Systemisches Management in Organisationen der Sozialen Arbeit. Handbuch für Studium und Praxis [2. ed.] 9783849703103, 9783849781996


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Titel
Impressum
Inhalt
Einleitung
1 Die systemtheoretische Sicht auf Organisationen
1.1 Allgemeine Charakteristika von Organisationen
1.2 Das traditionelle (zweckrationale) Organisationsverständnis
1.3 Eckpunkte eines systemtheoretischen Organisationsverständnisses
1.3.1 Organisation als Differenz: Zur Bedeutsamkeit der System-Umwelt-Unterscheidung
1.3.2 Entscheidungsprämissen als Strukturen einer Organisation
1.3.3 Und wo bleibt der Mensch? Zur Rolle der Organisationsmitglieder
1.3.4 Von der Zweck- zur Systemrationalität
1.4 Leitorientierungen für ein systemtheoretisches Organisationsverständnis
2 Das Besondere von Organisationen der Sozialen Arbeit als Bedingungsfaktoren bei der Konzipierung von Management
2.1 Politische Konstituierung sozialer Dienstleistungen
2.2 Interaktion als Kern sozialer Dienstleistungen
2.2.1 Charakteristika sozialer Dienstleistungen
2.2.2 Folgen für das Steuerungshandeln
2.3 Legitimation sozialer Dienstleistungsorganisationen
2.4 Soziale Dienstleistungsorganisationen im Spannungsfeld verschiedenartiger Anforderungen und Handlungslogiken
2.5 Fazit: Spezifika von Organisationen der Sozialen Arbeit und deren Bedeutung für Management
3 Steuerung als Managementfunktion und Leitungsaufgabe
3.1 Anspruch »Steuerung«: Selbstverständlich und fragwürdig zugleich
3.2 Das »traditionelle« Steuerungsverständnis – und dessen fehlleitende Orientierungen
3.3 »Steuerung« systemtheoretisch gedacht
3.4 Möglichkeiten zur Steuerung in und von Organisationen
3.5 Steuerungskompetenz als Haltung gegenüber der Organisation als sozialem System
3.6 Leitorientierungen für ein systemisch verstandenes Steuerungshandeln
4 Organisationsgestaltung
4.1 Zentrale Gestaltungsanforderungen
4.2 Organisationsgestaltung als Umgang mit Spannungsfeldern und Paradoxien
4.3 Organisationsgestaltung »systemisch«
4.4 Leitorientierungen für eine systemisch konzipierte Organisationsgestaltung
5 Zur Bedeutung und Beeinflussbarkeit von Organisationskultur
5.1 Zur (bedeutsamen) Funktion von Organisationskulturen
5.2 Traditionelle Ansätze zur Beeinflussung von Organisationskulturen
5.3 Organisationskultur systemtheoretisch betrachtet
5.4 Veränderung von Organisationskultur: Impulse auf der Grundlage des Verstehens
5.4.1 Veränderung von Artefakten
5.4.2 Indirektes Ansprechen der Organisationskultur über die Formalstruktur
5.4.3 Zur Vorbildfunktion von Leitungskräften
5.5 Leitorientierungen für eine systemisch konzipierte Beeinflussbarkeit der Organisationskultur
6 Organisationsveränderung – Entscheidungen herbeiführen als Management von Balancen
6.1 Organisationsveränderung – eine systematisierte Annäherung
6.2 Orientierungspunkte für episodische Phasen der Organisationsveränderung
6.3 Zur (bewussten) Steigerung der organisationalen Lernfähigkeit
6.3.1 Zur Erhöhung des Variationsreichtums
6.3.2 Zur Schärfung von reflektierten Selektionen
6.4 Organisationsveränderung: Vom Entweder/oder zum Sowohl-als-auch
6.5 Leitorientierungen für eine systemisch konzipierte Organisationsveränderung
7 Betriebswirtschaftliche Steuerung: Controlling – systemisch konzipiert
7.1 Ausgangssituation: Warum überhaupt Controlling?
7.2 Spannungsfelder innerhalb des Controllings
7.3 Zur Grundlogik des traditionellen Controllings
7.4 Systemisches Controlling: Was ist es, und wie kann es gehen?
7.4.1 Zum mehrdimensionalen Beobachtungsfokus eines systemischen Controllings
7.4.2 Zur erweiterten Beobachtungsform des systemischen Controllings
7.4.3 Zum selbstreflexiven Charakter eines systemischen Controllings aufgrund von dessen begrenzter Sichtweise
7.4.4 Reflexives Bewerten statt rationales Absichern
7.5 Leitorientierungen für ein systemisch konzipiertes Controlling
8 Marketing
8.1 Warum Marketing auch in der Sozialen Arbeit für Management bedeutsam ist
8.2 Zum Kern von Marketing und dessen Herausforderung für Managementhandeln
8.3 Absichten und Paradoxien im Marketing
8.4 Orientierungslinien für ein systemisch ausgerichtetes Marketing
8.5 Unterschiede zu »nicht systemischen« Marketingkonzepten
8.6 Leitorientierungen für ein systemisch konzipiertes Marketing
9 Qualitätsmanagement
9.1 Warum Qualitätsmanagement in der Sozialen Arbeit? Anforderungen und Widersprüche
9.2 Orientierungslinien im »traditionellen« Qualitätsmanagement
9.3 Perspektiven eines systemisch konzipierten Qualitätsmanagements
9.4 Leitorientierungen für ein systemisch konzipiertes Qualitätsmanagement
10 Personalmanagement
10.1 Personalmanagement als Herausforderung insbesondere in sozialen Dienstleistungsorganisationen
10.2 Spannungsfelder und Paradoxien im Personalmanagement
10.3 Orientierungslinien für ein systemisch ausgerichtetes Personalmanagement
10.4 Aufgaben des Personalmanagements
10.5 Leitorientierungen für ein systemisch konzipiertes Personalmanagement
11 Bildungsmanagement
11.1 Ausgangssituation: »Anything-goes-Mentalität« innerhalb der Fort- und Weiterbildung
11.2 Spannungsfelder und Herausforderungen in Bezug auf die Steuerung von Fort- und Weiterbildungen
11.3 Traditionelle Bildungsmanagementansätze
11.4 Handlungsorientierungen: Perspektiven eines systemischen Bildungsmanagements
11.5 Systemisches Bildungsmanagement: Eine abschließende Betrachtung
11.6 Leitorientierungen für ein systemisch konzipiertes Bildungsmanagement
12 Strategisches Management
12.1 Warum Strategisches Management in Organisationen der Sozialen Arbeit?
12.2 Strategisches Management: Zweck und Erwartungen
12.3 Systemische Strategieentwicklung jenseits des Rationalitätsparadigmas
12.4 Typen oder Muster der Strategiebildung in Organisationen
12.5 Leitorientierungen für eine systemisch konzipierte Strategiebildung
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Systemisches Management in Organisationen der Sozialen Arbeit. Handbuch für Studium und Praxis [2. ed.]
 9783849703103, 9783849781996

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Stefan Gesmann/Joachim Merchel

Systemisches Management in Organisationen der Sozialen Arbeit Handbuch für Studium und Praxis

Zweite Auflage, 2021

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags: Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern) Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke) Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg) Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln) Dr. Barbara Heitger (Wien) Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg) Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena) Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg) Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke) Dr. Roswita Königswieser (Wien) Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück) Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg) Tom Levold (Köln) Dr. Kurt Ludewig (Münster) Dr. Burkhard Peter (München) Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen) Prof. Dr. Kersten Reich (Köln) Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg) Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen) Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln) Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke) Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg) Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster) Jakob R. Schneider (München) Prof. Dr. Jochen Schweitzer (Heidelberg) Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin) Dr. Therese Steiner (Embrach) Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin (Heidelberg) Karsten Trebesch (Berlin) Bernhard Trenkle (Rottweil) Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln) Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz) Dr. Gunthard Weber (Wiesloch) Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien) Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg) Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch) Themenreihe: »Systemische Soziale Arbeit« hrsg. von Heiko Kleve Umschlaggestaltung: Uwe Göbel Umschlagmotiv: © pixabay Satz: Verlagsservice Hegele, Heiligkreuzsteinach Printed in Germany Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

Zweite Auflage, 2021 ISBN 978-3-8497-0310-3 (Printausgabe) ISBN 978-3-8497-8199-6 (ePub)

© 2019, 2021 Carl-Auer-Systeme Verlag und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg Alle Rechte vorbehalten

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Informationen zu unserem gesamten Programm, unseren Autoren und zum Verlag finden Sie unter: https://www.carlauer.de/. Wenn Sie Interesse an unseren monatlichen Nachrichten haben, können Sie dort auch den Newsletter abonnieren. Carl-Auer Verlag GmbH Vangerowstraße 14 • 69115 Heidelberg Tel. +49 6221 6438-0 • Fax +49 6221 6438-22 [email protected]

Inhalt

Einleitung 1 Die systemtheoretische Sicht auf Organisationen 1.1 Allgemeine Charakteristika von Organisationen 1.2 Das traditionelle (zweckrationale) Organisationsverständnis 1.3 Eckpunkte eines systemtheoretischen Organisationsverständnisses 1.3.1 Organisation als Differenz: Zur Bedeutsamkeit der System-UmweltUnterscheidung 1.3.2 Entscheidungsprämissen als Strukturen einer Organisation 1.3.3 Und wo bleibt der Mensch? Zur Rolle der Organisationsmitglieder 1.3.4 Von der Zweck- zur Systemrationalität 1.4 Leitorientierungen für ein systemtheoretisches Organisationsverständnis 2 Das Besondere von Organisationen der Sozialen Arbeit als Bedingungsfaktoren bei der Konzipierung von Management 2.1 Politische Konstituierung sozialer Dienstleistungen 2.2 Interaktion als Kern sozialer Dienstleistungen 2.2.1 Charakteristika sozialer Dienstleistungen 2.2.2 Folgen für das Steuerungshandeln 2.3 Legitimation sozialer Dienstleistungsorganisationen 2.4 Soziale Dienstleistungsorganisationen im Spannungsfeld verschiedenartiger Anforderungen und Handlungslogiken 2.5 Fazit: Spezifika von Organisationen der Sozialen Arbeit und deren Bedeutung für Management 3 Steuerung als Managementfunktion und Leitungsaufgabe 3.1 Anspruch »Steuerung«: Selbstverständlich und fragwürdig zugleich 3.2 Das »traditionelle« Steuerungsverständnis – und dessen fehlleitende Orientierungen 3.3 »Steuerung« systemtheoretisch gedacht 3.4 Möglichkeiten zur Steuerung in und von Organisationen 3.5 Steuerungskompetenz als Haltung gegenüber der Organisation als sozialem System 3.6 Leitorientierungen für ein systemisch verstandenes Steuerungshandeln 4 Organisationsgestaltung

4.1 4.2 4.3 4.4

Zentrale Gestaltungsanforderungen Organisationsgestaltung als Umgang mit Spannungsfeldern und Paradoxien Organisationsgestaltung »systemisch« Leitorientierungen für eine systemisch konzipierte Organisationsgestaltung

5 Zur Bedeutung und Beeinflussbarkeit von Organisationskultur 5.1 Zur (bedeutsamen) Funktion von Organisationskulturen 5.2 Traditionelle Ansätze zur Beeinflussung von Organisationskulturen 5.3 Organisationskultur systemtheoretisch betrachtet 5.4 Veränderung von Organisationskultur: Impulse auf der Grundlage des Verstehens 5.4.1 Veränderung von Artefakten 5.4.2 Indirektes Ansprechen der Organisationskultur über die Formalstruktur 5.4.3 Zur Vorbildfunktion von Leitungskräften 5.5 Leitorientierungen für eine systemisch konzipierte Beeinflussbarkeit der Organisationskultur 6 Organisationsveränderung – Entscheidungen herbeiführen als Management von Balancen 6.1 Organisationsveränderung – eine systematisierte Annäherung 6.2 Orientierungspunkte für episodische Phasen der Organisationsveränderung 6.3 Zur (bewussten) Steigerung der organisationalen Lernfähigkeit 6.3.1 Zur Erhöhung des Variationsreichtums 6.3.2 Zur Schärfung von reflektierten Selektionen 6.4 Organisationsveränderung: Vom Entweder/oder zum Sowohl-als-auch 6.5 Leitorientierungen für eine systemisch konzipierte Organisationsveränderung 7 Betriebswirtschaftliche Steuerung: Controlling – systemisch konzipiert 7.1 Ausgangssituation: Warum überhaupt Controlling? 7.2 Spannungsfelder innerhalb des Controllings 7.3 Zur Grundlogik des traditionellen Controllings 7.4 Systemisches Controlling: Was ist es, und wie kann es gehen? 7.4.1 Zum mehrdimensionalen Beobachtungsfokus eines systemischen Controllings 7.4.2 Zur erweiterten Beobachtungsform des systemischen Controllings 7.4.3 Zum selbstreflexiven Charakter eines systemischen Controllings aufgrund von dessen begrenzter Sichtweise 7.4.4 Reflexives Bewerten statt rationales Absichern

7.5 Leitorientierungen für ein systemisch konzipiertes Controlling 8 Marketing 8.1 Warum Marketing auch in der Sozialen Arbeit für Management bedeutsam ist 8.2 Zum Kern von Marketing und dessen Herausforderung für Managementhandeln 8.3 Absichten und Paradoxien im Marketing 8.4 Orientierungslinien für ein systemisch ausgerichtetes Marketing 8.5 Unterschiede zu »nicht systemischen« Marketingkonzepten 8.6 Leitorientierungen für ein systemisch konzipiertes Marketing 9 Qualitätsmanagement 9.1 Warum Qualitätsmanagement in der Sozialen Arbeit? Anforderungen und Widersprüche 9.2 Orientierungslinien im »traditionellen« Qualitätsmanagement 9.3 Perspektiven eines systemisch konzipierten Qualitätsmanagements 9.4 Leitorientierungen für ein systemisch konzipiertes Qualitätsmanagement 10 Personalmanagement 10.1 Personalmanagement als Herausforderung insbesondere in sozialen Dienstleistungsorganisationen 10.2 Spannungsfelder und Paradoxien im Personalmanagement 10.3 Orientierungslinien für ein systemisch ausgerichtetes Personalmanagement 10.4 Aufgaben des Personalmanagements 10.5 Leitorientierungen für ein systemisch konzipiertes Personalmanagement 11 Bildungsmanagement 11.1 Ausgangssituation: »Anything-goes-Mentalität« innerhalb der Fort- und Weiterbildung 11.2 Spannungsfelder und Herausforderungen in Bezug auf die Steuerung von Fort- und Weiterbildungen 11.3 Traditionelle Bildungsmanagementansätze 11.4 Handlungsorientierungen: Perspektiven eines systemischen Bildungsmanagements 11.5 Systemisches Bildungsmanagement: Eine abschließende Betrachtung 11.6 Leitorientierungen für ein systemisch konzipiertes Bildungsmanagement 12 Strategisches Management 12.1 Warum Strategisches Management in Organisationen der Sozialen Arbeit?

