lili  ! Wir holten Geld bei d. Cit u. dann per Auto mit Pesaro zu d. beiden Grafen, d. […] anschauen. Richtiges Museumsbild  ; für die ital[ie­nische] Ausstell[ung] in London (1930) ein wenig überfirnist, da das gut f. d. Seefahrt u. d. Seeklima sein soll. Bei Ferrari d. Photo d. „Bellini“ abgeholt u. bei Cavalieri Foresti geendet. Der ist ein herziger Kunsthändler. Hat gute deutsche Flügel, ein kurioses vielleicht kölnisches Bild M[adonna] + K[ind] in flammender Glorie auf Mond herum Wolkengekräusel mit kleinem Gottvater u. Taube. Das ganze fast nur mehr d. Unterzeichn[ung] erhalten, auf ein ganz feines Tüchlein, das auf dickere Leinwand aufgezogen ist. Er hat noch andre gute Sachen u. a. ein hinreißend frisches Portrait, das Suida in d. ersten Begeisterung als Tizian angerufen hat, um aber dann doch gleich traurig hinzuzusetzen  : nein, es ist später. Ich hab’s als Strozzi bestimmt u. sowohl Hans als auch Foresti fanden das zutreffend. Wir haben uns am Abend bei Morassi das Büchlein über Strozzi (u. a.) ausgeborgt. Bei Morassis war es ganz nett. Eine sehr lebhafte sympath[ische] Frau ([…]), ein blonder 12jähr[iger] Bub (Mauro), eine kultivierte Wohnung mit wirklich guten Kunstwerken. U. a. ein wundervolles Terracottarelief Krönung Mariae von 1438 (?), das er f. florentinisch, wir für verones[isch] hielten. Ein amüsantes Bild von Bonif[acio], Zeitgott u. Parze darstellend. Unheimlich aber das photogr[aphische] Material, das er für Giorg[ione] hält  ! Wir hielten nicht mit unseren Zweifeln zurück (vor allem bei einer Z[eichnung,] die in d. Ambros[iana] unter den Deutschen ausgestellt ist, u. wohl vlämisch M[itte] 16. ist  ; ein prachtvolles Blatt mit Weidenstudien u. schlafenden u. sitzenden Burschen). Das Radio wurde aufgedreht u. wir hörten d. Toasts d. Führers u. des Duce, deren letzterer mit Führer, ersterer mit Duce anfing, wobei jener italienisch und die247

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ser deutsch fortgesetzt wurde (Diesen Satz bitte ich zu wiederholen  !) und heute war es nicht ganz so anstrengend als vorigen Sonntag, aber noch ergiebiger  ! Wir haben viele Kirchen gesehen u. waren am Vormittag im Brera. Dort ist ein Bild (Pfingst[en]) von Nuvolone, auf dem ein hl. Johannes (wenn ich nicht irre) (glaub ich) denselben Kopf hat wie die bunte Z[eichnung] „Tintoretto“ in Wiltonhouse (?) (– oder Chatsworth  ?). Bei der Anbet[un]g d. Könige, die dem jungen Correggio gegeben wird, haben wir an unsere ferrar[er] Z[eichnung] denken müssen. Die große Hand, die Spindelbewegung. (Wir haben d. Photo gekauft). Wir haben auch mit viel Vergnügen d. Strozziportr[ät] „erkannt“, da es dem gestrigen Bild glich  !124 Auf d. Domplatz im Ristor[ante] di Commercio eine collatione igienica gegessen, die zwar kaum billiger, aber dafür leichter war als das übliche Lunchessen, das wir am Sonntag im Gasthaus einnehmen müssen. Nach Tisch waren wir in d. Ambro­ siana, was wiederum sehr interessant u. genußreich war. Wir haben unten l[inks] im Kastel VIII, im Lionardosaal, unter dem Sammelnamen Lionardo-Schüler eine Sil­ berstiftz[eichnung] von Ambrosius Holbein gefunden – u. gleich ein Photo bestellt. Dann wieder Kirchen, u. a. S. Lorenzo, mit den antiken Säulen draußen. […] Müde nachhaus, wo wir ausruhten u. arbeiteten  ! Wieder dann in d. Stadt genachtmahlt u. heimgeschlendert – Gutenacht. (Hans heut abends zum erstenmal ohne Mantel.)125 9. [Mai] Heute war ein guter Posttag. Ein so lieber Brief vom Anderl. Sommerpläne – mit uns. Wir schreiben ihm sogleich, daß er zu uns nach Venedig kommen soll. Burgs gefällt die Z[eichnung] sehr gut. Geld von d. […]. Im Castello wurde kein Buch u. kein Photo gefunden u. d. Z[eichnung]en waren auch nicht zu sehen, wie man uns versprochen hat. Dafür stellte uns d. Direktor einen Herrn Heimann vor, der uns in seinem Wagen in seine Wohnung führte u. sich dort als der originellste Kunsthändler entpuppte, den man sich denken kann. Ein sehr reicher russischer Sammler (Kiew), Besitzer von zwei Theatern, 1923 ohne alles geflohen, dann Polen, Berlin, Wien seit 4 Jahren Mailand. Er hat alles, was gut u. teuer ist. Primitive Sieneser, den toten Bre­ ra­christus in einer frühen Fassung (ohne d. seitl[ichen] Figuren), Tintoretto u. Tizian, Palma Vecchio u. s. f. Aber er hat noch viel mehr, was sehr gut u. nicht so teuer ist, die entzückendsten Namenlosen u. […]-Benannten d. 17. u 18. Jhs bis ins frühe 19. hinein. Ein ganzes Museum voll Bilder – lebendiger Kunst  ! An d. Barbieri (den Bruder Guercinos) Mehrkatze mit Früchten u. Blumen werd’ ich noch lange denken. Was er nicht im Orig[inal] vorführte, haben wir in ausgezeichneten Photos gesehen. Die letzten Ereignisse haben ihm seine Nerven gekostet. Er will nach Amerika, d. h. will drüben ein Geschäft haben, um d. Möglichkeit zu haben. Er lud uns zum Speisen ein, in ein Lokal, in das wir niemals allein gegangen [wären] u. setzte uns Speisen vor, die wir an einem Tag auf einmal niemals bestellt hätten. Den so beschwerten Nachmittag führten wir in ein paar Kirchen u. d. Park hinterm Kastell zuende. Schließlich im Bett 248

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bei einer um viele Stunden verspäteten Siesta. Trotz allem war es ein sehr gelungener Tag.126 10. [Mai] Dopolavoro. Und auch heute. Im Castello von 9 bis 12 d. Handz[eichnung]en durch­gesehen u. ein Dutzend (die f. uns photographiert werden) herausgeklaubt. Keine besondere Qualität – aber immerhin allerhand. U. a. eine ganze Gruppe von Werkzeichn[un]gen, die die ganze zum größten Teil untergegangene Dekoration des Soranzoschlosses ( Jugendwerke […] u. Zelottis) rekonstruieren läßt. Nach Tisch waren wir im Brera (Correggios Jugendbild  ! d. Hand von unserer Zeichnung  !), wo leider das Licht schlecht war, sodaß wir fortgingen. Da uns noch Zeit blieb (wir waren erst für 5 bei Sign[ore] Heimann angesagt), wollten wir noch einmal zu Foresti hinein schauen – um d. Bild mit d. Strozzibüchel zu vergleichen. Im ersten Hof sprach uns ein fremder Herr an, der aussah, wie ein verlegener Gauner, auf uns gewartet hatte, weil er einen Tizian uns zeigen wollte  ! Seit wann hatte er auf uns gewartet  ? Wir hatten uns ja keineswegs bei Foresti angesagt, im Gegenteil, ihm d. venezian[ische] Adr[esse] gegeben, damit er d. Photo nachschicken könne, da wir heute ja schon überhaupt in Bergamo sein wollten. Als wir in d. 2. Hof kamen, sprach uns noch jemand (mit Namen) an, bat uns eine Viertelstunde später wiederzukommen (im Namen Forestis, der momentan besetzt sei)  ! Mysterium  ! Wir gingen schön langsam zu H[eiman], wo wir Tee tranken u. wiederum die ganze Kunstgeschichte von d. Antike bis ins 18. zu sehen bekamen. Der Mann hat einen Stock Ware, wie man sichs gar nicht vorstellen kann. Er hat uns überdies eine Adresse in Bologna gegeben, wo einer 5000 Z[eichnung]en haben soll …127 12. [Mai] früh. Bergamo. Ja wir sind wirklich von Mailand abgereist (gestern abends), wir haben nicht gedacht, daß wir uns werden losreißen können. Es war so gemütlich dort. Gestern begannen wir unser Tagewerk bei dem verlegenen Gangster, der uns bei Foresti aufgelauert hat. Siehe da, er wohnt in vornehmster Gegend, primo Piano Via Cappuccini Nr. 19, heißt Fongoli Baroni u. war tiptop mit […] angezogen. Der Tizian war eine alte Kom­pos[ition] (c. 1530) im Anschluß an d. Pesaromadonna eine S. Conversaz[ione] mit einer hl. Lucia, die d. Christkind ihren Augenteller präsentiert – also quasi unverkäuflich. (Werkstattbild). Er besitzt auch eine 2. Ausgabe (oder erste  ?) des Longhi’schen Borghesechristus, wir haben nur d. Photo[graphie] gesehen, die noch näher d. Van Dyck ist wie d. Borghesebild (Original hat er bei […] in London, in Duke-street. Der verleg[ene] Gangster stammt aus Perugia, mir klingt sein dottore mio bello u. dottore […] noch im Ohr. Bei Foresti sahen wir noch einmal d. Porträt (Strozzi) u. eine große Venus mit Putto u. Ausblick auf eine Meerlandschaft mit Schiff darauf, das zu brennen begann u. auf d. geraubt wird. Nackte Gestalten 249

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à la Bridgewater-Aktäonbild. Sehr interessant. Aber d. Vordergrund mit Waffen etc. l[inks] u. r[echts] ganz übermalt – wenn nicht – die Waffen – überhaupt 17./18. hinzugestrich[en]. Beim American holten wir unsere letzte Post u. adressierten um auf Verona bez[iehungsweise] Venedig. Wir packten zuende, es war sehr heiß geworden u. versuchten noch einmal Pesaro zum Gang ad Restauratorem Antonallae abzuholen – vergeblich. Im Castello hatten wir Appuntamento mit Nicodemi um ½ 5, um mit ihm zum Principe Borronus zu gehen. Wir warteten erst in d. Bibliothek, suchten Wildes Artikel über Fetti heraus u. bekamen dadurch d. Z[eichnung]en in Modena als Folge Fettis bestätigt. Wir warteten dann im Hof vor seinem Bureau, alle Aufseher u. Beamten, die Nicodemi kennen, waren verzweifelt  ! Er kam ¾ Stunden nicht u. wir gingen als d. lebendige Vorwurf von dannen (ich zwar sehr vergnügt, denn ich war zu faul gewesen, mich „prinzlich“ anzuziehen). Abreise, volle Bahn, Ankunft (Albergo Moderno, sehr gutes Zimmer, aber abends schon nur mehr kaltes corrente Wasser). Rundgang durch d. untere Stadt wo zwei one man show in zwei richtigen Aus­stel­ l[ungs]­lokalen bis 10h nachts ingresso libero offenstanden  ! Genachtmahlt in einem Lokal, das augenscheinl[ich] nur für Mittagessen eingerichtet war. Zu Bett. So ruhig geschlafen.128 13. [Mai] Nachmittag. Bett, Bergamo. Der gestrige Tag in Bergamo, d. heutige auf einem Ausflug (Autobus) nach Lovere, Trescore, beide einzig schön. Wetter herrlich (sommerlich), Arbeit anregend, alles gelungen, ohne Post, unerreichbar – auf Ferien  ! Gestern haben wir viele Kirchen angesehen u. dann vor- u. nachmittag in der Accademia gearbeitet, wo uns Conte Allessandri, ihr Keeper, die Z[eichnung]en zugänglich machte. 12 große ungeordnete Volumeni, mit darin meistens Dreck – aber doch auch einiges Interessantes für uns. Die Galerie selbst ist ja wirklich besonders interessant für Venezianer. Früh waren wir (auf Rat Allessandris) beim Grafen Moroni, weil dieser noch am selben Tag das Haus zusperren wollte, um sich aufs Land zu begeben. Ein alter Diener führte uns u. war sehr traurig, uns alle Möbel schon „coperte“ zeigen zu müssen. Die Samm­l[ung] ist gut, vor allem d. Moronis natürlich  ; ein drei-Fig[uriges]-portr[ät]von Previtali, gute Guardis, Zuccarellis, Ghirlandai[os]. Die Dekorat[ation] d. Haus[es] von Barbelli, dazu auch ein gedrucktes Programm (Hauses Büchl). Nach 5h auf d. Bergstadt hinauf. Blicke hinaus, hinunter, hinauf, Palazzo um Palazzo mit Terrassengarten, Palmen. Der heutige Tag fing um 6h an, obwohl wir erst d. Wecker um ¾ 7 bestellt hatten – ich war so unruhig, gespannt auf d. Ausflug. Drum fuhren wir auch mit einem früheren Wagen nach Trescore, hatten uns aber nicht gemerkt, wo d. Lottokapelle war, eilten in eine nahgelegene Kirche, die’s nicht war. Inzwischen kam d. nächste Autobus, mit dem wir ins Hügelland weiterfuhren, an alten Städten u. Seen vorbei, nach Lovere, das am langgestreckten Iseosee liegt. So eine liebe Gegend, so eine liebe Luft. Eine Pfarrkirche mit großen Vogelflügelreitern von Romanino, d. 250

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Abb. 74  : Lovere am IseoSee.

Museum Tadini mit vielleicht 20 Sälen u. z[um] T[eil] sehr guten Bildern ( Jac[opo] Bellini M[adonna] + K[ind], Paris Bordone  ! eine Kopie nach einem Lottoportr[ät], Herr von hinten in Rüstung auf eine kleine Madonna r[echts] oben zeigend, eine Kopie „nach Tizian“ Engel mit Leichnam u. s. f., Katalog gekauft). Leider alle sehr schlecht gehalten. Mittag im Freien, Fische aus dem See. Dann sagt Hans  : „Der Autobus fährt um 2  ?“ – Die Kellnerin  : „no adesso“. Aufbruch im Sturm u. nach Trescore zurück, wo wir wiederum einen Wagen überschlugen u. 30 Minuten Zeit hatten. Geschwind zum Palazzo des Conte Suardi, durch das Gehöft (mit Balg einer Eule an die Stalltür genagelt) in die im Garten gelegene Lottokapelle. Ein kleines gotisches Kapellchen, über u. über ausgemalt. Die Figuren klein, fast predellenartig in d. Wirkung. Richtige Bauernkunst. Frisch, formlos – urwüchsiger Spaß. Zurück auf d. Platz im Laufschritt – der Autobus aber hat natürlich Verspätung. In Bergamo haben wir ausgeruht, Gewitterstimmung. –129 Jetzt sind wir in Brescia, Albergo Roma. Haben schon d. Nachtmahl hinter uns, d. Waschen. Das Schlafen vor uns. Gutenacht. 15. [Mai] Sonntag abends Verona (Torcolo, aber nicht zufrieden, zu laut, es gibt keine Camera interna). Gestern nicht zum Tagebuch gekommen (dem Anderl geschrieben  !). Unser Tag in Brescia war ergiebig. Erstens haben wir in Sta. Afra das Brescianer Märtyrerbild von Palma gefunden, von dem wir in Christ Church ein Riesen-Modello (als Tintoretto oder Anon[ym] dort) photogr[aphiert] hatten. (Ebenda auch ein Bassano (Francesco  ?), von dem wir noch nie eine Reprod[uktion] sahen). Zweitens haben wir im Stiegenhaus d. Museums das Bild gefunden, Susanna mit d. Alten, dessen Zeichungsentwurf 251

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wir seit fast einem Jahr schon besitzen  ! Es ist d. ausgezeichnete Z[eichnung], deren Photo wir bei Scharf sahen, das Original diesen Jänner bei de Burlet, jetzt steht es fest, d. Z[eichnung] ist von Antonio Campi – wer hätte das gedacht  ! Das Bild gehört zu einer Folge von Gerechtigkeitsdarstellungen d. Rathauses in Brescia. Die Z[eich­ nun­g]en sonst in Brescia sind recht unbedeutend.130 Anmerkungen 1 Reiseroute vom 20. Jänner–15. Mai 1938, 1. Büchel   (Attnang-Puchheim) (A) – (Wels) – Salzburg (A) – Basel (CH) – Paris (F) – Dieppe – London (GB) – Malvern – London – Kingston Lacy (HT) – Paris (F) – Wien (HT) – Turin (I)/(ETC) – Genua (ETC) – (Livorno) – Rom – Grottaferrata – Rom – Neapel – Florenz – Fiesole – Florenz – Ponte a Mensola – Florenz – Siena – Florenz – Bologna – Modena – Parma – Piacenza – Cremona – Piacenza – Mailand – Lugano (CH) – Mailand (I) – Bergamo – Brescia – Verona.

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Liesbeth Askonas war Studentin HTs an der Wiener Universität gewesen. Den Akten des Archivs der Universität Wien/Nationalien ist zu entnehmen, dass Askonas vom WS 1932/33 bis zum SS 1936 als ordentliche Hörerin inskribiert gewesen war. Am 13.9.1936 wurde ihr ein Absolutorium ausgestellt – was bedeutete, dass sie sämtliche Pflichtlehrveranstaltungen abgeschlossen hatte und sich ihrer Dissertation widmen konnte. Diese wurde jedoch nicht mehr an der Wiener Universität approbiert. Interessantes Detail am Rande   Während Askonas in den Nationalien anfänglich als Religionszugehörigkeit „mosaisch“ anführte, bezeichnete sie sich ab dem SS 1934, also ausgerechnet in der Zeit der stärksten Klerikalisierung, als „konfessionslos“ (Archiv der Universität Wien, Nationalien, Liesbeth Askonas  ; zu Lisbeth Askonas siehe TB 1938/1, 25.2.; TB 1938/2, 13.9.).



Aus einem Brief ETCs an ihren Sohn Andreas erfährt man etwas mehr über ihr Verhältnis zu den beiden angehenden Kunsthistorikerinnen Liesbeth Askonas und Ditta Santifaller (siehe TB 1938/1, 9.4.)  „Heute gibt die Liesbeth ihre Dissertation ab  ; es hat lang genug gedauert. Diese alten von [Julius von] Schlosser noch herkommenden Rigorosanten mockieren sich alle sehr über den neuen Kurs  ; am Sonntag war die Santifaller da, die erzählte, wie in jeder Dissertation ein Stück Strukturanalyse und – womöglich – Baldachinableitung sein müsse. Erstere ist einfach eine andere Ausdrucksform für genaues Einsehen in ein Kunstwerk, was mir doch für einen Kunsthistoriker Voraussetzung zu sein scheint. Letzteres geht allerdings kaum bei dem Thema, das die Santifaller arbeitet (Tiepolo als Radierer), belastet aber sehr die arme Liesbeth, die eine Joyeuse Entrée (Festzug) in Brügge, eine Miniaturhandschrift von 1500 u. einige […] behandelt. Da die Festdekoration an den Brügger Straßen überall Architekturen zeigt, so ergibt sich überall ein Verhältnis zum gotischen Baldachin, aus dem Sedelmayer [sic  !] bekanntlich die ganze gotische Architektur ableitet. Papa sagt (aber nur zu mir)   wenn einer einen Vogel hat, so ist das sein gutes Recht  ; das Schlimme ist nur, wenn er einen Schüler zwingt, denselben Vogel zu haben …“ (Brief ETC an Andreas Tietze in Istanbul vom 7.12.1937, Privatarchiv Filiz Tietze). Gemeint war Hans Sedlmayr (1896–1984), der 1936 die Nachfolge Julius von Schlossers auf dem

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Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Wiener Universität angetreten hatte und während der NS-Zeit innehatte.

Jane Austen (1775–1817), Pride and Prejudices, Roman, 1813.



In der NS-Zeit wurde nur die erste Strophe des Deutschlandlieds (1841, Hoffmann von Fallersleben [1798–1874]), meist gefolgt vom Horst-Wessel-Lied (ab 1940 zwingend) – als Hymne des NS-Staates –, gesungen. Das Singen (Summen) des Horst-Wessel-Liedes ist in Deutschland und Österreich heute verboten (Christoph Drösser, Lied der Deutschen).



Walfischgasse – Wohnadresse von Ida Conrat. ETC hatte dort ihr Mittagessen eingenommen, als sie noch in der nahe gelegenen Albertina tätig war.



„Portier ist gegen d. Regime“  – die oppositionelle Einstellung konnte sowohl von links als auch von nationalsozialistischer Seite herrühren und richtete sich gegen das autoritäre ständestaatliche Regime in Österreich („Austrofaschismus“) von 1933–März 1938.



Sherlock Holmes – Die graue Dame, Regie   Erich Engels (1889–1971), Deutschland 1937.



Bürgermeister von London – Sir Frank Henry Bowater (1866–1947) war Lord Mayor of London von 1938–1939.



Wels und Attnang-Puchheim sind kleinere Städte im Bundesland Oberösterreich, an der Bahnstrecke Wien – Salzburg gelegen.

2 „Brief an d. Großmama zurückadressiert“ – um den Kontakt untereinander aufrechtzuerhalten, wurde die Korrespondenz innerfamiliär entweder gemeinsam gelesen oder weitergereicht. 3 Wagen der Linke-Hofmann-Busch AG, bei dem auch die Bänke der 3. Klasse mit Polstern ausgestattet waren.

„Polen u. andre Völker mit tschechischen Pässen“ – vermutlich sind damit die „kosmopolitischen Juden“ gemeint.



„Qui s’excuse“ – franz. ‚Wer sich ohne Anklage verteidigt …‘

Gustl (Gustav Furtmüller), der Freund und spätere Ehemann von Tochter Burgl, war für die im Austrofaschismus verbotene Kommunistische Partei tätig.

„Gruppe, die Meder für Bassano hielt“ – siehe dazu TB 1937/1, 19.4.



„Another problem offered by Giorgione’s decorative paintings is that of the now vanished allegories in the Palazzo Loredan-Vendramin-Calergi in Venice. One of the figures The Diligenza has been etched by Zanetti in his corpus of the Venetian frescoes. […] Dr. [George Martin] Richter, who pleads for Giorgione, states justly that the fresco probably was already very much ruined in Zanetti’s time and that the copyist probably put something of his own style into his reproduction. This is confirmed by a document certainly a century older than Zanetti’s etching, a red chalk drawing in the University Library in Salzburg, Austria (no. 355), belonging to a group of copies made in the middle of the seventeenth century and all belonging to the same collection. The figure of the drawing is much more slender and 253

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graceful than the etching, and approaches much more the original Giorgionesque character of the fresco of which now no trace is left on the spot.“ (Tietze-Conrat 1940a, 32, 35 [Hervorhebung im Original].)

Der Weg zur Lösung des „Rätsels“ – „Palma-Giorgione-Palazzo Vendramin-Fresko“ siehe TB 1937/1, 19.4., 15.5.; TB 1937/3, 14.7., 17.7.

4 Dr. Hermann Loeb, Leiter des Holbein-Verlags. 5 Sammlung des Basler Rechtsanwalts Dr. Tobias Christ (Sotheby 1981).

Der Unternehmer Robert von Hirsch hatte Deutschland 1933 rechtzeitig verlassen und seine große Sammlung noch in die Schweiz mitnehmen können. Diese war unter anderem durch die Beratung von Georg Swarzenski, dem Direktor des Städelschen Kunstinstituts, sowie dessen Mitarbeiter Edmund Schilling zusammengekommen. Die gesamte Sammlung Hirsch wurde im Frühjahr 1978 vor ihrer Versteigerung durch das Auktionshaus Sotheby’s ein letztes Mal im Städel-Museum sowie im Kunsthaus Zürich der Öffentlichkeit präsentiert (Schneider 1978  ; N. N. 1978).



Dürer, Ölberg, Tietze/Tietze-Conrat 1944, Nr. 824, Palma Giovane. „Coll. R. von Hirsch. Portrait of a bearded man. […] Identified by E. Tietze-Conrat in Graph. Künste N. F. I, p.  140 as a design by Palma used with very slight modifications in his ‚Entombment of Christ‘ in the Oratorio dei Crociferi, Venice.“ (Tietze/Tietze-Conrat 1944, 199.)

6 Fritz Heinemann von der Galerie Heinemann in München hatte 1930 die Geschäftsleitung der Galerie Hansen in Luzern übernommen, an der bereits sein Vater beteiligt gewesen war. Sein Vetter Rudolf Heinemann (auch Fleischmann-Heinemann) war seit 1931 Gesellschafter der Kunsthandlung E. A. Fleischmann in München. Seit den frühen 1920erJahren hatte Rudolf Heinemann den Sammler Heinrich Thyssen-Bornemisza beim Aufbau seiner Kunstsammlung beraten (Schreiber/Drauschke 2010, 178  ; Germanisches Nationalmuseum, HP). Rudolf Fleischmann-Heinemann war auch für die Zusammenstellung des Katalogs der berühmten Austellung der Thyssen’schen Sammlung 1930 in München verantwortlich gewesen (Heinemann-Fleischmann 1930).

Zu Margrit Schulthess und dem „Schweißtuch“ siehe auch TB 1937/1, 22.4.

7 Die promovierte Kunsthistorikerin Anna Maria Loeb-Cetto war bis 1939 Lektorin beim Prestel Verlag, Frankfurt am Main, dem Verlagshaus ihres Ehemanns Hermann Loeb (TB 1937/1, 24.4., 6.5.). „Nach Beginn der NS-Diktatur bekam C[etto] wegen der jüdischen Herkunft ihres Mannes Schwierigkeiten mit der Reichsschrifttumskammer. 1938 zwei Wochen verhaftet. 1939 Emigration in die Schweiz.“ (Anna Maria Cetto, Rheinland-Pfälzische Personendatenbank  ; dies., in  Wendland 1999a, 87–89.)

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Der „Zwischenfall“ hatte im Rahmen der „Ersten Tagung deutscher Museumsdirektoren“ im November 1937 im Pergamonmuseum in Berlin stattgefunden (Winter 2013, 12). Außer Schmidt und Schenk zu Schweinsberg, dem Direktor des Schlossmuseums Gotha, hatten auch noch Friedrich Winkler sowie der Generaldirektor der Münchner Museen

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Ernst Buchner den Saal verlassen. „Es waren also keine unbedeutenden Leute in damaligen Kulturkreisen, die hier protestierten. Wohlgemerkt handelte es sich dabei keineswegs um Personen, die dem Nationalsozialismus besonders kritisch gegenüberstanden – im Gegenteil.“ Robert Schmidt allerdings bekam „die Feindschaft des Regimes daraufhin schnell zu spüren  ; er wurde verdächtigt, diese Informationen weitergeleitet zu haben, da er nach wie vor Kontakte zu Museumsdirektoren im Ausland hatte“ (Heuß/Hansen 2002).

Die Geschichte der Diffamierung Rembrandts als „Ghettomaler“, die von ETC ziemlich akkurat wiedergegeben wird, fand über mehrere Kanäle ihren Weg ins Ausland. So hatte z. B. der Publizist Paul Westheim, der wiederum regelmäßig von seiner damaligen Lebensgefährtin über die Vorkommnisse in Deutschland unterrichtet wurde, bereits im Jänner 1938 über die Geschehnisse in der deutschen Exilpresse in Frankreich berichtet (Westheim 1985a, 271  ; Rotermund-Reynard 2010). 1942 schrieb Westheim ein weiteres Mal zu den Vorkommnissen  „Wenn nach den ersten Mitteilungen nun noch Zweifel bestanden haben mögen, ob Rembrandt und Grünewald wirklich derart herabgewürdigt worden seien (auch wir hatten das zunächst nicht für möglich gehalten), so lagen doch inzwischen so viele Berichte vor, mit so genauen und genau übereinstimmenden Einzelheiten belegt, daß an der Tatsache nicht mehr gezweifelt werden konnte.“ (Westheim 1985b, 67.)



Klaus Graf von Baudissin – ab 1934 Direktor des Museums Folkwang Essen, 1937–1938 Amtsleiter im Erziehungsministerium, SS-Mann. „Er [Baudissin] wurde nun ins Kultusministerium berufen und gab als Leiter der Kunstabteilung am 2. August die Anweisung, eine ,Nachlese betr. entartete Kunst‘ in den deutschen Museen durchzuführen.“ ( Janda 1992, 114.) „Sein Rasseglaube war zweifellos stärker als seine Kunsteinsicht.“ (Rave 2007, 31.) Walter Hansen, Prähistoriker und Zeichenlehrer aus Hamburg, beteiligte sich an der Aktion „Entartete Kunst“ 1937 und war Autor von „Judenkunst in Deutschland“ (1941) (zu Walter Hansen siehe Heuß/Hansen 2002, 419–431  ; Rave 1988).

8 Der Maler Leo Michelson lebte seit den frühen 1920er-Jahren in Paris. 1940 flüchtete er in die USA und kehrte nach 1945 wieder in sein Atelier in der Rue Washington zurück (Bouret 1963, 62, 64).

Sie speisten, vermutlich als Gäste von Leo Michelson, im berühmten Restaurant „Chez Fouquet“ auf den Champs-Élysées.

Albrecht Dürer, Wappen des Salzburger Erzbischofs Matthäus Lang von Wellenburg bzw. des Humanisten und Reformators Lazarus Spengler, 1516, J. Paul Getty Museum, Los Angeles.

Diese Besprechung Mayers (Mayer 1937) war – nicht frei von persönlichen Eitelkeiten – alles andere als wohlwollend ausgefallen. Wie in jenen Jahren üblich, fokussierte sich Mayer in seiner Kritik vor allem auf Fragen der Zuschreibung bzw. Datierung von Werken Tizians. HT, der an den kommerziellen Interessen, die mit den Zuschreibungen verbunden waren, Anstoß nahm und insgesamt für einen zurückhaltenderen Umgang in diesen Fragen plädierte, tendierte dazu, zahlreiche bisherige Zuschreibungen an Tizian infrage zu stellen. Mayer war zu diesem Zeitpunkt selbst mit der Abfassung eines Werkkatalogs zu Tizian beschäftigt. Dieser blieb unveröffentlicht und befindet sich heute laut Posada Kubissa im 255

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Russischen Staatlichen Militärhistorischen Archiv (Posada Kubissa 2010, 126). Tietzes Reak­tionen auf Mayer u. a. in  : Tietze-Conrat 1946, 81–84.

Galerie des Beaux-Arts – Galerie von George Wildenstein in der Rue du Faubourg SaintHonoré Nr. 140.

  9 Gemeinsam mit den beiden Brüdern Josef und Arthur Berger (TB 1923–1925) hatte der aus Wien stammende Architekt Otto Bauer (1897–  ?) in den 1920er-Jahren den „Bund österreichischer Architekten“ gegründet. Der Loos-Schüler Bauer war bereits seit 1926 in Paris ansässig. Iris Meder erwähnt zwar ein Naheverhältnis zu Floch, Hinweise auf eine Präsidentschaft Bauers beim „Künstlerbund“ gibt es allerdings keine (zum Künstlerbund siehe TB 1937/1, 19.4.). Die deutsche Okkupation überlebte Bauer versteckt in Südfrankreich (Meder 2008b  ; Otto Bauer, Az W, Architektenlexikon).

Sammlung Eugène Rodrigues (1853–1928).



Giovanni da Udine wurde wegen seines Geschicks als Dekorateur und Stuckateur unter anderem von Raffael beschäftigt (Giovanni da Udine, in  Thieme/Becker/Vollmer 2008, 11–12).



Zu den Vorreitern der Röntgenuntersuchung von Gemälden gehörte der Kunsthistoriker Johannes Wilde, der in den 1930er-Jahren in Wien das „weltweit erste Institut zur Röntgenographie“ aufgebaut hatte ( Johannes Wilde, in  Wendland 1999b, 768).

10 Teile der Privatsammlung des Malers Walter Gay gingen als Legat an den Louvre. „During his long years in Paris he gathered a distinguished collection of Old Master drawings, paintings, bronzes, and other objects of art.“ (Allen 1938.) ETCs Artikel über eine Zeichnung aus dem Legat Walter Gays, der in der „Gazette des Beaux-Arts“ erschienen sein soll, konnte nicht ausfindig gemacht werden. 11 Gemeint war wahrscheinlich der aus Deutschland geflüchtete Kunsthistoriker Otto Wertheimer, der in der Emigration als Kunsthändler tätig war (Otto Wertheimer, in   Wendland 1999b, 752–753  ; ders., Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Kunstgeschichte).

Friedrich Lippmann, Zeichnungen von Albrecht Dürer in sieben Bänden, seit 1883 – Band 6 und 7 waren von Friedrich Winkler Ende der 1920er-Jahre herausgebracht worden (Lippmann 1883–1929).

12 Wie die Rockefeller-Foundation stellte auch die Carnegie-Stiftung Gelder zur Unterstützung emigrierter Wissenschaftler zur Verfügung (siehe dazu Feichtinger 2001a, 80–81).

Allendale-Bild – TB 1937/2, 15.6.



Jules Romains (1885–1972), Knock ou le Triomphe de la médecine, Drama, 1923.

13 Eine Person namens „Vogel“ konnte nicht gesichert werden. Vielleicht handelt es sich um die Fortsetzung eines Namensspiels. Eventuell wäre dann einer der beiden Brüder Silberman gemeint (siehe TB 1937/2, 22.6.). 256

Tagebuch 1938/1



„Lionello“ – Kunsthistoriker Lionello Venturi.

14 Hans Huths Ehefrau war die Fotografin und Malerin Martha Huth, heute vor allem bekannt für ihre Interieuraufnahmen von Sammlerwohnungen.

Café Capoulade am Boulevard Saint-Michel, Paris.



„Die Albertina gewährt uns weiter ihre Gastfreundschaft“ – eine Bemerkung, die wohl ironisch aufgefasst werden muss, da ein regelmäßiges Einkommen über die Albertina bereits weggefallen war und Geschenke, wie eine Ziehharmonika für Gustl, daher als unnötiger Luxus zu betrachten waren.



Exposition internationale du surréalisme, Jänner–Februar 1938, in der Galerie des BeauxArts. „Der Hauptraum der Ausstellung war als eine Art Grotte ausgebildet. Zwar hingen an den Wänden Gemälde und Fotos, doch bestimmten ganz andere Ausstellungselemente das Ambiente   In einer Ecke standen zwischen allerlei Gebüsch und an einem kleinen Tümpel zwei kostbar bezogene Betten, der Boden war hoch mit welkem Laub bedeckt, ein Kohle­ ofen erhellte die Szene mäßig, surrealistische Objekte verstellten den Weg, von der Decke hingen Unmengen von Kohlesäcken (gefüllt jedoch mit Zeitungspapier).“ (Schneede 2006, 209  ; Westheim 1938.)





In einer E-Mail vom 30.6.2011 erwähnte Tamara Loitfellner gegenüber der Herausgeberin, dass sich „Lilly [Steiner] mit ihrer Tochter [Eva Benesch] sehr früh zerstritten hat und sich die beiden bis zum Tod Lillys nicht mehr versöhnt haben“.



Zur Ehefrau von Kars und deren Plänen, nach Prag zu übersiedeln, konnte nichts weiter ausfindig gemacht werden. Einzig auf der Homepage des Hecht Museum in Israel ­findet sich der Hinweis auf ein tragisches Ende von Kars’ Familie in der Tschechoslowakei   „Even though Kars himself was saved, upon hearing about the dreadful fate of his family in Czechoslovakia he committed suicide on February 5, 1945.“ (Georg Kars, Hecht Museum.)

15 Marcelle Maurette (1903–1972), Madame Capet, Drama, 1937. Theater Montparnasse, 1937, Regie   Gaston Baty, dessen Ehefrau Marguerite Jamois (1901–1964) in der Rolle der Marie Antoinette.

Musée de l’Orangerie im Jardin des Tuileries, Paris.



Walter Gay, siehe TB 1938/1, 26.1.



Tizian, männliches Bildnis, um 1520, Louvre, Paris (Tietze 1936b, Abb. 50).



Tizian, Der Mann mit dem Handschuh, um 1520, Louvre, Paris (Tietze 1936b, Abb. 48, 49).



August Liebmann Mayer, von 1909–1931 Kustos an der Münchner Pinakothek, trat 1931 von seinem Amt am Museum sowie von seiner Lehrstelle an der Universität München zurück, nachdem ihm aufgrund der zahlreichen von ihm für den Kunsthandel angefertigten Expertisen Korruption sowie Fehlzuschreibungen vorgeworfen worden waren. „Die 257

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Vorwürfe gegen ihn waren im Kern der Auftakt zu einer ebenso spektakulären wie brutalen Verleumdungskampagne, die im Rahmen der späteren Judenverfolgung und der NSPlünderaktivitäten im In- und Ausland schließlich mit Mayers Ermordung in Auschwitz endete.“ (Fuhrmeister/Kienlechner 2008, 406.)

Teresa Posada-Kubissa, die mehrfach zum Schicksal Mayers publiziert hat, wirft Hans Tietze vor, sich durch seine öffentlichen Stellungnahmen gegen das Expertisenwesen zu einem Zeitpunkt der heftigsten Stimmungsmache gegen Mayer ebenfalls an der fatalen Hetze gegen diesen beteiligt zu haben  „Simultáneamente, Hans Tietze, profesor en Viena y uno de los más reconocidos especialistas en Durero, publicó en la primera página del Frankfurter Allgemeine Zeitung un tendencioso artículo de apoyo a Pinder por la campana emprendida en torno a las atribuciones en la colección Rohoncz, en el que se refería a la ,falta de escúpulos del historiador‘ que en sus atribuciones, había mancillado la imagen de la ciencia alemana en el extranjero.“ (Posada Kubissa 2010, 82.)



1928, am Höhepunkt der Debatte um das Expertisenwesen, hatte HT u. a. in der Zeitschrift „Kunst und Künstler“ zum Thema folgendermaßen Stellung genommen  „Die Sache selbst können wir, weil sie zu eng in allgemeinere Entwicklungen verflochten ist, nicht aus der Welt schaffen  ; aber können wir vielleicht die Einflüsse bekämpfen, die von ihr ausgehen und das wissenschaftliche Denken über Kunst durchsetzt haben und durchsetzen  ? Daß Fachmänner dadurch in ihren Urteilen von den Interessen des Kunsthandels abhängig werden, scheint mir nur die gröbste Form der Korruption zu sein  ; daß auch sie vorkommt, ist nicht in Abrede zu stellen, bewußt oder unbewußt verliert das Urteil Werken gegenüber, an denen so starke materielle Interessen haften, an Unbefangenheit. Bedenklicher noch als die erlahmende Widerstandskraft des Wissenschaftlers ist jedoch die der Wissenschaft. Das Erkenntnisziel dieser wird in zunehmendem Maße durch die Aufgabe der Expertise verdrängt. Die Feststellung von Autor und Schule, mit der sich jene erschöpft, ist für die Wissenschaft nur eine untergeordnete und vorbereitende Tätigkeit […]  ; die zunehmende Einstellung auf die kleinere Sphäre der Expertise hat das Niveau der Kunstgeschichte herabgedrückt und ihren Blick um so mehr verengt, als ja bei den Bestimmungen der Expertise greifbare, ins Auge springende, ,objektive‘ Kriterien wertvoller sind als komplizierte, auf den geistigen Organismus ausgehende Analysen.“ (Tietze 1928a, 380, 381.) Ob HT sich an anderer Stelle direkt zu A. L. Mayer geäußert hat, konnte im Rahmen dieser Arbeit nicht festgestellt werden. An der Kampagne gegen Mayer war an vorderster Stelle Heinrich Ernst Zimmermann, damals Direktor des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg, beteiligt. Das antisemitische Mobbing gegen Mayer seitens Zimmermanns ging jedoch bereits auf die Zeit um den Ersten Weltkrieg zurück (Maaz 2012b, 159  ; Vgl. dazu Winter 2013, 7). Zu August L. Mayer weiters   Posada Kubissa 2003  ; dies. 2005.



Es konnte nicht geklärt werden, um welche Persönlichkeit namens Goldschmied es sich gehandelt haben mag – möglich wäre auch, dass die Schreibweise nicht exakt ist.



Paul-André Lemoisnes „Degas“ sollte in der von George Wildenstein herausgebrachten Reihe „L’art français“ erscheinen. Außerdem von Lemoisne   Degas et son Œuvre, 4 Bde., Paris 1946–1949.

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16 „Dr. André Blum, the learned librarian of Baron Edmond de Rothschild and indefatigable student of engraving […]“ (Hind 1927). Nach dem Tod von Baron Rothschild gingen Teile der Sammlung 1935 an den Louvre. „The Bequest includes only a portion of his works of art, i. e., the prints and drawings, and these only up to the end of the seventeenth century. […] With his knowledge of the traditions of the collection, M. Blum will inevitably reamin in its charge in the Louvre, with the co-operation, it is to be hoped, of other curators.“ (Hind 1935.) Vermutlich betreute der Konservator Blum im Louvre auch Sammlungen von Adolphe de Rothschild (1823–1900) und des Kaufhausmagnaten Alfred Chauchard.

René Huyghe – „Conservateur adjoint des Peintures au musée du Louvre, puis, conservateur en chef, en 1937. Cette même année, il obtenait également un poste de professeur à l’école du Louvre.“ Während des Weltkrieges leitete er die Evakuierung des Louvre und schloss sich der Résistance an (René Huyghes, Académie française).



„Marcanton“ – Marcantonio Raimondi.



André Linzeler/Jean Adhémar, Bibliothéque Nationale, Département des Estampes, Inven­ taire du fonds français, graveurs du seizième siècle, Paris 1932–1938.



„Le premier dessin de Duvet que nous présentons ici se trouve au Cabinet des dessins du Louvre, parmi les Italiens anonymes du XVe siècle […]. Il est entré au musée pendant la Révolution, confisqué avec les biens d’un émigré, et porte le nom de Pietro Perugino […].“ (Tietze-Conrat 1938b, 127.) ETC hatte erstmals 1925 in „Der französische Kupferstich der Renaissance“ (Tietze-Conrat 1925e) und dann wieder 1930 zu Jean Duvet publiziert (Tietze-Conrat 1930a).



Pierre Benoit, La Dame de l’Ouest, Roman, Paris 1936.



Frank Thiess, Der Weg zu Isabella, Roman, Wien 1934.

17 Saint-Germain-en-Laye – Städtchen westlich von Paris, Region Île-de-France.

„Rockefeller – Carnegie – Leute“ – „Sollen in Paris irgend welche Erkundigungen eingezogen werden, ob, wie und wann man sich um ein Carnegie Stipendium zu bewerben hätte  ?“, hatte HT zu Jahresende bei seinem Sohn in Istanbul nachgefragt (Brief ETC und HT an Andreas Tietze vom 17.12.1937, Privatarchiv Filiz Tietze).

18 Café du Dôme – um 1900 berühmter Künstlertreff, vor allem auch für deutsche und österreichische Künstler in Paris, im Stadtteil Montparnasse gelegen.

La Femme aux Gardénias (O. Double Harness), Regie   John Cromwell (1887–1979), USA 1933.



Le Rosier de Madame Husson, Regie   Dominique Bernard-Deschamps (1892–1966), Frank­­reich 1932.

19 Die Privatsammlung Rayner-Wood in Malvern war Hauptanlass für die erneute Reise nach England. 259

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20 Bei Christine handelte es sich vermutlich um eine gemeinsame Bekannte Georg Ehrlichs und der Tietzes, möglicherweise noch aus Wiener Tagen. Es konnte jedoch nichts zu ihr ermittelt werden. 21 „Jännerpatientenreferat“  – Christoph Tietze war dabei, im obersten Stock des Familienhauses eine eigene Arztpraxis zu installieren.

Der Korrespondenz der beiden Tietzes mit Josef Floch kann man entnehmen, dass Andreas Tietze sich in den frühen 1930er-Jahren, also ungefähr zu der Zeit, als er mit seinem Universitätsstudium begann, einige Zeit in Paris aufgehalten hatte. Seinen neuen Lebensmittelpunkt hatte Andreas Tietze in Istanbul genommen, wo er bis 1958 verblieb.

22 „Ausstellung d. 17. Jhs.“ – Waterhouse/Popham/Brackett 1938. Popham war Spezialist für italienische Kunst.

Mount Royal Apartmenthaus, Oxford Street/Marble Arch, London.



Vermutlich handelte es sich um Dr. Ernst Lucas, Ehemann von Lili Reifenberg. Lili war die Schwester Eva Reifenbergs (TB 1938/2, 27.7.). „Lilli later married Ernst Lucas from Mönchengladbach, ,a good Jewish man‘.“ (Morreau 2002, 40.)

23 „Ein großer H[ei]l[i]ger (r[echts] im Anconabild)“ – Lorenzo Lotto, „Study for a saint in the altar-piece in the gallery in Ancona. […] Publ. by Popham in O. M. D. XII, March 1938, p. 49“ (Tietze/Tietze-Conrat 1944, Nr. 766, 185).

Vermutlich war mit „Gernsheimer“ Helmut Gernsheim, der ebenfalls in London lebende jüngere Bruder Walter Gernsheims, gemeint. Eine Verbindung zwischen Ehrlich und Helmut Gernsheim konnte jedoch bisher nicht belegt werden.



Es handelte sich um den bedeutenden, aus Graz stammenden Drehbuchautor Carl Mayer, der unter anderem für den expressionistischen Stummfilmklassiker „Das Kabinett des Dr. Caligari“ (Deutschland 1920, gemeinsam mit Hans Janowitz [1890–1954]) sowie für mehrere Filme Paul Czinners das Drehbuch verfasst hatte (Scholl 1994).

24 Ernst Gombrich hatte seine Dissertation zur Architektur Giulio Romanos verfasst (Wien 1933), die zweibändige Monografie zum Künstler stammt von Frederick Hartt (New Haven 1958). Zu Hartts Hilfestellung an Tietzes siehe TB 1938/1, 16.4. Herbert Read war seit 1933 Herausgeber des „Burlington Magazine“  ; als er diese Funktion 1939 niederlegte, tat er dies mit folgenden Worten  „In the actual state of the war we cannot trade with the enemy, and contributions from Germany will be withheld. But there exist in this country and elsewhere in Europe and America, German and Austrian scholars who are, in the official phrase ,refugees from political persecution‘, and to these we shall continue to extend the hospitality of our pages.“ (Read 1939.) 1938 leitete Read die in den Londoner New Burlington Galleries abgehaltene Ausstellung „verbannter“ deutscher Kunst des 20. Jahrhunderts. Sie war als Prostest gegen die nationalsozialistische Ausstellung „entarteter Kunst“ gedacht. 260

Zu Walter Gay siehe TB 1938/1, 26.1.

Tagebuch 1938/1



Ein Dr. Schwarz, Psychoanalytiker aus Wien, konnte nicht eruiert werden.

25 Vermutlich handelt es sich um den seit 1936 in London ansässigen deutschen Kunsthändler Herbert Norman Bier.

Zu Burgs – Lucas – Reifenberg – Feuermann siehe TB 1938/1, 8.2., 26.3.



Im Katalog der Tietzes wird die Zeichnung im British Museum mit Tintoretto, Christus am Ölberg, Kirche Santo Stefano, Venedig, in Verbindung gebracht (Tietze/Tietze-Conrat 1944, Nr. 1.697, 288).



Polidoro da Lanciano, in  : Berenson (BiBi) 1932, 462  ; ders., in  : Thieme/Becker/Vollmer 2008, 187.

Zu Witt siehe TB 1938/1, 12.2.

Paolo Veronese (Werkstatt oder Schule), Die Anbetung der Heiligen Drei Könige, Alte Pinakothek, München.



„the doctor“ – Dr. Stella Churchill.

26 „Mr. Rudolf“ – (bzw. Rudolph, TB 1937/2, 27.5.) Mediziner und Kunstsammler.

Gründe für die Missstimmung zwischen Tietzes und Witts konnten nicht herausgefunden werden.



Sammlung Colonel Norman Colville (1892–1976)  ; zur Vasari Society siehe TB 1937/3, Anm. 1.



The Burlington Fine Arts Club was „an association of Gentlemen formed for the encouragement of the Fine Arts“ (N. N. 1952).

27 Die beiden erwähnten Paare stammten aus Wien und waren frisch verheiratet, Gombrichs seit 1936, Kurzens seit 1937. Ernst Gombrich und Otto Kurz, die aufgrund des Antisemi­ tismus in Wien keine berufliche Zukunft sahen, fanden mit Saxls Hilfe am Warburg-Institut Beschäftigung. Von Otto und Hilde Kurz stammt die ausführliche Bibliografie der Werke HTs und ETCs (Kurz, Otto/Kurz, Hilde 1958), und den einzigen bekannten Nachruf auf ETC hat Gombrich verfasst (Gombrich 1959a  ; ders. 1959b).

Mit George ist vermutlich Ehrlich gemeint. Die Person namens Ruth konnte nicht eruiert werden.



Rudolf Karl Freudenberg  – Pionier in den Bereichen Insulinbehandlung und Sozialpsychiatrie. Im Zuge der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten floh Freudenberg gemeinsam mit seiner Ehefrau Gerda nach Wien  „Obtained job at University Neuro-histological Institute, Vienna, 1935  ; Did work on physiology of insulin coma treatment, 1936  ; Invited to join the staff of Moorcroft House, a private psychiatric hospital in Hillingdon, Middlesex, and moved to England, 1937  ; Obtained British medical qualifications (Scottish Triple) 1939.“ (Rudolph Karl und Gerda Freudenberg, Archives in London and the M25 area.) 261

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Bei der Bemerkung „So sahen die Freunde Feuerbach aus“ ist man auf Mutmaßungen und mehr oder minder schlüssige Deutungsversuche angewiesen. Naheliegend wäre, dass ETC den Maler Anselm Feuerbach (1829–1880) und dessen Freundschaften etwa mit Künstlerkollegen im Auge hatte. In den bekannten Texten ETCs lässt sich jedoch kein Hinweis auf ein besonderes Interesse an diesem Künstler finden. Andererseits könnte sie beim Anblick des sozial engagierten Rudolf Freudenberg auch an die unangepassten Weggefährten des freisinnigen Religionsphilosophen Ludwig Feuerbach (1804–1872) gedacht haben. Eine Reihe von Publikationen – neben Leben und Werk auch dem Briefverkehr des Philosophen gewidmet – gibt höchst amüsanten Einblick in die Geisteswelt revolutionärer, aber auch desillusionierter Kräfte im Deutschland der Zeit um 1848 (z. B. Bolin 1904). („Dr. Freudenberg was an extremly modest man who cloacked his war and humerous sympathy with shy formality. Many who were charmed by his courtesy stood in awe of him. But those who had the privilege of his friendship appreciated his broad and liberal sentiments.“ [DB 1983.]) Nach einiger Recherche wird außerdem ersichtlich, dass im ersten Viertel des vergangenen Jahrhunderts eine Flut von Veröffentlichungen zu den drei Generationen dieser ungewöhnlichen Gelehrten- und Künstlerfamilie auf dem Büchermarkt erschienen war. Dies dürfte auch der Aufmerksamkeit der Tietzes nicht entgangen sein. Ausgehend von Veröffentlichungen zum Künstler Anselm Feuerbach – einem Neffen Ludwigs – wurde 1913 von dem Verleger Georg Heinrich Meyer (1872–1931) gar ein eigener „Feuerbach-Verlag“ gegründet, dessen Bestände nach und nach in den Kurt Wolff Verlag (!) übergingen (Göbel 1977, 696). Auch der von ETC geschätzte Literat Herbert Eulenberg (vgl. TB 1924, 8.1.) leistete seinen Beitrag zum Feuerbach-Boom. 1924 veröffentlichte er Kurzporträts der bedeutendsten Familienmitglieder (Eulenberg 1924). Selbst in HTs „Bibliothek der Kunstgeschichte“ war ein Bändchen dem Maler Feuerbach gewidmet (Kuhn 1922). Interessant ist schließlich auch, dass sowohl Leopold Zahn (Zahn 1940  ; TB 1925, 5.7.) als auch Heinrich Bodmer (Bodmer 1942  ; TB 1938/1, 5.4.) sich während NS-Zeit und Weltkrieg mit Veröffentlichungen zum Maler Feuerbach an das deutsche Publikum wandten. Leopold Zahns Buch über Anselm Feuerbach ist ein durchaus auch heute noch lesenswertes Werk der kunsthistorischen Biografik – mit einem bösen Blick auf Wien, vermutlich sowohl aus der Perspektive Feuerbachs als auch jener Zahns. Anselm Feuerbach wird darin allerdings als verzweifelter Einzelgänger geschildert (Zahn 1940). Waren also doch Ludwig und seine revolutionären Freunde von 1848 gemeint  ?



Fresken von Antonio Campi in der Kirche San Sigismondo, Cremona.



Yarborough Giorgione – TB 1937/2, 9.6.

28 Zwar ist somit bekannt, dass Any (Anny) Levy-Gutmann am Trafalgar Square residierte, zu ihr selbst konnte jedoch nichts ausfindig gemacht werden.

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„Nemes – Susanna“ – Tintoretto, Susanne und die beiden Alten, ehemals Sammlung Marczell de Nemes (Hadeln 1922)  ; zur Sammlung Nemes siehe Mayer 1911.



„The Doctor“ – Dr. Stella Churchill.



„Landscape with old nude man seated (Saint Jerome  ?)“, Sammlung S. Schwarz, New York  ;

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„[…] we feel inclined to accept Fröhlich-Bum’s attribution to Giorgione as an attractive working hypothesis“ (Tietze/Tietze-Conrat 1944, Nr. 713, 174).

Am 12. Februar 1938 war es zu einem Treffen des österreichischen Bundeskanzlers Schuschnigg mit Adolf Hitler auf dem Berghof in Berchtesgaden gekommen. Bei den Gesprächen drohte Hitler mit dem Einmarsch der Wehrmacht, sollte das Verbot der NSDAP nicht aufgehoben werden  ; weiters forderte er die Aufnahme nationalsozialistischer Politiker in die österreichische Regierung. Die Forderungen Hitlers wurden mit der Unterzeichnung des sogenannten „Berchtesgadener Abkommens“ akzeptiert.

29 Josefine von Winter hatte sich nicht von ihren Dürer-Blättern getrennt. Die Situation änderte sich zwangsläufig, als der „Führer“ Adolf Hitler über seinen Museumsbeauftragten Hans Posse persönlich Interesse an der Federzeichnung des Apostels Paulus aus der Sammlung Winter anmeldete  : „Der F. wünscht, daß ich diese Zeichnung kaufe. Andererseits ist der Preis von 40.000 RM unverschämt hoch. Ich weiß im Augenblick wirklich nicht[,] was man da tun soll“, schrieb Posse am 12.11.1940 an den Leiter des Instituts für Denkmalpflege in Wien, der den Wink zwischen den Zeilen verstand (Archiv des BDA Wien, K 10, Posse-Korrespondenz, M 5, Hans Posse an Herbert Seiberl, 18.10.1940). Im Juni 1941 konnte Posse zufrieden konstatieren, die Zeichnung für lediglich 15.000 Reichsmark „erworben“ zu haben (Archiv des BDA Wien, K 10, Posse-Korrespondenz, M 9, Dr. Reimer an Herbert Seiberl, 6.1.1942). Josefine von Winter wurde 1942 ins KZ Theresienstadt deportiert, wo sie 1944 ums Leben kam. Dürers Zeichnung des Apostels Paulus gilt heute als verschollen (zu Josefine Winter siehe auch Lillie 2003, 1.298–1.330  ; siehe auch TB 1923, 21.10., 31.12.)  ; zum Schicksal der von Posse während des NS-Regimes zusammengetragenen Grafiksammlung siehe Schwarz 2012.

Zur Sammlung Erzherzog Friedrich siehe TB 1925, 5.7.



Erica Tietze-Conrat, A Drawing by Paris Bordone – not Titian, in  The Burlington Magazine for Connoisseurs, Vol. 72, Nr. 421, April 1938, 187, 189. „Wir haben vom Victoria & Albert Museum eine sehr schöne Studie von zwei Blumen-haltenden nackten Armen photographieren lassen, da sie uns Venedig-, ja Tiziankreis-, in erster Linie Paris Bordoneverdächtig war, wie auf unserem Zettel eingetragen steht. Dort im Museum war sie als Parmiggianino katalogisiert. Nun hat sich unsere Meinung bestätigt   sie ist, d. h. der eine der beiden Arme ist wirklich die Studie für ein Wiener Bild des Bordones  ! Daß man eine Gesamtkomposition fixieren kann, ist leicht, eventuell auch eine ganze Figur, eventuell auch einen Kopf – aber nur einen Arm, das ist halt doch etwas Rares.“ (Brief vom 19.11.1937, ETC an Andreas Tietze, Privatarchiv Filiz Tietze.)



„Jene von uns veröffentl[ichte] Tizianz[eichnung] (Silberman)“  – Tietze/Tietze-Conrat 1944, Nr. 1.948, 322  „New York E. & A. Silberman Galleries. Two Satyrs seated in a landscape“  ; Tietze 1936b, Abb. 7.

30 Werner Weisbach  – 1933 Zwangspensionierung als Nichtarier, 1935 Emigration in die Schweiz, „Privatgelehrter und, bis zum Kriegsbeginn, Reisen durch Europa, abgesichert durch eigenes Vermögen. 1939 Gastvorträge am Courtauld Institute London“ (Werner Weisbach, in  Wendland, 1999b, 728). 263

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„1932 öffnete das ,Courtauld Institute of Art‘ als Universitätsinstitut. Damit konnten auch in Großbritannien Studierende einen akademischen Grad in Kunstgeschichte erwerben.“ Bereits 1930 war William G. Constable (1887–1976) zum Direktor des Instituts ernannt worden (Feichtinger 2001a, 342).

„Anti-Clark-Giorg[ione]-Campagne“ – Kenneth Clark hatte vier Bildtafeln, auf die er 1937 bei einem Wiener Kunsthändler gestoßen war, als Giorgione für die National Gallery erworben. Diese Zuschreibung wurde jedoch unmittelbar darauf von führenden Kunsthistorikern erbittert angefochten und eine mediale Kampagne gegen Clark, dem neben einem Fehlurteil auch Geldverschwendung vorgeworfen wurde, losgetreten. Die kurz darauf erfolgte Zuschreibung der Tafeln an Andrea Previtali, einen Zeitgenossen Giorgiones, wird auch heute noch als gültig angenommen. Als zugrunde liegendes Thema dieser zusammenhängenden Bildfolge erkannte Ernst Gombrich ein pastorales Gedicht aus der Zeit um 1500 (Clark 1937  ; Richter/Borenius/Bodkin 1938  ; The National Gallery, Scenes from Tebaldeo’s Eclogues).

Lincoln’s Inn – eine der vier englischen Anwaltskammern.

31 Am 15./16. Februar kam es zu der von Hitler in Berchtesgaden geforderten Regierungsum­ bildung. Im neuen Kabinett Schuschnigg erhielten die Nationalsozialisten Arthur Seyß-­ Inquart (1892–1946) und Edmund Glaise-Horstenau (1882–1946) das Innen- und Sicher­ heitsressort respektive ein Ministeramt ohne Portefeuille. Nachweislich sympathisierte Finanzminister Rudolf Neumayer (1887–1977) mit den Nationalsozialisten (Rudolf Neumayer, Forschungsstelle Nachkriegsjustiz). Die Frage, ob der damalige Außenminister Guido Schmidt (1901–1957) ebenfalls mit dem Deutschen Reich kollaborierte, konnte in einem Nachkriegsverfahren nicht restlos geklärt werden (N. N. 1947b). Ob Schmidt und Neumayer auch die Personen waren, die ETC, die trotz allem recht gut informiert gewesen zu sein scheint, im Auge hatte, muss dahingestellt bleiben.

Eine Person namens Ruth in London, die möglicherweise zum engeren Bekanntenkreis der Tietzes gehörte, konnte nicht ausfindig gemacht werden.



Kingston Lacy – Sammlung Mrs. Henrietta Bankes.



Hans-Dietrich Gronau war seit 1935 in London ansässig und hier vor allem im Kunsthandel tätig (Pouncey 1951  ; Hans-Dietrich Gronau, in  Wendland 1999a, 247–248).

„Zatzenstein heiratete 1920 Mara Matthiesen und änderte seinen Familiennamen in Zatzenstein-Matthiesen. […] Die Firma hatte ihre Geschäftsadresse in Berlin, Viktoriastraße 33. 1928 begann die Galerie, mit der Kunsthandlung Colnaghi in London bei dem Verkauf der Kunstwerke aus der Eremitage in St. Petersburg zusammenzuarbeiten. Da Franz Zatzenstein Jude war, emigrierte er 1935 nach London.“ (Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen, Provenienzrecherche  ; Dyck 2006, 25–26.)

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Vivarini – venezianische Malerfamilie des 15./16. Jahrhunderts, deren bekanntester Vertreter Alvise ist (siehe auch TB 1937/2, 4.6.). In Thieme/Becker/Vollmer 2008 wird Alvise mit dem Beinamen Luigi – also Ludovicus  ? – geführt (ebd., 378).

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32 Der als Direktor der Tate Gallery nur mäßig erfolgreiche J. B. Manson stand damals kurz vor seiner Ablösung ( J. B. Manson, Tate).

Zu Otto Kurz siehe TB 1937/1, 29.4.



Es ist unklar, für welches Werk von Alfred Scharf die Abbildungen gedacht waren. Scharf hatte mit Valentiner an dessen Publikation zu den Handzeichnungen Rembrandts gearbeitet (Alfred Scharf, in  Wendland 1999b, 603).



Rosy Schilling war Jüdin (siehe Rosy Schilling, in  Wendland 1999b, 617).

33 Zu Freudenberg siehe TB 1938/1, 14.2. Myra – vermutlich Mira Bauer-Gutmann, die ältere Schwester Bettina Ehrlichs.

1937 bis Winter 1938 arbeitete Georg Ehrlich an der Bronzebüste der Bergner.



Der Schriftsteller James Matthew Barrie, Schöpfer des Peter Pan, hatte 1936 für Paul Czinners Verfilmung von Shakespeares „Wie es euch gefällt“ das Drehbuch verfasst. In einer Hauptrolle ist Elisabeth Bergner zu sehen. Barrie war 1937 verstorben.



Jan van Eyck, Die Hochzeit des Giovanni Arnolfini, 1434, National Gallery, London.

34 Zu Ernst Kitzinger siehe TB 1937/3, 17.7.

Von 1937–1947 war Paul Jacobsthal Lehrbeauftragter am Christ Church College, Oxford (Robertson 1958). Guido Kaschnitz von Weinberg war 1937 Jacobsthal auf dessen Lehrstuhl in Marburg nachgefolgt. Er hatte diesen bis 1940 inne, dann wurde er an die Universität Frankfurt berufen (Kaschnitz 1965). Zu Kaschnitz siehe TB 1923–1925.

35 Raffael malte im Jahr 1514 die „Sibyllen“ in der Chigi Capella, Santa Maria della Pace, Rom.

Christoph Tietze hatte bereits früh besonderes Interesse an der Sozialforschung gezeigt. In den USA sollte er sich schließlich auf Biostatistik spezialisieren und über Jahrzehnte in den heute politisch heftig umstrittenen Bereichen „Planned Parenthood“ und „Reproduktive Rights“ hohes Ansehen genießen.

36 Da sich in der Folge die Ereignisse in Österreich überstürzten, kam Burgl Tietze tatsächlich nur mehr kurz in den „Genuss“ der von der Schuschnigg-Regierung ausgesprochenen Amnestie vom 15. Februar 1938 („Februaramnestie“) für politische Delikte. Ihren Reisepass erhielt sie jedenfalls nicht mehr zurück.

Wie man aus einem Brief ETCs an Andreas Tietze weiß, hatte Franz Reichsman viele seiner Prüfungen mit Auszeichnung bestanden (Brief ETC an Andreas Tietze vom 14.12.1937, Privatarchiv Filiz Tietze). Zu Franz Reichsman siehe TB 1937/3, 25.7.



Hans Schoenberg war ein angeheirateter Vetter HTs.



La Marseillaise, Regie   Jean Renoir, Frankreich 1938. „Le troisième volet de la trilogie ,Front populaire‘ n’est pas le moindre. Commandé par la CGT, financé par une souscription populaire, La Marseillaise retrace quelques épisodes de la Révolution de 1789, ce que plus personne n’ignore en cette année de bicentenaire. Loin 265

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d’être une épopée pompeuse (l’un des personnages du film n’aime pas ce chant guerrier, il lui trouve ,quelque chose de grandiloquent‘ ce que justement le film de Renoir n’est pas), La Marseillaise apparaît comme une peinture toute en finesse d’une époque pourtant propice aux idées toutes faites.“ (Esnault 1989.) 37 Zur Publikation von Anderls Aufzeichnungen jener Anatolien-Reisen, die er im Laufe einiger Monate der Jahre 1936 und 1937 gemeinsam mit Robert Anhegger und zwei Freundinnen unternommen hatte, kam es vor dem Krieg nicht mehr. Erstmals zog Erik-Jan Zürcher 2002 die Reisenotizen heran (Zürcher 2002  ; längere Passagen wurden 2011 von Michael Egger veröffentlicht [Egger 2011]). 38 In Wien hatte Josef Floch seit 1919 der Künstlervereinigung Hagenbund angehört. Von den Hagenbund-Mitgliedern waren neben Georg Merkel und Fritz Schwarz-Waldegg (1889–1942, KZ Maly Trostinez) doch noch einige Mitglieder mehr von der Verfolgung durch die Nationalsozialisten betroffen. Floch, Ehrlich und Tischler befanden sich bereits im Ausland (Natter 1993b, 26). Erinnerungen der ehemaligen Sekretärin des Hagenbunds an die Zeit um den „Anschluss“ im März 1938  „Trotz der drohenden Gefahr ging das Leben im Hagenbund ungestört weiter. Eine meiner schönsten Erinnerungen ist das erste und letzte Gschnasfest im Fasching 1938. […] Gegen Ende Februar [sic  !] mußte ich […] alle nicht arischen Mitglieder über den Verlust ihrer Mitgliedschaft verständigen, somit war der Hagenbund ,rassenrein‘.“ (Frank 1993, 70.)

Dr. An[n]y Levy-Gutmann – siehe TB 1937/1, 29.4.

39 1938 stellte Viktor Tischler in Paris in der Galerie Jeanne Castel aus. 40 Francis Henry Taylor war von 1931–1940 Direktor des Worcester Art Museum in Massachusetts. Anschließend wurde er langjähriger Direktor des Metropolitan Museum of Art, New York. Vermutlich war Marie Kalat eine US-Amerikanerin, die bei HT in Wien studiert hatte. „Wir haben heute ein weiteres Argument dafür vorzubringen, daß sie mit dem Hieronymusholzschnitt steht und fällt   die schöne Baumstudie […], die gegensinnig in dem Hieronymusholzschnitt verwendet wurde, hat, wie Miss Marie Kalat anläßlich einer Seminarübung an der Wiener Universität beobachtete, ein anderes Detail […] gleichfalls gegensinnig für die Landschaft mit der Melkerin geliefert.“ (Tietze/Tietze-Conrat 1938b, 57  ; Marie Hueber, RootsWeb.)

„Hans ging dann zu d. Amerikanern“ – HT war wieder in Sachen eines Stipendiums für Sohn Anderl unterwegs. Andreas Tietze blieb jedoch bis 1958, als er einen Ruf an die University of California erhielt, in der Türkei. Nach Österreich kehrte er erst nach mehr als 35 Jahren mit dem Angebot einer Lehrkanzel für Turkologie an der Universität Wien zurück. Zu Andreas Tietzes wissenschaftlichem Werdegang siehe Egger 2012.

41 Gribouille (Der fünfte Geschworene), Regie   Marc Allégret, Frankreich 1937  ; Michèle Morgan (geb. 1920) debutierte in diesem Film. 266

Liesbeth Askonas – „She was born into a loving, cultured Jewish family in Vienna  ; her mother was a gifted pianist, her father an amateur singer. Many of Vienna’s cultural élite were

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guests in their home –“ (Rattray unveröff.; TB 1938/1, erster Eintrag „Basel”  ; TB 1938/2, 13.9.). 42 Hans Tietze/Erica Tietze-Conrat, Titian’s woodcuts, in   Print Collector’s Quarterly, Vol. 25, Nr. 4, 1938c, 332–360, 464–477.

Andreas Tietze, der 1935 zum ersten Mal in die Türkei gereist war, unternahm 1936 und 1937 gemeinsam mit Robert Anhegger und zwei weiteren Bekannten Reisen auf den Balkan und nach Anatolien. Das dabei geführte wissenschaftliche Reisetagebuch, in dem die Eindrücke von den kemalistischen Reformen festgehalten wurden, war zur Veröffentlichung bestimmt. Zur Rezeption der Reisetagebücher siehe Zürcher 2002  ; Egger 2012.

43 Aristophanes, Plutus, satirische Komödie, ca. 388 v. Chr.

Die Nähe zu den Zeichnungen der Sammlung Franz Koenigs war sicherlich verlockend, ein Aufenthalt im Haus von Dirk Hannema, Direktor des Boijmans Museum, kam jedoch wahrscheinlich wegen dessen Sympathien für den Nationalsozialismus nicht infrage.



Im Vorwort zum Katalog zeigten Tietzes sich ratlos zum Schicksal, das einzelne von ihnen erforschte Sammlungen – so auch die Sammlung Koenigs – im Gefolge von Nationalsozialismus und Weltkrieg genommen hatten  „We list for instance the collection of Mr. Koenigs as in Haarlem, Holland, though it was already temporarily deposited in the Boymans Museum in Rotterdam when we saw it for the last time.“ (Tietze/Tietze-Conrat 1944, Preface.) Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten hatte Franz Koenigs, der 1923 aus Deutschland nach Holland übersiedelt war, 1933 seine Sammlung als Pfand für ein Darlehen der Bank Lisser & Rosenkranz überlassen. Diese übergab die Kunstwerke 1935 leihweise dem Boijmans Museum in Rotterdam. Angesichts der drohenden Invasion deutscher Truppen wurde schließlich auch mit der Liquidierung der Bank Lisser & Rosenkranz begonnen. Da Koenigs nicht in der Lage war, das ihm gewährte Darlehen zurückzuzahlen, ging die Sammlung per 2.4.1940, rund einen Monat vor dem Einmarsch der deutschen Truppen, in das Eigentum der Bank über. Über Vermittlung des Direktors des Boijmans Museum, Dirk Hannema, kaufte der Unternehmer Daniël G. van Beuningen die gesamte Sammlung von Zeichnungen sowie zwölf Gemälde. Van Beuningen ließ seine Sammlung schließlich in das Museum Boijmans einfließen, womit der Grundstock für das spätere Museum Boijmans Van Beuningen gelegt war. „The intention was that the collection would be kept together under the Koenigs name in the museum in Rotterdam. This did not occur.“ (Advisory Committe 2003, 3.)



44 Société de l’Histoire de l’Art Français, Publikationsorgan   Archives de l’Art français. Marignane stammte vermutlich aus Villeneuve, Region Midi-Pyrénées.

„Carletto“ – Carlo Caliari.



Zuerst gingen Tietzes davon aus, dass es sich um Studien zu Tizians später durch Feuer vernichtetem Fresko „Die Schlacht von Cadore“ (Sala del Maggior Consiglio, Dogenpalast) handelte, die Orazio, Tizians jüngerer Sohn und Werkstattmitarbeiter, reproduziert hatte. Später sahen sie in den Studien des Vaters Vorlagen für ein Gemälde des Sohnes 267

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mit dem Thema „Battle between the German troops under Frederick Barbarossa and the Romans near to the Castel Sant d’Angelo and the Tiber“ (Tietze/Tietze-Conrat 1944, Nr. 1.941, 321). Die Bezeichnung der dargestellten Schlacht mit „Cadore“ stammte von Ridolfi (Tietze-Conrat 1925d).

Mit „Gernsheimer“ war der Fotograf Helmut Gernsheim, jüngerer Bruder von Walter Gernsheim, gemeint, der damals zwischen London und Paris pendelte (Helmut Gernsheim, Harry Ransom Center, The University of Texas at Austin).