12.2 12.3 12.4 12.5

Strategisches Management: Zweck und Erwartungen Systemische Strategieentwicklung jenseits des Rationalitätsparadigmas Typen oder Muster der Strategiebildung in Organisationen Leitorientierungen für eine systemisch konzipierte Strategiebildung

Literatur Über die Autoren

Einleitung

Ein Auslöser für das Vorhaben, ein Buch über ein systemisch konzipiertes Sozialmanagement zu schreiben, war die Beobachtung einer markanten Differenz in Organisationen der Sozialen Arbeit: Während einerseits »systemische Konzepte« zum methodischen Handeln in der Sozialen Arbeit allgegenwärtig erscheinen, trifft man in den Leitungsebenen der Einrichtungen und Dienste auf ein eher sozialtechnisch ausgerichtetes Managementverständnis. Man erhält den Eindruck, dass gleichsam »zwei Welten« in der Sozialen Arbeit existieren und in einer Organisation weitgehend irritationsarm nebeneinanderstehen: die Welt der systemisch inspirierten Methoden und Instrumente im Umgang mit Klienten1 einerseits und die Welt eines implizit sozialtechnischen Bemühens und Glaubens, Organisationen nach eigenen Vorstellungen intentional gestalten zu können, bei den Managementaktivitäten andererseits. Bereits in der Ausbildung werden viele Studierende mit systemischen Denkweisen und systemisch inspirierten Methoden konfrontiert; beim Hineinwachsen in die beruflichen Tätigkeitsfelder können sie in vielfältigen Fortbildungen ihre Grundkenntnisse erweitern. Nicht wenige Organisationen in Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit (z. B. Beratungsstellen, ambulante und stationäre Erziehungshilfen, Jugendamt/ASD u. a. m.) erwarten von den dort tätigen Fachkräften, dass sie sich in systemischen Beratungsmethoden fortbilden und ein Zertifikat als »Systemische/r Berater/in« erwerben. Dass das systemische Denken im Hinblick auf die Arbeit mit Klienten innerhalb der Sozialen Arbeit einen beachtlichen Verbreitungsgrad angenommen hat, scheint keine allzu gewagte These zu sein. Blickt man andererseits in die Leitungsetagen von Organisationen der Sozialen Arbeit, dann stellt man verwundert fest, dass sich das systemische Denken von Hierarchieebene zu Hierarchieebene zu verflüssigen scheint. Hier nehmen Leitungspersonen fast selbstverständlich die an sie herangetragene Erwartung an, »ihren Laden im Griff« zu haben. Das Ausbleiben der Effekte von Steuerungshandeln wird als partielles Steuerungsversagen interpretiert und mit der Suche nach neuen, »zielgenaueren« Impulsen zwischen Sanktionierung und »sozialverträglicher Überredung« der Mitarbeiter beantwortet. Neue Instrumente des Marketings, des Controllings, des steuerungsrelevanten Qualitätsmanagements, der sozialtechnisch verbesserten, psychologisch ausgeklügelten Personalführung werden gesucht – und häufig vermeintlich in der »traditionellen« Betriebswirtschaftslehre gefunden; alles in dem Bestreben, »zielgenauer« zu steuern und das Leben in der Organisation über Steuerungshandeln »in den Griff zu bekommen«. Was zur Praxis des Managements in Organisationen der Sozialen Arbeit zu beobachten ist, gilt auch für die konzeptionelle Diskussion zum Sozialmanagement: Nicht einmal auf der konzeptionellen Ebene (und erst recht nicht in der Praxis) des Sozialmanagements hat das systemische Denken einen Platz erhalten, das dem in der Methodendiskussion als

selbstverständlich angenommenen Vokabular des Systemischen auch nur annähernd entspricht. Die skizzierte beobachtete Differenz zwischen den unterschiedlichen Ständen der Verarbeitung systemischen Denkens in Organisationen der Sozialen Arbeit ruft zum einen nach Erklärungen und motiviert zum anderen zur Suche nach Ansatzpunkten, die Differenz dadurch zu verringern, dass systemische inspirierte Denkweisen und Methoden auch von den Managementebenen der Sozialen Arbeit stärker aufgegriffen werden. Versucht man, die markierte Differenz zu erklären, bieten sich insbesondere vier Überlegungen als Hypothesen an: • Die Wahrnehmung, systemische Konzepte seien in der Arbeit mit Klienten zum allgemeinen und akzeptierten methodischen Inventar von Fachkräften der Sozialen Arbeit geworden, ist möglicherweise verkürzt und trifft nur die Oberfläche der Beobachtung. Es existieren Anzeichen dafür, dass »systemische« Konzeptformulierungen zum methodischen Handeln in der Praxis vielfach nur begrenzt aufgenommen und verarbeitet werden. Es wird vornehmlich derjenige Teil aufgenommen, der die Einbettung des Individuums in soziale Konstellationen (»Systeme« wie Familien, Peergroups, Nachbarschaft, sozialräumliche Konstellationen etc.) anspricht: Man denkt »systemisch«, weil man in der Arbeit mit dem Individuum soziale Konstellationen (»Systeme«) mitdenkt und beim methodischen Handeln berücksichtigt. Wenn man dann noch bestimmte aus dem »Systemischen« abgeleitete methodische Vorgehensweisen (zirkuläres Fragen, die »Wunderfrage« etc.) kennt und partiell anwendet, glaubt man, sein Handeln vor dem Hintergrund des »Systemischen« ausreichend legitimieren zu können. Der andere Teil systemtheoretischer Überlegungen und Konzepte – die Frage der Steuerbarkeit sozialer und psychischer Systeme, die Frage der Kausalität, die Autonomie des Individuums etc.) – bleibt bei der »Anwendung« systemischer Konzepte weitgehend ausgespart. Das »Systemische« in der Praxis der Sozialen Arbeit erscheint vielfach als eine Ausweitung des Blickes, die allerdings auf einige methodische Aspekte begrenzt bleibt. Die grundlegenden theoretischen Annahmen, die Irritation und Reflexion hervorrufen würden, werden jedoch nicht als prägend zur Kenntnis genommen. Das »Systemische« wird also auf bestimmte »Instrumente« beschränkt und damit in einer pragmatischen Absicht verkürzt. Es wird vornehmlich das aufgenommen, was das Handlungsinstrumentarium erweitern könnte; das Irritierende, zur Reflexion und zum Zweifel Herausfordernde wird an den Rand gedrängt oder gar ignoriert. • Es wird eine deutliche Trennung vorgenommen zwischen der interaktionalen Ebene der Hilfegestaltung einerseits und der organisationalen Ebene andererseits, innerhalb derer die Hilfe stattfindet und in welche die Interaktionen eingebunden sind. Während auf der interaktionalen Ebene das Vokabular des »Systemischen« geradezu zur Norm

geworden ist, wurde die organisationale Ebene davon abgetrennt, weil man soziale Organisationen primär (oder gar ausschließlich) als Mittel zum Zweck der interaktionalen Hilfegestaltung verstand, ohne sie als soziale Systeme mit eigener Dynamik zur Kenntnis zu nehmen und in dieser Hinsicht praktisch zu würdigen. Implizit denkt und handelt man nach dem Motto: »Die Organisation hat zu funktionieren, damit die Hilfe geleistet werden kann; man braucht sie irgendwie, aber sie soll ansonsten nicht stören.« Organisation wurde nur als instrumentelles Element der Sozialen Arbeit begriffen. Entsprechend wurde die Erwartung an Leitungspersonen formuliert: Sie sollten dafür sorgen, »ihren Laden im Griff zu haben«, also das Instrument »Organisation« so aufzustellen, dass die Hilfegestaltung reibungslos verlaufen kann, und sie wurden an dieser (impliziten) Norm gemessen. Dies blieb nicht ohne Auswirkungen auf das Selbstbild und den Selbstanspruch der Leitungspersonen: Auch sie wollten »den Laden im Griff haben« und suchten daher Konzepte, Methoden und Instrumente, die ihnen dies verlässlich ermöglichen sollten: daher der Rückgriff auf die (traditionelle) Betriebswirtschaftslehre (»von der Wirtschaft lernen«). Insofern konnte und kann es in Organisationen der Sozialen Arbeit geschehen, dass es eine markante Zweiteilung im Reden (und konzeptionellen Denken) gibt: die »Basis-Mitarbeiter« (interaktionale Ebene der Hilfegestaltung) mit ausgeprägtem »systemischem« Vokabular und die Leitungsebene (organisationale Ebene) mit aus der traditionellen BWL entlehntem steuerungsoptimistischem, tendenziell sozialtechnischem Denken. Und mehr oder weniger erstaunlich: Dieses Nebeneinander führte nicht immer zu Irritationen, die Reflexionen auslösten! Es herrscht weiterhin der »alte« Anspruch vor, dass eine Leitungsperson dann gut ist, wenn sie a) »ihren Laden im Griff« hat, und dies b) auf eine (in der Sozialen Arbeit normativ verankerte) sozialverträgliche Weise (partizipativ, kollegial etc.) erreicht. • Organisationale Kontexte (und damit Management) wurden über eine lange Zeit in ihrer Bedeutung für fachliches Handeln in der Sozialen Arbeit vernachlässigt. Die Einführung von Managementdenken in der Sozialen Arbeit war verbunden mit der Intention, organisationale Dysfunktionen zu beseitigen. Man rufe sich in Erinnerung: Das Aufkommen von Managementdiskussionen und -konzepten in den 1980er- und 1990er-Jahren kam nicht primär aus der Profession selbst, sondern wurde gleichsam »von außen« herangetragen. Bücher wie »Funktionaler Dilettantismus« (Seibel 1992), in denen den freien Trägern der Sozialen Arbeit massives Managementversagen vorgeworfen wurde, oder der Spiegel-Report zum Managementversagen der freien Wohlfahrtspflege unter dem Titel »Saugen und Mauscheln« (o. V. 1988) und weitere Veröffentlichungen zu Managementdefiziten warfen insbesondere den freien (und später auch den öffentlichen) Trägern mangelnde Kompetenz in der Wirtschaftsführung mit Folgen für das soziale Hilfesystem vor. Erste Versuche, Konzepte des Sozialmanagements zu entwickeln, bewegten sich noch in der Diktion

einer Sozialarbeitstradition (eher gruppendynamisch ausgerichtete Konzepte wie z. B. Müller-Schöll u. Priepke 1989; Müller-Schöll 1993). Doch auch solche Konzepte verhießen keine angemessene Perspektive zur Verbesserung der betriebswirtschaftlichen Steuerung, sodass sich eher eine Haltung gegenüber dem Sozialmanagement als »ordnender Zugriff« ausprägte, mit der die bestehenden Ineffektivitäten, Organisationsmängel und Mängel in der Wirtschaftsführung behoben werden sollten (Merchel 2009) – eine Haltung, die das Einsickern von systemisch inspiriertem Denken in das Sozialmanagement nicht gerade beförderte. • Dort, wo systemisches Denken zumindest partiell in die Konzipierung von Sozialmanagement einbezogen wurde, blieb es häufig in eher allgemeinen Konzeptionsformulierungen stecken und wurde nicht so gezielt auf einzelne Steuerungsbereiche des Sozialmanagements bezogen, als dass es Leitungspersonen Orientierungen für ihr praktisches Leitungshandeln geboten hätte. Dadurch blieb »systemisches Denken« abstrakt und für das praktische Managementhandeln weitgehend unzugänglich. Eine Leitungsperson, der eine Vorstellung vermittelt wurde, wie Sozialmanagement generell unter systemischen Gesichtspunkten zu verstehen und zu konzipieren ist, die dies aber nicht für ihre konkreten Managementaufgaben anwenden konnte, erlebte das systemische Konzept als zu wenig nutzbar für ihre Aufgaben der betriebswirtschaftlichen, fachlichen und mitarbeiterbezogenen Steuerung etc. »Systemisches Denken« wird in den Konzeptionsüberlegungen des Sozialmanagements höchstens ansatzweise mit konkretem Managementhandeln verkoppelt, es erscheint letztlich nicht ausreichend »anschlussfähig« an die Praxis des Sozialmanagements. Es wird von den Managementakteuren als zu weit weg von ihrem Alltag und den dort zu bewältigenden Anforderungen erlebt – mit der Folge, dass Leitungspersonen sich in ihrem Alltagshandeln entweder »irgendwie durchwursteln« oder eher zu Methoden und Instrumenten greifen, die ihnen im Sinne der »traditionellen« Betriebswirtschaftslehre vermeintlich die Möglichkeit eines intentionalen, auf bestimmte Effekte gerichteten Steuerungshandelns eröffnen. Ziele und Aufbau dieses Buches Wir wollen mit dem vorliegenden Buch einen Beitrag leisten zur Verringerung der Differenz zwischen der Tendenz zu systemischem Denken und Handeln auf der Interaktionsebene einerseits und der Ausrichtung an einem tendenziell sozialtechnologischen Managementverständnis andererseits. Wir wollen Orientierungen entwickeln und zur Diskussion stellen für systemisch inspiriertes Denken und Handeln auch auf den Managementebenen. Dazu charakterisieren wir in einer theoretisch basierten, jedoch auf die Ebene praktischen Managementhandelns ausgerichteten Weise zunächst das systemtheoretische Verständnis von »Organisation« (Kapitel 1) und – daraus abgeleitet – ein systemtheoretisches Konzept von Steuerung in Organisationen der Sozialen Arbeit (Kapitel 3). Ferner verdeutlichen wir, um welchen Organisationstypus es sich bei Organisationen der

Sozialen Arbeit handelt und mit welchen spezifischen Konstellationen das Managementhandeln in diesen Organisationen verknüpft ist (Kapitel 2), um dann konkret auf die einzelnen Steuerungsbereiche einzugehen und jeweils zu entfalten, wie sich das zuvor dargelegte Organisations- und Steuerungsverständnis dort konkretisieren lässt im Hinblick auf einzelne Managementaufgaben und Steuerungsfelder: • Organisationsgestaltung (Kapitel 4) und • Organisationsveränderung (Kapitel 6) mit besonderer Erörterung des Einflussfaktors »Organisationskultur« (Kapitel 5), • Controlling als betriebswirtschaftlicher Steuerungsmodus (Kapitel 7), • Marketing als Gestaltung der Bezüge einer Organisation zu ihrer Umwelt (Kapitel 8), • Qualitätsmanagement mit fachlichem Steuerungsfokus (Kapitel 9), • Personalmanagement als Umgang mit dem zentralen Qualitätsfaktor »Mitarbeiter« (Kapitel 10) unter besonderer Beachtung des Bildungsmanagements als zentralen Bestandteils der Personalentwicklung (Kapitel 11) sowie abschließend • das Strategische Management als das kontinuierliche Bemühen um Aufrechterhaltung der Existenz einer Organisation der Sozialen Arbeit im Gefüge einer sich verändernder Umwelt und der Anforderungen, die durch die gesellschaftliche Verarbeitung der Dynamik Sozialer Probleme an die jeweilige Organisation Sozialer Arbeit herangetragen werden, aber von dieser wahrgenommen und zur Gewährleistung ihrer eigenen Existenz interpretiert und verarbeitet werden müssen (Kapitel 12). In der Bezugnahme und Verarbeitung der generellen Blickweise auf »Organisation« und auf »Steuerung« im Hinblick auf die verschiedenen Steuerungsbereiche versuchen wir Antworten auf die folgenden Fragen zu entwickeln: • Welche praktischen Probleme müssen in dem jeweiligen Steuerungsbereich bearbeitet oder gelöst werden? Welche Spannungsfelder und Paradoxien, die in den Blick genommen und bewältigt werden müssen, ergeben sich dabei im jeweiligen Managementbereich? • Wie sind die in vielen Organisationen der Sozialen Arbeit sichtbaren Aufgaben sowie Lösungs- und Bearbeitungsstrategien aus systemtheoretischer Perspektive zu interpretieren? • Welche Unterschiede ergeben sich zwischen einer »traditionellen« Sozialmanagementsichtweise und einer systemtheoretischen Perspektive? Warum vermag eine systemtheoretische Perspektive den Blick auf angemessenere Bearbeitungen zu eröffnen? • An welchen »Leitorientierungen« kann sich ein »systemtheoretisch aufgeklärtes (Sozial-)Managementhandeln« ausrichten?

Mit dem Versuch, systemtheoretische Perspektiven konkreter auf Steuerungsbereiche für Managementhandeln in Organisationen der Sozialen Arbeit zu beziehen und dadurch praktische Reflexions- und Handlungsorientierungen zu entwickeln, verbinden wir die Absicht und die Hoffnung, zur oben skizzierten Differenzminimierung beizutragen und die systemtheoretische Perspektive auch für Akteure des praktischen Sozialmanagements »anschlussfähiger« zu machen. Schon zu Beginn, in dieser Einleitung, wollen wir die Leser auf eine zentrale Orientierung für die Herausbildung eines systemtheoretisch konzipierten Sozialmanagements aufmerksam machen, deren Beachtung hilfreich für die Lektüre des Buches ist und die in den einzelnen Kapitel jeweils deutlicher herausgearbeitet, begründet und konkreter auf die einzelnen Steuerungsbereiche bezogen wird: Für alle Bereiche des Managements in Organisationen der Sozialen Arbeit gilt die Anforderung, das bisherige Managementhandeln reflexiv in den Blick zu nehmen: • im Hinblick auf Wirkungen und Nebenwirkungen, • im Hinblick auf (explizite und implizite) Annahmen, die das Managementhandeln bisher geleitet haben oder die in diesem zum Ausdruck kommen, • als Bewertung zur Angemessenheit dieser Annahmen sowie • als Nachdenken darüber, wie Managementimpulse bisher verarbeitet worden sind. Eine verstärkte Ausrichtung auf systemische Perspektiven im Sozialmanagement bedeutet auch, das Managementhandeln in der Vergangenheit zu beobachten, um a) daraus Erkenntnisse zu gewinnen über Zustand und Dynamik der Organisation sowie b) Schlussfolgerungen für die Handhabung weiterer Managementimpulse zu ziehen (als begründete Hypothesen). Umorientierung im Managementhandeln bedeutet auch, Beobachtungen der Dynamik bisherigen Managementhandelns und seiner Funktion in der Organisation zu machen als Reflexionshintergrund zur Entwicklung anschlussfähiger neuer (veränderter) Managementimpulse. Weil die zukunftsorientierte Reflexion zu systemischen Perspektiven des Sozialmanagements immer auch eine reflexive Verarbeitung des bisherigen Managementhandelns und des jeweiligen Zustands des Managements einer Organisation der Sozialen Arbeit einschließen sollte, möchten wir mit den Darstellungen in den einzelnen Kapiteln dazu anregen, sich nicht nur mit möglichen zukünftigen (systemisch ausgerichteten) Handlungsperspektiven zu beschäftigen, sondern sich anhand der in diesem Buch enthaltenen Kategorien und Darstellungen auch mit der bisherigen Managementpraxis in einer Organisation der Sozialen Arbeit auseinanderzusetzen. Denn anschlussfähige und damit praktisch handhabbare und wirkungsvolle Entwicklungsperspektiven haben immer eine sorgfältige Analyse und Reflexion des Bisherigen zur Voraussetzung. Zur Genese dieses Buches

Zum Schluss der Einleitung möchten wir noch etwas zur Genese dieses Buches sagen und zugleich einem besonderen Personenkreis unseren Dank aussprechen. Früher Ausgangspunkt zu Überlegungen für dieses Buch waren die Vorbereitung und die Durchführung des Fachtages »Systemisches Management – Was ist das und was nützt es?«, der im Februar 2014 an der Fachhochschule Münster stattfand (Referent u. a. Fritz B. Simon). Die Arbeit an dem Buch verzögerte sich durch viele andere Aufgaben und Arbeitsvorhaben – u. a. durch die Konzipierung des weiterbildenden Zertifikatskurses »Systemisches (Sozial)Management«, der dann schließlich in sieben Seminarmodulen mit einer Gruppe von 18 Teilnehmern (Leitungspersonen in Organisationen der Sozialen Arbeit) von Oktober 2017 bis September 2018 an der Fachhochschule Münster (Fachbereich Sozialwesen) stattfand. Die Diskussionen in den Seminaren mit diesen Leitungspersonen zu den verschiedenen Steuerungsbereichen und zu deren »systemischer Ausprägung« waren für das Schreiben und Überarbeiten der einzelnen Kapitel dieses Buches insofern sehr anregend, als wir durch kritische Rückfragen, durch »Hinweise aus der Praxis«, durch Reflexionsimpulse motiviert wurden, unsere Gedanken zu ordnen, zu präzisieren, anzureichern. Dafür möchten wir an dieser Stelle den Teilnehmern des Kurses danken; durch ihre Beiträge in den Seminardiskussionen haben sie zur Präzisierung einiger Argumentationen in diesem Buch beigetragen. Nicht nur für dieses Buch, sondern auch in anderen Weiterbildungskursen zum »Systemischen (Sozial-)Management« (www.fh-muenster.de/systemisches_management) können wir ihre Anregungen nutzen, und wir sind zuversichtlich, dass auch in weiteren Fortbildungen und Fachdiskussionen das Vorhaben »Systemisches (Sozial-)Management« zu einem kontinuierlichen Entwicklungsprojekt in Theorie, Konzeptionsarbeit und Praxis werden kann.

1 Auf Wunsch des Verlages wird in diesem Werk bei Personenbezeichnungen in der Regel darauf verzichtet, jeweils die männliche und die weibliche Form anzuführen. Gemeint sind jeweils alle Geschlechter, unabhängig davon, ob die männliche oder die weibliche Form benutzt wird.

1 Die systemtheoretische Sicht auf Organisationen

Sich Organisationen aus einer systemtheoretischen Perspektive anzunähern stellt in mehrfacher Hinsicht eine gewisse Zumutung dar. Dies liegt zum einen darin begründet, dass innerhalb des systemtheoretischen Paradigmas allgemein geteilte – und in der Regel für gültig betrachtete – Annahmen hinsichtlich des Zwecks und der Steuerung von Organisation ebenso wie die Rolle derjenigen, die für die Steuerung von Organisationen zuständig sind (in der Regel Manager), nicht nur kritisch beleuchtet, sondern bisweilen auch auf den Kopf gestellt werden. Der zumutende Charakter eines systemtheoretischen Verständnisses von Organisationen zeigt sich zum anderen darin, dass eine Auseinandersetzung mit diesem Theoriewerk die Leser bisweilen an das Erlernen einer Fremdsprache erinnert: Da werden Organisationen als selbstreferenzielle oder autopoietische Systeme bezeichnet, die sich operational schließen, zugleich jedoch auf Fremdreferenz angewiesen sind. Es werden Maßnahmen empfohlen, um eine Beobachtung 2. Ordnung zu ermöglichen, alles um bestmöglich mit Kontingenz bzw. doppelter Kontingenz umzugehen. Die Organisationsmitglieder werden als psychische Systeme bezeichnet, die lediglich über strukturelle Kopplung mit der Organisation verbunden sind, aber eigentlich der Umwelt der Organisation zugerechnet werden müssen usw. Dass systemtheoretische Annahmen trotz dieser »Zumutungen« auch in organisationstheoretischen Standardwerken Berücksichtigung finden (vgl. Kieser u. Ebers 2006) und es zudem innerhalb der Sozialen Arbeit erste Bemühungen gibt, systemtheoretische Erkenntnisse auf die Steuerung von Organisationen zu beziehen (vgl. Bauer 2013; Gesmann 2014; Lambers 2015), erscheint daher erklärungsbedürftig. Die nachfolgenden Ausführungen verstehen sich als Versuch, eben jene Erklärungsansätze zu bieten. Hierbei wird das Ziel verfolgt, Eckpunkte eines systemtheoretischen Verständnisses von Organisationen aufzuzeigen und diese von einem traditionellen, eher betriebswirtschaftlich geprägten Organisationsverständnis abzugrenzen. Zu diesem Zweck findet in Kapitel 1.1 eine Präzisierung statt, was überhaupt unter einer Organisation zu verstehen ist. Vier allgemeine Charakteristika helfen hierbei, Organisationen von anderen sozialen Gebilden (wie z. B. einer Gruppe von Freunden oder der Schlange im Supermarkt an der Kasse) abzugrenzen. Diese vier grundlegenden Charakteristika von Organisationen dienen nachfolgend auch als Ordnungskriterien, um Unterschiede (und mögliche Gemeinsamkeiten) zwischen einem eher traditionellen zweckrationalen und einem systemtheoretischen Organisationsverständnis aufzuzeigen.

1.1 Allgemeine Charakteristika von Organisationen

Von der Wiege bis zur Bahre – Organisationen prägen nachhaltig das Leben. Man wird in der Regel in Organisationen geboren, ab dem 2. oder 3. Lebensjahr einer Organisation zugeführt, die unter dem Namen Kindertagesstätte bundesweit erfolgreich firmiert, verbringt die Schulzeit mehr oder weniger freiwillig in Organisationen, studiert möglicherweise in Organisationen und arbeitet anschließend – im Idealfall bis zum wohlverdienten Ruhestand – in Organisationen. Selbst nach dem Ableben ist eine Organisation in der Regel dafür zuständig, sich der eigenen sterblichen Überreste anzunehmen. Es verwundert daher kaum, dass auch Fachkräfte der Sozialen Arbeit den überwiegenden Anteil ihrer Arbeitszeit in bzw. mit Organisationen verbringen. Wäre die Unterstützung von hilfebedürftigen Menschen nicht in den Kontext einer Organisation eingebettet, bliebe die jeweilige Hilfe lediglich ein Akt der Nächstenliebe oder eine Form der zwischenmenschlichen Nähe. Soziale Arbeit lässt sich daher u. a. auch dadurch charakterisieren, dass das Helfen durch einen gesellschaftlichen Auftrag geprägt ist und in einem organisationalen Kontext eingebunden ist (vgl. Merchel 2015a, S. 34). Blickt man in die Praxis der Sozialen Arbeit, so wird allerdings schnell erkennbar, dass der Begriff der Organisation eine gewisse Unschärfe aufweist. Arbeiten die Mitarbeiter im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) eines Jugendamtes nun in der Organisation ASD oder in der Organisation Jugendamt? Kann ein Arbeitskreis, der sich rund um das Thema unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Bezirk gebildet hat, als Organisation bezeichnet werden? Was ist mit Einrichtungen, die sich einem Wohlfahrtsverband angeschlossen haben: Sind diese nun Organisationen, oder ist nur der Wohlfahrtsverband eine Organisation? Und ist eine Selbsthilfegruppe eine Organisation? Als sei dies alles noch nicht kompliziert genug, findet der Begriff Organisation noch in völlig unterschiedlichen Zusammenhängen Verwendung. Einerseits wird ein Jugendamt als Organisation der Sozialen Arbeit bezeichnet, andererseits verbringen Eltern zunehmend viel Zeit damit, die Organisation eines Kindergeburtstages zu übernehmen. Dass hier zwei völlig unterschiedliche Bedeutungen von Organisation zum Tragen kommen, dürfte offensichtlich sein. Sehr vereinfacht kann zwischen einem institutionellen und einem tätigkeitsorientierten Organisationsbegriff differenziert werden: Während aus einer institutionellen Perspektive der Organisationsbegriff Verwendung findet, wenn eine Organisation – wie z. B. ein Jugendamt – als Institution mit ihrem spezifischen Zweck, den darauf ausgelegten Strukturen und den organisationsspezifischen Mitgliedern charakterisiert werden soll,2 zielt der tätigkeitsorientierte Organisationsbegriff auf den Prozess des Organisierens ab, der im besten Falle eine gewisse Ordnung (oder einen gut laufenden Kindergeburtstag) ermöglichen soll. Darüber hinaus kann der Organisationsbegriff in einem instrumentellen Sinne Verwendung finden. In diesem Fall wird dann das Ergebnis des Prozesses des Organisierens (kondensiert in den verschiedenen Formen der Aufbau- und Ablauforganisation, die den Rahmen für alle Handlungen innerhalb der Organisation vorgeben) in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt (vgl. Grunwald 2009, S. 88 f.).

Wenngleich eine solche erste begriffliche Eingrenzung Hilfestellung bietet, um den Organisationsbegriff in seinen unterschiedlichen Facetten zu beleuchten, wird hierdurch noch nicht erkennbar, was das Spezifische von Organisationen ist und was sie von anderen sozialen Gebilden abgrenzt. Eine dezidiertere Betrachtung der vier grundlegenden Merkmale von Organisationen erlaubt eine weitergehende Konkretisierung des Gegenstands Organisation (vgl. Schreyögg 2008, S. 9): • • • •

Spezifische Zweckorientierung Geregelte Arbeitsteilung Identifizierbare Mitglieder Beständigkeit der Organisationsgrenzen.

Spezifische Zweckorientierung Organisationen werden gegründet und erhalten, um einen spezifischen Zweck zu verfolgen. Sei es, dass Unternehmen Güter in Form von Waren produzieren, um damit Profite zu erzielen, oder aber dass – wie es innerhalb der Sozialen Arbeit der Fall ist – Organisationen personenbezogene Dienstleistungen erbringen, um einen gesellschaftlichen Bedarf (z. B. Hilfe und Unterstützung bei der Lebens- und Alltagsbewältigung von Individuen zu bieten oder soziale Ungleichheit in der Gesellschaft zu reduzieren) zu erfüllen. Organisationen, die auf die Formulierung von Zwecken verzichten, würden sowohl bei ihren Mitgliedern als auch in ihrer Organisationsumwelt ein Höchstmaß an Irritationen erzeugen und zugleich ihren Erhalt gefährden (vgl. Kühl 2011, S. 19). Organisationsstrukturen als Ausdruck einer geregelten Arbeitsteilung Zu den wesentlichen Definitionsmerkmalen einer Organisation gehört zweifelsohne, dass diese über eine Organisationsstruktur verfügen, dass somit (mehr oder weniger eindeutig) geregelt ist, wer was wann und wie macht bzw. machen sollte. Dieses Regelwerk der Organisation findet seinen Niederschlag beispielsweise in Aufgaben- und Kompetenzverteilungen, in Plänen oder Verfahrensanweisungen oder in Stellenbeschreibungen und Arbeitsverträgen und ergibt in seiner Gesamtheit die formale Struktur einer Organisation (vgl. Klimmer 2012, S. 3). Identifizierbare Mitglieder Organisationen sind mit zu identifizierenden Mitgliedern ausgestattet, die bereit sind, die formale Struktur einer Organisation zu berücksichtigen und die hiermit verbundenen Erwartungen an sie zu erfüllen. (Kurz: Sie »unterwerfen sich der Organisation.«) Um den Verbindlichkeitsdruck für beide Seiten zu erhöhen, wird die Beziehung zwischen Organisationen und deren Mitgliedern in der Regel über Arbeitsverträge fixiert. Die »kollektive Unterwerfung« der Organisationsmitglieder honoriert die Organisation in der Regel durch die Bereitstellung eines Entgelts (zumeist in Form eines Gehalts).

Beständigkeit der Organisationsgrenzen Organisationen lassen sich darüber hinaus dadurch charakterisieren, dass sie in der Lage sind, sich von ihrer Umwelt abzugrenzen. (Es gibt somit ein »Innen« und ein »Außen«.) Jene Grenzen sind weder natürlich gegeben (wie die Grenzen eines Flussbettes) noch zufällig vorhanden. Vielmehr müssen sie als absichtsvoll hergestellt betrachtet werden und weisen in diesem Zusammenhang ein gewisses Maß an Stabilität auf, was zugleich aber nicht ausschließt, dass sich die vorhandenen Grenzen verändern können (vgl. Schreyögg 2008, S. 9). Zusammenfassend lässt sich eine Organisation also von anderen sozialen Gebilden (wie z. B. der Schlange an der Supermarktkasse) dadurch abgrenzen, dass sie (mindestens) einen klar definierten und in der Regel allen bekannten Zweck verfolgt (einen solchen Zweck könnte man nun einer Schlange im Supermarkt auch noch attestieren: alle wollen bezahlen), dass sie zu diesem Zwecke formale (und zwangsläufig auch informale) Strukturen ausbildet (dies wird in der Supermarktkasse kaum zu beobachten sein) und dass sie sich eindeutig gegenüber ihrer Umwelt abgrenzt, was auch über Formen der Mitgliedschaft geregelt wird. Während sich im Supermarkt jeder an der Schlange anstellen oder aber – wenn es ihm zu lange dauert – auch wieder gehen kann, zeichnen sich Organisationen hinsichtlich ihrer Mitgliedschaft in der Regel durch ein höheres Maß an Verbindlichkeit aus. (Nur so kann in der Regel gewährleistet werden, dass auch die Organisationszwecke erreicht werden). Wenngleich diese allgemeinen Charakteristika von Organisationen Hilfestellung bieten, um den Gegenstand Organisation einzugrenzen, darf hierdurch nicht übersehen werden, dass Organisationen stets Konstrukte bleiben, die sich letztlich nicht im Ganzen, in ihrer Gesamtheit beobachten, erleben oder erfassen lassen (vgl. Merchel 2015a, S. 34). Ob man nun einen ASD als eigenständige Organisation oder lediglich als Organisationseinheit innerhalb der Organisation Jugendamt betrachtet, hängt daher vom jeweiligen Standpunkt des Beobachters (z. B. der Jugendamtsleiterin oder des ASD-Leiters) und dem individuellen impliziten Organisationsverständnis ab, also der subjektiven Antwort auf die Frage: Was ist mein Verständnis (mein Bild) von einer Organisation? Wie bunt diese Vorstellungsbilder hinsichtlich des Wesens, der Funktionslogik und damit verbunden auch der Steuerung von Organisationen gefärbt sein können, hat Gareth Morgan eindrucksvoll in unterschiedlichen Bildern der Organisation aufgezeigt (vgl. Morgan 2006). Die nachfolgende Darstellung eines traditionellen, eher zweckrationalen Organisationsverständnisses (Kapitel 1.2), gefolgt von einem Organisationsverständnis aus einer systemtheoretischen Perspektive (Kapitel 1.3), zeigt hierbei auf, wie stark die jeweiligen Bilder voneinander abweichen können, wenngleich hiermit kein Schwarz-WeißDenken und erst recht kein Denken in Richtig-falsch-Kategorien produziert werden soll.