„Auktion von Mathey“ – es handelte sich um Verkäufe durch den Kunsthistoriker Jacques Mathey in der Nachfolge seines Vaters, des Malers und Sammlers Paul Mathey (1844– 1929)   „Il [Paul Mathey] aurait été l’expert le plus étonnant du marché parisien. Mais jamais il ne voulut exercer ce métier officiellement.“ (Paul Mathey, Fondation Custodia, Collection Frits Lugt.)

45 Tiepolo, Fresken aus Mira, Villa Contarini, Musée Jacquemart-André, Paris.

Die von Dürer gezeichneten Hände ragen aus Hemdsärmeln hervor, um 1494, Albertina, Wien (Tietze/Tietze-Conrat 1937a, Nr. 62a, Abb. 171).

46 Die dreijährige Tochter von Josef und Mimi Floch, „Mucki“ (resp. Mouki), hieß eigentlich Jenny Eva.

Gemeint ist einer der beiden Brüder Köhler. Wolfgang Köhler, Psychologe und Verhaltensforscher, gilt als einer der Begründer der Gestaltpsychologie  ; sein Bruder Wilhelm war Kunsthistoriker und Studienkollege ETCs an der Wiener Universität. Beide Brüder hatten als überzeugte Nazigegner Deutschland nach 1933 verlassen und Professuren in den Vereinigten Staaten angenommen. Ob einer der beiden schließlich bei Christoph Tietzes „Affidavit“ behilflich gewesen ist, konnte nicht ausfindig gemacht werden.



„Silbervogel“ – siehe TB 1937/2, 17.6.



Eine satirische Zeitschrift namens „Slur“ konnte nicht ausfindig gemacht werden.



Gemeint ist die Malerin und Kunstkritikerin Edith Auerbach, eine nahe Freundin von ETCs Schwester Ilse. Edith Auerbach überlebte die NS-Konzentrationslager (Kahmann unveröff.).

47 Place Jacques Patissou (1880–1925), Nantes. 48 Der deutsche Kunsthistoriker Oskar Fischel war anerkannter Spezialist für Raffael Santi. Aus Altersgründen emigrierte Fischel 1939, erst relativ spät, nach England, wo er unmittelbar darauf verstarb (Oskar Fischel, in  Wendland 1999a, 147–151). 49 Die Geschichte um das Bild aus dem Besitz von Leo Michelson wurde vermutlich mit einem Verkauf über den Kunsthändler Bottenwieser abgeschlossen.

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Instruktionen für die Haushälterin Therese Kurzweil. HT sollte seine letzte und zugleich gefährlichste Reise nach Wien antreten, wo er vom „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich überrascht wurde.

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50 André Malraux, L’Espoir (Die Hoffnung), Roman, Paris 1937 – Malraux’ Auseinandersetzung mit dem Spanischen Bürgerkrieg. 51 „Sabato fasciste“ – seit 1935 wurde allen voran die italienische Jugend an den Samstagnach­ mittagen zu sportlichen Aktivitäten und Wehrertüchtigungen im Geist des faschistischen Staates angehalten. „Ob achtjährige Kinder das Gewehr mit aufgestecktem Bajonett präsentierten, ob Jungmädchen der Giovane Italiane sich auf dem Schießstand übten, ob Avantguardisten in Matrosenuniform Geschützteile transportierten, ob Ballilaknaben in merkwürdiger Zeremonie mit der Uniform bekleidet wurden   die totale Militarisierung durchdrang mehr und mehr das ganze Leben, und wenn das italienische Naturell ihr manches von ihrem Ernst nahm, so wurde sie doch nach Ausmaß und Anlage nicht einmal von Hitlers Deutschland erreicht.“ (Nolte 1968, 122–123.) 52 Commendatore – Träger eines italienischen Verdienstordens.

Mit den drei großen Sammlungen sind wohl die Albertina sowie die Grafikkabinette des Louvre und des British Museum gemeint. Obwohl ihnen die Sammlung bekannt war, lag die systematische Arbeit an den Zeichnungen in den Uffizien noch vor ihnen.



Die Via Roma, die Hauptstraße durch das Zentrum Turins, wurde in den 1930er-Jahren umgebaut.



Königlicher Palast – Palazzo Reale, Turin.

53 Tietze/Tietze-Conrat, 1944, Nr. 1.037, Graphische Sammlung München, Palma Giovane, „Two scrapbooks in bindings of the 18th century“, Nr. II/178 verso  „The Virgin and Child over clouds, monk receiving garment of the Virgin.“ (Tietze/Tietze-Conrat 1944, 214.) Tietze/Tietze-Conrat 1944, Nr. 1.062, Christchurch Library Oxford, Palma Giovane, „The upper figure used for the man on horseback in the middle of Palma’s painting ,Battle of St. Quentin‘ in the R. Palace in Torino  ; […] The Virgin on the back corresponds exactly to a drawing in Munich.“ (Tietze/Tietze-Conrat 1944, 217.) Tietze/Tietze-Conrat 1944, Nr. 1.240, Sammlung Prinz Liechtenstein Wien, Palma Giovane, „Preparatory study for Palma’s painting ,Battle of St. Quentin‘ in the Palazzo Reale in Turin. About 1580. A study for one of the riders No. 1062.“ (Tietze/Tietze-Conrat 1944, 225.) Palma Giovane, Emanuele Filiberto alla battaglia di San Quintino, Palazzo Reale, Turin. 54 Das Museo Civico di Arte Antica befindet sich auch heute noch im Palazzo Madama, Turin. Die Galleria Civica d’Arte Moderna e Contemporanea befand sich von 1895–1942 am Corso Galileo Ferraris und ist heute auf der Via Magenta.

Mit „fratelli Zuccato“ waren die beiden bedeutendsten Mosaizisten Venedigs, Francesco und Valerio Zuccato (aktiv zwischen 1530 und 1560), gemeint (siehe u. a. Tietze 1936a, 202). ETC hatte das Gemälde von Carlo Felice Biscarra (1823–1894) aus dem Jahr 1858, die beiden Brüder Zuccato in den Bleikammern des Dogenpalasts darstellend, vor Augen.

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55 Das Val d’Aosta (Aosta-Tal) war während des Ersten Weltkriegs Schauplatz blutiger Schlach­ten zwischen der italienischen und der österreichisch-ungarischen Armee.

Die „Zeitschrift für Bildende Kunst“ war zwischen 1866 und 1932 beim Verlag Seemann, Leipzig, erschienen.

56 Zu Lili Fröhlich-Bum und Schiavone siehe TB 1923, 17.9.

Biagio Pupini (Biagio Dalle Lame) war vor 1575 in Bologna tätig (Biagio Dalle Lame, in   Thieme/Becker/Vollmer 2008, 75).



ETC forschte in der königlichen Bibliothek von Turin (Biblioteca Reale im Palazzo Reale), weshalb die Eingabe für die Reproduktionsrechte formal direkt an den König zu richten war.

57 Dem Palazzo Rosso gegenüber liegt der Palazzo Bianco (16./18. Jh.) mit der Pinakothek.

Bei Luca Cambiaso und Paolo Farinati handelt es sich um Malerpersönlichkeiten des 16. Jahrhunderts von relativ lokaler Bedeutung aus Genua respektive Verona.



Johann Nestroy, Zu ebener Erde und erster Stock oder Die Launen des Glücks, Posse mit Gesang, Wien 1835 – in diesem Fall ist das „Mezzanin-Geschoss“ gemeint.



Basilica della Santissima Annnunziata del Vastato, 1587, Architekt   Giacomo della Porta (um 1532–1602).

58 „Italien-liebende deutsche Dichter“  – nachdem ihm durch die Nationalsozialisten die deutsche aberkannt worden war, hat Thomas Mann im Jahr 1936 die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft angenommen.

Ein Fräulein Einkemer konnte nicht eruiert werden.

59 „Albergo diurno“ – öffentliche Badeanstalt.

„Borghesegarten“ – seit 1902 öffentlicher Park, in dem sich unter anderem das Museum Galleria Borghese befindet.

60 Kapitolinische Museen. Das Museum Mussolini befand sich im Konservatorenpalast   „Jenseits des Zimmers der Mäcenasgärten steigt man sieben Stufen hinab zu dem neuen Museo Mussolini.“ (Baedeker 1931, 297.) Es wurden dort vor allem Beispiele aus der römischimperialen Vergangenheit präsentiert. 61 Albrecht Dürer, Kopf eines bartlosen älteren Mannes, Galleria Borghese, Rom  – „Nach Benesch ,Zug für Zug dürerisch‘ […]. Es verbindet eine bei D. ältere Auffassung […] mit der weicheren, aber doch plastisch bleibenden Modellierung, wie sie etwa Schäuffelein in seinen Bildnissen um 1507 zeigt […].“ (Tietze/Tietze-Conrat 1938a, Nr. A 198, 79–80.) 62 The Good Earth (Die gute Erde), Regie  : Sidney Franklin (1893–1972), USA 1937  ; nach einem Roman von Pearl S. Buck (1892–1973), in den Hauptrollen Paul Muni und Luise Rainer. 270

Unmittelbar nach der Rückkehr aus Wien setzte HT seinem Sohn Andreas die letzten Ereignisse in und um Österreich auseinander  :

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„Rom, 13. März 1938, Mein lieber Anderl, wie, was soll ich dir heute schreiben, wir Alten und du Junger sind heimatlos geworden und teilen die Sorgen um die Zwei, die noch in der Falle geblieben sind. Zunächst will ich dir kurz sagen, wie sich mir die Dinge darstellen  : Schuschnigg hat im allerletzten Moment versucht, eine Art von Volksfront gegen die Nazi[s] zu bilden. Die Reaktion, die sein wirklich tapferes Verhalten auslöste, war, so weit ich es beurteilen kann, eine relativ starke  ; jedenfalls hat sich die Arbeiterschaft hinter ihn und seine Regierung gestellt und auch den Bauern (wenigstens in Niederösterreich) war es ernst damit. Hat er die Macht dieser Koalition überschätzt (der er ja durch vier Jahre antidemokratischen Regimes die Kraft und Organisation selbst zerstört hatte) oder ging ihm das Wasser infolge des siegesbewussten Übermuts der emanzipierten Nazis an die Kehle, jedenfalls entschloss er sich zu dem Gewaltstreich der überraschenden Volksbefragung am 13. III. Seine Idee war[,] durch Überrumpelung einen so eklatanten Erfolg davonzutragen, dass für einige Zeit Ruhe werden könne. Leider hat er durch eklatante Fehler – verfassungswidrige Ausschreibung der Wahl, Ansetzung der Altersgrenze mit 24, Verweigerung einer wirklich geheimen Wahl – der Gegenseite viele Waffen in die Hand geliefert  ; außerdem hat seine starke Wandlung nach links den prinzipielleren Antikominternern Anlass zum Einschreiten gegeben. Außerdem hatte er nicht darauf gerechnet, daß Deutschland weiß, dass alle vollzogenen Tatsachen stets anerkannt werden  ; dazu die Chamberlain’sche Politik in England, die schwere Krise in Frankreich, die Folgen weißt du, eine deutsche Division soll in Wien einmarschiert sein und selbst, wenn das nicht der Fall ist, Österreich ist abgetan. Was in der Welt weiter geschehen wird und auch wie sich die Nazifizierung Österreichs im Einzelnen vollziehen wird, wollen wir heute außer Erwägung lassen, die persönlichen Schicksale brennen uns augenblicklich am allermeisten.“ (Brief HT an Andreas Tietze in Istanbul, 13.3.1938, Privatarchiv Filiz Tietze.)

63 Im Anschluss an HTs Bericht an Anderl versuchte ETC, ihrem Sohn ihren zweckgerichteten Optimismus nach Istanbul zu vermitteln  :

„Im übrigen Kopf hoch  ! Es war ja nie anders zu erwarten, nur das wann u. das wie waren verflucht überraschend. Papa fuhr am 11. früh in Wien ab u. war gegen ½ 5 oder so was an der Grenze, die am Abend gesperrt wurde. Er erfuhr erst in d. Früh am 12. in Venedig, wie bedeutungsvoll u. dramatisch d. Tag vorher verlaufen war. Wir fangen ein neues Kapitel unseres Lebens an. Hier in Rom, wo wir vor bald 34 Jahren unser gemeinsames Leben begonnen haben. Damals waren wir zwei junge Leute u. haben ganz langsam unser Haus mit Kind und Händeln [sic  !] und Enten sogar  ! aufgebaut. Jetzt bauen wir viel schneller ab. Du warst der erste, die andern kommen jetzt dran. Aber wenn alle so lieb schreiben werden, wie du es immer tust (und die Briefe auch wirklich ankommen), so haben wir unser Haus nur ausgeweitet und fühlen alle Fäden zu euch hin als eine beglückende Lebenskraft weiter. Schließlich ist alles ja gar nicht so viel anders gekommen, wie wir es uns vor Jahren schon immer ausgedacht haben. Immer hat der Papa gesagt, im Jahr 1937, wenn d. Stoffel seine Praxis aufmacht u. der Anderl die Univers. hinter sich hat, lösen wir das Haus auf. Du hast d. Konsequenz gezogen, aber der Stoffel hat uns den Strich durch d. Rechnung gemacht, indem er sich 1936 in unserm Haus niederließ. Papa ist voll Zukunftsplänen u. Zuversicht. Wenn wir von d. Kindern gute Botschaft bekommen, wird der letzte Druck gewichen sein. Dann wird er sich jung und unternehmungslustig fühlen wie vor (bald) 34 Jahren. Die 271

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Hauptsache ist, daß wir mit unsrer Arbeit gut weiterkommen u. Freude an ihr haben. Unsre Arbeit macht uns kostbar. Du sollst das auch für deine Person so empfinden.“ (Brief ETC an Andreas Tietze in Istanbul, 13.3.1938, Privatarchiv Filiz Tietze.) 64 Lambert Sustris, Venus auf dem Ruhebett, Galleria Borghese, im Anschluss an Tizians Venus von Urbino, Uffizien, Florenz (Lambert Sustris, in  Thieme/Becker/Vollmer 2008, 371). „Tizian im Skizzenbuch“ – zum italienischen Skizzenbuch Van Dycks siehe TB 1937/2, 7.7.



Sebastiano del Piombo war, so Vasari, als Schüler Giorgiones stark von dessen Malstil beeinflusst. Mit „Raffaels Sebastianozeit“ ist möglicherweise jene Periode gemeint, als die beiden Künstler mit der Dekoration der Gartenloggia der Villa Farnesina in Rom beschäftigt waren (Irlenbusch 2004, 13–16). „Er erhielt befruchtende Anregungen von Raffael[,] wirkte aber auch auf ihn zurück. […] Spätere Zeiten haben zwischen Bildnissen Raffaels und P.s nicht gut unterscheiden können, und erst allmählich hat man P.s Hauptbildnisse aus dem Werk Raffaels herausschälen können.“ (Sebastiano del Piombo, in  Thieme/Becker/Vollmer 2008, 69.)

65 Die Recherchen zum Architekten Bastianelli blieben ergebnislos. 66 Museo Mussolini – siehe TB 1938/1, 11.3.



Das Gebäude des „Istituto austriaco di studi storici“ in Rom, der Vertretung des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung, wurde 1938 nach Plänen des Architekten Karl Holey (1879–1955) errichtet und gilt als eines der „repräsentativsten Bauwerke des Austrofaschismus“ (Österreichisches Kulturforum Rom, Kulturjournal). Ignaz Dengel war ab 1929 Direktor des Instituts, das er 1935 in das Österreichische Kulturinstitut (Forum Austriaco di Cultura Roma/Österreichisches Kulturforum Rom) überführte. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten verlor auch das Institut 1938 seine Eigenständigkeit  ; Dengel wurde in den Ruhestand versetzt (Ignaz Dengel, in  : Csendes 1957, 178).

67 Es handelte sich um Gabriele „Jella“ Oppenheimer, deren Wohnung im Palais vis-à-vis der Wiener Staatsoper, Ecke Kärntner- und Walfischgasse, nur wenige Schritte von ETCs elterlicher Wohnung gelegen war. Um die Jahrhundertwende hatte Jella Oppenheimer dort einen bekannten Salon geleitet, in dem prominente literarische Persönlichkeiten der Zeit, wie etwa der Dichter Hugo von Hofmannsthal (1874–1929), verkehrten. Jella Oppenheimer war die Mutter Felix Oppenheimers, des Präsidenten des „Verbandes der Wiener Museumsfreunde“. Sie entging nur knapp der Deportation ins Konzentrationslager und verstarb zurückgezogen fast 90-jährig im April 1943 (ÖStA, AdR, BMF, VVSt, VA, Oppenheimer Gabriele, 19.8.1854, 9096). Zu Oppenheimer siehe Rossbacher 2003  ; Lillie 2003, 799–808. 68 Accademia Nazionale di San Luca, Rom.

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Stiftung Michele Lazzaroni  „Lazzaroni was a famous collector, amateur and sometimes dealer, notorious for his ,restoration‘ campaigns on the pictures that passed through his hands. […] Lazzaroni overpainted and altered works to bring them more in line with late 19th century tastes and ideals of beauty.“ (Sotheby’s, Old Master Paintings.)

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69 Der aus München stammende Bernhard Degenhart hatte unter anderem bei August L. Mayer Kunstgeschichte studiert und war zu diesem Zeitpunkt als Assistent an der Bibliotheca Hertziana tätig. 1939 erhielt er eine Anstellung an der Albertina in Wien. Durch seine Kontakte wurde der „aufstrebende Münchner Kunsthistoriker Teil einer zwiespältigen Elite, die oft genug Opfer und Täter zugleich war. Ohne auf Details eingehen zu können, sei festgehalten, dass Degenhart sowohl zu Widerstandskreisen als auch mit offiziellen NSDienststellen in enger Verbindung stand“. 1940–1941 war Degenhart für die sogenannte „Dienststelle Mühlmann“ tätig, die in den Niederlanden sowie in Osteuropa organisierten Kunstraub betrieb (Fuhrmeister/Kienlechner 2008, 423).

Die der deutschen Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (gegr. 1911) unterstellte Bibliotheca Hertziana (eröffnet 1913) fiel in den Machtbereich des nationalsozialistischen Staates. 1934 wurde Leo Bruhns Direktor der Bibliothek  ; der Name wurde in „Kaiser-WilhelmInstitut für Kunst- und Kulturwissenschaft (Bibliotheca Hertziana)“ umbenannt (Bibliotheca Hertziana, HP). Zu Bernhard Degenharts Verstrickung in den nationalsozialistischen Kunstraub siehe u. a. Fuhrmeister/Kienlechner 2008.



Ludwig Schudt war fast 40 Jahre lang, bis zu seinem Tod 1961, Bibliothekar an der Bibliotheca Hertziana in Rom (Wittkower 1962).



Zu Vogel siehe TB 1938/1, 29.1.

70 Monte Pincio, nördlichster Hügel des heutigen Rom. 71 CIT – Reisebüro.

Federico Hermanin de Reichenfeld, Direktor der Galleria d’Arte Antica im Palazzo Corsini in Rom, war ein guter Freund Aby Warburgs gewesen (Michels/Schoell-Glass 2001, 586).



HT hatte die Jahre 1903/04 und 1904/05 als Mitglied des „Istituto austriaco di studi storici“ in Rom verbracht.



Der Historiker Friedrich Engel-Jánosi verzeichnet in seinen Erinnerungen die Begegnung mit Tietzes in Rom nicht. In dem 1974 verfassten autobiografischen Werk wird HT nur einmal in einer bizarr-komischen Anekdote aus der Zeit kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs erwähnt, als HT als Offizier vorübergehend der Ausbilder Engel-Jánosis bei der Armee gewesen war  „Die meisten aktiven Offiziere des Regiments waren an die Front abgegangen  ; zurückgeblieben im Arsenal waren fast durchwegs Reserveoffiziere, deren bisherige Tätigkeit den militärischen Bereich kaum gestreift hatte. Es gab da den bekannten Kunsthistoriker Universitätsprofessor Hans Tietze, dem die eigentlich artilleristischen Fächer anvertraut waren und der seine Aufgabe sehr ernst nahm  ; aber klein, stark kurzsichtig, in ständigem Kampf mit seinen kurzen Beinen mit seinem zu langen Artilleriesäbel verstrickt, war er nicht eben die ideale Verkörperung des jungen Offiziers, wenn er zur Befehlsübergabe über den Hof des Arsenals eilte.“ (Engel-Jánosi 1974, 44.)



Die Karriere des Historikers Otto Brunner, eines ehemaligen Studienkollegen Engel-Jáno­ sis, verlief von nun an allerdings systemkonform. Er wurde Parteimitglied und ab 1940 Leiter des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung, das von den meisten männ273

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lichen Kunsthistorikern der Generation HTs und davor absolviert worden war. 1941 erhielt Brunner eine ordentliche Professur für Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Wien. Er war Mitarbeiter des Reichsinstituts für Geschichte und gehörte dort der „Forschungsabteilung Judenfrage“ an. Verheiratet war Brunner mit Stephanie Staudinger (1897–  ?) (Otto Brunner, Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich). 72 Feys Stellung im austrofaschistischen Lager war umstritten, um seinen Selbstmord nach der nationalsozialistischen Machtübernahme rankten sich Legenden. Emil Fey – Werdegang im Stenogramm   hochdekorierter Weltkriegssoldat, Teilnahme am Kärntner Abwehrkampf, 1923 Gründung der „Deutschmeister-Heimwehr“, 1933–1935 abwechselnd Vizekanzler, Sicherheits- und Innenminister der Regierungen Dollfuß und Schuschnigg, 1934 maßgeblich an der Anstachelung und Niederwerfung der Februarkämpfe beteiligt („arbeitete zielbewußt auf die blutige Auseinandersetzung mit den Sozialisten hin“, Nolte 1968, 390), ungeklärte Rolle beim Juliputsch 1934 (Ermordung von Bundeskanzler Engelbert Dollfuß [1892–1934] durch NS-Putschisten), 16.3.1938 Selbstmord mit Frau, Sohn und Dienstmädchen (Emil Fey, Austria-Forum). 73 ETC meldete auch ihrer Schwester Lili nach Südamerika die gelungene Flucht von Burgl und Stoffel  : „Burgel ist mit 2 Kameraden am 12. auf eine Skitour – in Skihose u. mit Rucksack –, die sie nach einer ,wonderful, but very hard‘ travel nach 4 Tagen auf Schweizer Boden landen ließ. […] Nach weitern 6 Tagen langten sie um ½ 1 in der Nacht bei einem Freund, dessen Adresse wir ihr schon längst auf alle Fälle angegeben hatten[,] in Paris an. Diesmal war der Grenzübertritt nicht so beschwerlich. […] Burgel hat keinen Paß. Stoffel versuchte noch am 11. nach Ungarn zu entkommen, es gelang nicht. Am 16. fuhr er noch einmal los, kam glücklich nach Zürich und gestern nach London.“ (Brief ETC an Lili Fraenkel-Conrat vom 24.3.1938, Privatarchiv Kristin Matschiner.) Bis auf Schwiegertochter Trude, die noch in Wien verblieben war, war somit der engsten Familie die Flucht ins Ausland gelungen. „Sie klagt über finanzielle Schwierigkeiten wegen – hoffentl. nur momentanem Abhebungsverbots u. weil alles Flüssige doch für d. beiden Abreisenden verwendet werde.“ (Brief ETC an Lili Fraenkel-Conrat vom 24.3.1938, Privatarchiv Kristin Matschiner.)

Zu Kati bzw. Cate siehe TB 1937/3, 20.7.

74 Les Perles de la Couronne (Die Perlen der Krone), Regie   Sacha Guitry (1885–1957) und Christian-Jaque (1904–1994), Frankreich 1937. 75 Schutzbundwaffen – Anfang der 1920er-Jahre hatte die Sozialdemokratische Partei Österreichs, so wie die Christlichsoziale Partei auch, einen paramilitärischen Arm. Ob es eventuell seitens Christoph oder Burgl Tietzes jemals Berührung zu dem bereits 1933 verbotenen „Republikanischen Schutzbund“ gegeben hat, kann nicht gesagt werden. Vermutlich war von den Nazi-Trupps der Verdacht auf „Schutzbundwaffen“ einfach nur vorgeschoben worden, um in das Haus einzudringen.

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Unklar bleibt, um wen es sich bei Tante Rosa gehandelt haben mag.



Nach seiner Freilassung gelang Gustav und Louise Schoenberg mit der gemeinsamen Tochter die Flucht nach England. Das Familienhaus, das sie mit Anna Peters, Louises Mut-

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ter und Tante HTs, bewohnt hatten, wurde mit sämtlichen Mobilien ,arisiert‘ (Lillie 2003, 1.189–1.191). Zu Anna Peters siehe TB 1937/2, 3.11.

Detlev von Hadeln (Hrsg.), Carlo Ridolfi, Le Maraviglie dell’Arte, Le vite degli illustri pittori, Berlin 1914.



Palazzo delle Poste, erbaut zwischen 1928 und 1936, Architekt   Giuseppe Vaccaro (1896– 1970).

76 Pinakothek im Museo Nazionale di Napoli (heute Museo Nazionale di Capodimonte). Jacopo Tintoretto, „Ölskizze“ – Tietze/Tietze-Conrat 1944, Nr. 1.723  „Woman seated on a fragment of a wheel over clouds (St. Cathrine  ?). […] Director Ortolani (orally)   the figure is seated on a sodiac sphere.“

Castello Angioino  – eigentlich Castel Nuovo bzw. Maschio Angioino, ehemals Sitz der neapolitanischen Könige bzw. Vizekönige.



Ausstellung – „Tre secoli di pittura napoletana“, Castelnuovo, Neapel, März 1938.



Otto Benesch, seit 1937 Kustos an der Albertina, ersuchte nach dem „Anschluss“ unter Hinweis auf seine „nationale Einstellung und seine wissenschaftlichen Leistungen“ um seine Belassung im Dienst. Doch gab das Unterrichtsministerium aufgrund einer „ablehnenden Äußerung des Leiters der Albertina, Anton Reichel, diesem Gesuch nicht statt“ (Otto Benesch, in  Wendland 1999a, 33). Wegen der „nichtarischen Abkunft“ seiner Ehefrau Eva, geb. Steiner (Tochter Lilly und Hugo Steiners), war das Ehepaar Benesch 1938 zur Emigration gezwungen. Der Weg führte sie über die Schweiz, Frankreich, die Niederlande und England schließlich 1940 in die USA (Wendland 1999a, 32).

77 Casa Visani – Wohnhaus eines mit Tietzes befreundeten Mediziners. 78 Lili Fraenkel-Conrat, die mit ihrer Familie bereits 1933 aus Breslau nach Südamerika emigriert war, trat die Reise nach Europa nicht an. Zum Schicksal von Ida Conrat siehe TB 1938/2, 4.7. 79 Während Felix Tietze mit Sohn Hanki Wien unmittelbar nach dem „Anschluss“ verlassen musste, konnte Dr. Hertha Tietze als „Arierin“ noch die wichtigsten Dinge erledigen, bevor sie ihrem Mann nach England in die Emigration folgte.

Zu Toledo siehe TB 1938/1, 26.4.



Unter der Leitung von Walter W. S. Cook hatte sich 1933 das Fine Arts Graduate Center in New York vom dortigen College of Fine Arts unabhängig gemacht. In Cook fanden zahlreiche Flüchtlinge aus Nazi-Deutschland einen tatkräftigen Unterstützer (siehe dazu Michels 1999, 60, 61).

80 Hermann Burg (TB 1937/1, 11.5.) war sowohl Kunsthistoriker als auch Jurist. Über den angeheirateten Neffen seiner Frau, Dr. Lucas (TB 1938/1, 8.2.), gab es ein verwandtschaftliches Verhältnis zwischen Burgs und der Familie Reifenberg-Feuermann. Der berühmte Cellist Emanuel „Munio“ Feuermann (TB 1938/2, 3.8.) war mit Eva Reifenberg (TB 275

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1938/2, 27.7.) verheiratet. In Morreaus Biografie über Emanuel Feuermann taucht der Name Burg nicht auf (Morreau 2002). „Evchen [Eva Reifenberg] ist in Zürich angesiedelt u. hat ein Mäderl bekommen von jenem Feuermann, der uns in seiner Fahrigkeit genauso zuwider war, wie wir jetzt wahrscheinlich den Leuten, denen wir begegnen, zuwider sein dürften.“ (Brief ETC an Andreas Tietze vom 17.3.1938, Privatarchiv Filiz Tietze.) Folkestone, Kent  – Stadt südlich von Dover am Ärmelkanal. Dr. Stella Churchill hatte bei Innenminister Samuel Hoare für Christoph Tietze interveniert. Auch Felix Tietze und seinem Sohn Hanki gelang erst im dritten Anlauf die Einreise nach England.

81 Palazzo del Bargello, Museum der Opera del Duomo von Florenz und Galleria dell’Ac­ca­ demia.

„Bargello … Domopera … Accademia“ – lautete der Titel von Band 2 des Werks zu den florentinischen Kunststätten des Kunsthistorikers Paul Schubring (1869–1935) (Schubring 1907  ; ders. 1909).



Kloster San Domenico in Fiesole, gegr. 1406, Provinz Florenz.

82 Für welche Publikation im Verlagshaus Sansoni Tietzes ihr Geld erhielten, konnte nicht ausfindig gemacht werden. 83 Die Zeichnungen erwähnter „Gruppe“ stammten alle aus der ehemaligen Sammlung L. Grassi und befanden sich zu diesem Zeitpunkt in den Sammlungen Koenigs bzw. Lugt. Sie wurden El Greco bzw. Jacopo Tintoretto zugeschrieben oder galten als venezianisch Ende 16. Jahrhundert (Tietze/Tietze-Conrat 1944, Nr. A 1.754 und A 1.757, 292). 84 Das Kunsthistorische Institut in Florenz war im Palazzo Guadagni untergebracht. Werner Haftmann war dort von 1936–1940 Erster Assistent (Werner Haftmann, HP). Friedrich Kriegbaum, der 1943 beim ersten alliierten Luftangriff auf Florenz ums Leben kommen sollte, hatte die Leitung des Instituts seit 1935 inne. „Kriegbaum versucht das Kunsthistorische Institut vor der zunehmenden Vereinnahmung durch den nationalsozialistischen Staat zu bewahren. Er fügt sich aber auch den Vorgaben, z. B. mehr Schwerpunkte auf die Erforschung deutscher Kunst in Italien und deutsch-italienischer Wechselbeziehungen zu setzen. Auf die für die Zeit aber typischen Verunglimpfungen nichtdeutscher Kunst sowie deutsch-tümelnde Rhetorik wird verzichtet.“ (Kunsthistorisches Institut Florenz, Geschichte des Instituts.) 85 Die beiden Architekten und Designer Oskar Wlach und Josef Frank (1885–1967) hatten ab 1925 in Wien das Ausstattungsunternehmen „Haus & Garten“ betrieben. Die Firma wurde – wie Lampls Glaswerkstätte Bimini – 1938 arisiert. Das Ehepaar Wlach emigrierte nach dem Zwischenaufenthalt in London in die USA. Wlach war mit der Malerin Klara Krausz (1896–1979) verheiratet (Wallner 2009). „By November 1938 Lampl had his certificate from the National Register of Industrial Art Designers in England, and between 1938 and 1940 the glassblowing venture was relaunched in a workshop in Soho, London using British glassblowers. They registered the same trademark, the little flowerpot, in England  ; but at some point in their first few years they 276

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ran into difficulties with the registration of the name Bimini, so Fritz chose a new name based on another German poem, this time ORPLID by E. Morike [Eduard Mörike].“ (Glass Museum On Line, Bimini and Orplid Glass.) Laut Hall soll in Lampls Fabrik in England auch der Publizist und ehemalige Leiter des Siedlungsamtes der Stadt Wien, Max Ermers, tätig gewesen sein. Ermers kehrte 1948 nach Wien zurück, wo er 1950 verstarb (Hall 1985, 161  ; zu Ermers siehe TB 1923, 17.11). Zu Bimini siehe TB 1923, 29.12.

Bettina Ehrlich war es gelungen, die Werke ihres Mannes, der Wien bereits 1937 verlassen hatte, unter Preisgabe sämtlicher eigener Arbeiten nach dem Einmarsch der deutschen Truppen außer Landes zu bringen (Hoerschelmann 1997  ; sowie Auskunft von Bernd Kreuter (†), Juni 2010, Gespräch mit der Herausgeberin). 86 In Wien hatte Felix Tietze neben seiner kinderärztlichen Privatpraxis bis zu seiner Entlassung unmittelbar nach dem „Anschluss“ im Rahmen der sogenannten „Volkspatenschaft“ das Zentrum für Kinderwohlfahrt geleitet. Aus Furcht vor fachlicher Konkurrenz war es nur einer eingeschränkten Auswahl an emigrierten Ärzten möglich, die zweijährige Schulung zur Nostrifizierung ihrer Diplome überhaupt anzutreten. Felix Tietze erhielt im Juli 1941 seine ärztliche Zulassung für England. Da Tietze im Jahr 1932 Delegierter bei der „International Federation of Eugenic Organizations“ (IFEO) gewesen war und ausgiebig zu Fragen der Eugenik publiziert hatte, leistete auch das englische „Bureau of Human Heredity“ des „British National Human Heredity Council“ Hilfe bei seinen Einwanderungsbemühungen. Bereits im Jänner 1939 hielt Felix Tietze in der „Royal Society“ einen Vortrag zum Thema „Eugenic Measures and the Third Reich“. Er, seine Frau Hertha und Tochter Margarethe verblieben auch nach dem Krieg in England. Hanki Tietze emigrierte weiter nach Australien (Bodleian Library, Special Collections, MS. SPSL 413/2, fol. 27, 74). 87 Bianchi Bandinelli „fu professore incaricato di archeologia e storia dell’arte greca e romana a Cagliari (1929/30)  ; professore straordinario della stessa materia a Groninga, Olanda (1930/31)  ; ordinario all’università di Pisa (1934–38). Nel 1938 rifiutò la direzione della Scuola archeologica italiana di Atene, resasi disponibile dopo l’allontanamento, in seguito alle leggi razziali, di A. Della Seta […]. Passò quindi all’università di Firenze (1939–43) dalla quale si dimise durante la Repubblica di Salò […]  ; arrestato come ostaggio dai fascisti, chiese nel 1944 l’iscrizione al Partito comunista italiano […].“ (Baldassarre 1988.)

Die Zeitschrift „La Critica d’Arte“ war 1935 von C. L. Ragghianti und R. Bianchi Bandinelli gegründet worden und bei Sassoni in Florenz „unter großen Schwierigkeiten und Verzögerungen“ bis 1942 erschienen (Baldassarre 1988). In der Tietze’schen Bibliografie von Otto und Hilde Kurz wird ein Beitrag HTs in dieser Zeitschrift allerdings mit einer wohl falschen Jahresangabe (1950) genannt (Tietze 1951).

Bandinelli fiel es zu, gemeinsam mit dem Leiter des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, Friedrich Kriegbaum, Hitler sowie alle anwesenden NS-Größen bei deren Besuch in Florenz am 9.5.1938 durch die Sammlungen des Palazzo Pitti zu führen (Kunsthistorisches Institut Florenz, Geschichte des Instituts). 277

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Carlo Ludovico Ragghianti schloss sich dem antifaschistischen Widerstand an (Carlo Ludovico Ragghianti, Fondazione Centro Studi sull’Arte Licia e Carlo Ludovico Ragghiani).

88 Der Archäologe Giglioli Odoardo Hillyer war in Rom Schüler Emanuel Löwys (TB 1924, 6.2.) gewesen.

Tietze/Tietze-Conrat 1944, Nr. 884, Palma Giovane, „Study by Palma Gio. , for one of the apocalyptic horsemen in the Scuola of S. Giovanni Evangelista“.



„Graf Baudissin“ – tatsächlich hatte Baudissin am 22. März die Moderne Galerie im Belvedere sowie die Albertina besucht und im Hinblick auf die sogenannte „Verfallskunst“ überprüft. Monika Mayer zitiert in ihrem Aufsatz über die Geschehnisse in den Sammlungen des Belvederes während der NS-Zeit aus Baudissins Gutachten vom 25.3.1938  „Die Moderne Galerie ist bereits geschlossen worden. […] Ihre Bestände empfehle ich zu magazinieren. Es ist damit zu rechnen, dass ein Teil dieser Bestände beschlagnahmt wird, so wie dies im vorigen Jahr im engeren Deutschland schon planmäßig in sämtlichen Sammlungen geschehen ist.“ (Mayer 2005, 65.)

89 Bambocciade – abgeleitet von bamboccio, ital. ‚Knirps‘  ; zuerst in Rom aufgrund seiner körperlichen Gebrechen auf den niederländischen Maler Pieter van Lear (um 1595–1642) angewandt  ; bezeichnet die Darstellung volkstümlicher, derber, manchmal grotesker Szenen.

Dosso Dossi, Hexerei (Allegorie des Herkules), um 1535, Uffizien, Florenz.



Sammlung Santarelli, Uffizien, Florenz.



Galleria Palatina im Palazzo Pitti, Florenz, ehemals Privatsammlung der Medici, 16./17. Jh.



Nach dem Tod seiner Ehefrau im Jahr 1932 heiratete Glaser in zweiter Ehe Maria Milch.

90 Der Schwiegersohn Josefine von Winters, der Kunstgewerbler und Architekt Arnold Ne­ chansky, war am 25.3.1938 verstorben. „An der Hochschule für freie und angewandte Kunst in Berlin erhielt Nechansky eine Professur, kehrte jedoch 1934, nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, nach Wien zurück. Als auch hier die Truppen Hitlers einmarschiert waren und er, politische Verfolgung fürchtend, keine Möglichkeit zur Emigration vor sich sah, starb er an Herzversagen.“ (Bisanz 1980, 158  ; TB 1938/1, 15.2., 12.4.) „Josephine von Winter wurde nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland von ihrer Währinger Villa in ein Zwangsquartier im 2. Gemeindebezirk verbracht und starb im Konzentrationslager Theresienstadt.“ (Rossbacher 2003, Anm. 4, 323.)

Impruneta – Gemeinde rund 17 km südlich der Stadt Florenz.

91 Der langjährige Herausgeber der Zeitschrift „Die graphischen Künste“, Arpád Weixlgärtner, wurde 1938 wegen der jüdischen Herkunft seiner Frau Josefine, geb. Neutra, (1886– 1881), von seiner Stelle als Schatzmeister der Schatzkammer am Kunsthistorischen Museum enthoben.

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Sievering, Teil des vorstädtischen 19. Wiener Gemeindebezirks, in dem Alfred Stix lebte (TB 1923–1925, 1937/1). Unklar ist, ob Stix während der NS-Zeit ins Ausland geflüchtet war oder sich in seinem Heim in Sievering von der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte.

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Seine Stelle als Direktor des Kunsthistorischen Museums hatte er sowohl wegen seines Eintretens für moderne Kunst als auch als Exponent des Dollfuß-Schuschnigg-Regimes 1938 aufgeben müssen. 92 Ernst Kris, Die Charakterköpfe des Franz Xaver Messerschmidt, Versuch einer historischen und psychologischen Deutung, in   Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien, Bd. 6, Wien 1932, 169–228. Ernst Kris, Ein geisteskranker Bildhauer (die Charakterköpfe des Franz Xaver Messerschmidt), in   Imago, Zeitschrift für psychoanalytische Psychologie, ihre Grenzgebiete und Anwendungen, Bd. 19, Wien 1933, 384–411.

Vermutlich handelte es sich um eine Zeichnung aus dem Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste, Wien.

93 Der Schweizer Heinrich Daniel Albert Bodmer war von 1922–1932 Direktor des Kunsthistorischen Instituts in Florenz gewesen. Zu Giglioli sieht TB 1938/1, 1.4.

Georg Merkel verblieb während der NS-Zeit in Südfrankreich und kehrte 1972 nach Österreich zurück.

94 Der einzige offizielle Staatsbesuch Hitlers in Italien dauerte vom 3.–9.5.1938.

„Junge Frau d. Londoner Gronau“ – Carmen Gronau, die Ehefrau von Hans-Dietrich Gronau.



Bernard Berenson („Bibi“, „B. B.“) war einer der angesehensten Kunstkenner seiner Zeit. Seit den 1890er-Jahren war er mit seiner Ehefrau Mary (1864–1944), die sich an seinen Forschungen beteiligt hatte, in Florenz ansässig. „Die wissenschaftliche Leistung der Berensons und ihrer Mitarbeiter wiegt immer noch schwer.   Die Villa I Tatti bei Florenz, die Mary und Bernard Berenson seit ihrer Hochzeit im Jahr 1900 bewohnten und 1905 kauften, wurde nämlich zu einem privaten Institut, in dem aus gelegentlichen und ständigen Mitarbeitern kenntnisreiche Experten wurden. Hier genossen zahlreiche Kunstfreunde und Kunsthistoriker, insbesondere auch Studierende der Kunstgeschichte, die Gastfreundschaft der Hausherrn.“ (Dilly 1990, 87.) In der Villa I Tatti, die Berenson mit seiner Bibliothek der Harvard-Universität vermachte, befindet sich heute das Harvard University Center for Italien Renaissance Studies. Bei der von ETC erwähnten „Signorina Mariano“ handelte es sich um Berensons Bibliothekarin, Sekretärin und Geliebte Elisabetta Mariano (Bernard Berenson, Dictionary of Art Historians). Berenson, der bereits in jungen Jahren für den Kunsthandel arbeitete, war langjähriger Mitarbeiter des Kunsthändlers Joseph Duveens. „Kein bedeutendes Gemälde hat in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts Italien in Richtung Amerika verlassen, ohne daß es nicht zuvor von B. B. begutachtet worden wäre.“ (Dilly 1990, 82.) Tatsächlich kann ETCs und HTs Katalog venezianischer Handzeichnungen als die nördliche Entsprechung zu Berensons Katalog „The Drawings oft he Florentine Painters“ aus dem Jahr 1905 angesehen werden. Die Voraussetzungen, die die Erforscher des venezianischen Materials vorfanden, wichen jedoch grundlegend von jenen für den florentinischen 279

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Katalog ab, denn  „As for the latter the tradition has never been entirely interruped. […] Not only were drawings always carefully preserverd and collected, but a fairly good record of their authors survived […]. When Mr. Berenson published his fundamental work on Florentine drawings in 1903 his critisism had a natural and solid foundation.“ (Tietze/ Tietze-Conrat 1937b, 11.) Berenson war offenbar nicht minder skrupulös in Fragen der Zuschreibung von Werken, als Tietzes es gewesen sind („er besprach wohl kaum eine der Zeichnungen der Künstler von Fra Angelico bis Sebastiano del Piombo[,] ohne auf die jeweils besonderen Schwierigkeiten der Zuschreibung aufmerksam zu machen“) (Dilly 1990, 89).



Fern Shapley arbeitete als Assistentin Berensons in der Villa I Tatti. Sie unterstützte ihn bei den Arbeiten zur zweiten Auflage von „The Drawings of the Florentine Painters“, die 1938 dank der finanziellen Unterstützung und der beruflichen Kontakte von Shapleys Ehemann John erscheinen konnte (Fern Rusk Shapley, Dictionary of Art Historians). John Shapley war seit 1929 Professor sowie Vorstand des „Departments of Art“ der Universität von Chicago. Promoviert hatte Shapley 1914 an der Wiener Universität zum Thema „Die Mosaiken von Ravenna“ ( John Shapley, Dictionary of Art Historians  ; Archiv der Universität Wien, PH RA 4017 Shapley, John, 1914.06.27–1914.06.30).

95 Deutsche Arbeitsfront (DAF)  – Einheitsverband von Arbeitnehmern und Arbeitgebern während des Nationalsozialismus.

Zu Kriegbaum siehe TB 1938/1, 29.3.

96 ETCs Schwester Lili, die mit ihrer Familie Deutschland (Breslau) bereits nach 1933 verlassen musste, hatte sich in Brasilien niedergelassen.

Zu G. F. Reber siehe TB 1937/1, 22.4.



Die Malerin Mathilde Purrmann hatte 1907 und 1908 sowohl an den Ausstellungen des Pariser „Salon d’Automne“ als auch im „Salon d’Indépendants“ teilgenommen und in Paris ihren späteren Ehemann, den Maler Hans Purrmann, kennengelernt. „Meine 1943 verstorbene Frau Mathilde, geb. Vollmoeller, Schwester des Schriftstellers Karl Vollmoeller, kam durch ihren Bruder früh in Beziehung zu Schriftstellern, besonders zu Dauthendey, Stefan George und auch zu Rilke“, so Hans Purrmann in einem Brief an die Witwe Rilkes, die Malerin und Bildhauerin Clara Westhoff (1858–1954) (Glauert-Hesse 2001, 257). 1935 übernahm Hans Purrmann die Leitung des Künstlerhauses Villa Romana in Florenz und stand diesem acht Jahre vor. „Spät, im Oktober 1943, tauchte ein stiller, alt gewordener Maler als deutscher Flüchtling in der Schweiz auf, der in Florenz bis dahin den menschlichen Mittelpunkt der exilierten deutschen Maler in Italien repräsentiert hatte  – HANS PURRMANN.“ (Haftmann/Berthold 1986, 132.) Zur Villa Romana siehe auch Kuhn o. J.





Zimmermann/Posse – 1936 sollte auf Wunsch des preußischen Staates der Kunstbesitz der verstaatlichten Dresdner Bank versteigert werden. Anstelle des mit der Versteigerung beauftragten Auktionshauses sollten die Einträge im Versteigerungskatalog von den zuständigen Abteilungen der Museen – unter anderem auch durch die Mitarbeiter der Berliner 280

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Gemäldegalerie – erstellt werden. Zimmermann griff dabei bedenkenlos auch auf zahlreiche Gutachten der von ihm Anfang der 1930er-Jahre hart abgeurteilten und nun als „Juden“ vollständig diskreditierten Experten Max J. Friedländer und August L. Mayer zurück. Nun sah sich Zimmermann, der seinerzeit ein Disziplinarverfahren gegen Mayer angezettelt hatte, selbst mit einem solchen konfrontiert. „So merkwürdig es klingt, ich bin heute in Disziplinaruntersuchung, weil ich angeblich Mayer begünstigen soll.“ (Aus einem Schreiben Zimmermanns vom 5.8.1938, zitiert nach Winter 2013, 10.) Ob er dieses Verfahren – sozusagen präventiv – gegen sich selbst eingeleitet hatte, konnte bisher nicht geklärt werden. In jedem Fall wurde Zimmermann mit vollen Bezügen vorübergehend seiner Ämter enthoben (Winter 2013, 14).

Ähnlich gelagert war die Sache bei Hans Posse. Dieser hatte in seiner Zeit als Direktor der Dresdner Gemäldegalerie zahlreiche Werke zeitgenössischer moderner Künstler erworben, was ihm nun zum Vorwurf gemacht wurde. „Anfang März 1938 wurde Posse dann überraschend ins Volksbildungsministerium beordert, wo ihm der Leiter […] nahelegte, wegen seiner Ankäufe ,entarteter Kunst‘ die Versetzung in den dauernden Ruhestand zu beantragen. […] Posse bat um Bedenkzeit, reichte aber am 12. März 1938 das Pensionsgesuch ein […]. Einen Monat später war er jedoch wieder in der Galerie tätig, wo er die Ausstellung Deutsche Kunst vom 15. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts aufbaute.“ (Schwarz 2009, 231 [Hervorhebung im Original].) Schließlich hielt Adolf Hitler selbst Posse für den geeigneten Fachmann und ernannte ihn 1939 zum „Sonderbeauftragten“ für das Führermuseum (Linzer Kunstmuseum), ein Amt, das dieser bis zu seinem Tod 1942 ausübte. Zu Posse und dessen Tätigkeit für das Führermuseum siehe u. a. Schwarz 2009  ; dies. 2004  ; Kirchmayr 2005.



Die Kunstzeitschrift „Weltkunst“ – Zentralorgan der reichsdeutschen Kunst- und Antiquitätenhändler-Verbände (vorübergehend 1944 eingestellt).



Tatsächlich wurde Heinrich Leporini neben dem herzkranken Anton Reichel kommissarischer Leiter der Albertina. Reichel übte die Leitungstätigkeit jedoch vermutlich von 1942 bis Kriegsende aus (Gröning 2005, 88).

97 Karl Giehlow, Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der ­Renaissance, besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I., in   Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien, 32, Wien 1915.

Nach der Approbation ihrer Dissertation „Die Radierungen Giambattist Tiepolos“ an der Wiener Universität absolvierte Ditta Santifaller ein Ergänzungsstudium an der Universität Florenz, „wo sie organisatorische Leiterin der ,Kurse für Ausländer‘ wurde und in der Folge das Diplom für Kunstführungen (in vier Sprachen) und jenes für Übersetzungen erwarb. 1942 wurde ihr österreichischer Doktortitel von der Universität Florenz anerkannt, zudem wurde ihr die Doktorwürde der philosophischen Fakultät verliehen.“ (Zu Santifaller siehe Lebensaft o. J.; Vgl. TB 1938/1, erster Eintrag „Basel“.)

98 Die Vereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich sollte nachträglich per Volksabstimmung bestätigt werden. Angesichts einer diktatorischen Propagandamaschinerie und der Ausschaltung aller oppositionellen Kräfte ging die Wahl mit einer Befürwortung von 99 % aus. 281

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„Gabinetto Disegni e Stampe“ der Uffizien.



Casa Buonarroti, Florenz.



Die Georgis waren höchstwahrscheinlich weitere ehemalige Gastgeber der Tietze-Kinder  ; Carlo Visani war der Tietze’sche Hausarzt in Florenz.

  99 Sollte es sich hier um das Smith College, Northampton, Massachusetts, gehandelt haben, so hegte ETC vielleicht auch Hoffnungen auf eine Lehrtätigkeit an dieser renommierten Frauenbildungseinrichtung. Zu Taylor und Kalat siehe TB 1938/1, 24.2.

Unklar muss bleiben, was ETC im Brief an Josefine von Winter angedeutet hatte. HTs Feuilleton über das bedeutendste Schloss der Deutschordensritter konnte bisher nicht ausfindig gemacht werden.



Als wohlhabender englischer Staatsbürger mit aristokratischer Verwandtschaft in Österreich und guten Kontakten zur Denkmalbehörde fiel es dem Kunsthistoriker und Sammler Antoine Seilern nicht schwer, mit großem Gepäck unauffällig nach Österreich ein- und auszureisen. Laut Angaben von Anneliese Schallmeiner, Archivleiterin am Bundesdenkmalamt in Wien, hatte Seilern diese Position auch dafür verwendet, Werke aus dem Besitz verfolgter Österreicher nach dem „Anschluss“ ins Ausland zu transportieren (Anneliese Schallmeiner im Gespräch mit der Herausgeberin im Februar 2012).

100 Zu Toledo siehe TB 1938/1, 26.4.

„Paesi“ – vermutlich „Paesi Bassi“ – Niederlande.



Phanodorm – ein Barbiturat.

101 Am 8. April hatte HT an Saxl mit folgendem Wortlaut geschrieben  „Nach einigem Schwanken haben wir uns entschlossen[,] nicht nach Deutschland zurückzukehren  ; wir scheuen nichts so sehr wie Beschränkung unserer persönlichen Freiheit[,] und was wir an Konzentration brauchen, haben wir bisher immer ohne zugehörige Lager aufgebracht. Ich versuche[,] etwas in Amerika zu finden – was ich kluger Weise früher hätte tun sollen – und bin einigermaßen optimistisch, wie dies Emigranten am Beginn ihrer Karrière zu sein pflegen. Deshalb bitte ich Sie auch nicht, mir eine Stelle zu verschaffen. Sie haben sehr löblicher Weise Ihre Bemühungen immer jungen Leuten gewidmet und werden jetzt mehr als genug Gelegenheit haben, diese weiter zu tun. In dem sehr unwahrscheinlichen Fall, dass Sie von etwas hören, wo man ein oder zwei ältere Eisen brauchen kann, denken Sie an uns  ; unsere Betätigungen kennen Sie ja. Namentlich wäre uns an etwas Vorübergehendem für die nächste Zeit gedient  ; denn die Überbrückung von dem Zeitpunkt, wo unser geringes Reisegeld zuende sein wird, bis zu jenem, in dem jene amerikanische Situation aktuell werden soll, ist unser kritischstes Problem.“ (WIA GC, HT an Fritz Saxl, 8.4.1928.) Saxl intervenierte daraufhin beim Generalsekretär der „Society for the Protection of Learning and Science“ (SPSL), Walter Adams.

282

Die Sammlung Horne geht auf den englischen Architekten Herbert Horne (1864–1916) zurück, der sich 1905 in Florenz niedergelassen hatte.

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102 Zu Berenson, Fern Sharpley und der Villa I Tatti siehe TB 1938/1, 6.4. 103 Frederick Hartt hatte das Vertrauen der Tietzes keineswegs enttäuscht. Der amerikanische Student, der im nazistischen Wien als unverdächtig galt, schmuggelte in der Folge einen Teil der Tietze’schen Bildersammlung ins Ausland. Um welche Kunstwerke es sich genau gehandelt hat, kann allerdings nicht mehr gesagt werden. In jedem Fall half der Abverkauf dieser Bilder der Familie, die finanziell schwierigen Anfangsjahre der Emigration zu überstehen (Auskunft Kristin Matschiner im Gespräch mit der Herausgeberin im Dezember 2009  ; zum „monuments man“ Frederick Hartt siehe ders. 1949  ; National Gallery of Art, Washington, DC).

Gustav Furtmüller hat sich den Internationalen Brigaden in Spanien angeschlossen.



Der deutsche Bankier Eduard von der Heydt hatte 1926 den Monte Verità bei Ascona im Schweizer Kanton Tessin erworben und ein Hotel errichten lassen. Er selbst lebte ab 1929 auf dem Monte Verità und machte den Ort zu einem Treffpunkt namhafter Besucher aus Politik, Kunst und Gesellschaft. Von der Heydt widmete sich vor allem seiner Sammlung asiatischer Kunst, die schließlich den Grundstock des Schweizer Museums „Am Rietberg“ (eröffnet 1952) bildete. Neben Asiatika besaß Von der Heydt noch eine bedeutende Sammlung moderner Kunst und bedachte zahlreiche Museen weltweit mit Leihgaben. Der monarchistisch und national gesinnte Von der Heydt war zeitweilig NSDAP-Mitglied (seit dem 1.4.1933) und steht im Verdacht, große Finanztransaktionen für die NS-Stellen abgewickelt zu haben. Zu Von der Heydt siehe Bell 2001. Hatten Tietzes und Schwiegertochter Trude Kenntnis über Von der Heydts Nähe zum NS-Regime  ? In diesem Fall dürfte „schwer erkrankt“ wohl als eine Chiffre für „sehr nationalsozialistisch“ gelten, weshalb auch von einem Besuch bei Von der Heydt abgeraten wurde.

104 Die offenbar behinderte Tochter des Ehepaars Glaser, Eva Renate, verstarb 1942 siebenjährig (Strobl 2006, 20).

Es handelt sich um die Familie Pierre Cornells, eines Freundes von Sohn Anderl. Die Familie Visani war ebenfalls einmal Quartiergeber der Tietzes gewesen. Näheres zu diesen persönlichen Freunden und Bekannten, die offenbar nichts mit Kunst bzw. Kunstgeschichte zu tun hatten, konnte nicht ausfindig gemacht werden.

105 Richard Offners jüngerer Bruder Mortimer war als Fotograf, Drehbuchautor sowie gelegentlich als Schauspieler tätig und gehörte während der 1930er-Jahre der amerikanischen Kommunistischen Partei an (Mortimer Offner, Broadway photographs). Richard Offner hatte unter anderem in Wien bei Dvořák studiert. 1923 zählte er zum kleinen Kreis der Belegschaft des Fine Arts Graduate Center der New York University, wo er von 1927–1954 einen Lehrstuhl innehatte (White 1966). Neben Offner gehörten auch Erwin Panofsky und Robert Goldwater während der 1930er-Jahre zum Lehrkörper des Instituts. 106 Abbas Benedictus (Benedetto di Pietro) war (wie sein Mitbruder Fra Angelico) Dominikanermönch und wird in Thieme/Becker/Vollmer dezidiert als Chorbuchschreiber, „nicht Miniaturist“ erwähnt (Benedetto di Pietro dal Mugello, in  Thieme/Becker/Vollmer 2008, 426). 283

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„Daß AD [Albrecht Dürer] sein ‚Ding‘ gekannt haben muß“ – die Bedeutung dieser Stelle konnte nicht geklärt werden, vermutlich wird aber auf den Einfluss angespielt, den u. a. Mantegna-Kupferstiche auf Dürer ausgeübt haben (vgl. dazu z. B. Tietze/Tietze-Conrat 1928, Tietze-Conrat 1956b).



„Charles Loeser died in New York in 1928. In the will drawn up two years earlier he had ordained that on his death the entire collection of ancient prints and drawings should be donated to the Fogg Art Museum of the University of Harvard, that the President of the United States could choose eight of his Cézannes ,to adorn the White House‘, and that the selection of over thirty works of art and period furnishings indicated by him should be bequeathed to the City Council of his adoptive city and displayed in Palazzo Vecchio as the ,Loeser Bequest‘.“ (Museo di Palazzo Vecchio, The Loeser Bequest.)

107 „Die von Zocchi als Tizian publiz[ierte] Z[eichnung] (Arte 1935)“ – konnte nicht eruiert werden.

Pinacoteca Nazionale di Siena, seit 1932 im Palazzo Buonsignori, Siena.

108 Richard Offner war als Kind mit seiner Familie in die USA ausgewandert, sein erheblich jüngerer Bruder Mortimer bereits amerikanisch sozialisiert. Offners langjährige wissenschaftliche Mitarbeiterin war die deutsche Kunsthistorikerin Klara Steinweg (und nicht „Steinbeck“, wie ETC irrtümlich vermerkt). Seit 1929 hatte sie Offner bei der Erstellung seines „Corpus of Florentine Painting“ unterstützt. Während des Kriegs kehrte Steinweg nach Deutschland zurück, um nach 1945 die Arbeit an diesem monumentalen Werk gemeinsam mit Offner wieder aufzugreifen und auch nach dessen Tod 1965 fortzusetzen (Hueck 1973). „Asta“ – wahrscheinlich war der in Venedig ansässige Kunsthändler und Sammler Ferruccio Asta gemeint.

Der Besuch fand in Alessandro Contini-Bonacossis Villa Victoria statt. Sohn und Vater gehörten der faschistischen Bewegung an. 1939 wurde Contini italienischer Senator. Möglicherweise trieb er, vermittelt durch Gottlieb F. Reber (siehe TB 1937/1, 22.4.)  – Schwiegervater des ebenfalls anwesenden Georg Pudelko –, bereits zu diesem Zeitpunkt Handel mit prominenten Nationalsozialisten. „Contini-Bonacossi was introduced to Andreas Hofer (in charge of Göring’s collection) by Gottlieb F. Reber who had known Contini-Bonacossi befor the war.“ (Count Alessandro Contini-Bonacossi, Commission for Looted Art in Europe.) Ab 1939 war der Kunsthändler Walter Andreas Hofer (1893–  ?) ausschließlich mit der Sammlung Hermann Görings (1893–1946) beschäftigt (Walter Andreas Hofer, mur.at, Initiative Netzkultur). Die Kunsthistoriker Roberto Longhi und Wilhelm Suida waren ebenfalls künstlerische Berater Continis.



Zur Holzschnittfolge von Albrecht Dürer siehe Tietze/Tietze-Conrat 1937a, 323.



Der Maler Pinturicchio hatte u. a. den jungen Raffael bei seinem Auftrag für die Freskierung der Libreria Piccolomini im Dom von Siena hinzugezogen.

109 „Der Mann“ – zu John Shapley siehe TB 1938/1, 6.4. 284

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Filovia – Autobus mit Oberleitung.

110 Der Astronom und Astrologe Johannes Kepler (1571–1630) hatte für seinen Förderer Albrecht von Wallenstein mehrere Horoskope erstellt.

Clementi – konnte nicht verifiziert werden.



Was die Aufgabe der „Deutschen Arbeitsfront“ in Italien gewesen ist und weshalb sie dazu befähigt war, Unterschriften der Tietzes zu beglaubigen, konnte nicht herausgefunden werden. Allerdings findet sich bei Bruce F. Pauley folgender Hinweis auf verschiedene Auslandsorganisationen in der Zeit des österreichischen Ständestaats  „There was also an organiziation for Austrians living abroad (remeniscent oft he Nazis’ Auslandsorganisation), a Winterhilfe for the poor, and a cultural organization called ,New Life‘, an obvious copy of Germany’s Kraft durch Freude and Italy’s Dopolavoro.“ (Pauley 1980, 234 [Hervorhebung im Original].)

111 Sabato fasciste – siehe TB 1938/1, 5.3.

Erich Römer, Dürers ledige Wanderjahre, in   Jahrbuch der Preußischen Kunstsammlungen, Nr. 47, 1926, 118–136  ; ders., Dürers ledige Wanderjahre, in   Jahrbuch der Preußischen Kunstsammlungen, Nr. 48, 1927, 77–119.



Paul Wescher/Frank Otten (Hrsg.), Gesammelte Aufsätze zur Kunst, Köln-Wien 1979.

Ristori – der Name konnte nicht zugeordnet werden.

Hans Tietze/Erica Tietze-Conrat, Some drawings by Niccolo dell’Abbate, in   Gazette des Beaux-Arts, Sér. 6, Vol. 28 (87), 1945, 377–379.



Hans Tietze, Wien, Kultur, Kunst, Geschichte, Wien 1931.



Palazzo del Bargello, Florenz.

Glasers waren möglicherweise nach Ankona weitergereist, wo sie bis zu ihrer Emigration in die USA lebten (Strobl 2006, 20). 112 „Er [der Alleininhaber des Phaidon-Verlags, Béla Horovitz (1898–1955)] fand sich also nicht nur Mitte März in Sicherheit und außer Reichweite der Nazis, er hatte außerdem durch einen noch am 1. März 1938 mit einem englischen Verlag (George Allen & Unwin) abgeschlossenen Vertrag die Bestände des Verlags (Vorräte, Rechte etc.) verkauft und die Zahlung hiefür durch Überweisung in Pfund erhalten.“ (Hall 1985, 364.) Zur Geschichte des Phaidon-Verlags in Wien siehe Hall 1984, 358–372. Der 1923 in Wien gegründete und in der Folge in London als Phaidon-Press etablierte Kunstverlag existiert heute noch (Phaidon, HP). Tietzes haben seit Mitte der 1930er-Jahre bis zu ETCs Tod 1958 zahlreiche Werke bei Phaidon herausgebracht.

Cascine-Park, Florenz, zwischen dem Arno und seinem Nebenfluss Mugnone gelegen.



Brentakanal – errichtet im 16. Jahrhundert durch Kanalisierung des Flusses Brenta von Padua durch die Landschaft des Veneto bis Venedig. Die Riviera del Brenta ist gesäumt von Villen berühmter Architekten. 285

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Ognissanti-Kirche, 13.–17. Jh., mit Fresken Domenico Ghirlandaios (Heiliger Hieronymus) und Sandro Botticellis (Heiliger Augustinus).

113 Als Abschluss der Recherchen zum sogenannten „Russel-Relief “ erschien 1942 der von HT und ETC gemeinsam verfasste Aufsatz „A Michelangelesque Puzzle (Relief with Centaur, Russel Collection)“  : Vor allem der „reborn Hellenism“ mache den Charme des von Russel während des Ersten Weltkriegs in Spanien erworbenen Reliefs aus. Tatsächlich handelte es sich um ein florentinisches Werk aus dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts. Hätte außer dem großen Michelangelo sonst noch jemand den antiken Geist ohne Kenntnis der entsprechenden archäologischen Daten so meisterlich wiedergegeben können  ? „In vain the experience of every day warns us that every artist shares the conditions of his formation with his whole generation and reaches his individual expression only at a certain degree of maturity. Nevertheless we again and again feel tempted to heap all the production of a whole group of artists on its leading personality. […] This failure to reach a decision is a serious deficiency if the chief aim of connoisseurship is to be sought in its capacity to settle the exact place of every work and, thereby, its value on the art market. Scientific criticism, however, may value as highly as the discovery of a hitherto unknown work by a great artist the painting out of all the elements of his formation as seen in a product from his immediate environment.“ (Tietze/Tietze-Conrat 1942, 239.)

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„Brief von F[iske] Kimball“ – noch am Tag seiner Rückkehr aus Wien hatte HT dem Direktor des Pennsylvania Museum of Art, Fiske Kimball, mit der Bitte um berufliche Hilfe sowohl für sich als auch für ETC geschrieben  : „I am ready to accept any position which I could possibly have in U.S.A. I am ready to do any kind of teaching, provided I can spare a certain amount of time for the research work which I am doing in collaboration with my wife. We should anyhow, prefer living with the utmost economy on my earning rather than have her accept a position in some other town or at least in a place very distant from my own residence. On the whole she […] is not very fond of teaching and lecturing, but she is an outstanding specialist on the field of old masters‘ drawings and early engravings and, to tell the truth, I doubt that there is any person living, combining such a thorough knowledge both of German and Italian graphic art (and even of French, on which she published a book) as she has.“ (Emergency Committee in Aid of Displaced Foreign Scholars records, Manuscripts and Archives Division, The New York Public Library, Hans Tietze, HT an Fiske Kimball, 13.3.1938.)



In der Folge seiner Ernennung zum „Morse Professor of the Literature of the Arts of Design“ im Jahr 1922 hatte der Architekt Fiske Kimball den Grundstein zur Einrichtung eines eigenen Studienlehrgangs für Kunstgeschichte („Fine Arts Graduate Center“) am traditionsreichen Institute of Fine Arts in New York gelegt. 1925 war Kimball auf den Direktorenposten des Pennsylvania Museum of Art (später Philadelphia Museum of Art) gewechselt. Möglicherweise hatte Kimball über seine ehemalige Wirkungsstätte, das Institute of Fine Arts, und dessen damaligen Leiter Walter W. S. Cook (siehe TB 1938/1, 25.3.) die auf ein Jahr begrenzte Stelle HTs als „Carnegie Professor“ an der Universität von Toledo, Ohio, erwirken können (siehe auch Feichtinger 2001a, 399). Die Dankbarkeit

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der Tietzes für die von Kimball geleistete Hilfe zeigt sich in der Widmung ihres Katalogs an ihn (Tietze/Tietze-Conrat 1944).

Über die Bedingungen, die die beiden in Toledo erwarteten, erfahren wir erst aus einem Brief an Sohn Andreas vom 25.2.1939 Genaueres  „Ich wollte doch in Toledo Vorlesungen über deutsche Kunst des fünfzehnten u. sechzehnten Jahrhunderts halten und hatte diese vorzubereiten begonnen, auch Diapositive […] zusammengekratzt. Jetzt schreibt man mir, die Stimmung gegen Deutschland sei so erbittert, dass man es nicht wage, eine eigene Vorlesung über deutsche Kunst abzuhalten, niemand werde kommen[,] und ob ich nicht über die italienische Hochrenaissance lesen solle. Mir kann es ja recht sein, aber wenn sie sich im Lauf der nächsten Monate mit Mussolini auch zerkrachen  ?“ Welche Aufgaben ETC zugewiesen wurden, konnte nicht eruiert werden, an Anderl schrieb sie   „Der Teil der Arbeit, den ich in den Toledo-Monaten machen soll, ist eigentlich nicht das, was ich meine Spezialität bezeichnen könnte. Aber ich muß durchhalten, das weiß ich sehr gut u. da wird es hoffentlich gehen.“ (HT, ETC an Andreas Tietze, 25.2.1939, Privatarchiv Filiz Tietze.)

114 „Festa Marconi“ – 1938 wurde der 25. April, Geburtstag des Pioniers der drahtlosen Tele­ kommunikation und faschistischen Politikers Guglielmo Marconi (1874–1937), zum Nationalfeiertag erklärt. Seit 1946 gilt der 25. April als der Tag der Befreiung vom Faschismus. 115 Rodolfo Pallucchini war seit 1935 Direktor der Galleria Estense in Modena (Rodolfo Pallucchini, Dictionary of Art Historians).

Nino Barbantini, einer der wichtigsten Ausstellungsmacher Italiens, hatte während der 1920er- und 1930er-Jahre zahlreiche Großausstellungen – u. a. jene zu Tizian und Tintoretto – kuratiert (Nino Barbantini, Fondazione Giorgio Cini).

116 Parma – Dom, 11./12. Jh., Baptisterium 12./13. Jh.

Die Galleria Nazionale (Reale Galleria) im Palazzo della Pilotta, Parma. „Il 1938–39 ­segna il momento di un nuovo ordinamento, che separò i dipinti per scuole e ne propose un ordinamento cronologico.“ (Galleria nazionale di Parma, Storia delle collezioni.)



Direktor der Gemäldegalerie – Armando Ottaviano Quintavalle (1894–1967).



„Museo Comunale“ – vermutlich Museo Civici di Palazzo Farnese, Piacenza.



Basilica di Santa Maria di Campagna, Piacenza.



„Vorderseite   Predigt Katharinas, Rücks[eite]   Verlob[un]g Kath[arinas]“ – „[…] L. Fröhlich-Bum believes the two sides were drawn by different hands and accepts the attribution to Pordenone with reservations only for the sketch on the back. […] No material is available for comparison, for the hasty linework of the drawing back, at any rate, it is quite different from Pordenone’s sketches.“ (Tietze/Tietze-Conrat 1944, Nr. A 1.355, 240.)

117 Pinacoteca del Museo Civico, Cremona.

Tietze/Tietze-Conrat 1944, Nr. 1.760, Marietta Robusti, Tintoretta  „The poor composi287

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tion, every single figure of which recalls one of Jacopo’s, might support the attribution to Marietta.“ (Tietze/Tietze-Conrat 1944, 293  ; außerdem Tietze-Conrat 1934.)

Sixtinische Kapelle, Rom.



Zu Frederik Hartt siehe TB 1938/1, 16.4. Früh.



Dolly  ? Bischop – konnte nicht mit Sicherheit bestimmt werden.



Zu Helma Gironcoli siehe TB 1937/3, 27.7.



HT hatte sich 1908 für mittelalterliche und moderne Kunstgeschichte an der Universität Wien habilitiert. 1919 war ihm der Titel eines außerordentlichen Universitätsprofessors verliehen worden. „Ich ersuche über Wunsch des amerikanischen Konsulats um Ausstellung und Zusendung einer Bestätigung, daß ich dem Lehrkörper der Universität Wien als Privatdozent (a. o. Professor) angehört habe und seit vielen Jahren Vorlesungen an der dortigen Universität abgehalten habe“, hieß es in dem Schreiben HTs an das Rektorat der Universität Wien vom 19.11.1938. Seinem Ansuchen wurde umgehend Folge geleistet (Archiv der Universität Wien, Personalakt Hans Tietze, 3439, fol. 32). „Am 22. März fand die Vereidigung der Professoren auf den ,Führer‘ statt […]. Die erste und größte nationalsozialistische Säuberungswelle des Lehrkörpers war im Gang und wurde durch Dekrete des Unterrichtsministers und Professor der Urgeschichte an der Universität Wien Oswald Menghin vom 22. April 1938 amtlich bekräftigt. Über Antrag der Universität bzw. der einzelnen Fakultäten wurden an diesem Tag 252 Universitätslehrer von ihren Positionen entfernt. 52 Professoren (davon 22 Ordinarien) wurden ,bis auf weiteres beurlaubt‘ oder ,vom Lehramt enthoben‘. 195 Privatdozenten wurde dei Lehrbefugnis ,widerrufen‘ bzw. hatte diese zu ,ruhen‘ (darunter waren auch 4 Dozenten, deren freiwilliger Verzicht auf die Venia gleichzeitig bestätigt wurde), 5 Lektoren wurde der Lehrauftrag ,entzogen‘.“ (Mühlberger 1993, 8 [Hervorhebung im Original].) Zu Oswald Menghin siehe TB 1923, 17.4. Mit dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich wurde Viktor Christian, Professor für Orientalistik und Mitglied der NSDAP seit 1933, Dekan der Philosophischen Fakultät. In den letzten Tagen des Dritten Reichs wurde er schließlich noch Rektor der Universität Wien (Simon o. J.).





118 Antonio Morassi war von 1934–1939 Direktor der Pinacoteca di Brera, Mailand.

Bonifazio Veronese, Auffindung des Mosesknaben, Pinacoteca di Brera, Mailand.



„Pietro Vecchio“ – vermutlich Pietro Muttoni, genannt „della Vecchia“.



Treffen mit Andreas Tietze bei Familie Reichsman in Zagreb. Zu Reichsman siehe TB 1937/3, 25.7.; TB 1938/1, 30.3.

119 Museo Archeologico im Castello Sforzesco, Mailand.

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Zur Biblioteca Ambrosiana gehört auch eine bedeutende Gemäldesammlung.



Basilika San Nazaro in Brolo (auch San Nazaro Maggiore), Mailand. „At present the panes are distributed between two windows   four, including the top cano-

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pies, are in a small lateral chapel on the right of the church, six more, also including copies, are in the St. Catherine Chapel on the left […]. The scenes represented are from the legend of St. Catherine as told in the Passionale. […] The stained glass windows have not been discussed outside local guidebooks which, however, fail to recognize their historical place and importance. They used to be attributed to Lucas van Leyden, a collective name in Italy for northern art products of the early Renaissance period. […] Neither attribution deserves discussion, the connection of the glass paintings with Dürer’s entourage being recognizable at first sight.“ (Tietze-Conrat 1945a, 13–14.)

Um wen es sich bei der Person namens Wimmer gehandelt haben könnte, muss Spekulation bleiben.



„Die Leute in Kansas“ – die Herausgeber des „Print Collector’s Quarterly“ waren in Kansas City ansässig. Der Aufsatz der beiden erschien 1938 als „Titian’s woodcuts“ (Tietze/ Tietze-Conrat 1938c).



Zu Adrienne siehe TB 1937/1, 17.5.

120 „In einem kleinen Garten am Lungarno delle Grazie, welcher früher den Einblick durch ein Eisengitter von der Straße aus gestattete, hatte Liphart zufällig ein kleines in der Hausmauer befestigtes Marmorrelief entdeckt, das ihm bei näherer Besichtigung von keinem geringeren als Michelangelo herzurühren schien. In seiner Uneigennützigkeit teilte er seine Ansicht über das Relief dem nichts ahnenden Besitzer mit, der ihm jedoch schlecht dafür lohnte, indem er nach einiger Zeit den Zutritt zu dem Garten untersagte. So hatte auch ich das Stück nur aus respektvoller Entfernung durch das Gitter zwischen dichten Büschen hindurch mehr ahnen als sehen können, bis mir vor wenigen Monaten der Fideikommisserbe […], Lipharts Enkel […], hier in Berlin das Original vorlegte   er hatte den glücklichen Gedanken gehabt, den Marmor als Erinnerung an seinen verehrten Großvater jetzt nach dessen Tode käuflich zu erwerben […].“ (Bode 1891, 167.) 121 In der Albertina befinden sich mehrere Entwurfszeichnungen Michelangelos für das Fresko der „Schlacht bei Cascina“ für den Palazzo Vecchio in Florenz (siehe dazu Birke/ Ker­tész 1992–1994). Raffael, Disputa del Sacramento, um 1510, Stanza della Segnatura, Vatikan, Rom. 122 Giovanni Galbiati – Präfekt der Biblioteca Ambrosiana von 1924–1951 (Giovanni Galbiati, Associazione Italiana Biblioteche).

Vermutlich dachte ETC an Jean de Gourmont.

123 Antonio Morassi, Giorgione, Mailand 1942.

Antonio Morassi, Disegni antichi dalla collezione Rasini in Milano, Mailand 1937.

124 „Festa dell’Impero“ – nach der Annektion Abessiniens rief Benito Mussolini am 9.5.1936 das „Impero (coloniale) italiano“ aus.

Antonio Morassi war zu diesem Zeitpunkt Direktor der Brera-Pinakothek, Mailand. Um 289

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welches Buch Morassis u. a. über Bernardo Strozzi es sich handelte, wurde nicht eruiert.

Royal Academy of Arts, „Exhibition of Italian Art 1200–1900“, 1930, London.

125 „Lionardo“ – siehe Leonardo da Vinci. 126 Wahrscheinlich handelte es sich um den Kunsthändler Jacob M. Heiman, der wenige Jahre später, bei der im März 1940 von Tietzes im Toledo Museum of Art kuratierten Ausstellung „Four Centuries of Venetian Paintings“, als wichtiger Leihgeber aufscheint.

Paolo Antonio Barbieri, jüngerer Bruder des Guercino (Giovanni Francesco Barbieri), gilt als ein italienischer „Hauptmeister im Fache der Stillebenmalerei“ (Paolo Antonio Barbieri, in  Thieme/Becker/Vollmer 2008, 127).

127 Fresken Giovanni Battista Zelottis und Paolo Veroneses in der nicht mehr erhaltenen Villa Soranzo Treville bei Castelfranco (16. Jh.)  ; siehe dazu Tietze-Conrat 1940a, 37. 128 „Longhi’schen Borghesechristus“ – eine Publikation Roberto Longhis konnte nicht ausfindig gemacht werden.

Zum Bridgewater-Aktäonbild siehe TB 1937/2, 10.6.



Johannes Wilde, Zum Werke des Domenico Fetti, in   Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien, 10, 1936, 211–219.



„Prinz“ Borronus konnte nicht eruiert werden.

129 Bergamo, Lovere, Trescore – Provinz Bergamo, Lombardei.

Galleria dell’Accademia Carrara, Bergamo.



Palazzo Moroni, Bergamo.

Lorenzo Lotto, Fresken Oratorio Suardi, 1524, Trescore.

Museo Tadini, Lovere, gegr. 1829.

130 Palma Giovane, Santi Faustino e Giovita, Chiesa di Sant’Afra, Brescia.

Antonio Campi, Acht Gerechtigkeitsdarstellungen für den Palazzo della Loggia, Brescia.



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2. Büchel 15. Mai – 1938 (Fortsetzung Büchel 1, Verona 15. Mai) [Der] sehr liebenswürdige Direktor d. Gallerie Striusi hat uns den Zugang zur Casa … verschafft, wo die entzückende Sala Moretto ist. Unsere Haarlemer Z[eichnung] ist sicher keine Nachzeichn[ung] einer d. auf d. Balustrade sitzenden Damen, da sie eigentlich zwei Motive kombiniert. Sonst sind ein paar sehr gute Porträts dort, darunter ein Moretto, den Moschini als Lotto publiziert hat. Es war herrlich warm, sommerlich. Wir beschlossen, das nächstemal nicht ins Hôtel Roma zu gehen, vielleicht wieder zu Igea und reisten sehr angenehm u. bequem um 5h nach Verona. Die schöne Fahrt d. Gardasee entlang erfüllte mich nicht wie sonst mit Melancholie, da ich nicht mehr Abschied nehmen muß, um in d. Norden zurück zu fahren. In Verona war ein sehr lieber Brief vom Anderl da, eine gute Nachricht von Trude, daß sie Franz „heut oder morgen“ zurückerwartet. Eine schlechte, daß Peter Kuranda seine Mutter u. sich selbst erschossen habe. Die Mutter †, er noch am Leben  ! Einen guten Brief von Gosline – Toledo. Wir machten noch einen Corso – Spaziergang, wie es meine Passion ist, an allen Schuhgeschäften vorbei, entdeckten d. Film Scarelet Pimpernell, der hier aber Il trionfo della Primula Rossa heißt, gingen aber nicht hinein, weil uns das Beiprogramm degutierte, weil er italien[isch] synchronisiert war u. weil wir überhaupt keine Lust hatten. Nachtmahlten in d. Accademia, die ums Eck gezogen ist. Schliefen mäßig u. arbeiteten heute mit einer 1½stündigen Mittagspause von ½ 9 bis ½ 7. Und dann noch ein halbes Stündchen. Kurz ein Ruhetag. Aber es war sehr anregend. Wir hatten vor zwei Tagen in Bergamo einen bezeichneten Mansueti gefunden, der mit ganz kleinen Abweichungen d. Beweinung bei Carnegiani im Gegensinn wieder holte (arg vergröbernd). Und heute hier im Castell eine Anbetung d. Kindes, dessen Maria innigst verwandt mit d. Magdalena d. Carnegianibildes, gleichfalls von Mansueti bezeichnet u. feiner in d. Qualität. Wir haben uns ein wenig in d. verones[ische] Malerei des späten 16. eingesehen u. das noch in d. Kirchen fortgesetzt. Für einen Albertina-Farinati (Michaelskampf ) gleich in zwei Kirchen das zugehörige Bild gefunden  ! Trotzdem unserer Bemühungen haben wir im Gefühl, daß alles nur Stückwerk ist, das wir mit einem alten Führer u. vielleicht überhaupt erst im Juli, wenn wir unsere Photos von Trödhan bekommen haben werden, ergänzen müssen. Zur Orientierung aber war es gut, hereingeschaut zu haben.1 17. [Mai] Auch gestern – in Verona – war es […] Nacht – so lärmend  ! Um ½ 7 Uhr früh brachen wir auf, was zur Folge hatte, daß in allen Kirchen Messe gelesen wurde u. die Besichtigung unmögl[ich] war u. daß wir um 10h ein zweitesmal frühstücken 293

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Abb. 75  : Tagebuch 1938.

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Abb. 76  : Verona.

mußten. Wir haben die Bemalung eines Amtes sehen wollen, das zu einer anderen Stunde offen war und noch aus anderen Gründen, war es wiederum ein Stückwerk, dessen Lücken wir sorgsam zum Füllen aufschrieben (Bibliothek mit versproch[enen] Z[eich­nung]en „Capitolare“). Am Nachmittag fuhren wir nach S. Zeno. Der (jetzt als H[och] A[ltar] aufgestellte) Mantegna war herrlich. Wirklich den Riesen-Raum beherrschend wie Tizians Assunta d. Frari. Und d. roman[ische] Figur aus Marmor mit d. sitzenden S. Zeno als Seelenfischer (die Trota aus dem Adige an d. Angel) ist unvergeßlich. Ach, und die Türe. Alles Raum (mit d. Plafond  !) u. die vereinzelten Kunstwerke – höchste Qualität  ! Von S. Zeno kann man nur mit Ausrufungszeichen sprechen.2 Wir fuhren mit d. Zug, mit dem wir vor zwei Tagen angekommen waren, nach Vicenza weiter. Im Coupé saß eine junge Frau die d. Burgl ähnlich sah. Unsere einzige Sorge bei d. Wahl d. Zimmers war die Stille (Albergo al […]). Die Nacht war tief u. dauerte bis acht Uhr, ich hatte auch mit einem Phanodorm nachgeholfen. Das Erwachen in einen bedeckten Tag verstimmt. Es war dann seit Anfang Februar unser erster 295

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Regen  ! Hier in Vicenza seit 160 Tagen  ! Die Bilder hier, die wir von Kirche zu Kirche gehend, fanden [abgebrochen] 18. [Mai] Dopolavoro u. z[war] schon Padua u. wieder gutes Wetter. Meine Füllfeder war ausgegangen – setzte fort, weiß aber nicht, wie ich d. Satz beenden wollte. Vicenza hat uns sehr enttäuscht. Wenn man nicht auf Architekt[ur] ausgeht, ist es sehr zweitrangig. Dieser Maganza wie eine Übersetzung von allen möglichen fernen Dingen ins temperamentlos  – Bürgerliche. Provinziell im schlimmsten Sinn. Nicht eigenbrödlerisch formal, sondern auf ein banales Publikum Rücksicht nehmend. In einer Kirche, in der wir einen wohl unterrichteten Messner kennen lernten, sprach uns auch ein Prete an, der schließlich einen Giorgione zeigen wollte, den er privat besaß. Es war ein Istituto Protti wo wir ihn zu sehen bekamen (Großer Palazzo, in dem 60 Familien heruntergekommener Adeliger Abb. 77  : Der hl. Zeno fischt in der Etsch, Bronzetor der Basilika Wohnung u. Unterstützung aller Art beSan Zeno, 12. Jh., Verona. kommen). Es war ein Bild um 1510/20 Porträt eines Bärtigen, aber ein schwaches geistloses Bild. Am Nachmittag zogen in unser Hôtel fünfzig ungarische Philharmoniker ein, die ein Konzert am Abend (Dirigent Karl Krüger aus Kansas City  !) geben sollten. Es wurde aus allen Fenstern zu uns herein auf verschiedensten Instrumenten gleichzeitig geübt, weswegen wir (endlich doch) ins Kino gingen. Da d. Platz nur 10 L. kostete, brachte die Wochenschau Wintersport, u. a. aus „Austria“ und keine Aktualitäten, die uns unangenehm gewesen wären. Aber es waren geschlagene 3 Stunden u. dabei haben wir nicht einmal das Ganze mitgemacht. –3 Wir kamen um 9 zum Essen, es war schon d. zweite auf d. Karte gestrichen. Und heute früh haben wir wiederum alle möglichen Kirchen besehen u. sind um 11 nach Padua gereist. Die Ungarn waren uns aber schon zuvorgekommen u. hatten unser Hôtel (Centenario) besetzt, sodaß wir wiederum ins Stoppelo fuhren. Wir waren in Kirchen u. Museen fleißig, haben Moschetti erreicht u. den Z[eichnungen]ka296

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talog durchgesehen  ; er verspricht aber – für uns – nur ein einziges Blatt von Carletto. Es wird morgen für uns vorbereitet sein. Wir waren im Santo und in seiner Scuola, in S. Giustina, im Seminario (das uns wiederum ausgezeichnet gefiel, Sustris, Campagn[olas], Bassanos u. d. vorzügl[ich] gemalten Lettner (mit Evangelisten, Aposteln u. Adorierenden, c. 1530/40, aber von wem  ?) im Dom. Und anderes mehr. Immer auf d. Suche nach d. „Gruppe“ – u. immer vergeblich. Hans hat mir trockene Zwetschken gekauft – u. auf d. Piazza della Frutta ein etto fragole. Ich hab sie zuhaus mit dem Löffel, den mir im Februar Burgs für d. Caramellcreme in Paris geschenkt haben, aufgegessen.4 21. [Mai] Venedig. Und zwar schon seit vorgestern abends. In Padua haben wir noch einen Aufarbeitungstag gemacht (Oratorio S. Rocco sehr interessant f. uns  ; d. Fresco von 1525 ­sicher Do[menico] C[ampagnola], aufgrund d. Holzschnittes „Auferweckung“)  ; Mos­chetti hat uns durch sein Museum „geführt“ u. vieles an Seitenhieben Richtung Fiocco, Planiscig u. s. f. ausgeteilt. Ein eitler Mensch, der nicht sehr viel method[ische] Forschensart kennt, aber sicher reale Verdienste hat. Das Wetter wurde immer schwüler u. trüber – hat diesen Charakter, noch mit viel Regen vermischt, bis jetzt beibehalten. Wir fanden Annas alte Mutter in Venedig am Bahnhof, die Giovannis Sohn einführte, da Giovanni selbst Arbeit hat. So fuhren wir 4 Mann hoch mit unseren paar Tascherln nach der Ca’ d’Oro. Unsre beiden Träger hatten dann viel Anfechtung von den dort postierten […] zu leiden, es hallte noch lange hinter uns her. Das Zimmer (das dritte, das wir in dieser Wohnung beziehen) war gleich eingewohnt, wir bekamen einen größeren Tisch – nur d. Papierkorb fehlt uns noch – u. hatten mit einer Sendung unserer Photos gleich viel zu tun. Signorina ist noch in ihrem Fangobad, wird aber von einem Tag zum anderen zurückerwartet. Der Ingegniere ist nicht mehr bei d. Eisenbahn, er wurde anonym angezeigt, dass er daneben Realitätenhandel treibe, was man im Amt zwar seit 10 Jahren schon wusste, aber jetzt doch berücksichtigen musste. Er wurde nach Bari versetzt, wo er aber nur 30 Tage blieb u. [ist] jetzt in Pension. Sein Bub (81/2) Mario ist auch hier. –5 Das tägliche Leben richtet sich ein – man ist zuhaus u. hört auf, ein Reisetagebuch zu führen. Letzter Mai. Wir sind gesund, das Wetter ist ganz nett, das Essen u. Schlafen ist erfreulich, wir haben ein wenig das venezianische Tempo auch auf uns übergeschaltet u. fühlen uns wohl dabei. Bißchen Bibliotheksarbeit, bißchen Kirchen, bißchen Sammlungen. 2–3 Stunden Vormittag, 2–3 Stunden Nachmittag. Die Society for Protection of Science a[nd] Learning hat uns vor paar Tagen ein „grant“ bis zum Jahresende zugebilligt, am 1. Juni sollen wir d. erste Rate bekommen. Anderl soll auch in diesen Tagen kommen. 297

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Abb. 78  : Georg Ehrlich, posthume Erinnerung an (die 1927 verstorbene) Veronika Tietze  ?

Die Biennale wird morgen eröffnet, wir haben in Venedig – außer Italienern, die hergehören – schon einen Zufallsbekannten getroffen, Hofrat Petrovits. Und gestern waren wir mit Suida zusammen u[nd] z[war] mit ihm allein bei Asta am Nachmittag u. mit ihm u. der Frau nach dem Nachtmahl in Piazza. Er ist anscheinend d. Leibesexpertiseur Astas, der über ihn u. seine Zeit verfügt. Wir haben in Natur u. Photo 4 Tizians vorgeführt bekommen u. von zweien wurde überdies gesprochen (und in was für Tönen  !). Neben Suida wurden noch Fiocco u. Mayer zitiert u. wenn’s ganz hoch herging noch der selige Gronau. Es war widerlich. Die Photos waren fast größer als d. Bilder, die Expertisen an d. Rückseite Musterbeispiele von Frivolität u. falscher Wissenschaftlichkeit. Ich muß es wiederholen  : Zum Kotzen.6 Die Nachricht kam über London, dass jener zweite „Besuch“ in unserem Hause, der bald nach d. ersten stattgefunden hat, dem H[ans] bez[iehungsweise] seiner Bibliothek galt, da er als „Kulturbolschewist“ angezeigt war bez[iehungsweise] verfolgt wird. Die Besucher brachten sich einen Spezialisten zu diesem Zweck mit. Ich nenn jetzt den Hansen nur mehr Vickerl. Am Pfingstsonntag (der diesmal auf d. 5. Juni fiel wie im Jahre 1927, als Vroni an diesem Tag starb) kam von Stoffel die Nachricht, daß er sein Einreisevisum erhalten 298

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Abb. 79  : Hans Tietze mit Sohn Andreas in Zagreb.

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habe, und von Anderl ein Brief, daß er am Samstag, d. 4. aus Stambul abzureisen hoffe. Franz scheint dieser Tage endlich frei zu werden (oder schon zu sein  ?), Nachricht von Trude, aber sehr unklar  ; danach dürfte er die letzte Prüfung in Zagreb machen. Die Nachrichten von Trude immer spärlicher – u. düsterer. Wir haben schon im Brief geschrieben, daß sie unsere Agenden einem Advokaten übergeben solle, der unsere Abwesenheit offiziell behandeln möge.7 20. Juni. Anderl kam am 8. [Juni] Er ist ganz unverändert, still u. heiter, arbeitet in d. Marciana, wo er gleich eine (türk[ische]) Handschr[ift] entdeckte, die ihm sehr wichtig war, wandert mit uns in d. Stadt herum. Ein Ausflug nach Torcello, vom Wetter wundervoll begünstigt, einer nach Chioggia mit einer schwülen u. regnerischen Stunde gerade drüben beim Ankommen, aber dennoch eindrucksvoll. Wir haben gestern d. Abschied-Europa-Brief auf d. Brittanic geschrieben erhalten, mit der Stoffel am 23. in See sticht. Franz ist endlich frei geworden, aber erst 14. Er wurde zum erstenmal verhört u. gleich weggeschickt. Er will d. Schlussprüfung in Wien machen. Maja, die schon 6 Wochen wegen Nierenaffektion liegen musste, hat ein verfrühtes Kind geboren, das keine Stunde lebte. Wir bekamen einen Flugpostbrief von Lili (am 7. geschrieben). Jetzt erwarten wir Therese, die etwa am 24. kommen will, um Anderl (vor allem) u. uns zu sehen. Und heut ist mein Geburtstag u. ich habe einen Hut bekommen, da ich im Jänner nur mit einem winternen auszog. Er ist dunkelblau, aus Filz u. d. Ankauf war weniger schmerzlich, als er sonst zu sein pflegte. Arme Trude, die auch heute Geburtstag hat …8 30. Juni. Vor paar Tagen – am Sonntag, heut ist Donnerstag, es ist so ein Scirocco, dass ich auf diese Daten nicht schwören möchte – kam Therese. Und gestern früh kam Kurtl, der die letzten Wochen, bevor er am 24. Juli sein Schiff in Neapel nach Australien besteigt, lieber in Italien verbringen will. Viele Erzählungen – nichts Erfreuliches. Kurt ist ein mutiger Bursch.9 4. Juli. Und Freitag den 1. verließen wir Venedig, am Abend, die Buben brachten uns zur Bahn, es war eine solche Augenfreude hinter ihnen zu gehen u. Anderl zu sehen, wie leicht u. anmutig er unsre Koffer trug. Ob wir Kurt bei unserer Rückkehr noch vorfinden werden  ? Therese wird wohl auf uns warten. Anderl hat d. Absicht, heute nach Zürich zu fahren. Wir blieben über Nacht in Triest (Hôtel Milano) u. sahen in d. früh das Museum an u. 2 Kirchen, von denen nur die eine (S. Giusto) einen Eindruck machte (Bened[etto] Carpaccio 1540). Dann brachen wir nach Zagreb auf, gerieten gerade in Rakek (Grenze) in einen furchtbaren Gewitterregen u. in Laibach in eine 300

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Verspätung von fast anderthalb Stunden  ! In Zagreb war Franz mit seinem Vater auf d. Bahn. Franz hat am Montag seine letzte Prüfung u. am Dienstag seine Promotion gehabt. Er hat noch Großmama aufgesucht, bevor er abreiste u. sie sehr schwach gefunden. Er war wohl Dienstag oder Mittwoch dort. Und heute Mittag kam ein sehr versöhnlicher Brief von Trude an, dass Mama am 30. abends eingeschlafen ist u. nicht mehr aufwachte. Sie war nur ganz kurz krank, zu Mittag machte ihr Dr Paschkis noch eine Blutprobe, weil sie ihm so blaß erschien u. gab ihr eine Leberinjektion. Der Zustand am Nachmittag blieb weiter unverändert, aber Trude hatte trotzdem schon Ilse verständigt. Und gegen 7 Uhr war alles vorüber. Ohne Schmerzen Abb. 80  : Letztes Wiedersehen – Ida Conrat mit Tochter Lili Fraenkel, war sie gestorben. Ein schöner Tod. Und ca. 1937. wenn er vor d. 11. März erfolgt wäre, wäre er noch schöner gewesen  ; so hat sie von so vielen Abschied nehmen müssen u. doch gewusst, dass es für sie kein Wiedersehen gibt. Der letzte, von dem sie Abschied nahm, war Kurtl. Sie fragte bei mir an (in ihrer letzten Karte)  : „Ist Kurt schon bei euch  ? Der Kuß, den er mir auf die Stirn gab, schien mir doch endgültig zu sein …“ (Kurt hatte ihr nicht gesagt, daß er am nächsten Tag fortreiste  ; sie hat es aber doch erraten). Das letzte, allerletzte Band, das uns noch mit Wien verbindet, ist zerrissen.10 Ich habe Hans gebeten, daß wir unsern Gastfreunden nicht sagen, daß Mama gestorben ist. Sie wollen uns so viel Liebes hier bieten, ich will sie nicht kränken, ich meine enttäuschen, daß ich nicht aufnahmsfreudig dafür wäre. Ich will lieber still dieses natürliche Auslöschen in mich einprägen, bis ich es innehabe. Man versteht ja so wenig von den letzten Dingen. Ich habe dem Anderl u. d. Burgl geschrieben. 19. [Juli] Venedig. Wir sind am Sonntag (d. 16.) pünktlich, wie wirs vorgehabt hatten, aus Zagreb zurückgekommen. Am selben Abend ist noch Therese nach Wien gereist. Der Aufenthalt im Grünen in Zagreb hat uns sehr gut getan. Wir haben redlich für Franz u. d. Frauen gegen den Herrn u. Gebieter Dane gekämpft, der einfach nichts davon wissen will, daß ähnliche Geschehnisse wie in Wien auch in seinem geliebten Kroatien geschehen könnten. Es war ein täglich erneuter, erbitterter Kampf, dem am allerletzten 301

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Vormittag so etwas wie ein Teilsieg (für uns) beschieden war. Eigentlich vom psycho­ l[o­gischen] aus sehr interessant … Hier haben wir mehr aufgelöst als aufgebaut. Die tessere sind gekommen, die Visen leider erst z[um] T[eil] versorgt (es fehlt das fran­ zö­­s[ische]  !), ein gelungener Halbtagsausflug nach Padua, d. h. nach Praglia, war das einzig kunsthistorische Erwähnenswerte. Wir fuhren die 15 km von Padua mit d. Taxi, das Kloster liegt entzückend in dem sanften Hügelgelände, ganz grün. Benedictus, der die Einsamkeit liebt. Ein junger Padre (Agostino) führte uns  ; ein Wiener, der erst 6 Jahre Jus studiert hatte, bevor er Geistlicher wurde. Er war sehr gesprächig u. wissbegierig u. wir bekamen dadurch mehr zusehen als sonst d. Fremden. Ein bezeichn[eter] „Camillers Ballini de Tizianis“, hl. Laurent[ius] tauft eine Familie von 1574 und ein merkwürdig manierist[isches] Bild, das d. Tod d. hl. Walpurgis darstellt, die auf d. Totenbett liegend den Fuß zum Kuß einer Trauernden entgegenhebt. Dazu noch kleinfigurig l[inks] oben Christ[us], der den vor d. Betpult Knienden erscheint. Eine Versuch[u]ng d. hl. Anton[ius] durch weibl[ich] l[inks] herauseilenden beklei­de­ t[en] Dämon mit Vogelfüssen von Dario Varotari sehr tintorettesk. Ein entzückendes Abtzimmer mit Fresken ringsum Landschaften mit hineingesetzten allegorischen Devisen u. bibl[ischen] Szenchen u. stehend Nischenfigur. Die Kirchenapsis unzweifelhaft von Do[menico] Carp[accio], Christus Himmelfahrend, unten werden d. Apostel in Halbfig[ur] sichtbar (als Do[menico] Carp[accio] auch von Fiocco bestimmt, während man im Convento an Zelotti glaubt). –11 20. [Juli] Wir haben heute früh Venedig verlassen. Die Tage waren mit d. Familientragödin Mizzaro gefüllt – wie die Agramer mit jener des Reichsman. In Bassano (Albergo del Mondo) war Station. Wie schön ist doch diese Fahrt, wie bezaubernd diese Stadt  ! Wir haben alle Zeichnungen noch am Vormittag durchgesehen u. 4 am Nachm[ittag], dann (nach ausgiebiger Schlafpause) photogr[aphiert]. Die Bilder haben uns heute nicht den großen Eindruck gemacht, wie d. erstemal. Der große Wandel des Künstlers, diese totale Umkrempelung muß doch wohl für eine nicht zu tiefe künstlerische Persönlichkeit sprechen. (Auf einem Riesenbild Leandros im Stiegenhaus glaubten wir zwei – den Leichnam d. hl. Johannes von Damaskus herausgrabende – Mannen aus d. Albertina wiederzufinden, haben aber keine Möglichkeit d. Nachprüfens  !) Tua war besonders freundlich u. voll – spontanen – Mitgefühls für d. Schicksal unserer Vaterstadt …12 Wir sind dann noch viele Stunden herumgestrolcht, eine Kirche nach d. andren, aber mehr eine Aussicht nach d. andern. Bei den Signori Spechini waren wir – mit einer Empfehlung Tuas –, um zwei große Bassanos zu sehen. Das eine, eine Arche Noah, schien uns besonders gut, soweit d. Nachdunkeln ein Urteil erlaubte  ! Wie originell ist doch d. hölzerne alte Brücke mit ihren Laden daran. Am drüberen Ufer kamen wir an d. prachtvoll gelegenen u. imponierenden Ca’ Veggia vorbei. Mich lockte 302

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es so sehr, daß ich den widerstrebenden Hans überredete, die Besichtigung zu versuchen. Der Hausherr selbst machte die Führung. Segnoral u. kleinbürgerlich – wie immer in Italien, aber die Aussicht allein schon beglückend. Zuletzt suchten wir d. Aussicht an der von uns so geliebten Ecke auf, wo d. Caféhaus extra für d. Grappa Massiv hingestellt wurde. Wir aber bezogen einen Tisch vis-à-vis im Schanigarten des Albergo Belvedere. Nachtmahl mit Garnisonshautevolee. Dazwischen ein etwas übergeschnapptes weißhaariges Frauenwesen, über das d. andern sich Blicke zuwarfen. Ein spitznasiger Kellner, der in d. Händen das Zittern hatte. Das ist eine arge Beeinträchtigung für einen Kellner …13 21. [Juli] (Hôtel Mayer, gut, aber teuer) Trento. Wir fuhren – diesmal nicht mit d. blitzschnellen Triebwagen, sondern mit einem 3 x so langsamen laufenden Zug früh morgens herüber. Auch diese Fahrt ist köstlich, lauter geschnittene Felsen, richtige Dürerlandschaft-Hieron[ymus] in d. Einödesteinbruch. Trento im Kessel, eigentl[ich] ein unerfreulicher Anblick als Stadtbild. Aber schönes Detail. Seitdem Trento italienisch ist, wirkt es unerhört österreichisch. Wir haben am Vormittag Kirchen angesehen, wie schön ist doch d. Dom mit seinen beiden Freitreppen im W[esten], die höher u. höher hinauf zu d. Orgelempore ganz hoch oben führen. Im Dante-Garten haben wir auf einer schattigen Bank zum erstenmal seit langem wieder aus d. Papierl gespeist. Dann gut zwei Stunden tief geschlafen. Und ins Castello  ! Das ist ein famoses Schloss, in dem man wie kaum anderswo das fürstliche Leben eines Provinz[…] kennen lernen kann. Was ist doch dieser Romanino für ein Dekorateur u. Dosso für ein ahnungsvoller Charmeur  ! Die vielen Freskenausschnitte, die wir aus Morassi […] kennen, haben jetzt an d. Wand ihren Platz gefunden u. damit erst ihren Sinn. Wir sind froh, daß wir da waren. Dann nach sechs sind wir erst auf das Bergl zur Kapuzinerkirche hinauf, die vor etwa ein Dutzend Jahren von einem Veroneser Malereiprofessor eine bäurisch-heitere Fassade bekommen hat. Uns hat d. Aussicht gelockt. Eine andre fanden wir dann jenseits d. Etsch von der alten S. Apollinare-Kirche aus. Wir nachtmahlten beim Domplatz (Trattoria Venezia) im Schanigarten mit Blick auf d. Sgraffitohaus, das an dieser Seite sich zwar nur schmal präsentierte – immerhin. Der zweite Tag unserer „Julireise“, die wir so sehr wegen d. Hitze gefürchtet haben, ist gut u. genussreich vorübergegangen. Die ganze Stadt ist voll fliegender Ameisen. – –14 23. Juli. Verona, Hôtel S. Lorenzo e Caroni. Gleich beim Castello, schmale Straßenfassade, aber tief bis an d. Adige, sodaß Camere interne sind u. sehr still. (Etwas eleganter als wirs sonst haben). Der erste Tag – gestern – fing gleich mit einem Versager an  : d. Monsignore Turrini, der die Kapitularbibl[iothek] unter sich hat und den wir wegen Zeichnungen aufsuchen wollten, war fuori cittá. Aber das Fräulein Vignola war 303

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diesmal da u. wir haben ihr Haus (Madonna in Terraglio Nr. 9) besichtigt. Es ist das seltsam schlampigste Haus, das es gibt. Seit Jahrzehnten scheint auch nicht ein einziges Stück, das aus d. Kästen genommen oder sonst wie ins Haus gekommen war, wieder weggeräumt worden zu sein. Alles liegt auf Stühlen u. Tischen. Das Fr[äu]­ l[ein] eine Kunstgewerblerin. Manche Räumchen ringsum bemalt reizend. Z. B. dieses mit Landschaften mit Davidszenchen von Farinati. Das Stimmchen d. Signorina wie von einer Theaterschmiere  ; Locken angesteckt, darunter glatzig (Viel Spaß). Wir haben viele Stunden bei Tag geruht, aber trotzdem nicht in d. übrigen die richtige Arbeitslust gehabt. Wir haben für unsre Freskenneugier ein fascistisches Lokal aufsuchen müssen u. dort d. Abfertigung einer Reihe Protektionssucher erleben müssen (Rede über d. fascistische Gerechtigkeit, von d. Menge stehend angehört). Wir waren im Kino (Mister Flow mit Sokoloff, gut gespielt, aber ganz blöd) u. wollen heute wieder gehen. Wir haben jedes Mal zumittag aus d. Papierl gegessen u. Abends in d. Accademia. Noch zwei eindrucksvolle Dinge  : den Farinatisaal in d. Bibl[ioteca] Communale, dessen Kenntnis wir Linzeler verdanken u. das Erzbisch[öfliche] Palais mit seinen sehr großen Brusasorzilandschaften u. d. entzückenden drei kleinen Täfelchen aus d. Marienleben von Liberale da Verona.15 24. [Juli] (Milano, wieder bei Doria-Suisse, wieder im Zimmer 17.) Das war heute ein merkwürdiger Sonntag  ! Fing schon früh an, den d. Zug verließ Verona um 7 Uhr. Eckplatz, aber voll. Nichtraucher. So kalt u. regnerisch, daß d. Fenster zu. Ein Herr steckte sich eine Zigarette an, ich machte ihn auf d. Täfelchen Vietato fumare aufmerksam, er sagte, daß geht ihn gar nix an. Das ganze Coupé redete ihm zu – vergeblich  ! Ich ging auf d. Corridore hinaus. Als eine Station kam, bekam ers mit d. Angst, daß ich d. durchgehenden Kontrolleur rufen könnte u. legte d. Zigaretten weg. War sehr bös u. mein Feind. Im Brera wars so unerhört finster, daß man überhaupt kein Bild sah. Nur vorübergehend riß d. Nebel oder d. Wolken oder der Dreck halt, der herunter hing, auf u. dann wars möglich, etwas wahrzunehmen z. B. Morassi, mit dem wir ein Gespräch hatten. Er war vor 3 Wochen in Wien gewesen  : Benesch zittert, Wilde zittert, Buschbeck wird „angefeindet“. Die Stadt hat ein andres Aussehen. „Barbarisato, proletarisato“. In d. Ambrosiana am Nachmittag sahen wir z[um] T[eil] bei künstlichem Licht d. Bilder an – von eins bis drei Uhr  ! Dann nachhaus, ins Bett. Mit Photos gearbeitet, aber vom Scirocco stark hergenommen. Ein wenig spazierengegangen u. dazwischen lange gestanden, um d. Regen immer wieder abzuwarten. –16 Heute reist Kurtl in Neapel ab – Australien  ! 27. [Juli] Urban, Zürich (Blick auf d. See, Terrasse. Sogar mit Badezimmer – aber das wollen wir abbestellen. Gäste von Frau E. R. [Eva Reifenberg]). Der zweite Tag (25.) in Milano 304

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war besser als d. erste. Vor allem das Wetter  ! Zwar war erwartete Post im American Express nicht aufgetaucht (die kam erst am 26.!), aber der Nachmittag in Pavia (Prof. Soriga) war interessant. Die Z[eichnung]en absolut unbedeutend, aber immerhin ein Blatt, das zu Pordenones Petr[us] Mart[yr] irgendwie gehört, photographierenswert. Soriga hat uns die übrige S[amm]l[un]g gezeigt mit einem erstklassigen Antonellobildnis (klein) u. einem Zurbaran Portr[ät] eines Karthäusergeistl[ichen] (groß). Er hat auch viel Holzschnitte etc. gezeigt, eine wirkl[ich] ausgezeichn[ete] graph[ische] S[amm]­l[un]g mit prachtvollen Uniken, die jetzt publiz[iert] werden sollen (u. a. eine Folge venezian[ischer] Holzschn[itte], Tondi, von d. Republ[ik] Venedig ex offo herausgeg[eben], um d. Vaterlandsliebe zu wecken). Bei Heyman ein paar gute Bilder wieder gesehen. Das schöne Portr[ät] von Tintoretto (Gewand nur angelegt, Spätbild), von dem wir d. Photo kannten. Ein schönes indiskutables LottoMän­n erbildnis. Ein riesiger Tiepolo (Vater) Mad[onna]+Kind etc. um 1730. Ein sehr origin[eller] Tiepolo-Sohn (fast wie d. Vater). Das in Ferrara ausgestellte Orig[inal] zu d. Metrop[olitan-] Bild Alfonso (mit einmal abgeschrägt[en] Ecken). Aber so ein komischer Kauz. Der 26. morgen war geschäftl[ichen] Dingen ge­w id­m [et.] (Französ[isches] Konsulat/ ver­geb­l [ich]), Haarschneiden, Amerexco u. einem Gespräch mit Dr Ant[onio] Feltrinelli, Via Daniele Manin 37, der d. Abb. 81  : Trude Waehner, Die Zukunft dieser Jugend, 1932. Antonello besitzt, den uns Pesaro vor 4 ½ Monaten um 1 Million verkaufen wollte. Der Pesaro ist inzwischen gestorben u. Dr Feltrinelli gibt noch immer keine Photogr[aphie]. Das Bild ist noch immer für Ristauro. So fuhren wir ab und in schönster Landschaft herauf nach Basel, ohne es zu wissen an Anderl vorbei, der in Mendrisio seit Montag sitzt  ! Darüber u. wegen manch anderem in übler Laune  ! Am Bahnhof hat uns Munio Feuermann abgeholt u. in das Hôtel gebracht. Das Zimmer dort im Hause bezieht heut oder morgen die Schwester Lili. Bei Frau Reifenberg haben wir heut um 11 im Hôtel Bellerive einen Besuch gemacht. Sie ist sehr hergenommen. Bei […] zumittag gegessen.17 30. [Juli] Ich hab bisher nicht geschrieben, es war auch wirklich zu nervenanspannend hier. Das Wetter – Föhn, Föhn, Föhn. (Erst heut ist kein Föhn, sondern richtig glühheiß). 305

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Anderl durch ein Missverständnis außer Kontakt mit uns, irgendwo am Luganosee, schreibt Karten, Briefe noch immer nach Venedig  !, die uns hierher nachgeschickt werden  ! Wir sind vielleicht zu Gast, aber nicht sicher  ; jedenfalls hat unsere Gastfreundin so viel mit Conferences u. Familie zu tun, daß sie kaum Zeit hat uns das Gefühl zu geben, daß wir Gäste sind. So droht bald d. Hotelrechnung, bald bestehen wir trotzig auf ihr, um uns nicht als Schnorrer zu fühlen. Das französ[ische] Visum ist noch nicht da, wir sollen Dienstag danach wieder fragen. Die Bibliotheken haben kaum d. Bücher, die wir brauchen viele – das Kunsthaus – verlangen 1 fr 50 für ihre Benützung  ! Wartmann verreist. Bernoulli verreist. Sein Unterläufel ist Dr Jenning, der den Kanton Glarus in Reprodukt[ionen] bearbeitet, sehr liebenswürdig, aber wenig unterhaltend. Abb. 82  : Ilse von Twardowski, geb. Conrat. Gradmann eine ausgepresste Zitrone (sein Vater mit Selbstmord †). Kein Lichtblick Abendbesuch am Dolder bei Dr Felix Somary, Sonnenbergstr. 128. Seine Familie auf d. Land, seine Sammlung im Safe. Einiges nur vorhanden, darunter eine große Dürerzeichn[ung] eines weinenden Engels in Wolken, Halbfigur in Hemdchen Grisaille. Möglich, unerfreulich. Wir blieben bis Mitternacht, genossen die gute Luft (ich war nur ein wenig beleidigt, weil d. russischen Eier (Hour d’oeuvre) mit gesalzenem Kaviar gemacht waren  ; der Champagner war wieder versöhnend) u. die eigenartigen Flausen unseres Gastherren. Er sprach u. a. von seiner Art d. Sammelns, daß er um das Dürersche Rosenkranzbild mit Strakow, um d. Hieron[ymus] mit Lissabon, um die Bonnats[amm]l[un]g mit Bayonne u. die Lagen d. Gebetbuches in Besançon mit Frankreich gehandelt habe … Ob das wahr ist  ?  !18 Leider scheint unbestreitbar wahr zu sein, daß Max Bunzl in Dachau auf d. Flucht erschossen worden. Sehr peinlich war uns ein Abend im Biergarten d. Hinteren Sternen, an dem in drei Schichten mehr oder weniger frisch Emigrierte an unseren Tisch kamen (Frau Schmidl-Wähner + Bub, ein Arzt Dr Poras aus Edlach, dessen Braut, Tochter d. Besitzers von Edlach, die eben noch maturiert hat u. in einer Kaserne aufreiben musste, der Mop[p], der sich nur mit d. Geige gerettet hat. Wir hörten, daß 306

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Holzmeister wieder in Gnaden aufgenommen sei. Fannina soll auch hier sein. Bei Anderls Gastfreunden Direkt[or] Anhegger waren wir Mittag eingeladen  ; besonders d. Frau ist sympathisch …19 3. [August] Basel (Hôtel Jura, ruhig, primitiv eingerichtet). Wir sind seit gestern Nachmittag hier. Am 31. waren wir in Rorschach mit Ilse u. Ivo zusammen. Wir fuhren nur über d. Tag hin u. saßen dort von 11h20 vor­ m[ittags] bis abends um 8 fast ununterbrochen auf ders[elben] Bank am See. Sie erzählte viel u. a. über Trude, die sich offenbar doch von Stoffel lösen will – mehr gelöst ist, als wir es (nach ihren Briefen) dachten. Seither haben wir die wenigen Tagesstunden, die einem d. Hitzewelle Bewegung erlaubt, auf d. Konsulaten erlebt. Im französ[ischen] war unser Visum noch immer nicht eingetroffen u. man bot uns ein Tran- Abb. 83  : Emanuel „Munio“ Feuermann. sitvisum an. Die holländ[ische] Erlaubnis konnte uns Carla nicht verschaffen, ihr Gesuch musste ans Mareschallamt, am Konsulat meinte man wir könnten mit d. Brief Degeners hinein u. aufdrahn*, wenn man uns Schwierigkeiten machte, am Abend erhielten wir durch Burg verschaffte Erlaubnis  ; hier hatte die Polizei in Haarlem anders als die in Utrecht entschieden. Wir sagten Frau Reif[enberg] Lebewohl u. mit ihr dann in d. Goldauerstraße den Feuermanns. Munio sitzt als einziger Jüngling im Kreis einer Frauenschar. Schwiegermutter, Gattin, Schwester Lili (Lukas), die aus London zu Besuch ist und Schwägerin Anneliese (die mit Mann u. 3 Kindern aus Viersen endlich herübergekommen ist). Gestern fuhr die ganze Gesellsch[aft] nach Luzern, wo Feuermann unter Toscanini spielt …20 Wir haben hier gestern noch mit d. Vogelbruder getagt u[nd] z[war] Hans allein u. mit gutem Erfolg u. nachher mit Dr Loeb im Sternen genachtmahlt. Dr Loeb fuhr noch in derselben Nacht nach Frankfurt, wir aber gingen auf d. Münster u. blickten zum Rhein hinunter. Es war kühl u. wir waren positiv – u. ich hatte meinen Hut im * lautstark einfordern

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Sternen vergessen. Den holten wir noch. Und heute war dann wieder ein Kladeradatsch denn d. franz[ösische] Konsulat wollte uns das Transitvisum nicht geben u. der Beamte sagte, wir sollten doch über Deutschl[and] fahren, was doch bloßer Hohn war. Er war auch sonst rüpelhaft u. wir verloren ein wenig d. Ruhe u. das war schlimm, dann als Frl. Schulthess nachher zum Vizekonsul für uns teleph[oniert], meinte dieser, er könne für uns keine Ausnahme machen, weil wir geschimpft hätten. Und jetzt sitzen wir hier u. Dr Christ kennt niemanden im Konsulat, sodaß er uns auch keine Empfehlung geben kann. –21 5. [August] (Wieder eine Unterbrechung) Genf (ohne Hôtel). Als wir am Nachmittag Prof. Ganz besuchten (hat der ein schönes Haus mit lauter Füßlis drinnen u. vielen andern guten Bildern  !), hat sich dann alles noch reparieren lassen  ! Er telefonierte, verbürgte sich persönlich u. wir bekamen das Visum. Wir waren aber recht herunter von diesem Auf u. Ab und d. Abend in Dornach war kaum geeignet uns aufzurichten. Otto Fraenkel holte uns im Hôtel ab u. wir fuhren mit d. Elektr[ischen] hinaus u. die Gegend war lieblich, wie alles um Basel herum. Wir nachtmahlten (sehr schnell) mit den vor einer Woche erst aus Wien eingetroffenen Eltern, die sehr nett u. harmlos sind. Dr Otto Fränkel ist eine Art Manager des Goetheanum u. sieht überhaupt aus wie ein mehr mit Öl als mit Essig abgemachter Goethesalat. Genau der Typ Mensch wie ich ihn nicht schätze. Dann mit den vielen vielen anderen (zum größten Teil Teilnehmer d. Tagung) auf vielen steilen Gartenwegen zu dem (hölzernen  ?) Theater, an dem die ringsherum führende breite Wendelterrasse das schönste ist und in d. Tat sehr sehr schön.) Sie spielten doch an 9 Abenden d. Faust „in dem kein Komma gestrichen ist.“ Wir kamen gerade zu den Szenen „Bewundert viel“ etc. bis zum Tod Euphorions. Es war das quälendste Experiment an Regie u. Darstellung, das ich je mitgemacht habe, und daß ich nicht mitten drinnen wegging, ist nur dem Umstand zu verdanken, daß wir Freikarten in d. ersten Reihe bekommen hatten. (Natürlich war auch das Ehepaar Strakosch da, das seit einem halben Jahr in Meran angesiedelt ist. An die Kunst der Frau u. ihrem gutgemeinten Dilettantismus erinnerte mich überhaupt die ganze Darbietung. Schauspieler die nicht sprechen können, hinter Oleanderbäumchen links der Chor, der die kurzen Daktyluszeilen in gleichbleibendem Singsang skandierte, zu denen Hodlerische Saaltöchter in dem Grün u. Rot von Eisenbahnsignalen um die orangene Helena Eurythmie trieben. Eine humorlose Tairoffbühne. Ein motorisch übergeschnapptes Klingerbild. Hinter anderen Oleandern steckte jener, der auf Burgtheaterisch d. Mephisto sprach, der als Phorkyade oben grau unten den Signalfarbigen tanzte …)22 Am nächsten morgen fuhren wir sehr früh schon nach Lausanne, wo wir wiederum im Hôtel Jura-Simplon wohnten, aber diesmal wirklich zum letztenmal. Am Nachmittag bei Cérenville, der leider das Akterl von hinten, das wir photographiert 308

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Abb. 84  : „Das quälendste Experiment an Regie und Darstellung“ – Goethes „Faust“ am Goetheanum in Dornach, 1938.

hatten, an Ströhlin verkauft hatte, aber dafür eine ganze andre Anzahl wirklich erstklassiger Blätter an uns verkaufen will. Am Abend waren wir in einem allerliebsten Lokal am See (Port de Pully)  ; Schwäne lagen vor Anker u. ganze Herden von Möwen flogen u. tauchten u. Kähne standen weiß wie Seerosen auf dem Wasser. Es war entzückend u. das Essen war französisch u. die Farben überall von Renoir – nur d. Preise waren gut schweizerisch … Ivo, von der wir nur die Straße u. N[umme]r wußten, aber nicht d. Namen d. Leute, bei denen sie wohnte, war leider nicht auffindbar u. wir reisten heut früh nach Genf weiter. Hier war alles, was mit venez[ianischen] Z[eichnung]en Zusammenhang haben sollte oder konnte, völlig ergebnislos. Aber sonst war es eindrucksvoll. Wieder ein See u. wieder reiche Leute herum u. alles diesmal rein französisch, sogar die Fremden – wenn auch nicht so zahlreich, wie sie hergehören, – d. Franken so abgewertet im Vergleich zum Franken. Einen sehr sehr lieben Brief vom Anderl über Stoffel zumeist. Er rasiert sich nur einmal in d. Woche u. genießt das Leben an einem See  : es ist ein wundervoller Flecken fast an d. italien[ischen] Grenze über d. von Malern berühmten Morcote. Am Vormittag arbeitet jeder allein, am nachmittag beide zusammen. Bis zum 24. haben sie gemietet. Mit Rudi scheint er sich sehr gut zu vertragen.23 309

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9. August Dienstag Rotterdam (seit vorgestern Nacht, Hôtel Coomans, verwohnt und teuer – kurz vor d. Abreise nach Haarlem). Vieles seit d. 5. mitgemacht, nichts erlebt. Am Abend kamen wir nach Basel zurück, man hatte das gemietete Zimmer in Hôtel Jura vergeben u. uns ums Eck privat untergebracht. Wir waren böse u. sagten uns teleph[onisch] am nächsten Morgen in Rheinfelden (wohin wir über d. Tag wollten), auch über d. nächste Nacht an. Was war das für ein ausruhsamer Tag trotz Vogel. Blick auf d. Rhein aus d. einen Fenster  : eine malerische Brücke, ein malerisches Örtchen – am andern Ufer das 3. Reich, weniger malerisch durch einige kleine Fabriklein vertreten. Um das weitläufige Haus ein großer Garten mit allerlei Liegemöglichkeiten f[ür] d. rheumat[ischen] Kurgäste. Meistens haben wir geschlafen, einige Zeit auch verge-essen u. abends lange zugeschaut, was nicht weiter aufregend war. Das einzige Vamp haben wir selbst am Tisch gehabt, eine kleine ungarische Schauspielerin, die d. Vogel kannte – u. wieder auch nicht kannte. Er führte sie bei uns nur als „Kurier aus Wien“ ein …24 Am 7. früh fuhren wir nach Basel u. nach einem Stündchen sang- u. klanglos nach Frankreich, Luxembourg, Belgien ins Holländische herüber. Es war sehr voll u. unbequem im Zug u. die Verspätung bis Brüssel so groß, daß wir den Anschlußzug nach Antwerpen u. damit auch d. bestellten Goldscheider versäumten, falls ihn unsere Bestell[ung] überhaupt erreicht hat. Der Zug mit d. wir dann in R’dam ankamen war sehr bummelig u. das Zubettgehen erheblich später, als wir erwartet hatten. Gestern – am 8. – gingen wir früh ins Museum, wo uns Hannema mit d. Katalog d. Aus­stel­l[ung] aus Privatbes[itz] beschenkte u. mit einer Permanenzkarte auszeichnete. Im übrigen scheint er für besondere „Herzlichkeit“ seinen links orient[ierten] Gelder abgeordnet zu haben, da er selbst, ein wenig vernazit, nicht mehr darf. Wir benahmen uns zurückhaltend u. heiter verächtlich. Die Arbeit ging gut, wir fanden nur wenig nachzutragen. In d. Ausstell[ung] machte uns d. neu aufgetauchte Vermeer einen unerhört starken Eindruck. Am Abend fuhren wir über Gelders Rat auf den Heuvel hinaus, wo wir nachtmahlten u. auf d. Wasser schauten, das ganz anders (weiß Gott) als in Lausanne, aber auch sehr reizend war. Und schließlich ins Cinémac – aber auch noch nicht „schließlich“, denn ein Bier folgte noch nach  ! Und trotzdem war d. Elektr[ische] noch lebendig unter unserem Fenster.25 11. [August] (Sind schon in Haarlem bei Burgs, die noch paar Tage auf d. „Gans“ segeln.) Ich hab noch von unserem zweiten Tag in R’dam zu erzählen. Wir haben d. Italiener zuende gearbeitet u. auch noch einiges photogr[aphiert]. Dr. Gelder lud uns zum Lunch zusammen mit Glück ein, der von England herübergekommen war. Wir speisten oben auf d. Dach des großen Warenhauses. Sehr erholend. Es war wirklich zum Lachen, wie d. links orientierte etc. auch diesen Akt d. Höflichkeit dem Direktor abnehmen 310

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mußte. Glück erzählte manches was wir noch nicht gewußt hatten. Dann gingen wir noch einmal ausgiebig in d. Ausstellung und reisten herüber. Das war Dienstag den 9. Abend. Am 10. meldeten wir uns bei d. Polizei, bedankten uns bei Degener u. ließen uns neuerlich eine Empfehl[ung] von ihm, diesmal an d. französ[ischen] Konsul, geben, begrüßten de Vries, der in 14 Tagen Vater werden soll. Er erzählte uns – ebenso Degener –, daß sich Benesch sehr um eine Stelle bemühe, da seines Bleibens nicht sei, habe er doch entdeckt, daß er eine Halbarierin zur Frau habe, was er bisher nicht gewußt habe [sic  !]. Am Nachmittag gingen wir ans französ[ische] Konsulat u. setzten das heute wiederum fort. Degeners sog[enannte] Veronesezeichn[ung] photogr[aphierten] wir, er hat sie ans Rembrandthuis geschenkt von wegen einer (vermeintlichen) Ähnlichkeit mit jener Rembrandtzeichn[ung]. Dort kustodiert ein junger Mann namens Muller, der ein Rembrandtbüchlein auf Esperanto herausgegeben hat. Im Vorübergehen kehrten wir bei Boer ein, der eine unbedeutende Ausstell[ung] einer Ware hat, darunter aber d. großen neuen Rembrandt Esther u. Haman u. Ahasver (u. noch ein vierter ( Jüngling) dabei), der jetzt anerkannt wird u. mich eigentlich fast überzeugt hat. Ein rohes prächtiges Bild. Ellbogen[…]. Man muß den Leydenschen Rembrandt in eine neue Ebene rücken. Wir waren schließlich noch kurz im Reichsmus[eum] u. in der Bibl[iothek] dort, aber zur Arbeit taugte d. Luft hier nur schlecht. Wir sind auch übernächtig durch zwei Gelsennächte hier – denen schon zwei Gelsennächte in R’dam voraus gegangen waren. Nicht umsonst sind wir hier Nachbarn des „Venedigs im Norden“. An guter Post  : Brief v. Somary. Vielleicht auch, daß Trude noch schwankt.26 15. August, Montag. Wir sind seit vorigen Dienstagabend hier in Haarlem u. gestern abends kamen Burgs heim. Wir haben d. Tag ruhig verbracht, waren 3 x in A’dam, haben unser franzö­s[i­ sches] Visum nochmals angegangen, hoffentlich geht es jetzt. Aber ich sehe, daß ich alles das schon geschrieben habe. Den Sonntag gestern haben wir gut genützt  : haben d. kleinen Artikel über die Ant[onio] Campizeichn[ung] u. über d. Holbein (Lio­ nardo)­zeich­n[ung] am Vormittag u. den etwas längeren über das Mailänder Glasfenster geschrieben. Burgs brachten ihren Steuermann mit, der Driess heißt u. immer hier noch herumsitzt. Ich denk, Herminchen läßt ihn nicht weggehen. Sie bringt immer neuen Tee u. Kuchen für ihn, das ist sehr rührend zum Anschauen. Alles wirkt hier sehr beruhigend. Die Spaarne mit ihren geraden Ufern, durch die wir heute, fünf Brücken passierend, auf der „Gans“ hereingefahren sind. Lugt erwartet uns morgen, Carla nächste Woche. Donnerstag sollen wir nach Leyden, Freitag ins Teylers Museum. Alles aber eines nach d. andern. Man gewöhnt sich hier (wie Hans sagt) d. jüdische Hast ab. Wir haben die meisten Briefe schon beantwortet, jetzt wollen wir auch wieder d. Kontakt mit d. Kindern u. Freunden enger ziehen. Muße …27 311

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7. September. Das war jetzt eine lange Pause. Und morgen reisen wir ab. Was hat es in der Zeit nicht alles gegeben  ! Wir haben das Wenigste dafür geleistet. Paar Sammlungen angesehen, vor allem diesmal alle, die uns angingen, fertig gemacht. Dann großer Autoausflug (durch d. blühende Heide  !) nach Dieren zu Nathan Katz. Täglich den ganz kleinen Ausflug nach Zandvoort mit Spaziergang am Strand, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Wir waren in Utrecht bei Carla, die das 100-Jahr-Fest ihres Museums mit einer (uns nicht weiter interessierenden Ausstell[ung] aus Utrechter Privatbesitz) feierte. Marie Kalat hat uns zweimal besucht u. Hans war mit ihr in A’dam beisammen. Wir haben eine Woche lang die Königin u. ihr Regierungsjub[iläum] gefeiert u. dazu den Burgs eine Fahne geschenkt. Dr Burg hat sich erst sehr gegen d. Fahne gewehrt, da er als – immer noch  ! – Deutscher doch höchstens deutsch beflaggen dürfe. Als er sich endlich mit d. Gedanken versöhnt hat u. die Fahne (mit Andriessen (d. Bildhauers)) Hilfe wehte, war zwei Tage lang Heiterkeit in d. Zonnelaan – Die Fahne war verkehrt aufgezogen mit d. Blau oben u. d. Rot unten, also eine französische Tricolore, an der der Oranierwimpel befestigt war  ! Und heute waren wir in d. Pannwitzsamml[ung  :] Ein Niederländerraum, ein großer Saal mit Primitiven u. späteren Deutschen, ein später Gobelinsaal u. einen mit sehr frühen, das Porzellan (!). Der Prachtkatalog ist eigentlich schon überholt  ; ein Fuggerportrait (nach rechts  !) scheint direkt d. Unterlage f. d. Jost de Negker clairobscur zu sein (es ist etwa 5 cm mehr, als ich spannen kann hoch). Von Kulmbach eine Geburt Mariae, die eine ganz eingefühlte Fortsetzung von D[ürer]’s Marienleben ist. Ein entzückendes ganz kleines Lukasbildchen mit einem L bezeichnet, ein ganz reizender früher Luc[as] v. Leyden (der nicht im Friedländer X vorkommt). Ein eben gekaufter (S[amm­]l[un]­g Schiff ) Rogier, der eine Szene aus d. Leben d. hl. Gregor darstellt (das steht drauf, in Wirklichkeit ist es der hl. Sergius d. bei Friedländer aus S[amm]l[un]g Friedsam abgebildet) …28 Und was ist nicht alles in d. Weltgeschichte geschehen  ?  ! Italien hat sich gleichgeschaltet. Wir gehen nicht hin. Und d. Verhältnisse in d. Tschechei  ? Krieg  ? Krieg  ? 9. [September] Lille. Wir sind nach rührendem Abschied u. 100 x Umsteigen (sogar Aussteigen bei d. Grenze  !) gegen ¼ 10 hier angekommen, haben Hotel nach Hotel absuchen müssen, da Lille 600 Kongressleute beherbergen muß. Schließl[ich] kamen wir in 2 Bodenzimmerchen im Hôtel Maurice unter – u. zubett. Im Museum versuchen wir unser Glück noch mal, dieses Photogr[aphieren] von Z[eichnung]en unter Glas ist scheußlich  ! Eine Raffaelzeichn[ung] (großer Frauenkopf – Rückseite ein flüchtiger Torso u. 2 Karikaturen) (vor [1]449), sicherer Bacchiacca  ! Der Direktor (M. Théodore) ist tot, sein Unterläufel (M. Jean  ? Rigolle  ?) in der schwarzen Redingote mit dem Radl im Knopfloch scheint (provisorischer  ?) Leiter zu sein. Das letztemal schwankten 312

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wir noch, ob wir ihm nicht ein Trinkgeld geben müßten, diesmal entpuppt er sich als „Wissenschaftler“. Er macht eine Abhandlung über berühmte Leute, die durch Selbstmord endeten u. fragt uns aus, ob Fey sich das Leben genommen oder hinüberbefördert worden sei. Bei M. Bataille ist nicht viel los. Ein kleines Fragment einer Anbe­t[un]­g [der] Könige (die Hälfte ohne d. Madonna u. d. knieenden König) sieht im Stil Vernons aus […]. Auf d. Rückseite ist ein Engel von der Annunzierten Madonna, die gleichfalls fehlt. Ein wenig Bellangig. Aber sonst nichts. Und bei seinen Schwiegereltern auch nur Dinge „die man hat, aber nicht kauft“.29 10. [September] Reims (Hôtel Moderne, ruhigst, billig). Wenn ich mir bez[iehungsweise] wenn ich uns einmal das Leben nehme, so nur in einem sehr vornehmen Hôtel. Es gehört doch eine Umgebung dazu, die einen mehr anspricht. Inzwischen haben wir heut früh hier die Kirche St. Jacques u. die Kathedrale besucht. Ich saug’ mich gern voll mit solchen sightseeings, wenn man doch nach Amerika hinüberreist. Im Museum wars fürchterlich gehängt. Man könnte eine sehr eigenartige u. erstklassige Sammlung draus machen, wenn man es richtig ausmisten u. mit Atempausen aufhängen könnte. Diese Folge von gotischen Gobelins u. gotisch gezeichneten Tüchern (Die „mystères de la revanche de Jesu Christ“) und die S[amm]l[un]g mit den Corot- u. Zeitgenossenbildern, die 5 Musikanten von d. Hausfassade herunter, der Bronzekandelaberfuß – wie ist das doch alles schön  ! Der Conservateur ist ein Maler, genau wie man sich ihn vorstellt. Der Hut sogar oben spitz  ! Eine Do[menico] Campagn[ola]zeichn[ung] ist wohl nur eine spätere Fassung, die eine Landsch[aft] von Do[menico] C[ampagnola] mit einem späteren Engel verknüpft – kann wegbleiben. Von einem sog[enannten] Fr[ancesco] da Ponte haben wir uns ein Photo bestellt ([…] Rue St. Jacques), da d. bedeutende Blatt wohl zu unseren „verlorenen Fresken gehört“. Aber wie das schon ist  : um 12h12 waren wir fertig mit allem – und um 12h10 war d. Zug nach Paris abgefahren. So haben wir gut ausgeruht u. ziehen jetzt los – nach Paris.30 13. [September] Was erlebt man nicht alles während eines Tages  ! Wir kamen also – Samstag abends in Paris an, wo wir Blumen von Liesbeth im Hôtel vorfanden. Wir wässerten sie ein, tele­ph[o­nierten] an Floch (wo Störung war), an Liesbeth (zu der wir nach d. Nachtmahl gingen), nachtmahlten Chez Georges, wo wir Ehepaar Steiner trafen, kamen ½ 1 auf vom Métro Trocadéro nachhaus, trafen auf d. Métro Edel. Das ist bekanntlich so in Paris. Als wir es (gestern abend) Floch erzählten, sagte er („alles schon dagewesen“)  : „das ist ja ganz selbstverständlich, denn die Franzosen sind noch alle Nächste Seite: Abb. 85  : Tagebuchseite innen.

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am Land.“ (also  : muß man doch – bez[iehungsweise] kann man doch nur – Steiner u. Edel treffen). Bei Liesbeth waren auch d. Eltern (aus Versailles, der Vater noch stark boulversé, die Mutter unverändert). Sie fahren demnächst nach Canada u. Bahama, wo sie eine Insel kaufen wollen. Den Sonntag (mit entzückend blondem lichtblauäugigem Wetter verbrachten wir zumeist in d. Iranischen Ausstellung (mit Liesbeth), den Abend mit Edel Chez Georges und Café. Mir war wenig gut am morgen u. auch noch am nächsten Tag (gestern), daß ich kaum aufstehen konnte. Nach dem Frühstück gab es sich dann. Inzwischen hatte sich d. polit[ische] Lage immer mehr zugespitzt, die Antwort aus London (von d. Society) beruhigte uns auch nicht, was unsere amerik[anische] Immigrat[ion] anbelangt u. wir beschlossen aufs amerik[anische] Konsulat zu fahren. Ich fragte Hans, ob er entschlossen wäre den Krieg mitzuerleben u. welche Schritte zu unternehmen wären. Er sagte, er wäre entschlossen. Ich hatte in meiner etwas seasicken Verfassung auf ein nein gehofft, meine Magenstimmung war einem SelbstmordAbb. 86  : Passierschein für den Louvre. vorhaben günstig. Beim Konsulat war ein Mädchen sehr nett u. ihre Auskunft ermutigend. Beim Mittagessen mit Lies­ b[eth] u. Jury Beckman in d. Rue […], nachher im Louvre bei Verne (wegen Verlängerung d. Aufenthalts – taube Sekretärin  !) bei d. Zeichnungen, wo nur getratscht wurde (Lebrun glaubt nicht an Krieg „Ca s’arrangera“). Kurzes Ausruhen zuhaus, Abend bei Floch, wo wir Janek Merkel trafen. Inzwischen hatte der Führer gesprochen u. Extrablätter wurden verkauft. Die Stadt ist so still, man hört kein Wort auf d. Straße. Nachts von einem Fliegerangriff geträumt, den wir mit 100en andern Hotelgästen über Weisung auf d. Hausdach erwarteten. Ich hatte eigene u. fremde Kinder um mich u. Hans neben mir. Aber Anderl kam u. kam nicht. Ich ging ihn suchen rief „Anderl“ u. „Anderl“, bis ich erwachte. (Frau Mimis Cremetorte oder die tatsächl[iche] Kriegserwartung  ?)31 19. [September] Ich habe fast eine Woche lang nicht geschrieben. Es war zu aufregend. Kunsthisto­ r[i­sche] Erlebnisse  : nur ein Besuch bei Mathey, wo wir eine sehr bedeutende Z[eich­ nung] von Canuti ([…] sitzender Zeus oder so was) u. einen wohl vläm[ischen] Primitiven auf Pergament sahen, eine von vielen Rittern angebetete sitzende Anna Selbdritt mit (von andrer Hand gezeichnet[em]) architekt[onischem] Abschluss. Für 316

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Abb. 87  : „… ein scheußliches Bild, eine Allegorie auf das Ende von Österreich“ – Lilly Steiner, Composition baroque, 1938.

eine Tapisserie  ? Für einen geschnitzten Altar  ? Bedeutend, aber kühl. Unique jedenfalls. (Man verlangt c. 2000 Pf.) Ich komme mir eigentlich mit meiner Gewissenhaftigkeit das zu verzeichnen geradezu komisch vor  ! An Menschen sahen wir alle 3 Merkels, Steiners (die ein scheußliches Bild, eine Allegorie auf d. Ende von Öster­ reich zeigte) Edel, Hutter. Am Sonntag waren wir mit Flochs den ganzen Tag im Grünen. Das ungewohnte Gehen über Hügel u. steinige Wege hat mich bis heute 317

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müde gemacht. Dieses tägliche von Zeitung zu Zeitung auf d. Kriegsausbruch warten, ist nervenabspannend. Besonders war es das bis Samstag abend  : da erst kam nämlich Trudes Telegramm aus Dornach  ! Ein Stein war uns vom Herzen. Hans mit seiner Gewissenhaftigkeit hat furchtbar darunter gelitten, daß sich ihre Abreise immer wieder verzögerte – schon am Samstag vorher hatte sie ihr amerik[anisches] u. englisches Visum im Paß gehabt  ! „Wenn Trude einmal draußen ist, werde ich gar keine Sorgen haben“, hatte er vorher immer wieder gesagt. Aber bei d. jetzigen Lage d. Weltgeschichte ist das doch nicht so leicht durchzuführen. Was haben wir Posi­t[i­ves] geleistet  ? Wesentliches für die Verlängerung unserer Aufenthaltserlaubnis bis 10. Dez[ember] in Frankreich, um unser amerikan[isches] Visum hier abzuwarten. Für dieses die fehlenden Leumundsnoten aus Holland, Italien, Wien und USA eingeleitet. Uns um Abb. 88  : Trude Tietze, geb. Inwald – „Wenn Trude einmal draußen ist, werde ich gar keine Sorgen haben.“ eine Wohnung in d. Cité Univers[itaire] umgeschaut u. gefunden, daß das nicht d. Richtige für uns wäre u. Floch ersucht, uns eine andre Wohnung zu suchen. Einzelnes in d. Louvredessins durchgeschaut. C’est tout.32 22. [September] Hôtel Europe et Poste, Besançon (zu teuer  ?) Wir sind vorgestern abends hier angekommen, es ist ja ein reizendes Städterl. Wir haben gestern vor- u. nachmittag im Museum gearbeitet. Der Direktor – Mercier – ist leidend u. lebt auf d. Lande  ; er hat sich selbst einen Substituten gezahlt, Allemand, sehr nett. (Seine Frau war Schülerin von Rouchès). Die Sammlung – berühmt fürs 18. Jh. – ist eigentlich auch sonst sehr bedeutend. Die Bilder (Cranachs, ein Schäufeleinmännerportr[ät] (dort anon[ym]), das von Buchner schon publiz[ierte] (?) Grünewaldportr[ät] – u. das wundervolle vene­z[ia­nische] Bild, das jetzt im Mus[eum] Cariani heißt – Noahs Trunkenheit  ! Von wem kann es sein  ? Für Cariani stammt nur d. Format u. das Stück Giorgione, das drinnensteckt … Ausgezeichnet d. Zeichnungssamml[ung]  ! Dürer, bez[iehungsweise] 318

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Abb. 89  : „Noahs Trunkenheit  ! Von wem kann es sein  ?“ – heute Giovanni Bellini zugeschrieben, um 1515.

Burgkmair, bez[iehungsweise] Pencz. 3 großformatige florentinische Männerköpfe, 15., allerersten Ranges. Wir haben mehreres, was uns angeht photogr[aphiert] u. auch, was uns nichts angeht. Um ½ 7 kam Trude an, sah gut aus u. es gab ein Fragen u. Antworten ohne Ende. Sie hat meine Schreibmaschine gerettet  ! Das war mein erstes reines Vergnügen  ! Und heute war dann der schönste blaue Sommertag, den man sich denken kann u. wir haben ihn ganz im Freien zugebracht, sind durch das gotische Tor u. das in d. Stein geschnittene römische hinter der alten Citadelle auf einen Hügel gestiegen bis zur Chapelle des Buis. Wir haben auf d. Wiese gegessen u. Brombeeren gepflückt u. die arme Trude hat uns ihr ganzes Herzeleid erzählt. Sie ist ein wirklich feiner u. anständiger Mensch u. soll doch endlich zu ihrem Glück kommen – schon auf dieser Welt. Beim St[offel] hat sies nicht gefunden. Vielleicht hat sich St[offel] aber verändert in diesen Monaten. – Es war ein wundervoller Tag u. d. Blick hinunter auf d. Stadt die von Fluß u. Hügeln aufgeteilt wird, steht klar in d. Erinnerung. Am Heimweg an Wagen u. Buden von fahrenden Leuten in d. Vorstadt vorbei, die Wagen wurden gerade gestrichen u. die Buden waren eben erst aufgestellt worden. Ein Affe, der an einem Ledergürtel befestigt aus einem Fenster hing, sorgte für Romantik, das 319

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Schüppel Kinder*, das sich hinter d. Plachen balgte, führte in d. Wirklichkeit. Daheim hab ich mich ausgiebig waschen müssen u. ruh mich jetzt im Bett aus – vor d. dinner. Richtig  : in d. Früh trafen wir Dodgson, der im selben Hôtel wie wir wohnt, aber vormittag weiterfährt. Er war viele Wochen in Griechenland (mit seinen Neffen), sah glänzend aus, aber schon nahezu ganz taub. Und noch etwas  : vorgestern haben wir mit Burgl in Ramatuelle telephoniert u. uns das Rendezvous für Samstag gegeben  ! – – –33 24. [September] (Lyon, City Hôtel, sehr ruhiges Zimmer. Mit Bad 50 fr.) Der polit[ische] Himmel wieder ganz umwölkt. Die Entrevue gestern zwischen Hitler u. Chamberlain bis ½ 1 Uhr Nachts, anscheinend unerfreulich (Chamberlain  : Ce n’est pas encore la rupture). Prag hat mobilisiert (da die Polen u. Ungarn Truppen an d. Grenzen schicken), und gerade jetzt sagte uns der Chauffeur (¼ 11), daß auch in Frankr[eich] d. Mobilisierung angeordnet sei  ! Wir verstehen nichts mehr, die Nachrichten, die man bekommt, sind auch so fragmentarisch. Ich wollt’, wir wären schon mit Burgl beisammen. Was wird Trude tun  ? Wird sie in Paris bleiben  ? Flochs wollen ja fort, wenn –34 Wir haben uns gestern nach Tisch auf d. Bahnhof in Besançon von Trude verabschiedet, sie fuhr nach Belfort (Paris), wir nach Lyon. Dieses Lyon ist ja so entzückend gelegen von den zwei Rhonearmen durchzogen mit d. Stadthügeln an d. Ufern. Wir sind sehr lange spazierengegangen u. haben uns über jeden Blick u. jedes sympathische Detail gefreut, der Burgel wegen. Wir waren schließlich todmüde vom Laufen, u. der Rotwein beim Nachtmahl u. das Bad nachher u. d. Ruhe der sternklaren Nacht draußen – kurz wir waren erfrischt, wie schon lange nicht. (Und brauchen’s auch für alles, was jetzt kommt). Heut früh haben wir uns erst d. Museum angeschaut, das auf dem Platz d. Rathauses liegt. Aus dem größten Straßenlärm tritt man in einen großen Hof ein, der als Skulpturengarten eingerichtet ist. Die Leute sitzen drinnen unter Bäumen u. lesen. Es ist so still, daß mans wohltuend hört. Dort ist der Zugang zum Museum. Die Bildergal[erie] ist – was d. alten Bilder anbelangt – nicht sehr groß, aber sehr reizvoll. Viele deutsche Primitive, ein sehr gutes Cranachportrait, eine Geißelung von Palma Giov[ane], ein schöner (früher) Tintoretto (Kathar[ina], Marcus, Bapt[ist] vor Maria + Kind) am besten ist d. 19. mit guten Kopien Delacroix u. andere nach klassischen Werken. Prachtvolle Z[eichnung]en auch d. 19. – Wir sind, um keine Zeit zu verlieren, per Taxi herüber in d. Bibl[iothek] gefahren, aber d. Bibliothekar est dans la Mairie u. kommt erst um 11, steht dann aber ganz zu unserer Verfügung. Wir warten –35

* Kinderschar

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Abb. 90  : Kriegsangst  ! Während des Treffens Chamberlain/Hitler beten Londoner Frauen am Grabmal des unbekannten Soldaten für den Frieden.