1.2 Das traditionelle (zweckrationale)

Organisationsverständnis Von einem traditionellen Organisationsverständnis zu sprechen, scheint gewagt, da eine Vielzahl von Organisationstheorien existieren, die allesamt den Versuch unternehmen, den »Zweck, das Entstehen, das Bestehen und die Funktionsweise von Organisationen zu erklären bzw. zu verstehen« (Scherer 2006, S. 20). Dennoch lässt sich konstatieren: Die Vorstellung, Organisationen seien rational geplante und gesteuerte Gebilde, kann als »die seit Langem und noch immer dominierende Sichtweise sowohl im Alltagsleben als auch innerhalb der Organisationsforschung eingeschätzt werden« (Preisendörfer 2011, S. 95). Diese Sichtweise auf Organisationen wird nachfolgend in der gebotenen Kürze skizziert. Im Sinne einer »Leitplankenfunktion« geben hierbei die zuvor genannten vier allgemeinen Charakteristika von Organisationen (Zweck, Strukturen, Grenze und Mitgliedschaft) die Richtung vor. Die Zweckhörigkeit des traditionellen zweckrationalen Organisationsverständnisses Wie der Zusatz »zweckrational« bereits vermuten lässt, steht innerhalb des zweckrationalen Organisationsverständnisses der Zweck im Vordergrund. Es wird also davon ausgegangen, dass eine Organisation ein »zweckrationales Gebilde« (Kegelmann 2007, S. 124) ist. Zweckrationalität meint in diesem Zusammenhang nicht nur, dass die Organisationmitglieder ihr Handeln an Zwecken orientieren, sondern vielmehr, »dass die Organisation im Ganzen maßgeblich durch eine stringente Zweckorientierung geprägt ist und die ganze Organisation letztlich in Form von Zweck-Mittel-Ketten formuliert werden kann« (Grunwald 2009, S. 92). Der jeweilige »Urzweck« (Kühl 2011, S. 23) einer Organisation kann dann in eine Vielzahl von Unterzwecken zerlegt werden, denen beispielsweise die Abteilungen dienen sollen. Diesem zweckrationalen Verständnis folgend, ist eine Organisation demnach (Jung u. Wimmer 2014, S. 99): »eine Bündelung von Stellen und Abteilungen, deren genaues Verhältnis zueinander über Vernetzung von Regeln und Abläufen koordiniert wird und die zur rationellinstrumentellen Erreichung von zuvor gesetzten Zielen oder Zwecken beitragen sollen … Man hat es somit mit einer Zweck-Mittel-Relation zu tun, bei der die Elemente der Organisation so geordnet sind, dass die Zwecke nicht verfehlt werden.« Die formale Organisationsstruktur als verlängerter Arm des Organisationszwecks Innerhalb eines zweckrationalen Organisationsverständnisses kann die Organisationsstruktur

in gewisser Weise als »verlängerter Arm« des Organisationszwecks interpretiert werden, schließlich gelten die Organisationsziele als wesentliche Leitlinie für die Ausgestaltung der formalen Organisationsstruktur. Die organisatorischen Regelungen und Strukturen werden folglich »als eine Art geronnene und bewährte Mittel zur Erreichung der angestrebten Organisationsziele« (Preisendörfer 2011, S. 96) betrachtet. Organisationen lassen sich demnach als Zweck-Mittel-Hierarchien begreifen: An oberster Stelle der Organisation wird der Organisationszweck definiert (z. B. die Integration von arbeitssuchenden Menschen in die Berufswelt), sämtliche Strukturen und Prozesse werden auf diesen Zweck hin ausgerichtet, der Zweck programmiert die Mittel. Die Organisationsmitglieder als Rädchen im Getriebe Um die ideale zweckrationale Organisation nun »fertigzustellen«, müssen nur noch die einzelnen Positionen innerhalb der Hierarchie mit geeigneten Personen besetzt werden. In einem ersten Schritt wird hierzu eine Aufgabe möglichst exakt definiert und erst in einem zweiten Schritt eine Person ausgewählt, die genau zu dieser Aufgabe passt. Hierbei ist der gesamte Personalauswahlprozess ausschließlich auf die für die Organisation bedeutsamen Kriterien ausgerichtet. Geschlecht, ethnische Herkunft, sexuelle Orientierung etc. gilt es zu vernachlässigen. Wenngleich kein Vertreter eines zweckrationalen Organisationsverständnisses dies so verlauten lassen würde, wird innerhalb dieses Organisationstypus implizit davon ausgegangen, dass auch die Organisationsmitglieder äußerst rational handeln, dass sie also ein kalkulierbares Verhalten an den Tag legen und wie ein »Rädchen im Getriebe« (Neuberger 1977, S. 67) funktionieren. Abgrenzung gegenüber einer stabilen und berechenbaren Umwelt Der eindeutig definierte Zweck einer Organisation und die hieraus ausgerichteten Organisationsstrukturen und -regeln führen dazu, dass die Mitglieder der Organisationen nur einen sehr begrenzten Ausschnitt ihrer Umwelt wahrnehmen. Die zweckrationale Organisation beschäftigt sich daher primär mit sich selbst, sie legt sich eine Wahrnehmungsbegrenzung auf, die dazu führt, dass nur solche Informationen wahrgenommen werden, denen mit vorhandenen Routinen begegnet werden kann. Aufgrund ihrer selbst geschaffenen Wahrnehmungsbegrenzung glaubt die zweckrationale Organisation fest daran, dass ihre Umwelt stabil und berechenbar ist (vgl. Kühl 2015a, S. 45 ff.).

Zusammenfassend zeichnet sich das zweckrationale Organisationsverständnis also dadurch aus, dass Organisationen hinsichtlich ihrer Funktionsweise mit einer Maschine verglichen werden. Sie lassen sich demnach »absichtsvoll gestalten, managen, beraten, reformieren oder sonst wie zum Gegenstand instrumenteller Zugriffe und kausaler Zuschreibungen machen« (Jung u. Wimmer 2014, S. 99). Die Effizienz und Effektivität von Organisationen hängt folglich maßgeblich von der Optimierung der Organisationsstruktur und der Arbeitsorganisation ab. Der Mensch wird als »Humanmaschine« betrachtet, deren Aufgabe es ist, vorgegebene Ziele zu erreichen und hierbei bestmöglich zu funktionieren. Nun muss man weder Organisationsberater noch Organisationstheoretiker sein, um festzustellen, dass jenes zweckrationale Organisationsverständnis wenig mit dem zu tun hat, wie Organisationen »wirklich« sind. Nur allzu oft kann man auch in Organisationen der Sozialen Arbeit beobachten, dass der organisationale Alltag nur bedingt vom übergeordneten Organisationszweck bestimmt wird und stattdessen eine Vielzahl von sehr unterschiedlichen, bisweilen diametral entgegengesetzten Zwecken das Geschehen in Organisationen prägen. Ebenso selbstverständlich kann beobachtet werden, dass die formalen Strukturen einer Organisation massiv unterlaufen, neu interpretiert oder gänzlich ignoriert werden, genauso wie festgestellt werden muss, dass die Organisationsmitglieder nicht wie die Lemminge den handlungsleitenden Zielen folgen, sondern vielmehr ihren »eigenen Kopf« haben. Auch die Annahme, dass Organisationen der Sozialen Arbeit in stabilen und berechenbaren Umwelten agieren, muss deutlich angezweifelt werden. Kurz: Man muss kein Organisationsexperte sein, um festzustellen, dass es in Organisationen deutlich wilder zugeht, als es das zweckrationale Organisationsverständnis vorgaukelt. Hiermit soll nicht bestritten werden, dass Zwecke in Organisationen eine bedeutsame Funktion einnehmen sollten. Allerdings teilen wir Klaus Grunwalds (2009, S. 93) Skepsis, »eine Organisation sei im Kern bestimmt durch eine hierarchisch aufgebaute Zweck-MittelPyramide, die der Garant für Rationalität ist, sei also quasi allein und vor allem durch ›rationale‹ Zweck-Mittel-Zusammenhänge definiert«.

1.3 Eckpunkte eines systemtheoretischen Organisationsverständnisses Um nachfolgend die Eckpunkte eines systemtheoretischen Organisationsverständnisses aufzuzeigen und diese Perspektive zugleich von einem zweckrationalen Organisationsverständnis abzugrenzen, werden die benannten Charakteristika von Organisationen – Zweckorientierung, Arbeitsteilung über die Ausbildung von Strukturen sowie Beständigkeit der Organisationsgrenzen und in diesem Zusammenhang die Bedeutsamkeit von Organisationsmitgliedern – erneut aufgenommen. Dem in der Einleitung von Kapitel 1 genannten Prinzip des »Auf-den-Kopf-Stellens« folgend, wird der Beginn aber

nicht beim Zweck einer Organisation, sondern vielmehr bei deren Abgrenzung gegenüber ihrer Umwelt gesetzt. 1.3.1 Organisation als Differenz: Zur Bedeutsamkeit der SystemUmwelt-Unterscheidung Eine systemtheoretische Betrachtung von Organisationen führt zwangsläufig dazu, das Beobachtungsspektrum zu erweitern, da Systeme stets in Abhängigkeit von bzw. im Austausch mit ihrer Umwelt betrachtet werden müssen. Nichts anderes ist gemeint, wenn Torsten Groth ein System als »Einheit der Differenz von System und Umwelt« (Groth 2017, S. 44) beschreibt. Organisation und Umwelt stellen folglich zwei Seiten einer Medaille dar. Eine Organisation entsteht und besteht daher nur dann, wenn sie kontinuierlich dafür Sorge trägt, dass sie die Differenz zwischen sich und der stets komplexeren Umwelt aufrechterhält, wenn also ein Innen von einem Außen (der Umwelt) abzugrenzen ist (Abb. 1).

Abb. 1: System als Differenz von Innen und Außen

Wie wichtig Abgrenzung im Alltag von Organisationen der Sozialen Arbeit ist, zeigt sich bei solchen Organisationen, die – wie ein Fähnchen im Wind – jedem aktuellen Trend hinterherlaufen und ständig ihr Profil, Aufgabenspektrum und damit auch die eigene Organisationsgrenze verändern. In diesen Fällen leiden nicht nur die Organisationsmitglieder,

da ihnen die dringend benötigte Orientierung (zwischen Innen und Außen) fehlt. Auch die Umwelt zeigt sich bisweilen irritiert, da der Organisation kein eindeutiges Profil mehr zugesprochen werden kann (im Sinne von: die Organisation steht hierfür oder dafür). In Bezug auf die Grenzen zwischen Organisation und Umwelt sind zwei weitere Aspekte von zentraler Bedeutsamkeit: • Die Grenze zur Umwelt wird von Organisationen selbst erzeugt. • Die Grenzziehung zwischen System und Umwelt bedeutet nicht, dass sich Organisationen vollständig gegenüber ihrer Umwelt abdichten können. Selbsterzeugung der Organisationsgrenze Wer sich mit den Annahmen der neueren Systemtheorie beschäftigt, kommt weder an dem Namen Niklas Luhmann noch an dem Begriff der Autopoiese vorbei. Wenngleich dieses Kunstwort3 von den chilenischen Biologen und Neurophysiologen Humberto R. Maturana und Francisco J. Varela geprägt wurde (vgl. Maturana u. Varela 2009), war es insbesondere Luhmann, der sich dafür ausgesprochen hat, das Autopoiesekonzept auch auf soziale Systeme (und damit auch auf Organisationen) zu übertragen. Verkürzt formuliert, besagt die Theorie autopoietischer Systeme, »dass komplexe Systeme sich in ihrer Einheit, ihren Strukturen und Elementen kontinuierlich und in einem operativ geschlossenen Prozess mithilfe der Elemente produzieren, aus denen sie bestehen« (Willke 2006, S. 10). Wenn Organisationen als autopoietische Systeme eingeordnet werden müssen, stellt sich die Frage, was als zu reproduzierendes Element eines sozialen Systems betrachtet werden muss. Anders gefragt: Wodurch grenzen sich Organisationen konkret dauerhaft von ihrer Umwelt ab? Während innerhalb der traditionellen Betriebswirtschaftslehre davon ausgegangen wird, dass der Mensch die kleinste Einheit einer Organisation bildet und folglich Menschen die Elemente von Organisationen sind, unternimmt Luhmann die, wie Willke (1994, S. 99) es formuliert, »wohl folgenreichste theorie-architektonische Weichenstellung in der soziologischen Systemtheorie«, indem er nicht den Menschen, sondern Kommunikation – präziser formuliert, kommunizierte Entscheidungen – als Element sozialer Systeme bezeichnet. Organisationen bestehen gemäß Luhmann (2006, S. 63) also (und grenzen sich hierdurch auch gegenüber der Umwelt ab), indem »es zur Kommunikation von Entscheidungen kommt … Alles andere – Ziele, Hierarchien, Rationalitätschancen, weisungsgebundene Mitglieder oder was sonst als Kriterium von Organisationen angesehen worden ist – ist demgegenüber sekundär und kann als Resultat der Entscheidungsoperationen des Systems angesehen werden.« Was sich hier möglicherweise noch abstrakt anhört, zeigt sich im organisationalen Alltag an

zahlreichen Stellen. So müssen in der Gründungsphase einer Organisation Entscheidungen hinsichtlich eines bestimmten Zwecks (z. B. ambulante erzieherische Hilfen anzubieten und keine stationäre Einrichtung zu gründen), Entscheidungen in Bezug auf die Wahl der Gesellschaftsform (z. B. die Entscheidung für eine gemeinnützige GmbH und gegen einen eingetragenen Verein) oder aber Entscheidungen hinsichtlich des Personals gefällt werden (beispielsweise die Entscheidung für die Einstellung eines Sozialarbeiters und gegen einen Psychologen). Dadurch, dass Entscheidungen lediglich den Charakter von Ereignissen haben, »die, indem sie vorkommen, schon wieder verschwinden« (ebd., S. 152), ebbt der kontinuierliche Entscheidungsdruck für Organisationen auch nach deren Gründungsphase nicht ab. Wenn Organisationen dadurch als Einheit Bestand erfahren, dass (kommunizierte) Entscheidungen an (kommunizierte) Entscheidungen anschließen und für das Treffen von Entscheidungen stets Rückbezug auf vorherige Entscheidungen genommen wird, dann muss konstatiert werden, dass Organisationen »auf der Ebene dieser selbstreferenziellen Organisation geschlossene Systeme [sind], denn sie lassen in ihrer Selbstbestimmung keine anderen Formen der Prozessierens zu« (Luhmann 1984, S. 60). Abgrenzung von Organisationssystemen: Schließung und Öffnung zugleich Wenngleich Organisationen im Kern ihrer Selbsterstellung als geschlossene Systeme betrachtet werden müssen, kann sich keine Organisation vollständig gegenüber ihrer Umwelt abdichten. Wie andere lebende Systeme auch, sind Organisationen auf Ressourcen (Geld, Personal etc.) und Informationen aus ihrer Umwelt angewiesen, um entscheidungsfähig und damit überlebensfähig zu bleiben. Organisationen – bzw. generell autopoietische Systeme – weisen also gewisse paradox anmutende Tendenzen auf: Sie sind in den Tiefen ihrer Reproduktion hochgradig autonom – niemand kann von außen determinieren, wie und welche Entscheidungen an Entscheidungen innerhalb einer Organisation anschließen, dies lässt Organisationen bisweilen eigensinnig und strukturell konservativ erscheinen. Zugleich sind Organisationen – um ihr Überleben zu sichern – maßgeblich von ihrer Umwelt abhängig. Keine Einrichtung der Sozialen Arbeit kann ihre Umwelt vollends ausblenden. Wenn sich rechtliche Rahmenbedingungen ändern, Fördermittel wegbrechen oder auf der anderen Straßenseite ein Mitbewerber eine Einrichtung eröffnet, sind dies wesentliche Aspekte, die innerhalb der jeweiligen Organisation beim Treffen von Entscheidungen Berücksichtigung finden sollten. Organisationen sind daher zum Dauerbeobachten ihrer Umwelt »gezwungen«. Nur wenn solche Beobachtungen zu Informationen verdichtet werden und diese beim Treffen von Entscheidungen Berücksichtigung finden, kann die Organisation auch zukünftig weiterentscheiden und hierdurch ihre System-Umwelt-Grenze aufrechterhalten. Eben jene paradoxe Tendenz von autopoietischen Systemen, sich einerseits gegenüber der Umwelt zu verschließen, sich aber zugleich punktuell auch öffnen zu müssen, lässt sich als »operationale (oder operative)

Schließung« bezeichnen (vgl. Willke 2001, S. 32). Blickt man in die Praxis der Sozialen Arbeit, so ist es nicht schwierig, den selbstbezüglichen Charakter von Organisationen infolge ihrer operationalen Schließung zu beobachten. So neigen Organisationen der Sozialen Arbeit beispielsweise dazu, Veränderungen innerhalb der Rechtssystems so lange zu ignorieren und Entscheidungen weiterhin auf der Basis vergangener Entscheidungen (und damit einer überholten Rechtslage) zu treffen, bis der Druck zur Wahrnehmung und Anwendung des Rechts keine anderen Möglichkeiten mehr zulässt (eindrücklich zu beobachten bei der Einführung des Bundeskinderschutzgesetzes Anfang 2012). Das hohe Maß an Autonomie und Selbstbezüglichkeit, das Organisationen im Laufe der Zeit ausbilden, lässt sich auch an deren Umgang mit von außen auferlegten Reformabsichten erkennen. Zwar mussten sich in den 1990er-Jahren zahlreiche Einrichtungen der Sozialen Arbeit infolge der »Neuen Steuerung« mit »neuen Etiketten« versehen (aus dem Klienten wurde ein Kunde, aus dem Jugendamt ein Amt für Kinder, Jugendliche und Familien, es wurden Systeme des Qualitäts- und Beschwerdemanagements eingeführt etc.), die grundsätzliche Art und Weise, wie die Einrichtungen ihre Aufgaben erfüllten, wie also Entscheidungen an Entscheidungen anknüpfen, blieb hiervon aber lange Zeit unangetastet. Würde das Treffen von Entscheidungen innerhalb einer Organisation jedes Mal das Zusammenkommen von Leitungskräften oder Fachteams erfordern, wäre eine Organisation innerhalb kürzester Zeit maßlos überfordert. Die Vielzahl von Entscheidungen, die tagtäglich auf völlig unterschiedlichen Ebenen innerhalb einer Organisation getroffen werden müssen, verlangen Formen der Vereinfachungen, die den Entscheidungsspielraum von Beginn an verkleinern und damit den Abstimmungsaufwand in Organisationen reduzieren. Strukturen übernehmen jene Funktion, indem sie als Prämissen für Entscheidungen wirken. 1.3.2 Entscheidungsprämissen als Strukturen einer Organisation Ähnlich wie Don Quichotte unbeirrt gegen die Windmühlen kämpft, sind Organisationen auf Gedeih und Verderb dem Kampf gegen eine stets komplexere Umwelt ausgesetzt. Um trotz der hohen Umweltkomplexität die eigene Autopoiese zu gewährleisten, benötigen Organisationen Vereinfachungsmöglichkeiten, also Vorkehrungen, die das Treffen zukünftiger Entscheidungen erleichtern. Eben jene Funktion übernehmen Strukturen in Organisationen, denn nach Luhmann (1984, S. 74) fassen sie »die offene Komplexität der Möglichkeit, jedes Element mit jedem anderen zu verbinden, in ein engeres Muster ›geltender‹, üblicher, erwartbarer, wiederholbarer oder wie auch immer bevorzugter Relationen. Sie können durch diese Selektion weitere Selektionen anleiten, indem sie die Möglichkeiten auf jeweils überschaubare Konstellationen reduzieren.«