25. [September] Der Bibliothekar kam u. es wurden uns auch Z[eichnung]en gezeigt, aber es war nichts dabei. Mein Gott, wie viele Gefühle sind seither auf mich hereingestürmt, ich kanns gar nicht fassen, daß es erst gestern war  ! Wir fuhren – schon mit unzähligen Waggons mit Einberufenen  ! – nach Avignon u. fanden an d. Sperre Burgl. Sie ist viel hübscher, als wir sie in Erinnerung hatten. Dann eine Katastrophe  ! Der Koffer, den sie aufgegeben hatte, war nicht mitgekommen u. im Koffer war ihr ganzes verdientes Geld überdies drin u. d. Briefe von Gustl. Das Hôtel in Villeneuve („le Prieure“) auf das wir uns schon so gefreut hatten, war komplèt, auch d. Pension Midi, wir mußten mit d. Taxi zurück nach Avignon wiederum fahren u. übernachteten im Hôtel Angleterre. Es war aber eine üble Nacht, die Sorge um d. Koffer hab ich so sehr mit Burgl mitgefühlt, so sehr, daß ich egoistisch mirs lobte bei den vielen weiß Gott schweren Sorgen, die das Mädel durchmacht, nie dabei zu sein. Mir war so weh zu mut, ich fühlte doch noch so stark mit ihr, wenn auch d. Nabelschnur schon so lange – u. bei ihr doch nachdrücklicher als bei d. Buben – durchgeschnitten ist. Am Morgen war dann der Koffer da  ! Wir gingen in Villeneuve u. Avignon spazieren, es war wundervoll – aber quälend in bleierner Luft. Dann mit einem (übervollen) Autocar hierher nach Carpentras, wo wir im Hôtel Univers – natürlich primitiver als sonst – untergebracht sind. Burgl hat uns Briefe von Gustl vorgelesen, die erschütternd waren.36 27. [September] (Avignon, Terminus. 35 fr. gut, aber lärmend draußen trotz Regen). Burgel ist am Nachmittag nach Lyon „heimgekehrt“. Wir sitzen hier. Der 25. endete noch im Kino mit einem so schrecklichen Film der Vicki Baum (Le sacrifice) u. ei321

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nem lustigen mit Deanna Durban. Den 26. haben wir schon bei sehr mäßigem Wetter in [… ] zugebracht. Wir hatten uns telegraphisch angemeldet, aber M. Marignane hatte d. Telegramm nicht erhalten, da er schon um 6h früh weggegangen war  ! Gottseidank war Mme. Patissou da u. machte statt seiner d. Honneurs. Das Örtchen ist so sehr Midi, daß man glaubt im tiefsten Italien zu sein. In einer schmalen Straße steht das Haus derer von Marignane, über 3 Geschossen Keller eine Rumpelkammer u. ein großer Schlaf-, Koch- Wohnraum, in dem sich alles abspielt. Das Stockwerk darüber ist jenes, das eben hergerichtet wird. Noch eine Hühnerstiege höher sind fünf weitere Räume, die wir nicht gesehen haben, in denen jene Mitglieder d. Hauses schlafen, die noch mobil sind. Der Vater u. die Mutter sind es nicht. Der Vater ist 91 Jahre alt und hatte am Tag vorher etwas wie ein Schlagerl*. Er ist fast Abb. 91  : Burgl Tietze nach ihrer Flucht in Südfrankreich, 1938. blind, hört wohl auch wenig. Sitzt im Lehnstuhl, schaut freundlich, ist ganz still, reagiert aber auf Ansprache. Die Mutter ist nur ein wenig schwerhörig u. am Gehen behindert, sonst mit ihren 80 Jahren recht frisch im Kopf u. voll Interessen. Eine 75jährige Bonne gehört auch zur Familie. Der Enkel, ein etwas zurückgebliebener Jüngling von 17 Jahren, der auf Ferien da ist. Eine Freundin von Mme. Patissou aus Marseille. Nach fünf Uhr der heimgekehrte Monsieur Maurice Marignane, dessen Sammlerzeichen im Fagan steht, der Mann d. eine Geschichte d. Malerei auf Grund d. Wünschelrutenerfahrungen an Gemälden u. Z[eichnung]en in seinen Besitz schreibt – Le Curé des Ortes. Wenn ich noch hinzufüge, daß Mme. Patissou Astrologie treibt, so ist das Milieu charakterisiert, in dem wir diesen Tag uns aufhielten. Die Z[eichnung]en waren z[um] T[eil] interessant, aber das menschliche Erlebnis war interessanter …37 Am Abend dann kam man uns in Carpentras im Hôtel zur Hitlerrede im Sportpalast holen, wir übersetzten sie d. anwesenden Gästen u. Hôtelpersonal – u. hatten * Schlaganfall

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eine scheußliche Nacht nachher. Und heute früh war ein richtiger Überschwemmungsregen, wir fuhren – nachdem uns Marignane einen Gegenbesuch gemacht hatte, nach Avignon zurück. Hier warten wir auf d. Rückantwort aus Bayonne, ob wir d. Z[eichnung]en überhaupt sehen können  ! Um 4 war das Telegr[amm] noch nicht da. Nach Burgls Abreise waren wir im Museé Calvet u. sind dann ernstlich schlafen gegangen. Hans hält noch dort. –38 Es ist ½ 7 abends. Was wird der Tag noch bringen  ?  ! 29. [September] Ich sitze – wo sitz ich  ? ich weiß es nicht  ! – Auf einem Bahnhof bei Regen, Strecke Avignon – Portiers oder besser S. Germain des Fosses – Portiers, denn in St. Germain de Fosses haben wir die Fahrt unterbrochen u. genächtigt. Das ist ein ganz unbedeutendes Örtchen 12 km von Vichy u. das Wirtshaus hatte zwar den kostspieligen Namen Hôtel du Parc, aber sonst keine Vorteile d. Neuzeit. Dafür war der Hahn, das einzige das Lärm machte und das erst zur Frühstücksstunde. Wir haben in Avignon kein Telegramm aus Bayonne bekommen u. auch keinen telephonischen Anschluß. Doch haben wir d. Radiorede Chamberlains am 25. abends gehört, deren Ton unsagbar wohltuend von dem hysterischen Bierbankgebrüll Hitlers abstach. Die Rede Chamberlains, die zuerst so hoffnungslos auszuklingen schien u. nachher es doch nahelegte den anderen „Vermittler“ schon vorauszufühlen. „Ich kann dieser Vermittler nicht mehr sein.“ D. h. doch  : ein andrer wird es sein. Ich hoffte auf Roosevelt – dachte keinen Augenblick an Mussolini  ! In d. Bahn am Nachmittag erreichte uns die Nachricht  ! und zwei Stunden später in d. Abendausgabe die zweite der Sitzung Daladiers Chamberlains Mussolinis mit Hitler in München. Die war heute, d. h. zwei Sitzungen sollten heute sein, die letzte morgen, Freitag d. letzten früh. Und solang d. Sitzungen dauern, keine deutsche Mobilisierung …39 Die Züge sind voll, aber schließlich bekommt jeder Platz. Sie sind nicht nur durch d. Einrücker voll (es ist jetzt Karte 3, dann 2 und noch 8 einberufen), noch mehr durch den Schulanfang u. die vielen Leute, die die ital[ienischen] Grenzstädte verlassen. Viele Pariser fahren trotz alledem nach Paris, pour régler les affaires, um nachher, wenn’s zum Krieg kommt, wieder aus Paris zu fliehen. Die Zeitungen sind voll mit Aufklärungen über d. Evakuierung der großen Städte … Wir haben Bayonne eigentlich aufgegeben. Finden wir d. Museum in Poitiers offen, sodaß wir die Z[eichnung]en durchsehen können, wollen wir auch d. Nachbarorte, die wir auf d. Programm haben, in d. nächsten Tagen aufsuchen. Wenn es dennoch zum Krieg kommt, was wir absolut nicht glauben können, ist es uns gleichgültig, ob die französ[ische] Generalmobilisierung u. d. Ausbruch uns in Poitiers oder sagen wir Angers überfällt. Aber wir sehen die kleinen Orte, durch die wir durchkommen, schon daraufhin an, ob sie zum „Daueraufenthalt“ geeignet sind … 323

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1. Oktober, Nantes (Hôtel Paris, Zentr[um], lärmend) Feierabend. Mein Gott, was hat man nicht in diesen 2 Tagen wieder alles erlebt  ? Der Krieg ist abgeblasen, Hitlers Wille fast in jedem Punkt erfüllt. Man ist glücklich – u. doch verzweifelt. Atempause. Von Österreich bis Tschechei sechs Monate  ! Wird der nächste Schnapper in geometr[ischer] Proportion schneller kommen  ? Und doch ist man glücklich. Es ist dumm, aber das einzig natürliche. Vereinzelte Nachrichten  : ein 27­jäh­­r[i­ger] Engländer, der sich unter d. Eindruck von Hitlers Rede im Sportpalast das Leben nahm. Ein hochzeitreisendes französ[isches] ganz junges Paar, das sich vor Angst vor d. Krieg d. Leben nahm … Wir kamen in Portiers am späten Nachmittag an u. waren glücklich in einem sehr mäßigen Hôtel (modern) ein fast ebenerdiges Zimmer zu bekommen. Die Stadt war voll von geflohenen Parisern. Ein kleiner Bub mit seiner Bonne kam auf d. mit Bänken bestandenen Platz vor d. Rathaus  : „Ils ont aussi des Champs Elysées“ sagte er. Die Stadt ist reizend u. das Museum hat hunderte (zum geringen Teil interessante Zeichnungen), aber nichts für uns. D. h. viele unter Giuseppe Porta, Veronese, ja sogar Tizian gehende Blätter, die aber alle später oder anders sind. Eine Tizian z. B. gegebene Komposit[ion] ist eine Kopie nach Guercinos berühmtem Märtyrerbild in Rom. Außer der Ursulalegende, die wir vor Jahren schon photogr[aphierten] und dem Schilling f. seine Nürnberger Malerei gaben, ist noch ein interessantes deutsches Blatt, (Feder) Abendmahl  ; sehr dürerisch, Holzschnittstil mit zwei merkwürdig großen Initialen in d. ausgesparten Ecke r[echts] bezeichnend E R (das R kann einmal auch ein B oder ein A gewesen sein – Erhard Altdorfer  ?). Am Nachmittag fuhren wir sehr angenehm, aber ganz bummelig nach Angers, aßen im Zug u. kamen um 9h an. Wieder war die ganze Stadt mit Parisern überfüllt, die zumeist in ihren Wagen gekommen war[en]. Erst im so u. so vielten Hôtel bekamen wir ein Zimmer auf d. Bahnhofsplatz hinaus, es stank nach Aas, wir mussten beide Balkonfenster offen lassen u. bekamen einen abscheulichen Lärm herein. Es war eine sehr unerfreuliche Nacht, die ich mit Hansens Eau de Cologneflasche an d. Nase zubrachte.40 Aber dafür war d. Tag in Angers anregend. Die Gotik dort schwer als wärs Romanik  ; das Gobelinmuseum eine wirklich reine Freude, die Galerie mit einigen eindrucksvollen Werken. Eine Skizze von Delacroix zum Sardanapal, ein Detail nur, fast nur ein Rückenakt, hinreißend leicht gemalt  ; die Skizze zum „Floß“ von Gericault  ; das früheste Bild von Millet mit einer tiefgefühlten veristischen Immaculata (?) oder Magdalena u[nten] l[inks] u. einem klein gemalten Martyrium, für das er einen Stich als Vorlage benützte, trägt doch d. Henker d. Schwert in d. linken  ! Sonst hat uns eigentlich d. Raffael genannte kleine Bildchen d. hl. Familie ganz gut gefallen u. eine Bambocciade von Frangipani, vier Halbfiguren grinsend, von dem wir gern ein Photo bekommen würden (Phot[ograph] Evers wir gaben Flochs Adresse – 5 fr. sind zu zahlen), da uns das Bild so sehr an d. sogenannten Bartol[omeo] Veneziano bei Rasini erinnerte. Wir hatten einen wohlausgenützten Vormittag u. reisten um 12h die Loire 324

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entlang nach Angers her. Es war eigentlich nur eine Stunde Bahnfahrt u. gar kein Aufenthalt u. wir haben sie zum lunch benützt  ; diese herrlichen Weintrauben, die einem dieses gesegnete Land fast schenkt. –41 Hier waren wir bisher im Musée […], das sehr reizende graphische Samml[ungen] hat, z. B. einen Farbstich von Debucourt  : [… ], eine im Fenster sitzende lesende Dame mit Verehrer u. vorbei gehende Bettlerin mit Kind, […], die einem geradezu ans Herz rührt, ein entzückendes Blatt, das sich neben allen großen Kanonen wundervoll hält. Wir haben wiederum für uns nichts gefunden, waren aber froh, wiedereinmal Dürergraphik im Original sehen zu können. Die Kathedrale ist schon viel schulbeispielerische Gotik als in Anjou. Merkwürdig, wie alle diese Kirchen ausgeleert sind … 3. Oktober, Rennes (Hôtel Angleterre) Es gießt  ! Ozeanisches Klima, zum Verzweifeln  ! In Nantes haben wir am 1. noch den sehr reizenden Film L’Ecole de St. Agile gesehen (mit Strohheim) u. am nächsten Tag – Sonntag – den viel weniger guten, auch mit Strohheim – Les pirates du Rail. Dieser Sonntag – der 2. Okt[ober] – fing so blau an, dass wir uns einen Spaziergang der Loire entlang […] ließen. Es war ganz einsam mit fast grauschwarzgrünen Ufern u. stiller Dorfkirche gelegentlich in d. Ferne. Die allmähliche zusammenfließende Bewölkung sog alles grün heraus, das fast nur grauschwarz übrigblieb. Schließlich brach d. Wind los u. spritzte so stark, wirklich als wär’ man schon ganz am Meer  ! Wir waren schließlich glücklich, von einem Auto aufgenommen zu werden …42 Am Nachmittag versuchten wir ins Schlossmuseum zu gehen, das ging aber nicht  ; richtig, vorher waren wir in der richtigen Galerie, die sehr interessant war, mit vielen Bildern für uns, von denen wir sogar (mäßige) Ansichtskarten kaufen konnten u. einem prachtvollen Ingres – Frauenportrait. Wir waren schließlich – im übrigen auch schon am Tag vorher – auf einer Foire, wo wir lange beim tapis roulant zuschauten (mit einer Art Eintänzer, der direkt zur „Novelle“ einlud) und beim Kinderringelspiel (jedes Zunge zwischen den Zähnen  ; einige sehen nur ihr Vehikel, andre ins Publikum  ; saure Krickerln* lösen sich bei der dritten Runde …)43 Und heute war ein Montag Vormittag im Jardin des Plantes (Denkmal Jules Vernes  ; ein riesiges bronzenes Hirschendenkmal in d. Abteilung ganz kleine (eben kleine durch d. Bronzedenkmal) lebendige Hirsche. Um 12 sind wir herüber gefahren – 2 Stunden Eisenbahn – vis-à-vis Dame mit roten Fingernägeln Kreuzworträtsel lösend, ohne auch nur einen Blick zu werfen oder ein Wort zu sagen zu ihrem Söhnchen daneben (weiße Handschuh, 3 Jahre alt  ; große runde braunschwarze Augen zu lichtem schlichtem Haar, lernt bei Hans u. mir zwinkern  ; wir wollen ihm doch die Zeit vertreiben …)44 * Speichelbläschen

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Wir haben noch ein Stündchen im Museum verbracht, es war aber so wahnsin­ nig finster, dass wir kaum die Originalzeichn[ung]en sehen konnten, mehr von Gernsheim’s Photos hatten, die uns d. Adjoint nachher wies  ! Caféhaus. Viele Illustrations zur „Crise“ gesehen. Die Post bringt – noch via Burgs – eine Karte von Anderl, noch aus Belgrad (18.!), aber schon im Besitz beider Visen und ein Brief (10.) vom Stoffel. Heut ist Burgls Geburtstag u. so ein Hundewetter  !45 10. Okt[ober] (Seit d. 4. abend in Paris, Hôtel Orleans Palace, 185 Boul. Brune, Paris 14e, 5. Stock gegen Garten, Schlafzimmer, Arbeitszimmer, Badezimmer, Kofferraum. Sehr edel  !) und heute kommt d. Nachricht über Stoffels job in Baltimore, wissenschaftl[icher] Statist, event[uell] bis Dezember, event[uell] dauernd, näheres unbekannt, aber jedenfalls überraschend angenehm  ! Wir haben d. Tage bisher zumeist herumlaufend u. in „unserer Wohnung“ verbracht. Das Wetter war halbtägig schlecht, die Bibliothek zu (bis zum 15.!), die Museen zu, weil die Schätze erst aus dem bombensicheren Unterstand wieder herausgebracht u. aufgestellt werden müssen. Unser Aufenthaltsgesuch (2 Monate noch) ist günstig erledigt, alle Dokumente eingetroffen, sodaß wir – eben jetzt – beim amerik[anischen] Konsulat vorsprechen konnten. Ein nettes Intermezzo  : Trude hat mir eine – Hutnadel geborgen. Sie schien mir wertlos u. vor allem vollkommen unnütz. Aber immerhin sie zeigte eine Art Punze. Im Vorübergehen verkaufte ich sie bei einem Goldeinkäufer für 120 frs  ! Bis zum letzten Moment war ich überzeugt, daß sie aus Messing wäre u. wir uns blamieren würden …46 Mimi Floch ist in d. Schweiz bei d. Eltern u. Josef sehr beunruhigt wegen seiner Schwester, die demnächst über d. Grenze kommen soll. Edel wird am 28. Philippa heiraten, um dann leichter nach USA auswandern zu können. Der dort ausgegrabene Onkel wartet schon mit einer Stelle auf ihn. Philippa ist mit d. nächsten Schiff aus Amerika wieder herübergekommen, als sie von der Erleichterung d. Visums im Heiratsfall hörte. Gustl ist bereits aus d. Front herausgezogen, Burgl erwartet ihn voll Sehnsucht. Eigentlich viele gute persönliche Nachrichten – wenn nicht d. allgemeine polit[ische] Lage so tief tief deprimierend wäre, daß einem d. Galle auf d. Zunge kommt, nur wenn man daran denkt. Die Ausnahmsstellung d. Emigranten hat aber ihre guten Seiten  : sonst identifiz[iert] man sich doch mit irgendeinem Land, so aber ist man eigentlich f. keines verantwortlich, leidet nur f. d. Menschheit als solche, fast wie d. liebe Herr Jesus.47 3. November. Bayonne, Panier fleuri. Allein. Dazwischen liegt ein Monat Paris. Wir sind mit unserer sehr luxuriösen u. gemütlichen Wohnung zufrieden, ganz eingelebt, als wären wir schon jahrelang dort. (Ein dunkler Punkt ist nur der Sprung im Spiegel unseres kleinen Waschkabinetts, das wir ausschließlich als Küche verwenden. Kochen im Hôtel ist allerdings verboten u. den Sprung haben wir eben beim Kochen gemacht …) 326

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Die Arbeit im Louvre und im Kunsthist[orischen] Institut in d. Rue Michelet ist unsere Außer-Haus-Beschäftigung. Halbtägig sind wir in unserem Appartement u. haben schon einiges gefunden. (Z. B. eine Tizian-Zeich[nung] Löwe von d. „fede“, die in R’dam als Bassano liegt … eine Landschaft auch aus R’dam die die Naturstudie zu d. einen Allington-Giorgione ist u. Perspektiven eröffnet …). Es hilft uns dabei unsere Spezialbibl[iothek], die die Santifallerin nach Venedig gerettet hat u. die von dort mit allen unseren Kleidern angekommen ist. Stoffels job hat durch einen sehr ausführlichen Brief nähere Details bekommen  ; ist wohl die größte Freude, die uns in dieser Richtung zuteilwerden konnte. Ein erschreckendes Ereignis war der Selbstmord von Tante Anna am Tag vor ihrem Geburtstag. Näheres darüber haben Gustav u. Lu erzählt, die auch in diesem Oktober durchreisten. Wir waren öfter mit Popham zusammen, der uns zum Tee u. Nachtmahl einlud. (Wir haben ihm dafür eine Z[eichnung], die er als venezianisch kaufen wollte, als Arbeit Giuseppe il Sozzo’s bestimmt (es stand drauf, er hats nur falsch gelesen), der Palermitaner ist). Auch mit Beneschens, die viel von Wien erzählten. Er ist phantastisch liebenswürdig (glaubt von Hans’ Gunst in USA abhängig zu sein) u. Eva die mich anderthalb Jahre lang in d. Albertina nicht mehr gekannt hat, ist so „herzlich“, daß es nur so Zucker tropft. Ach so viele Emigranten  ! Z. B. der Maler Kohl  ; Franzens Vetter der junge Lederarbeiter (heute Arbeiter in Wein Großhändler) Walter Ettinger  ! Sie kommen illegal über die Grenze, werden „ausgewiesen“ u. bleiben schließlich doch irgendwie. Fritzi Hohenberg mit Mann u. Tochter Claudi. Wir sind kaum einen Abend allein. –48 Gestern früh bin ich nach Bayonne herunter gefahren. Das ist eine sehr lange Fahrt, elf Stunden. Der Zug war voll, die Menschen, je weiter man in d. Süden kam, desto lauter. Ja, es ist wirklich so  ; in Paris war ein Sergant mit Frau u. zwei kleinen Buberln eingestiegen, die viele Stunden still, schläfrig u. wie angeteppt herum saßen. Eine Stunde nach Poitiers stieg ihre Großmutter dazu, die das R schon mächtig rollte. Sie war so laut u. fahrig, daß ich kaum neben ihr sitzen konnte. Und wie hat sie die Buben angesteckt  !  !  ! Ein Magazin, das sie bis dahin schweigsam geblättert hatten, wurde zusammengerollt u. als Trompete benützt  ! u. s. w. … Das Hôtel ist noch nicht geheizt, das Zimmer aber – ohne Sonne – recht ungemütlich. Aber dieses süße tiefblaue Licht schon am frühen Morgen  ! Kein Nebel – Ich hab am Vormittag u. Nachmittag im Musée Bonnat gearbeitet, das sind ja ganz außerordentliche Venezianer  ! Nicht nur d. Dürers oder die Raffaels, Michelangelos u. d. franz[ösische] XIX. hat diese überragende Qualität. Schließlich sind mehrere Gio­v[anni] Bellini-Verdächtige, der Cariani (hier Giorgione) zwei ausgezeichn[ete] Tizianlandsch[aften], u. so viele wirklich faszinierende – noch – Anonyme. Der Vicentino (Lepanto) richtig bestimmt, ist d. beste Vicentinozeichn[ung], die wir haben. Als ich Mittag nachhaus kam, lag eine Karte vom H[ans] für mich da. Ich hatte so konzentriert gearbeitet, war noch so ganz drin, hatte überhaupt nicht gedacht, daß so schnell eine Nachricht da sein könnte, daß zu d. Freude über d. Inhalt auch noch 327

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d. Freude über d. Karte kam  ! Ich hab dann gleich meine Ankunft für Morgen schon dem H[ans] telegraphiert. – Nach endlosem Suchen hab ich in einem Ersten Stock Restaurant ein Prixfix 12 fr gefunden. „Comment voulez-vous les œufs  ?“ hat mich d. infantil schlanke Kellnerin gefragt. Sie hat – wie d. Frage auch – schon ganz spanisch ausgeschaut.49 6. Dezember. Heute wieder ein wichtiger Tag. Wir haben am amerik[anischen] Konsulat unsere application gemacht u. sollten schon am Nachmittag d. Visum abholen. (Machen’s aber erst morgen.) Das ist ein Schritt weiter. Trotz alledem – bin ich verstimmt. Es ist als hätte ich zwischen mich u. Anderl eine unüberbrückbare Distanz gelegt. Natürlich ist es ein Unsinn, denn wenn wir drüben sind, können wir ihn leichter holen als von hier aus. Dennoch – Von Wien tropfen d. Nachrichten langsam. Der Hausverkauf ist in 1. Instanz genehmigt. Das ist gut. Aber d. Pension ist zum erstenmal nicht ausgezahlt worden. Mich quält es, daß Therese zu allem Kummer noch die Sorge hat. Baron Oppenheim, der „Präsident der Museumsfreunde“ hat sich d. Leben genommen. Der Architekt Breuer ist auch tot. Hofrat Schlosser ist tot (der aber sicher ganz normal). Trude ist zu Stoffel nach Baltimore. Anderl ist Lektor geworden. Gustl noch immer jenseits d. Grenze, dafür Ribbentropp heute in Paris. Ja, das hängt zusammen. Unsre Arbeit geht ganz gut, aber jetzt sind wir doch ungeduldig nach England zu kommen, denn mit d. Visum im Paß ist unsere Zeit in Europa beschränkt. Frau Dolly ist in England, weil ihre Schwester schwer erkrankt ist. Ich hab ein gutes Buch gelesen  : Les Musiciens du Ciel (von Lefèvre). (Ein Heilsarmeebuch eigentlich, aber es hat nichts zusagen).50 22. Dezember. Wir haben endlich – gestern – unser Permit f. England bekommen u. daraufhin das Visum  ! Es scheint auf Drängen Maclagans hin geschehen zu sein, mit dem wir vor paar Tagen hier zusammen waren. Nächsten Mittwoch wollen wir reisen. Die unerwartete Kälte hier macht d. Aufenthalt ohnedies ungemütlich – aber wird es in London nicht noch ärger sein  ?  ! Unsre Arbeit steht sehr gut. Der Besuch bei Hevesy war außerordentlich anregend, wir haben ihm manches sagen können u. – als besonderen Gewinn – d. Vorzeichn[ung] zu Giulio Campi’s Ganymed bei ihm vorgefunden, die allerdings eine andre Landsch[aft] hat u. wegen dieses Umstands von Hadeln Bellini gegeben wurde. Er war freigiebig mit Photos u. wird – hoffentlich – weiter noch freigebig sein. Eine im Louvre von Linzeler Barbari geg[ebene] Helenaröthelzeichn[ung] konnten wir für einen mailänd[er] Bildhau[er] Angelo De Marinis sicherstellen, was ein wirkliches Positivum ist. Eine ungemein u. nachhaltig packende Z[eichnung], die unter d. Giulio Romanos lag, mutete uns sofort als oberital[ienisch], vielleicht Barbari an – stellte sich aber bei näherer Prüfung aber als junger Dürer heraus. Ich sage  : 328

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Abb. 92  : Postkarte vorne.

Zeit d. 1. Ital[ien] Aufenthalts, wie die Mellerzeichnung – Hans sagt um 1497/8 wie d. […] Nischenfrau u. d. andre Akt. Das ist jedenfalls ein Fund, zu dem wir uns gratulieren können. Den Kindern geht’s gut, nur Burgl zappelt wegen Gustl, Hans versucht heut einiges, es sieht aber bei dem jetzigen Kurs hier alles übel aus. Die Hausangelegenheit ist noch nicht erledigt, aber d. Pension kommt nicht mehr.51 An dieser Stelle beigelegt findet sich eine Postkarte HTs an ETC (s. Abb. 91) . 2.XI. L. H. Ich schreib dir doch, obwohl A[nderl]’s Brief auch mittag nicht kam, nur einer von Mrs. Hartley über Trudes Abschied, einer von Hind mit Dank für deinen Duvet und der Novemberscheck, den ich möglichst bald Steiner in die Hände abspielen möchte. All die[Postkarte/Rückseite] se Post würde meine Karte an dich nicht rechtfertigen, geschweige denn nötig machen, wie ich es empfinde. Es ist doch eigentlich die erste Trennung zwischen H. 329

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und H. seit März und schon in den wenigen Stunden, die sie andauert, erscheint sie mir als ein sowohl unnatürlicher als unerträglicher Zustand. Jedenfalls ist der eine H. durchaus fragmentarisch, wenn auch der andere in B. hoffentlich so efficient sein wird wie immer. Er soll auch gesund bleiben und zu diesem Zweck auf sich schauen. Wenn keine andere Nachricht von dir kommt, erwarte ich dich Samstag 20.30 am Bahnhof und zum Nachtmahl. Bis dahin, sowie von da ab h. i. d. l.; alles andere ist nur dumme Kinderei von mir, leere Vorstellung von dir und überhaupt Schein, Spuk und Fatamorgana. Dein H[ans]52 Nach einem weiteren mehrmonatigen Aufenthalt in England, über den keine Tagebuchaufzeichnungen erhalten sind, starteten ETC und HT im April 1939 in ihr neues Leben in die Vereinigten Staaten. Anmerkungen 1 Reiseroute vom 15. Mai bis 22. Dezember 1938, 2. Büchel   Verona (I)  – Vicenza  – Padua  – Venedig  – Torcello  – Chioggia  – Venedig  – Triest  – (Rakek, SLO)  – (Laibach)  – Zagreb (HT)  – Venedig (I)  – Padua  – Bassano del Grappa  – Trento  – Verona – Mailand – Pavia – Mailand – Basel (CH) – Zürich – Rorschach – Basel – Dornach – Lausanne – Genf – Basel – Rheinfelden – Basel – Rotterdam (NL) – Haarlem – Leyden – Dieren – Zandvoort – Utrecht – Lille (F) – Reims – Paris – Besançon – Lyon – Avignon – Villeneuve – Avignon – Carpentras – Avignon – St. Germain de Fosses – Poitiers – Angers – Nantes – Rennes – Paris – Bayonne (ETC) – Paris.

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Die Sala mit den Gemälden Morettos befand sich vermutlich in der Pinacoteca Tosio Martinengo im Palazzo Tosio-Martinengo.



In den Erinnerungen des Historikers Heinrich Benedikt (1886–1981) heißt es  „Peter Kuranda, ein vielseitig und gründlich gebildeter Mann, unter anderem ein guter Graezist […], studierte Geschichte und gewann mit seiner Schrift ,Großdeutschland und Großösterreich bei der deutsch-österreichischen Literatur 1830–1848’ [1928] ein Preisausschreiben der Universität Breslau. Er bewarb sich dort um die Dozentur, welcher aber die Erstarkung der Hitlerbewegung entgegenstand. […] Als Hitler in Wien einzog, bestand für Peter die vage Hoffnung einer Berufung nach Genf. Aber er gab den Kampf auf und flüchtete zusammen mit seiner Mutter in den Freitod.“ (Benedikt 1979, 88.) Kuranda verstarb am 5.5.1938, zwei Tage nach seiner Mutter Else (Peter Kuranda, in   Gaugusch 2011, 1.601).



HT hatte vom Präsidenten des Toledo Museum of Art in Ohio, W. M. A. Gosline jr., die Zusage für ein auf ein Jahr begrenztes „professorship“ (ab September 1939) erhalten (Bodleian Library, Special Collections, MS. SPSL 193/53, HT aus Zürich an Walter Adams, 30.7.1938, fol. 387).



The Triumph of the Scarlet Pimpernel, Regie  : T. Hayes Hunter (1884–1944), Großbritannien 1928.

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Museo Civico di Castelvecchio, Verona. Möglicherweise handelte es sich bei „AlbertinaFarinati“ um eine ältere Zuschreibung.

„Carnegiani“ – eventuell Sammlung „Careggiani“, Venedig  ? – siehe Tietze/Tietze-Conrat 1944, 189, und Tietze 1940. 2 San Zeno Maggiore, Verona, Basilika aus dem 11./12. Jh.

Mantegna, San Zeno-Altar (Sacra conversazione), 1457–1460.



Tizian, Assunta, 1516–1518, Basilica di Santa Maria Gloriosa dei Frari, Venedig.



Die bemalte Statue des hl. Zeno († um 370, Patron von Verona) aus dem 13. Jh.

3 In Vicenza, der Geburtsstadt Andrea Palladios (1518–1580), befinden sich mehrere seiner Bauten.

Der bekannteste Vertreter der Malerdynastie war Alessandro Maganza.



Der aus New York stammende Dirigent Karl Krueger war in engem Kontakt zu einzelnen Persönlichkeiten des musikalischen Zirkels in ETCs Elternhaus gestanden. 1933 hatte Krueger die Leitung des neu gegründeten Kansas City Symphonic Orchestra übernommen (Karl Krueger, Bach Cantatas Website).

4 Vermutlich war Carlo Caliari, genannt „Carletto“, gemeint.

„Il Santo“ – Sant’ Antonio, Grabeskirche des hl. Antonio von Padua (1195–1231).



Basilica dell’Abbazia di Santa Giustina, Padua.



„Seminario“ – vermutlich Biblioteca del Seminario Vescovile, Padua.



Dom – Kathedrale S. Maria Assunta, Padua.

5 Oratorio della Confraternita di San Rocco, Padua (1525–1542). Zur Ausstattung des Oratorio durch Campagnola siehe Tietze/Tietze-Conrat 1939, 313.

Andrea Moschetti, La scuola di San Rocco e i suoi recenti restauri in Padova, 1930.



„Annas alte Mutter“ – es handelt sich um die Familie ihrer Quartiergeber in Venedig, deren Wohnung offenbar in unmittelbarer Nähe des Ca’ d’Oro am Canal Grande gelegen war.

6 Um vertriebenen Gelehrten aus Deutschland die Wiedereingliederung in den Wissenschaftsbetrieb zu erleichtern, hatten britische Hochschulangehörige in London in den 1930er-Jahren die „Society for the Protection of Science and Learning“ (SPSL) gegründet. Durch die von der SPSL vergebenen Mittel konnten begonnene Forschungsprojekte zu Ende geführt werden (Vgl. dazu Feichtinger 2001a, 104–110, und Michels 1999, 3–9).

Am 4.4.1938 hatten Tietzes jeweils ein Antragsformular für eine Unterstützung durch die SPSL ausgefüllt. Als seine wissenschaftlichen Spezialgebiete nannte HT  : „Method of History of Art and Sociology of Fine Arts, German and Italian Art, especially XVth and XVIth centuries.“ Referenzen seien zu beziehen von „Prof. Wilhelm Pinder, Universität Berlin  ; 331

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Prof. Paul Clemen, Universität Bonn  ; Prof. Julius v. Schlosser, Universität Wien  ; Prof. Paul [sic  !] Saxl, Warburg Institute London  ; Prof. Wilhelm Köhler, Universität Harvard  ; Prof. Borenius, Universität London“. Zu seinen Vermögensverhältnissen für die Jahre 1932–1933 gab HT an  : „Pension 7000 österreichische Schilling, Universität  : 1000 ÖS, ,literary work‘  : 4–5000 ÖS, ,House and other property‘  : 1–2000 ÖS.“ Dies zeigt anschaulich die Verteilung der Einkünfte im Tietze’schen Haushalt. Seine Englischkenntnisse seien fließend, aber nicht ausreichend für die „literary production“.

ETC bezeichnete sich im Antragsformular als „Privatgelehrte“ mit den Spezialgebieten  : „German and Italien Graphic Art and Drawings XVth and XVIth Centuries“. Referenzen seien zu beziehen bei  : „Prof. Paul Clemen, Universität Bonn  ; Prof. Theodor Hetzer, Universität Leipzig  ; Hofrat Dr. Anton Reichel, Albertina  ; Prof. Fritz Saxl, Warburg Institute  ; Prof. Erwin Panofsky, Universität Princeton  ; Mr. Arthur Hind, British Museum London.“ Zu den Einkommensverhältnissen gab sie an  : „I never had any official position but was supported by my husband whom on the other hand I helped by my own literary works and by collaboration.“ Sprachkenntnisse  : „Colloquial English fluently. Not sufficient for scientific use.“ (Bodleian Library, Special Collections, MS. SPSL 193/53, Hans Tietze, fol. 277–282.)



Ab 1.6.1938 erhielten sie ein „Grant“ über 200 £ zum Verbrauch innerhalb von sieben Monaten „in Italy or outside Austria in some other country approved by the Committee of the Society“ (Bodleian Library, Special Collections, MS. SPSL 193/53, Hans Tietze, Walter Adams an HT, 23.5.1938, fol. 299  ; siehe dazu TB 1938/2, 13.9.). Aus Korrespondenzen im Archiv der SPSL wird ersichtlich, dass Tietzes das ihnen gewährte Stipendium bereits 1940 zum Großteil an die SPSL zurückzahlten, wobei sie den Wunsch äußerten, es möge der in London unter elendsten Bedingungen lebenden Betty Kurth (TB 1923, 19.10.; TB 1924, 6.2.; TB 1937/1, 21.4.) zugutekommen. „[…] under the present circumstances I feel very strongly the duty of offering you that amount as a sign of gratitude for what you did for me. […] It is only a modest suggestion when I beg you to grant some help to Dr. Betty Kurth […]. She […] seems to be in utmost financial difficulties after her escape from Vienna last year.“ (Bodleian Library, Special Collections, MS. SPSL 193/53, Hans Tietze, HT an SPSL, 15.6.1940, fol. 326  ; Vgl. dazu auch Feichtinger 2001a, 411.)



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„Die österreichische Ausstellung bei der Biennale von 1938 fiel allerdings aus, da nach dem ,Anschluss‘ österreichische Künstler nur noch im deutschen Pavillon ausstellen konnten.“ (Fleck 2009, 113.)



Vermutlich ist der Kunsthändler und Sammler Ferruccio Asta gemeint (ein Hinweis zu Ferruccio Asta  : ders., British Museum).



Möglicherweise als erster Kunsthistoriker hatte HT bereits im Jahr 1917 auf Gefahren hingewiesen, die das seit Beginn des 20. Jahrhunderts sich verbreitende „Expertierwesen“ mit sich brächte (Tietze 1917). 1928 erörterte er die Frage erneut  : „Der typische Sammler von heute hat wahrscheinlich ebensoviel Freude an den Dingen wie seine Vorgänger, er ist häufig nicht minder leidenschaftlich und ästhetisch beteiligt als sie, aber er hat weder die Zeit

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noch die umfassenden Kenntnisse, die damals als Teil der allgemeinen Bildung galten  ; und weil er seine Leidenschaft in kurze Augenblicke konzentrieren muß, ist er angewiesen, sicher zu gehen, sich auf Autoritäten zu stützen, die ihm gleichzeitig für seine unvergleichlich erheblichere Investition Sicherheit bieten. […] er fühlt sich gedeckter, wenn ein Fachmann von Rang und Namen verpflichtet ist, in dem Kunstwerk die von ihm erteilte Expertise zu verteidigen.“ (Tietze 1928a, 379–380.) 7 Zu HTs kulturpolitischen Aktivitäten siehe TB 1938/1.

„Vickerl“ – Wienerisch, Koseform für „Viktor“ – wahrscheinlich eine Anspielung auf den Gründer der österreichischen Sozialdemokratischen Partei, Viktor Adler (1852–1918). Nach seiner Zeit im Bundesministerium hatte HT während einiger Jahre in verschiedenen Organen der österreichischen Sozialdemokratie publiziert. Ob er tatsächlich jemals auch Parteimitglied geworden ist, kann heute nicht mehr überprüft werden, da die entsprechenden Parteiakten die antidemokratischen Regime nicht überdauert haben. In der Familie gibt es zu dieser Frage unterschiedliche Einschätzungen.



Veronika („Vroni“), die jüngste Tochter von ETC und HT, war 1927 neunjährig an Hirnhautentzündung verstorben  ; zu Vroni Tietze siehe TB 1923–1926.



1938 fehlten Franz Reichsman zur Beendigung seines Medizinstudiums nur mehr zwei Prüfungen. Als er kurz nach dem Einmarsch der deutschen Truppen Verwandte in einer Wohnung in Wien aufsuchte, wurde er gemeinsam mit diesen von der Gestapo festgenommen. Er verbrachte zwei Monate in Gestapo-Haft, bevor er mithilfe des jugoslawischen Botschafters seine Freilassung erwirken konnte.



„Unsere Agenden einem Advokaten übergeben“ – der Versuch einer fingierten Arisierung des Wiener Hauses durch den Rechtsanwalt der Tietzes sowie einiger vertrauter „Scheinbewerber“ misslang, da die Kaufanwärter von den Behörden als politisch nicht vertrauenswürdig eingeschätzt wurden. Dass die Liegenschaft schließlich dennoch quasi in der Verfügungsgewalt der Familie verblieb, ist dem Umstand zu verdanken, dass Therese Kurzweil als langjähriger „arischer“ Haushälterin ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt worden war (ÖStA, AdR, BMF, 06, VVSt, Liegenschaft 5479, K468). Nach dem Krieg übertrugen die Eltern das Haus ihrer Tochter Burgl, die als Einzige gewillt war, nach Wien zurückzukehren.

8 Biblioteca Marciana (Markus-Bibliothek), Venedig.

Torcello – Insel im nördlichen, und Chioggia – Stadt im südlichen Teil der Lagune von Venedig.



Die Bemerkung „Franz ist endlich frei geworden, aber erst 14“ bleibt rätselhaft, möglicherweise handelt es sich um eine Fehlstelle.

Maja Slotta, geb. Fraenkel, Tochter von ETCs Schwester Lili, war mit Ehemann, ihrer kleinen Tochter Sabine und den Eltern bereits 1933 von Breslau nach São Paulo, Brasilien, emigriert.

Trude Tietze hielt sich noch in Wien auf (TB 1938/2, 3.8., 19.8.). 333

Tagebuch 1938/2

  9 Obwohl er selbst weder politisch noch rassisch verfolgt wurde, entschied sich Kurt Winkler, der ehemalige Freund Burgls, zur Emigration nach Australien. Er kehrte nicht nach Wien zurück. 10 Kathedrale San Giusto, Triest.

Benedetto Carpaccio, Jungfrau mit Kind und Heiligen Justus und Sergius, 1540.



Rakek, Slowenien – ehemals jugoslawisches Grenzstädtchen zu Italien.



Ida Conrat verstarb am 30.6.1938. Die Vertreibung aus ihrer Wohnung war ihr gerade noch erspart geblieben, doch hatte sie unter dramatischen Umständen von ihrer gesamten Familie und vielen Freunden Abschied nehmen müssen. Ilse war die einzige Tochter, die am Begräbnis der Mutter teilnehmen konnte.

11 Tietzes hatten vergeblich versucht, Dane Reichsman von der Notwendigkeit zu überzeugen, Jugoslawien zu verlassen. Diese Starrköpfigkeit sollte das Ehepaar Reichsman mit dem Leben bezahlen. Dane Reichsman sowie seine Frau Frida wurden in Auschwitz ermordet. Franz und seine Schwester Danica Reichsman (verh. Svoboda) konnten sich ins Ausland retten.

Benediktinerabtei Santa Maria di Praglia, Padua, gegr. 11./12. Jh.



Camillo Ballini – „he calls himself a pupil of Titian in two signatures of 1574 and 1578“ (Tietze/Tietze-Conrat 1944, 39).

12 Mizzaro – Bekannte bzw. Quartiergeber der Tietzes, konnten nicht eruiert werden.

Bassano del Grappa, Provinz Vicenza.



Künstlerfamilie Bassano – Hauptmeister war Jacopo Bassano  „If, nevertheless, we include in our Catalogue the head of such a local school, extending its activity far into the late17th century, we do so because his art gained the right of citizenship in Venice through his son Francesco. […] in some cases the son collaborated in his father’s commissions, and in others Jacopo’s greater experience was consulted for works executed in Venice by Francesco.“ (Tietze/Tietze-Conrat 1944, 47.)

13 Monte-Grappa-Massiv (1.745 m), südliche Dolomiten. 14 Albrecht Dürer, Heiliger Hieronymus in der Einöde, Kupferstich, 1495/96.

Trento (dt. Trient), Region Trentino – die Stadt Trient und das Trentino fielen nach dem Ersten Weltkrieg an Italien.



Dante-Garten – Park mit Dante-Denkmal aus dem 19. Jh.



Castello del Buonconsiglio, 13. Jh., im frühen 16. Jh. umgebaut und mit Fresken von Romanino und Dosso Dossi ausgestattet. „Dal canto suo Antonio Morassi, prima di pubblicare il suo ampio inventario delle cose d’arte delle chiese bresciane, aveva prescisato la parte del Romanino nel complesso degli affeschi del Buonconsiglio a Trento.“ (Dell’Acqua 1993, 106.)



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Tagebuch 1938/2

15 Adige – Fluss (dt. Etsch).

Vermutlich Paolo Farinati (1524–1606).



Compliments of Mr. Flow, Regie   Robert Siodmak (1900–1973), Frankreich 1936.



Sala Farinati della Biblioteca Civica, Verona.



Palazzo Vescovile, Verona   Fresken des Brusasorzi bzw. Brusasorci (Domenico Riccio).



Liberale da Verona, 3 Holztafeln, Geburt Christi, Anbetung der Könige und Tod Mariae.

16 Zu Otto Benesch siehe TB 1938/1, 21.3.

Johannes Wilde, Kustos an der Gemäldegalerie des KHM Wien, verließ Österreich 1939, nachdem er wegen der jüdischen Herkunft seiner Ehefrau sowie seiner oppositionellen Einstellung zum Nationalsozialismus zwangspensioniert worden war. Wilde konnte in der Emigration in England Fuß fassen. Von 1950 bis zu seiner Emeritierung 1958 war er Professor an der Universität London ( Johannes Wilde, in  : Wendland 1999b, 768).



Zu Ernst Buschbeck siehe TB 1923–1926. Ernst Heinrich Buschbeck war politischer Gegner des Nationalsozialismus und auch wegen seines langjährigen Einsatzes für moderne Kunst gefährdet. Er verließ Österreich im Zuge einer Urlaubsreise 1939 Richtung England. Wie Benesch kehrte er nach dem Krieg nach Wien zurück (Ernst Heinrich Buschbeck, in  : Wendland 1999a, 83).

17 Sammlung Renato Sòriga, 1910–1939 Direktor des Museo Civico, Pavia.

Heymann – gemeint ist der Kunsthändler Jacob Heiman, siehe TB 1938/1, 9.5.



Antonio Feltrinelli – Stifter des höchsten Wissenschafts- und Kulturpreises Italiens.



Zum Kunsthändler Pesaro siehe u. a. TB 1938/1, 30.4. (abends).



Amerex-co (Amexco) – American Express, Finanz- und Reisedienstleistungsunternehmen.



Mendrisio, Kanton Tessin.



Eva Reifenberg, Schwester von Lili Lucas und Ehefrau von Emanuel Feuermann (TB 1938/1, 26.3.).

18 Während Sohn Erwin Österreich bereits 1937 Richtung Schweiz verlassen hatte, verblieb Vater Artur Gradmann in Wien. Persönliche Daten zu Artur Gradmann konnten nicht ausfindig gemacht werden. Laut Paul Tanner, dem Leiter der Graphischen Sammlung der ETH, war Artur Gradmann Schweizer Bürger und in Wien Direktor der „Gesellschaft für vervielfältigende Kunst“, damit Herausgeber der Zeitschrift „Die Graphischen Künste“ gewesen. Im Wiener Adressverzeichnis für das Jahr 1938 wird Artur Gradmann als Verleger geführt   „Artur Gradmann, Kunstverlag, früher Verlag der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst, Wien IV, Luftbadgasse 17“ (Lehmann 1938). Laut „Meyers Großem Konversations-Lexikon“ verfügte die „Gesellschaft für vervielfältigende Kunst“ über eine eigene Kupferdruckerei (Meyer 1907, 721–722). 335

Tagebuch 1938/2



Sie besuchten die Sammlung des österreichisch-schweizerischen Finanzfachmanns Felix Somary.



Seine Sammlung bedeutender Altmeisterzeichnungen sowie andere Kunstschätze vermachte der Maler Léon Bonnat seiner Heimatstadt Bayonne. Dort bilden sie heute den Kern der Sammlungen des nach ihm benannten Musée Bonnat. „Dès qu’il put se consacrer à sa nouvelle passion, Bonnat n’eut qu’un seul but   créer un musée à Bayonne. En 1901, il se sépare d’une partie de ses richesses pour les installer lui-même dans le nouveau musée. Le reste ne suivra qu’en 1922, au lendemain de sa mort.“ (Musée de Bonnat de Bayonne, HP.)

19 Vermutlich verwendet ETC hier irrtümlich einen falschen Vornamen. Max Bunzl, Neffe von Hans und Gustav Schoenberg, ist 1974 in Lugano, Schweiz, verstorben. Vielmehr dürfte es sich um dessen Vetter, den jungen Komponisten Hans Bunzl (geb. 1913 in Wien), gehandelt haben. Er wurde am 17.6.1938 im KZ Dachau „auf der Flucht erschossen“ (L. E. O., Letztes erfreuliches Operntheater, Vienne à Paris, Exilkabarett in Frankreich, eine Produktion des ORPHEUS TRUST, der ARMIN BERG GESELLSCHAFT und L.  E.  O. Wien 2005  ; persönliches Gespräch der Herausgeberin mit John Bunzl  ; Hans Bunzl, in   Gaugusch 2011, 356).

Die Wiener Malerin Trude Schmidl-Waehner war am Bauhaus in Dessau Schülerin Paul Klees und Wassily Kandinskys gewesen. 1933 kehrte sie nach Österreich zurück. Nach der Spaltung des „Österreichischen Werkbunds“ gehörte sie gemeinsam mit HT dem Vorstand des „Werkbunds“ an. Präsident des „Neuen Werkbunds“ wurde der Architekt Clemens Holzmeister. „Neben den politischen waren es vor allem auch die unterschiedlichen künstlerischen Positionen, die dazu führten, dass es zur Spaltung kam und am 24.2.1934 einer dem Zeitlauf angepassten Vereinigung, die sich den Namen ,Neuer Werkbund Österreichs‘ gab. […] Die Präsidentschaft im alten Werkbund, in dem die liberalen, linken und jüdischen Künstler verblieben, übernahm der bekannte Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Hans Tietze.“ (Plakolm-Forsthuber 2004, 9.) Waehner gehörte zwar nicht zu den „rassisch“ Verfolgten, war aber entschiedene Gegnerin des Regimes. Nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten 1938 war ihr Wiener Atelier beschlagnahmt worden. Rund 300 ihrer Werke verschwanden. Waehner emigrierte mit ihrem Sohn Gustav über Frankreich und England in die USA. Nach 1945 war sie wieder in Europa (Frankreich und Italien) ansässig (Plakolm-Forsthuber 1994, 276). Trude Waehners Sohn aus erster Ehe ist der spätere Mediziner Dr. Gustav Szekely, geb. 1922 (Plakolm-Forsthuber 2004, 7). Holzmeister, einer der wichtigsten kulturpolitischen Exponenten des österreichischen Stän­de­staates, war nach dem „Anschluss“ seiner Funktionen an der Wiener Akademie der bildenden Künste enthoben worden. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits vom türkischen Staatspräsidenten Mustafa Kemal Atatürk (1881–1938) bedeutende Aufträge bei der Errichtung des Regierungsviertels in Ankara erhalten. Funktionen in Wien übernahm er erst wieder nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft. Fannina Halle, die wie Trude Waehner mit Klee und Kandinsky gut bekannt gewesen war, emigrierte in den 1940er-Jahren aus der Sowjetunion in die USA (Caruso 2008, 114–116).

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Zu den Personen aus dem niederösterreichischen Kurort Edlach (an der Rax, Gemeinde Reichenau), dem Sterbeort Theodor Herzls (1860–1904), konnte nichts ausfindig gemacht werden.

Tagebuch 1938/2



Max „Mopp“ Oppenheimer emigrierte schließlich weiter nach New York. Seine Versuche, nach 1945 in Wien wieder Fuß zu fassen, scheiterten (Bertsch 2000, 180).



Die Eltern Robert Anheggers waren der seit 1923 in der Schweiz ansässige Kaufmann Hermann Anhegger und dessen Ehefrau Helene.

20 Mit größter Wahrscheinlichkeit war dieses Treffen in Rorschach am Bodensee (Kanton St. Gallen) die letzte Begegnung der beiden Schwestern. Ilse von Twardowski kehrte mit Tochter Ivo nach München zurück. Als sie erfuhr, dass ihre Deportation in ein KZ unmittelbar bevorstand, verübte sie am 9.8.1942 Selbstmord durch Vergiften.

Trude Tietze folgt ihrem Mann nach Baltimore, USA. Bereits 1949 erlag sie einem Krebsleiden.

Munio-Emanuel Feuermann (TB 1938/1, 26.3.) – „On 2 August, Feuermann performed in Lucerne at the ,alternative’ Salzburg. […] Following the Anschluss of Austria, the mayor of Lucerne with other notable city figures had decided to mount a small music festival to which performers no longer able or willing to perform at the Salzburg Festival could come.“ (Morreau 2002, 185 [Hervorhebung im Original].) 21 „Vogelbruder“ – möglicherweise einer der beiden Brüder Silberman. Aus „komischer Vogel“ könnten die Spitznamen „Vogel“ und „Vogelbruder“ geworden sein.

Frl. Schulthess – siehe TB 1937/1, 22.4.

22 Otto Fränkl (auch Fraenkl bzw. Fränkl-Lundburg) war der ältere Bruder von Joseph Flochs Ehefrau Hermine („Mimi“). Das Goetheanum in Dornach bei Basel ist seit 1923 Zentrum der anthroposophischen Bewegung. Nachdem der erste Bau des Goetheanums bei einem Brand zerstört worden war, wurde ein Nachfolgebau ganz aus Sichtbeton nach Plänen des Begründers der Bewegung, Rudolf Steiner (1861–1925), errichtet. Die Eröffnung diese Baus fand 1928 statt (Goetheanum, HP). Beide Teile von Goethes „Faust“ waren ungekürzt von Marie Steiner-von Sivers (1867– 1948), der Witwe Rudolf Steiners, inszeniert worden. An diesem Abend wurde Teil 2 des Faust geboten und Tietzes betraten offenbar vor dem 3. Akt („Tod des Euphorion“) den Saal. Mephisto sprach in der pathetischen, als besonders gehoben empfundenen Sprache des Wiener Burgtheaters, im sogenannten „Burgtheaterdeutsch“. Von 1912–1920 hatte das Ehepaar Alexander Strakosch und Marie Strakosch-Giesler in Wien gelebt und hatte Marie Strakosch  – wie etwa Georg Ehrlich auch  – der Künstlergruppe „Freie Bewegung“ angehört. Das Ehepaar war eng mit der anthroposophischen Bewegung Rudolf Steiners verbunden. 1918 hatte Steiner im Atelier von Marie StrakoschGiesler seinen Vortrag „Das Sinnlich-Übersinnliche – geistige Erkenntnis und künstlerisches Schaffen“ gehalten (Maria Strakosch-Giesler, Forschungsstelle Kulturimpuls, Biographien Dokumentation).

Hodlerische Saaltöchter – bäurisch-kräftige, vor Gesundheit strotzende Frauen, wie sie der Schweizer Maler Ferdinand Hodler (1853–1918) gerne gemalt hatte. 337

Tagebuch 1938/2



„Humorlose Tairoffbühne“ – siehe TB 1937/2, 2.6.

23 Während Ilse von Twardowski in München aushielt, sollte ihre Tochter Ivo so viel Zeit wie möglich außerhalb des Deutschen Reichs verbringen. Zu ihrem Aufenthalt in Lausanne 1938 konnte jedoch nichts weiter herausgefunden werden.

Anderl hielt sich gemeinsam mit seinem Freund Robert Anhegger in Morcote am Luganersee im Kanton Tessin auf.

24 Rheinfelden im Kanton Aargau war vor allem vor dem Ersten Weltkrieg bekannt für seine Solebäder. Auf dem linken Rheinufer liegt das badische Rheinfelden.

War „Vogel“ einer der Brüder Silberman (siehe dazu TB 1937/2, 22.6.) oder jemand anderes  ? Übernahm der „Vamp“ Kuriertätigkeit auch für Tietzes  ? Diese Stelle muss rätselhaft bleiben.

25 Höchstwahrscheinlich ist der Wiener Kunsthistoriker, Schriftsteller und Mitbegründer des Phaidon-Verlags Ludwig Goldscheider gemeint (Ludwig Goldscheider, in  Wendland 1999a, 208–210  ; siehe TB 1938/1, 24.4.).

„During World War II, Hannema collaborated with the German occupiers of the Netherlands.“ (Dirk Hannema, Dictionary of Art Historians.)



Bei dem neuen Vermeer-Bild handelte es sich um das Gemälde „Das Abendmahl in Emmaus“, das Direktor Dirk Hannema 1937 für den Preis von 540.000 Gulden für das Boijmans Museum erworben hatte. Die allgemeine Begeisterung für das „neu aufgefundene“ Gemälde Vermeers war so groß, dass sogar das Rijksmuseum in Amsterdam den berühmten „Liebesbrief“ von Vermeer im Tausch für das Abendmahl bot. Das Boijmans Museum präsentierte den „neuen“ Vermeer als eines seiner Highlights, die Fachwelt pries die Qualität des Werks. Als das Gemälde nach dem Krieg in der Sammlung Hermann Görings auftauchte, fand sich auch die Spur zu dem Meisterfälscher Han van Meegeren (1889–1947), der den Betrug gestand (The Meegeren Website).



Boijmans Museum (heute Museum Boijmans Van Beuningen), siehe TB 1937/1, 15.5.



Heuvel – Park in Rotterdam.

26 Der langjährige Direktor der Gemäldegalerie des KHM in Wien, Gustav Glück, emigrierte 1938 über London in die USA, wo er sich in Santa Monica, Kalifornien, niederließ (Gustav Glück, in  Wendland 1999a, 201). Benesch war seit 1935 mit der Tochter von Lilly und Hugo Steiner verheiratet. Eva Benesch galt nach den Nürnberger Rassegesetzen als „Halbjüdin“  ; ETC fühlte sich offensichtlich gekränkt, da sie immer wieder auf das Benehmen der Beneschs zu sprechen kam (siehe TB 1938/1, 21.3.; TB 1938/2, 24.7.). Christoph und Trude Tietze hatten in ihrer Ehe eine Krise durchgemacht. Zu einer Trennung kam es jedoch nicht. 27 Zu Carla de Jonge in Utrecht siehe TB 1937/2, 18.5. 338

Zu den Glasfenstern der Mailänder Kirche San Nazaro siehe TB 1938/1, 2.5.

Tagebuch 1938/2



Erica Tietze-Conrat, Dürer’s Shop, three Studies  : I. Glass Paintings in San Nazaro in ­ ilan, II. Panels of a Dispersed Altarpiece, III. The Cherub Heads, in  : Art in America, M Vol. 33, 1945, 13–26, 169.

28 Zu Beginn der 1930er-Jahre waren die Brüder Nathan (?) und Benjamin Katz (1891–1962) in Dieren Inhaber des von ihrem Vater gegründeten Kunst- und Antiquitätenhandels. „The family was of Jewish origin. […] On 1 May 1940, a branch was established in the Hague. On 17 February 1941, the company went into liquidation in order to prevent it – a Jewish firm – from falling in the hands of the Germans. The firm was formally wound up on 1 June 1943.“ (Davids/Campfens 2010, 50.)

Zandvoort – vornehmes Seebad in Nordholland.



Das Centraal Museum in Utrecht ist das älteste Städtische Museum der Niederlande. Carla de Jonge war dort ab 1920 Kuratorin und übernahm 1941 die Leitung des Hauses (Carla de Jonge, Dictionary of Art Historians  ; TB 1923, 4.9.; TB 1937/2, 18.5.).



Marie Kalat – siehe TB 1938/1, 24.2.



Königin Wilhelmina der Niederlande (1880–1962) beging 1938 ihr 40-jähriges Thronjubiläum.



Zonnelaan – Haarlemer Adresse der Familie Burg.



Walter von Pannwitz, Anwalt und Vertrauter Kaiser Wilhelms II., „streitbarer“ Jurist mit „wilhelminisch-obrigkeitlichen Wertvorstellungen“ und passionierter Kunstsammler  : „Als der Kaiser 1918 ins Exil nach Holland ging, zögerte das Ehepaar v. Pannwitz nicht lange – sie folgten dem Kaiser und erwarben als neues Domizil das Schloss Hartekamp bei Bennebroek in Nordholland.“ (Bayer 2010.)



„Clair-obscur“ – Hell-Dunkel-Holzschnitt.



Mitte der 1920er-Jahre hatten Max Friedländer und Otto von Falke die Sammlung Pannwitz katalogisiert (Friedländer/Falke 1925–1926).

„Friedländer X“ – Band 10, Lucas van Leyden und andere holländische Meister seiner Zeit, aus  : Max Friedländer, Die altniederländische Malerei (Friedländer 1932a). 29 „Radl im Knopfloch“ – Der Museumsmitarbeiter trug einen schwarzen Redingote mit Kokarde – vermutlich in den Farben der Trikolore –, womit er seinem patriotischen Stolz Ausdruck verlieh. Feys Stellung im austrofaschistischen Lager war umstritten  ; siehe zu Fey TB 1938/1, 18.3.

„Bellangig“ – in der Art des Jacque Bellange (Tietze-Conrat 1930b).

30 „Zu unseren ,verlorenen Fresken gehört‘“ – Francesco da Ponte (Bassano), Entwurf zum Deckenfresko in der Sala del Gran Consiglio im Dogenpalast in Venedig (siehe Tietze/ Tietze-Conrat 1944, 44). 31 Liesbeth Askonas – wie Burgl Tietze hat auch Liesbeth Askonas den Weg hinaus aus dem 339

Tagebuch 1938/2



besetzten Österreich über die Alpen per Ski genommen. Über Paris ging es weiter nach England, wo sie sich niederließ und die bis heute bestehende Künstleragentur Askonas Holt Ltd. gründete. „At the Anschluss she famously skied out of Austria to freedom as the German army crossed the border. She made her way first to Paris and then to England […]. Lies Askonas was one of London’s foremost and most formidable artists’ managers for over thirty years.“ (Rattray unveröff.) In Wien war ihr Vater Rudolf Teilhaber der Firma Askonas & Heller Handschuhfabrik gewesen (ÖStA, AdR, BMF, 06, VVSt, VA 18818, Askonas Rudolf und VA 18848, Johanna Askonas). Aus dem Traum einer abgelegenen Insel ist für den wohlhabenden Industriellen nichts geworden. Er war für die englische Dependance des Textilunternehmens (Hellasco & Associated Companies) tätig und verstarb bereits 1947. Rudolf und Johanna Askonas wurden in England beerdigt (Gravestone Photographic Resource, An international directory of grave monuments  ; zu Liesbeth Askonas siehe auch 1938/1, erster Eintrag „Basel“, 25.2.).



Ausstellung – „Les Arts de l’Iran, de l’ancienne Perse et Bagdad“, Bibliothèque nationale, Paris 1938.



In einer Postkarte an ihren Sohn Anderl bestätigte ETC am 1.9. den Erhalt des „Grants“ von der SPSL für 7 Monate  „nicht sehr viel, aber doch so, dass wir ohne fremde Unterstuet­ zung u. ohne von Amerika einen Vorschuss zu nehmen auskommen koennen. Wir werden die meiste Zeit in Italien zubringen, wohl in Florenz, wo wir am besten arbeiten koennen.“ (Postkarte vom 1.9.1938 an „Bay André“ Istanbul, Privatarchiv Filiz Tietze.) Doch bereits wenige Tage später, am 6.9.1938, sollte HT die SPSL über die Gründe ihrer Abreise aus Italien informieren  „There is a mutual treaty concerning emigrants between Germany and Italy, we are afraid, the latter could hand us over to the Gestapo.“ (Bodleian Library, Special Collections, MS. SPSL 193/53, Hans Tietze, HT an SLPS, 6.9.1938, fol. 311.) Im Oktober 1938 wurden in Italien Rassengesetze eingeführt.



Jury Beckman – konnte nicht eruiert werden.

32 Lilly Steiner, Composition baroque, 1938, 1948 von der Künstlerin der Österreichischen Galerie Belvedere gewidmet.

Zu Mathey siehe TB 1938/1, 26.2.



Der Name Hutter konnte nicht eindeutig zugeordnet werden.



Trude Tietze hatte als Letzte der engeren Familie Wien verlassen. Sie kam vorübergehend bei Mimi Flochs Eltern und deren Bruder in Dornach in der Schweiz unter.

33 „Fernand MERCIER (1884–1944), ancien professeur d’allemand, ancien conservateur au Musée des Beaux-arts de Dijon, a été nommé conservateur au Musée de Besançon en 1933 et a exercé cette fonction jusqu’à sa mort survenue le 7 septembre 1944. Par ailleurs, vers 1940 Maurice ALLEMAND est nommé conservateur-adjoint et exercera cette fonction jusqu’au début de 1942.“ (Auskunft von Ghislaine Courtet, Musée des Beaux-Arts et d’Archéologie Besançon, in einem Schreiben an die Herausgeberin vom 29.12.2010.) 340

Tagebuch 1938/2



„Trunkenheit Noahs“ – „une peinture de Giovanni BELLINI, ,L’ivresse de Noé‘ (inv. 896.1.13) (photo 9), anciennement attribuée à CARIANI par Berenson (1932, p. 127  ; 1936, p. 110) puis attribué à Giovanni BELLINI par R. Longhi (1927), attribution confirmée par Berenson en 1957, les attributions à TITIEN, à LOTTO ou encore ,suiveur de Giorgione’ ont également été proposées pour cette peinture qui est actuellement considérée comme étant une œuvre de la fin de la vie de l’artiste Giovanni BELLINI.“ (Schreiben vom 29.12.2010 von Ghislaine Courtet an die Herausgeberin.)



Im Unterschied zu HT schrieb ETC ihre Briefe am liebsten auf der Schreibmaschine. Auch die handgeschriebenen Manuskripte HTs tippte sie ab.

34 Die französische und britische Mobilmachung im größeren Stil begann im September 1938.

Familie Floch verließ Frankreich 1941 und ließ sich in New York nieder. Tietzes hatten an Flochs Entwicklung stets großen Anteil genommen. Außer ETCs Vorwort zur Palästina-Mappe (siehe TB 1923, 30.8.; TB 1924, 30.3., 2.4.) waren u. a. weiters erschienen   Hans Tietze, „Zu den Bildern von Joseph Floch“, in   Deutsche Kunst und Dekoration, 62, 146–153, und ders., „Neue Arbeiten von Joseph Floch“, in   Österreichische Kunst, Band 4, Heft 1, 1933a, 1–3. Als Tietzes 1939 vorübergehend in Toledo, Ohio, Fuß fassen konnten, leiteten sie sofort eine Ausstellung für Floch in die Wege – „One-man show at the Toledo Museum of Art (Ohio)“ (Pallauf 2000, 13).

35 Musée des Beaux-Arts, Lyon. 36 Carpentras – Gemeinde in Südfrankreich, Departement Vaucluse. 37 Die Drehbuchautorin und Verfasserin äußerst populärer Romane Vicky (Vicki) Baum stammte ursprünglich aus Wien. Zu „Le sacrifice“ konnte nichts gefunden werden.

Louis Alexander Fagan (British Museum), Collector’s Marks, London 1883.

38 Musée Calvet d’Avignon, musée des Beaux-Arts et d’Archéologie. Adolf Hitler forderte in seiner Rede vom 26.9.1938 im Berliner Sportpalast die Abtretung des Sudetenlands an das Deutsche Reich  „Ich habe ihm [Premierminister Chamberlain] weiter versichert und wiederhole es hier, daß es  – wenn dieses Problem gelöst ist  – für Deutschland in Europa kein territoriales Problem mehr gibt  !“ (NS-Archiv, Dokumente zum Nationalsozialismus.) 39 Die Unterredungen zwischen Hitler, Mussolini, Neville Chamberlain und Édouard Daladier führten zur Unterzeichnung des Münchner Abkommens am 29.9.1938, mit dem die Abtretung des Sudetengebiets an das Deutsche Reich sanktioniert wurde. 40 Musée des Beaux-Arts, Nantes, gegr. 1801.

Guercino, Begräbnis der Heiligen Petronilla, 1622/23, Pinacoteca Capitolina, Rom.



Unklar, um welche Publikation Schillings es sich handelte. Er publizierte mehrfach zu einzelnen Nürnberger Malern (vgl. dazu Edmund Schillings Publikationen ab 1938, in  Wendland 1999b, 614–615). 341

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Museum in Poitiers – wahrscheinlich Musée Municipal, gegr. 1885.

41 Musée des Beaux-Arts, Angers.

Eugène Delacroix, Der Tod des Sardanapal, 1827/28, Louvre, Paris.



Théodore Géricault, Das Floß der Medusa, 1819, Louvre, Paris.



„Bambocciade von Frangipani“ – siehe TB 1938/1, 2.4.



Möglicherweise besichtigten Tietzes die „Tapisseries de l’Apocalypse“ im Château d’Angers.

42 Les Disparus de Saint-Agil, Regie   Christian-Jaque (1904–1994), Frankreich 1938.

Les Pirates du Rail, Regie   Christian-Jaque, Frankreich 1937 – beide Filme mit Erich von Stroheim in der Hauptrolle.

43 Musée des Beaux-Arts, Rennes, gegr. 1794. 44 Das Denkmal für Jules Verne in dessen Geburtsstadt Nantes stammt von France George Bareau (1866–1931) und wurde 1910 enthüllt. 45 Siehe TB 1937/2, 26.5. 46 Am 5.10. ließ HT die SPSL wissen, dass die Aussichten, von Paris aus um ein amerikanisches „non-quota“-Visum anzusuchen und dies auch zu erhalten, dank der Anstellung in Toledo, Ohio, im Herbst 1939 gut waren (Bodleian Library, Special Collections, MS. SPSL 193/53, HT an David Cleghorn Thomson, 5.10.1938, fol. 314).

Christoph Tietze (bzw. Christopher, wie er von nun an genannt wurde) erhielt eine Assistentenstelle an der John Hopkins University School of Hygiene and Public Health.

47 Hermine und Bela Fränkl, die Eltern von Mimi Floch und Otto Fränkl-Lundborg.

Siehe zu Edel TB 1937/1, 2.5., und zu Philippa TB 1937/3, 22.7.



Zum Schicksal von Josef Flochs Schwester Else konnte nichts ausfindig gemacht werden.

48 Tizians Holzschnittfolge „Der Triumph des Glaubens“ (Il trionfo della fede), 1508–1511.

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Maria Christina „Ditha“ Santifaller, die selbst nicht gefährdet war und als Auslandsstuden­ tin kunstgeschichtliches Material, ohne aufzufallen, ins Ausland transportieren konnte, erwies Tietzes damit einen großen Dienst. Das Schicksal der Tietze’schen Bibliothek bleibt dennoch bisher ungeklärt. Größere Teile gelangten  – möglicherweise durch Verkauf vor Antritt der Reise über den Atlantik – in die Schweiz.