Dies klingt abstrakt, wird aber plausibel (bzw. plausibler), wenn man formale Strukturen in Organisationen der Sozialen Arbeit betrachtet. Als formale Strukturen werden hier beispielsweise Stellenbeschreibungen, Kompetenzregelungen, Verfahrens- und Verhaltensrichtlinien, Entlohnungspraktiken und vorgesehene Unter- bzw. Überordnungsverhältnisse bezeichnet. All jene Elemente der Formalstruktur einer Organisation dienen dazu, die Bedingungen für die Mitgliedschaft in einer Organisation festzulegen. In dem Moment, in dem ein Sozialarbeiter einen Arbeitsvertrag unterzeichnet, unterwirft er sich – in der Regel 5 Tage die Woche, 8 Stunden am Tag – den Erwartungen der Organisation, die innerhalb der Formalstruktur einer Organisation geregelt und in Kurzfassung für die jeweilige Stelle spezifiziert in seinem Arbeitsvertrag festgelegt sind. Dies hat – sowohl für die Organisation als auch den neuen Mitarbeiter – den großen Vorteil, dass nicht jeden Tag neu darüber entschieden werden muss, wo und von wann bis wann er zu arbeiten hat, was er überhaupt innerhalb seiner Arbeit leisten soll, wen er wann wie informieren muss und welche Kommunikationspartner er zu akzeptieren hat, auch wenn er möglicherweise mit diesen privat keine Minute seines Lebens verbringen würde. Und dennoch determinieren Organisationsstrukturen nicht die einzelnen Entscheidungen, die innerhalb einer Organisation getroffen werden. Dies ist der Grund, warum trotz vorhandener Dienstwege eben jene abgekürzt werden, warum Verfahrensrichtlinien, wie sie beispielsweise in einem Qualitätsmanagementhandbuch dezidiert ausformuliert sind, kreativ erweitert oder umgedeutet werden und warum möglicherweise auch ein neuer Mitarbeiter eingestellt wird, der eigentlich nur bedingt den Formalanforderungen der zu besetzenden Stelle entspricht. Organisationsstrukturen, so die Kurzfassung, machen also lediglich bestimmte Entscheidungen wahrscheinlicher, sie bestimmen diese aber nicht (vgl. Kühl 2011, S. 101). Innerhalb der neueren Systemtheorie werden Organisationsstrukturen daher auch als »Entscheidungsprämissen« bezeichnet. Solche Entscheidungsprämissen legen zukünftige Entscheidungen nicht fest, aber »sie fokussieren die Kommunikation auf die in den Prämissen festgelegten Unterscheidungen, und das macht es wahrscheinlich, dass man künftige Entscheidungen mit Bezug auf die vorgegebenen Prämissen unter dem Gesichtspunkt der Beachtung oder Nichtbeachtung und der Konformität oder Abweichung beobachten wird, statt die volle Komplexität der Situationen jeweils neu aufzurollen« (Luhmann 2006, S. 224). Man könnte Entscheidungsprämissen auch als »Metaentscheidungen« (Boos u. Mitterer 2014, S. 52) bezeichnen, da sie über anderen Entscheidungen liegen und diese beeinflussen. Sie legen somit »nur« den Spielraum fest, innerhalb dessen frei entschieden werden kann. In Bezug auf das Konzept der Entscheidungsprämissen lassen sich verschiedene Arten von Entscheidungsprämissen unterscheiden. Als die drei wichtigsten können betrachtet

werden (vgl. Luhmann 2006, S. 225 ff.): • Programme • Kommunikationswege • Personal Programme Was hier als Programme bezeichnet wird, kann alltagssprachlich als Menge von Regeln innerhalb einer Organisation verstanden werden. Programme legen also fest, was man in einer Organisation zu tun und besser zu lassen hat. Betrachtet man die Programme, die in Organisationen wirksam werden, so lassen sich diese in zwei verschiedene Programmtypen unterscheiden: eher inputorientierte Konditionalprogramme auf der einen Seite und eher outputorientierte Zweckprogramme auf der anderen Seite (vgl. ebd., S. 261). • Konditionalprogramme legen grundsätzlich fest, was innerhalb einer Organisation unternommen werden muss, wenn ein bestimmter Impuls wahrgenommen wird. Wenn ein Hilfe suchender Bürger beim ansässigen Jobcenter einen Antrag auf Arbeitslosengeld II stellt (»Impuls«), greift ein engmaschiges Regelwerk, das vom zuständigen Mitarbeiter abgearbeitet werden muss, um zu entscheiden, ob – und, wenn ja, in welcher Höhe – ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II besteht. Konditionalprogramme folgen hierbei einer Wenn-dann-Logik, bei der die jeweilige Vorgehensweise in der Regel weitestgehend festgelegt ist: »Das Programm bestimmt, was zu tun ist – und was nicht ausdrücklich erlaubt ist, ist bei Konditionalprogrammen verboten.« (Kühl 2011, S. 105.) • Im Gegensatz dazu legen Zweckprogramme ausschließlich fest, welche Ziele bzw. Zwecke erreicht werden sollen. Ein freier Träger der Kinder- und Jugendhilfe, der in seinem Konzept für die offene Kinder- und Jugendarbeit schreibt, »Wir schaffen und fördern Möglichkeiten zur Entfaltung der eigenen Persönlichkeit«, wird kaum über klare Wenn-dann-Regeln verfügen, wie dieser Zweck erreicht werden soll. Vielmehr sind hier die Organisationsmitglieder gefordert, die jeweiligen Handlungsabläufe nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten auszuhandeln und festzulegen. Im Gegensatz zu Konditionalprogrammen verfügen Zweckprogramme daher über ein deutlich höheres Maß an »Elastizität« (Luhmann 2006, S. 266), was dem stark individualisierten Aufgabencharakter von sozialen Dienstleistungen gerecht wird. In Bezug auf die pädagogische Arbeit von Sozialarbeitern dominieren folglich Zweckprogramme. Demgegenüber stehen Konditionalprogramme insbesondere dann im Vordergrund, wenn es um die Umsetzung von administrativen Aufgaben geht. Kommunikationswege

Neben Programmen können über Entscheidungsprämissen auch »Kommunikationswege innerhalb einer Organisation vorgeschrieben werden, die eingehalten werden müssen, wenn die Entscheidung als eine solche der Organisation Anerkennung finden soll« (Luhmann 2006, S. 225). Solche Kommunikationswege werden im organisationalen Alltag in der Regel als Dienstwege bezeichnet, die ihrerseits über die Hierarchie festgelegt werden. Dienstwege haben für Organisationen eine massiv entlastende Funktion, da über sie ausgeschlossen wird, dass jeder bei allem mitredet. Sie geben an, »wie die mit Entscheidungen verbundenen Informationen in der Organisation zirkulieren müssen beziehungsweise dürfen« (Martens u. Ortmann 2006, S. 442). Die Entscheidung des ASD, innerhalb einer Familie eine Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH) zu installieren, muss daher nicht zuvor noch mit den Kollegen aus dem Jobcenter, dem Ausländeramt oder dem Pflegekinderdienst besprochen werden, sondern lediglich innerhalb der kollegialen Fallberatung mit den Kollegen thematisiert werden. Zugleich reicht es nicht aus, dass die Kollegen im Team diese Entscheidung richtig finden. Damit diese Entscheidung organisationale Relevanz hat und somit eine Handlung auslöst, muss der Vorgesetzte (z. B. die Teamleitung) der Entscheidung zustimmen. Personal Innerhalb der klassischen Betriebswirtschaftslehre wird das Personal einer Organisation in der Regel lediglich als Mittel zum Zweck, nicht aber als Struktur einer Organisation betrachtet (Kapitel 1.2). Hierbei wird übersehen, dass in Organisationen nicht nur über Personal entschieden wird, sondern dass Personalentscheidungen auch wichtige Prämissen für weitere Entscheidungen innerhalb der Organisation darstellen (vgl. Kühl 2011, S. 107). So macht es beispielsweise einen bedeutsamen Unterschied (für zukünftige Entscheidungen), ob die neu zu besetzende Stelle des Jugendamtsleiters durch einen Juristen oder einen Sozialarbeiter besetzt wird. Ebenso macht es einen Unterschied, ob die Stelle des Assistenten der Geschäftsführung einem »Greenhorn« Anfang zwanzig übertragen wird oder einer berufs- und lebenserfahrenen Mittfünfzigerin. Neben der Einstellung von Personal kann innerhalb einer Organisation auch über den Austritt von Personal indirekt Einfluss auf zukünftige Entscheidungen genommen werden. Besonders deutlich zeigt sich dies bei der Entlassung von Personen. Wenn der Vorstand einer Erziehungsberatungsstelle deren Leiter vor die Tür setzt, weiß jeder innerhalb der Organisation, welche Art von (Leitungs)Entscheidungen unerwünscht ist und demnach zukünftig wahrscheinlich nicht mehr so getroffen werden sollte. Auch Formen der internen Versetzung – sei es in Form einer Beförderung oder Ruhigstellung – können als Entscheidungen mit weitreichenden Auswirkungen für nachfolgende Entscheidungen betrachtet werden (vgl. Luhmann 2006, S. 287). Programme, Kommunikationswege und Personal lassen sich als Sinnbild für die Formalstruktur einer Organisation interpretieren. Über diese Entscheidungsprämissen können Leitungskräfte in Einrichtungen der Sozialen Arbeit entscheiden und hierdurch – im Sinne

von Steuerung – Einfluss auf zukünftige Entscheidungen nehmen. Programme, Kommunikationswege und Personal werden daher auch als entscheidbare Entscheidungsprämissen bezeichnet. Ähnlich wie innerhalb der klassischen Betriebswirtschaftslehre zwischen formaler und informaler Organisation unterschieden wird, kann auch aus einer systemtheoretischen Perspektive zwischen entscheidbaren und unentscheidbaren Entscheidungsprämissen differenziert werden (vgl. ebd., S. 240). Unentscheidbare Entscheidungsprämissen zeichnen sich dadurch aus, dass Sie – ähnlich wie Programme, Kommunikationswege und Personal – im Sinne einer Prämisse wirksam werden, also zukünftige Entscheidungen beeinflussen. Im Gegensatz zu entscheidbaren Entscheidungsprämissen entziehen sich unentscheidbare Entscheidungsprämissen einer direkten Beeinflussung (beispielsweise durch Leitungskräfte). Als bedeutsamste unentscheidbare Entscheidungsprämisse gilt die Kultur einer Organisation. In ihr bündeln sich die Normen und Werte einer Organisation, die – abseits der Formalstruktur – maßgeblich Einfluss darauf nehmen, wie innerhalb einer Organisation entschieden wird (Kapitel 5). Zusammenfassend können sowohl die entscheidbaren als auch die unentscheidbaren Entscheidungsprämissen als Leitplanken für den Fluss der Entscheidungen innerhalb einer Organisation interpretiert werden (Abb. 2). Wenngleich diese Leitplanken die einzelne Entscheidung nicht zu determinieren vermögen, kann über die Gestaltung von (entscheidbaren) Entscheidungsprämissen dennoch Einfluss auf zukünftige Entscheidungen genommen werden.

Abb. 2: Entscheidungsprämissen als Leitplanken für Entscheidungen (verändert nach Boos u. Mitterer 2014, S. 53)

1.3.3 Und wo bleibt der Mensch? Zur Rolle der Organisationsmitglieder Bis jetzt wurde dem Leser zugemutet, kommunizierte Entscheidungen als Elemente einer Organisation zu betrachten. Dies widerspricht vordergründig dem alltäglichen Bild von Organisationen. Eine Beratungsstelle besteht schließlich aus Beratern, ein Jobcenter aus Fallmanagern und ein ASD eines Jugendamtes aus den ASD-Mitarbeitern. Auch die klassische Betriebswirtschaftslehre hat sich lange Zeit darauf berufen (und tut dies bisweilen immer noch), dass die Angestellten und Arbeiter die Elemente des Systems »Unternehmen« sind, die dann zu Subsystemen (Abteilungen, Divisionen o. Ä.) zusammengefasst werden (vgl. Simon 1997, S. 119). Ein solches – stark auf den Menschen fokussiertes – Bild von Organisationen erhält allerdings erste Risse, wenn man feststellt, dass Organisationen zum einen in der Lage sind, ihre Organisationsmitglieder zu überleben, und zum anderen nicht zusammenbrechen, wenn sie sich von einem Teil ihrer Organisationsmitglieder – freiwillig (z. B. durch den Eintritt in

das Rentenalter) oder unfreiwillig (z. B. durch Kündigung) – verabschieden müssen. Zudem müssen auch die Vertreter der klassischen Betriebswirtschaftslehre anerkennen, dass sich Organisationen »in einem Prozess der Emergenz von den individuellen Ausgangspunkten unabhängig machen und dabei Systemeigenschaften produzieren, welche aus den Eigenschaften der Elemente (Personen, Handlungen) nicht mehr erklärbar sind« (Willke 1999, S. 55). Die etwas abgedroschene Phrase, Organisationen seien mehr sind als die Summe ihrer Teile, beschreibt jene emergenten Phänomene, die sich nur eingeschränkt erklären lassen, wenn Organisationen lediglich als Ansammlung von Menschen betrachtet werden, die sich im Kollektiv der Erreichung organisationaler Zwecke verschreiben. Systemtheoretische Annahmen geben Hinweise, um sowohl den emergenten Charakter von Organisationen zu erklären als auch deren Fähigkeit, sich in gewisser Weise von ihren Mitgliedern »unabhängig« zu machen. Hierzu wird das klassische Verständnis hinsichtlich der Beziehung zwischen Menschen und Organisationen allerdings auf den Kopf gestellt, da Menschen der Umwelt von sozialen Systemen und damit auch der Umwelt von Organisationen zugeordnet werden (vgl. Zauner 2007, S. 152). Dies mag zunächst abstrakt und möglicherweise auch befremdlich klingen, da sich insbesondere Organisationen der Sozialen Arbeit doch gerade eben dadurch auszeichnen, dass sich deren Mitarbeiter nicht selten hochgradig mit den Zielen der Organisation identifizieren und sich voll und ganz in die Organisation einbringen. Menschen als Teil der Umwelt einer Organisation zu betrachten ist somit erklärungsbedürftig. Verständlicher wird eine solche theoretische Zumutung, wenn zunächst einmal konstatiert wird, dass sich im Menschen eine Vielzahl von eigenständigen – autopoietischen – Systemen befindet, etwa »das organische System, das Immunsystem, das neurophysiologische System und das psychische System –, die sich zwar wechselweise beeinflussen, in ihrem Operieren aber überschneidungsfrei agieren. Alle diese Prozesse lassen sich schlicht nicht zu einer (autopoietischen) Einheit ›Mensch‹ zusammenfassen« (Groth 2013, S. 88). Dies ist der Grund, warum diejenige, die Magenschmerzen hat (organisches System), nicht zwingend verrückt werden muss (psychisches System), dies ist aber zugleich auch der Grund, warum derjenige, der Angst oder das Gefühl hat, verliebt zu sein (psychisches System), durchaus an Herzrasen oder übermäßiger Schweißproduktion (organisches System) »leiden« kann. Organische und psychische Systeme operieren also jeweils autonom, aber eben nicht autark. Beide sind auf ihre Umwelt angewiesen, und beide sind zugleich füreinander Umwelt. Eine wechselseitige Beeinflussung ist daher möglich, aber nur in dem Sinne, dass das eine System das andere im Zuge einer strukturellen Kopplung irritieren4, nicht aber determinieren kann. Körper (organisches System) und Geist (psychisches System) können daher aus einer analytischen Perspektive als jeweils eigenständige autopoietische Systeme und deswegen als gegenseitige – zugegebenermaßen höchst relevante – Umwelten betrachtet werden. Beobachter nehmen sie aber als Einheit in Form des Menschen wahr. Dass es unter Umständen dennoch hilfreich sein kann, sich der