Anna Peters, geb. Pohl, Schwester von HTs Mutter, verübte, nachdem sie aus Wien entkommen war, am 9.10.1938 in Zürich Selbstmord (ÖStA, AdR, BMF, FLD, Schoenberg Luise, Schweizerische Eidgenossenschaft Kanton Zürich, Todesschein Anna Peters). Luise „Lu“ Schoenberg war Anna Peters’ Tochter.



Guiseppe d’Alvino „il Sozzo“ – geboren und gestorben in Palermo.



Eva Benesch war Verwaltungsangestellte in der Albertina und somit über längere Zeit

Tagebuch 1938/2

ETCs Kollegin gewesen (Eva Benesch, in  Wendland 1999a, 32  ; zu Otto und Eva Benesch siehe TB 1938/1, 21.3.).

Zu Robert Kohl  „Im September 1938 emigrierte der Künstler nach Paris. Drei große Kisten mit Ölbildern, Aquarellen und Zeichnungen […] gingen bei Ausbruch des Krieges verloren. Nach der Besetzung von Paris durch die deutsche Wehrmacht wurde Robert Kohl bei einer Razzia in einem Café festgenommen, in einer Sportanlage bei Finistèrre interniert, und dann nach Auschwitz überstellt, von wo er nicht zurückkehrte.“ (Bisanz 1980, 121.)



Die Schwestern Friederike Hohenberg und Hilda Lampl hatten gemeinsam in der Wiener Innenstadt den Modesalon „Schwestern Berger“ geführt, seinerzeit ein beliebter Künstlerund Literatentreff (siehe dazu TB 1925, 15.9.). Fritzi Hohenberg war mit dem Ingenieur und Dichter Paul Hohenberg (1885–1956) verheiratet und hatte zwei Töchter, von denen Claudia (verh. Yatsevitch, geb. 1927) die jüngere war.

49 Vicentinos „Schlacht von Lepanto“ ersetzte Tintorettos durch das Feuer von 1577 zerstörte Wandgemälde im Dogenpalast. 50 Therese Kurzweil, die seit Stoffels Geburt im Haus gearbeitet und sich von klein auf um alle Tietze-Kinder gekümmert hatte, litt zweifelsohne unter den Umständen. Während die Familie in alle Winde verstreut war, stattete die Gestapo dem Haus in der Armbrustergasse mehrere Besuche ab (Feichtinger 2001a, Anm. 1, 398).

Gemeint ist Baron Felix von Oppenheimer (siehe TB 1923/2.7.).



Sowohl Felix Oppenheimer als auch Architekt Otto Breuer hatten sich im Zusammenhang mit der Errichtung der nationalsozialistischen Herrschaft in Österreich 1938 das Leben genommen. Julius von Schlosser wurde von den Nationalsozialisten nicht verfolgt und starb eines natürlichen Todes.



René Lefèvre, Les musiciens du ciel, Roman, Frankreich 1938.

51 Tietzes verbrachten die letzten Monate vor ihrer Überfahrt in die USA im April 1939 in England. „Von Hadeln Bellini gegeben“ – offenbar später von Tietzes Lorenzo Lotto zugeschrieben (vgl. Tietze/Tietze-Conrat 1944, Nr. A 773, 186).

„Hausangelegenheit“ – siehe TB 1938/2, Eintrag „Letzter Mai“.



Dabei handelte es sich um die Pension, die HT als ehemaliger Beamter des Unterrichtsministeriums zustand  ; Vgl. dazu TB 1925, 1.12.

52 „Der Novemberscheck, den ich möglichst bald Steiner in die Hände abspielen möchte“ – vermutlich handelte es sich um ein Honorar, mit dem eine Schuld eventuell an Hugo Steiner rückerstattet werden sollte.

Duvet – Aufsatz von ETC  „Un dessin de Jean Duvet“, in   Gazette des BeauxArts, sér. 6, vol. 20, 1938, 127–128. 343

Abb. 93  : Das Ehepaar Tietze in den USA, 1953.

Alexandra Caruso (Hg.)

Erica Tietze-Conrat Tagebücher Mit Geleitworten von Edward Timms und David Rosand Band III : Register und Anhang

2015

Böhlau Verlag Wien Köln Weimar

Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)  : PUB 174-V21 und PUB 175-V21

Das Projekt wurde gefördert durch den Zukunftsfonds der Republik Öster­reich. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie  ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2015 by Alexandra Caruso and Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Lektorat, Bibliografie: Brigitte Ott, Wien Korrektorat: Meinrad Böhl, Wien Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Satz: Michael Rauscher, Wien Druck und Bindung: Prime Rate, Budapest Gedruckt auf chlor- und säurefrei gebleichtem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-205-79545-2

Inhaltsverzeichnis

Band I Tagebücher 1923–1926 „Der Wiener Vasari“ Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 9

Alexandra Caruso  : Zur Edition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

Edward Timms  : Zum Geleit. Die Aufzeichnungen einer „tiefverzweigten“ Frau . . . . . . . . . . . . . . . .

17

Alexandra Caruso: „Der Wiener Vasari“.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

Tagebuch 1923 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

Tagebuch 1924 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Tagebuch 1925 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 Tagebuch 1926 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 Alexandra Caruso: Zur Spanienreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Band II Tagebücher 1937–1938 Mit den Mitteln der Disziplin David Rosand  : Foreword . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   7 Alexandra Caruso  : Mit den Mitteln der Disziplin . . . . . . . . . . . . . . . .  11 Tagebuch 1937/1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

5

Inhaltsverzeichnis

Tagebuch 1937/2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

Tagebuch 1937/3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Tagebuch 1938/1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Tagebuch 1938/2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 Band III Register und Anhang Kurzbiografien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erica Tietze-Conrat und Hans Tietze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Georg Ehrlich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 7  7 10

Familienstammbaum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12

Register. . . . . . Personen. . . . Institutionen.. Sammlungen .

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Bibliografie. . . . . . . . . . . . . . Selbstständige Publikationen . . . Unselbstständige Publikationen . Internetquellen . . . . . . . . . . Gespräche, Interviews.. . . . . . Schreiben, E-Mails . . . . . . . . Archive . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungen . . . . . . . . . . .

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Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Abbildungen Band 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Abbildungen Band 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

6

Kurzbiografien

Erica Tietze-Conrat und Hans Tietze 1. März 1880 20. Juni 1883

1893

1890–1899

1899–1900 ca. 1900 ca. 1900 1900–1903

1903–1905

HT wird als Sohn des Advokaten Siegfried Taussig und Auguste Taussig, geb. Pohl, in Prag geboren. ETC wird als Tochter von Hugo Conrat (Cohn), Kaufmann aus Breslau, und Ida Conrat, geb. Kohn, in Wien geboren. Als jüngste von drei Schwestern wird sie bereits als Baby evangelisch getauft. HT : Nach dem Tod seiner Frau im Jahr 1888 übersiedelt Siegfried Tietze mit seinen drei Söhnen Paul (geb. 1875), Hans und Felix (geb. 1884) nach Wien. Unmittelbar davor treten sie gemeinsam in Bad Reichenhall (D) zum evangelischen Glauben über und vollziehen die Namensänderung von Taussig zu Tietze. In Wien besuchen die Brüder das katholische Schottengymnasium. ETC : Als erste der drei Schwestern besucht sie eine Schule. Zwischen dem 7. und 12. Lebensjahr absolviert sie die Mädchenlehr- und Erziehungsanstalt Hanausek, anschließend wechselt sie auf das Mädchengymnasium in Wien 1, Hegelgasse. HT : Einjährig-Freiwilliger bei der k. k. Armee (Hauptmann d. R.). ETC : Die Eltern trennen sich und Hugo Conrat verlässt Wien. Er stirbt 1906 in Berlin. ETC, HT lernen einander im Atelier von ETCs ältester Schwes­ ter, der Bildhauerin Ilse Conrat, kennen. HT: Studium der Kunstgeschichte an der Universität Wien (Dissertation  : „Die Entwicklung der typologischen Bilderkreise des Mittelalters“) und am Institut für Öster­reichische Geschichtsforschung (Mitglied). HT am Istituto austriaco di studi storici, Rom  ; ETC besucht ihn dort. 7

Kurzbiografien

Dez. 1905 Dez. 1905 1905–1906 Sommer 1906 1908–1919 1907 1908 1908 1909 1909 1911/12–1935/36 1913 1914 1914–1917 1915 1917–1918 1918 Herbst 1918 1919

ca. 1919

8

ETC promoviert als erste Frau am kunsthistorischen Institut der Universität Wien (Dissertation  : „Beiträge zur Geschichte Raffael Donners“). ETC, HT : Heirat. HT wird Assistent Franz Wickhoffs am kunsthistorischen Institut der Universität Wien. HT: Eintritt in die „k. k. Zentralkommission f. Kunst und historische Denkmale“ in Wien. HT verfasst elf Bände zur „Öster­reichischen Kunsttopographie“  ; ETC assistiert ihm bei den Erhebungen in Archiven und Klöstern. ETC, HT: Übersiedlung in das eigene Haus in Wien 19, Armbrustergasse 20 (Architekt  : Hartwig Fischel). HT: Habilitation („Annibale Carraccis Fresken im Palazzo Farnese und seine römische Werkstätte“), Privatdozent für mittelalterliche und moderne Kunstgeschichte. ETC, HT : Sohn Christoph („Stoffel“) wird geboren. Therese Kurzweil kommt als Haushälterin zur Familie. Oskar Kokoschka malt das berühmte Doppelporträt, das heute im MoMA in New York zu sehen ist. ETC: Lehrtätigkeit an der Wiener Urania und anderen Volksbildungseinrichtungen (HT seit 1906/07). HT : „Methode der Kunstgeschichte“, Wien. ETC, HT : Sohn Andreas („Anderl“) wird geboren. HT : Instruktionsoffizier in Wien. ETC, HT : Tochter Walburg („Burgl“) wird geboren. HT : Einsatz in der „Kunstschutzgruppe“ im besetzten Italien. ETC, HT : Tochter Veronika („Vroni“) wird geboren. HT verfasst eine Denkschrift zur Reorganisation der Museen. HT wird zu Jahresbeginn von Staatssekretär Otto Glöckel als Referent für das Musealwesen in das Staatsamt für Unterricht und Inneres berufen. Er soll die nunmehr staatlichen Museen aus der Monarchie in die Republik überführen  ; er wird außerordentlicher Professor an der Universität Wien. Eine weitere Universitätskarriere ist aussichtslos. ETC : Spätestens zu diesem Zeitpunkt nimmt sie ihre Arbeit als freie Mitarbeiterin an der Graphischen Sammlung Albertina auf, eine Tätigkeit, die sie vermutlich bis 1937 ausübt.

Kurzbiografien

1920 ca. 1921 Feb. 1923

1923 1923 1925 1925 1926 Jänner 1927 Juni 1927 1928 1930

1931 1932 1933 1935 1936 ab 1936

ETC : „Öster­reichische Barockplastik“, Wien. ETC : Eine schwere Krankheit wird zu einem „Erweckungserlebnis“ und lässt sie Dichterin werden. HT gründet die „Gesellschaft zur Förderung moderner Kunst“ (GFMK) in Wien, die bis zu ihrer Auflösung 1933, aber auch im Ausland, einige der modernsten öster­reichischen Kunstveranstaltungen der Zwischenkriegszeit durchführt. HT : Eröffnung des „Barockmuseums“ in der „Öster­rei­chi­ schen Galerie im Belvedere“, an dessen Errichtung HT maßgeblichen Anteil hatte. ETC beginnt ihr Engagement für den „Ehrlich-Fonds“, der in loser Verbindung zur GFMK steht. ETC : „Der französische Kupferstich der Renaissance“, München. HT lässt sich zum Jahresende im Bundesministerium für Unterricht vorzeitig pensionieren. ETC : „Abschied“ (Gedichte), mit Radierungen von Georg Ehrlich, Wien. HT hält einen Vortrag am Warburg-Institut in Hamburg. ETC, HT : Tochter Veronika stirbt an Meningitis. ETC, HT : „Kritisches Verzeichnis der Werke Albrecht Dürers“, Bd. I  : „Der junge Dürer“, Augsburg. (Von nun an erscheinen regelmäßig Arbeiten unter beider Namen.) ETC, HT : Anlässlich von HTs 50. Geburtstag veranstaltet die Öster­reichische Galerie Belvedere eine Ausstellung der „Handzeichnungen und Aquarelle aus der Sammlung Hans und Erica Tietze“. HT : „Geschichte und Beschreibung des St. Stephansdoms in Wien“ (Kunsttopographie).

HT hält erste Gastvorträge in den USA. HT : „Die Juden Wiens, Geschichte – Wirtschaft – Kultur“, Wien-Leipzig. ETC, HT : Gastvorträge HTs in den USA und in Kanada  ; ETC schließt sich ihm auf dieser Reise an. HT : „Tizian, Leben und Werk“, Wien. ETC, HT : Auf Anregung ETCs wird mit den Recherchen zum Katalog „Drawings of the Venetian Painters“ begonnen. Damit verbunden ist eine bis zur Emigration 1939 fast unun9

Kurzbiografien

1937 1938 12. März 1938 Juni 1938 April 1939 1939 1940 1942 1943

1944 1953 April 1954 1954 1955 1955–1956 1956 1957 Dezember 1958

terbrochene Reisetätigkeit durch ganz Europa  ; der Lebensmittelpunkt verlagert sich stetig mehr nach Venedig. ETC, HT : „Kritisches Verzeichnis der Werke Albrecht Dürers“, Bd. II  : „Der reife Dürer“, 1. Halbbd., Basel-Leipzig. ETC, HT : „Kritisches Verzeichnis der Werke Albrecht Dürers“, Bd. II  : „Der reife Dürer“, 2. Halbbd., Basel-Leipzig. Anschluss Öster­reichs an das Deutsche Reich – ETC und HT halten sich bereits im Ausland auf und kehren nie mehr dauerhaft nach Öster­reich zurück. ETC : Ida Conrat stirbt im nationalsozialistischen Wien. ETC, HT : Emigration in die USA. HT tritt eine einjährige Carnegie-Professur am Toledo Museum of Art, Ohio, an. ETC, HT übersiedeln nach New York. Als sie von ihrer bevorstehenden Deportierung erfährt, begeht ETCs Schwester Ilse in München Selbstmord. HTs Bruder Paul stirbt im KZ Theresienstadt. ETC, HT werden amerikanische Staatsbürger. ETC, HT : „The Drawings of the Venetian Painters in the 15th and 16th Centuries“, New York. HT erhält einen Lehrauftrag zur venezianischen Malerei an der Columbia University, New York. HT stirbt in New York an den Folgen einer Darmkrebs-Erkrankung. ETC führt HTs Vorlesung an der Columbia University fort. ETC : „Mantegna, Paintings, Drawings, Engravings“, London. ETC : Lehraufträge an der Columbia University. ETC : „Georg Ehrlich“, London. ETC : „Dwarfs an Jesters in Art“, London. ETC stirbt nach schwerer Krankheit.

Georg Ehrlich 22. Feb. 1897 geboren in Wien als Sohn von Kurt und Rosa Ehrlich. 1912–1915 Studium an der Wiener Kunstgewerbeschule bei Oskar Strnad und Franz Cizek. 1915–1918 Kriegseinsatz. 10

Kurzbiografien

1919 1920 1921 1922 1923 1923 1924 1926 1927 1930 1932 1934 1937

1938 1939 1940/41 1944/45 1946 1947 Nov. 1947– Sept. 1948 1950 Juli 1966

Beteiligung an der Ausstellung der „Freien Bewegung“, Wien. Übersiedlung nach München. Vertrag beim Galeristen Hans Goltz. Druckgrafik-Ausstellung in der Galerie „Hans Goltz, Neue Kunst“, München. Herbst ‒ Vertretungsvertrag mit Paul Cassirer, Berlin. Ausstellung bei Tannhauser, München. Ausstellung in der Galerie des Euphorion-Verlags, Berlin. Rückkehr nach Wien. Ausstellung in der Künstlervereinigung „Hagenbund“, Wien. Ausstellung Galérie Billiet, Paris. Hinwendung zur Bildhauerei. Ausstellung seiner Zeichnungen und Radierungen der Bergner in Leipzig. Heirat mit der Malerin, Grafikerin und Schriftstellerin Bettina Bauer, ETC ist Trauzeugin. Teilnahme an der XVIII. Biennale von Venedig. Einzelausstellung in der Vereinigung „Voor de Kunst“, Utrecht. Teilnahme an der XIX. Biennale von Venedig. „Expostition d’Art Autrichien“, Musée Jeu de Paume, Paris. Große Goldmedaille für den „italienischen Knaben“ bei der Pariser Weltausstellung. November – Reise nach England, von der er nicht mehr nach Öster­ reich zurückkehrt. Teilnahme an der Ausstellung „Twentieth-century German Art“ in den New Burlington Galleries, London (Organisation Herbert Read). Ausstellung in der Matthiesen Gallery (Zatzenstein), London. Internierung als „feindlicher Ausländer“. Auftrag zum Denkmal „Pax“ zur Erinnerung an die Opfer von Coventry. Teilnahme an der Ausstellung „Meisterwerke aus Öster­reich“ im Kunsthaus Zürich. Ehrlichs erhalten die britische Staatsbürgerschaft. Aufenthalt in den USA, „Artist in Residence“ an der Art School in Columbus, Ohio, Personale im American British Art Center, New York, und der Columbus Gallery of Fine Arts, Ohio. Personale in den Leicester Galleries, London. Georg Ehrlich stirbt in Luzern an den Folgen eines Herzleidens.

11

Familienstammbaum

Louise Borchardt 1857 – 1936

Hans Schönberg 1885 – 1953



Emma Schönberg geb. Pohl 1883 – 1963

Friedrich Schönberg 1914



Anna Peters geb. Pohl 1860 – 1938

Friedrich Pohl 1852 – 1921

Ernst v. Twardowski 1849 – 1918



 Ida Conrat, geb. Kohn 1857 – 1938

Christine Kerry „Christl“ 1885 – 1978





Richard Horn „Rulli“, 2. Ehem. 1861 – 1930 Hugo Conrat (ehem. Cohn) 1. Ehem. 1845 – 1906 Paul Tietze 1875 – 1943

Ilse v. Twardowski-Conrat 1880 – 1942

Felix Tietze „Fixlein“ 1884 – 1962

Ludwig Fraenkel „Lutz“ 1870 – 1951



Maja Slotta geb. Fraenkel 1903 –?

Heinrich-Lutz Fraenkel „Heinz“ 1910 – 1999

Lili Fraenkel geb. Conrat 1881 – 1955

12

Christoph Tietze „Stoffel“ 1908 – 1984



Adolf Andreas Tietze „Anderl“ 1914 – 2003



Stefanie Tietze geb. Löti-Kelenföld „Steffi“, 1878 – 1942

Hertha Tietze geb. Milla 1890 – 1970



Hans Roderich Tietze „Hanki“ 1921

Erica Tietze-Conrat 1883 – 1958



1880 – 1945

Siegfried Tietze 1843 – 1930

Elisabeth Kahmann geb. v. Twardowski „Ivo“, 1920 – 2001

Gertrud Tietze geb. Inwald, „Trude“ 1909 – 1949

Gustav Schönberg



Erica Gronsky geb. Schönberg 1908 – 1989

Maria Schönberg 1918 – 1988

Dr. Richard Kerry ehem. Kohn ?–?



Max Peters ? – 1929

Luise Schönberg geb. Peters, „Lu“ 1886 – 1970

Hermine 1884 – 1974

Auguste Pohl 1853 – 1888 Emma Kerry geb. von Dittel „Tante Emma“ 1865 – 1946



Margarethe Jaquess geb. Tietze „Margaretl“ 1919 – 1999

Hans Tietze 1880 – 1954

Veronika Tietze „Vroni“ 1918 – 1927

Walburg Furtmüller geb. Tietze, „Burgl“ 1915 – 2011



Gustav Furtmüller „Gustl“ 1915 – 1988

Register

Personen Abbate Niccolo dell’ (Messer); um 1512 Modena/Italien, 1571 Fontainebleau/ Frankreich; Maler, Kupferstecher, Zeichner 2: 97, 238, 285 Acton Harold; 1904 bei Florenz/Italien, 1994 ?/Italien; Kunsthändler, Kunstsammler, Hochschullehrer, Publizist 2: 235 Adams John Quincy; 1874 Wien/Österreich, 1933 ebd.; Maler 1: 231, 291, 416 Adler Alfred; 1870 Wien/Österreich, 1937 Aberdeen/Schottland; Mediziner, Begründer der Individualpsychologie 1: 127, 168, 181, 182; 2: 78 Adler Guido; 1855 Ivančice (Eibenschütz)/Tschechische Republik, 1941 Wien/ Öster­reich; Musikwissenschaftler, Hochschullehrer 1: 360, 380 Adrienne; China, USA; Freundin der Familie Tietze 2: 244, 289 Agnew; London/England; Kunsthändlerdynastie 2: 87, 89, 192, 197 Aldegrever Heinrich (Trippenmeker); um 1502 Paderborn/Deutschland, um 1555 Soest/Deutschland; Kupferstecher, Maler, Goldschmied 1: 220 Aldington Richard (Edward Godfree Aldington); 1892 Portsmouth/England, 1962 Sury-en-Vaux/Frankreich; Schriftsteller 2: 94, 112, 135 Allemand Maurice; Besançon/Frankreich; Museumsmann 2: 318, 340 Allendale Lord, Beaumont Wentworth Henry; 1890–1956 England; englischer Hochadel, Kunstbesitzer 2: 99, 100, 104, 105, 108, 137, 139, 140, 185, 256 Allessandri Conte; Bergamo/Italien; Museumsmann 2: 250 Allori Allessandro; 1535 Florenz/Italien, 1607 ebd.; Maler 2: 239 Altdorfer Albrecht; um 1480 Regensburg/Deutschland, 1538 ebd.; Maler, Kupferstecher, Zeichner, Baumeister 1: 37, 144, 183, 254, 416; 2: 42, 181 Altdorfer Erhard (Altdorffer); tätig 1. Hälfte 16. Jh./Deutschland; Maler, Baumeister 2: 324 Altmann Bernhard; 1888 Przemyśl (Premissel)/Polen, 1960 Zürich/Schweiz; Industrieller, Kunstsammler 2: 35, 61 Altomonte Martino (Martinus, Martin Hohenberg); 1657 Neapel/Italien, 1745 Heiligenkreuz/Österreich; Maler 2: 80, 129 Ambrosi August (Gustinus); 1893 Eisenstadt/Österreich, 1975 Wien/Österreich; Bildhauer, Schriftsteller 1: 40, 152 Amelung Walther von; 1865 Szczecin (Stettin)/Polen, 1927 Bad Nauheim/Deutschland; Archäologe 1: 160, 350, 377 13

Register

Anday Rosette (Anday Pirsoka); 1903 Budapest/Ungarn, 1977 Wien/Österreich; Sängerin, Violinistin, Musikpädagogin 1: 360, 381 Andriessen Marie (Mari) Silvester; 1897 Haarlem/Niederlande, 1979 ebd.; Bildhauer 2: 312 Angeli Heinrich von; 1840 Sopron (Ödenburg)/Ungarn, 1924 Wien/Österreich; Maler 1: 226 Anhegger Robert Friedrich; 1911 Wien/Österreich, 2001 Amsterdam/Niederlande; Turkologe, Institutsleiter 2: 26, 55, 266, 267, 307, 309, 337, 338 Aretino (Aretin) Pietro; 1492 Arezzo/Italien, 1556 Venedig/Italien; Schriftsteller, Satiriker 1: 102, 165; 2: 76, 127, 187 Aristophanes; um 450 v. Chr. Athen/Griechenland, um 385 v. Chr. ebd.; Dramatiker 1: 177; 2: 203, 267 Askonas Johanna, geb. Heller; 1887 Wien/Österreich, 1968 ?/England; Mutter von Liesbeth A. 2: 316, 340 Askonas Liesbeth, verh. Shepherd; 1913 Wien/Österreich, 1996 ?/England; Musikagentin, Kunsthistorikerin 2: 39, 41, 62, 179, 203, 252, 266, 313, 316, 339 Askonas Rudolf; 1885 Wien/Österreich, 1949 ?/England; Unternehmer, Vater von Liesbeth A. 2: 316, 340 Aslan Raoul (Aslan-Zumpart); 1886 Thessaloniki/Griechenland, 1958 Litzlberg/ Österreich; Theatermann 1: 214, 283 Asta Ferruccio; 1900–1952 Venedig/Italien; Kunstsammler, Kunsthändler 2: 233, 236, 238, 239, 284, 298, 332 Auerbach Edith; 1899 Köln/Deutschland, 1970 ? 2: 204, 268 Aumburger Frl.; Wien 1: 229 Bacchiacca (Bachiacca, Francesco Ubertini); 1494 Florenz/Italien, 1557 ebd.; Maler 2: 312 Bach David Josef; 1874 Lwiw (Lemberg)/Ukraine, 1947 London/England; Musikschriftsteller, Kritiker, Kulturpolitiker 1: 91, 101, 128, 135, 136, 161, 162, 176, 180, 211, 228, 272, 280, 360, 380 Bach Johann Sebastian; 1685 Eisenach/Deutschland, 1750 Leipzig/Deutschland; Komponist, Organist 1: 123, 125, 133 Balboni; Venedig; Agent 1: 224 Baldaß Ludwig von; 1887 Wien/Österreich, 1963 ebd.; Kunsthistoriker, Museumsleiter, Hochschullehrer, Kunsthändler 2: 29, 57 Baldung Hans (Grien); um 1480 Weyersheim/Frankreich, 1545 Straßburg/Frankreich; Maler, Kupferstecher, Zeichner 2: 25, 28, 101 Ballini Camillo; 2. Hälfte 16. Jh., Venedig/Italien; Maler 2: 302, 334 Balzac Honoré de; 1799 Tours/Frankreich, 1850 Paris/Frankreich; Schriftsteller 1: 197 14

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Bankes Henrietta; Kingston Lacy/England; Kunstsammlerin 2: 196, 264 Barbantini Eugenio (Nino); 1884 Ferrara/Italien, 1952 ebd.; Jurist, Kulturmanager, Ausstellungskurator, Publizist 2: 170, 173, 241, 287 Barbari Jacopo de; um 1445 Venedig/Italien, um 1515 Mechelen/Niederlande; Maler, Kupferstecher, Zeichner 2: 47, 328 Barbelli Gian Giacomo (Barbello, Barbella); 1590 Crema/Italien, 1656 ?/Italien; Maler, Kupferstecher 2: 250 Barbieri Giovanni Francesco (il Guercino); 1591 Cento/Italien, 1666 Bologna/Italien; Maler 2: 32, 33, 60, 74, 248, 290, 324, 341 Barbieri Paolo Antonio; um 1603 Cento/Italien, 1649 Bologna/Italien; Maler, Bruder des Guercino 2: 248, 290 Barlach Ernst; 1870 Wedel/Deutschland, 1938 Rostock/Deutschland; Bildhauer, Schriftsteller 1: 62, 268, 279 Baroni Costantino; 1905 Mailand/Italien, 1956 ebd.; Kunsthistoriker, Museumsleiter, Hochschullehrer 2: 247 Baroni Fongoli; Mailand; Kunsthändler 2: 249 Barrie James Matthew; 1860 Kirriemur/Schottland, 1937 London/England; Schriftsteller 2: 199, 265 Bassano Francesco (da Ponte); 1549 Bassano del Grappa/Italien, 1592 Venedig/Italien; Maler, Sohn des Jacopo B. 2: 60, 251, 313, 334, 339 Bassano Jacopo (da Ponte); um 1510 Bassano del Grappa/Italien, 1592 ebd.; Maler 1: 350; 2: 102, 107, 148, 149, 151, 155, 168, 180, 181, 193, 204, 253, 297, 302, 327, 334 Bassano Leandro (da Ponte); 1557 Bassano del Grappa/Italien, 1622 Venedig/Italien; Maler, Sohn des Jacopo B. 2: 95, 302 Bastianelli; Rom-Grottaferrata/Italien; Architekt 2: 211, 213 – 215, 272 Bastiani Lazzaro di Jacopo (Sebastiani); tätig 2. Hälfte 15. Jh. Venedig/Italien; Maler 2: 204 Bataille; Lille/Frankreich; Advokat, Kunstsammler 2: 183, 313 Baty Gaston; 1885 Pélussin/Frankreich, 1952 ebd.; Theatermann, Schriftsteller 2: 187, 257 Baudissin Klaus von; 1891 Metz/Frankreich, 1961 Itzehoe/Deutschland; Kunsthistoriker, Museumsmann, NS-Staatsbeamter 2: 182, 227, 255, 278 Bauer Leopold; 1872 Krnov ( Jägerndorf )/Tschechische Republik, 1933 Wien/ Österreich; Architekt, Hochschullehrer, Publizist, Politiker der demokratischen Partei 1: 114, 150, 170, 204, 275 Bauer Otto; 1897 Boskovice (Boskowitz)/Tschechische Republik, ?; Architekt 1: 181; 2: 37, 183, 256 Baum Vicki (Hedwig); 1888 Wien/Österreich, 1960 Hollywood/USA; Schriftstellerin, Harfenistin 2: 321, 341 15

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Baumfeldt(-Lohnstein) Peter Richard (Richard Peter); 1881 Wien/Österreich, 1963 ebd.; Jurist, Schriftsteller 1: 260, 303 Beck Leonhard; um 1480 Augsburg/Deutschland, 1542 ebd.; Maler, Holzschneider 1: 101, 164 Beckman Jury 2: 316, 340 Beckmann Max; 1884 Leipzig/Deutschland, 1950 New York/USA; Maler, Grafiker, Schriftsteller, Hochschullehrer 1: 250, 267, 299, 307 Beer Rudolf; 1885 Graz/Österreich, 1938 Wien/Österreich; Theatermann 1: 228, 290, 293, 294 Beethoven Ludwig van; 1770 Bonn/Deutschland, 1827 Wien/Österreich; Komponist 1: 175, 198, 261, 305, 360; 2: 208 Beets Nicolaas; 1878 Jakarta/Indonesien, 1963 Amsterdam/Niederlande; Kunsthistoriker, Kunsthändler, Museumsmann, Kunstsammler 2: 52 Begarelli Antonio; um 1500 Modena/Italien, 1565 ebd.; Plastiker 2: 231 Beham Barthel; 1502 Nürnberg/Deutschland, 1540 ?/Italien; Maler, Zeichner, Kupferstecher 2: 27, 42 Beham Hans Sebald; 1500 Nürnberg/Deutschland, 1550 Frankfurt am Main/ Deutschland; Maler, Zeichner, Kupferstecher 2: 27, 42 Behrens Peter; 1868 Hamburg/Deutschland, 1940 Berlin/Deutschland; Architekt, Maler, Hochschullehrer 1: 137, 180 Bell Charles Francis (C. F. ); 1871 Richmond/England, 1966 London/England; Museumsleiter 2: 111, 141 Bellange Jacques; nach 1600 in Nancy/Frankreich tätig; Radierer 1: 37; 2: 339 Bellini Giovanni; um 1435 Venedig/Italien, 1516 ebd.; Medailleur, Maler 2: 26, 63, 93, 186, 188, 194, 242, 243, 247, 327, 328, 341, 343 Bellini Jacopo; um 1400 Venedig/Italien, um 1470/71 ebd.; Maler 2: 102, 237, 251 Bembo Pietro; 1470 Venedig/Italien, 1547 Rom/Italien; Humanist, Dichter, Kleriker 2: 153, 169 Benda Gustav; 1846 ?, 1932 Wien/Österreich; Industrieller, Kunstsammler 2: 154, 169 Benedetto di Pietro dal Mugello (Abbas Benedictus); 1389 Provinz Mugello/Italien, 1448 Florenz/Italien; Kalligraf, Kleriker 2: 235, 283 Benesch Eva (Evchen), geb. Steiner; 1905–1983; Tochter von Hugo und Lilly S., verh. mit Otto B. 1: 208, 214, 244, 279, 297, 311, 312, 366, 439, 453; 2: 84, 257, 327, 338, 342 Benesch Otto; 1896 Ebenfurth/Österreich, 1964 Wien/Österreich; Kunsthistoriker, Museumsleiter, Hochschullehrer 1: 138; 2: 32, 219, 270, 275, 304, 311, 327, 335, 338 Benoit Pierre; 1866 Albi/Frankreich, 1962 Ciboure/Frankreich; Schriftsteller 2: 189, 259 Benozzo Gozzoli (Benozzo di Lese); um 1420 Florenz/Italien, 1497 Pistoia/Italien; Maler 2: 119 16

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Bérard Christian; 1902 Paris/Frankreich, 1949 ebd.; Maler, Designer, Bühnenbildner 2: 35, 61 Bercken Erich von der; 1885 Lennep/Deutschland, ?; Kunsthistoriker, Museumsmann 1: 107, 109, 237 Berensons Bernard (Bibi, Bernhard Valvrojenski); 1865 Butrimonys/Litauen, 1959 Florenz/Italien; Kunsthistoriker, Kunsthändler, Kunstsammler 1: 94, 162; 2: 41, 63, 108, 140, 194, 228 – 230, 233, 279, 280, 283, 341 Berg Helene, geb. Nahowski; 1885 Wien/Österreich, 1976 ebd.; verh. mit dem Komponisten Alban Berg (1885–1935) 1: 231, 291 Berger Arthur; 1892 Wien/Österreich, 1981 Moskau/UdSSR; Architekt, Designer 1: 155, 181, 28, 83; 2: 256 Berger Josef (Pepi); 1898 Wien/Österreich, 1989 London/England; Architekt, Designer 1: 48, 155, 181, 184, 225, 235, 243, 283; 2: 256 Bergner Elisabeth (Ettel); 1897 Drohobytsch/Ukraine, 1986 London/England; Schauspielerin, Regisseurin 1: 26, 56, 89, 110, 121, 123, 146, 156, 161, 168, 173, 198, 204, 226, 233 – 237, 254, 271, 294, 300, 363, 379; 2: 190, 193, 199, 265 Berl Flora, geb. Zierer; Wien; Mutter von Mizzi B., verh. mit Oskar B. 1: 115, 124, 137, 139, 145, 174, 183, 184, 206, 311, 364, 382 Berl Marie (Mizzi), verw. Gebauer-Fülnegg, verh. Benedict; 1900 Wien/Österreich, ?; Tochter von Oskar und Flora B. 1: 124, 134, 135, 137, 139, 145, 174, 206, 223, 278, 382 Berl Oskar; 1873 Wien/Österreich, 1934 ebd.; Industrieller 1: 114, 115, 124, 137, 139, 145, 174, 183, 184, 364, 382 Bernatzik; Wien 1: 108, 166 Bernau Alfred (Breidbach); 1879 Engers bei Neuwied/Deutschland, 1950 St. Wolfgang/Österreich; Theatermann 1: 135 Bernoulli Rudolf; 1880–1948 Schweiz; Kunsthistoriker, Hochschullehrer, Sammlungsleiter 2: 25, 54, 306 Berruguete Alonso (Berregute); um 1490 Paredes de Nava/Spanien, 1561 Valladolid/ Spanien; Bildhauer, Maler, Architekt 1: 425 Bertoldo di Giovanni; 15. Jh. Florenz; Bildhauer 2: 86, 102 Bertrand Claire (Bertrand-Eisenschitz); 1890 Sévere/Frankreich, 1969 Paris/Frankreich; Malerin, verh. mit Willi E. 2: 35, 61 Bianchi Bandinelli Ranuccio; 1900 Siena/Italien, 1975 Rom/Italien; Archäologe, Hochschullehrer, Publizist 2: 225, 277 Bier Herbert Norman; 1905 Frankfurt am Main/Deutschland, 1981 London/England; Kunsthändler 2: 194, 196, 261 Bier Justus; 1899 Nürnberg/Deutschland, 1990 Raleigh/USA; Kunsthistoriker, Kunstsammler, Hochschullehrer, Museumsleiter 2: 72, 124 17

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Billinger Richard; 1890 St. Marienkirchen/Österreich, 1965 Linz/Österreich; Dichter, Schriftsteller 1: 230, 290 Bing Gertrud; 1892 Hamburg/Deutschland, 1964 London/England; Philosophin, Institutsleiterin 2: 82, 101, 138 Binyon Laurence Robert; 1869 Lancaster/England, 1943 Reading/England; Schriftsteller, Museumsmann 2: 101 Bischof; Paris/Frankreich; Botschaftsangehöriger 2: 205 Bismarck Otto von; 1815 Schönhausen/Deutschland, 1898 Friedrichsruh bei Hamburg/Deutschland; deutscher Reichskanzler 1: 62 Bittner Julius; 1874 Wien/Österreich, 1939 ebd.; Jurist, Komponist, Ministerialbeamter 1: 101, 237, 294, 295 Bizet Georges (Alexandre Cesar Leopold); 1838 Paris/Frankreich, 1875 Bougival/ Frankreich; Komponist 1: 264, 306 Blaschitz Philomena (Mena); Wien/Österreich; Musikpädagogin 1: 114, 169, 243 Blei Sibylla (Maria Eva, Bley) verh. Lieben; 1897 Zürich/Schweiz, 1962 ?; Schauspielerin 1: 214, 283 Bleibtreu Hedwig; 1868 Linz/Österreich, 1958 Wien/Österreich; Schauspielerin 1: 214, 283, 361 Bloch-Bauer Adele, geb. Bauer; 1881 Wien/Österreich, 1925 ebd.; Kunstsammlerin, Mäzenin 1: 317, 368 Bloemaert Cornelius; um 1603 Utrecht/Niederlande, um 1685 Rom/Italien; Maler, Kupferstecher 2: 98 Blum André; Paris; Archivar, Bibliothekar, Museumsmann 2: 188, 189, 258, 259 Böcklin Arnold; 1827 Basel/Schweiz, 1901 San Domenico/Italien; Maler, Bildhauer 2: 245 Bodmer Heinrich Daniel; 1885 Zürich/Schweiz, 1950 ?; Kunsthistoriker, Institutsleiter 2: 228, 230, 238, 262, 279 Boeckl Herbert (Böckl); 1894 Klagenfurt/Österreich, 1966 Wien/Österreich; Maler, Hochschullehrer 1: 37, 140, 141, 149, 182, 355; 2: 34, 59 Bogailei Kleophas (Ludwig Reischl); 1901 Wien/Österreich, 1989 ?; Maler 2: 35, 183 Boldrini Niccolò; 1. Hälfte 16. Jh.; Italien; Holzschneider 1: 251, 300 Bondi Lea, verh. Bondi-Jaray; 1880 Mainz/Deutschland, 1969 ?/England; Kunsthändlerin, Galeristin 1: 62, 138, 158, 175, 219, 236, 270, 294, 312 Bondy Walter; 1880 Prag/Tschechische Republik, 1940 Toulon/Frankreich; Maler, Kunstsammler, Galerist, Publizist 1: 292, 360 Bonham Mrs.; London; Quartiergeberin der Tietzes 2: 109, 156, 171 Bonifazio (Natale di Girolamo); Šibenik/Kroatien, 2. Hälfte 16. Jh. tätig in Rom; Zeichner, Kupferstecher 2: 214 Borcht Van der Hendrik, d. Ä.; 1583 Brüssel/Belgien, um 1660 Frankfurt am Main/ Deutschland; Maler, Radierer 2: 120, 142, 152, 168, 169 18

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Borcht Van der Hendrik, d. J.; 1614 Frankenthal/Deutschland, um 1676 ?/Deutschland; Maler, Radierer 2: 169 Bordone Paris (Parschalinus); 1500 Treviso/Italien, 1571 Venedig/Italien; Maler 2: 90, 106, 151, 195, 196, 251, 263 Borenius Tancred; 1885 Wyborg (Viipuri)/Russland, 1948 Coombe Bissett/England; Kunsthistoriker, Diplomat, Hochschullehrer, Kunsthändler, Kunstsammler 2: 84, 88, 94, 111, 119, 123, 131, 141, 142, 154, 170, 197, 198, 264, 332 Born Wolfgang; 1893 Wrocław (Breslau)/Polen, 1949 New York/USA; Maler, Kunsthistoriker, Hochschullehrer 2: 153, 169 Borronus Prinz; Mailand; Kunstsammler 2: 250, 290 Bosch (van Aeken) Hieronymus um 1450 ’s-Hertogenboschh/Niederlande, 1516 ebd.; Maler 1: 37, 150, 154, 415; 2: 46, 65 Bottenwieser Paul; Berlin, Frankfurt am Main, London, New York; Kunsthändler, Kunstsammler 2: 88, 95, 205, 268 Botticelli Sandro (Alessandro Filipepi); um 1445 Florenz/Italien, 1510 ebd.; Maler 1: 191, 257, 267, 302, 313, 315, 367; 2: 239, 286 Bourgeois Peter Francis; 1753 London/England, 1811 ebd.; Maler, Kunsthändler, Kunstsammler 2: 100 Bouts Dierick (Dieric); um 1420 Haarlem/Niederlande, 1475 Leuven/Belgien; Maler 1: 404, 443; 2: 48 Brahms Johannes; 1833 Hamburg/Deutschland, 1897 Wien/Österreich; Komponist, Pianist, Dirigent 1: 38, 166, 275, 280 Braque Georges; 1882 Argenteuil/Frankreich, 1963 Paris/Frankreich; Maler, Grafiker 1: 111 Breton André; 1896 Tichebray/Frankreich, 1966 Paris/Frankreich; Dichter, Schriftsteller 2: 186 Breu Jörg d. Ä.; um 1480 Augsburg/Deutschland, 1537 ebd.; Maler, Zeichner für Holzschnitt 2: 106 Breuer Otto; 1897 Wien/Österreich, 1938 (Selbstmord) Purkersdorf bei Wien/Österreich; Architekt, Designer 1: 220, 286; 2: 328, 343 Breughel (Bruegel, Brueghel) Jan d. Ä.; um 1568 Brüssel/Belgien, um 1625 Antwerpen/Belgien; Maler 1: 250, 299; 2: 151 Breughel (Bruegel, Brueghel) Pieter d. Ä.; um 1525 Breda/Niederlande, 1569 Brüssel/Belgien; Maler 2: 70, 93, 123, 134, 196, 198 Brockhausen Carl; 1859 Emmerich am Rhein/Deutschland, 1951 Kitzbühel/Österreich; Jurist, Hochschullehrer, Staatsbeamter, Volksbildner 1: 210 – 212, 243, 281 Brockhausen Elsa, geb. Doppler; verh. mit Carl B. 1: 210 Bronzino Agnolo (Agniolo di Cosimo di Mariano); 1503 Monticelli/Italien, 1572 Florenz/Italien; Maler 1: 422 19

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Brooks Philippa (Bippa); USA/Paris; Verlobte von Max Edel 2: 172, 183 – 186, 202, 204, 221, 326, 342 Bruhns Leopold (Leo); 1884 Nissi/Estland, 1957 Rom/Italien; Kunsthistoriker, Hochschullehrer, Institutsleiter 2: 216, 273 Brüll Marie (Tante Brüll), geb. Schosberg; 1861–1932 1: 105, 166 Brunner Otto; 1898 Mödling/Österreich, 1982 Hamburg/Deutschland; Historiker, Institutsleiter, Hochschullehrer 2: 217, 273, 274 Buchner Ernst; 1892 München/Deutschland, 1962 ebd.; Kunsthistoriker, Museumsleiter 2: 255, 318 Buisman Hendrik van Borssum; 1873 Wieringerwaard/Niederlande, 1951 Haarlem/ Niederlande; Maler, Museumsleiter 2: 71 Bunzl Max; 1909 Wien/Österreich, 1974 Lugano/Schweiz; Unternehmer 2: 306, 336 Buonarroti Michelangelo; 1475 Caprese/Italien, 1564 Rom/Italien; Bildhauer, Maler, Architekt, Dichter 1: 35, 148, 160, 248, 298, 343; 2: 46, 65, 74, 87, 88, 91, 99, 110, 132, 140, 222, 234, 239, 242, 245, 246, 286, 289, 327 Burchard Ludwig; 1886 Mainz/Deuschland, 1960 London/England; Kunsthistoriker, Publizist 2: 36, 62, 72, 124, 128 Burg Hermann; 1878 Essen/Deutschland, 1946 ?; Jurist, Kunsthistoriker, Kunsthändler 2: 48, 52, 63, 65 – 67, 70 – 72, 80, 83, 85, 88, 92, 94, 96, 97, 99, 102, 108, 154, 155, 192 – 196, 199, 202, 203, 205, 219, 222, 224, 225, 227, 228, 232, 238, 245, 248, 261, 275, 276, 297, 307, 310 – 312, 326, 339 Burg Hermine (Herminchen); Tochter von Hermann und Margret B. 2: 52, 67, 194, 311 Burg Margret; Kunsthändlerin, verh. mit Hermann B. 2: 48, 52, 70, 72, 80, 83, 85, 88, 94, 96, 97, 99, 102, 108, 154, 155, 192 – 196, 199, 202, 205, 219, 222, 224, 227, 228, 248, 261, 275, 297, 310 – 312, 326 Burgkmair Hans d. Ä.; 1473 Augsburg/Deutschland, 1531 ebd.; Maler 2: 319 Buschbeck Ernst; 1889 Wien/Österreich, 1963 (Unfall)/Portugal; Kunsthistoriker, Publizist, Museumsleiter 1: 37, 109, 129, 138, 150, 154, 167, 175, 177, 218, 238, 253, 285, 294, 317, 341, 368, 372, 450; 2: 37, 59, 304, 335 Buschbeck Johanna, geb. Zimmermann; 1889- ?; verh. mit Ernst B. 1: 218, 285 Busch Fritz; 1890 Siegen/Deutschland, 1951 London/England; Dirigent 2: 75, 126 Byk; Wien; Gutachter 1: 41, 153 Byron George (Lord Byron); 1788 London/England, 1824 (Selbstmord) Messolonghi/Griechenland; Dichter, Freiheitskämpfer 2: 199 Calcar Jan Stephan van (Giovanni da Calcar, van Kalcker); um 1500 Kleve ?/ Deutschland, um 1546 Neapel/Italien; Maler, Zeichner 2: 29, 90, 133, 151 Calderón de la Barca Pedro; 1600 Madrid/Spanien, 1681 ebd.; Schriftsteller, Kleriker 1: 125, 175 20

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Caliari Benedetto; um 1538 Verona/Italien, 1598 Venedig/Italien; Maler, Bruder des Paolo Veronese 2: 151 Caliari Carlo (Carletto); 1570 Venedig/Italien, 1596 ebd.; Maler 2: 204, 267, 297, 331 Callot Jacques; um 1594 Nancy/Frankreich, 1635 ebd.; Radierer, Kupferstecher 1: 259, 370; 2: 181 Cambiaso Luca (Cangiaso); 1527 Moneglia/Italien, 1585 San Lorenzo de El Escorial/Spanien; Maler, Bildhauer 2: 209, 270 Campagnola Domenico; um 1500 ?/Italien, um 1564 Padua/Italien; Maler, Zeichner, Kupferstecher 2: 331 Campagnola Giulio; um 1482 Padua/Italien, um 1515 ?; Maler, Kupferstecher, Vater des Domenico C. 2: 74, 90, 124, 139 Campi Antonio; um 1522 Cremona/Italien, um 1587 ebd.; Maler, Bildhauer, Architekt, Dichter 2: 311 Campi Giulio; um 1502 Cremona/Italien, um 1571 ?/Italien; Maler, Architekt 2: 132, 328 Canetti Elias; 1905 Ruse (Rustschuk)/Bulgarien, 1994 Zürich/Schweiz; Schriftsteller 2: 157 Canlassi Guido (Cagnacci); 1601 San Arcangelo di Romagna/Italien, 1681 Wien/ Österreich; Maler, Kupferstecher 2: 239 Canuti Domenico Maria; 1620 Bologna/Italien, 1684 Rom/Italien; Maler 2: 316 Čapek Karel; 1890 Malé Svatoňovice/Tschechische Republik, 1938 Prag/Tschechische Republik; Schriftsteller 1: 119, 172 Cariani Giovanni (de’ Busi); um 1490 ?/Italien, um 1547 Venedig/Italien; Maler 2: 83, 108, 242, 243, 318, 327, 341 Carnegiani; ev. Careggiani; Venedig 2: 293, 331 Carpaccio Benedetto; 16. Jh. in Venedig tätig; Maler, Sohn von Vittore C. 2: 300, 334 Carpaccio Vittore; um 1460 Venedig/Italien, um 1526 ebd.; Maler 2: 119, 181, 188, 196, 222 Carpentier Georges; 1894 Liévin/Frankreich, 1975 Paris/Frankreich; Boxer, Schauspieler 1: 230, 290 Carracci Annibale; 1560 Bologna/Italien, 1609 Rom/Italien; Maler, Kupferstecher, Bruder von Agostino C., Vetter von Ludovico C. 2: 34, 61, 74, 125 Carracci Ludovico; 1555 Bologna/Italien, 1619 Bologna/Italien; Maler, Vetter von Annibale u. Agostino C. 2: 74, 119 Casolani Alessandro di Agostino; 1552 Siena/Italien, 1606 ebd.; Maler 2: 200, 201 Cassirer Kurt; 1883 Gdańsk (Danzig)/Polen, 1975 ?; Kunsthistoriker, Kunsthändler 2: 215 Cassirer Paul; 1871 Görlitz/Deutschland, 1926 (Selbstmord) Berlin/Deutschland; Galerist, Verleger, Kunsthändler 1: 141, 158, 209, 279; 2: 127, 128 21

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Cassirer Toni, geb. Bondy; 1883 Wien/Österreich, 1961 New York/USA; Schwester von Walter B., verh. mit dem Philosphen Ernst C. (1874–1945) 1: 232, 292 Castagno Andrea dal; 1. Hälfte 15. Jh. Florenz; Maler 1: 447; 2: 237 Castelfranco Giorgio; 1896 Venedig/Italien, 1978 Rom/Italien; Kunsthistoriker, Museumsmann 2: 241 Castiglione Giovanni Benedetto (il Grechetto); um 1609 Genua/Italien, 1664 Mantua/Italien; Maler, Kupferstecher 1: 48, 394, 441 Castiglioni Camillo; 1879 Triest/Italien, 1957 Rom/Italien; Industrieller, Kunstsammler, Mäzen 1: 38, 94, 150, 151, 162, 204, 275 Cate, auch Kati; USA; ehemaliges Gastkind der Tietzes 2: 157, 171, 274 Cavendish Evelyn; 1870–1960 Chatsworth House (Derbyshire)/England; Duchess of Devonshire, Oberhofmeisterin 2: 145, 149, 167 Cavendish Victor; 1868 London/England, 1938 Chatsworth House (Derbyshire)/ England; Duke of Devonshire, Politiker, Landadel, Kunstbesitzer 2: 145, 167, 168 Cérenville René de; 1875–1968 Lausanne/Schweiz; Kunstsammler, Kunsthändler 2: 30, 308 Černík Berthold; 1879 Klosterneuburg/Österreich, 1962 ebd.; Kleriker, Hochschullehrer, Sammlungsleiter 1: 253, 301 Cézanne Paul; 1839 Aix-en-Provence/Frankreich, 1906 ebd.; Maler, Grafiker 1: 112, 168, 213, 266, 425; 2: 96, 235, 284 Chagall Marc (Zaharovich Moishe); 1887 Liozna/Weißrussland, 1985 Saint Paul de Vence/Frankreich; Maler, Grafiker, Glaskünstler 1: 62, 112, 276 Chamberlain Neville; 1869 Birmingham/England, 1940 Reading/England; konservativer Politiker, Premierminister 2: 271, 320, 323, 341 Chauchard Alfred; 1821 Les Mureaux/Frankreich, 1909 Paris/Frankreich; Unternehmer, Kunstsammler, Mäzen 2: 188, 259 Chirico Giorgio di; 1888 Volos/Griechenland, 1978 Rom/Italien; Maler, Grafiker 2: 186 Chodowiecki Daniel; 1726 Gdańsk (Danzig)/Polen, 1801 Berlin/Deutschland; Grafiker, Kupfersteche 1: 37, 40 Christ Tobias; 1888 Basel/Schweiz, 1946 ebd.; Jurist, Kunstsammler 2: 28, 180, 182, 254, 308 Christian Viktor; 1885 Wien/Österreich, 1963 ebd.; Orientalist, Völkerkundler, Museumsmann, Hochschullehrer 2: 242, 288 Christine; London; Freundin der Tietzes 2: 80, 81, 88, 105, 129, 153, 190, 193, 198, 203, 260 Churchill Stella, geb. Myers; 1883 Birmingham/England, 1954 London/England; Medizinerin, Psychologin, Sozialpolitikerin 2: 87, 109, 132, 141, 152, 155, 168, 190, 192, 195, 197, 199, 200, 210, 219, 222, 261, 276 Cimabue (Cenni di Peppo); 2. Hälfte 13. Jh., Florenz; Maler, Mosaizist 1: 267 22

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Cima da Conegliano (Giovanni Battista); um 1460 Conegliano/Italien, 1517 ebd.; Maler 1: 350, 377; 2: 148 Cincani Bartolomeo (Montagna); um 1450 Orzinuovi/Italien, 1523 Vicenza/Italien; Maler 2: 194 Cipriani; Florenz; Fotograf 2: 224 Cis; siehe Havas Francis Claricini (Dornpacher); Bottenicco/Italien 1: 350 Clark Kenneth McKenzie; 1903 London/England, 1983 Hythe/England; Kunsthistoriker, Museumsleiter, Hochschullehrer, Publizist 2: 79, 81, 96, 97, 107, 128, 134, 153, 154, 170, 192, 197, 264 Claudel Paul; 1868 Villeneuve-sur-Fère/Frankreich, 1955 Paris/Frankreich; Schriftsteller, Diplomat 1: 222, 286, 287 Clemen Paul; 1866 Sommerfeld bei Leipzig/Deutschland, 1947 Endorf/Deutschland; Kunsthistoriker, Denkmalpfleger, Hochschullehrer 1: 63, 158, 242, 243, 286, 296, 376, 442; 2: 229, 332 Coignet Gillis (Congnet, Quiniet); 2. Hälfte 16. Jh., Antwerpen/Belgien; Maler 1: 299 Comello; Turin/Italien; Fotograf 2: 208 Conrad-Billroth Frau; Wien 1: 136 Conrat Hugo (Cohn); 1845 Wrocław (Breslau)/Polen, 1906 Berlin/Deutschland; Unternehmer, ETCs Vater 1: 275 Conrat Ida, geb. Kohn; 1857 Wien/Österreich, 1938 ebd.; ETCs Mutter 1: 36, 38, 166, 178, 271, 275, 288, 303; 2: 253, 275, 301, 334 Constable John; 1776 East Bergholt/England, 1837 London/England; Maler 2: 75 Contini-Bonacossi Alessandro; 1878 Ancona/Italien, 1955 Florenz/Italien; Kunsthändler, Kunstsammler 2: 234, 237, 239, 284 Contini-Bonacossi Augusto Alessandro; 1899–1994; Sohn von Alessandro und Erminia C. 2: 237 Contini-Bonacossi Erminia, geb. Galli; 1871–1949; verh. mit Alessandro C. 2: 237 Cook Walter William Spencer (W. S.); 1888 Orange/USA, 1968 (Schiff am Nordatlantik); Kunsthistoriker, Institutsleiter, Hochschullehrer 2: 222, 275, 286 Corda Mária (Farkas Mária Antónia); 1898 Déva/Rumänien, 1976 Thônex/Schweiz; Schauspielerin 2: 95, 136 Cordoba Juan de; 2. Hälfte 15. Jh., Spanien; Bildhauer, Maler 1: 414, 446 Corinth Lovis; 1858 Gwardeisk/Russland, 1925 Zandvoort/Niederlande; Maler, Grafiker 1: 416 Corla; Maler 2: 181, 232 Corneille Michel d. J. (Michel Ange); 1642 Paris/Frankreich, 1708 ebd.; Maler, Radierer 2: 90, 133 Cornell Pierre; Florenz/Italien; Freund von Andreas Tietze 2: 232, 234, 235, 238, 283 23

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Corona Lionardo; um 1561 Murano/Italien, 1605 Venedig/Italien; Maler 2: 90 Corot ( Jean Baptiste) Camille; 1796 Paris/Frankreich, 1875 ebd.; Maler 2: 313 Correggio (Antonio Allegri); um 1494 Correggio/Italien, 1534 ebd.; Maler 1: 312, 317, 350; 2: 32, 145, 241, 248, 249 Coubine Othon (Otokar Kubin); 1883 Boskovice (Boskowitz)/Tschechische Republik, 1969 Marseille/Frankreich; Maler, Grafiker 1: 243 Courbet Gustave; 1819 Ornans/Frankreich, 1877 La Tour de Peilz/Schweiz; Maler, Grafiker 1: 265, 306, 394, 441; 2: 157 Courboin François; 1865 Chaumont-Porcien/Frankreich, 1926 Ajaccio/Frankreich; Sammlungsleiter, Bibliothekar, Maler, Grafiker 1: 216, 285 Covalini; Udine; Maler, Restaurator 1: 349, 377 Cranach Lucas d. Ä.; 1472 Kronach/Deutschland, 1553 Weimar/Deutschland; Maler, Kupferstecher, Zeichner 1: 254; 2: 25, 27, 28, 32, 185, 318, 320 Crespi Giuseppe Maria; 1665 Bologna/Italien, 1747 Venedig/Italien; Maler, Radierer 2: 44, 64, 235 Crivelli Carlo; um 1430 ?/Italien, um 1494 ?/Italien; Maler 2: 48 Csokor Franz Theodor; 1885 Wien/Österreich, 1969 ebd.; Schriftsteller, Regisseur 1: 128, 136, 180 Cysarz Herbert; 1896 (Bohumín) Oderberg/Tschechische Republik, 1985 München/Deutschland; Germanist, Hochschullehrer 1: 339, 372 Czeczowicka Edwin; 1877 Přerov (Prerau)/Tschechische Republik, 1971 London/ England; Industrieller, Kunstsammler 1: 163; 2: 181 Czinner Paul; 1890 Budapest/Ungarn, 1972 London/England; Filmregisseur, Filmproduzent 1: 173; 2: 193, 199, 260, 265 Daladier Édouard; 1884 Carpentras/Frankreich, 1970 Paris/Frankreich; Premierminister, Politiker der radikalen Partei 2: 323, 341 Dalí Salvador; 1904 Figueres/Spanien, 1989 ebd.; Maler, Bildhauer, Schriftsteller 2: 186 D’Alvino Giuseppe (il Sozzo); um 1550 Palermo/Italien, 1611 ebd.; Maler 2: 327, 342 Damini Pietro; um 1590 Castelfranco/Italien, 1631 Padua/Italien; Maler 2: 90 D’Annunzio Gabriele; 1863 Pescara/Italien, 1938 Gardone/Italien; Schriftsteller, Politiker 1: 221, 249, 298 Da Messina Antonello; um 1430 Messina/Italien, 1479 ebd.; Maler 2: 151, 242, 243, 305 Dante Alighieri (Durante degli Alighieri); 1265 Florenz/Italien, 1321 Ravenna/Italien; Dichter, Philosoph 1: 264, 305; 2: 303, 334 Daumier Honoré; 1808 Marseille/Frankreich, 1879 Valmondois/Frankreich; Maler, Bildhauer, Karikaturist 1: 394, 421, 441; 2: 29, 39, 62, 185 24

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David Gerard; um 1460 Oudewater/Niederlande, 1523 Brügge/Belgien; Maler 2: 25 David Louis ( Jacques Louis); 1748 Paris/Frankreich, 1825 Brüssel/Belgien; Maler 1: 56 De Bruyn; Lausanne 2: 29 Debucourt Louis Philibert; 1755 Paris/Frankreich, 1832 ebd.; Maler, Kupferstecher 2: 325 Defendente Ferrari; um 1500 in Italien tätig; Maler 2: 208 Defregger Franz von; 1835 bei Stronach/Österreich, 1921 München/Deutschland; Maler 1: 107, 166 Degas Edgar (Hilaire Germain Edgar de Gas); 1834 Paris/Frankreich, 1917 ebd.; Maler, Grafiker, Bildhauer 1: 62, 98; 2: 34, 40, 41, 61, 63, 96, 188, 258 Degenhart Bernhard; 1907 München/Deutschland, 1999 ?; Kunsthistoriker 2: 216, 273 Dehio Georg; 1850 Reval (Tallinn)/Estland, 1932 Tübingen/Deutschland; Kunsthistoriker, Denkmalpfleger, Hochschullehrer 1: 253, 301 De Jonge Caroline Henriëtte (Carla); 1886 Dordrecht/Niederlande, 1972 ’s Gravenhage/Niederlande; Literaturwissenschaftlerin, Kunsthistorikerin, Museumsleiterin 1: 98, 164; 2: 69, 71, 122, 307, 311, 312, 338, 339 Delacroix Eugène; 1798 Charenton-Saint-Maurice/Frankreich, 1863 Paris/Frankreich; Maler, Grafiker 2: 157, 159, 171, 320, 324, 342 Delaere Professor; Gent/Belgien; Kunstsammler 2: 48 Delbanco Gustav; 1903 Hamburg/Deutschland, 1997 London/England; Kunsthändler 1: 232, 292; 2: 90, 149, 194 Della Vècchia (Vecchio) Pietro; 1603 Vicenza/Italien, 1678 Venedig/Italien; Maler 2: 84, 131, 243, 288 Dell’ Acqua Gian Alberto; 1909 Mailand/Italien, 2004 ebd.; Kunsthistoriker, Kunstkritiker, Museumsleiter, Hochschullehrer 2: 246 De Marinis Angelo Giovanni (Marini Angelo); 1550–1584 in Sizilien nachweisbar; Bildhauer 2: 328 De Nanto Francesco; 1. Hälfte 16. Jh. in Italien tätig; Holzschneider, Zeichner, Maler 2: 152, 169 Dengel Ignaz; 1872 Elbigenalp/Österreich, 1947 Innsbruck/Österreich; Historiker, Institutsleiter, Hochschullehrer 2: 215, 272 De Nicola Giacomo; 1879 Rom/Italien, 1926 (Selbstmord) Florenz/Italien; Kunsthistoriker, Museumsleiter, Kunsthändler 1: 94, 162; 2: 235 Derain André; 1880 Chatou/Frankreich, 1954 Garches/Frankreich; Maler, Bildhauer, Grafiker 1: 37 De Rinaldis Aldo; 1881 Neapel/Italien, 1948 Rom/Italien; Kunsthistoriker, Kunstkritiker, Museumsleiter, Hochschullehrer 2: 214 25

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Despiau Charles; 1874 Mont-de-Marsan/Frankreich, 1946 Paris/Frankreich; Bildhauer 2: 45, 156 Dessoir Max; 1867 Berlin/Deutschland, 1947 Königstein im Taunus/Deutschland; Philosoph, Psychologe, Kunstwissenschaftler, Hochschullehrer 1: 346 Dessoir Susanne, geb. Triepel; 1869 Zielona Góra/Polen, 1953 Königstein im Taunus/Deutschland; Sängerin, verh. mit Max D. 1: 346 Deutsch Manuel; siehe Manuel Niklaus De Vries Adriaen (Fries, Frys); um 1560 Den Haag/Niederlande, 1626 Prag/Tschechische Republik; Bildhauer, Ziseleur, Maler 2: 26 De Vries Ary Bob; 1905 Amsterdam/Niederlande, 1983 ?/Niederlande; Kunsthistoriker, Museumsleiter, Hochschullehrer 2: 52, 66, 71, 123, 311 De Vries Irene, geb. Gunsbourg (Günzburg); Russland; verh. mit Ary Bob de Vries 2: 71 Di Cosimo Piero (Piero di Lorenzo); um 1462 Florenz/Italien, um 1521 ebd.; Maler 2: 181, 194, 196, 198 Di Pietro Giovanni (Lo Spagna); 2. Hälfte 15. Jh. in Italien tätig; Maler 2: 104 Döblin Alfred; 1878 Szczecin (Stettin)/Polen, 1957 Emmendingen/Deutschland; Schriftsteller, Mediziner 1: 109, 124, 174, 200, 272 Dodgson Campbell; 1867 Crayford/England, 1948 London/England; Kunsthistoriker, Museumsmann, Publizist, Übersetzer 1: 59, 157, 355, 378; 2: 56, 75, 76, 84, 97, 101, 102, 125, 138, 320 Dodgson Frances Catherine, geb. Spooner; 1883–1954; verh. mit Campbell D. 1: 59 Doelter Mia, geb. Schilgerius Wien; Malerin, Hofratsgattin 1: 411 Dolbin Benedikt Fred (Pollak); 1883 Wien/Österreich, 1971 New York/USA; Karikaturist, Musiker, Mathematiker, Kunstsammler 1: 63, 128, 158, 177, 205, 209, 260 Dolbin Ninon, geb. Ausländer, verh. Hesse; 1895 Czernowitz/Ukraine, 1966 Montagnola/Schweiz; Kunsthistorikerin, Archäologin 1: 129, 177, 216, 260, 285 Dolnicka Maria (Sophia); 1895 Lwiw (Lemberg)/Ukraine, 1974 Wien/Österreich; Malerin, Zeichnerin 1: 357, 379 Donatello (Donato di Niccoló di Betto Bardi); um 1386 Florenz/Italien, 1466 ebd.; Bildhauer 1: 240 Donner Georg Raphael; 1693 Eßlingen/Österreich, 1741 Wien/Österreich; Bildhauer 1: 115, 208, 213, 279 Door Frau; Wien; Witwe nach dem Komponisten Anton Door (Doctor, 1833– 1919) 1: 259, 303 D’Or Lia; Wien 1: 210, 280 Dörmann Felix (Biedermann); 1870 Wien/Österreich, 1928 ebd.; Schriftsteller, Librettist, Produzent 1: 394, 440 Dörnhöffer Friedrich; 1865 Wien/Österreich, 1934 München/Deutschland; Kunsthistoriker, Museumsleiter 2: 245 26

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Dorny Thérèse (Thérèse Jeanne Longo-Dorni); 1891 Paris/Frankreich, 1976 Saint Tropez/Frankreich; Schauspielerin, Freundin des Malers André Dunoyer de Segonzac 2: 42, 64 Dossi Dosso (Giovanni di Luteri, Lutero); ? Ferrara/Italien 2: 28, 107, 190, 227, 238, 278, 303, 334 Douglas Robert Langton; 1864 Lavenham/England, 1951 Fiesole/Italien; Historiker, Kleriker, Kunsthändler, Hochschullehrer, Museumsleiter 2: 80, 83, 130, 198 Drey Franz (Francis); ? München/Deutschland, ? London/England; Kunsthändler 2: 66, 70, 85, 96, 196 Droste-Hülshoff Annette von; 1797 Schloss Hülshoff bei Münster/Deutschland, 1848 Meersburg/Deutschland; Schriftstellerin, Komponistin 1: 27, 144, 183 Duccio di Buoninsegna; um 1255 Siena/Italien, um 1319 ebd.; Maler 1: 37, 150 Dufy Raoul; 1877 Le Havre/Frankreich, 1953 Forcalquier/Frankreich; Maler 2: 157 Durban Deanna (Edna Mae Durbin); 1921 Winnipeg/Canada; Filmschauspielerin 2: 322 Dürer Albrecht; 1471 Nürnberg/Deutschland, 1528 ebd.; Maler, Kupferstecher, Zeichner, Kunsttheoretiker 1: 94, 100, 142, 160, 163, 216, 224, 244, 284, 287, 297, 312, 352, 367, 378, 415, 437, 439, 452; 2: 25, 28, 30, 42, 47, 48, 51, 54, 57, 58, 102 – 104, 107, 110, 113, 117, 125, 134, 138, 140 – 142, 146, 181, 183 – 185, 193, 197, 212, 214, 235, 238, 239, 243, 244, 254 – 256, 263, 268, 270, 284, 285, 289, 303, 306, 318, 324, 325, 327, 328, 334, 339, 343 Duse Eleonora; 1858 Vigevano/Italien, 1924 Pittsburgh/USA; Schauspielerin 1: 247, 254 Duveen of Millbank Joseph; 1869 Hull/England, 1939 London/England; Kunsthändler, Galerist, Mäzen 2: 96, 97, 107, 137, 139, 140, 153, 158, 169, 185, 279 Duvet Jean; 1485 Langres/Frankreich, nach 1561 Langres/Frankreich; Kupferstecher, Goldschmied 2: 189, 193, 195, 202, 203, 259, 329, 343 Dvořák Gisela (Giserl); jüngere Tochter von Max und Rosa D. 1: 131, 136, 137, 178 Dvořák Hermine (Minka); ältere Tochter von Max und Rosa D. 1: 131, 136, 137, 178, 224, 239, 287 Dvořák Max; 1874 Roudnice nad Labem (Raudnitz)/Tschechische Republik, 1921 Hrušovany nad Jevišovkou (Grusbach)/Tschechische Republik; Kunsthistoriker, Denkmalpfleger, Hochschullehrer 1: 140, 153, 159, 178, 180, 182, 183, 251, 264, 270, 273, 286, 287, 296, 299, 305, 449, 453; 2: 65, 283 Dvořák Rosa (Ružica), geb. Jovanovic-Seatovic; Witwe von Max D. 1: 131, 136, 137, 178, 192, 202, 346 Dyck Anthonis van; 1599 Antwerpen/Belgien, 1641 London/England; Maler, Radierer 1: 39, 251, 300; 2: 72, 106, 117, 119, 120, 142, 146, 214, 249, 264, 272 27

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Ebenstein Ernst (Ernest, Erny); 1880 Wien/Österreich, ?; Kunsthistoriker, Kaufmann 1: 116, 170, 230, 231, 236, 290 Ebenstein Viktor; 1888 Wien/Österreich, 1968 ebd.; Pianist, Musikwissenschaftler, Hochschullehrer 1: 230, 290 Eberstaller-Moll Maria; 1899 Wien/Österreich, 1945 (Selbstmord) ebd.; Tochter von Carl Moll, Halbschwester von Alma Mahler-Werfel 1: 38, 150 Eberz Josef; 1880 Limburg an der Lahn/Deutschland, 1942 München/Deutschland; Maler, Grafiker, Illustrator 1: 226, 232, 243, 293, 330, 370 Edel Maximilian (Max); 1906 Wien/Österreich, ?; Bildhauer, Mediziner 2: 34, 37, 40, 41, 61, 157, 158, 160, 172, 183 – 186, 188, 202 – 204, 221, 313, 316, 317, 326, 342 Edlauer Lotte; Wien 1: 66 Edward VII.; 1841 London/England, 1910 ebd.; König von England 2: 104 Eger Paul; 1881 Wien/Österreich, 1947 Luzern/Schweiz; Kunsthistoriker, Theatermann 1: 72, 160 Eggers Frau; Wrocław (Breslau)/Polen; Kunstgewerblerin, Schauspielerin 1: 139 Ehrenstein Albert; 1886 Wien/Österreich, 1950 New York/USA; Dichter, Schriftsteller, Übersetzer 1: 168, 177, 181, 252, 300, 346, 375, 379 Ehrlich Gabriele (Gaby), verh. Loewy; 1899 Wien/Österreich, ?; Chemikerin, Schwester von Georg E. 1: 27, 85, 90, 98, 123, 161, 206, 213, 225, 230, 235, 236, 239, 242, 247, 249, 250, 256, 257, 260, 261, 298, 311, 335, 346, 355, 361, 362 Ehrlich Georg; 1897 Wien/Österreich, 1966 Luzern/Schweiz; Maler, Grafiker, Bildhauer 1: 34, 35, 38, 39, 45, 48, 49, 55, 56, 62, 63, 71, 73 – 77, 84, 85, 87 – 90, 93, 94, 96, 98, 100 – 105, 107, 108, 110 – 113, 116, 117, 120, 121, 123, 124, 126, 128, 131 – 142, 144 – 149, 152, 154, 158 – 162, 168, 171, 173, 180, 183, 189, 191, 192, 194 – 198, 200 – 203, 205, 206, 208, 209, 212, 214 – 216, 218 – 230, 232, 233, 235 – 240, 242, 243, 247, 248, 250 – 252, 254 – 256, 259 – 261, 267, 268, 270, 274, 279, 285, 288, 292, 295, 296, 300, 302, 304, 311 – 319, 330, 332, 334, 337, 338, 344, 346, 355 – 358, 360 – 363, 366, 367, 370, 378, 380 – 382, 391, 398, 406, 415, 422, 431, 436, 437, 440, 442, 453, 454; 2: 93, 99, 134, 158, 172, 190, 193 – 196, 198, 199, 204, 225, 239, 260, 261, 265, 266, 337 Ehrlich Kurt; um 1868 Katowice/Polen, 1938 Wien/Österreich; Vater von Georg und Gaby E. 1: 222; 2: 134 Ehrlich Rosa, geb. Kohn; um 1872 ?, 1937 (Selbstmord) Wien/Österreich; Mutter von Georg und Gaby E. 1: 85, 90, 99, 161, 206, 237, 242; 2: 93, 134 Ehrlich Susanne; 1907 Wien/Österreich, ?; Schwester von Georg und Gaby E. 1: 85, 90, 161 Ehrlich-Bauer Bettina; 1903 Wien/Österreich, 1985 Luzern/Schweiz; Malerin, Grafikerin, Autorin, verh. mit Georg E. 2: 123, 225, 265, 277 Eidlitz Walther; 1892 Wien/Österreich, 1976 Vayholm/Schweden; Schriftsteller 1: 136, 138, 141, 182, 192, 212 – 214, 218, 283, 285, 291, 317, 368 28

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Eigenberger Robert; 1890 Sedlec (Sedlitz)/Tschechische Republik, 1979 Wien/ Öster­reich; Maler, Restaurator, Kunsthistoriker, Hochschullehrer, Museumsleiter 1: 39, 152, 165, 359; 2: 29, 57 Einkemer Frl.; Rom/Italien 2: 210, 270 Eisenschitz David; 1916 Internierungslager bei Angers/Frankreich, ?; Sohn von Willy E. und Claire Bertrand 2: 35, 62 Eisenschitz Willy (Eisenschütz); 1889 Wien/Österreich, 1974 Paris/Frankreich; Maler 1: 447; 2: 35, 37, 61, 62, 186, 188 Eisler Max; 1881 Boskovice/Tschechische Republik, 1937 Wien/Österreich; Kunsthistoriker 1: 140, 182, 201, 270, 273 El Greco (Domenikos Theotokopoulos); um 1541 Iráklion/Kreta, 1614 Toledo/Spanien; Maler, Bildhauer, Architekt 1: 388, 389, 409, 415, 416, 420 – 422, 425, 445, 447 – 449, 451; 2: 70, 76, 93, 99, 157, 158, 171, 205, 224, 276 Elias Matthieu; 1658 Noordpeene/Frankreich, 1741 Dunkerque/Frankreich; Maler 2: 44 Elisabeth Amalie Eugenie (Sisi); 1837 München/Deutschland, 1898 (ermordet) Genf/Schweiz; Kaiserin von Österreich, Königin von Ungarn 1: 266, 306 Elisabeth von Thüringen (Elisabeth von Ungarn); 1207 Burg Sárospatak (Patak am Bodrog)/Ungarn, 1231 Marburg an der Lahn/Deutschland; Landgräfin, Heilige der katholischen Kirche 1: 59 Ellesmere Lord, Earl of; England; Landadeliger, Kunstbesitzer 2: 89, 133 Elsheimer Adam (Elzheimer); 1578 Frankfurt am Main/Deutschland, 1610 Rom/ Italien; Maler, Radierer 2: 193 Emmerling Georg; 1870 Wien/Österreich, 1948 ebd.; Vizebürgermeister von Wien 1: 196 Ender-Moll Maria; siehe Eberstaller-Moll Maria Engel-Jánosi Caroline (Carlette), geb. Kallmus; 1897 Paris/Frankreich, 1963 Wien/ Österreich; Kunstschriftstellerin, verh. mit Friedrich E. 2: 217 Engel-Jánosi Friedrich; 1893 Wien/Österreich, 1978 ebd.; Fabrikant, Historiker, Hochschullehrer 2: 217, 273 Epstein Jehudo; 1870 Sluzk/Weißrussland, 1945 Johannesburg/Südafrika; Maler, Hochschullehrer 1: 232, 292, 295 Ermers Max (Maximilian Rosenthal); 1881 Wien/Österreich, 1950 ebd.; Kunstkritiker, Publizist, Schriftsteller 1: 128, 134, 179; 2: 277 Ernst Max; 1891 Brühl/Deutschland, 1976 Paris/Frankreich; Maler, Grafiker, Bildhauer 2: 186 Ettinger Walter; Cousin von Franz Reichsman 2: 327 Eulenberg Herbert; 1876 Köln-Mühlheim/Deutschland, 1949 Kaiserswerth/ Deutschland; Schriftsteller 1: 88, 161, 190, 269; 2: 262 Everdingen; Niederlande; Maler 1: 120 29

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Fabritius Carel; 1622 Midden-Beemster/Niederlande, 1654 Delft/Niederlande; Maler 1: 262, 278, 301; 2: 102 Faistauer Anton; 1887 St. Martin/Österreich, 1930 Wien/Österreich; Maler 2: 34, 40 Farinati Paolo (Farinato); um 1524 Verona/Italien, um 1606 ebd.; Maler, Radierer, Architekt 2: 201, 207, 209, 270, 293, 304, 331, 335 Father Divine (George Baker); um 1879 Savannah/USA, 1965 Philadelphia/USA; Prediger, religiöser Führer 2: 35, 62 Feigl Friedrich (Bedrich); 1884 Prag/Tschechische Republik, 1965 London/England; Maler, Grafiker, Illustrator 1: 132, 144, 203 – 205, 274 Feltrinelli Antonio; 1887 Mailand/Italien, 1942 Gargnano/Italien; Unternehmer, Kunstsammler, Mäzen 2: 305, 335 Fernandel (Fernand Joseph Contandin); 1903 Marseille/Frankreich, 1971 Paris/ Frankreich; Schauspieler, Sänger 2: 181, 190 Ferrari; Mailand/Italien; Kunsthändler 2: 243, 247 Fetti Domenico; um 1589 Rom/Italien, 1624 Venedig/Italien; Maler 2: 241, 250, 290 Feuermann Emanuel (Munio); 1902 Kolomija (Kolomea)/Ukraine, 1942 New York/ USA; Cellist 2: 261, 275, 276, 305, 307, 335, 337 Feuermann Eva, geb. Reifenberg; ?, 2006; verh. mit Emanuel F. 2: 243, 246, 260, 261, 275, 276, 304, 305, 307, 335 Feulner Adolf; 1884 Schwabhausen/Deuschland, 1945 Wiesentheid/Deutschland; Kunsthistoriker, Museumsleiter, Hochschullehrer 2: 42, 63 Fey Emil; 1886 Wien/Österreich, 1938 (Selbstmord) ebd.; Politiker, Militär, Führer der paramilitärischen Heimwehr 2: 217, 274, 313, 339 Fidus (Hugo Höppener); 1868 Lübeck/Deutschland, 1948 Woltersdorf/Deutschland; Maler, Grafiker 2: 29 Figdor Albert; 1843 Baden bei Wien/Österreich, 1927 ebd.; Bankier, Kunstsammler 1: 40, 45, 63, 144, 153, 154, 214, 216, 220, 221, 227, 228, 285, 289, 311, 345, 373, 374 Figdor Wilhelm; 1866 Wien/Österreich, 1938 ebd.; Pflanzenphysiologe 1: 159 Fiocco Giuseppe; 1884 Giacciano con Baruchella/Italien, 1971 Padua/Italien; Kunsthistoriker, Hochschullehrer, Publizist 2: 29, 145, 235, 237, 243, 297, 298, 302 Fiori Ernesto de; 1884 Rom/Italien, 1945 São Paulo/Brasilien; Bildhauer, Maler, Grafiker 1: 62, 63, 158, 268 Fischel Oskar; 1870 Gdańsk (Danzig)/Polen, 1939 London/England; Kunsthistoriker, Hochschullehrer, Museumsmann 2: 205 Fischer Johannes; 1888 ?/Tschechische Republik, 1955 Wien/Österreich; Maler 1: 243 Fischer Maria, geb. Adamovic; 1886–1965; Malerin 1: 59, 157 Fischer Samuel (S. Fischer); 1859 Liptovský Mikuláš (Liptó Szent Miklós)/Slowakei, 1934 Berlin/Deutschland; Verleger 1: 93, 198 30

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Fischer Theodor; 1878–1957 Luzern/Schweiz; Kunsthändler 2: 28, 56 Flandrin Jean Hippolyte; 1809 Lyon/Frankreich, 1864 Rom/Italien; Maler 1: 264, 306 Flechtheim Alfred; 1878 Münster/Deutschland, 1937 London/England; Kunsthändler, Galerist, Kunstsammler 1: 25, 62, 63, 112, 113, 137, 158, 170, 181, 189 – 191, 206, 268, 269, 368 Flechtheim Bertha (Betty), geb. Goldschmidt; 1881 Dortmund/Deutschland, 1941 (Selbstmord) Berlin/Deutschland; verh. mit Alfred F. 1: 189, 190 Fleischmann-Heinemann Rudolf; Kunsthistoriker, Kunsthändler 2: 254 Floch Hermine (Mimi), geb. Fränkl; 1905 Wien/Österreich, 1982 New York/USA; verh. mit Josef F. 1: 369; 2: 60, 171, 183, 186, 187, 201, 204, 205, 268, 316, 317, 320, 326, 337, 340, 342 Floch Josef; 1894 Wien/Österreich, 1977 New York/USA; Maler, Grafiker 1: 94, 102, 123, 129, 139, 163, 190, 192, 200, 201, 203, 205, 208, 210, 215, 218, 220, 221, 230, 232, 233, 236, 238, 249, 251, 252, 258 – 261, 286, 311, 315, 322, 360, 362, 367, 369, 447; 2: 32 – 36, 40, 58 – 60, 62, 114, 153, 156, 157, 160, 161, 171 – 173, 182 – 187, 190, 200, 202 – 206, 256, 260, 266, 268, 313, 316 – 318, 320, 324, 326, 337, 341, 342 Foix Gaston de (Nemours); 1489 Mazères/Frankreich, 1512 Ravenna (Schlachtfeld)/ Italien; Militärführer, Herzog von Nemours 2: 107, 140 Fontana Giulio; im 16. Jh. tätig; Maler, Kupferstecher 2: 244 Fontyn Pieter; 1773 Dordrecht/Niederlande, 1839 ebd.; Maler 2: 117, 142 Foresti; Mailand/Italien; Kunsthändler 2: 247, 249 Fra Angelico (Guido di Pietro, Fra Giovanni da Fiesole); um 1390 bei Fiesole/Italien, 1455 Rom/Italien; Maler, Kleriker 1: 311; 2: 235, 280, 283 Fra Bartolommeo (Bartolommeo Pagholo del Fattorino); 1472 Florenz/Italien, 1517 ebd.; Maler, Kleriker 2: 42, 117 Fraenkel-Conrat Felicia (Lili), geb. Conrat; 1881 Wien/Österreich, 1955 ?/Österreich; zweitälteste Schwester ETCs 1: 112, 113, 145, 149, 153, 228, 229, 260, 261, 289, 290, 304, 312, 331, 334, 337, 358, 362, 371; 2: 64, 222, 230, 231, 247, 274, 275, 280, 300, 305, 333 Fraenkel Heinrich Ludwig (Heinz); 1910 Wrocław (Breslau)/Polen, 1999 San Francisco/USA; Biochemiker, Hochschullehrer, ETCs Neffe 1: 37, 145, 189, 190, 222, 261, 268, 334, 362, 365, 371; 2: 113, 148, 168, 212 Fraenkel Ludwig (Lutz); 1870 Głubczyce (Leobschütz)/Polen, 1951 Bad Ischl/ Öster­reich; Mediziner, Hochschullehrer, ETCs Schwager 1: 228, 261, 289, 290, 328, 331, 362 Fraenkel Maja; siehe Slotta Maja Fragonard Jean-Honoré; 1732 Grasse/Frankreich, 1806 Paris/Frankreich; Maler, Grafiker 2: 181 31

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Francesca Piero della (dei Franceschi); um 1415 Borgo San Sepolcro/Italien, 1492 ebd.; Maler 1: 256 Franckenstein Georg von (George); 1878 Dresden/Deutschland, 1953 (Flugzeugabsturz)/Deutschland; österreichischer Botschafter in England 2: 85, 86, 131 Frangipani Niccolò (Frangipane); 2. Hälfte 16. Jh. in Italien tätig; Maler 2: 324, 342 Frank Dr.; Wien/Österreich; Hausarzt 1: 206, 218 Frank Robert; London/England; Kunsthändler 2: 88, 95, 196 Fränkel Karl (Pimperl-Fränkel); 1895 Wien/Österreich, 1964 ebd.; Maler, Grafiker, Puppenspieler 1: 108, 166, 190, 206, 270, 278 Fränkel-Rothziegel Anna; Puppenmacherin, Schriftstellerin, verh. mit Karl F. 1: 108, 166, 190, 270 Fränkl Ella, geb. Schmidl; Mutter von Mimi Floch und Otto Fränkl, verheiratet mit Bela F. 2: 342 Franken Frans, d. J. (Francken); 1581 Antwerpen/Belgien, 1642 ebd.; Maler 1: 410, 445; 2: 32, 58 Frankl Elise (Else), geb. Kerner; 1880 Wien/Österreich, 1944 KZ Theresienstadt; Mutter des Malers Gerhart F. 1: 354, 378 Frankl Emil; 1868 ?/Tschechische Republik, 1942 KZ Theresienstadt; Rechtsanwalt, Mäzen, Vater des Malers Gerhart F. 1: 110, 167, 175, 218, 354, 378 Frankl Gerhart (Gerardus Joseph Richard) 1901 Wien/Österreich, 1965 (Selbstmord) ebd.; Maler 1: 140, 158, 182, 189, 212, 226, 227, 249, 260, 269, 304, 335, 354, 355, 360, 362, 378 Fränkl Bela; 1867 Fenyőháza/Ungarn, 1967 ?/Schweiz; Vater von Mimi Floch und Otto Fränkl, verheiratet mit Ella F. 2: 342 Fränkl-Lundborg Otto; 1897 Wien/Österreich, 1979 Dornach/Schweiz; Jurist, Schriftsteller, Anthroposoph, Bruder von Mimi Floch 2: 308, 337, 342 Frappart (Ruault-Frappart) Frau; Wien/Österreich 1: 128, 129, 134, 136, 138, 141, 176, 189, 200, 205, 213, 221, 228, 232, 239, 267, 360 Freist Greta; 1904 Weikersdorf/Österreich, 1993 Paris/Frankreich; Malerin 2: 35, 61 Freudenberg Gerda, geb. Vorster; 1906–1995; Medizinerin, verh. mit Rudolf F. 2: 195, 199, 261 Freudenberg Rudolf; 1908–1983; Mediziner 2: 195, 199, 261, 262, 265 Friedländer Max Jakob; 1867 Berlin/Deutschland, 1958 Amsterdam/Niederlande; Kunsthistoriker, Museumsmann, Kunstsammler 1: 144, 160, 172; 2: 27, 56, 281, 312, 339 Friedmann Dr.; Wien/Österreich; Arzt 1: 191 Friedmann Robert; 1888 Wien/Österreich, ?; Komponist, Pianist, Musikpädagoge 1: 120, 122, 172, 173, 231 Friedrich Caspar David; 1774 Greifswald/Deutschland, 1840 Dresden/Deutschland; Maler, Radierer 2: 25 32

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Friedrich III., der Weise; 1463 Schloss Hartenfels zu Torgau/Deutschland, 1525 Lochau/Deutschland; Kurfürst von Sachsen 2: 32, 58 Friedrich Maria Albrecht Habsburg-Lothringen; 1856 Židlochovice (GroßSeelowitz)/Tschechische Republik, 1936 Mosonmagyaróvár (Wieselburg-Ungarisch Altenburg)/Ungarn; Erzherzog von Österreich, Großgrundbesitzer, letzter Eigentümer der Albertina vor der Verstaatlichung 1: 154, 263; 2: 196, 263 Frisch Ernst von; 1878 Wien/Österreich, 1950 St. Gilgen/Österreich; Historiker, Bibliotheksleiter 2: 23, 179 Frobenius Leo; 1873 Berlin/Deutschland, 1938 Biganzolo/Italien; Ethnologe, Archäologe 1: 201, 273 Fröhlich-Bum Karoline (Lili), geb. Bum (Frohlich-Bume); 1886 Wien/Österreich, 1981 London/England; Kunsthistorikerin, Museumsfrau, Kunsthändlerin 1: 109, 115, 138, 167, 169, 170; 2: 47, 83, 86, 130, 132, 196, 209, 230, 242, 263, 270, 287 Froment Nicolas; 1450–1490 in Südfrankreich tätig; Maler, Zeichner 1: 266, 306 Füger Heinrich Friedrich; 1751 Heilbronn/Deutschland, 1818 Wien/Österreich; Maler 1: 56, 107 Fugger; Augsburg; Kaufmanns- und Bankiersfamilie 2: 312 Fuhrmann Frau; Wien/Österreich 1: 267, 307, 313, 367 Funke Helene; 1869 Chemnitz/Deutschland, 1957 Wien/Österreich; Malerin, Grafikerin 1: 44, 108, 124, 129, 131, 145, 153, 158, 177, 209, 216, 220, 225, 285, 286, 288 Furini Francesco; um 1600 Florenz/Italien, 1646 ebd.; Maler 2: 235 Furlong George; 1898 Dundrum/Irland, 1987 London/England; Museumsleiter, Hochschullehrer 2: 116, 117, 142 Furtmüller Gustav (Gustl); 1915 Zell am See/Österreich, 1988 Maria Laach am Jauerling/Österreich; späterer Ehemann von Burgl Tietze (Rusch Walburg) 2: 180, 186, 195, 234, 253, 257, 283, 321, 326, 328, 329 Füssli Johann Heinrich (Füßli); 1741 Zürich/Schweiz, 1825 Putney Hill/England; Maler 2: 308 Gabillon; Wien/Österreich; Schauspieler 1: 214, 283 Gaertner Hanna; 1899 Wien/Österreich, (Selbstmord) ?; Bildhauerin 1: 230, 291 Gainsborough Thomas; 1727 Sudbury/England, 1788 London/England; Maler, Grafiker 2: 106, 145, 154, 190, 245 Galbiati Giovanni; 1881 Carugo/Italien, 1966 Mailand/Italien; Kleriker, Bibliothekar, Hochschullehrer 2: 245, 289 Gamba (Ghiselli) Carlo; 1870 Florenz/Italien, 1963 Solarolo/Italien; Unternehmer, Kunstkenner, Kunstsammler, Museumsleiter 2: 233 Ganz Paul; 1872 Zürich/Schweiz, 1954 Oberhofen am Thunersee/Schweiz; Kunsthistoriker, Museumsmann, Hochschullehrer, Kunstsammler 2: 56, 231, 308 33

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Garger Ernst von; 1892 Trento/Italien, 1948 Wien/Österreich; Kunsthistoriker, Museumsmann 1: 190, 202, 205 Gartenberg Wilhelm (Wolko); 1884 Drohobytsch/Ukraine, 1950 Mexico D. F./Mexiko; Industrieller, Kunstsammler, Mäzen 1: 175, 218 Gay Walter; 1856 Hingham/USA, 1937 Dammarie-les-Lys/Frankreich; Maler, Kunstsammler 2: 184, 187, 193, 256, 257, 260 Geertgen tot Sint Jans (Geritt van Haarlem); Ende 15. Jh. in den Niederlanden tätig; Maler 2: 25 Geiger Benno; 1882 Wien/Österreich, 1965 Venedig/Italien; Kunsthistoriker, Museumsmann, Kunsthändler, Schriftsteller, Übersetzer, Kunstsammler 2: 107, 108, 140, 164, 173 Gelder Aert de; 1645 Dortrecht/Niederlande, 1727 ebd.; Maler 1: 138; 2: 122 Gelder Jan Gerrit ( J. G.); 1903 Alkmaar/Niederlande, 1980 Utrecht/Niederlande; Kunsthistoriker, Hochschullehrer, Museumsmann, Publizist 2: 310 Geoffrin Marie Thérèse; 1699 Paris/Frankreich, 1777 ebd.; Salonnière, Mäzenin 1: 214, 283 George Waldemar ( Jerzy Waldemar Jarocinski); 1893 Łódź/Polen, 1970 Paris/ Frankreich; Kunstkritiker, Publizist 2: 42 Georgis; Florenz/Italien; Gastfamilie der Tietzes 2: 232, 282 Gerhart Hilda; 1881 Wien/Österreich, 1963 Klosterneuburg/Österreich; Geowissenschaftlerin, Lehrerin 1: 248, 298 Géricault Théodore; 1771 Rouen/Frankreich, 1824 Paris/Frankreich; Maler, Grafiker, Bildhauer 2: 25, 324, 342 Gericke Frau; Wien/Österreich 1: 206 Gericke Wilhelm; 1845 Graz/Österreich, 1925 Wien/Österreich; Komponist, Dirigent 1: 206 Gernsheim Helmut; 1913 München/Deutschland, 1995 Lugano/Schweiz; Fotograf, Fotografiehistoriker, Sammler 2: 204, 260, 268 Gernsheim Walter; 1909 München/Deutschland, 2006 Florenz/Italien; Kunsthistoriker, Kunsthändler, Fotografiehistoriker 2: 74, 193, 260, 268, 326 Gerson Horst Karl; 1907 Berlin/Deutschland, 1978 Groningen/Niederlande; Kunsthistoriker, Institutsleiter, Hochschullehrer 2: 69, 79, 95, 122 Gerstel (von Ucken Sophie) Lätitia (Lätty), geb. Lampl; 1879 St. Aegidy/Österreich, 1957 Wien/Österreich; Historikerin, Verlegerin, Schriftstellerin 1: 257, 302 Ghirlandaio Domenico; 1449 Florenz/Italien, 1494 ebd.; Maler, Architekt 2: 239, 250, 286 Giglioli Odoardo Hillyer; 1891–1957; Archäologe, Kunsthistoriker, Museumsmann 2: 226 – 228, 230, 233, 234, 238, 278, 279 Giorgio Francesco di (Martini); um 1439 Siena/Italien, 1502 ebd.; Maler, Architekt, Bildhauer 2: 99, 101, 132, 171 34

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Giorgione (Giorgio da Castelfranco); um 1478 Castelfranco/Italien, 1510 Venedig/Italien; Maler 2: 24, 53, 67, 77, 80, 83, 86, 90, 93, 97, 99, 104, 105, 108, 120, 124, 129, 132 – 134, 136, 137, 139, 140, 145 – 148, 152 – 154, 167 – 170, 186, 193, 195 – 197, 199, 200, 212, 214, 222, 237, 246, 247, 253, 254, 262 – 264, 272, 289, 296, 318, 327, 341 Giotto di Bondone; um 1270 Colle di Vespignano/Italien, 1337 Florenz/Italien; Maler, Baumeister 1: 240 Girolamo da Treviso (Gerolamo Pennacchi); um 1497 Treviso/Italien, 1544 Boulogne-sur-Mer/Frankreich; Maler, Architekt, Kupferstecher, Bildhauer 2: 108, 169 Gironcoli Franco de; 1892 Gorizia (Görz)/Italien, 1979 Wien/Österreich; Mediziner, Dichter, Publizist 2: 161, 163, 164, 166, 174 Gironcoli Helma de, geb. Brock; Schriftstellerin, verh. mit Franco de G. 2: 161, 164, 174 Glaser Curt; 1879 Leipzig/Deutschland, 1943 Lake Placid/USA; Mediziner, Kunsthistoriker, Museumsmann, Bibliotheksleiter, Publizist, Kunstsammler 1: 273; 2: 226 – 228, 230, 231, 234, 237, 238, 278, 283, 285 Glaser Marie, geb. Milch; 1901–1981; verh. mit Curt G. 2: 234, 238, 278, 283, 285 Glöckel Otto; 1874 Pottendorf/Österreich, 1935 Wien/Österreich; sozialdemokratischer Politiker, Schulreformer, als Unterstaatssekretär für Unterricht, Vorgesetzter von HT 1: 148, 156, 359, 366, 380, 440 Gluck Christoph Willibald; 1714 Erasbach/Deutschland, 1787 Wien/Österreich; Komponist 1: 261, 305 Glück Gustav; 1871 Wien/Österreich, 1952 Santa Monica/USA; Kunsthistoriker, Museumsleiter 1: 37, 100, 142, 150, 165, 172, 226, 232, 236, 288, 294, 317, 359; 2: 310, 311, 338 Glückselig Samuel; 1873–1942 KZ Isbica; Kunsthändler 1: 60 Gobin Maurice; 1883 ?/Frankreich, ?; Jurist, Kunsthändler 1: 116, 171: 2: 35 Godiva (Godgifu); um 1075 England; legendäre Adelsdame 2: 43, 64 Godoy y Alvarez de Faria Rios Sanchez Zarzosa Manuel de; 1767 Badajoz/Spanien, 1851 Paris/Frankreich; Staatsmann, höfischer Günstling 1: 414, 446 Godwin Blake-More; 1894 Clinton/USA, 1975 La Jolla/USA; Kunsthistoriker, Museumsleiter 2: 235 Goebel Gottfried; 1906 Wien/Österreich, 1975 Paris/Frankreich; Maler 2: 35, 61, 183 Goethe Johann Wolfgang von; 1749 Frankfurt am Main/Deutschland, 1832 Weimar/Deutschland; Dichter 1: 114, 207, 210, 259; 2: 160, 173, 337 Gogh Vincent van; 1853 Groot Zundert/Niederlande, 1890 Auvers-sur-Oise/ Frankreich; Maler, Grafiker 2: 158, 172 Goldscheider Ludwig; 1896 Wien/Österreich, 1973 London/England; Verleger, Schriftsteller, Kunsthistoriker 2: 310, 338 35

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Goldschmidt Elisabeth, geb. de Vries (Zus); 1905 Amsterdam/Niederlande, 1995 ?; verh. mit Ernst Alexander G., Schwester von Arie Bob de Vries 2: 66 Goldschmidt Ernst Alexander; 1906 ?/Tschechische Republik, 1992 Brüssel/Belgien; Kunsthistoriker, Verleger, Museumsmann, Kunstsammler 1: 172; 2: 46, 48, 65, 66 Goldschmidt Ernst Philipp; 1887 Wien/Österreich, 1954 London/England; Antiquar 2: 76, 126, 127 Goldschmidt Léo; 1932; Sohn von Ernst und Elisabeth G. 2: 46 Goldwater; New York/USA 2: 157 Gombrich Ernst; 1909 Wien/Österreich, 2001 London/England; Kunsthistoriker, Hochschullehrer 1: 273; 2: 82, 126, 130, 193, 195, 260, 261, 264 Gombrich Ilse, geb. Heller; 1910 Prag/Tschechische Republik, 2006 Oxford/England; Pianistin, verh. mit Ernst G. 2: 195 Gonzalo (Fernández) de Córdoba y Aguilar (Gonsalvo, Conzalvo, gran capitano); 1453 Montilla/Spanien, 1515 Granada/Spanien; spanischer Feldherr, Vizekönig von Neapel 2: 132, 148, 167 Gossaert Jan (Gossart, Jan Mabuse); um 1478 ?/Niederlande, um 1532 Antwerpen/ Belgien; Maler, Zeichner, Kupferstecher 2: 70, 106, 209 Gosline William A. Jr.; Toledo/Ohio; Präsident des Toledo Museum of Art 2: 293, 330 Gottlieb(-Billroth) Otto; 1862 Wien/Österreich, 1935 ebd., Jurist, Ministerialbeamter, Volksbildner 1: 210, 225, 280, 288 Gottlieb Leopold; 1883 Drohobytsch/Ukraine, 1933 Paris/Frankreich; Maler, Grafiker 1: 204, 275 Gourmont Jean de; um 1483 Carquebut/Frankreich, um 1550 ?; Maler, Goldschmied, Kupferstecher 2: 246, 289 Goya y Lucientes Francisco José de; 1746 Fuendetodos/Spanien, 1828 Bordeaux/ Frankreich; Maler, Grafiker 1: 401, 415, 416, 420, 421, 446 – 448, 450, 451; 2: 29, 184, 218 Gradmann Artur; ?, 1938 (Selbstmord) ?/Österreich; Verleger, Vater von Erwin G. 2: 306, 335 Gradmann Erwin; 1908 Wien/Österreich, 1985 Zürich/Schweiz; Kunsthistoriker, Bibliothekar, Museumsmann, Hochschullehrer 2: 24, 53, 306, 335 Graf Urs, d. Ä. (Graff ); um 1485 Solothurn/Schweiz, um 1528 Basel/Schweiz; Goldschmied, Maler, Kupferstecher 2: 181 Grafe Felix (Löwy); 1888 Humpolec (Gumpolds)/Tschechische Republik, 1942 (hingerichtet) Wien/Österreich; Lyriker, Übersetzer, Kunstsammler, Publizist 1: 357, 366, 367, 379 Grafe Innozent (Ino); 1916 Wien/Österreich, ?; Übersetzer, Schriftsteller, Freund von Anderl Tietze, Sohn von Felix G. 1: 312, 366 36

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Gramatté Walter; 1897 Berlin/Deutschland, 1929 Hamburg/Deutschland; Maler, Grafiker 1: 416, 447 Granach Alexander ( Jessaja Szajko Gronach, Hermann Gronach); 1890 Werbiwizi (Werbowitz)/Ukraine, 1945 New York/USA; Schauspieler, Schriftsteller 1: 198, 271, 272 Granichstätten Ehepaar Dr.; Wien 1: 267, 307, 346 Gratzinger Josef; Wien; Magnetiseur, Wunderdoktor 1: 141 Gray Basil; 1904 London/England, 1989 Oxford/England; Islamforscher, Museumsmann, Hochschullehrer 2: 97, 101 Gray Nicolete, geb. Binyon; 1911 Stevenage/England, 1997 London/England; Kalligrafin, Kunstkritikerin 2: 101 Gregor Joseph; 1888 Czernowitz/Ukraine, 1960 Wien/Österreich; Theatermann, Schriftsteller, Sammlungsleiter 1: 260, 304 Grimm Ferdinand von; 1869 Wien/Österreich, 1948 Bad Kreuzen/Österreich; öster­reichischer Finanzminister 1: 361, 381 Grimschitz Bruno; 1892 Moosburg/Österreich, 1964 Wien/Österreich; Kunsthistoriker, Museumsleiter, Hochschullehrer 1: 37, 45, 96, 101, 117, 149, 154, 171, 192, 255, 260, 301 Gris Juan ( José Victoriano González-Pérez); 1887 Madrid/Spanien, 1927 Boulogne-sur-Seine/Frankreich; Maler, Grafiker, Bildhauer 1: 111 Groag Jacques; 1892 Olomouc (Olmütz)/Tschechische Republik, 1962 London/ England; Architekt 1: 225, 260, 287, 331 Gronau Carmen, geb. Wogau; 1910–1999; Kunsthistorikerin, Kunsthändlerin 2: 229, 279 Gronau Georg; 1868–1938 Fiesole/Italien; Philologe, Historiker, Museumsleiter 2: 298 Gronau Hans-Dietrich; 1904 Fiesole/Italien, 1951 London/England; Kunsthistoriker, Hochschullehrer, Kunsthändler 2: 198, 205, 264, 279 Gropius Manon; 1916 Wien/Österreich, 1935 ebd.; Tochter von Walter G. und Alma Mahler-Werfel 1: 136, 176, 180 Gropius Walter; 1883 Berlin/Deutschland, 1969 Boston/USA; Architekt, Institutsgründer, Hochschullehrer 1: 176, 180, 223, 287 Gross Dr.; Wien/Österreich 1: 127, 176 Grosso Orlando 1882; Genua/Italien, 1969 Bonassola/Italien; Maler, Museumsleiter 2: 209 Grosz George (Georg Ehrenfried Groß); 1893 Berlin/Deutschland, 1959 ebd.; Maler, Grafiker, Schriftsteller 1: 225, 288 Groß Adolf; 1873–1973 Wien/Österreich; Maler, Grafiker 1: 204, 275 Groß Irma, geb. Grünhut; 1872 Wien/Österreich, 1944 KZ Theresienstadt; Pianistin 1: 238, 294 37

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Grünewald Matthias (Mathis); um 1475 Würzburg ?/Deutschland, um 1528 Halle an der Saale/Deutschland; Maler, Grafiker 1: 221, 406, 425; 2: 25, 28, 29, 56, 181, 182, 255, 318 Guardi Francesco de; 1712 Venedig/Italien, 1793 ebd.; Maler 2: 250 Guevrekian Gabriel; 1892 Konstantinopel (Istanbul)/Türkei, 1970 Antibes/Frankreich; Architekt, Publizist, Hochschullehrer 1: 112, 168 Gutheil-Schoder Maria; 1874 Weimar/Deutschland, 1935 Ilmenau/Deutschland; Sängerin 1: 215, 231, 284, 291 Gutmann Maria (Mira, Myra), geb. Bauer; 1901 Wien/Österreich, 1944 London/ England; Schwester von Bettina Ehrlich-Bauer 2: 32, 33, 193, 199, 265 Haberditzl Franz Martin; 1882 Wien/Österreich, 1944 ebd.; Kunsthistoriker, Museumsleiter 1: 104, 110, 115, 126, 134, 136, 149, 165, 166, 172, 175, 226, 288, 359; 2: 32, 35, 59, 61 Hadeln Detlev von; 1878 Arolsen/Deutschland, 1935 Florenz/Italien; Kunsthistoriker, Bibliothekar, Publizist 1: 109, 167; 2: 60, 63, 77, 87, 91, 93, 124, 127, 133, 169, 181, 219, 230, 239, 262, 275, 328, 343 Haftmann Werner; 1912 Głowno/Polen, 1999 ?/Deutschland; Kunsthistoriker, Hochschullehrer, Museumsleiter 2: 224, 276 Hagenauer Carl; 1871 Wien/Österreich, 1928 ebd.; Architekt, Kunstgewerbler 1: 37, 150 Hahndl; Schülerin von Josef Strzygowski 2: 35 Hahnloser Hans Robert; 1899 Winterthur/Schweiz, 1974 Bern/Schweiz; Kunsthistoriker, Hochschullehrer 2: 29, 57 Hahnloser Magdalena, geb. Wilckens; verh. mit Hans Robert H. 2: 29 Hainisch Erwin; 1895 Eichberg/Österreich, 1964 Wien/Österreich; Kunsthistoriker, Sohn von Michael H. 1: 129, 152, 235 Hainisch Michael; 1858 Aue bei Schottwien/Österreich, 1940 Wien/Österreich; ­Jurist, österreichischer Bundespräsident von 1920–1928 1: 40, 152, 153, 220, 345 Halifax Lord, Edward Frederick Wood; 1881 Devon/England, 1959 Yorkshire/England; konservativer Politiker, Kunstsammler 2: 104, 108, 194 Halle Fannina, geb. Edelstein; 1881 Panevėžys (Ponewiesch)/Litauen, 1963 New York/USA; Kunsthistorikerin, Kulturanthropologin 1: 59, 115, 128, 134, 136, 158, 175, 180, 202, 205, 206, 210, 213, 231, 237, 274, 278, 279, 281 – 283, 292, 317, 368; 2: 307, 336 Halle Franz; 1909 Wien/Österreich, ?; Sohn von Georg und Marianne H. 1: 355, 373, 378 Halle Georg; 1878 Berlin/Deutschland, 1935 (Selbstmord) Wien/Österreich; Kaufmann, Kunstsammler, Mäzen 1: 36, 53, 56, 62, 89, 110, 114, 120, 126, 128, 129, 38

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133, 138, 139, 141, 145, 148, 149, 180, 191, 200, 203, 205, 211, 218, 221, 226, 231, 233, 235, 249, 259, 270, 283, 285, 292, 311, 317, 344, 355, 373, 378 Halle Marianne, geb. Wiener; 1885 Wien/Österreich, 1935 (Selbstmord) ebd.; Ehefrau von Georg H. 1: 37, 56, 62, 114, 128, 129, 138, 139, 145, 148, 149, 180, 191, 192, 200, 203, 205, 211, 214, 216, 221 – 223, 226, 231, 233, 235, 238, 249, 259, 270, 283, 311, 317 Haller Hermann; 1880 Bern/Schweiz, 1950 Zürich/Schweiz; Bildhauer 1: 268; 2: 25, 55 Hals Frans; um 1522 Antwerpen/Belgien, 1666 Haarlem/Niederlande; Maler 1: 145 Hamerschlag Margarete (Gretl), verh. Berger; 1902 Wien/Österreich, 1958 London/ England; Kunstgewerblerin, Malerin, verh. mit Josef B. 1: 141, 243 Hammer Victor Karl; 1882 Wien/Österreich, 1967 Lexington/USA; Architekt, Maler, Hochschullehrer 1: 204, 275 Hamsun Knut (Pedersen); 1859 Vågå/Norwegen, 1952 Nørholm/Norwegen; Schriftsteller 1: 135, 179 Hanak Anton; 1875 Brünn/Tschechische Republik, 1934 Wien/Österreich; Bildhauer 1: 202, 273, 274; 2: 159, 172 Hannema Dirk; 1895 Batavia ( Jakarta)/Indonesien, 1984 Wijhe/Niederlande; Kunsthistoriker, Museumsleiter, Kunstsammler 2: 70, 72, 122, 124, 203, 267, 310, 338; 2: 203, 267, 310, 338 Hansen Walter; 1903 Hamburg/Deutschland, 1988 Gehrden/Deutschland; Prähistoriker, Lehrer, NS-Kulturpolitiker 2: 182, 255 Harabath Frau Dr.; Wien/Österreich 1: 211, 281 Harding Ann (Dorothy Walton Gatley); 1901 Fort Sam Houston/USA, 1981 Sherman Oaks/USA; Schauspielerin 2: 190 Harta Felix Albrecht (Hirsch); 1884 Budapest/Ungarn, 1967 Salzburg/Österreich; Maler, Grafiker 1: 212 – 214, 226, 236, 282 Hartley Flora Cynthia; London, Florenz; Quartiergeberin der Tietzes 2: 78, 88, 105, 194, 229, 233 – 235, 237 – 239, 329 Hartmann Hans; 1909 Rüstingen bei Wilhelmshaven/Deutschland, 2000 ?; Keltologe, Hochschullehrer 2: 116, 142 Hartt Frederick; 1914 Boston/USA, 1991 Washington DC/USA; Kunsthistoriker, Hochschullehrer 1: 173; 2: 193, 202, 229, 234, 242, 260, 283, 288 Hauer Josef Matthias; 1883 Wiener Neustadt/Österreich, 1959 Wien/Österreich; Komponist, Pädagoge 1: 104, 133, 165, 178, 201, 207, 209, 248, 273, 278, 280, 281, 298, 317, 453 Hauser-Herzog Gertrud; 1894 Wien/Österreich, 1953 ebd.; Altphilologin, Pädagogin 1: 210 Havas Francis (Franzisca, Cis) Helga, geb. Höllering (Tarnay); 1915 Wien/Österreich, 2004 ?/USA; Biochemikerin 2: 75, 126, 151, 168 39

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Haybach Rudolf; 1886 Wien/Österreich, 1983 ebd.; Verleger, Theaterleiter, Maler, Schriftsteller 1: 142 Haydn Joseph; 1732 Rohrau/Österreich, 1809 Wien/Österreich; Komponist 1: 209, 210 Hebbel Christian Friedrich; 1813 Wesselburen/Deutschland, 1863 Wien/Österreich; Schriftsteller 1: 293 Heil Walter; 1890–1973 ?/USA; Kunsthistoriker, Museumsleiter 2: 194 Heim Emilie (Emmy, Emmi); 1885 Wien/Österreich, 1954 Toronto/Kanada; Sängerin 1: 207, 278 Heiman Jacob M.; Russland/Florenz/New York; Kunsthändler, Kunstsammler 2: 248, 249, 290, 305, 335 Heimann Familie; Wrocław (Breslau)/Polen 1: 206 Heinemann Fritz; 1905 München/Deutschland, 1983 Pöcking/Deutschland; Kunsthistoriker, Kunsthändler 2: 55, 181, 182, 254 Helbing Ferenc; 1870 Nové Zámky (Neuhäusel)/Slowakei, 1958 Budapest/Ungarn; Grafiker, Maler, Hochschullehrer 1: 243 Helbing Hugo; 1863 München/Deutschland, 1938 (Totschlag)/Deutschland; Kunsthändler 2: 245 Heller Dr.; Wien 1: 218, 248, 260 Hellmann Irene, geb. Redlich; 1882 Hodonín (Göding)/Tschechische Republik, 1944 KZ Auschwitz; Industriellenwitwe 1: 137, 180 Hempel Eberhard; 1886 Dresden/Deutschland, 1967 ebd.; Kunsthistoriker, Hochschullehrer 1: 100, 101, 164, 438 Hendy Philip; 1900 Carlisle/England, 1980 Oxford/England; Historiker, Museumsleiter, Hochschullehre 2: 92, 119, 142, 165, 166 Hermanin de Reichenfeld Federico; 1868 Bari/Italien, 1953 Rom/Italien; Kunsthistoriker, Museumsleiter 2: 216, 273 Hermann Julius Hermann; 1869 Wien/Österreich, 1953 ebd.; Kunsthistoriker, Museumsleiter, Hochschullehrer 1: 39, 114, 169, 253, 300, 380 Herriot Édouard; 1872 Troyes/Frankreich, 1957 Saint-Genis-Laval/Frankreich; Politiker der radikalen Partei, Bürgermeister von Lyon, Regierungschef 1: 316, 368 Herzmansky Theodor (Bohdan Heřmanský); 1900 Hradec Králové (Königgrätz)/ Tschechische Republik, 1974 Prag/Tschechische Republik; Maler, Kunsthistoriker 1: 219 Hess Alfred; 1879 Erfurt/Deutschland, 1931 Erfurt/Deutschland; Fabrikant, Kunstsammler, Mäzen 2: 134 Hess Hans; 1908 Erfurt/Deutschland, 1975 ?/England; Fabrikant, Galerist, Hochschullehrer, Publizist 2: 93, 133, 134, 155 Hetzer Theodor; 1890 Charkiw/Ukraine, 1946 Überlingen am Bodensee/Deutschland; Kunsthistoriker, Hochschullehrer 1: 234, 247, 293; 2: 332 40

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Hevesy André (Andor) de; 1879–1955; Schriftsteller, Publizist, Kunstsammler 2: 328 Heymann August; 1857 Augsburg/Deutschland, 1935 Wien/Österreich; Jurist, Kunstsammler 1: 38, 151 Heßhaimer Hertha; Tochter von Ludwig H. 1: 140 Heßhaimer Ludwig; 1872 Brașov (Kronstadt)/Rumänien, 1956 Rio de Janeiro/Brasilien; Militär, Grafiker, Maler 1: 140 Hind Arthur Mayger; 1880 Burton upon Trent/England, 1957 Henley-on-Thames/ England; Kunsthistoriker, Museumsmann, Hochschullehrer 2: 329, 332 Hirschmann Otto; Niederlande; Kunsthistoriker, Kunsthändler 2: 72, 124 Hirsch Robert Max von; 1883 Frankfurt am Main/Deutschland, 1977 Basel/Schweiz; Unternehmer, Kunstsammler, Mäzen 2: 155, 170, 180, 181, 196, 204, 254 Hitchcock; Oxford; Keeper 2: 111 Hitler Adolf; 1889 Braunau am Inn/Österreich, 1945 (Selbstmord) Berlin/Deutschland; Der Führer 2: 25, 27, 74, 94, 117, 122, 131, 141, 196, 229, 243, 247, 263, 264, 269, 277 – 279, 281, 288, 316, 320 – 324, 330, 341 Hoare Samuel; 1880 ?/England, 1959 London/England; Innenmnister, konservativer Politiker 2: 222, 276 Hochstetter Ferdinand; 1861 Hrušov (Hruschau)/Tschechische Republik, 1954 Wien/Österreich; Anatom, Hochschullehrer 1: 63 Hock Stefan; 1877 Wien/Österreich, 1947 London/England; Literaturhistoriker, Theaterleiter, Hochschullehrer, Übersetzer 1: 93, 101, 160, 162, 164, 220 Hodler Ferdinand; 1853 Bern/Schweiz, 1918 Genf/Schweiz; Maler, Grafiker 1: 191; 2: 308, 337 Hofer Carl (Karl); 1878 Karlsruhe/Deutschland, 1955 Berlin/Deutschland; Maler, Grafiker, Hochschullehrer 1: 115, 124, 170 Hofer Paul; 1909 Bern/Schweiz, 1995 ebd.; Kunsthistoriker, Hochschullehrer 2: 29, 57 Hoffmann Josef; 1870 Brtnice (Pirnitz)/Tschechische Republik, 1956 Wien/Österreich; Architekt, Designer, Hochschullehrer 1: 166, 169, 295, 369; 2: 48 – 50, 66 Hofstede de Groot Cornelius; 1863 Dwingeloo/Niederlande, 1930 Den Haag/ Niederlande; Kunsthistoriker, Museumsleiter, Hochschullehrer, Kunstsammler 1: 164; 2: 70, 72, 122, 124 Hohenauer Gottfried; 1894 Meran/Italien, 1977 Innsbruck/Österreich; Staatsbeamter 1: 120, 268 Hohenberg Claudia, gesch. Yatsevich, verh. Mausolff; ?–2008, USA; Tochter von Fritzi H. 2: 327 Hohenberg Friederike (Fritzi), geb. Berger; 1894 Wien/Österreich, 1967 New York/ USA; Mitinhaberin des Modesalons Schwestern Berger, Schwester von Hilda Lampl 1: 374; 2: 327, 343 Hohenlohe Franz Joseph; 1894 Graz/Österreich, 1970 ?; Maler 1: 416, 447 41

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Holbein Ambrosius; um 1494 Augsburg/Deutschland, um 1519 Basel/Schweiz; Maler, Zeichner 1: 111; 2: 248 Holbein Hans, d. Ä., um 1465 Augsburg/Deutschland, 1524 ?; Maler, Vater von Hans d. J. und Ambrosius H. 1: 111 Holbein Hans d. J.; um 1497 Augsburg/Deutschland, 1543 London/England; Maler, Zeichner 1: 111, 410, 445, 452; 2: 97, 106, 137, 139, 145, 146, 167, 311 Hölderlin Friedrich; 1770 Lauffen am Neckar/Deutschland, 1843 Tübingen/ Deutschland; Dichter 1: 207, 248, 278, 298 Holzmeister Clemens; 1886 Fulpmes/Österreich, 1983 Hallein/Österreich; Architekt, Hochschullehrer 1: 169; 2: 307, 336 Hope Charles, Marquess of Lansdowne; 1917–1944 England; Landadeliger, Kunstbesitzer 2: 97, 136 Hopfer Daniel (Hopffer); um 1470 Kaufbeuren/Deutschland, 1536 Augsburg/ Deutschland; Waffenätzer, Radierer, Holzschneider 2: 86, 132 Hoppner John; 1758 London/England, 1810 ebd.; Maler 1: 40 Horn Richard (Rulli); 1861 Wien/Österreich, 1930 ebd.; Jurist, Schriftsteller, zweiter Ehemann von Ida Conrat 1: 204, 210, 267, 275, 276 Houthakker Bernard; 1884 Amsterdam/Niederlande, 1963 ?; Kunsthändler 2: 71 Huber Ernst; 1895 Wien/Österreich, 1960 ebd.; Maler, Grafiker 1: 233 Huber Wolf (Wolfgang); um 1490 Feldkirch/Österreich, 1553 Passau/Deutschland; Maler, Zeichner 2: 183 Hübl Albert; 1867 Wien/Österreich, 1931 ebd.; Kleriker, Schuldirektor 1: 202, 273 Hübsch Friedrich Ernst; Verleger (Thyrsos-Verlag) 1: 56, 98 Hugelshofer Walter; 1899 Illhart bei Wigoltingen/Schweiz, 1987 Zollikon/Schweiz; Kunsthistoriker 1: 96, 163, 256, 302; 2: 25, 54 Hugo Victor; 1802 Besançon/Frankreich, 1885 Paris/Frankreich; Schriftsteller 1: 117, 171 Humplik Josef; 1888 Wien/Österreich, 1958 ebd.; Bildhauer, Maler, Architekt 1: 34, 147 Hüther Julius; 1881 Cannstadt bei Stuttgart/Deutschland, 1954 München/Deutschland; Maler 1: 221, 286 Huth Hans; 1892 Halle/Deutschland, 1977 Carmel/USA; Kunsthistoriker, Museumsmann, Hochschullehrer 2: 186, 257 Huth Marta, geb. Baumann; 1898 Regensburg/Deutschland, 1984 Carmel/USA; Fotografin, Malerin 2: 186, 257 Hutterstrasser; Wien 1: 122, 173 Huyghe René; 1906 Arras/Frankreich, 1997 Paris/Frankreich; Philosoph, Museumsmann, Hochschullehrer, Schriftsteller, Publizist 2: 158, 172, 186, 187, 189, 199, 259 42

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Impekoven Niddy; 1904 Berlin/Deutschland, 2002 Bad Ragaz/Schweiz; Tänzerin, Schauspielerin 1: 121, 123, 173, 254, 261 Ingres Jean Auguste Dominique; 1780 Montauban/Frankreich, 1867 Paris/Frankreich; Maler, Grafiker 1: 265, 306; 2: 325 Innozenz X. (Giovanni Battista Pamphilj); 1574 Rom/Italien, 1655 ebd.; Papst 1: 421, 448; 2: 216 Jacobsthal Paul; 1880 Berlin/Deutschland, 1957 Oxford/England; Archäologe, Hochschullehrer, Publizist 2: 199, 265 Jaeckel Willi; 1888 Wrocław (Breslau)/Polen, 1944 Berlin/Deutschland; Maler 1: 221, 286 Jäger Karl; 1871 Marburg/Deutschland, 1960 Wien/Österreich; Volksbildner 1: 190 Jaquess Margarethe, geb. Tietze (Margaretl); 1919 Wien/Österreich, 1999 ?/England; Tochter von Felix und Hertha T. 1: 116, 171, 175; 2: 66, 104, 139, 277 Jaray Frau; Wien 1: 114, 169 Jawlensky Alexej von; um 1864 Torschok/Russland, 1941 Wiesbaden/Deutschland; Maler, Grafiker 1: 88 Jenning Dr.; Zürich 2: 306 Jerger Alfred; 1889 Brünn/Tschechische Republik, 1976 Wien/Österreich; Sänger 1: 231, 291 Jeritza Maria ( Jedlitzka); 1887 Brünn/Tschechische Republik, 1982 Orange/USA; Sängerin 1: 232, 346, 375 Jones Inigo; 1573 London/England, 1652 ebd.; Architekt, Maler, Zeichner 2: 106, 139 Jouvet Louis; 1887 Crozon/Frankreich, 1951 Paris/Frankreich; Schauspieler, Regisseur 2: 29, 35, 48, 61 Julius II., (Giuliano della Rovere); 1443 Albisola Superiore/Italien, 1513 Rom/Italien; Papst 2: 215 Jung Georg; 1899 Salzburg/Österreich, 1957 Wien/Österreich; Maler 1: 228, 290 Jungnickel Ludwig Heinrich; 1881 Wunsiedel/Deutschland, 1965 Wien/Österreich; Maler, Zeichner 1: 115, 132, 211, 260 Juni Juan de; um 1507 Joigny/Frankreich, 1577 Valladolid/Spanien; Bildhauer, Maler, Architekt 1: 425, 450 Junk Rudolf; 1880 Wien/Österreich, 1943 Rekawinkel/Österreich; Maler, Grafiker, Schulleiter 1: 259, 303 Justi Ludwig; 1876 Marburg/Deutschland, 1957 Potsdam/Deutschland; Kunsthistoriker, Museumsleiter, Hochschullehrer 2: 152 Justus van Gent ( Joos van Wassenhove); tätig um 1460/80 in Italien; Maler 2: 48 Kahman Elisabeth Maria, geb. von Twardowski (Ivo); 1920 München/Deutschland, 43

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2001 ebd.; ETCs Nichte 1: 141, 144, 159, 189, 190, 223, 261, 267, 277, 289; 2: 79, 83, 84, 128, 131, 307, 309, 337, 338 Kalat Marie; Wien, USA; Kunsthistorikerin 2: 202, 266, 282, 312, 339 Kandinsky Nina, geb. Andreewsky von; 1896 Tula/Russland, 1980 Gstaad/Schweiz; verh. mit Wassily K. 1: 210, 281 Kandinsky Wassily; 1866 Moskau/Russland, 1944 Neuilly-sur-Seine/Frankreich; Maler, Grafiker, Kunsttheoretiker 1: 209, 210, 276, 279, 281; 2: 336 Kanitz-Wiesenburg Adolf; 1884 Wien/Österreich, ?; Jurist, Bankbeamter 1: 225, 288 Karlinger Hans; 1882 München/Deutschland, 1944 ebd.; Kunsthistoriker, Hochschullehrer 1: 438 Karl V.; 1500 Gent/Belgien, 1558 Extremadura/Spanien; König von Spanien, römisch-deutscher König, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 1: 404, 407, 415, 430, 442, 443, 446 – 448, 451 Kars Georges (Georg Karpeles); 1882 Kralupy nad Vltavou (Kralup an der Moldau)/ Tschechische Republik, 1945 (Selbstmord) Genf/Schweiz; Maler, Grafiker 1: 37, 59; 2: 186, 257 Kaschnitz von Weinberg Guido; 1880 Wien/Österreich, 1958 Frankfurt am Main/ Deutschland; Archäologe, Kunsthistoriker, Hochschullehrer, Institutsleiter, Publizist 1: 66, 72, 123, 135, 142, 159, 160, 173, 190, 192, 200, 203, 205, 206, 208, 211, 244, 270, 278, 311, 312, 350, 366, 377; 2: 265 Kasparides Eduard (Casparides); 1858 Křenov (Krönau)/Tschechische Republik, 1926 Bad Gleichenberg/Österreich; Maler 1: 117, 171, 401, 443 Kassák Lajos; 1887 Érsekújvár (Neuhäusel)/Ungarn, 1967 Budapest/Ungarn; Maler, Schriftsteller 1: 204, 275 Kati, auch Cate; USA; ehemaliges Gastkind 2: 157, 171, 217, 274 Katz Nathan; 1893 Dieren/Niederlande, 1949 ?/Schweiz; Kunsthändler, Kunstsammler 2: 312, 339 Kern Bruno; 1885 Wien/Österreich, ?; Gutsbesitzer, Kunstsammler 1: 72, 160, 259, 303 Kerry Christine (Christl); 1885 Wien/Österreich, 1978 Alt Aussee/Österreich; Malerin, ETCs Cousine 1: 108, 166, 198, 271 Kerry Emma, geb. von Dittel (Tante Emma); 1865 Wien/Österreich, 1946 ?; Mutter von Christl K., ETCs Tante 1: 198, 271 Khuen Karl (Khuen-Lützow); 1879 Hrušovany nad Jevišovkou (Grusbach)/Tschechische Republik, 1963 Bozen/Italien; 1: 222 Kienböck Viktor; 1873 Wien/Österreich, 1956 ebd.; Rechtsanwalt, Politiker der christlich-sozialen Partei, Finanzminister 1: 217, 220 Kienzl Helene (Henny), geb. Lehner, verw. Bauer; 1876 ?; Schriftstellerin, Librettistin 1: 142 Kiesler Friedrich (Frederik); 1890 Czernowitz/Ukraine, 1965 New York/USA; Ar44

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chitekt, Designer, Bühnenbildner 1: 55, 56, 109, 116, 119, 124, 128, 134 – 137, 139, 172, 176, 181, 198, 200 – 202, 205, 212 – 214, 220, 225, 261, 271, 272, 283, 305 Kiesler Stefanie, geb. Frischer; 1897 ?, 1963 New York/USA; Bibliothekarin, verh. mit Friedrich K. 1: 110, 116, 122, 134, 136, 201, 202 Kieslinger Franz; 1891 Wien/Österreich, 1955 ebd.; Kunsthistoriker, Kunsthändler 1: 209; 2: 90 Kimball Fiske (Sidney Fiske); 1888 Newton/USA, 1955 München/Deutschland; Kunsthistoriker, Architekt, Museumsleiter, Hochschullehrer 2: 239, 286, 287 Kirchner Ernst Ludwig; 1880 Aschaffenburg/Deutschland, 1938 (Selbstmord) Frauenkirch-Wildboden/Schweiz; Maler, Grafiker 1: 222, 287 Kirstein Gustav; 1870 ?, 1934 (Selbstmord) Leipzig/Deutschland; Verleger, Publizist, Kunstsammler 1: 201, 230 – 233, 272, 273, 291 Kitt Ferdinand; 1887 Wien/Österreich, 1961 ebd.; Maler 1: 221, 286 Kitzinger Ernst; 1912 München/Deutschland, 2003 Poughkeepsie/USA; Kunsthistoriker, Museumsmann, Hochschullehrer 2: 155, 170, 199, 265 Klimt Gustav; 1862 Baumgarten/Österreich, 1918 Wien/Österreich; Maler, Grafiker 1: 291, 368; 2: 48, 49, 59, 66 Klinger Max; 1857 Leipzig/Deutschland, 1920 Großjena/Deutschland; Maler, Bildhauer 2: 308 Knappertsbusch Hans; 1888 Elberfeld/Deutschland, 1965 München/Deutschland; Dirigent 1: 360, 381 Knuttel Gerhardus; 1889 Den Haag (’s-Gravenhage)/Niederlande, 1968 ebd.; Kunsthistoriker, Museumsleiter, Hochschullehrer 1: 259, 260, 303 Kobald Karl; 1876 Brünn/Tschechische Republik, 1957 Wien/Österreich; Jurist, Staatsbeamter, Hochschullehrer, Musikschriftsteller 1: 360, 380 Kobell Wilhelm von; 1766 Mannheim/Deutschland, 1855 München/Deutschland; Maler 2: 25 Kobler; Wien; Mediziner 1: 200, 201 Koegler Hans; 1874–1950 Basel/Schweiz; Kunsthistoriker, Museumsmann 2: 28 Koenigs Franz Wilhelm; 1881 Kierberg/Deutschland, 1941 Köln/Deutschland; Bankier, Kunstsammler 2: 51, 52, 67, 72, 122, 267, 276 Kogan Moissi (Moissey, Moishe); 1879 Orhei/Moldavien, 1943 KZ Auschwitz; Bildhauer, Maler, Grafiker 1: 112 Köhler Wilhelm (Koehler); 1884 Reval (Tallin)/Estland, 1959 München/Deutschland; Kunsthistoriker, Hochschullehrer 2: 204, 268, 332 Köhler Wolfgang (Koehler); 1887 Reval (Tallin)/Estland, 1967 Enfield/USA; Psychologe, Hochschullehrer 2: 204, 268 Kohl Robert; 1891 Wien/Österreich, 1940 KZ Auschwitz; Maler 2: 327, 343 Kokoschka Bohuslav; 1892 Wien/Österreich, 1976 ebd.; Maler, Grafiker, Schriftsteller 1: 231, 292 45

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Kokoschka Oskar; 1886 Pöchlarn/Österreich, 1980 Montreux/Schweiz; Maler, Grafi­ker, Schriftsteller 1: 59, 71, 98, 104, 105, 107, 108, 115, 123, 126, 139, 141, 146, 154, 158, 160, 165, 166, 170, 171, 173, 175, 176, 178, 184, 211, 215, 222 – 225, 228, 232, 235, 248, 253, 260, 279, 281, 284, 287, 288, 290, 292, 297, 298, 300, 304, 353, 355, 379, 391, 416, 447; 2: 34, 59, 61, 129, 136 Kolbe Georg; 1877 Waldheim/Deutschland, 1947 Berlin/Deutschland; Bildhauer, Grafiker 1: 101, 126, 141, 164, 175, 279 Kolig Anton; 1886 Nový Jičín (Neu Titschein)/Tschechische Republik, 1950 Nötsch/Österreich; Maler, Grafiker 1: 40, 139, 152, 191, 270, 378 Kollwitz Käthe, geb. Schmidt; 1867 Kaliningrad (Königsberg)/Russland, 1945 Moritzburg/Deutschland; Grafikerin, Bildhauerin 1: 416; 2: 126 König; Mäzen des Malers Robert Philippi 1: 223, 287 Kostia-Costa Felix (Costa); 1887 Wien/Österreich, 1942 KZ Minsk; Verlagsleiter 1: 334 Kralik von Meyrswalden Richard; 1852 Lenora (Eleonorenhain)/Tschechische Republik, 1934 Wien/Österreich; Schriftsteller, Kulturphilosoph 1: 108, 166, 272 Krausz Wilhelm Viktor; 1878 Nitra (Neutra)/Slowakei, 1959 Baden bei Wien/Österreich; Maler 1: 231, 291 Krauß Helene von (Krauss); 1870 Wien/Österreich, 1950 Millstatt/Österreich; Malerin 1: 124, 174 Krenek Ernst (Křenek); 1900 Wien/Österreich, 1991 Palm Springs/USA; Komponist, Schriftsteller, Kunsttheoretiker 1: 38, 105, 126, 127, 150, 151, 166, 175, 191, 270 Kriegbaum Friedrich; 1901 Nürnberg/Deutschland, 1943 (Bombenopfer) Florenz/ Italien; Kunsthistoriker, Hochschulleiter, Institutsleiter 2: 224, 230, 232, 239, 276, 277, 280 Kriser Emmy; Wien 1: 133 Kris Ernst; 1900 Wien/Österreich, 1957 New York/USA; Kunsthistoriker, Psychoanalytiker, Museumsmann, Publizist, Hochschullehrer 1: 39, 114, 152, 169, 213, 273; 2: 60, 76, 97, 126, 170, 228, 279 Kriser Rudolf; 1885 Wyhoda/Ukraine, 1938 Wien/Österreich; Maler, Designer 2: 37 Krüger Franz; 1797 Großbadegast/Deutschland, 1857 Berlin/Deutschland; Maler 1: 136, 180 Krüger Karl (Krueger); 1894 New York/USA, 1979 Elgin/USA; Dirigent 2: 296, 331 Krzjanowska Frau 1: 316 Kubin Alfred; 1877 Litoměřice (Leitmeritz)/Tschechische Republik, 1959 Zwickledt/Österreich; Grafiker, Maler, Schriftsteller 1: 35, 98, 148, 163, 312, 353, 356, 379; 2: 174 Kuefstein; österreichisches Adelsgeschlecht 1: 220, 286 46

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Kuhn Alfred; 1885 Mannheim/Deutschland, 1940 Kappel bei Freiburg/Deutschland; Kunsthistoriker, Publizist 1: 416, 447 Kulmbach Hans von (Suess, Süß); um 1480 Kulmbach/Deutschland, um 1522 Nürnberg/Deutschland; Maler, Zeichner 2: 243, 312 Kuranda Else, geb. Engländer; 1870 Wien/Österreich, 1938 (Selbstmord) ebd.; Mutter von Peter Kuranda 2: 293 Kuranda Peter; 1896 Wien/Österreich, 1938 (Selbstmord) ebd.; Historiker, Journalist 2: 293, 330 Kürnberger Ferdinand; 1821 Wien/Österreich, 1879 München/Deutschland; Schriftsteller, Publizist 1: 190, 269 Kurth Bettina (Betty), geb. Kris; 1878 Wien/Österreich, 1948 London/England; Kunsthistorikerin, Schriftstellerin 1: 114, 169, 202, 214, 218, 235, 273; 2: 28, 56, 332 Kurth Gertrude Maria, gesch. Kieslinger; 1904 Wien/Österreich, 1994 New York/ USA; Sozialwissenschaftlerin, Schriftstellerin, Psychoanalytikerin 1: 273 Kurth Paul (Kohn); 1879 ?, 1924 Wien/Österreich; Rechtsanwalt, Archäologe 1: 214, 218, 235, 250, 273 Kurz Hilde, geb. Schüller; 1910 Wien/Österreich, 1981 ?/England; Kunsthistorikerin 2: 60, 129, 141, 195, 261, 277 Kurz Otto; 1908 Wien/Österreich, 1975 London/England; Kunsthistoriker, Bibliothekar, Hochschullehrer 2: 32, 33, 60, 82, 129, 141, 195, 198, 261, 265, 277 Kurzweil Therese; 1980 Znojmo (Znaim)/Tschechische Republik, 1969 Wien/ Öster­reich; Haushälterin der Familie Tietze 1: 33, 62, 75, 76, 94, 97, 114, 124, 129, 133, 139, 146, 158, 189, 228, 251, 255, 268, 312, 314, 334, 339, 343, 363, 364, 366, 438; 2: 23, 98, 163, 205, 268, 300, 301, 328, 333, 343 Kutschera-Woborsky Oswald; 1887 Prag/Tschechische Republik, 1922 Wien/ Öster­reich; Kunsthistoriker, Kunstsammler 1: 222, 286 Lampl Fritz; 1892 Wien/Österreich, 1955 London/England; Schriftsteller, Verleger, Glaskünstler 1: 48, 49, 93, 109, 110, 138, 145, 155, 181, 184, 190, 201, 207, 220, 221, 225, 228, 230, 243, 247, 248, 250, 257, 261, 268, 283, 311 – 313, 322, 337, 346, 358, 374, 379, 437, 453; 2: 66, 225, 276, 277 Lampl Hilda, geb. Berger; 1895 Wien/Österreich, 1955 London/England; Modistin, verh. mit Fritz L. 1: 110, 138, 145, 155, 181, 190, 225, 228, 243, 247, 257, 261, 268, 312, 313, 337, 346, 358, 362, 374, 380, 391, 437, 439, 440, 453; 2: 225, 343 Lanckoroński-Brzezie Karl; 1848 Wien/Österreich, 1933 ebd.; Kunstsammler, Archäologe, Denkmalpfleger 1: 200, 272, 285 Lang von Wellenburg Matthäus; 1468 Augsburg/Deutschland, 1540 Salzburg/Österreich; Salzburger Erzbischof, Bischof von Cartagena 1: 402, 443; 2: 183, 255 Langbehn August Julius; 1851 Haderslev (Hadersleben)/Dänemark, 1907 Rosenheim/Deutschland; Kunsthistoriker, Kulturkritiker 1: 169; 2: 25, 27, 55 47

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Lanyi Richard (Löwy); 1884 Wien/Österreich, 1942 KZ Auschwitz; Buchhändler, Verleger, Kunstsammler 1: 232, 292 Lanzinger Sigmund; Schweiz; Maler 2: 245 Larquey Pierre; 1884 Cénac/Frankreich, 1962 Maisons-Laffitte/Frankreich; Schauspieler 2: 42 Larsson Carl; 1853 Stockholm/Schweden, 1919 Falun/Schweden; Maler 1: 190, 269 Lascelles Henry, Earl of Harewood; 1882 Chesterfield House/England, 1947 Hare­ wood House/England; Landadeliger, Kunstbesitzer 2: 79, 84, 94, 108, 119, 121, 128 Lascelles Mary, geb. Windsor (Princess Mary); 1897 Sandringham House/England, 1965 Harewood House/England; Tochter des englischen Königspaars, verh. mit Henry L. 2: 119 Laske Oskar; 1874 Czernowitz/Ukraine, 1951 Wien/Österreich; Architekt, Maler, Grafiker 1: 115 – 117, 124, 136, 171, 183, 211, 213, 219, 220, 226, 243, 285, 286, 297 Lasker-Schüler Else (Elisabeth); 1869 Elberfeld/Deutschland, 1945 Jerusalem/Israel; Dichterin, Schriftstellerin 1: 203, 274 La Tour Georges de la (Latour); 1593 Vic-sur-Seille/Frankreich, 1652 Lunéville/ Frankreich; Maler 2: 156 Lattanzio da Rimini; um 1500 in Venedig tätig; Maler 2: 196 Lavalleqc; Brüssel/Belgien; Museumsmann 2: 47, 66 Laver James; 1899 Liverpool/England, 1975 London/England; Kunsthistoriker, Schriftsteller, Museumsmann 2: 153, 169 Lazzaroni Michele Angelo; Paris, Rom; Kunstsammler, Kunsthändler 2: 215, 272 Lebrun; Paris; Museumsmann 2: 316 Lederer Frau; siehe Mendel Erna Lee Arthur Hamilton, Sir, 1st Viscount Lee of Fareham; 1868 Bridport/England, 1947 Gloucestershire/England; Politiker, Kunstsammler 2: 92, 93, 96, 134 Le Fauconnier Henri; 1881 Hesdin/Frankreich, 1946 Paris/Frankreich; Maler 1: 111, 112, 243 Lefèvre René; 1898 Nizza/Frankreich, 1991 Poissy/Frankreich; Theatermann, Schriftsteller 2: 328, 343 Léger Fernand; 1881 Argentan/Frankreich, 1955 Gif-sur-Yvette/Frankreich; Maler, Bildhauer, Filmemacher 1: 256, 301 Legler Wilhelm; 1875 Pazin/Kroatien, 1951 Stillfried/Österreich; Maler 1: 134, 138, 178 Legote Pablo; um 1590 ?/Luxemburg, um 1670 Cádiz/Spanien; Maler 2: 80, 83, 84, 129 Lehmbruck Wilhelm; 1881 Duisburg/Deutschland, 1919 (Selbstmord) Berlin/ Deutschland; Bildhauer, Grafiker 1: 110, 168, 279 Leibl Wilhelm; 1844 Köln/Deutschland, 1900 Würzburg/Deutschland; Maler 1: 35; 2: 25, 55 48

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Leisching Eduard; 1858 Wien/Österreich, 1938 ebd.; Philologe, Volksbildner, Museumsleiter 1: 156, 359, 380 Leisching Frl.; Wien, Volksbildung 1: 52, 53, 156 Leitmayer; Maler 1: 235 Lemoisne Paul-André; 1875 Paris/Frankreich, 1964 ebd.; Kunsthistoriker, Museumsmann 2: 188, 258 Leonardo da Vinci; 1452 Vinci/Italien, 1519 Amboise/Frankreich; Maler, Architekt, Bildhauer, Wissenschaftler 2: 155, 247, 248, 290, 311 Leopold I.; 1640 Wien/Österreich, 1705 ebd., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, König von Ungarn, Böhmen, Kroatien und Slawonien 1: 285 Leopold Wilhelm; 1614 Wiener Neustadt/Österreich, 1662 Wien/Österreich; Erzherzog, Kleriker, Statthalter der Niederlande, Kunstmäzen und Sammler 2: 135, 263 Leporini Heinrich (Mario Arrigo Giuseppe de Leporini); 1875 Florenz/Italien, 1964 Brixlegg/Österreich; Kunsthistoriker, Museumsleiter 2: 231, 281 Levy-Gutmann Any (Anny); Paris; Kunstkritikerin 2: 37, 58, 186, 200, 201, 262, 266 Lewis Sinclair Harry; 1885 Sauk Centre/USA, 1951 Rom/Italien; Schriftsteller 1: 138, 178 Leyden Lucas Hugensz van; 1494 Leiden/Niederlande, 1533 ebd.; Maler, Zeichner, Kupferstecher 2: 70, 93, 106, 113, 123, 246, 289, 311, 312, 339 Liberale da Verona (di Jacopo dalla Biava); um 1445 Verona/Italien, um 1526 ebd.; Maler 2: 304, 335 Lichtblau Ernst; 1883 Wien/Österreich, 1963 ebd.; Architekt 1: 37, 150 Licinio Bernardino; um 1489 Poscante ?/Italien, um 1565 Venedig/Italien; Maler 2: 194 Liebermann Max; 1847 Berlin/Deutschland, 1935 ebd.; Maler, Grafiker 1: 63, 279, 416 Liebstoeckl (Liebstöckl) Hans; 1872–1934; Theaterschriftsteller, Publizist 1: 268 Linette; siehe Marc Evelyn Linzeler André; Paris; Kunsthistoriker, Museumsmann 2: 39, 62, 187 – 189, 203, 304, 328 Liphart Karl Eduard; 1808 Vana-Kuuste/Estland, 1891 Florenz/Italien; Mediziner, Kunsthistoriker, Kunstsammler 2: 245, 289 Lippi Filippino; um 1457 Prato/Italien, 1504 Florenz/Italien; Maler 2: 184, 202, 205 Lippmann Friedrich; 1838 Prag/Tschechische Republik, 1903 Berlin/Deutschland; Kunsthistoriker, Museumsmann 2: 185, 196, 256 Liszt Franz (Ferencz); 1811 Raiding/Österreich, 1886 Bayreuth/Deutschland; Komponist, Pianist, Dirigent 2: 208 Loeb Anna Maria, geb. Cetto; 1898 Stromberg/Deutschland, 1991 Bern/Schweiz; Kunsthistorikerin, Lektorin 2: 182, 254 49