analytischen Differenzierung zu vergewissern, zeigt sich beispielsweise beim Umgang mit psychosomatischen Erkrankungen. Ähnlich verhält es sich mit Menschen und Organisationen. Kaum ein Systemtheoretiker würde bestreiten, dass Menschen in Organisationen arbeiten und Menschen diejenigen sind, die tagtäglich Entscheidungen innerhalb einer Organisation ermöglichen. Um aber besser verstehen zu können, wie diese Entscheidungen getroffen werden, und um – hierauf basierend – den Versuch zu unternehmen, steuernd auf ein Organisationssystem Einfluss zu nehmen, kann es äußerst vorteilhaft sein, zwischen dem sozialen System »Organisation« und dem psychischen System »Mensch« zu differenzieren (wohlwissend, dass der Mensch natürlich eine Kopplung weiterer autopoietischer Systeme darstellt). Wie schon bei der Differenzierung zwischen Körper und Geist gilt es auch bei der Unterscheidung zwischen sozialen und psychischen Systemen, zunächst deren unterschiedliche Operationsmodi zu beachten: Während soziale Systeme ihre Autopoiese dadurch aufrechterhalten, dass Kommunikationsakte an Kommunikationsakte anschließen, gewährleisten psychische Systeme ihre Autopoiese dadurch, dass sie Gedanken »rekursiv in einem geschlossenen Netzwerk ohne Kontakt mit der Umwelt reproduzieren« (Baraldi, Carsi u. Esposito 1997, S. 142). Das Überleben eines psychischen Systems ist also davon abhängig, dass stets neue Gedanken an vorherige Gedanken anschließen. Sowohl soziale Systeme als auch psychische Systeme agieren hierbei operational geschlossen. Sie beziehen sich somit einerseits primär auf sich selbst, sind aber zugleich stets darauf angewiesen, »die Umwelt als Anlassgeber [für] Veränderungen zu nutzen, um sich nicht wie ein Plattenspieler in einer kaputten Rille selbstreferenziell zu verfangen« (Laßleben 2002, S. 73). Hätte der Mensch keinen Zugang zu seiner Umwelt, würden sich die Gedanken stets nur im Kreis drehen, eine ideale Voraussetzung, um verrückt zu werden. Da Organisationen über keine Sinnesorgane verfügen, mithilfe derer sie in der Lage wären, Umweltreize aufzunehmen, sind sie zwingend auf ihre Organisationsmitglieder angewiesen. Nur diese sind in der Lage zu fühlen, zu reflektieren und wahrzunehmen (z. B. dass ein Projekt gerade zu scheitern droht). Wenn Menschen ihre Wahrnehmung und ihre Gefühlen verbalisieren, sie diese also in die Kommunikation bringen (beispielsweise indem eine Mitarbeiterin bei der Teamsitzung von ihrem schlechten Gefühl in Bezug auf ein Projekt berichtet), wird das soziale System mit Fremdreferenz angereichert und unter Entscheidungsdruck gesetzt. (Beispielsweise muss innerhalb des Teams darüber entschieden werden, wie mit der Mitteilung der Kollegin umgegangen wird.) Durch das Treffen von Entscheidungen (beispielsweise den Auftrag der Projektgruppe noch einmal zu konkretisieren, die Projektlaufzeit zu verlängern oder den Projektleiter zu entlassen) wird nicht nur die Autopoiese, sondern im Idealfall auch der Erfolg des Projekts gewährleistet. Den Menschen in die Umwelt des sozialen Systems zu verlagern bedeutet somit nicht, ihn gering zu schätzen, wie es bisweilen Kritiker den Vertretern der Systemtheorie vorwerfen. Vielmehr wird hiermit dem Umstand Rechnung getragen, dass Menschen nie

vollständig Teil des sozialen Systems werden. (Dies ist auch gut so, denn ansonsten wäre das soziale System eine totale Institution.) Menschen stehen vielmehr ausschließlich als »Identifikationspunkte der Kommunikation« (Kneer u. Nassehi 2000, S. 87) zur Verfügung.5 Zusammenfassend übernehmen die Mitglieder der Organisation als Träger von Entscheidungen einen überlebenswichtigen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Autopoiese eines Organisationssystems. Dennoch bleiben soziale und psychische Systeme analytisch betrachtet stets Umwelten füreinander. Um der Gefahr entgegenzuwirken, dass durch eine Verortung des Menschen in die Umwelt von Organisationen eine Abwertung desselben erfolgt, und um zugleich zu verhindern, dass Umwelt zu einer Restekategorie wird, in der alles Mögliche angesammelt werden kann, erscheint es sinnvoll, mit Blick auf die Umwelt von Organisationen zwischen einer inneren und einer äußeren Umwelt zu unterscheiden (Abb. 3): Aufgrund der besonderen Bedeutsamkeit der Organisationsmitglieder werden diese nachfolgend als innere Umwelt bezeichnet. Die Leistungsadressaten, die rechtlichen Normen und gesellschaftlichen Werte, die politischen Akteure sowie andere wesentliche Interessenträger (engl. »stakeholder«; wie z. B. kooperierende oder konkurrierende Organisationen) können hingegen der äußeren Umwelt zugeordnet werden.

Abb. 3: Organisationen und ihre Umwelten

1.3.4 Von der Zweck- zur Systemrationalität Organisationen müssen aus systemtheoretischer Perspektive als autopoietische Systeme betrachtet werden, die sich über die Herausbildung von Kommunikationsmustern von einzelnen Organisationsmitgliedern unabhängig machen. Organisationen können folglich nur ihre eigene Melodie spielen und ihre eigene Musik hören (vgl. Willke 1999, S. 116). Sie lassen sich daher nicht wie eine Trivialmaschine linear-kausal von außen steuern. Vielmehr verfügen sie über »Myriaden von Möglichkeiten« (Willke 2007, S. 25), um Interventionen (wie z. B. Steuerungsabsichten von Leitungskräften) abzubiegen, umzuleiten, umzudeuten, zu verzögern oder schlicht zu ignorieren. Akzeptiert man diese Thesen, dann wird offensichtlich, dass ein solches Verständnis von Organisationen dem in Kapitel 1.2 skizzierten zweckrationalen Organisationsverständnis diametral entgegengesetzt ist. Funktionen von Zwecken in Organisationen Wenn sich Organisationen also nicht zweckrational verhalten, ihr Verhalten vielmehr jeweils stark vom inneren Gemütszustand abhängig ist, dann bedarf es auch einer Neuinterpretation hinsichtlich der Bedeutsamkeit von Zwecken in Organisationen. Nach Ansicht von Luhmann erfüllen Zwecke in Organisationen zwei zentrale Funktionen: • Zum einen erfüllt die Zwecksetzung ein »Scheuklappenprinzip« (Luhmann 1973, S. 47). Ähnlich wie bei Pferden das Sichtfeld mithilfe von Scheuklappen eingeschränkt wird, führen Zwecke auch in Organisationen dazu, dass diese nur einen sehr begrenzten Teil ihrer Umwelt wahrnehmen. »Das System gewinnt auf dem Bildschirm seiner Zwecke für das tägliche Verhalten ein stark vereinfachtes Umweltbild und eine Kooperationsgrundlage, die rasche Verständigung gestattet.« (Luhmann 1973, S. 192.) Eine Organisation der Sozialen Arbeit, die den Zweck verfolgt, Menschen mit Behinderung Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, wird daher kaum wahrnehmen, wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge innerhalb der eigenen Stadt dringend versorgt werden müssen. Genauso wenig wird möglicherweise die psychosoziale Beratungsstelle für Flüchtlinge wahrnehmen, wie es um die Situation von Menschen mit Behinderung bestellt ist. Zwecke fokussieren die organisationale Aufmerksamkeit und tragen so maßgeblich zur Reduktion von Komplexität bei. • Zum anderen sollen Zwecke die Motivation der Mitglieder sichern (vgl. Martens u. Ortmann 2006, S. 447). Eine Einrichtung der stationären Kinder- und Jugendhilfe, die sich den Zweck setzt, Kindern und Jugendlichen einen geschützten Rahmen zu bieten, innerhalb dessen sie tragfähige Zukunftsperspektiven entwickeln können, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit solche Sozialarbeiter als Organisationsmitglieder gewinnen, die sich mit diesem grundsätzlichen Zweck identifizieren; deren Motivation also auch darin begründet ist, Kindern und Jugendlichen trotz schwieriger Umstände eine förderliche Entwicklung zu ermöglichen.6

Zusammenfassend dienen die Zwecke einer Organisation einerseits der Komplexitätsreduktion (Scheuklappenprinzip) und anderseits der Aufrechthaltung von Motivation. Beides ist vonnöten – und hier zeigt sich nunmehr der übergeordnete Zweck von sozialen Systemen – um das Überleben der Organisation zu gewährleisten. Nur wenn das soziale System »Organisation« einen überwiegenden Anteil der Umwelt radikal ausblendet, also nicht auf alles reagieren muss, was irgendwie innerhalb der Organisationsumwelt passiert, kann es autopoietisch seine Systemgrenze aufrechterhalten. Hierfür ist die Organisation zugleich auf ihre Organisationsmitglieder (innere Umwelt) angewiesen, die sich immer wieder aufs Neue bereit erklären müssen, ihren Beitrag zur Autopoiese (der Ermöglichung von Entscheidungen) zu leisten. Eine regelmäßige (und adäquate) Entlohnung erweist sich hierbei als probates Mittel, um jene Motivation bei den Organisationsmitgliedern auch dann aufrechtzuerhalten, wenn deren Identifikation mit den originären Zwecken der Organisation zu schwinden droht. Innerhalb des hier vorgestellten systemtheoretischen Organisationsverständnisses findet folglich eine »Entthronung des Zweckbegriffs« (Martens u. Ortmann 2006, S. 447) statt. Nicht der vonseiten der Geschäftsführung definierte Zweck bildet den Bezugspunkt für das Handeln der Organisation (und deren Mitglieder), sondern zunächst einmal der simple Zweck, auch weiterhin als Organisation handeln zu können, und – aus Perspektive der Organisationsmitglieder – der Zweck, am Monatsende ein Gehalt überwiesen zu bekommen. »Der den einzelnen, inhaltlich-sachlichen Zielen übergeordnete ›Zweck‹, der die internen Prozesse der Organisation steuert und die unterschiedlichen Akteure integriert, ist die Fortsetzung der Autopoiese der Organisation … Ihre Eigenlogik (die der Organisation; Anm. S. G./J. M.) ist auf die Aufrechthaltung der System-UmweltUnterscheidung gerichtet, d. h. die Weiterexistenz in der Beziehung zu und in der Kommunikation mit spezifischen, für das eigene Überleben unverzichtbaren Umwelten.« (Simon 2013a, S. 32.) Organisationen sichern ihr Überleben dadurch, dass sie ihre Autopoiese aufrechterhalten, dass sie also kommunizierte Entscheidungen an kommunizierte Entscheidungen anschließen. Inwiefern hierbei der ursprüngliche Zweck der Organisation Berücksichtigung findet, ist aus Sicht einer Organisation streng genommen nachrangig, da sachliche Ziele gegenüber dem reinen Selbsterhalt des Systems sekundär sind. Weick schlägt daher vor, von einer »begrenzten Rationalität« (Weick 1995, S. 36) in Bezug auf Organisationen zu sprechen. Luhmann plädiert dafür, die Zweckrationalität der Systemrationalität – also der Aufrechthaltung der System-Umwelt-Unterscheidung – unterzuordnen (vgl. Luhmann 2006, S. 447). Wenngleich man möglicherweise Schwierigkeiten damit hat, den »systemtheoretischen

Hardlinern« zu folgen, die den primären Zweck von Organisationen darin sehen, ihr Überleben zu sichern, müssen wohl auch die Skeptiker eingestehen, dass eine solche »Entthronung des Zweckbegriffs« hohe Anschlussfähigkeit zu Beobachtungen der Praxis aufweist. Hiermit erscheinen die vielfältigen Abweichungen von der ausschließlichen Ausrichtung auf einen einzigen Zweck nicht mehr länger als Pathologie, sondern vielmehr als Ausdruck der organisationalen Anpassung. Es wird verständlich(er), warum Organisationen auch dann weiterhin bestehen, wenn sie ihren primären Zweck entweder bereits erfüllt oder aber massiv verfehlt haben. Es verwundert auch nur noch bedingt, wenn festgestellt wird, dass in Organisationen bewusst oder unbewusst ein Wechsel von Zwecken stattfindet oder aber dass es zu einer Verdrehung zwischen Zwecken und Mitteln kommt (vgl. Kühl 2011, S. 69).

1.4 Leitorientierungen für ein systemtheoretisches Organisationsverständnis 1) Organisationen können aus systemtheoretischer Perspektive als soziale Systeme betrachtet werden, die sich von anderen sozialen Systemen (Interaktions- und Gesellschaftssystemen) dadurch unterscheiden, dass sie einen mehr oder weniger spezifischen Zweck verfolgen, über eine mehr oder weniger geregelte Arbeitsteilung (Organisationsstrukturen) verfügen, mehr oder weniger eindeutig zu identifizierende Mitglieder vorhalten und eine mehr oder weniger beständige Organisationsgrenze vorweisen können. 2) Die Abgrenzung gegenüber der stets komplexeren Umwelt ist für Organisationen überlebenswichtig. Indem kommunizierte Entscheidungen an kommunizierte Entscheidungen anschließen (Stichwort: Autopoiese), tragen Organisationen dazu bei, diese Organisationsgrenze kontinuierlich zu reproduzieren. Wenngleich Organisationen im Kern ihrer Selbstreproduktion als geschlossene Systeme betrachtet werden müssen, die nicht linear-kausal von außen (Umwelt) gesteuert werden können, müssen sich Organisation zugleich gegenüber ihrer Umwelt öffnen, da sie auf Ressourcen und Informationen aus dieser angewiesen sind. Organisationen sind folglich geschlossen und punktuell geöffnet zugleich, kurz: Sie sind operational geschlossen. 3) Wenngleich der Mensch für die Fortführung der Autopoiese für Organisationen unerlässlich ist, werden Menschen nicht als Elemente von Organisationen betrachtet. Vielmehr werden sie der »inneren Umwelt« von Organisationen zugeordnet. Innerhalb ihrer Rolle als Organisationsmitglied koppeln sie sich strukturell an Organisationen und tragen so dazu bei, dass diese entscheidungsfähig bleiben. 4) Damit in Organisationen nicht jeder entscheidet, wie er will, bilden Organisationen im

Laufe der Zeit Strukturen aus. Als zentrale Strukturelemente auf der Ebene der Formalstruktur können Handlungsprogramme, Kommunikationswege und Personal betrachtet werden. Diese Strukturelemente können zugleich als Entscheidungsprämissen bezeichnet werden, da sich nachfolgende Entscheidungen an diesen Prämissen ausrichten. 5) Durch ihre Entscheidung über Entscheidungsprämissen (Programme, Kommunikationswege und Personal) können Leitungskräfte zukünftige Entscheidungen innerhalb der Organisation wahrscheinlicher machen. Das Entscheiden über Entscheidungsprämissen kann daher als zentraler »Stellhebel« zur Steuerung von Organisationen betrachtet werden. Gleichwohl orientiert sich ein nicht unerheblicher Anteil der zu treffenden Entscheidungen innerhalb einer Organisation auch an solchen Entscheidungsprämissen, über die Leitungskräfte nicht aktiv entscheiden können. Solche unentscheidbaren Entscheidungsprämissen werden als Organisationskultur bezeichnet. 6) Jede Organisation ist zweckorientiert. Der primäre Zweck einer Organisation ist allerdings das Überleben: Entscheidungen innerhalb einer Organisation werden stets dahingehend geprüft, inwiefern sie das Überleben einer Organisation gewährleisten. Dieses Prüfverfahren erfolgt retroperspektiv, d. h., Organisationen sind stark vergangenheitsorientiert. Aktuelle Entscheidungen werden auf der Basis vorheriger Entscheidungen getroffen. Dieser selbstreferenzielle Charakter von Organisationen verleiht ihnen einen starken Eigensinn und sorgt dafür, dass Organisationen als strukturell konservative soziale Gebilde betrachtet werden müssen. 7) Leitungskräfte in Organisationen der Sozialen Arbeit bewegen sich in der paradoxen Situation, dass ihnen die Verantwortung für ein hochkomplexes System zugeschrieben wird, das sich im Zuge der Autopoiese selbst reproduziert, hierdurch operational gegenüber seiner Umwelt verschließt, also hochgradig strukturdeterminiert operiert und daher mit einem hohen Maß an Autonomie ausgestattet ist. Kurz: Leitungskräfte sollen Organisationen steuern, die sich einer direkten Steuerung entziehen. Wie eine solche Steuerung des (streng genommen) »Unsteuerbaren« dennoch ermöglicht wird, gilt es noch aufzuzeigen (Kapitel 3).

2 Jene Perspektive wird nachfolgend im Vordergrund stehen. 3 Zusammengesetzt aus den griechischen Silben autos (dt. »selbst«) und poiein (dt. »machen«). 4 In diesem Sinne wird auch von Perturbation gesprochen. Perturbationen sind Einwirkungen der Umwelt, die beispielsweise »kognitive Prozesse auslösen, aber nicht determinieren, d. h. zwingend verursachen. Eine Perturbation ist also nicht lediglich eine äußere Veränderung, sondern eine subjektiv wahrgenommene Störung, eine Irritation« (Arnold u. Siebert 2006, S. 115). 5 In diesem Zusammenhang schlägt Luhmann (1997, S. 71) vor, ausschließlich von »Personen« zu sprechen: »In der Mitwirkung an solcher Kommunikation konstituieren Menschen sich als Personen, das heißt als Adressen für weitere Kommunikation.« 6 Wenngleich insbesondere innerhalb der Sozialen Arbeit die intrinsische Motivation der Mitarbeiter eine bedeutsame Rolle

einnimmt, somit davon ausgegangen werden kann, die jeweiligen Organisationszwecke auch die Motivation der Organisationsmitglieder ansprechen, wird allein über die Definition eines Organisationszwecks kaum dauerhaft die Motivation der Mitarbeiter aufrechtgehalten werden, täglich zuverlässig zur Arbeit zu erscheinen. Zudem würde die alleinige Verknüpfung von Zweck und Motivation die Gefahr mit sich bringen, dass die Motivation der Mitarbeiter (möglicherweise) einbrechen würde, wenn sich die Zwecke einer Organisation verändern (vgl. Luhmann 1973, S. 139). Aus diesem Grund lösen Organisationen die alleinige Kopplung von Organisationszweck und Motivation auf und führen Entgelt als Bindeglied ein. Hierdurch erreichen Organisationen ein deutlich höheres Maß an Elastizität. »Ein System, das seine Mitglieder zweckindifferent motivieren kann (beispielsweise über Geld; Anm. S. G./J. M.), gewinnt dadurch intern eine hohe Differenzierungsfähigkeit, da bei der Arbeitsteilung auf der Motivationskraft der Aufgaben wenig Rücksicht genommen werden muss.« (Luhmann 1973, S. 141)

2 Das Besondere von Organisationen der Sozialen Arbeit als Bedingungsfaktoren bei der Konzipierung von Management

Wenn Konzepte für Management entwickelt werden und wenn über die Angemessenheit von Managementhandeln diskutiert wird, kann dies nicht ohne Bezugnahme auf die Zwecke der jeweiligen Organisation und die Aufgaben geschehen, auf die sich die Managementbemühungen ausrichten. Um welchen »Organisationstypus« (Apelt u. Tacke 2012) es sich handelt, auf welche Zwecke eine Organisation also ausgerichtet ist, welche Produkte oder Leistungen sie erzeugt, in welchem institutionellen Umfeld sie sich bewegt, welche Interessenträger (»stakeholder«) eine spezifische Bedeutung für die Organisation erlangen, dadurch Anforderungen an die Organisation formulieren und die Organisation beeinflussen können u. a. m. Die Antworten auf diese Fragen sind elementare Gesichtspunkte, in deren Einflussfeld eine Organisation ihre Systemeigenschaften und ihre darin eingebetteten Interpretations- und Handlungslogiken herausbildet. Die Managementanforderungen und die Konstellationen, in denen sich Managementhandeln herausbilden muss, sind z. B. in einem Krankenhaus anders als in einem Kulturbetrieb (z. B. Theater), bei der Stiftung einer politischen Partei unterschiedlich zu denen bei einer länderübergreifend arbeitenden Menschenrechtsorganisation, bei einem Kunstmuseum anders als in einer Naturschutzorganisation und wiederum verschieden gegenüber denen in einer Einrichtung der Sozialen Arbeit. Zwar handelt es sich bei allen diesen Organisationen um Organisationen, die – ökonomisch gedacht – »Dienstleistungen« erbringen und deren Gemeinsamkeit darin liegt, dass sie – anders als Wirtschaftsunternehmen – nicht primär auf das Erzielen von Gewinn ausgerichtet sind und daher in der Kategorie der »NonprofitOrganisationen« (NPO) zusammengefasst werden (Simsa, Meyer u. Badelt 2013). Die generalisierende Rede vom »Nonprofit-Management« (u. a. Helmig u. Purtschert 2006) oder vom »Management in Nonprofit-Organisationen« (Lichtsteiner et al. 2015; Stöger u. Salcher 2006) oder gar »Management der Nonprofit-Organisation« (Eschenbach et al. 2015) suggeriert, dass das Merkmal einer Nonprofit-Ausrichtung, das die in dieser Sammelkategorie zusammengefassten Organisationen von den auf das Formalziel »Gewinn« ausgerichteten Wirtschaftsunternehmen unterscheidet, den zentralen Tatbestand markiert, von dem aus Spezifika eines Managementhandelns in solchen Organisationen ausreichend erklärt werden könnten. Jedoch vermag diese Sammelkategorie nur sehr bedingt Aussagekraft zu vermitteln für die Frage, welche spezifischen Managementanforderungen sich in einem bestimmten Organisationstypus ergeben und zu bewältigen sind. Der Begriff der NonprofitOrganisation ist dafür eine zu grobe Kategorie, weil darin sehr verschiedenartige

Organisationstypen zusammengefasst werden, deren Unterschiede so weit im »NonprofitEtikett« verschwimmen, dass man bei der Lektüre der entsprechenden Veröffentlichungen häufig nicht mehr weiß, auf welche Organisationen bzw. Organisationstypen sich die Autoren bei ihren Managementableitungen eigentlich beziehen: Mitgliederverbände oder professionelle Dienstleistungsorganisationen, zivilgesellschaftlich geprägte Organisationen oder halbstaatlich konturierte Organisationen, durch ehrenamtliche oder hauptberufliche Akteure geprägte bzw. dominierte Organisationen, in verschiedenen Bereichen (Sport, Kultur, soziale Hilfen, Gesundheit, Menschenrechte, Naturschutz, Verbraucherberatung, …) angesiedelte Organisationen etc. Alles wird eingeordnet unter das große Dach des »Nonprofit-Bereichs«, dem ein für diesen Bereich zugeordnetes Management entsprechen soll. Solche Differenzen zwischen Organisationstypen jenseits einer generalisierenden Zuordnung zu einem »Nonprofit-Bereich« sind jedoch bedeutsam, wenn es um die Erörterung von Managementanforderungen und Managementhandeln geht. Denn die Systemeigenschaften und -logiken, die Organisationen herausbilden, entfalten sich immer auch unter dem Einfluss der jeweils spezifischen Zwecksetzungen der Organisationen und des jeweils für die Organisation relevanten Umfelds, für das die Organisation Leistungen erbringt oder das Erwartungen an die Organisation setzt, denen sie sich ohne Gefährdung ihrer Legitimation nicht ohne Weiteres entziehen kann. Mit der Wahl ihrer Programm- und Personalstrukturen begrenzen Organisationen die Breite der für ihr operatives Handeln relevanten Umwelten. Und gleichzeitig nimmt die Umwelt, in der sich eine Organisation »niederlässt«, Einfluss auf die Relevanzstrukturen und die Handlungsoptionen einer Organisation; die Organisation muss sich auf Vorgaben und einschränkende Anforderungen der Umwelt einlassen (vgl. Drepper u. Tacke 2010, S. 276). Zwecke, Organisationsprogramme, Organisationskulturen, Personal mit den Eigenheiten, Wissensbeständen und Kommunikationsmodi der an der Leistungserbringung beteiligten Professionen sowie Modi des Austauschs mit der Umwelt und der Legitimation gegenüber der Umwelt sind als bedeutsame Faktoren in Überlegungen zur Gestaltung von Managementhandeln und in Reflexionen zum Managementhandeln einzubeziehen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Formel »Nonprofit-Organisation« zur Herausarbeitung von managementrelevanten Systemfaktoren deutlich zu grob. Damit stellt sich Frage, welche Spezifika im Handlungsfeld »Soziale Arbeit« bzw. für den Typus »Organisationen der sozialen Hilfe« (I. Bode 2012) zu identifizieren sind, die einen markanten Unterschied konturieren zu anderen Managementfeldern bzw. Organisationsbereichen. Es sei zugestanden, dass auch die Rede von Sozialer Arbeit als »einem Handlungsfeld« eine Abstrahierung darstellt: Auch hier kann man zu Recht geltend machen, dass die Managementanforderungen in einer größeren Komplexeinrichtung der Erziehungshilfe (mit ambulanten, teilstationären und differenzierten stationären Angeboten) anders sind als in einer Drogenberatungsstelle mit einem überschaubaren Umfang an

Angeboten und Mitarbeitern oder einer Kindertageseinrichtung oder einem Jugendamt oder einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung oder einem Verein, in dessen Zentrum die gesetzliche Betreuung steht, u. a. m. Insofern ist es sicherlich nicht unproblematisch, von »Organisationen der sozialen Hilfe« oder »Organisationen der Sozialen Arbeit« zu sprechen, darauf bezogene Managementanforderungen zu analysieren und dabei einige bedeutsame Spezifika des Handlungsfeldes und Charakteristika der Organisationsformen zu übergehen. Jedoch sind gewisse Abstrahierungen erforderlich, um einen Organisationstypus und die damit verkoppelten Managementanforderungen in den Blick zu nehmen. Eine solche Abstrahierung ist insofern zu rechtfertigen, als sich – trotz weiterer Differenzierungen auf der Mesoebene der Analyse – ein Bündel von Ähnlichkeiten herausgebildet hat, das handlungsfeldübergreifend spezifische Anforderungen und Fragestellungen im Management bei Organisationen der Sozialen Arbeit prägt (Lambers 2015; Merchel 2015a; Bieker u. Vomberg 2012). Organisationen der Sozialen Arbeit erbringen soziale Dienstleistungen. Es sind »Gebilde, die Zustände von Personen bearbeiten, die sich im ›normalen‹ sozialen Leben nicht hinreichend ›selbst helfen‹ bzw. funktionstüchtig sein können« (I. Bode 2012, S. 152); sie übersetzen die zum Teil diffusen Probleme der Hilfebedürftigkeit oder der Normabweichung in spezifischere Handlungsanforderungen und organisieren dafür möglichst zielentsprechende Veränderungsinterventionen. Soziale Dienstleistungen haben einen interaktiven Charakter; sie ereignen sich in Vorgängen der Betreuung, der Pflege, der personenbezogenen Förderung und Unterstützung, der Beratung, der Erziehung. Die reine Erbringung materieller Transferleistungen aufgrund von Versicherungsansprüchen (u. a. Arbeitslosengeld) oder wegen materieller Bedürftigkeit (Arbeitslosengeld II, Grundsicherung im Alter) wird nicht zu sozialen Dienstleistungen gerechnet; allerdings wird der Erbringung materieller Transferleistungen bisweilen ein interaktives Element der Beratung oder der Betreuung angekoppelt, wodurch im Vorgang der Leistungserbringung sowohl materielle als auch soziale Elemente zum Tragen kommen. Die rechtliche Kodifizierung der zu organisierenden und zu gestaltenden Dienstleistungen erfolgt weitgehend in den (derzeit) dreizehn Teilen des deutschen Sozialgesetzbuches (SGB I–XII, XIV; von Boetticher u. Münder 2011). Für die Steuerung des politischen Rahmens zur Definition gesellschaftlich gewünschter und zur Erbringung sozialer Dienstleistungen hat sich ein Feld der »sozialen Dienstleistungspolitik« herausgebildet (Dahme u. Wohlfahrt 2015). In diesem rechtlichen und politischen Rahmen haben Organisationen der Sozialen Arbeit sich mit Bedingungen auseinanderzusetzen, die sie bei der Erbringung sozialer Dienstleistungen verarbeiten müssen und aufgrund derer sie organisationale Charakteristika herausbilden, die ihnen ein auf Effektivität und Wirtschaftlichkeit ausgerichtetes Managementhandeln ermöglichen. Solche Merkmale von Organisationen der Sozialen Arbeit, die sich als bedeutsame Bedingungsfaktoren für das Herausbilden von Managementhandeln erweisen, sind Gegenstand der Ausführungen in diesem Kapitel.

2.1 Politische Konstituierung sozialer Dienstleistungen Soziale Dienstleistungen entstehen vor dem Hintergrund einer (sozial)politischen Entscheidung; an ihnen besteht ein öffentliches Interesse. Organisationen der Sozialen Arbeit bewegen sich also in einer besonderen Nähe zum (sozial)politischen System: Ihre Existenz ist unmittelbar abhängig von sozialpolitischen Entscheidungen – und dies sowohl hinsichtlich der elementaren Existenzmöglichkeiten (Finanzierung) als auch hinsichtlich der politisch gesetzten Bedingungen für die Leistungserbringung. Das sozialstaatlich begründete öffentliche Interesse hat zur Folge, dass für das Erlangen einer solchen Leistung der »normale« Marktmechanismus, durch den man an eine Leistung gelangt (nämlich durch Kauf), zu einem beachtlichen Teil außer Kraft gesetzt wird (Cremer, Goldschmidt u. Höfer 2013, S. 11): »In einem durch politische Entscheidungen definierten Umfang haben auch Menschen Zugang zu sozialen Diensten, die aufgrund fehlenden Einkommens oder fehlender privater Vorsorge über Versicherungen ohne Unterstützung den Zugang nicht erhielten.« Unter anderem dadurch werden Dienstleistungen zu solchen, die man als »sozial« kennzeichnet. Die Abkoppelung von der Zahlungsfähigkeit und Zahlungsbereitschaft als Kriterium für den Zugang zum Markt mündet in staatliche Regelungen zu Bedarfslagen, die einen Zugang zu den Dienstleistungen ermöglichen (konkretisiert im Leistungsrecht), sowie in Regelungen zu Bedingungen der Leistungserbringung und zu Spezifika der Finanzierung (Leistungserbringungsrecht). Soziale Dienstleistungsorganisationen sind gekoppelt an einen politisch konstituierten Bedarf, der von den Bedürfnissen von realen und potenziellen Leistungsadressaten zu differenzieren ist. Soziale Dienstleistungen müssen als »öffentliche Güter« (Grunow 2011) politisch legitimiert werden: im Hinblick auf bestimmte, als durch die Gesellschaft unterstützungswürdig angesehene Lebenslagen (z. B. Alter oder Behinderung) oder im Hinblick auf krisenhafte individuelle Lebenssituationen (z. B. bei Hilfen zur Erziehung) oder im Hinblick auf normgerechtes soziales Verhalten (z. B. bei Straffälligkeit) oder in der Verkoppelung dieser Aspekte. Die Bedürfnisse von Leistungsadressaten, an die Interaktionen anknüpfen und zu Koproduktionen herausgebildet werden können, liefern einen Ansatzpunkt, aber sie bilden nicht den allein maßgeblichen Bezugspunkt für das Dienstleistungshandeln. Das Management sozialer Dienstleistungen vollzieht sich immer »im Spannungsverhältnis zwischen personenbezogener Bedürfnisbefriedigung und sozialer Problemdefinition und Ressourcenfreigabe, was sich (u. a.; Anm. S. G./J. M.) in der Finanzierungsstruktur niederschlägt« (Langer 2014, S. 484). Individuelle Bedürfnisse werden

für die Organisationen Sozialer Arbeit dann relevant, wenn sie mit einem gesellschaftlich definierten Bedarf einhergehen bzw. in entsprechende politische Bedarfsentscheidungen eingegangen sind oder wenn sie sich durch politische Aktivitäten der Organisationen in eine solche Bedarfsentscheidung transferieren lassen. Aufgrund des damit konstituierten öffentlichen Interesses wird der Dienstleistungsarbeit und den sie leistenden Organisationen auch ein gewisses Maß an Normalisierungs- und Überwachungsfunktionen zugewiesen, das sich sowohl in präventiven Tätigkeiten (vorsorgliche Vermeidung des Auftretens von Normverletzungen) als auch in Bemühungen zur Beseitigung manifester Normverletzungen (markant z. B. in der Erziehungshilfe oder in der Drogenhilfe) zeigen kann. Die den Bedarf konstituierenden Faktoren können sowohl auf der Ebene der bedürftigen Individuen begründet sein (gesellschaftlich und politisch anerkannte individuelle Bedürftigkeit) als auch in einem gesellschaftlichen Interesse an Normwahrung und Regelung eines normkonformen Zusammenlebens und des sozialen Friedens. Soziale Dienstleistungen weisen daher im Grundsatz zwei Zielperspektiven auf, die auch bei markanten Spannungen in Einzelfällen und in einigen Handlungsfeldern verfolgt werden müssen: »eine auf die Verbesserung von individuellen Lebensbedingungen gerichtete sowie eine am gesellschaftlichen Integrationsbedarf orientierte« (Heinze u. Schneiders 2013, S. 8). Die politische Konstituierung des Bedarfs und die damit einhergehende notwendige Ankoppelung des Managements in Organisationen der Sozialen Arbeit an die Mechanismen und Vorgaben politischer Aushandlungen und Entscheidungen haben auf der Ebene der Leistungsadressaten eine eingeschränkte »Konsumentensouveränität« zu Folge. Während bei Marktverhältnissen den Konsumenten aufgrund der Zahlungsfähigkeit von Käufern ein souveräner Status zugesprochen wird – unabhängig davon, ob sie über sachlich ausreichende Kenntnisse zum Gebrauch oder zum Vergleich verschiedener Güter verfügen –, wird ein solcher Status der Leistungsadressaten bei sozialen Dienstleistungen nicht erreicht: Diese bleiben im Status eines »Leistungsempfängers«, für dessen Leistungsempfang Dritte einen Teil der oder gar die gesamten Kosten übernehmen. Die Leistungsnehmer befinden sich nicht in der Stellung eines im Rahmen von direkten Tauschbeziehungen mächtigen Marktteilnehmers. Darüber hinaus ist die Nutzersouveränität durch den Grad der Hilfebedürftigkeit eingeschränkt. Insbesondere bei stationären Einrichtungen (z. B. Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen, Pflegeeinrichtungen der Altenhilfe, aber auch Einrichtungen der Heimerziehung) besteht ein hohes Abhängigkeitsverhältnis gegenüber dem einmal gewählten Leistungserbringer, sodass hier der Staat über Regelsetzung und Kontrolle im Rahmen der Betriebserlaubnis und Heimaufsicht einen Schutz für die Nutzer gewährleisten muss (Cremer 2013, S. 64 f.). Die eingeschränkte Nutzersouveränität ist verkoppelt mit einem – je nach Handlungsfeld mehr oder weniger intensiv wirkenden – Abhängigkeitsverhältnis des Leistungsnehmers von der leistungserstellenden Organisation. Personen, die auf Hilfe angewiesen sind oder die sich in

einem durch Kontrollintentionen überlagerten Verhältnis zu einer Organisation der Sozialen Arbeit befinden, stehen in einer Situation des Machtungleichgewichts.