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Loeb Hermann; 1897 Trier/Deutschland, 1963 ?/Schweiz; Kunsthistoriker, Verleger 2: 28, 29, 56, 63, 180, 181, 254, 307 Loeser Olga, geb. Lebert Kaufmann; Florenz/Italien; Pianistin, Witwe nach dem amerikanischen Kunstsammler Charles L. (1864–1928) 2: 235 Longhi Pietro (Falca); 1702 Venedig/Italien, 1785 ebd.; Maler, Goldschmied 2: 28 Longhi Roberto; 1890 Alba/Italien, 1970 Florenz/Italien; Kunsthistoriker, Hochschullehrer, Publizist 2: 237, 249, 284, 290, 341 Longhurst Margaret Helen; 1882 Chertsey/England, 1958 Aldbourne/England; Kunsthistorikerin, Museumsfrau 2: 102, 138 Loos Adolf; 1870 Brünn/Tschechische Republik, 1933 Kalksburg/Österreich; Architekt, Kulturkritiker 1: 112, 149, 154, 168, 170, 284, 295; 2: 256 Lotto Lorenzo; um 1480 Venedig/Italien, 1556 Loreto/Italien; Maler 1: 215; 2: 86, 87, 89, 91, 93, 132, 136, 193, 237, 250, 251, 260, 290, 293, 305, 341, 343 Lowengard Armand; 1893–1943; Kunsthändler, Neffe von Joseph Duveen 2: 154, 158, 169, 185 Löwenstein Baron; Wien; Ministerialbeamter 1: 142 Löw Jakob; 1887 Iwano-Frankiwsk (Stanisławów)/Ukraine, 1968 Tel Aviv/Israel; Bildhauer, Keramiker 1: 204, 275 Löwy Emanuel (Loewy); 1857 Wien/Österreich, 1938 ebd.; Archäologe, Hochschullehrer 1: 179, 202, 273; 2: 278 Lucas (Lukas) Ernst; Mediziner, Ehemann von Lili Reifenberg, Neffe von Margret Burg 2: 192, 194, 260, 261, 275 Lucas (Lukas) Lili, geb. Reifenberg; Schwester Eva Reichenbergs 2: 260, 261, 305, 307, 335 Lugt Frederik (Frits); 1884 Amsterdam/Niederlande, 1970 Paris/Frankreich; Kunstsammler, Hochschullehrer, Institutsgründer 2: 33, 56, 60, 69, 70, 95, 97, 99, 101, 122, 171, 205, 214, 224, 268, 276, 311 Luithlen Florentine (Flora, Muxl), geb. Kalbeck; 1882 Wien/Österreich, 1948 ebd.; Sängerin 1: 71 Luithlen Friedrich; 1869 Wien/Österreich, 1927 ebd.; Mediziner, Hochschullehrer 1: 71, 334 Luithlen Maria; 1915 Wien/Österreich, ?; Freundin der Tietze-Kinder 1: 108, 334 Luser Lili; Wien 1: 135 Lütjens Helmuth; 1893–1987; Kunsthistoriker, Kunsthändler 2: 79, 128, 129 Maclagan Eric Robert Dalrymple; 1879 London/England, 1951 Pola de Lena/Spanien; Museumsleiter 2: 79, 83, 84, 95, 102, 108, 128, 153, 154, 328 Maclagan Helen Elizabeth, geb. Lascelles; 1879–1942; verh. mit Eric M. 2: 84 Maclagan Michael; 1914 London/England, 2003 Oxford/England; Historiker, Hochschullehrer, Sohn von Eric M. 2: 84 50

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MacLean Douglas (Charles Douglas MacLean); 1890 Philadelphia/USA, 1967 Los Angeles/USA; Filmschauspieler, Produzent 1: 406, 444 Maes Nicolaes; 1632 Dordrecht/Niederlande, 1693 Amsterdam/Niederlande; Maler 2: 88 Maestro Mateo; 1160–1217 nachweisbar; Bildhauer, Baumeister 1: 428, 450 Maganza Alessandro; 1556 Vicenza/Italien, um 1630 ebd.; Maler, Radierer 2: 224, 225, 296, 331 Mahlau Alfred; 1894 Berlin/Deutschland, 1967 Hamburg/Deutschland; Maler, Grafiker 1: 209, 211, 281 Mahler Anna; 1904 Wien/Österreich, 1988 London/England; Malerin, Bildhauerin, Tochter v. Alma Mahler-Werfel u. Gustav M. 1: 38, 126, 127, 150, 175, 191, 270; 2: 158, 172 Mahler Gustav; 1860 Kaliště (Kalischt)/Tschechische Republik, 1911 Wien/Österreich; Komponist, Dirigent, Operndirektor 1: 114, 156, 169, 175, 176, 276, 287, 294, 312, 366, 368, 381; 2: 34, 61 Mahler-Werfel Alma Maria, geb. Schindler; 1879 Wien/Österreich, 1964 New York/ USA; Komponistin, Musikschriftstellerin, Gefährtin berühmter Männer 1: 56, 59, 91, 94, 104, 108, 126, 127, 134, 135, 137, 150, 156, 175, 176, 178, 180, 191, 197, 202, 204, 210, 224, 231, 240, 247, 270, 276, 281, 287, 291, 294; 2: 61 Mahr Adolf; 1887 Trento (Trient)/Italien, 1951 Bonn/Deutschland; Archäologe, Museumsleiter 2: 113, 115 – 117, 141, 142 Maillol Aristide; 1861 Banyuls-sur Mer/Frankreich, 1944 Marly-le-Roy/Frankreich; Bildhauer, Grafiker 2: 156 Makart Hans; 1840 Salzburg/Österreich, 1884 Wien/Österreich; Maler 1: 45, 116, 171 Malraux André; 1901 Paris/Frankreich, 1976 Créteil/Frankreich; Schriftsteller, Politiker 2: 206, 234, 269 Mandach Conrad von; 1870 Schaffhausen/Schweiz, 1951 Habstetten/Schweiz; Kunsthistoriker, Museumsleiter, Hochschullehrer 2: 29 Mandler Ernst; 1866 Humpolec (Gumpolds)/Tschechische Republik, 1932 ?; Maler, Schriftsteller 1: 231 Mann Thomas; 1875 Lübeck/Deutschland, 1955 Zürich/Schweiz; Schriftsteller 1: 322, 369; 2: 210, 270 Manson James Bolivar ( J. B.); 1879 London/England, 1945 ebd.; Maler, Galerieleiter 2: 198, 265 Mansueti Giovanni di Niccolò; um 1465 Venedig/Italien, um 1527 ebd.; Maler 2: 293 Mantegna Andrea; um 1430 Isola di Cartura/Italien, 1506 Mantua/Italien; Maler, Kupferstecher 1: 240, 261, 262, 264, 301, 306, 311, 352, 378, 416, 447; 2: 86, 181, 235, 284, 295, 331 51

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Manuel Niklaus (genannt Deutsch); um 1484 Bern/Schweiz, 1530 ebd.; Dichter, Maler, Holzschneider, Reformator, Staatsmann 1: 110; 2: 29, 57 Marc Evelyn (Linette), geb. Eisenschitz; 1915 Internierungslager bei Angers/Frankreich; Malerin, Tochter von Willi Eisenschitz und Claire Bertrand 2: 35, 37, 62 Marchand André; 1877 Paris/Frankreich, 1951 ebd.; Maler, Grafiker 1: 37 Mariano Elisabetta (Nicky); 1887–1869; Bibliothekarin, Sekräterin von Bernard Berenson 2: 229, 279 Marignane Maurice; 1879– ?, Frankreich; Kunstsammler, Kunsthändler 2: 186, 201, 203 – 205, 238, 247, 267, 322, 323 Markicz; Florenz; Restaurator 2: 233, 236, 238 Markowitz Alfred; 1877 Salzburg/Österreich, ?; Kulturredakteur der Arbeiter-Zeitung 1: 209, 211, 281 Martín I.; 1356 Gerona/Spanien, 1410 Barcelona/Spanien; König von Aragonien, Graf von Barcelona, als Martin II. König von Sizilien 1: 399 Martínez del Mazo Juan Bautista; 1605 Cuenca/Spanien, 1667 Madrid/Spanien; Maler 1: 451 Mary of Teck (Queen Mary); 1867 London/England, 1953 ebd.; Königin von England 2: 135, 167 Mascagni Pietro; 1863 Livorno/Italien, 1945 Rom/Italien; Komponist, Dirigent 1: 250, 299 Masolino (Tommaso di Cristoforo Fini); um 1383 Panicale/Italien, um 1445 Florenz/Italien; Maler 2: 237 Masson André; 1896 Balagny/Frankreich, 1987 Paris/Frankreich; Maler, Bildhauer 2: 186 Mathey Jacques; 1883–1975; Kunsthistoriker, Kunsthändler 2: 204, 268, 316, 340 Matisse Henri; 1869 Le Cateau/Frankreich, 1954 Nizza/Frankreich; Maler, Grafiker, Bildhauer 2: 157 Matthias Corvinus (Hunyadi); 1443 Cluj (Klausenburg)/Rumänien, 1490 Wien/ Österreich; König von Ungarn und Böhmen 1: 59 Maulbertsch Franz Anton (Malberz, Maulbersch, Maulpertsch); 1724 Langenargen am Bodensee/Deutschland, 1796 Wien/Österreich; Maler, Radierer 1: 63, 134, 159 Mayer August Liebmann (A. L.); 1885 Griesheim bei Darmstadt/Deutschland, 1944 KZ Auschwitz; Kunsthistoriker, Museumsmann, Publizist, Hochschullehrer 1: 237, 411, 412, 445; 2: 158, 183, 188, 240, 255, 257, 258, 273, 281, 298 Mayer Carl 1894; Graz/Österreich, 1944 London/England; Drehbuchautor, Dramaturg 2: 193, 260 Mayr Richard; 1877 Salzburg/Österreich, 1935 Wien/Österreich; Sänger 1: 215, 284 Meder Josef 1857; Zlovědice (Lobeditz)/Tschechische Republik, 1934 Wien/Österreich; Museumsleiter 1: 452; 2: 53, 180, 253 52

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Meister des Bartholomäus-Altars; Ende 15. Jh. in Deutschland tätig; Maler, Bildhauer 2: 105 Meller Simon; 1875–1949 Ungarn; Kunsthistoriker, Museumsmann, Kunstsammler 1: 116, 171; 2: 329 Memling Hans; um 1430 ?/Deutschland, 1494 Brügge/Belgien; Maler 2: 146 Menczel Philipp; 1872–1938; Jurist 1: 171, 210, 280, 281 Menczel Rosa, geb. Kaufmann; 1874–1963; verh. mit Philipp M. 1: 110, 116, 136, 137, 171, 210, 218, 220, 235, 280, 281, 286 Mendel Erna, gesch. Lederer, gesch. Schwadron; 1884 Wien/Österreich, 1981 Haifa/Israel; Malerin, Radiererin 1: 114, 168, 228, 290, 360 Mendelssohn Bartholdy Felix; 1809 Hamburg/Deutschland, 1847 Leipzig/ Deutschland; Komponist, Dirigent 1: 142 Mendl Otto; 1907 Wien/Österreich, ?; Pilot, Sohn des Inhabers der Wiener AnkerBrot-Fabrik 1: 322, 369 Menghin Oswald; 1888 Meran/Italien, 1973 Buenos Aires/Argentinien; Prähistoriker, Hochschullehrer, Unterrichtsminister 1: 34, 147; 2: 288 Menzel Adolf; 1815 Wrocław (Breslau)/Polen, 1905 Berlin/Deutschland; Maler, Grafiker 2: 30 Mercier Fernand; 1884–1944; Museumsmann 2: 318, 340 Meringer Frau; Wien 1: 239, 295 Merkel Georg ( Jerzy); 1881 Lwíw (Lemberg)/Ukraine, 1976 Wien/Österreich; Maler, Grafiker 1: 126, 158, 204, 205, 209, 214, 260, 283, 378; 2: 36, 40, 201, 229, 266, 279, 317 Merkel Janek; 1911 Paris/Frankreich, ?; Mediziner, Sohn von Georg und Louise M. 2: 316, 317 Merkel-Romée Louise; 1888 Krakau/Polen, 1977 Wien/Österreich; Malerin, verh. mit Georg M. 1: 202, 209, 355; 2: 317 Méryon Charles; 1821 Paris/Frankreich, 1868 Charenton/Frankreich; Radierer 2: 113 Messager André; 1853 Montluçon/Frankreich, 1929 Paris/Frankreich; Pianist, Komponist, Dirigent 1: 264, 306 Messerschmidt Franz Xaver; 1736 Wiesensteig/Deutschland, 1783 Bratislava (Preßburg)/Slowakei; Bildhauer 1: 154; 2: 185, 225, 228, 232, 279 Metsys Jan (Massys, Matsys); um 1510–1575 Antwerpen/Belgien; Maler 2: 198 Metzinger Jean; 1883 Nantes/Frankreich, 1956 Paris/Frankreich; Maler, Kunsttheoretiker, Schriftsteller 1: 111 Michelson Leo (Mihelsons); 1887 Riga/Lettland, 1978 New York/USA; Maler, Kunstsammler 2: 183, 184, 186, 187, 200, 204, 205, 214, 227, 255, 268 Michiel Marc Antonio; um 1485 Venedig/Italien, 1552 ebd.; Kunstschriftsteller, Kunstsammler 2: 152, 168 53

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Mikuli Frau von; Wien 1: 53, 156 Millais John Everett; 1829 Southampton/England, 1896 London/England; Maler, Zeichner 2: 154 Millet Jean François; 1814 Gruchy/Frankreich, 1875 Barbizon/Frankreich; Maler, Grafiker 1: 126; 2: 324 Millán Pedro (Milán); in Sevilla/Spanien um 1500 aktiv; Bildhauer 1: 407, 444 Modena Nicoletto da (Nicoleto Rosez); Anfang 16. Jh.; Kupferstecher 1: 253, 300 Modigliani Amadeo; 1884 Livorno/Italien, 1920 Paris/Frankreich; Maler, Bildhauer 2: 156 Moissi Alexander (Alessandro Moisi); 1879 Triest/Italien, 1935 Wien/Österreich; Schauspieler 1: 146, 189, 268 Molière ( Jean-Baptiste Poquelin); 1622 Paris/Frankreich, 1673 ebd.; Dramatiker, Theatermann 2: 35, 61, 185, 220 Moll Anna, geb. Bergen, verw. Schindler; 1857–1938; Sängerin, verh. mit Carl M., Mutter von Alma Mahler-Werfel 2: 49 Moll Carl (Karl); 1861 Wien/Österreich, 1945 (Selbstmord) ebd.; Maler, Kunsthändler, Galerist, Kunstsammler 1: 38, 150, 176, 178, 224, 287; 2: 49, 66 Mond Robert; 1867 Farnworth/England, 1938 Paris/Frankreich; Chemiker, Ägyptologe, Kunstsammler, Mäzen 2: 109, 140, 154, 170 Monet Claude; 1840 Paris/Frankreich, 1926 Giverny/Frankreich; Maler 1: 48 Montagna Bartolomeo (Cincani); um 1450 Orzinuovi/Italien, 1523 Vicenza/Italien; Maler 1: 194, 352 Monticelli Adolphe; 1824 Marseille/Frankreich, 1886 ebd.; Maler 1: 394 Morassi Antonio; 1893 Gorizia (Görz)/Italien, 1976 Mailand/Italien; Kunsthistoriker, Museumsleiter, Kunstsammler 2: 243 – 247, 288, 289, 300, 303, 304, 334 Morassi Mauro; 1925 Trento (Trient)/Italien, 1966 (Unfall) ?; Filmregisseur 2: 247 Morazzone Pier Francesco (Mazzucchelli); um 1570 Morazzone/Italien, 1626 Piacenza/Italien; Maler 2: 83 Mordo Renato; 1894 Wien/Österreich, 1955 Mainz/Deutschland; Theatermann 1: 212, 213, 220, 282 Moretto Alessandro; um 1498 Brescia/Italien, 1554 ebd.; Maler 2: 293, 330 Morgan John Pierpont jr.; 1867 Irvington/USA, 1943 Boca Grande/USA; Finanzmagnat, Kunstsammler 1: 107, 166, 204 Morley Mrs.; Ehefrau des Bischofs von London 2: 120 Moroni Gianbattista (Giovanni Battista); um 1525 Albino/Italien, 1578 Bergamo/ Italien; Maler 2: 250 Morshead Owen; 1893 Tavistock/England, 1977 ?; Bibliothekar, Militär 2: 82, 130 Moschetti Andrea; 1865 Venedig/Italien, 1943 Padua/Italien; Literaturwissenschaftler, Archiv- und Museumsleiter, Hochschullehrer 2: 296, 297, 331 54

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Moschini Vittorio; 1864 Turin/Italien, 1940 Stra/Italien; Kunsthistoriker, Politiker 2: 293 Moufang Nicola; 1886–1967; Direktor der Majolika-Manufaktur Karlsruhe 1: 147, 184 Mozart Wolfgang Amadeus; 1756 Salzburg/Österreich, 1791 Wien/Österreich; Komponist 1: 124, 142, 152, 174, 209; 2: 126 Müller Gerda; 1894 Tarniny (Tornienen)/Polen, 1951 Berlin/Deutschland; Schauspielerin 1: 209, 218, 250, 252, 279 Müller-Hofmann Wilhelm; 1885 Brünn/Tschechische Republik, 1948 Wien/Österreich; Maler, Grafiker, Hochschullehrer 1: 357, 379 Muller Jan ( Joannes); 1571 Amsterdam/Niederlande, 1628 ebd.; Kupferstecher, Zeichner 1: 251, 299 Munch Edvard; 1863 Løten/Norwegen, 1944 Oslo/Norwegen; Maler, Grafiker 1: 84, 127, 176, 212, 213, 249, 250, 281, 299 Muni Paul (Meier Weisenfreund); 1895 Lwíw (Lemberg)/Ukraine, 1867 Montecino/USA; Schauspieler 2: 212, 270 Munkácsy Mihály von (Lieb); 1844 Mukatschewe (Munkács)/Ukraine, 1909 Bonn/ Deutschland; Maler 2: 245 Münzberg Boby; Spielgefährte der Tietze-Kinder 1: 78, 83, 108, 190, 269 Murillo Bartholomé Esteban; 1618 Sevilla/Spanien, 1682 ebd.; Maler 1: 407, 408, 410, 418, 444, 445; 2: 83 Murray Mr.; Florenz; Kunstsammler 2: 235 Musiker; Spanien; Professor 1: 408, 445 Mussolini Benito; 1883 Predappio/Italien, 1945 (hingerichtet) Giulino di Mezzegra/ Italien; Duce 2: 173, 213, 226, 229, 287, 289, 323, 341 Musorgskij Modest Petrovič; 1839 Karewo/Russland, 1881 St. Petersburg/Russland; Komponist 1: 207, 380 Muttoni Pietro (della Vecchia); 1605 Venedig/Italien, 1678 ebd.; Maler 2: 288 Muziano Girolamo; 1528 Acquafredda/Italien, 1592 Rom/Italien; Maler 2: 239 Nash John; 1752 London/England, 1835 Isle of White/England; Architekt 2: 101 Nebehay Christian Michael; 1909 Wien/Österreich, 2003 ?; Kunsthändler 1: 163; 2: 28 Nebehay Gustav; 1881 Wien/Österreich, 1935 Baden bei Wien/Österreich; Kunsthändler 1: 37, 39, 96, 101, 120, 134, 141, 163, 175, 179, 215, 218, 232, 291, 313, 314, 367, 373 Nechansky Arnold; 1888 Wien/Österreich, 1938 Kitzbühel/Österreich; Kunstgewerbler, Schwiegersohn von Josefine von Winter 2: 227, 278 Neeld Dallas Audley; 1849–1941 England; Landadeliger, Kunstbesitzer 2: 104 55

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Negker Jost de (Necker); um 1485 Antwerpen/Belgien, um 1544 Augsburg/ Deutschland; Holzschnitzer, Verleger 2: 312 Neher Frau; Wien 1: 258 Neumayer; London; Kunsthändler 2: 108 Neurath Otto; 1882 Wien/Österreich, 1945 Oxford/England; Nationalökonom, Soziologe, Philosoph, Museumsleiter, Bildungspolitiker 1: 134, 136, 179 Nichols Robert; 1893 Isle of Wight/England, 1944 Cambridge/England; Schriftsteller, Hochschullehrer 2: 155, 170 Nicodemi Giorgio; 1891 Triest/Italien, 1967 Mailand/Italien; Kunsthistoriker, Hochschullehrer, Archivar 2: 247, 250 Nielsen Asta; 1881 Kopenhagen/Dänemark, 1972 Frederiksberg/Dänemark; Schauspielerin 1: 209, 218, 279, 311 Nietzsche Friedrich; 1844 Röcken/Deutschland, 1900 Weimar/Deutschland; Philosoph 2: 35 Nirenstein Franziska (Fanny), geb. von Löwenstein-Scharffeneck; 1899 Oberau/ Deutschland, ?; verh. mit Otto (Kallir-)Nierenstein 1: 314 Nirenstein Otto (Kallir-Nirenstein, Kallir); 1894 Wien/Österreich, 1978 New York/ USA; Kunsthistoriker, Kunsthändler, Galerist, Verleger 1: 139, 181, 191, 260, 270, 276, 299, 304, 314, 316, 332, 356, 357, 361, 362, 381; 2: 81 Nögerath Frau; Wien 1: 123 Nolde Emil (Hans Emil Hansen); 1867 Nolde/Deutschland, 1956 Seebüll/ Deutschland; Maler, Grafiker 1: 62, 191, 208, 212, 213, 216, 226, 232, 236, 279, 281, 284, 289, 294 Norfini Annemaria; Venedig; Quartiergeberin der Tietzes 2: 220 Norfini Cesarine; Venedig; Quartiergeberin der Tietzes 2: 220, 221 Nowak Willi (Vilem); 1886 Mníšek pod Brdy/Tschechische Republik, 1977 Prag/ Tschechische Republik; Maler, Hochschullehrer 1: 203, 274 Nowotny; Wien; Schauspieler 1: 208, 279 Nuvolone Carlos Francesc;o 1609 Mailand/Italien, 1662 ebd.; Maler 2: 248 O’Brien Dermod; 1865 Mount Trenchard/Irland, 1945 Dublin/Irland; Maler, Hochschullehrer 2: 115, 142 Oertel Robert; 1907 Leipzig/Deutschland, 1981 Freiburg am Breisgau/Deutschland; Kunsthistoriker, Museumsmann, Hochschullehrer 2: 239 Ofenheim Wilhelm; 1860 Wien/Österreich, 1932 ebd.; Industrieller, Kunstsammler 1: 247, 249, 298; 2: 52, 67 Offner Mortimer; 1900 New York/USA, 1965 ebd.; Fotograf, Drehbuchautor, Publizist 2: 235, 236, 283, 284 Offner Richard; 1889 Wien/Österreich, 1965 Ronta/Italien; Kunsthistoriker, Hochschullehrer 2: 235, 236, 283, 284 56

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Olivieri; Maler 2: 117 Oppé Adolph Paul; 1878 London/England, 1957 London/England; Kunsthistoriker, Museumsmann, Hochschullehrer, Kunstsammler 2: 82, 86, 95, 96, 105, 136, 194, 195 Oppé Lyonetta Edith, geb. Tollemache; 1887 South Witham/England, 1951 London/England; verh. mit Adolph O. 2: 82 Oppenheim; Baron; Wien 2: 328 Oppenheim; Baronin; Wien 1: 189, 268 Oppenheimer Felix von; 1874 Wien/Österreich, 1938 (Selbstmord) ebd.; Jurist, Sozialwissenschaftler, Kunstförderer 1: 40, 41, 152; 2: 272, 343 Oppenheimer Gabriele, geb. Todesco ( Jella); 1854 Wien/Österreich, 1943 Vöcklabruck/Österreich; Mutter von Felix O. 2: 215, 272 Oppenheimer Marie (Mysa) von, geb. de Ville-Demblin von Canon; 1876 Graz/ Österreich, 1969 Lerici/Italien; verh. mit Felix O. 1: 37, 40, 41, 152, 268 Oppenheimer Max (Mopp); 1885 Wien/Österreich, 1954 New York/USA; Maler, Grafiker, Schriftsteller 1: 260, 295, 304; 2: 32, 34, 35, 40, 59, 61, 306, 337 Orley Bernard van; um 1490 Brüssel/Belgien, 1542 ebd.; Maler, Grafiker 2: 44, 64 Orska Maria (Effi Rahel Blindermann); 1893 Nikolajew/Russland, 1930 Wien/ Öster­reich; Schauspielerin 1: 189, 243, 268 Ortolani Sergio; 1869 Feltre/Italien, 1949 Cuneo/Italien; Museumsleiter, Kunsthistoriker, Schriftsteller, Hochschullehrer 2: 219, 275 Ortolano l’ (Giambatista Benvenuti): um 1485 ?, um 1525 Ferrara/Italien; Maler 2: 237, 238 Österreicher Rudolf; 1881 Wien/Österreich, 1966 ebd.; Librettist, Schriftsteller 1: 217, 224 Ottmann Franz; 1875 Wien/Österreich, 1962 ebd.; Kunsthistoriker, Publizist 1: 108, 109, 167 Oud Jacobus Johannes Pieter ( J. J. P.); 1890 Purmerend/Niederlande, 1963 Wassenaar/Niederlande; Architekt, Architekturtheoretiker 1: 128, 176 Pabst Georg Wilhelm (G. W.); 1885 Raudnitz (Roudnice nad Labem)/Tschechische Republik, 1967 Wien/Österreich; Filmregisseur 2: 48, 66 Pacher Michael; um 1435 ?/Italien, 1498 Salzburg/Österreich; Maler, Bildschnitzer 1: 301, 406 Padovanino (Alessandro Varotari); 1588 Padua/Italien, 1648 Venedig/Italien; Maler 2: 214 Pajer-Gartegen Robert (Payer); 1886 Wien/Österreich, 1944 (Selbstmord) ebd.; ­Jurist, Maler, Grafiker 1: 90, 161 Pallucchini Rodolfo; 1908 Mailand/Italien, 1989 Padua/Italien; Kunsthistoriker, Museumsleiter, Hochschullehrer 2: 158, 174, 241, 287 57

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Palma Jacopo (Palma il Giovane); 1544 Venedig/Italien, 1628 ebd.; Maler, Radierer 1: 354; 2: 24, 28, 44, 53, 60, 67, 75 – 77, 90, 108, 119, 141, 151, 154, 169, 170, 179 – 181, 205, 207, 208, 218, 224, 226, 228, 229, 240, 244, 251, 254, 269, 278, 290, 320 Palma Jacopo (Palma il Vecchio, d’Antonio Negreti); um 1480 Serinalta/Italien, 1528 ebd.; Maler, Onkel des Palma Giovane 2: 25, 54, 89, 181, 248 Panofsky Erwin; 1892 Hannover/Deutschland, 1968 Princeton/USA; Kunsthistoriker, Hochschullehrer 1: 343, 373; 2: 132, 173, 283, 332 Panza Frederico; 17./18. Jh. Mailand/Italien; Maler 2: 246 Pareja Juan de; um 1610 Antequera ?/Spanien, 1670 Madrid/Spanien; Maler, Sklave des Velázquez 2: 106, 140 Parker Audrey, geb. James; verh. mit Karl T. P. 2: 110 Parker Karl Theodor; 1895 Bedford/England, 1992 Eastbourne/England; Kunsthistoriker, Museumsleiter, Publizist 1: 355, 378; 2: 56, 76, 77, 109 – 112, 127, 141, 200 Parmigianino (Francesco Girolamo Mazzola); 1503 Parma/Italien, 1540 Casal Maggiore/Italien; Maler, Radierer 2: 184, 228, 263 Paschkis Dr.; Wien; Mediziner 2: 301 Pascin Jules ( Julius Pinkas); 1885 Widin/Bulgarien, 1930 (Selbstmord) Paris/Frankreich; Maler 1: 260, 304 Patinir (Patinier, Patenier) Joachim um; 1480 Bouvignes sur Meuse ?/Belgien, 1524 Antwerpen/Belgien; Maler 1: 415; 2: 48 Patissou Mme; Paris; Malerwitwe, Schwester von Maurice Marignane 2: 205, 322 Pedro I. 1334; Burgos/Spanien, 1369 bei Montiel/Spanien; König von Kastilien und León 1: 444 Pellerin Auguste; 1853 Paris/Frankreich, 1929 Neuilly-sur-Seine/Frankreich; Unternehmer, Kunstsammler 1: 112, 168 Pencz Georg ( Jörg); um 1500 Nürnberg/Deutschland, 1550 Leipzig/Deutschland; Maler, Kupferstecher, Holzschneider 2: 112, 319 Permoser Balthaser; 1651 Kammer/Deutschland, 1732 Dresden/Deutschland; Bildhauer 1: 134, 178 Pernter Hans; 1887 Wien/Österreich, 1951 Bad Ischl/Österreich; konservativer Politiker, Unterrichtsminister von 1936–1938 2: 35, 36, 62 Perugino Pietro (di Cristoforo Vannucci); um 1450 Castel della Pieve/Italien, 1523 Fontignano/Italien; Maler 2: 155, 259 Perutz Ehepaar Dr. 1: 256, 301 Pesaro; Mailand; Kunsthändler 2: 242, 243, 246, 247, 250, 305, 335 Peschka Anton; 1885 Wien/Österreich, 1940 ebd.; Maler, Schwager Egon Schieles 1: 164 Peters Anna, geb. Pohl; 1860 Prag/Tschechische Republik, 1938 (Selbstmord) Zü58

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rich/Schweiz; HTs Tante, Mutter von Luise Schoenberg 1: 126, 175, 200, 346, 361, 375; 2: 274, 327, 342 Peters Max (Onkel Max); ?–1929 Wien/Österreich; verh. mit HTs Tante Anna P., geb. Pohl 1: 346 Petrarca Francesco; 1304 Arezzo/Italien, 1374 Arquà/Italien; Dichter, Humanist 1: 263, 291, 305 Petrin Leodegar; 1877 Ainbach/Österreich, 1965 Wien/Österreich; Jurist, Ministerialbeamter, Denkmalpfleger 1: 34, 107, 129, 148, 198, 271, 274, 341, 343, 359, 372 Petronio; Udine/Italien; Professor, ehemalige Quartiergeber HTs 1: 349, 377 Petrovics Elek; 1873 Deregnyő/Ungarn, 1945 Budapest/Ungarn; Kunsthistoriker, Museumsleiter 1: 123, 173 Philipp I. von Habsburg (der Schöne); 1478 Brügge/Belgien, 1506 Burgos/Spanien; Herzog von Burgund, König von Kastilien und Léon 1: 263, 443 Philipp II. (Felipe); 1527 Valladolid/Spanien, 1598 El Escorial bei Madrid/Spanien; König von Spanien und Portugal 1: 422, 447, 449; 2: 133, 145 Philippi Robert; 1877 Graz/Österreich, 1959 Wien/Österreich; Maler, Grafiker 1: 37, 53, 114, 131, 133, 203, 223, 243, 247, 287 Picasso Pablo Ruiz; 1881 Málaga/Spanien, 1973 Mougins/Frankreich; Maler, Bildhauer, Grafiker 1: 214, 283, 317, 395, 441, 443 Pick-Morino Edmund (Ödön Pick); 1877 Komárom (Komorn)/Ungarn, 1958 Dilbeek/Belgien; Maler 1: 235 Pinturicchio (Pintoricchio, Bernardino di Betto Betti); um 1454 Perugia/Italien, 1513 Siena/Italien; Maler 2: 237, 284 Piombo Sebastiano del (Luciani); um 1485 Venedig/Italien, 1547 Rom/Italien; Kleriker, Maler 2: 120, 145, 214, 239, 241, 272, 280 Pirandello Luigi; 1867 Agrigento/Italien, 1936 Rom/Italien; Schriftsteller 1: 290, 316, 358 Pittocchi (Pitocchi) Matteo de; um 1700 Florenz; Maler 2: 243 Planiscig Leone (Leo); 1887 Gorica (Görz)/Italien, 1952 (Bombenopfer) Florenz/ Italien; Kunsthistoriker, Museumsmann 1: 38, 48, 151, 253; 2: 161, 170, 297 Pleydenwurff Hans (Pleidenwurff ); um 1420 Bamberg ?/Deutschland, 1472 Nürnberg/Deutschland; Maler 2: 181 Plietzsch Eduard; 1886–1961; Kunsthistoriker, Museumsmann, Kunsthändler 2: 105, 139 Pogany; Wien; Publizist 1: 107, 146 Poglayen-Neuwall Stefan; 1888 Pola (Pula)/Kroatien, 1951 Wien/Österreich; Kunsthistoriker 1: 439, 454 Poiret Paul; 1879 Paris/Frankreich, 1944 ebd.; Modeschöpfer, Kunstsammler 1: 112, 168 59

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Polaczek Ernst; 1870 Liberec (Reichenberg)/Tschechische Republik, 1942 KZ Auschwitz; Museumsleiter, Hochschullehrer 1: 301 Polidoro da Lanciano; um 1515–1565 Venedig/Italien; Maler 2: 194, 261 Pollaiuolo Antonio; 1443 Florenz/Italien, 1498 Rom/Italien; Goldschmied, Bildhauer, Maler, Kupferstecher 1: 262 Pollak-Prag Frau 1: 226, 288 Pontormo Jacopo da; 1494 Pontormo/Italien, 1557 Florenz/Italien; Maler 2: 117 Popham Arthur Ewart 2: 73 – 75, 96, 97, 102, 108, 124, 131, 191 – 193, 199, 260, 327 Popp Anna E.; 1891 Ostrava (Ostrau)/Tschechische Republik, ?; Kunsthistorikerin, Kunsthändlerin 1: 215, 231, 284; 2: 75, 125 Popp Dr.; Wien 1: 139 Poras Dr.; Edlach/Österreich 2: 306 Pordenone (Giovanni Antonio de’ Sacchis, de Lode Sanis); um 1484 Pordenone/­ Italien, 1539 Ferrara/Italien; Maler 2: 28, 71, 145, 184, 197, 198, 241, 242, 287, 305 Porta Guiseppe (Salviati); um 1520 Castelnuovo di Garfagnana/Italien, um 1575 Venedig/Italien; Maler 2: 324 Porter Arthur Kingsley; 1883 Stamford/USA, 1933 Inishbofin/Irland; Kunsthistoriker, Archäologe, Hochschullehrer 1: 39, 152, 450 Posse Elise, geb. Käpernick; verh. mit Hans P. 2: 97, 136 Posse Hans; 1879 Dresden/Deutschland, 1942 ebd.; Kunsthistoriker, Museumsleiter 2: 57, 97, 231, 263, 280, 281 Poussin Nicolas; 1594 Les Andelys/Frankreich, 1665 Rom/Italien; Maler 1: 407; 2: 88, 100, 106, 133, 156, 196 Pozzo Andrea; 1642 Trento (Trient)/Italien, 1709 Wien/Österreich; Maler, Architekt, Kunstschriftsteller 2: 112 Previtali Andrea (Cordeliaghi, Cordella); um 1480 ?/Italien, 1528 Bergamo/Italien; Maler, Zeichner 2: 243, 250, 264 Pribram; Wien; Professor 1: 109, 167, 226 Priestley John Boynton ( J. B.); 1894 Bradford/England, 1984 Stratfort-upon-Avon/ England; Schriftsteller 2: 193 Prüger von Marchwalden Viktor Carl; 1880 Korneuburg/Österreich, 1932 Wien/ Österreich; Staatsbeamter 1: 34, 128, 147, 198, 271, 311, 331, 345, 359, 370 Puccini Giacomo; 1858 Lucca/Italien, 1924 Brüssel/Belgien; Komponist 2: 161 Pudelko Georg; Kunsthistoriker, Schwiegersohn von G. F. Reber 2: 230, 237, 284 Puget Pierre; 1620 Marseille/Frankreich, 1694 ebd.; Maler, Bildhauer, Architekt 1: 265, 394 Puppini Biagio dalle (Biagiodalle Lame); nach 1575 in Italien nachweisbar; Maler 2: 208 Purrmann Hans; 1880 Speyer/Deutschland, 1966 Basel/Schweiz; Maler, Radierer, Institutsleiter 1: 124; 2: 230, 280 60

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Raeber Willi; 1897 Rottenschwil/Schweiz, 1976 Basel/Schweiz; Kunsthändler, Museumsmann, Galerist, Kunstsammler 2: 28, 29, 56, 182 Raffael (Raffaello Santi, Raffaello da Urbino, Raphaello); 1483 Urbino/Italien, 1520 Rom/Italien; Maler, Architekt 1: 343, 363, 382, 415, 418, 446, 447; 2: 42, 56, 88, 102, 104, 110, 130, 133, 138, 139, 183, 200, 205, 214, 237, 245, 256, 265, 268, 272, 284, 289, 312, 324, 327 Ragghianti Carlo Ludovico; 1910 Lucca/Italien, 1987 Florenz/Italien; Kunsthistoriker, Politiker, Publizist, Filmemacher 2: 214, 225, 226, 277, 278 Raimondi Marcantonio (Marcanton); um 1480 Arsini/Italien, um 1530 Bologna/ Italien; Kupferstecher 2: 54, 189, 259 Raimu ( Jules Auguste Muraire); 1883 Toulon/Frankreich, 1946 Neuilly-sur-Seine/ Frankreich; Schauspieler, Entertainer 2: 48, 181, 203 Raimund Ferdinand (Raimann); 1790 Wien/Österreich, 1836 Pottenstein/Österreich; Dramatiker, Schauspieler 1: 144, 183, 311, 366 Rainbow Ephraim James; 1888–1983; Kurator 2: 107 Rainer Luise; 1910 Düsseldorf/Deutschland, ?; Schauspielerin 2: 212, 270 Ramaix de; Belgien; Kunstsammler 2: 48 Rameau Jean-Philippe; 1683 Dijon/Frankreich, 1764 Paris/Frankreich; Komponist, Musiktheoretiker 1: 210 Rapaport Rudolf (Ray); 1891 Daugavpils/Lettland, 1984 London/England; Maler 1: 38, 93, 109, 139, 151, 162, 198, 211, 225, 237, 256, 316, 337, 341, 368 Rathe Kurt; 1886 Wien/Österreich, 1952 ?; Kunsthistoriker, Publizist, Museumsmann 1: 63, 158, 175, 198, 211, 218, 281, 285 Rathenau Ernst (Ernest); 1887 Berlin/Deutschland, 1886 Bad Nauheim/Deutschland; Jurist, Verleger, Fotograf 1: 208, 279 Rayner-Wood Julia, geb. Holland; Malvern/England; Kunstsammlerin 2: 75, 96, 101, 102, 125, 136, 193, 259 Read Herbert Edward; 1893 Kirbymoorside/England, 1968 Stonegrave/England; Schriftsteller, Kunstkritiker, Museumsmann, Publizist, Hochschullehrer 2: 94, 95, 135, 193, 196, 260 Reber Erna, geb. Sander; verh. mit G. F. R. 2: 30 Reber Gisela; Tochter von G. F. R. und Erna R. 2: 230 Reber Gottlieb Friedrich (G. F.); 1880 Örlinghausen/Deutschland, 1959 Lausanne/ Schweiz; Unternehmer, Kunstsammler, Kunsthändler 2: 28, 56, 280, 284 Redlich Josef; 1869 Hodonín (Göding)/Tschechische Republik, 1936 Wien/Österreich; Jurist, Hochschullehrer, Politiker 1: 180 Redslob Edwin; 1884 Weimar/Deutschland, 1973 Berlin/Deutschland; Kunsthistoriker, Museumsleiter, Hochschullehrer 1: 359, 380 Reich Emil; 1864 Koryčany (Koritschan)/Tschechische Republik, 1940 Wien/ 61

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Österreich; Philosoph, Literaturwissenschaftler, Hochschullehrer, Volksbildner 1: 41, 153 Reich Otto; Wien; Bibliothekar, Kunsthistoriker 1: 438, 453 Reichel Anton; 1877 Graz/Österreich, 1945 Wien/Österreich; Kunsthistoriker, ­Archäologe, Museumsleiter, Komponist 1: 59, 100, 102, 157, 164, 218; 2: 231, 275, 281, 332 Reichel Oskar; 1869 Wien/Österreich, 1943 ebd.; Mediziner, Kaufmann, Kunstsammler, Kunsthändler 1: 105, 116, 165, 171, 307 Reichsman Dane; 1876 Djakovo/Kroatien, 1942 KZ Auschwitz; Unternehmer, Vater von Franz R. 2: 225, 301, 302, 334 Reichsman Franz; 1913 Zagreb (Agram)/Kroatien, 1996 Vernon/USA; Mediziner 2: 163 – 165, 173, 200, 225, 244, 265, 288, 293, 300, 301, 333, 334 Reichsman Frida, geb. Schnabl; 1887 Pohořelice (Pohrlitz)/Tschechische Republik, 1944 KZ Auschwitz; Mutter von Franz R. 2: 288, 334 Reifenberg Anneliese; Viersen/Deutschland; Schwägerin von Eva R. und Emanuel Feuermann 2: 307 Reifenberg Eva; siehe Feuermann Eva Reinhardt Max (Maximilian Goldmann); 1873 Baden/Österreich, 1943 New York/ USA; Theatermann 1: 168, 220, 296 Reinhart Oskar; 1885 Winterthur/Schweiz, 1965 ebd.; Kunstsammler, Mäzen 2: 55 Reinitz Maximilian; 1872 Wien/Österreich, 1935 ebd.; Maler 1: 247, 298 Reitlinger Henry Scopio; 1882 ?, 1950 London/England; Militär, Kunstsammler 2: 80, 129 Rella Frau; Küb/Österreich; Wirtin vom Küber Hof 1: 140 Rembrandt Harmenszoon van Rijn; 1606 Leiden/Niederlande, 1669 Amsterdam/ Niederlande; Maler, Grafiker 1: 107, 114, 128, 134, 135, 138 – 140, 169, 180, 182, 189, 201, 265, 278, 306, 333, 407; 2: 29, 30, 32, 46, 47, 51, 65, 69, 89, 93, 104, 117, 134, 149, 151, 168, 170, 182, 198, 255, 265, 311 Renner Karl; 1870 Dolní Dunajovice (Unter-Tannowitz)/Tschechische Republik, 1950 Wien/Österreich; Jurist, sozialdemokratischer Politiker, Staatskanzler, Nationalratspräsident, Bundespräsident 1: 236, 293 Renoir Jean; 1894 Paris/Frankreich, 1979 Beverly Hills/USA; Filmregisseur, Schauspieler 2: 29, 56, 200, 202, 265, 266 Renoir Pierre Auguste; 1841 Limoges/Frankreich, 1919 Cagnes/Frankreich; Maler, Grafiker, Bildhauer 2: 96, 309 Reti Rudolf; 1885 Užice/Republik Serbien, 1957 ?/USA; Pianist, Komponist, Musiktheoretiker 1: 210, 231, 281, 292 Reuther Hermann; 1882–1958; Direktor der Wiener Städtischen Sammlungen, Kunsthändler 1: 228 62

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Rex Oscar; 1857 Graz/Österreich, 1929 Prag/Tschechische Republik; Maler 2: 245 Reynolds Joshua; 1723 Plympton-Earl’s/England, 1792 London/England; Maler 2: 106 Ribbentrop Joachim von; 1893 Wesel/Deutschland, 1946 (hingerichtet) Nürnberg/ Deutschland; NS-Außenminister 2: 328 Ribera Jusepe de ( José); um 1590 Játiva/Spanien, 1652 Neapel/Italien; Maler, Radierer 1: 418, 448 Ricci Sebastiano; 1659 Belluno/Italien, 1734 Venedig/Italien; Maler 2: 196 Riccio Andrea (Brioseo); 1470 Padua/Italien, 1532 ebd.; Architekt, Goldschmied, Bildhauer, Plastiker 1: 48 Riccio Domenico (Brusasorci, Brusasorzi); 1516 Verona/Italien, 1567 ebd.; Maler 2: 335 Richelieu (Armand Jean du Plessis); 1585 Paris/Frankreich, 1642 ebd.; Kleriker, Staatsmann 1: 133 Richter George Martin; 1875 San Fransisco/USA, 1942 New York/USA; Kunsthistoriker, Kunsthändler, Kunstsammler, Verleger 2: 80, 93, 134, 253 Richter Hans; 1888 Berlin/Deutschland, 1976 Minusio/Schweiz; Maler, Grafiker, Filmkünstler, Institutsleiter 1: 128, 176, 177, 180 Ridolfi Carlo; 1594 Lonigo/Italien, 1658 Venedig/Italien; Kunstschriftsteller, Maler, Kunstsammler 2: 152, 169, 218, 268, 275 Rilke Rainer Maria; 1875 Prag/Tschechische Republik, 1926 Valmont/Schweiz; Schriftsteller, Übersetzer 1: 155, 205, 276, 334; 2: 280 Ring Margarete (Grete); 1887 Berlin/Deutschland, 1952 Zürich/Schweiz; Kunsthistorikerin, Museumsfrau, Galeristin, Kunsthändlerin 2: 79, 128, 186 Ringelnatz Joachim (Hans Joachim Bötticher); 1883 Wurzen/Deutschland, 1934 Berlin/Deutschland; Schriftsteller, Kabarettist, Maler 1: 205, 212, 276, 277, 282 Ristori; Florenz; Museumsmann 2: 238, 285 Rittner Thaddäus (Tadeusz, Thomasz Czaszka); 1873 Lwíw (Lemberg)/Ukraine, 1921 Bad Gastein/Österreich; Schriftsteller, Publizist, Theaterleiter, Staatsbeamter 1: 136, 179 Rivière Georges-Henri; 1897 Paris/Frankreich, 1985 Louveciennes/Frankreich; Musiker, Museologe, Publizist, Hochschullehrer 2: 159 Rizzo Antonio; 15. Jh. Italien; Bildhauer, Architekt, Ingenieur 2: 237 Robbia Luca della (di Simone di Marco); 1400 Florenz/Italien, 1482 ebd.; Bildhauer 2: 158 Robert-Rudi; siehe Anhegger Robert Roberti Ercole de; um 1455 Ferrara/Italien, 1496 ebd.; Maler 2: 232 Roden Max (Rosenzweig); 1881 Wien/Österreich, 1968 New York/USA; Dichter, Publizist, Kunstsammler 1: 190, 209, 269, 279 63

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Rodenberg Hans (Rosenberg); 1895 Lübbecke/Deutschland, 1978 Berlin/Deutschland (DDR); Schauspieler, Intendant, Politiker 1: 128, 176, 177, 208, 279 Rodin Auguste; 1840 Paris/Frankreich, 1917 Meudon/Frankreich; Bildhauer, Maler 1: 98, 116; 2: 63 Roland Ida (Klausner); 1881 Wien/Österreich, 1951 Nyon/Schweiz; Schauspielerin 1: 222, 286 Romako Anton; 1832 Atzgersdorf/Österreich, 1889 Wien/Österreich; Maler 1: 116, 171, 267, 307 Romanino Girolamo (Romani); um 1485 Brescia/Italien, um 1562 ebd.; Maler 2: 84, 102, 250, 303, 334 Romano Giulio (di Pietro de Gianuzzi, Pippi); 1499 Rom/Italien, 1546 Mantua/Italien; Maler, Architekt 2: 193, 202, 260, 328 Römer Erich (Roemer); ?–1934; Kunsthistoriker 2: 238, 285 Roosevelt Franklin Delano; 1882 Hyde Park/USA, 1945 Warm Springs/USA; Präsident der USA 2: 245, 323 Roscoe William; 1753 Liverpool/England, 1831 ebd.; Jurist, Historiker, Naturwissenschaftler, Politiker, Schriftsteller, Sammler 2: 113, 141 Rosen Lia; 1893 Brăila/Rumänien, ?/Israel; Schauspielerin 1: 112, 113, 134, 135, 168, 202, 203, 210, 212, 220 Rosenberg Jakob; 1893 Berlin/Deutschland, 1980 Cambridge/USA; Kunsthistoriker, Museumsmann, Hochschullehrer 1: 250, 299 Rosso Fiorentino (Giovanni Battista di Jacopo y Guasparre); 1494 Florenz/Italien, 1540 Fontainebleau/Frankreich; Maler 2: 42, 117 Rothberger Moritz; 1865 Wien/Österreich, 1944 ebd.; Bildhauer, Kaufmann 1: 205, 230, 291, 362, 381 Rothschild Edmond James de; 1845 Boulogne-Billancourt/Frankreich, 1934 ebd.; Bankier, Förderer der zionistischen Bewegung, Mäzen, Kunstsammler 2: 33, 60, 188, 189, 258, 259 Rouault Georges; 1871 Paris/Frankreich, 1958 ebd.; Maler, Museumsmann 1: 260, 304 Rouchès Gabriel; 1879–1958; Kunsthistoriker, Sammlungsleiter, Hochschullehrer 2: 33, 183, 189, 318 Rubens Peter Paul; 1577 Siegen/Deutschland, 1640 Antwerpen/Belgien; Maler, Diplomat 1: 39, 40, 111, 152, 165, 190, 232, 236, 269, 292, 294, 415, 421, 439, 447, 448; 2: 13, 30, 48, 62, 72, 90, 100, 106, 124 Rubinstein Assia; 1907–1983; Mitarbeiterin von Goerges Wildenstein 2: 158, 183 Rucker Thomas; um 1532–1606 tätig in Ausburg/Deutschland; Eisenschneider, Instrumentenbauer, Schwertfeger 2: 106 Rudolf (Rudolph) Dr.; London/England; Mediziner, Kunstsammler 2: 75, 88, 194, 261 Runberg Herr und Frau; Schweden, Freunde der Tietzes 1: 74, 92, 160 64

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Rusch Walburg (Burgl), geb. Tietze, gesch. Furtmüller; 1915 Wien/Österreich, 2011 ebd.; Grafikerin, ETCs ältere Tochter 1: 33, 69, 70, 74, 75, 101, 108, 131, 133, 139, 140, 156, 205, 220, 225, 235 – 239, 247, 248, 254, 263, 267, 289, 315, 332, 334, 335, 339, 364, 366, 371, 436; 2: 23, 44, 48, 64, 67, 74, 81, 86, 97, 98, 104, 105, 124, 126 – 128, 133, 139, 151, 163, 168, 171, 186, 195, 200, 203, 217, 221, 222, 228, 231, 233, 234, 238, 242, 253, 265, 274, 295, 301, 321, 323, 326, 329, 333, 334, 340 Russ Karl; 1779 Wien/Österreich, 1843 ebd.; Maler, Museumsmann 1: 56, 157 Russel Archibald George Blomefield (A. G. B.); 1879 Swanage/England, 1955 London/England; Kunsthistoriker, Kunstkritiker, Militär, Naturwissenschaftler 2: 86, 91, 95, 96, 134, 234, 238, 239, 244, 286 Russel Janet Frances, geb. Kerr; Ehefrau von Archibald R. 2: 96 Ruth; London; Freundin der Tietzes 2: 87, 195, 197, 261, 264 Ruysdael (Ruisdael) Jacob van; um 1630 Haarlem/Niederlande, 1682 Amsterdam/ Niederlande; Maler 2: 151 Sabin Frank Thomas; London; Kunsthändler 2: 76, 80, 127, 129 Sablet Jacques Henri; 1749 Morges/Schweiz, 1803 Paris/Frankreich; Maler 2: 30 Sachsen-Teschen Albert von, Herzog; 1738 Eisenberg-Moritzburg/Deutschland, 1822 Wien/Österreich; Generalfeldmarschall, Begründer der nach ihm benannten grafischen Sammlung Albertina 1: 102 Salcillo y Alcaraz Francisco; 1707 Murcia/Spanien, 1783 ebd.; Bildschnitzer 1: 402, 443 Salvendy Frieda; 1887 Wien/Österreich, 1965 Malvern/England; Malerin, Grafikerin 1: 27, 52, 121, 132, 203, 204, 213, 214, 235, 274, 293 Salvi Giovann Battista (Sassoferrato); 1609 Sassoferrato/Italien, 1685 Rom/Italien; Maler 2: 201 Sandrart Joachim von; 1606 Frankfurt am Main/Deutschland, 1688 Nürnberg/ Deutschland; Maler, Kupferstecher, Kunstschriftsteller 1: 350 Santifaller Maria Christina (Ditha, Ditta), verh. Hemsoth, verh. Sellschopp (Christina Suntaval); 1904 Castelrotto (Kastelruth)/Italien, 1978 Dortmund/Deutschland; Kunsthistorikerin, Übersetzerin, Lyrikerin 2: 230 – 232, 238, 239, 252, 281, 327, 342 Sargent John Singer; 1865 Florenz/Italien, 1925 London/England; Maler 2: 94 Sarto Andrea del (Andrea d’Agnolo); 1486 Florenz/Italien, 1530 ebd.; Maler 2: 201 Sassetti Francesco; 1421 Florenz/Italien, 1490 ebd.; Bankier, Mäzen 2: 237 Sauerlandt Max; 1880 Berlin/Deutschland, 1934 Hamburg/Deutschland; Museumsleiter, Publizist 1: 437, 452 Savoldo Giovanni Girolamo; um 1480 Brescia/Italien, um 1548 Venedig/Italien; Maler 1: 109; 2: 52, 107, 140, 235, 237 Saxl Friedrich (Fritz); 1890 Wien/Österreich, 1948 Dulwich/England; Kunsthistoriker, Hochschullehrer, Institutsleiter 1: 372, 381; 2: 81, 82, 100, 121, 130, 137, 138, 195, 233, 261, 282, 332 65

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Saxl Hedwig; 1914 Wien/Österreich, 1993 Margate/England; Medizinerin, Tochter von Fritz S. 2: 101, 137 Scharf Alfred; 1900 ? Königsberg/?, 1965 London/England; Kunsthistoriker, Museumsmann, Publizist, Kunsthändler, Hochschullehrer 2: 78, 95, 98, 128, 155, 194, 196, 198, 252, 265 Scharf Felicie, geb. Radziejewski; 1901 Berlin/Deutschland, ?; Kunsthistorikerin, Pädagogin, Kunsthändlerin 2: 128 Schatz Otto Rudolf; 1900 Wien/Österreich, 1961 ebd.; Maler, Schriftsteller 1: 190, 269, 304 Schäufelein Hans Leonhard (Scheuffelein); um 1480 Nürnberg/Deutschland, um 1540 Nördlingen/Deutschland; Maler, Holzschneider 2: 212, 318 Schaukal Richard von; 1874 Brno (Brünn)/Tschechische Republik, 1942 Wien/Österreich; Schriftsteller, Ministerialbeamter 1: 139 Schenk zu Schweinsberg Eberhard; 1893–1990; Kunsthistoriker, Museumsleiter, Bibliothekar 2: 182, 254 Schiavone (Andrea Meldolla); um 1520 Zadar/Kroatien, 1563 Venedig/Italien; Maler, Radierer 1: 167; 2: 93, 199, 209, 270 Schidone Bartolomeo (Schedoni); um 1570 Formigine/Italien, 1615 Parma/Italien; Maler, Radierer 2: 117 Schiele Egon; 1890 Tulln/Österreich, 1918 Wien/Österreich; Maler, Grafiker 1: 101, 139, 164, 181, 391 Schiller Friedrich; 1759 Marbach am Neckar/Deutschland, 1805 Weimar/Deutschland; Dichter 1: 323, 361, 369, 381 Schilling Edmund; 1888 Neuwied/Deutschland, 1974 Edgware/England; Kunsthistoriker, Museumsmann, Kunstsammler 2: 97, 109, 136, 141, 154, 155, 170, 196 – 198, 204, 254, 324, 341 Schilling Rosy, geb. Lewy; verh. mit Edmund S. 2: 198, 265 Schilthuis Mieke; Niederlande; Austauschschülerin 1: 39, 52, 53, 156 Schlosser Julius von; 1866 Wien/Österreich, 1938 ebd.; Kunsthistoriker, Museumsmann, Hochschullehrer 1: 40, 153, 169, 295, 372, 438; 2: 57, 60, 252, 328, 332, 343 Schmidt-Degener Frederik; 1881 Rotterdam/Niederlande, 1941 Amsterdam/Niederlande; Kunsthistoriker, Museumsleiter 2: 46, 307, 311 Schmidt Robert; 1878 Bad Oyenhausen/Deutschland, 1952 ? Italien; Kunsthistoriker, Museumsleiter, Hochschullehrer, Publizist 1: 215, 284; 2: 182, 254, 255 Schneider Emil; 1883 Höchst/Österreich, 1961 Bregenz/Österreich; christlichsozialer Politiker, Unterrichtsminister 1: 148, 345 Schneider Hans; 1888 Basel/Schweiz, 1953 ebd.; Kunsthistoriker, Hochschullehrer, Museumsmann, Institutsleiter 2: 69, 122 Schnitzler Arthur; 1862 Wien/Österreich, 1931 ebd.; Mediziner, Schriftsteller 1: 171, 210, 275, 276, 281, 295, 368, 374, 441 66

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Schoenberg Emma, geb. Pohl; 1883 Prag/Tschechische Republik, 1961 Zug/ Schweiz; verh. mit Hans Sch., Cousine HTs 2: 174 Schoenberg Gustav (Schönberg); 1880 Wien/Österreich, 1945 London/England; Jurist, Unternehmer, verh. mit HTs Cousine Louise Sch. 1: 261, 359, 380; 2: 218, 274, 327, 336 Schoenberg Hans (Schönberg); 1885 Wien/Österreich, 1953 Samaden/Schweiz; Kaufmann, Bruder von Gustav Sch., verh. mit HTs Cousine Emma Sch. 1: 380; 2: 174, 200, 211, 212, 265, 336 Schoenberg Louise (Lu), geb. Peters; 1886 Wien/Österreich, 1970 London/England; Cousine HTs, verh. mit Gustav S. 1: 380; 2: 274, 327, 342 Schoenberg Maria (Schönberg); 1918 Wien/Österreich, 1980 ?; Tochter von Hans und Emma Sch. 2: 165, 174 Schönberg Arnold; 1874 Wien/Österreich, 1951 Los Angeles/USA; Komponist, Maler, Pädagoge 1: 231, 232, 284, 291, 292 Schongauer Martin; um 1430 Colmar/Deutschland, 1491 Breisach/Deutschland; Kupferstecher, Maler 1: 140, 182, 250, 251, 299 Schönthal Otto; 1878 Wien/Österreich, 1961 ebd.; Architekt, Publizist 1: 226 Schramek Thomas; ?–1932; Schriftsteller 1: 346, 358, 375, 379, 380 Schubert-Soldern Fortunat; 1867 Paris/Frankreich, 1953 Wien/Österreich; Jurist, Kunsthistoriker, Denkmalpfleger 1: 236, 294 Schudt Ludwig; 1893 Friedberg/Deuschland, 1961 Rom/Italien; Kunsthistoriker, Bibliothekar 2: 216, 273 Schulthess Marguerite (Margrit, Schultess); Basel; Kunsthändlerin 2: 28, 56, 181, 254, 308, 337 Schuschnigg Kurt von; 1897 Riva del Garda/Italien, 1977 Mutters bei Innsbruck/ Österreich; Jurist, konservativer Politiker, österreichischer Bundeskanzler 1934– 1938 2: 62, 171, 196, 212, 263 – 265, 271, 274, 279 Schwarz Dr.; Wien; Psychoanalytiker 2: 193, 261 Schwarz Heinrich; 1894 Prag/Tschechische Republik, 1974 New York/USA; Kunsthistoriker, Museumsmann, Hochschullehrer 1: 52, 96, 155 Schwarz-Waldegg Fritz (Friedrich Schwarz); 1889 Wien/Österreich, 1942 KZ Maly Trostinez; Maler 1: 233, 236; 2: 266 Schwarzmann Norbert; Mediziner 1: 231, 291 Schwarzwald Eugenie (Genia), geb. Nußbaum; 1872 Polupanowka/Ukraine, 1940 Zürich/Schweiz; Germanistin, Reformpädagogin, Sozialreformerin 1: 216, 225, 227, 284, 288, 295 Seemann-Treuenwart Steffi, geb. Winternitz; ?–1925 (Selbstmord) Wien/Österreich; ehemalige Schülerin ETCs 1: 317, 368 Segonzac André Dunoyer de; 1884 Boussy-Saint-Antoine/Frankreich, 1974 Paris/ Frankreich; Maler, Grafiker 1: 37; 2: 36, 38, 39, 42, 62, 63, 81, 129, 130 67

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Seilern Antoine Edward 1901; Farnham/England, 1978 London/England; Kunsthistoriker, Kunsthändler, Kunstsammler 2: 36, 62, 232, 282 Seipel Ignaz; 1876 Wien/Österreich, 1932 Pernitz/Österreich; Kleriker, konservativer Politiker, österreichischer Bundeskanzler 1: 115, 169, 170, 190, 270, 282, 296 Seitz Adolf (Alf ); 1881 Köszeg (Güns)/Ungarn, 1968 ?; Jurist, Jugendfreund der Tietzes 1: 68, 76, 83, 91, 92, 94, 96 – 98, 101, 103, 104, 110, 115, 129, 132, 133, 139, 142, 159, 160, 164, 178, 189, 212, 226, 230, 250, 281, 288, 291, 312 Seitz Gerda; Freundin und Modell Georg Ehrlichs 1: 358, 361, 362, 380, 381, 391, 437, 453 Seitz Karl; 1869 Wien/Österreich, 1950 ebd.; sozialdemokratischer Politiker, Staatspräsident, Bürgermeister von Wien 1: 259, 360 Seligmann Adalbert Franz (A. F. S.); 1862 Wien/Österreich, 1945 ebd.; Maler, Kunstkritiker, Kunstpädagoge 1: 37, 150, 288, 289, 295 Servaes Dagny; 1894 Berlin/Deutschland, 1961 Wien/Österreich; Schauspielerin 1: 268 Sforza; 1450 – 1535 Herzöge von Mailand 2: 30 Shakespeare William; 1564 Stratfort-upon-Avon/England, 1616 ebd.; Dramatiker, Schauspieler 1: 205, 370, 437; 2: 83, 155, 265 Shapley Fern Helen, geb. Rusk; 1890 Mahomet/USA, 1984 Cheverly/USA; Kunsthistorikerin, Museumsfrau 2: 230, 233, 237, 280 Shapley John; um 1890 Jasper County/USA, 1978 Washington DC/USA; Kunsthistoriker, Publizist, Hochschullehrer 2: 237, 280, 284 Shaw Byam James; 1903 London/England, 1992 ebd.; Kunsthistoriker, Kunsthändler, Hochschullehrer 2: 76, 80, 83, 84, 126, 191 Signac Paul; 1863 Paris/Frankreich, 1935 ebd.; Maler, Grafiker 1: 48 Signorelli Luca; um 1441 Cortona/Italien, 1523 ebd.; Maler 1: 98; 2: 86, 119 Signoret Gabriel; 1878 Marseille/Frankreich, 1937 Paris/Frankreich; Schauspieler, Regisseur 2: 42 Silberman Abraham; Kunsthändler, Bruder von Elkan S. 2: 136, 138, 186, 256, 337, 338 Silberman Dolly, geb. Weiss; 1903 Luzern/Schweiz, ?/USA; verh. mit Elkan S. 2: 95, 136, 246 Silberman Elkan; 1892 Paks/Ungarn, 1952 New York/USA; Kunsthändler 2: 96, 136, 138, 186, 256, 337, 338 Skrbensky Otto; 1887–1952; Staatsbeamter 1: 345 Skubl Michael; 1877 Bleiburg/Österreich, 1964 Wien/Österreich; Polizeipräsident, Staatssekretär 2: 156, 171 Slevogt Max; 1868 Landshut/Deutschland, 1932 Neukastel/Deutschland; Maler, Grafiker 1: 37, 416 68

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Slotta Maja, geb. Fraenkel; 1903 Wrocław (Breslau)/Polen, ?; Ökonomin, ETCs Nichte 1: 38, 40, 44, 48, 149, 153, 260, 261, 304, 332, 371; 2: 300, 333 Smetana Bedřich (Friedrich); 1824 Litomyšl/Tschechische Republik, 1884 Prag/ Tschechische Republik; Komponist 1: 210, 280 Sobotka-Pessl Gabriella (Yella); 1906 Wien/Österreich, 1991 Northhampton/USA; Chembalistin 2: 113 Sogliani Giovannantonio di Francesco; 1492 Florenz/Italien, 1544 ebd.; Maler 2: 42 Sokoloff Vladimir Nikolajewitsch; 1889 Moskau/Russland, 1962 West Hollywood/ USA; Schauspieler 2: 304 Soldani Massimiliano; 1658 Florenz/Italien, 1740 Montevarchi/Italien; Bildhauer, Medailleur 2: 30 Solidor Suzy (Suzanne Louis Rocher); 1900 Saint-Servan-sur-Mer/Frankreich, 1987 Cagnes-sur-Mer/Frankreich; Sängerin, Schauspielerin, Modell, Schriftstellerin 2: 36, 62 Somary Felix; 1881 Wien/Österreich, 1956 Zürich/Schweiz; Ökonom, Bankier, Hochschullehrer 2: 306, 311, 336 Sophokles; um 497 v. Chr. Kolonos/Griechenland, um 405 v. Chr. Athen/Griechenland; Dramatiker 1: 207, 278 Sòriga Renato 1881; Carrara/Italien, 1939 Pavia/Italien; Historiker, Bibliothekar, Museumsleiter 2: 305, 335 Sorrentino Direktor; Bologna/Italien; Museumsleiter 2: 238, 240 Specht Richard; 1870 Wien/Österreich, 1932 ebd.; Schriftsteller, Musikkritiker 1: 237, 294, 295 Spengler Lazerus; 1479 Nürnberg/Deutschland, 1534 ebd.; Humanist, Reformator 2: 183, 255 Spira Maria, verh. Rath; 1895–1972; Anthroposophin, Schwägerin von Walther Eidlitz 1: 317, 368 Stappen Pierre Charles van der; 1843 Brüssel/Belgien, 1910 ebd.; Bildhauer, Kunstgewerbler 1: 159; 2: 45, 64 Steen Jan; um 1625 Leiden/Niederlande, 1679 ebd.; Maler 1: 39; 2: 104 Steffen Albert; 1884 Wynau/Schweiz, 1963 Dornach/Schweiz; Schriftsteller, Anthroposoph 1: 218, 285 Stefferl Bartholomäus; 1890 Gleisdorf/Österreich, 1966 Wien/Österreich; Maler, Grafiker 1: 135, 144, 183, 220, 258, 286, 362, 382 Steglich Frau; Rom 2: 215 Steiner Hugo; 1874 Wien/Österreich, ?; Industrieller 1: 37, 63, 66, 94, 98, 101, 107, 111, 115, 119, 129, 132, 136, 138, 141, 147, 149, 163, 168, 175, 192, 198, 200, 208, 211, 214, 225, 227, 232, 233, 244, 264, 267, 279, 297, 311, 313, 322, 334, 338, 342, 358, 375, 439, 453; 2: 37, 186, 275, 313, 317, 329, 338, 343 69

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Steiner Lilly, geb. Hofmann; 1884 Wien/Österreich, 1961 Paris/Frankreich; Malerin, Grafikerin, verh. mit Hugo S. 1: 37, 59, 63, 98, 101, 107, 111, 115, 119, 129, 132, 136, 138, 141, 147, 149, 157, 163, 168, 172, 192, 198, 200, 208, 214, 221 – 223, 225, 227, 232, 233, 244, 250, 264, 267, 289, 297, 311 – 313, 322, 333, 334, 338, 342, 358, 371, 439, 453; 2: 37, 40, 62, 186, 257, 313, 317, 338, 340 Steiner Mariedl; jüngere Tochter von Hugo und Lilly S. 1: 208, 279, 439, 453 Steinhof Eugen; 1880 Wien/Österreich, 1952 Los Angeles/USA; Bildhauer, Architekt, Hochschullehrer 1: 316, 368 Steinhof Frau; Wien 1: 316 Steinitz Felix; 1885 Wien/Österreich, ?; Bankier, Kunstsammler, Mäzen 1: 175, 204, 218, 242, 276 Steinmeyer Fritz: Köln, Luzern; Kunsthändler 2: 26, 55 Steinweg Klara; 1903 Unna/Deutschland, 1972 ?/Deutschland; Kunsthistorikerin 2: 236, 284 Stemmer Arthur; 1880 Jablunkov/Tschechische Republik, 1954 London/England; Kunstsammler 1: 205, 209, 276 Stephan Paul (Stefan Grünfeld); 1879 Brünn/Tschechische Republik, 1943 New York/USA; Jurist, Schriftsteller, Musikkritiker, Publizist 1: 224, 287 Stern Franz; Wien 1: 259, 303 Sternberg Dr.; Wien; Chirurg 1: 333 Sterne Maurice; 1878 Memel/Litauen, 1957 Mount Kisko/USA; Bildhauer, Maler 1: 242, 296 Stiedry Fritz; 1883 Wien/Österreich, 1968 Zürich/Schweiz; Dirigent 1: 231, 291, 292 Stix Alfred; 1882 Wien/Österreich, 1957 ebd.; Kunsthistoriker, Museumsleiter 1: 96, 98, 101, 102, 107, 108, 110, 120, 163, 167, 175, 203, 274, 370, 371; 2: 32, 35, 59, 228, 230, 278 Stix Ida, geb. Spiess; 1885 Wien/Österreich, ?; verh. mit Alfred S. 1: 96 Stoclet Alphonse; 1871–1949; Ingenieur, Finanzmann, Kunstsammler 2: 47 – 49, 66 Stoclet Suzanne, geb. Stevens; 1874–1960; verh. mit Alphonse S. 2: 49 Stoessl Otto; 1875 Wien/Österreich, 1936 ebd.; Schriftsteller, Kritiker 1: 48, 49, 155, 201, 202, 207, 273, 278, 291 Stoffels Hendrickje; 1626 Bredevoort/Niederlande, 1663 Amsterdam/Niederlande; Lebensgefährtin und Modell von Rembrandt 2: 149 Strakosch Alexander; 1879 Brünn/Tschechische Republik, 1958 Dornach/Schweiz; Ingenieur, Lehrer, Anthroposoph 2: 308, 337 Strakosch-Giesler Marie; 1877 Siegen/Deutschland, 1970 Arlsheim/Schweiz; Malerin, Anthroposophin 2: 308, 337 Strauß Richard; 1864 München/Deutschland, 1949 Garmisch-Partenkirchen/ Deutschland; Komponist, Dirigent 1: 215, 231, 232, 291, 292, 295 70

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Strawinski Igor Fjodorowitsch; 1882 Lomonossow (Oranienbaum)/Russland, 1971 New York/USA; Komponist, Dirigent, Operndirektor 1: 207, 278 Streif Dr.; Winterthur/Schweiz; Sekretär Sammlung Reinhart 2: 25 Strigel Bernhard; um 1460 Memmingen/Deutschland, um 1528 ebd.; Maler 2: 27, 56 Strindberg August; 1849 Stockholm/Schweden, 1912 ebd.; Schriftsteller 1: 208, 294 Strnad Oskar; 1879 Wien/Österreich, 1935 ebd.; Architekt, Bühnenbildner, Hochschullehrer 1: 136, 161, 213, 282 Stroheim Erich von (Erich Oswald Stroheim); 1885 Wien/Österreich, 1957 Maurepas/Frankreich; Regisseur, Schauspieler, Schriftsteller 2: 325, 342 Ströhlin; Paris; Mitarbeiter in der Galerie Maurice Gobin 2: 35 Strölin Alfred (Ströhlin); 1871–1954; Kunstsammler, Verleger 2: 30, 35, 58, 309 Strong Eugenie, geb. Sellers; 1860 London/England, 1943 Rom/Italien; Archäologin, Kunsthistorikerin, Hochschullehrerin, Institutsleiterin, Übersetzerin 2: 145 Strozzi Bernardo; 1581 Genua/Italien, 1644 Venedig/Italien; Maler 2: 235, 247 – 249, 290 Strzygowski Josef; 1862 Bílsko-Bělá (Bielitz-Biala)/Polen, 1941 Wien/Österreich; Kunsthistoriker, Hochschullehrer 1: 180, 438, 453; 2: 35 Stubbs George; 1724 Liverpool/England, 1806 London/England; Maler, Radierer 2: 113 Sturany Rudolf; 1867 Wien/Österreich, 1935 ebd.; Zoologe, Museumsmann 1: 94 Suida Hermine, geb. Satory; ?–1959 USA; verh. mit Wilhelm S. 2: 298 Suida Wilhelm (William); 1877 Neunkirchen/Österreich, 1959 New York/USA; Kunsthistoriker, Museumsmann, Hochschullehrer, Kunstsammler 1: 109; 2: 27, 28, 94, 102, 139, 231, 237, 247, 284, 298 Sustris Lambert; um 1520 Amsterdam/Niederlande, nach 1568 Italien; Maler 2: 214, 272, 297 Svabinsky Max (Švabinský); 1873 Kroměříž (Kremsier)/Tschechische Republik, 1962 Prag/Tschechische Republik; Maler, Grafike 1: 98 Swarzenski Georg; 1876 Dresden/Deutschland, 1957 Boston/USA; Kunsthistoriker, Museumsleiter, Hochschullehrer, Publizist 1: 286; 2: 96, 97, 136, 254 Swarzenski Hanns; 1903 Charlottenburg/Deutschland, 1985 Wilzhofen/Deutschland; Kunsthistoriker, Hochschullehrer 1: 220, 286 Swoboda Kamilla, geb. Rabl; 1885 ?/Tschechische Republik, 1942 KZ Lublin; Hutmacherin 1: 139, 181 Swoboda Karl Maria; 1889 Prag/Tschechische Republik, 1977 Rekawinkel/Österreich; Kunsthistoriker, Hochschullehrer 1: 181, 183, 438, 453 Symons Mrs.; Indianerin aus Kalifornien 1: 191 Szekely Gustav; 1922 Wien/Österreich; Mediziner, Sohn von Trude Waehner 2: 336 71

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Tacca Pietro; 1577 Carrara/Italien, 1640 Florenz/Italien; Bildhauer, Bronzegießer, Architekt 2: 225 Tairov Aleksandr Jakovlevič (Yakovlevich Korenblit); 1885 Riwne (Rowno)/Ukraine, 1950 Moskau/Russland; Theatermann 2: 81, 129, 308, 338 Talpino Enea (il Salmezza); um 1558 Salmezza/Italien, 1626 Bergamo/Italien; Maler 2: 237 Tarnay Bertha; 1891 Wien/Österreich, 1973 New York/USA; Malerin 2: 75, 80, 90, 126, 153 Tassaert; Malerfamilie 2: 44, 64 Taussig Bertha, geb. Klein; Ehefrau von Oskar Taussig 1: 189, 196, 220, 268, 286 Taussig Oskar; 1877 Plzeň (Pilsen)/Tschechische Republik, 1958 Sidney/Australien; Ingenieur, Industrieller, Generaldirektor der Österreichischen Bundesbahn 1: 40, 152, 189, 196, 268, 286 Taylor Francis Henry; 1903 Philadelphia/USA, 1957 Worcester/USA; Kunsthistoriker, Museumsleiter 2: 202, 232, 266, 282 Tempesta Antonio; 1555 Florenz/Italien, 1630 Rom/Italien; Maler, Zeichner, Radierer 1: 264, 306 Teniers David, d. J.; 1610 Antwerpen/Belgien, 1690 Brüssel/Belgien; Maler 2: 94, 135 Terramare Georg Eisler von; 1889 Wien/Österreich, 1948 La Paz/Bolivien; Schriftsteller, Regisseur 1: 202 Thaller Wilhelm (Willy); 1854 Graz/Österreich, 1941 Wien/Österreich; Schauspieler 1: 347, 375 Theiss Siegfried; 1882 Bratislava (Pressburg)/Slowakei, 1963 Wien/Österreich; Architekt 1: 134 Thieme Conrad Ulrich; 1865 Leipzig/Deutschland, 1922 ebd.; Kunsthistoriker, Publizist 1: 206 Thiess Frank; 1890 Išķile (Uexküll)/Lettland, 1977 Darmstadt/Deutschland; Schriftsteller, Theatermann 2: 189, 259 Thoma Hans; 1839 Bernau im Schwarzwald/Deutschland, 1924 Karlsruhe/Deutschland; Maler, Grafiker 1: 416; 2: 25, 55 Thompson E. G.; London/England; Keeper 2: 88, 119, 145 Thompson Francis; Chatsworth/England; Keeper 2: 119, 120, 142, 145, 167 Thöny Wilhelm; 1888 Graz/Österreich, 1949 New York/USA; Maler, Grafiker 2: 40 Thulden Theodor van (Tulden); 1606 ’s-Hertogenbosch/Niederlande, 1669 ebd.; Maler, Kupferstecher 2: 43 Thyssen-Bornemisza de Kászon Heinrich; 1875 Mülheim an der Ruhr/Deutschland, 1947 Lugano/Schweiz; Großindustrieller, Kunstsammler 2: 181, 182, 205, 242, 254 Tiepolo Giovanni Battista; 1696 Venedig/Italien, 1770 Madrid/Spanien; Maler, Zeichner, Radierer 1: 221; 2: 28, 30, 204, 238, 239, 252, 268, 281, 305 72

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Tiepolo Giovanni Domenico; 1727 Venedig/Italien, 1804 ebd.; Maler, Grafiker, Sohn des Giovanni Battista T. 2: 305 Tietze Adolf Andreas (Anderl); 1914 Wien/Österreich, 2003 ebd.; Historiker, Turkologe, Hochschullehrer, ETCs jüngerer Sohn 1: 33, 38, 75, 77, 81, 85, 87, 88, 91, 93, 94, 96, 98, 101, 108, 124, 131, 133, 136, 139, 145, 146, 161, 189, 197, 205, 222, 224, 226, 235, 243, 244, 248, 250, 252, 254, 255, 258, 259, 311, 312, 316, 317, 326, 332 – 334, 336, 337, 339, 346, 364 – 366, 371, 382, 406, 436 – 438, 452; 2: 23, 25, 30, 32, 35, 38, 44, 55, 62, 69, 71, 74, 98, 117, 118, 123, 124, 156, 163, 165, 173, 180, 185, 190, 192, 195, 200, 202, 203, 205, 208 – 210, 212, 214, 217, 219, 223, 227, 230, 232, 238 – 240, 243, 248, 251, 252, 260, 265 – 267, 270, 271, 283, 287, 288, 293, 297, 300, 301, 305 – 307, 309, 316, 326, 328, 329, 338, 340 Tietze Christoph (Stoffel, Christopher); 1908 Wien/Österreich, 1984 New York/ USA; Sozialmediziner, ETCs älterer Sohn 1: 33 – 35, 37 – 39, 74, 75, 78, 80, 83, 85, 88, 90 – 92, 94, 109, 114, 126, 128, 129, 131, 133, 136, 137, 139, 140, 145, 146, 149, 160, 178, 182, 189, 205, 206, 218, 221, 222, 224, 228, 235, 238, 239, 243, 248, 252, 255, 256, 302, 312, 317, 322, 326, 332 – 334, 336, 337, 339, 341, 343, 347, 358, 365, 366, 369, 371, 406, 418, 435 – 438, 453; 2: 23, 29, 34, 44, 47, 61, 77, 86, 123, 157, 160, 171, 192, 200, 203, 204, 216, 217, 221, 222, 225, 231 – 233, 242, 245, 247, 260, 265, 268, 271, 274, 276, 298, 300, 307, 309, 319, 326 – 328, 338, 342, 343 Tietze Felix (Fixlein); 1884 Prag/Tschechische Republik, 1962 London/England; Mediziner, Jurist, HTs jüngerer Bruder 1: 37, 102, 103, 107, 116, 126, 132, 138, 144, 159, 160, 171, 175, 178, 200, 201, 210, 221, 232, 237, 243, 256, 261, 297, 334, 346, 361, 381, 438; 2: 48, 52, 66, 80, 104, 129, 139, 156, 171, 179, 222, 225, 232, 275 – 277 Tietze Gertrud (Trude), geb. Inwald; 1909 Wien/Österreich 2: 23, 61, 71, 90, 123, 153, 215, 227, 228, 232 – 234, 244, 274, 283, 293, 300, 301, 307, 311, 318 – 320, 326, 328, 329, 333, 337, 338, 340 Tietze Hans Roderich (Rick, Hanki); 1921 Wien/Österreich; Chemiker, Sohn von Felix und Hertha T. 1: 175; 2: 66, 222, 232, 275 – 277 Tietze Hertha, geb. Milla; 1890 Wien/Österreich, 1970 ?/England; Medizinerin, verh. mit Felix T. 1: 37, 116, 126, 171, 175, 261, 316, 334, 381; 2: 66, 222, 275, 277 Tietze Paul; 1875 Prag/Tschechische Republik, 1943 KZ Theresienstadt; Jurist, HTs älterer Bruder 1: 439, 453, 454 Tietze Stefanie Dominika (Steffi), geb. Löti-Kelenföld; 1878 Wien/Österreich, 1942 Wien/Österreich; verh. mit Paul T. 1: 439, 453 Tietze Veronika (Vroni); 1918 Wien/Österreich, 1927 ebd.; ETCs jüngere Tochter 1: 33, 34, 57, 69, 74, 75, 77, 84, 94, 98, 100 – 102, 104, 110, 114, 116, 119, 123, 124, 126, 128, 133, 134, 138 – 140, 144, 146, 157, 183, 189, 190, 197, 198, 205, 212, 218, 221, 223, 236, 237, 243, 248, 250, 261, 270, 316, 326, 328, 332 – 334, 338, 346, 356, 364, 437; 2: 298, 333 73

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Tietze Walburg (Burgl); siehe Rusch Walburg Tikkanen Johan Jakob; 1859 Helsinki/Finnland, 1930 ebd.; Kunsthistoriker, Hochschullehrer 1: 56 Tillien Henri; 16./17. Jh., Frankreich; Maler 2: 31, 58 Tintoretta (Marietta Robusti); um 1555 Venedig/Italien, um 1590 ebd.; Malerin, Tochter des Jacopo T. 2: 242, 287, 288 Tintoretto ( Jacopo Robusti); 1518 Venedig/Italien, 1594 ebd.; Maler 1: 109, 167, 237, 239, 240, 243, 247, 294, 295, 297; 2: 27, 28, 32 – 34, 47, 52, 60, 61, 65, 67, 70, 71, 75, 77 – 80, 83, 87 – 91, 94 – 96, 99, 102, 106, 107, 127, 128, 133, 137, 149, 153, 154, 162, 163, 165, 166, 173, 174, 184, 185, 192, 194, 196, 204, 219, 224 – 231, 233, 237, 238, 241 – 243, 248, 251, 261, 262, 275, 276, 287, 305, 320, 343 Tintoretto Domenico (Robusti); 1560 Venedig/Italien, 1635 ebd.; Maler, Sohn des Jacopo T. 2: 72, 126, 174, 198, 219, 237, 238 Tischler Mathilde, geb. Ehrlich; Sopranistin, verh. mit Victor T. 1: 210, 236, 243, 280, 298; 2: 37, 186 Tischler Viktor; 1890 Wien/Österreich, 1951 Beaulieu-sur-Mer/Frankreich; Maler, Grafiker 1: 115, 144, 158, 230, 231, 233, 235, 236, 243, 247, 248, 257, 261, 268, 280, 296, 298, 346, 434, 452; 2: 35, 37, 40, 58, 186, 202, 266 Titius Johann Daniel (auch Tietz bzw. Tietze); 1729 Chojnice (Konitz)/Polen, 1796 Wittenberg/Deutschland; Astronom, Physiker, Biologe 1: 205 Tizian (Tiziano Vecellio); um 1489/90 Pieve di Cadore/Italien, 1576 Venedig/Italien; Maler, Zeichner 1: 102, 165, 234, 247 – 249, 251, 293, 298 – 300, 311, 352, 353, 378, 415, 418, 422, 439, 446, 447, 449; 2: 27 – 29, 32, 34, 44, 52, 56, 58, 60, 61, 70, 74, 76, 80, 83, 84, 87 – 91, 93 – 95, 102, 105, 107 – 109, 113, 119, 120, 124, 127, 130, 131, 133, 134, 136, 139 – 141, 145, 146, 149, 152, 154, 162, 163, 169, 171, 173, 179, 183, 184, 186, 188, 194 – 198, 203, 204, 210, 214, 229 – 231, 236, 237, 241, 243, 244, 246 – 249, 251, 255, 257, 263, 267, 272, 284, 287, 295, 298, 302, 324, 327, 331, 342 Toller Ernst; 1893 Szamocin/Polen, 1939 (Selbstmord) New York/USA; Schriftsteller 1: 212, 282 Toscanini Arturo; 1867 Parma/Italien, 1957 New York/USA; Dirigent 2: 307 Toulouse-Lautrec Henri de; 1864 Albi/Frankreich, 1901 Schloß Malromé/Frankreich; Maler, Grafiker 1: 62, 116 Trenkwald Hermann von; 1866–1942; Kunsthistoriker, Museumsleiter 1: 115 Troger Paul; 1698 Monguelfo/Italien, 1762 Wien/Österreich; Maler 1: 63, 159, 345, 373 Tua Paolo Maria; 1878 Cueno/Italien, 1949 Bassano del Grappa/Italien; Museumsleiter, Bibliothekar, Hochschullehrer 2: 302 Tura Cosimo (Cosmè); um 1430 Ferrara/Italien, 1495 ebd.; Maler 2: 30 Turner Percy Moore (P. M.); 1877–1950 London; Kunsthändler 2: 81, 87, 130 74

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Turrini Giuseppe; 1889 Castelrotto di Valpolicella/Italien, 1978 Negrar di Valpolicella/Italien; Kleriker, Bibliotheksleiter, Hochschullehrer 2: 303 Twardowski-Conrat Ilse von, geb. Conrat; 1880 Wien/Österreich, 1942 (Selbstmord) München/Deutschland; Bildhauerin, ETCs älteste Schwester 1: 66, 141, 144 – 146, 159, 182, 184, 189, 190, 223 – 225, 260, 261, 268, 289; 2: 64, 130, 131, 268, 301, 307, 334, 337, 338 Uccello Paolo (di Dono); um 1397 Florenz/Italien, 1475 ebd.; Maler 2: 184, 237 Udine Giovanni da; 1487 Udine/Italien, um 1564 Rom/Italien; Maler, Architekt, Stuckateur 2: 184, 256 Uitz Béla; 1887 Timişoara (Temeschwar)/Rumänien, 1972 Budapest/Ungarn; Maler, Grafiker 1: 225, 291 Ullmann Ludwig; 1887 Wien/Österreich, 1959 New York/USA; Theaterkritiker, Schriftsteller 1: 93, 162 Umanskij Konstantin Aleksandrovič; 1902 Mykolaiv/Ukraine, 1945 (Flugzeugabsturz) Mexico D. F./Mexiko; Diplomat, Journalist, Künstler 1: 101, 164 Unruh Fritz von; 1885 Koblenz/Deutschland, 1970 Diez an der Lahn/Deutschland; Schriftsteller, Maler 1: 361, 381 Unwin Stanley; 1884 London/England, 1968 ebd.; Verleger 2: 238 Utrillo Maurice; 1883 Paris/Frankreich, 1955 Dax/Frankreich; Maler 1: 360 Uxküll Baronin; Berlin 1: 209 Vale Giuseppe; 1877 Gemona der Friuli/Italien, 1950 Udine/Italien; Kleriker, Archivleiter, Bibliothekar 1: 349 Valentiner Wilhelm Reinhold; 1880 Karlsruhe/Deutschland, 1958 New York/USA; Kunsthistoriker, Museumsleiter, Publizist 1: 100, 164; 2: 198, 265 Vallotton Felix; 1865 Lausanne/Schweiz, 1925 Paris/Frankreich; Maler, Grafiker 2: 31, 58 Van Beuningen Daniël George; 1877 Utrecht/Niederlande, 1955 Arlesheim/ Schweiz; Industrieller, Reeder, Kunstsammler 2: 70, 72, 123, 267 Van Eyck Jan; um 1390 Maaseik/Belgien, 1441 Brügge/Belgien; Maler 1: 262; 2: 47, 65, 265 Van Harpen Nicolaas (Nico); 1858–1931; Kunsthändler, Publizist 1: 200, 272, 299 Van Heemskerck (van Beest) Jacoba; 1876 Den Haag/Niederlande, 1923 Domburg/ Niederlande; Malerin, Grafikerin 1: 232, 292 Van Marle Raimond; 1887 Den Haag/Niederlande, 1936 Perugia/Italien; Kunsthistoriker 2: 52, 67, 243 Van Puyvelde Léo; 1882 Sint-Niklaas/Belgien, 1965 Brüssel/Belgien; Kunsthistoriker, Hochschullehrer, Museumsleiter 2: 47, 48, 65 75

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Van Regteren Altena Iohan Quirijn (I. Q.); 1899 Amsterdam/Niederlande, 1980 ebd.; Kunsthistoriker, Museumsmann, Hochschullehrer, Publizist 2: 71, 123 Van Rijn Titus; 1641 Amsterdam/Niederlande, 1668 ebd.; Sohn des Rembrandt 2: 30, 93, 134 Varotari Dario d. Ä.; um 1539 Verona/Italien, 1596 Padua/Italien; Maler, Architekt 2: 302 Vasari Giorgio; 1511 Arezzo/Italien, 1574 Florenz/Italien; Maler, Architekt, Kunstschriftsteller 1: 205, 298; 2: 133, 148, 198, 272 Vecellio Orazio; um 1525 Venedig/Italien, 1576 ebd.; Maler, Sohn und Schüler Tizians 2: 204, 267 Veith Eduard; 1858 Nový Jičín (Neu Titschein)/Tschechische Republik, 1925 Wien/ Österreich; Maler 1: 231 Velázquez Diego Rodríguez de Silva y; 1599 Sevilla/Spanien, 1660 Madrid/Spanien; Maler 1: 94, 100, 142, 163, 294, 388, 389, 415, 418, 421, 430, 439, 446 – 449, 451; 2: 80, 84, 102, 106, 140, 216 Velim Anton; 1892 Wien/Österreich, 1954 ebd.; Maler 1: 100, 164 Veneto Bartolomeo (Bartolomeo Veneziano); erste Hälfte 16. Jh. Venedig/Italien; Maler 2: 246, 324 Venturi Lionello; 1885 Modena/Italien, 1961 Rom/Italien; Kunsthistoriker, Kunstkritiker, Hochschullehrer, Museumsmann 2: 89, 133, 137, 154, 186, 197, 257 Verdi Giuseppe; 1813 Le Roncolo/Italien, 1901 Mailand/Italien; Komponist 1: 239, 276, 287, 295, 299 Verdizotti Giovanni Mario (Verdezotti); um 1525 Venedig/Italien, 1600 ebd.; Maler, Gelehrter 2: 28, 29, 56 Vergil (Virgil, Publius Vergilius Maro); 70 v. Chr. Andes bei Mantua/Italien, 19 v. Chr. Brindisi/Italien; Dichter 2: 39, 62 Vermeer Jan; 1632 Delft/Niederlande, 1675 ebd.; Maler 1: 278, 301; 2: 310, 338 Verne Henri; 1880 Cannes/Frankreich, 1949 ?; Museumsleiter 2: 59, 316 Verne Jules; 1828 Nantes/Frankreich, 1905 Amiens/Frankreich; Schriftsteller 1: 337; 2: 325, 342 Vernon; Maler 2: 313 Veronese Bonifazio (di Pitati, Veneziano); 1487 Verona/Italien, 1553 Venedig/Italien; Maler 2: 214, 233, 243, 288 Veronese Paolo (Caliari); um 1528 Verona/Italien, um 1588 Venedig/Italien; Maler 1: 251, 299, 300; 2: 26, 60, 75, 84, 91 – 94, 119, 125, 134, 135, 151, 154, 165, 174, 181, 194, 196, 214, 261, 290, 311, 324 Vicentino Andrea (dei Michieli, Michielli); um 1540 Vicenza/Italien, 1617 ebd.; Maler 2: 78, 185, 327, 343 Viciani; Florenz; Kunsthändlerin 2: 235 76

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Viertel Berthold; 1885 Wien/Österreich, 1953 ebd.; Schriftsteller, Theatermann 1: 198, 271 Vignola Frl.; Verona; Kunstsammlerin 2: 303 Vignon Claude; 1593 Tours/Frankreich, 1670 Paris/Frankreich; Maler, Radierer 1: 256, 302 Visani Carlo; Florenz/Italien; Mediziner 2: 219, 232 – 235, 275, 282, 283 Vischer Peter d. Ä.; um 1460 Nürnberg/Deutschland, 1529 ebd.; Erzgießer, Bildhauer 1: 213 Vivarini Alvise (Luigi); um 1445 Venedig/Italien, um 1503 ebd.; Maler 2: 40, 63, 198, 264 Vlaminck Maurice de; 1876 Paris/Frankreich, 1958 Rueil-la- Gadelière/Frankreich; Maler, Grafiker 1: 62; 2: 157 Vogel; Basel 2: 186, 216, 244, 256, 273, 307, 310, 337, 338 Vollard Ambroise; 1865 Saint-Denis (Réunion)/Frankreich, 1939 Versailles/Frankreich; Kunsthändler, Galerist, Verleger 2: 39 Vollmoeller-Purrmann Mathilde; 1876 Stuttgart/Deutschland, 1945 München/ Deutschland; Malerin, Schriftstellerin 2: 230, 280 Volterra Daniele da (Ricciarelli); um 1510 Volterra/Italien, 1566 Rom/Italien; Maler, Bildhauer 2: 242 Volterra; Florenz/Italien; Kunsthändler 2: 231 Vom Rath; Amsterdam; Kunstsammler 2: 71, 123 Von der Heydt Eduard; 1882 Elberfeld/Deutschland, 1964 Ascona/Schweiz; Bankier, Kunstsammler, Mäzen 2: 234, 283 Vos Marten de; 1532 Antwerpen/Belgien, 1603 ebd.; Maler 2: 47, 51, 65 Waagen Gustav Friedrich; 1794 Hamburg/Deutschland, 1868 Kopenhagen/Dänemark; Kunsthistoriker 2: 148, 168 Waehner Gertrud (Trude, Schmidl-Waehner); 1900 Wien/Österreich, 1979 ebd.; Malerin, Grafikerin 2: 306, 336 Wagner Erika von, gesch. Löhr, verh. Stiedry; 1890–1974; Schauspielerin, Sängerin 1: 231, 292 Wahrmann Paula, verh. Lambertz; 1881 Wien/Österreich, 1945 ebd.; Indogermanistin 1: 210, 260, 280, 303 Waldmann Hans; 1435 Blickensdorf/Schweiz, 1489 Zürich/Schweiz; Heerführer, Bürgermeister der Stadt Zürich 2: 25, 55 Waldmüller Ferdinand Georg 1793; Wien/Österreich, 1865 Hinterbrühl/Österreich; Maler 2: 25, 59 Wallenstein Albrecht von; 1583 Heřmanice (Hermanitz an der Elbe)/Tschechische Republik, 1634 Cheb (Eger)/Tschechische Republik; Feldherr 2: 238 77

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Wallerstein Victor; 1879 Prag/Tschechische Republik, 1944 ?; Kunsthistoriker, Galerist, Kunsthändler 1: 136, 180 Waniek Herbert; 1897 Wien/Österreich, 1949 ebd.; Theatermann 1: 36, 211 Warburg Abraham Moritz (Aby); 1866 Hamburg/Deutschland, 1929 ebd.; Kunsthistoriker, Kulturwissenschaftler, Bibliotheksgründer 1: 257, 274, 302, 303, 381; 2: 273 Ware Alice; London; Mutter von Pamela W. 2: 74, 99 Ware Anne; London; Schwester von Pamela W. 2: 74 Ware Emily; London; Schwester von Pamela W. 2: 74 Ware Pamela; London; ehemaliges Gastkind der Tietzes 1: 439, 454; 2: 74, 99 Wartmann Wilhelm; 1882 St. Gallen/Schweiz, 1970 Zürich/Schweiz; Museumsleiter 2: 24, 306 Watteau Jean Antoine; 1684 Valenciennes/Frankreich, 1721 Nogent-sur-Marne/ Frankreich; Maler, Radierer 1: 102, 211; 2: 181 Watts George Frederic; 1817 London/England, 1904 Landsitz Limnerlease/England; Maler, Bildhauer 2: 113 Weininger Frau; Wien 1: 117, 171 Weisbach Werner; 1873 Berlin/Deutschland, 1953 Basel/Schweiz; Kunsthistoriker, Hochschullehrer 2: 197, 263 Weixlgärtner Arpád; 1872 Wien/Österreich, 1961 Göteborg/Schweden; Kunsthistoriker, Museumsleiter, Publizist, Hochschullehrer 2: 228, 278 Werbezirk Gisela (Werbisek); 1875 Bratislava (Pressburg)/Slowakei, 1956 Hollywood/USA; Film- und Theaterschauspielerin 1: 394, 441 Werfel Franz; 1890 Prag/Tschechische Republik, 1945 Beverly Hills/USA; Schriftsteller 1: 56, 126, 137, 181, 191, 202, 210, 239, 273, 276, 281, 287, 295 Wertheimer Otto; 1896 Bühl/Deutschland, 1973 Paris/Frankreich; Kunsthistoriker, Kunsthändler 2: 78, 185, 256 Wescher Paul; 1896 Hohentwiel/Deutschland, 1974 Pacific Palisades/USA; Kunsthistoriker, Museumsleiter, Kunstsammler, Kunsthändler 2: 238, 285 Westheim Paul; 1886 Eschwege/Deutschland, 1963 Berlin/Deutschland; Kunstschriftsteller, Publizist 1: 154, 208, 213, 279, 282; 2: 255 Weyden Rogier van der (de la Pastur); um 1400 Tournai/Belgien, 1464 Brüssel/Belgien; Maler 2: 312 Whistler James Abbott; 1834 Lowell/USA, 1903 Chelsea/England; Maler, Grafiker, Schriftsteller 2: 118 Wied Martina; geb. Schnabl (Alexandrine Martina Weisl); 1882 Wien/Österreich, 1957 ebd.; Schriftstellerin 1: 230, 290, 291 Wiegele Franz; 1887 Nötsch/Österreich, 1944 (Bombenopfer) ebd.; Maler, Grafiker 1: 355; 2: 59 78

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Wilckens Bernhard; 1868 Bremen/Deutschland, 1943 Gadderbaum/Deutschland; Jurist, Schwiegervater von Hans Robert Hahnloser 2: 29 Wildbrunn Helene (Wehrenpfennig); 1882 Wien/Österreich, 1972 ebd.; Sängerin 1: 126, 175 Wilde Johannes; 1891 Budapest/Ungarn, 1970 Dulwich/England; Kunsthistoriker, Museumsmann, Hochschullehrer 1: 142, 182, 292; 2: 250, 256, 304, 335 Wildenstein Georges; 1892 Paris/Frankreich, 1963 ebd.; Galerist, Publizist, Kunsthändler 2: 75, 157, 171, 188, 256, 258 Wilhelm Ehepaar; Wien 1: 267, 307, 346 Wilhelm II.; 1859 Berlin/Deutschland, 1941 Doorn/Niederlande; deutscher Kaiser 1: 62; 2: 339 Wilhelm von Preußen; 1882 Potsdam/Deutschland, 1951 Hechingen/Deutschland; Kronprinz 2: 52 (nur als Kronprinz) Willbrandt-Baudius Auguste; 1843 Zwickau/Deutschland, 1937 Wien/Österreich; Schauspielerin 1: 142 William The Conqueror; 1028 Falaise/Frankreich, 1087 Kloster Saint-Gervais bei Rouen/Frankreich; Herzog der Normandie, Wilhelm I. König von England 2: 104 Wilson Elisabeth; Malvern 2: 191 Wimmer Dr. 2: 244, 289 Winkler Friedrich; 1888 Prehna/Deutschland, 1965 Berlin/Deutschland; Kunsthistoriker, Bibliotheksleiter, Museumsleiter, Hochschullehrer 1: 117, 171; 2: 29, 30, 47, 57, 185, 254, 256 Winkler Kurt; 1915 Wien/Österreich, ?; Freund von Burgl Tietze 2: 90, 98, 99, 133, 134, 151, 168, 300, 301, 304, 334 Winter Josefine von, geb. Auspitz; 1873 Wien/Österreich, 1943 KZ Theresienstadt; Komponistin, Malerin, Kunstsammlerin 1: 116, 146, 171, 198, 271; 2: 197, 227, 232, 263, 278, 282 Wittkower Rudolf; 1901 Berlin/Deutschland, 1971 New York/USA; Kunsthistoriker, Publizist, Hochschullehrer 2: 154, 170 Witt Mary Helene, geb. Marten; 1871–1952; verh. mit Robert W. 2: 194 Witt Robert Clermont; 1872 London/England, 1952 ebd.; Historiker, Kunsthistoriker, Hochschullehrer, Sammler, Institutsgründer 2: 69 – 71, 79, 80, 83, 86, 90, 94, 97 – 99, 101, 104, 105, 108, 122, 130, 134, 152, 194, 199, 261 Witz Konrad; um 1410 Rottweil/Deutschland, um 1445 Basel/Schweiz; Maler 1: 111; 2: 30 Wohlgemuth Else; 1881 Berlin/Deutschland, 1972 Wien/Österreich; Schauspielerin 1: 125 Wolf Alexander (Sándor); 1871 Eisenstadt/Österreich, 1946 Haifa/Israel; Kaufmann, Kunstforscher, Museumsmann, Kunstsammler 1: 120, 142, 173 79

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Wolf Hermine, geb. Neubrunn; 1845 Trenčín (Trentschin)/Tschechische Republik, 1931 Eisenstadt/Österreich; Mutter von Sándor W. 1: 120 Wolff Annie (Anny Wolff-Knize), geb. Rothmüller; 1905 Wien/Österreich, 1975 New Canaan/USA 1: 347, 375 Wolff Kurt; 1887 Bonn/Deutschland, 1963 Ludwigsburg/Deutschland; Verleger 1: 73, 102, 160, 216, 247 Wölfflin Heinrich; 1864 Winterthur/Schweiz, 1945 Zürich/Schweiz; Kunsthistoriker, Hochschullehrer 1: 216, 217, 284, 285, 292, 449 Worringer Wilhelm; 1881 Aachen/Deutschland, 1965 München/Deutschland; Kunsthistoriker, Hochschullehrer 1: 144, 183 Wotruba Fritz; 1905 Wien/Österreich, 1975 ebd.; Bildhauer 2: 34, 37, 61 Wotruba Marian, geb. Fleck; 1905 Düsseldorf/Deutschland, 1951 Wien/Österreich; Bildhauerin, verh. mit Fritz W. 2: 34 Wren Christopher; 1632 East Knoyle/England, 1723 Hampton Court/England; Architekt, Astronom, Mathematiker 2: 111, 141 Yarborough Earl of, George Pelham Sackville; 1888–1948 England; Landadeliger, Großgrundbesitzer, Kunstbesitzer 2: 86, 102, 120, 132, 133, 147, 167, 195, 262 Zacconi Ermete; 1857 Montecchio Emilia/Italien, 1948 Viareggio/Italien; Schauspieler 1: 330, 370 Zahn Leopold; 1890 Wien/Österreich, 1970 Baden-Baden/Deutschland; Kunsthistoriker, Publizist 1: 164, 330, 370; 2: 262 Zalozieckyj Wladimir Sergej von; 1896–1959; Kunsthistoriker, Hochschullehrer 1: 141, 208, 211 Zanetti Antonio Maria; 1680 Venedig/Italien, 1757 ebd.; Kunstsammler, Radierer, Holzschneider, Kunstschriftsteller 2: 152, 169, 253 Zatzenstein Franz; 1897 Hannover/Deutschland, 1963 ?; Kunsthistoriker, Kunsthändler 2: 198, 264 Zeissl-Anderle Anna; 1888–1964 1: 142 Zelenka Leopoldine; Luzern, Wien; Kunsthändlerin 2: 27, 55 Zelotti Giovanni Battista; um 1526 Verona/Italien, 1578 Mantua/Italien; Maler 2: 249, 290, 302 Zerritsch Fritz d. J.; 1888 Wien/Österreich, 1985 ebd.; Maler, Grafiker 2: 166, 174 Zilsel Ella, geb. Breuer; 1892– ?; Mittelschullehrerin 2: 166, 174 Zimmermann Ernst Heinrich; 1886 Wolfenbüttel/Deutschland, 1971 Tutzing/ Deutschland; Kunsthistoriker, Museumsleiter 1: 120, 122 – 125, 127, 128, 172, 174, 176; 2: 57, 97, 137, 182, 227, 230, 258, 280, 281 Zimpel Julius; 1896 Wien/Österreich, 1925 ebd.; Maler, Grafiker, Kunstgewerbler 1: 190, 269, 356, 379 80

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Zirner Katharina, verh. Rapaport; 1890 Wien/Österreich, 1927 ?/Indien; Malerin, Grafikerin, Hutmacherin, verh. mit Rudolf R. 1: 52, 59, 124, 132, 157, 203, 204, 214, 225, 235, 274, 288 Zoan Andrea; Mantua, tätig um 1500/Italien; Maler, Kupferstecher 2: 99 Zocchi 2: 236, 284 Zsolnay Paul von; 1895 Budapest/Ungarn, 1961 Wien/Österreich; Verleger, Kunstsammler 1: 204, 224, 276, 287, 333, 334, 338 Zuccarelli (Zuccherelli) Francesco; 1702 Pitigliano/Italien, 1788 Florenz/Italien; Maler, Radierer 2: 250 Zuccato Francesco; tätig 16. Jh.; Venedig; Mosaizist, Maler, Bruder von Valerio Z. 2: 208, 269 Zuccato Valerio; tätig 16. Jh.; Venedig; Mosaizist, Maler, Bruder von Francesco Z. 2: 208, 269 Zucchi Mario; 1872 Sannazzaro de’ Burgundi/Italien, 1949 Turin/Italien; Bibliotheksleiter 2: 207 – 209 Zuckerkandl-Szeps Bertha; 1864 Wien/Österreich, 1945 Paris/Frankreich; Schriftstellerin, Journalistin, Übersetzerin, Mäzenin 1: 234, 293, 316, 367 Zülow Franz von; 1883 Wien/Österreich, 1963 ebd.; Maler, Grafiker 1: 37, 233; 2: 63 Zurbarán Francisco de; 1598 Fuente de Cantos/Spanien, 1664 Madrid/Spanien; Maler 1: 407, 411, 445; 2: 113, 116, 237, 305 Zweig Stefan; 1881 Wien/Österreich, 1942 (Selbstmord) Petropolis/Brasilien; Schriftsteller 2: 187 Zweybrück; Wien 1: 142, 183 Institutionen Académie Ranson; Paris, gegr. 1908 2: 63, 204 Accademia (Museo) Tadini Lovere; eröffnet 1828 2: 251, 290 Accademia Nazionale di San Luca; Rom 2: 215, 272 Akademie der bildenden Künste; Wien, gegr. 1692 1: 39, 138, 152, 163, 197, 235, 302, 453; 2: 279, 336 Albert Werner; Wien; Kunsthandel 1: 39, 152 Anderson; Rom; Fotoatelier 2: 214, 217 Angerer & Göschl; Wien, gegr. 1870; Kunstdruckerei 1: 439 Anton Schroll & Co.; Wien, gegr. 1884; Verlagshaus 1: 136, 151, 180; 2: 120 Artaria & Co.; Wien; Kunsthandel, Verlagshaus 1: 96, 107, 166, 179, 231, 291 Asscher & Welker; London; Kunsthandlung 2: 87 81

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Ashmolean Museum of Art and Archaeology University of Oxford; gegr. 1908 2: 111, 127, 138, 141, 200 Biblioteca Arcivescovile; Udine 1: 349, 377 Biblioteca Civica; Verona 2: 335 Biblioteca Comunale; Siena 2: 236 Biblioteca Marciana; Venedig 2: 300, 333 Biblioteca Marucelliana; Florenz 2: 232, 236 Biblioteca Nacional de España; Madrid, gegr. 1711 1: 418, 448 Biblioteca Reale; Turin, gegr. 1837 2: 173, 270 Bibliotheca Hertziana; Rom 2: 125, 216, 273 Bimini Werkstätten; Wien, gegr. 1923; kunstgewerbliche Manufaktur 1: 145, 155, 181, 184, 214, 283; 2: 66, 158, 276, 277 Braun & Cie.; Paris, Mulhouse-Dornach, gegr. 1876; Fotoatelier 2: 33, 145, 157 Bridgewater House Gallery; London 2: 88, 89, 119, 133 British Museum; London 1: 157, 378; 2: 28, 73, 77, 80, 81, 83, 85, 86, 88, 99, 108, 124, 125, 138, 142, 152, 154, 169, 170, 185, 193 – 195, 198, 199, 219, 261, 269, 332, 341 Brogi; Florenz; Fotostudio 2: 222 Burlington Fine Arts Club; gegr. 1866, aufgelöst 1951 2: 194, 261 Cabinet des Dessins; Louvre, Paris 2: 32, 259, 318 Cabinet des Estampes der Bibliothèque nationale de France; Paris 2: 32, 39 Ca’ Foscari Universität Venedig 2: 164, 173 Casa Buonarroti; Florenz 2: 132, 232, 238, 245, 282 Castello Sforzesco; Mailand 2: 243, 288 C. G. Boerner Leipzig; Kunsthandel, Auktionator 1: 96, 179, 231, 291 Christ Church Library; Oxford 2: 110 – 113, 141, 251 Christie’s; London; Kunsthandel 2: 86, 87, 95, 96, 99, 102, 133, 138, 193 Courtauld Institute; London, gegr. 1932 1: 269; 2: 122, 134, 197, 263, 264 De Burlet Basel; Kunsthandel; 2: 28, 182, 252 Deutscher Verein für Kunstwissenschaft; Berlin, gegr. 1908 2: 57 Deutsches Archäologisches Institut; Rom, gegr. 1829 1: 160 Deutsches Museum; München, gegr. 1903 1: 39, 438 Domopera (Museo dell’Opera del Duomo); Florenz 2: 222, 276 Douwes; Amsterdam, gegr. 1803; Kunsthandel 2: 71 Dr. N. Beets; Amsterdam; Kunsthandel 2: 52 Dulwich Picture Gallery; Dulwich (London), gegr. 1811 2: 100, 137 Durlacher Brothers; London, New York, gegr. 1843 2: 89, 133 Duveen Brothers; Paris, London, New York; Kunsthandel 2: 96, 97, 158, 169, 185, 279 École des Beaux-Arts; Paris, gegr. 1682 2: 34, 60, 61, 86, 202 Eremitage; Sankt Petersburg (Leningrad) 2: 80, 149, 156, 168, 264 82

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Fondaco dei Tedeschi; Venedig 2: 120, 142, 169 Frank/Bottenwieser; London; Kunsthandel 2: 88, 95, 205, 268 Fratelli Alinari; Florenz, gegr. 1852; Fotoatelier, Fotoarchiv 2: 224 Frederik Muller & Cie; Amsterdam; Kunsthandel, Auktionshaus 1: 151 Freie Bewegung; gegr. 1917, Wien; Künstlergruppe 1: 274; 2: 337 Gabinetto dei Disegni e delle Stampe degli Uffizi; Florenz 2: 211, 228, 230, 231, 235, 282 Galerie Billiet ( Joseph Billiet); Paris; Kunsthandel 1: 111 Galerie Cassirer; Berlin, gegr. 1898; Kunsthandel, Verlag 1: 141, 209, 279 Galerie des Beaux-Arts (Wildenstein); Paris, New York; Kunsthandel, Verlag 2: 75, 157, 171, 256, 257 Galerie Dr. Raeber; Basel 2: 28, 182 Galerie Ferroni; Florenz 2: 239 Galerie Fischer; Luzern, gegr. 1907; Kunstauktionshaus 2: 28, 56 Galerie Flechtheim; Düsseldorf (gegr. 1913), Berlin (1921), Wien (1923); Kunsthandel, Verlag 1: 138, 139, 158, 170, 181, 184, 189, 268 – 270, 304 Galerie Hansen; Luzern; Kunsthandel 2: 27, 55, 254 Galerie Heinemann; München, Luzern; Kunsthandel 2: 27, 181, 254 Galerie Holbein; Wien; Kunsthandel 1: 228, 290 Galerie Würthle; Wien; Kunsthandel, Verlag 1: 62, 109, 115, 124, 140, 158, 163, 170, 175, 181, 184, 203 – 205, 213, 218, 220, 232, 242, 260, 268 – 270, 275, 282, 285, 286, 288, 292, 296, 307 Galleria (Nazionale) d’Arte Antica, Palazzo Corsini; Rom 2: 210, 214, 215, 273 Galleria Borghese; Rom 2: 210, 212 – 215, 217, 231, 249, 270, 272 Galleria Civica (d’Arte Moderna e Contemporanea); Turin 2: 269 Galleria Colonna; Rom 1: 448; 2: 129, 216 Galleria dell’Accademia; Carrara Bergamo 2: 250, 290 Galleria dell’Accademia; Florenz, gegr. 1784 2: 222, 276 Gallerie dell’Accademia; Venedig, eröffnet 1882 1: 300; 2: 139 Galleria Doria Pamphilj; Rom 1: 448; 2: 129, 216 Galleria Nazionale; Parma 2: 287 Galleria Sabauda; Turin, eröffnet 1832 2: 161, 173 Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste; Wien, eröffnet 1877 1: 152; 2: 57 Genossenschaft Bildender Künstler Künstlerhaus; Wien, gegr. 1861 1: 213, 220, 231, 253, 260, 279, 285, 289, 293, 294, 300, 375, 416 Gilhofer und Ranschburg; Wien, Luzern (gegr. 1923/24); Kunsthandel 1: 135, 179; 2: 27, 28, 55, 76, 127 Gobin; Paris; Kunsthandel 1: 116, 171; 2: 35 Goudstikker ( Jacques); Amsterdam; Kunsthandel 1: 150; 2: 71 83

Grassi; Florenz; Kunsthandel 2: 99, 137 Groeningemuseum; Brügge, gegr. 1929 2: 46, 65 Hagenbund (Künstlerbund Hagen); Wien, gegr. 1900; Künstlervereinigung 1: 124, 137, 139, 140, 161, 163, 174, 180, 229, 232, 233, 235, 236, 253, 256, 260, 268, 275, 292, 293, 298, 300, 302 – 304, 315, 365, 382; 2: 201, 266 Harris (The Spanish Art Gallery), London 2: 88, 89, 94, 133 Helbing; München, gegr. 1885; Kunsthandel, Auktionshaus 2: 245 Heller; Wien; Kunsthandel 1: 260 Holbein-Verlag; Basel; gegr. 1933, Kunstverlag 2: 28, 54, 57, 92, 134, 180, 232, 245, 254 Istituto Austriaco di Studi Storici; Rom, gegr. 1881 2: 272, 273 Juryfreie Kunstschau; Berlin, gegr. 1911 1: 256, 302 Kaiser-Friedrich-Museum; Berlin, gegr. 1904 2: 137 Kapitolinische Museen; Rom 2: 270 Kelvingrove Museum; Glasgow, eröffnet 1901 2: 150, 151, 168 Knoedler; London, New York; Kunsthandel 2: 87 Krahuletz Museum; Eggenburg, eröffnet 1902 2: 116, 142 Krystall-Verlag; Wien, Leipzig, gegr. 1922; Verlagshaus 1: 183, 380, 436, 440 Kunstgewerbemuseum; Zürich, gegr. 1875 2: 24, 53 Kunsthaus Zürich; eröffnet 1910 2: 24, 54, 170, 254, 306 Kunstmuseum; Basel, gegr. 1661 1: 168; 2: 56 Kunstmuseum; Bern, eröffnet 1879 2: 29, 57 Kunstmuseum; Solothurn; eröffnet 1902 1: 434, 452 Kupferstichsammlung; Basel 2: 28 Kurt Wolff Verlag; Leipzig, gegr. 1913; Verlagshaus 1: 160, 284, 300; 2: 262 Mathey; Paris; Auktionator 2: 204, 268, 316 Matthiesen Gallery; (Berlin), London; Kunsthandel 2: 198, 264 Max Jaffé Kunstanstalt für Lichtdruck; Wien, gegr. 1876 1: 250, 261, 299 Metropolitan Museum of Art; New York 1: 164, 448; 2: 56, 90, 133, 140, 266 Miethke; Wien, gegr. 1861; Kunsthandlung 2: 93 Musée Archéologique; Nîmes, gegr. 1896 1: 306 Musée Bonnat; Bayonne, gegr. 1891 2: 327, 336 Musée Calvet; Avignon, gegr. 1811 1: 263; 2: 323, 341 Musée cantonal des Beaux-Arts; Lausanne, gegr. 1841 2: 58 Musée Condé; Chantilly, eröffnet 1898 2: 62 Musée de Cinquantenaire; Brüssel, eröffnet 1912 2: 48 Musée de Grenoble; gegr. 1778 1: 305 Musée de l’Orangerie; Paris, eröffnet 1927 2: 61, 257 Musée de Picardie; Amiens, gegr. 1802 2: 63 Musée des Beaux-Arts; Angers, eröffnet 1801 2: 342 84

Register

Musée des Beaux-Arts; Dijon, gegr. 1799 2: 31, 58, 340 Musée des Beaux-Arts; Lyon, gegr. 1801 2: 32, 58, 341 Musée des Beaux-Arts; Marseille, eröffnet 1801 1: 441 Musée des Beaux-Arts; Nîmes, gegr. 1821 1: 306 Musée du Jeu de Paume des Tuileries; Paris, eröffnet 1922 2: 34, 58 Musée Fabre; Montpellier, gegr. 1828 1: 306 Musée Granet; Aix-en-Provence, eröffnet 1838 1: 306 Musée Jacquemart-André; Paris, eröffnet 1913 2: 186, 204, 268 Musée Municipal; Bergues 2: 342 Musée Royaux des Beaux-Arts de Belgique; Brüssel, gegr. 1801 2: 64, 65 Museo Archeologico Nazionale; Florenz 2: 231 Museo Arqueológico (Museo de Cádiz); Cádiz 1: 411, 445 Museo Arqueológico; Córdoba 1: 446 Museo Bardini; Florenz, eröffnet 1922 2: 227 Museo Civico di Arte Antica; Turin, eröffnet 1934 2: 207, 208, 269 Museo Civico di Castelvecchio; Verona, eröffnet 1925 2: 331 Museo Correr; Venedig, gegr. 1830 2: 30 Museo de Bellas Artes; Sevilla, gegr. 1835 1: 445 Museo del Prado; Madrid, gegr. 1819 1: 415 – 418, 422, 430, 446 – 448, 451 Museo Mussolini; Rom 2: 211, 215, 270 Museo Nacional de Artes Industriales Madrid, gegr. 1912 1: 417, 447 Museu Episcopal; Vic, eröffnet 1891 1: 452 Museum Boijmans; Rotterdam 2: 52, 67, 122 – 124, 267, 338 Museum Fodor; Amsterdam, gegr. 1863 2: 71, 123 Museum Oskar Reinhart; Winterthur, gegr. 1951 2: 55 Museum voor Schone Kunsten; Gent 2: 65 National Gallery of Ireland; Dublin, eröffnet 1853 2: 117, 142 National Gallery of Scotland; Edinburgh 2: 133, 168 National Gallery; London 2: 81, 84, 94, 109, 128, 139, 140, 142, 193, 264, 265 Naturhistorisches Museum; Wien, eröffnet 1889 1: 94, 163 Neue Galerie; Wien, gegr. 1923 1: 205, 213, 270, 276, 281, 298, 379 Oratiorio di San Rocco; Padua 2: 297, 331 Österreichische Galerie Belvedere (Staatsgalerie); Wien, gegr. 1903 1: 110, 115, 116, 138, 149, 152, 154, 155, 164, 165, 168, 170 – 172, 175, 176, 178, 179, 183, 213, 222, 247, 249, 269, 287, 297, 298, 382; 2: 28, 32, 278, 340 Österreichische Lichtbildstelle; Wien, gegr. 1919 1: 366 Österreichischer Werkbund (ÖWB) Wien, gegr. 1912 1: 52, 156; 2: 336 Palais des Beaux-Arts (Musée Wicar); Lille, eröffnet 1809 2: 64 Palais du Luxembourg; Paris 2: 63 Palazzo Ca’ Pesaro; Venedig 2: 166, 173, 174 85

Register

Palazzo dei Conservatori; Rom 2: 211, 270 Palazzo Pitti (Galleria Palatina); Florenz 1: 165; 2: 136, 227, 231, 277, 278 Paul Zsolnay Verlag; Wien, Berlin, Leipzig, gegr. 1924 1: 276, 287, 333, 334, 338 P. De Boer; Amsterdam; Kunsthandel 2: 311 Phaidon-Verlag, gegr. 1923; Wien, Oxford, London 2: 179, 238, 285, 338 Pinacoteca del Museo Civico; Cremona 2: 287 Pinacoteca di Brera; Mailand 2: 136, 243, 248, 249, 288, 289, 304 Pinacoteca Nazionale; Siena 2: 284 Pinacoteca Tosio Martinengo; Brescia, eröffnet 1851 2: 330 Plantin (Moretus) Museum; Antwerpen, eröffnet 1877 2: 48, 51, 66 Prestel Verlag; Frankfurt am Main, gegr. 1924 2: 42, 45, 56, 57, 63, 65, 92, 254 P. & D. Colnaghi London; Kunsthandel 2: 76, 77, 83, 126, 138, 191, 192, 195, 264  Real Académia de Bellas Artes de San Fernando; Madrid, gegr. 1752 1: 416, 447 Residenzgalerie; Salzburg, eröffnet 1923 1: 267, 307 Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie (RKD); Den Haag, eröffnet 1932 2: 122 Rijksmuseum; Amsterdam, eröffnet 1815 1: 278; 2: 46, 65, 67, 338 Rijksprentenkabinet (Rijksmuseum); Amsterdam 2: 52 Rudolfinerhaus; Wien; private Krankenanstalt 1: 140, 182, 326, 369 Salon d’Automne; Paris, erstmals 1903 1: 112; 2: 280 Sansoni; Florenz, gegr. 1873; Verlagshaus 2: 224, 276 Scuola Grande di San Rocco; Venedig, gegr. 1478 2: 161, 162, 165, 166, 174 Seligmann; London; Kunsthandel 2: 198 S. Fischer Verlag; Berlin, gegr. 1886 1: 93, 198 Silberman, E. and A. (Galleries, Inc.); New York, Wien, Budapest; Kunsthandel 2: 102, 196, 204, 263 Société de l’Histoire de l’Art Français; Paris, gegr. 1872 2: 203, 267 Sotheby’s; London; Auktionshaus 2: 99, 102, 108, 129, 138, 140, 170, 254 South Kensington Museum (Victoria & Albert Museum); London, gegr. 1852 2: 79, 102, 128, 132, 138, 169, 195, 202, 228, 263 Staatliche Majolika-Manufaktur; Karlsruhe, gegr. 1901 1: 184 Städelsches Kunstinstitut; Frankfurt am Main, gegr. 1815 2: 136, 154, 170, 254 Steinmeyer (Böhler & Steinmeyer); Luzern, New York; Kunsthandel 2: 27, 55 Stöcklin; Basel; Kunsthandel 2: 29 Studienbibliothek (Universitätsbibliothek); Salzburg, gegr. 1652 2: 23, 53, 170, 179, 180 Tate Gallery; London, eröffnet 1897 2: 153, 198, 265 Teylers Museum; Haarlem, eröffnet 1784 2: 71, 123, 311 Thermenmuseum; Rom, gegr. 1886 2: 212 The Spanish Art Gallery (Harris); London 2: 88, 89, 94, 133 86

Register

The Walker (Art) Gallery; Liverpool, gegr. 1819 2: 113, 141 Thomas Agnew & Sons Ltd.; London, gegr. 1817; Kunsthandel 2: 87, 89, 192, 197 Thyrsos-Verlag; Leipzig, Wien 1: 56, 269 Trödhan; Wien; Fotolabor 2: 97, 245, 293 Turner; London; Kunsthandel 2: 81, 87, 130 Universitätsbibliothek; Erlangen 2: 67 Urania; Wien, gegr. 1897; Volksbildungshaus 1: 120, 135, 138, 141, 172, 173, 181, 190, 200, 206, 209, 210, 253, 278, 280, 300, 313, 343, 345, 357, 366, 367, 379 Vasari Society; England, gegr. 1905 2: 146, 167, 194, 261 Vatikanische Museen; Rom 1: 302 Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs (VBKÖ); Wien, gegr. 1910 1: 174 Victoria & Albert Museum; siehe South Kensington Museum Villa Romana; Florenz, gegr. 1905 2: 230, 280 Warburg Bibliothek; Hamburg, London 1: 372, 373, 381, 451; 2: 60, 78, 130, 134 Warburg Institute; London 1: 302, 339, 368; 2: 128, 138, 170, 261, 332 Wiener Werkstätte (W.W.); Wien, gegr. 1903; Künstler-Produktionsgemeinschaft 1: 356, 379; 2: 48, 66 Witt Library; gegr. 1880; Privatsammlung von Fotografien und Reproduktionen von Kunstwerken 2: 69, 70, 79, 83, 86, 152, 194, 196, 199, 230, 242, 261 Sammlungen Hampton Court (Royal Collection); London 2: 138, 168 Sammlung Alfred Strölin; Paris, Lausanne 2: 30, 58 Sammlung Asta; Venedig 2: 233, 236, 238, 239, 284, 298, 332 Sammlung Bruno Kern; Wien 1: 72, 160 Sammlung Castiglioni; Wien 1: 38, 94, 151, 153, 162, 275; 2: 71, 123 Sammlung Chauchard; Louvre, Paris 2: 188, 259 Sammlung Christ; Basel 2: 28, 180, 182, 254 Sammlung Colonel Colville; England 2: 194, 261 Sammlung Contini-Bonacossi; Florenz 2: 234, 237, 284 Sammlung Cooke; England 2: 87, 133 Sammlung de Grez; Brüssel 2: 48, 66 Sammlung de Ramaix; Belgien 2: 48 Sammlung Dr. Bruck; Bern 2: 29 Sammlung Dr. C. R. Rudolf (Rudolph); London 2: 75, 88, 125 Sammlung Dr. Felix Somary; Zürich 2: 306, 311, 336 Sammlung Duke of Devonshire; Chatsworth (Derbyshire) 2: 142, 167, 168 Sammlung Earl of Warwick; London 2: 101, 138 87

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Sammlung Earl of Yarborough; England 2: 86, 132, 133, 147, 167, 195, 262 Sammlung Edmond Rothschild; Paris 2: 33, 60, 188, 258 Sammlung Edwin Czeczowiczka; Wien 1: 163; 2: 181 Sammlung Erzherzog Leopold Wilhelm; Wien 2: 135, 237 Sammlung Eugène Rodrigues; Paris 2: 181, 184, 256 Sammlung Father Shine 2: 117 Sammlung Figdor; Wien 1: 40, 153, 154, 214, 216, 227, 228, 289, 345, 373, 374 Sammlung Franz W. Koenigs; Haarlem 2: 51, 52, 67, 72, 122, 267, 276 Sammlung Friedsam; New York 2: 312 Sammlung F. u. H. Farrer; London 2: 194 Sammlung Gathorne-Hardy; Donnington Priory (Berhshire) 2: 97, 101, 138 Sammlung Godefroy; Paris 2: 33 Sammlung Grafe; Wien 1: 312, 366, 367, 379 Sammlung Grassi; Florenz 2: 28, 276 Sammlung Hamilton; New York 2: 52 Sammlung Henry Goldman; New York 2: 97, 137 Sammlung Hevesy André de; Paris 2: 328 Sammlung His de la Salle (Musée des Beaux-Arts); Dijon 2: 31 Sammlung Holford; England 2: 117 Sammlung Horne; Florenz 2: 233, 282 Sammlung John G. Johnson; Philadelphia 2: 52 Sammlung Josefine von Winter; Wien 2: 263 Sammlung Julius Böhler; Luzern 2: 27, 55 Sammlung Kenneth Clark; England 2: 96, 170, 264 Sammlung König Carol II. von Rumänien; Bukarest 2: 171 Sammlung Lampson-Locker; London 2: 83, 130, 198 Sammlung Lanckoroński; Wien 1: 226, 285, 289 Sammlung Langton Douglas; London 2: 80, 83 Sammlung Lansdowne; London 2: 97, 127, 136 Sammlung Lanyi; Wien 1: 232, 292 Sammlung Lanz; Amsterdam 2: 71, 123 Sammlung Loeser; Florenz 2: 235, 284 Sammlung Léon Bonnat; Bayonne 2: 306, 327, 336 Sammlung Lord Lee of Fareham; London 2: 134 Sammlung Marczell de Nemes; Budapest 2: 262 Sammlung Masson; Paris 2: 33, 60 Sammlung Maurice Marignane (École des Beaux-Arts); Paris, Avignon 2: 186, 201, 203, 204, 205, 322 Sammlung Mme Patissou; Paris 2: 205, 322 Sammlung Moroni; Bergamo 2: 250, 290 88

Register

Sammlung Mrs. (Henrietta) Bankes; Kingston Lacy (Dorset) 2: 196, 264 Sammlung Murray; Florenz 2: 235 Sammlung Ofenheim; Wien, Jaispitz ( Jevišovice) 1: 247, 249; 2: 52 Sammlung Oppenheim 2: 74 Sammlung Oppenheimer 2: 92, 181 Sammlung Oppenheimer (Henry); London 2: 101, 138 Sammlung Pannwitz; Heemstede 2: 312, 339 Sammlung Pembroke; Wilton House (Wiltshire) 2: 106, 139 Sammlung Prinz Liechtenstein; Wien 2: 269 Sammlung Prof. Delaere; Gent 2: 48 Sammlung Professor Clementi; Rom 2: 231, 236 Sammlung Rasini; Mailand 2: 245, 246, 289, 324 Sammlung Rayner-Wood (Skippes Collection); Malvern 2: 96, 102, 125, 136, 170, 192, 259 Sammlung Reinhart; Winterthur 2: 25, 55 Sammlung Renato Sòriga; Pavia 2: 305, 335 Sammlung René de Cérenville; Lausanne 2: 30, 58, 308 Sammlung Russel; Swanage (Dorset) 2: 91, 134, 286 Sammlung Santarelli (Uffizien); Florenz 2: 227, 278 Sammlung Sir Audley Neeld; England 2: 104 Sammlung Sir Herbert Cook; Richmond 2: 93, 134 Sammlung Spechini; Bassano del Grappa 2: 302 Sammlung Stephan Auspitz; ehemals Wien 2: 70, 123 Sammlung Strakow 2: 306 Sammlung Thyssen; Lugano 2: 95, 181, 182, 254 Sammlung Van Beuningen; Rotterdam 2: 70, 72, 123, 267 Sammlung Vom Rath; Amsterdam 2: 71, 123 Sammlung von Hirsch; Basel 2: 155, 170, 180, 181, 196, 254 Sammlung Wauters; Paris 2: 181 Sammlung Weigel; Leipzig 2: 84, 131 The Royal Collection (Buckingham); London 2: 154, 170 The Wallace Collection; London 2: 78, 142, 231

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Bibliografie

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Privatarchiv Vera Kahmann, München Warburg Institute Archive, London, England Wiener Stadt- und Landesarchiv, Wien Wiener Stadt- und Landesbibliothek, Wienbibliothek im Rathaus, Wien Abkürzungen AdR Archiv der Republik AVA Allgemeines Verwaltungsarchiv BDA Bundesdenkmalamt BGBl. Bundesgesetzblatt der Republik Öster­reich BMF Bundesministerium für Finanzen BMU Bundesministerium für Unterricht FLD Finanzlandesdirektion GC General Correspondence GFMK Gesellschaft zur Förderung moderner Kunst KHM Kunsthistorisches Museum OeBL Öster­reichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 ÖStA Öster­reichisches Staatsarchiv SPSL Society for the Protection of Science and Learning StGBl. Staatsgesetzblatt, Staat Deutschöster­reich VA Vermögensanmeldung VVSt Vermögensverkehrsstelle (Ministerium für Wirtschaft und Arbeit) WIA Warburg Institute Archive WStLA Wiener Stadt- und Landesarchiv

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Abbildungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildungen Band 1 1923 1923 Zwischenblatt: Tagebuch 1924, Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 1: Hans Tietze, Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 2: Hans Tietze, Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 3: Baedeker 1926 Abb. 4: Privatarchiv Kristin Matschiner Abb. 5: BDA-Archiv /Ausfuhr/K23 Abb. 6: Baedeker 1926 Abb. 7: Erica Tietze-Conrat 1920e, 110 Abb. 8: Bildarchiv der ÖNB Abb. 9: Bildarchiv der ÖNB Abb. 10: Privatarchiv Kristin Matschiner Abb. 11: © 2013, Neue Galerie New York/Art Resource/Scala, Florence Abb. 12: Baedeker 1926 Abb. 13: Museum of Modern Art, VBK Abb. 14: Anonym © IMAGNO/Austrian Archives Abb. 15: Erica Tietze-Conrat 1925a, 87 Abb. 16: Hans Tietze, Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 17: Alexandra Caruso, 2011 Abb. 18: © Josef Floch Estate Abb. 19: © Kollektiv Fischka Abb. 20: Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 21: Balthasar Wiegand, © IMAGNO/Austrian Archives Abb. 22: © IMAGNO/Austrian Archives Abb. 23: F. Pflauder, 1895, © IMAGNO/Austrian Archives Abb. 24: Anonym Abb. 25: Nr. 17, „Mein Leben“, © 2013, Digital image, The Museum of Modern Art, New York/Scala, Florence Abb. 26: Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 27: Privatarchiv Kristin Matschiner Abb. 28: Postkarte recto, Universität für angewandte Kunst Wien, Oskar Kokoschka Zentrum 142

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Abb. 29: Erica Tietze-Conrat 1920e, 49 Abb. 30: Postkarte verso, Universität für angewandte Kunst Wien, Oskar Kokoschka Zentrum Abb. 31: © IMAGNO/Austrian Archives 1924 1924 Zwischenblatt: Tagebuch 1924, Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 32: © The Samuel Courtauld Trust/courtesy of The Gerhart Frankl Memorial Trust Abb. 33: Baedeker 1926 Abb. 34: Privatarchiv Renate Oberbeck Abb. 35: Privatarchiv Renate Oberbeck Abb. 36: Bildarchiv der ÖNB Abb. 37: Privatarchiv Kristin Matschiner Abb. 38: © Kollektiv Fischka Abb. 39: Rijksmuseum Amsterdam Abb. 40: Saint Louis Museum of Art, Bequest of Morton D. May 910: 1983, © VBK Abb. 41: Kunsthandel Widder Abb. 42: © Kollektiv Fischka Abb. 43: © Josef Floch Estate Abb. 44: Hans Tietze, Privatarchiv Kristin Matschiner Abb. 45: Privatarchiv Kristin Matschiner Abb. 46: Privatarchiv Kristin Matschiner Abb. 47: BDA-Archiv/Ausfuhr/K23 Abb. 48: Privatarchiv Kristin Matschiner Abb. 49: © Kollektiv Fischka Abb. 50: Tietze-Conrat 1925a, 87 Abb. 51: Roessler 1924 Abb. 52: Deutsches Filminstitut, Frankfurt Abb. 53: Mainzer 1991, 34 Abb. 54: Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 55: Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 56: Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 57: Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 58: Otto Zenker, 1966 © Fratelli Alinari Museum Collections, Florence Abb. 59: Österreichisches Theatermuseum Abb. 60: Kunsthandel Widder Abb. 61: Tietze-Conrat 1925e, 36 Abb. 62: Privatarchiv Kristin Matschiner 143

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1925 1925 Zwischenblatt: Tagebuch 1924, Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 63: Tietze-Conrat 1925a, 85 Abb. 64: Privatarchiv Kristin Matschiner Abb. 65: Hans Tietze, Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 66: Hans Tietze, Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 67: Hans Tietze, Privatarchiv Kristin Matschiner Abb. 68: Privatarchiv Kristin Matschiner Abb. 69: Privatarchiv Renate Oberbeck Abb. 70: © IMAGNO/Austrian Archives Abb. 71: Privatarchiv Kristin Matschiner Abb. 72: © Kollektiv Fischka Abb. 73: Privatarchiv Kristin Matschiner 1926 1926 Zwischenblatt: Tagebuch 1924, Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 74: Postkarte Abb. 75: Musée National Picasso Paris, © VBK Abb. 76: © Juan Dong Abb. 77: Tietze 1933b, Titelblatt Abb. 78: © Juan Dong Abb. 79: Alexandra Caruso Abb. 80: Museo de Bellas Artes de Sevilla Abb. 81: Baedeker 1912 Abb. 82: © Juan Dong Abb. 83: Almagro Basch 1947, 147 Abb. 84: © Juan Dong Abb. 85: © Kollektiv Fischka Abb. 86: Tietze-Conrat 1956b, 11 Abb. 87: Baedeker 1912 Abb. 88: Wikimedia Commons, 25.7.2013 Abb. 89: Baedeker 1912 Abb. 90: Baedeker 1912 Abb. 91: Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 92: Hans Tietze, Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 93: Privatarchiv Renate Oberbeck Abb. 94: Privatarchiv Filiz Tietze

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Abbildungen Band 2 1937/1 1937/1 Zwischenblatt: Tagebuch 1937/2, Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 1: © Kollektiv Fischka Abb. 2: Privatarchiv Kristin Matschiner Abb. 3: Zürcher Hochschule der Künste Abb. 4: Kunsthaus Zürich Abb. 5: Kunstsammlungen der Veste Coburg Abb. 6: © Museum Oskar Reinhart Winterthur, Foto: SIK-ISEA, Philipp Hitz Abb. 7: © IMAGNO/Austrian Archives Abb. 8: Kunsthandel Widder Abb. 9: © RMN – Grand Palais/Man Ray/Centre Pompidou Abb. 10: Kunsthandel Widder Abb. 11: © IMAGNO/Roger Viollet Abb. 12: © RMN-Grand Palais (Musée d’Orsay)/Hervé Lewandowski Abb. 13: Baedeker 1930 Abb. 14: Markus Kristan Abb. 15: © IMAGNO/ÖNB 1937/2 Abb. 16: © Centraal Museum, Utrecht Abb. 17: © Kollektiv Fischka Abb. 18: Bassano, © National Portrait Gallery, London Abb. 19: Walter Stoneman, © National Portrait Gallery, London Abb. 20: Howard Coster, © National Portrait Gallery, London Abb. 21: The Warburg Institute Abb. 22: Anonym, © IMAGNO/Austrian Archives (S) Abb. 23: Tietze-Conrat 1957, 60 Abb. 24: Elliot & Fry, © National Portrait Gallery, London Abb. 25: Privatarchiv Kristin Matschiner Abb. 26: Tietze/Tietze-Conrat 1944, Nr. 2.107, 347 Abb. 27: (Mary) Olive Edis, © National Portrait Gallery, London Abb. 28: © Estate of Felix H. Man/National Portrait Gallery, London Abb. 29: Österreichisches Staatsarchiv, BMF, VVSt Abb. 30: National Gallery of Art, Washington, Kress Foundation Abb. 31: Kunstsammlungen der Veste Coburg Abb. 32: © IMAGNO/Topfoto Abb. 33: Dorothy Wilding, © National Portrait Gallery, London Abb. 34: © Josef Floch Estate 145

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Abb. 35: Mullins 2007, Titelblatt Abb. 36: © IMAGNO/Topfoto 1937/3 Abb. 37: Baedeker 1927 Abb. 38: Baedeker 1927 Abb. 39: © IMAGNO/Topfoto Abb. 40: © Kollektiv Fischka Abb. 41: © IMAGNO/Austrian Archives Abb. 42: © IMAGNO/Austrian Archives Abb. 43: Privatarchiv Kristin Matschiner Abb. 44: Baedeker 1931 Abb. 45: Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 46: © IMAGNO/Austrian Archives Abb. 47: © Kollektiv Fischka 1938/1 1938/1 Zwischenblatt: Tagebuch 1937/2, Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 48: Bouret 1963, 31 Abb. 49: © Josef Floch Estate Abb. 50: © IMAGNO/Roger Viollet Abb. 51: © IMAGNO/Austrian Archives Abb. 52: Posada Kubissa 2010, Schmutztitel Abb. 53: Tietze-Conrat 1925e, 5 Abb. 54: Tietze-Conrat 1956a, 22 Abb. 55: Tietze/Tietze-Conrat 1944, Nr. 766 Abb. 56: Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 57: © Fotoarchiv des Bundesdenkmalamts Wien Abb. 58: Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 59: © Josef Floch Estate Abb. 60: Baedeker 1931 Abb. 61: Anonym, © IMAGNO/Ullstein Abb. 62: Anonym, © IMAGNO/Austrian Archives (S) Abb. 63: © IMAGNO/Alinari Abb. 64: Privatarchiv Kristin Matschiner Abb. 65: Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 66: Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 67: © 2013, Cinecitta Luce/Scala, Florence Abb. 68: Tietze/Tietze-Conrat 1944, Nr. 1.897 Abb. 69: © National Portrait Gallery, London 146

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Abb. 70: Tietze/Tietze-Conrat 1942 Abb. 71: © Philadelphia Museum of Art Abb. 72: George Tatge, 2001, © Seat Archive/Alinari Archives Abb. 73: Ghigo Roli, © Alinari Archives, Florence Abb. 74: © Fratelli Alinari Museum Collections, Florence 1938/2 Abb. 75: Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 76: Baedeker 1931 Abb. 77: Otto Zenker, 1965, © Fratelli Alinari Museum Collections, Florence Abb. 78: Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 79: Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 80: Privatarchiv Kristin Matschiner Abb. 81: Kunsthandel Widder Abb. 82: Privatarchiv Kristin Matschiner Abb. 83: Bildarchiv der ÖNB Abb. 84: © Goetheanum Abb. 85: Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 86: Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 87: © Österreichische Galerie Belvedere Abb. 88: Privatarchiv Kristin Matschiner Abb. 89: Ancienne collection de Jean Gigoux, léguée au musée de Besançon Abb. 90: © IMAGNO/Austrian Archives Abb. 91: Privatarchiv Kristin Matschiner Abb. 92: Privatarchiv Filiz Tietze Abb. 93: Privatarchiv Kristin Matschiner

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Christiane hoffr ath

BüCherspuren Das sChiCksal von elise unD helene riChter unD ihrer BiBliothek im »Dritten reiCh«

Zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts eroberten sich Elise und Helene Richter einen Platz in der akademischen und kulturellen Welt Wiens. An ihrem Lebensabend konnten sie auf eine erfolgreiche Karriere als Wissenschaftlerinnen und Publizistinnen zurückblicken. Mit dem Anschluss Österreichs an das »Deutsche Reich« 1938 waren Elise Richter, die erste Universitätsprofessorin Österreichs, und Helene Richter, die Anglistin und Theaterhistorikerin, als Jüdinnen den Verfolgungen der Nationalsozialisten ausgesetzt. Am Ende blieb ihnen nur noch ihre umfangreiche, bedeutende Privatbibliothek. Sie verkauften ihre Bücher in der Hoffnung, damit die fälligen Judenabgaben bezahlen zu können und der drohenden Deportation zu entgehen. Das Buch schildert den Lebensweg der Schwestern, der 1943 in Theresienstadt endete. Zugleich geht es der Frage nach, wie es dazu kam, dass sie den größten Teil ihrer Bücher 1941 an die tausend Kilometer entfernte Universitäts- und Stadtbibliothek Köln veräußerten. Detektivische Kleinarbeit und die Suche nach Spuren in tausenden von Büchern der größten Bibliothek Nordrhein-Westfalens waren nötig, um die Geschichte der Schwestern und ihrer Bibliothek schreiben zu können. 2. durchgesehene und ergänz te AuflAge 2010. 225 s. 14 s/w-Abb. Auf 8 tAf. gb.155 x 230 mm. Isbn 978-3-412-20651-2

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