2.2 Interaktion als Kern sozialer Dienstleistungen Im Zentrum der von Organisationen der Sozialen Arbeit zu gestaltenden sozialen Dienstleistungen stehen Interaktionen: Die Organisationen sind darauf ausgerichtet, das Personal und die Leistungsadressaten so in ankoppelungsfähige Relationen zu bringen, dass zeitlich begrenzte koproduktive Arbeitsbündnisse entstehen, aufgrund derer die Leistungsadressaten in die Lage versetzt werden und sich in die Lage versetzen können, die ihrer je individuellen Lage entsprechenden Lösungs- und Bewältigungsstrategien zu finden und diese zur Verbesserung ihrer Lebenssituation zu realisieren. 2.2.1 Charakteristika sozialer Dienstleistungen Soziale Dienstleistungen weisen einige Charakteristika auf, die in den Handlungsprogrammen der Organisationen zu verarbeiten sind und somit managementrelevante Rahmenbedingungen markieren (vgl. Arnold 2014a; Cremer, Goldschmidt u. Höfer 2013, S. 5 ff.): • • • •

Immaterialität/Intangibilität Unteilbarkeit und Nichtspeicherbarkeit Einbeziehung des Nachfragers/Nutzers in die Dienstleistungserstellung Individualität

Immaterialität/Intangibilität Die Kernleistung bei Dienstleistungen, das zwischen den Personen ablaufende eigentliche Interaktionsgeschehen, ist weder sichtbar noch greifbar. Zwar werden auch Sachleistungen als Voraussetzung zur Erbringung von Dienstleistungen einbezogen, jedoch ist das zentrale Element der Dienstleistung nicht gegenständlich. Das hat zur Folge, dass der Nachfrager sich von der angebotenen Leistung und deren Nutzen zwar eine Vorstellung macht, die Leistung jedoch vor ihrer Erstellung nicht genau kennt. Der Nutzer kann sie, anders als bei Sachgütern, nicht im Vorhinein prüfen oder von anderen prüfen lassen. Auch wenn man sich z. B. vor der Kontaktaufnahme zu einer Beratungsstelle von anderen Personen berichten lässt, die diese Beratungsstelle aufgesucht haben, weiß man nicht, ob die Erfahrungen der anderen Personen bei der eigenen, spezifischen Problems ebenfalls zutreffen werden. Bei sozialen Dienstleistungen handelt es sich um Vertrauensgüter: Es bedarf einer gewissen Zuversicht, die jeweilige Leistung in Anspruch nehmen zu wollen.

Unteilbarkeit und Nichtspeicherbarkeit Bei sozialen Dienstleistungen fallen Produktion und Konsum zusammen, was traditionell als »Uno-actu-Prinzip« genannt wird. »Der Zeitpunkt der Leistungserstellung und der Leistungsabgabe sind bei Dienstleistungen identisch, Produktion und Konsumption erfolgen somit synchron.« (Cremer, Goldschmidt u. Höfer 2013, S. 6.) Für die meisten personenbezogenen Dienstleistungen ist die Präsenz der Kunden unerlässlich. Damit verbunden ist in der Regel die Standortgebundenheit der Dienstleistung: Bis auf wenige Ausnahmen, bei denen die Distanz technisch überbrückt wird (insbesondere: Onlineberatung), ist eine Anwesenheit von Leistungserbringer und Leistungsnutzer an einem Ort erforderlich. Soziale Dienstleister müssen daher Maßnahmen ergreifen, um die räumliche Distanz zwischen dem Nachfrager und dem Anbieter zu überwinden. Einbeziehung des Nachfragers/Nutzers in die Dienstleistungserstellung In der Sozialen Arbeit sind die Kunden bzw. Nutzer Mitproduzenten der Dienstleistung; die Erstellung der Dienstleistung erfolgt koproduktiv. Beteiligen die Nutzer sich nicht in einem gewissen Maß aktiv, kann die Leistungserbringung nicht gelingen; sie läuft ins Leere. Eine reine Anwesenheit des Klienten und sonstige Passivität bei einer Beratung oder Therapie führt weder zu einem Beratungsprozess noch zu einem Erfolg; nur bei aktiver Beteiligung des Leistungsadressaten kommt die Dienstleistung tatsächlich zustande. Es geht also nicht nur um das Herstellen einer gewissen räumlichen Nähe, sondern insbesondere um die Überwindung einer sozialen Distanz – dies zumindest so weit, dass anknüpfungsfähige Kommunikationen entstehen, die das notwendige Maß an Koproduktionsbereitschaft aufseiten des Nutzers entstehen lassen. Da die Bereitschaft und die Fähigkeit des Leistungsadressaten zur Koproduktion nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden kann, bedarf es besonderer Bemühungen zur Herstellung einer Bereitschaft und Aktivierung einer koproduktiven Haltung aufseiten der »Leistungsempfänger«. Individualität Soziale Dienstleistungen sind nur begrenzt standardisierbar. Sie müssen variabel sein für die unterschiedlichen Bedürfnisse der Nachfrager und weisen daher in ihrer Ausführung individuelle Qualitäten auf. Eine »Leistung von der Stange« ist nicht möglich bzw. wenn eine solche Orientierung in einer Organisation Platz greift, wäre dies mit erheblichen Qualitätsdefiziten verbunden. Damit geht eine Unsicherheit der Nachfrager einher, ob bzw. in welcher Weise die angebotene Dienstleistung ihren Erwartungen entspricht, was wiederum auf den Faktor »Vertrauensgut« verweist. Aus der Individualität sozialer Dienstleistungen resultiert die Erfordernis, eine flexible Leistungserstellung zu ermöglichen und die weitgehende Dysfunktionalität von Standardprogrammen zu berücksichtigen. 2.2.2 Folgen für das Steuerungshandeln Verdeutlicht man sich diese Charakteristika von sozialen Dienstleistungen und deren Folgen

für die Interaktionsgestaltung, so erscheinen zwei Folgen für das Steuerungshandeln in Organisationen der Sozialen Arbeit zentral: • der hohe Grad von Unsicherheit in den Anforderungen, der in den Handlungsprogrammen der Organisation zu verarbeiten ist, und – damit einhergehend – • die Dominanz von Zweckprogrammen, die jedoch nur wenig Unsicherheit zu absorbieren vermögen. Das Phänomen der Unsicherheit sowohl in der Interpretation der Anforderungen als auch in der Konzipierung von Bearbeitungsperspektiven resultiert vor allem daraus, dass bei sozialen Dienstleistungen mit »Personen« gearbeitet werden muss. Personen sind gemäß Klatetzki (2010, S. 13) »zu Selbstaktivierung bzw. Selbstreferenz fähig. Damit ist gemeint, dass Individuen auf der Grundlage ihrer jeweils subjektiven Situationsinterpretation handeln und folglich in der Lage sind, Interventionen zu neutralisieren. Kurz gesagt: Personen mit einem freien Willen lassen sich nicht kausal beeinflussen.« Es bleibt also unsicher, wie bestimmte methodische Impulse aus Handlungsprogrammen der Organisation von den Personen verarbeitet werden und ob ähnliche Impulsgebungen überhaupt bei verschiedenen Personen ähnlich ankoppelungsfähig sind und zu bedeutsamen Kommunikationen im Sinne der Programmintentionen werden. Dabei sind nicht nur die kommunikative Aufnahme und Verarbeitung der Interventionen unsicher: Bereits die Interpretation der Ausgangs- oder Problemsituation, auf die mit Interventionen geantwortet werden soll, verbleibt in der Regel bei der Hypothese. Denn was eine Ausgangssituation für welche beteiligte Person bedeutet, kann je nach Interpretation verschiedener Beteiligter und je nach »praktischer Ideologie« (zu diesem Begriff siehe Klatetzki 1998, S. 63 ff.; kurz erläutert bei Merchel 2015a, S. 121 f.), mit der Fachkräfte an die Situation herangehen und diese sich interpretativ für ihr Handeln verfügbar machen, vielfältige Varianten aufweisen. Durch Unsicherheit geprägte Anforderungen an die Leistungserstellung stellen die Organisation vor ein zentrales Problem: Sie muss trotz der Unsicherheiten eine einigermaßen verlässliche und mit präsentierbaren positiven Wirkungen verbundene Leistungserstellung gewährleisten, und zwar als eine Organisationsleistung, welche die Umwelt und die Leistungsadressaten relativ unabhängig von personenbezogenen Zufälligkeiten und Eigenheiten des Personals erwarten können. Über Handlungsprogramme (Konzepte, methodisch strukturierte Vorgehensweisen, Verhaltensvorschriften, Standardisierungen etc., aber auch informell wirkende Regeln und Gewohnheiten, Routinen) versucht die Organisation, Unsicherheit zu absorbieren und die Leistungserstellung stärker kalkulierbar zu

machen. Konditionalprogramme, bei denen ein kausaler Bezug zwischen handlungsauslösenden Ereignissen und bestimmten Folgehandlungen hergestellt wird, sind in der Regel untauglich, weil die »Auslösebedingungen des Handelns in der Vergangenheit (liegen): Für relativ bekannte Bedingungen liegen relativ erprobte Routinen für Entscheidungen vor« (Lambers 2015, S. 33). Somit verbleiben Zweckprogramme: Verfahrensweisen, bei denen ein Entscheidungsrahmen mit entsprechenden Handlungsoptionen für jeweils spezifisch zu definierende Zwecke benannt und als Orientierungskorridor gesetzt wird. Aber solche Zweckprogramme vermögen nur begrenzt Unsicherheit zu absorbieren, denn »bei ihnen liegen die Auslösebedingungen des Handelns in der Zukunft« (ebd.): Man entscheidet über den wahrscheinlich angemessenen Zweck und über darauf ausgerichtete Handlungsweisen, mit denen vermutlich oder wahrscheinlich der angezielte Zweck auch im spezifischen Einzelfall realisiert werden kann. Die Folge ist, dass soziale Dienstleistungen notwendigerweise inhomogen sind – und zwar auch in gewissen Grenzen innerhalb einer Organisation –, weil durch die Unsicherheit und durch die unverzichtbare aktive Mitwirkung von Individuen mit ihrem jeweiligen Eigensinn auch bei ähnlichen Zweckprogrammen jeweils unterschiedliche Dienstleistungen entstehen – was mit dem einen Leistungsadressaten gut funktioniert, kann mit dem nächsten wiederum ins Leere gehen oder gar gegenteilige Wirkungen erzeugen (Dunkel 2011, S. 188). Soziale Dienstleistungen müssen situativ und individuell konstituiert werden und sind daher nur begrenzt standardisierbar: am ehesten in ihren administrativen Rahmenbedingungen, kaum jedoch in ihrem interaktiven Kern. Bei »front-line organizations« (Smith, zit. nach Klatetzki 2010, S. 17), bei denen das Entscheidende in den vielfältigen Interaktionen zwischen dem »Frontpersonal« und den Leistungsadressaten geschieht, das für das Leitungspersonal nicht unmittelbar, sondern vor allem über Mitteilungen des Personals zugänglich ist, sind die wesentlichen Handlungsmodalitäten bei der Leistungserstellung nur begrenzt und kaum intentional durch Managementhandeln steuerbar. Zentrale Vorgaben, z. B. über Standardisierungen mit entsprechenden Verhaltensvorschriften, stoßen an Grenzen gegenüber den sich jeweils immer wieder neu ergebenden und zu bewältigenden Situationsanforderungen, die in Abstimmungsprozessen bearbeitet werden müssen. Dies erfordert insgesamt einen Steuerungsmodus, bei dem die untere Hierarchieebene wegen ihrer Problemwahrnehmungs- und Problembearbeitungsnähe eine große Bedeutung einnimmt und die beim Management daher einbezogen werden muss. Die zentrale Stellung nimmt das Personal ein, das durch entsprechende Maßnahmen des Personalmanagements eingeworben, qualifiziert und kompetent gehalten sowie an die Organisation gebunden werden muss: Die Leistungsfähigkeit der Organisation hängt wesentlich ab von einem Personalstamm an »Arbeitskräften, die ihre Tätigkeit wissenschaftlich, vergleichsweise autonom und im Rekurs auf einen besonderen ethischen Kontext« ausübt (I. Bode 2012, S. 153). Umgekehrt muss die Organisation »ein gewisses Maß an Vertrauen in die Kompetenzen der (angestellten) Mitglieder und in den Berufsethos

der zentralen Funktionsträger« aufbauen (ebd., S. 157). Dabei darf ein solches Vertrauen nicht blind proklamiert werden, sondern muss auf einer Basis der von der Organisation geprüften und kontinuierlich entwickelten Kompetenz und Motivation des Fachpersonals (»Personalentwicklung«) erfolgen.

2.3 Legitimation sozialer Dienstleistungsorganisationen Die politische Konstituierung sozialer Dienstleistungen und die Eingebundenheit in einen sozialstaatlichen Rahmen, der mit Begriffen wie ›soziale Hilfe‹, ›Chancengerechtigkeit‹, ›Gewährleistung eines menschenwürdigen Lebens‹, ›gesellschaftliche Integration‹ etc. normativ aufgeladen ist, haben zur Folge, dass die Organisationen Sozialer Arbeit sich in besonderer Weise politisch und normativ als Organisationen legitimieren müssen. Sie müssen sich als von gesellschaftlichen und (sozial)politischen Entscheidungen unmittelbar abhängige Organisationen legitimieren • über die Art ihrer Leistungserstellung (Prozesse); • über die Effekte der von ihnen erbrachten Leistungen, wobei diese Effekte zum einen auf die Verbesserung der Lebenssituation ihrer Leistungsadressaten und auf die Erfolge der in die sozialen Hilfen eingewebten Kontrollaktivitäten bezogen sind, aber zum anderen auch darüber hinausgehen, denn es geht auch um Effekte hinsichtlich der geforderten Integrationsleistungen für das gesellschaftliche Zusammenleben (u. a. Aktivierung gesellschaftlichen Engagements und Zusammenhalts, Vermittlung und Stabilisierung von Solidaritätsnormen, Erzeugen persönlicher Nähe u. a. m.); • über die Darlegung von Prozessen und Effekten eines organisationsinternen Managements, das dem normativen Rahmen, in den die Organisation eingebettet ist, entspricht (»Corporate Governance«; Schuhen 2014). Organisationen der Sozialen Arbeit sind aufgrund ihrer spezifischen gesellschaftlichen und politischen Umweltkonstellationen gefordert, im Hinblick auf unterschiedliche Interessenträger und hinsichtlich dieser drei Faktorenbündel Legitimation zu erzeugen und aufrechtzuerhalten sowie dadurch die eigene Organisation mit einem tragfähigen Vertrauenspotenzial ihrer Umwelt auszustatten. Die besondere Angewiesenheit sozialer Dienstleistungsorganisationen auf die Legitimation gegenüber ihrer Umwelt macht auf zwei für das Management relevante Mechanismen aufmerksam: • Kongruenz zwischen Außendarstellung und Innenleben der Organisation: Organisationen der Sozialen Arbeit müssen in besonderer Weise Wert legen auf das, was Kühl die »Schauseite« der Organisation nennt (Kühl 2011, S. 136 ff.): Das

Schaufenster, in dem die Organisation von außen betrachtet werden kann, darf nicht vernachlässigt werden. Zwischen der nach außen gerichteten Fassade, mit der zu Legitimationszwecken ein Bild von der Organisation gezeichnet und vermittelt wird, und der in der Organisation wahrnehmbaren Realität wird in der Regel keine vollständige Deckungsgleichheit herrschen. Jedoch muss die Organisation bemüht sein, die Entkoppelung von Fassade und realer Erlebbarkeit nicht allzu groß werden zu lassen. Denn wenn die relevanten Akteure aus der Umwelt die Fassade als »scheinheilig« (ebd.) erkennen, verliert das Schaufenster drastisch an Legitimationspotenzial. Insofern muss das Management für ein legitimationsfähiges Schaufenster sorgen und darauf auch entsprechende Sorgfalt aufwenden. Doch der Nutzen schöner Fassaden (u. a. Verbergen interner Konflikte und Unzulänglichkeiten, Ausbalancieren widersprüchlicher Anforderungen) darf nicht so in den Mittelpunkt rücken und damit »überzogen« werden, dass die Kommunikationsangebote des Schaufensters sich als nicht mehr ausreichend anschlussfähig erweisen an das wahrnehmbare Geschehen in der Organisation. Die Folge wäre ein Verfall von Glaubwürdigkeit, also das genaue Gegenteil der mit dem schönen Schaufenster beabsichtigten Legitimation. • Legitimität über Verarbeitung von Erwartungen der Umwelt: Organisationen der Sozialen Arbeit müssen besonders sensibel diejenigen an sie gerichteten Anforderungen wahrnehmen und im Hinblick auf Markierungen für das Management interpretieren, die in dem jeweiligen gesellschaftlichen Sektor explizit formuliert und implizit kommuniziert werden, dem sie angehören. Sie müssen ihre inneren Strukturen und Verfahrensweisen nicht allein im Hinblick auf eine innere Systemdynamik interpretieren und herausbilden, sondern diese gleichermaßen konzipieren in der Verarbeitung von »Ansprüchen und Erwartungen seitens der institutionalisierten Umwelt« (Drepper 2010, S. 138). Das Erzeugen von Legitimität über die Aufnahme von spezifischen Handlungserwartungen der Umwelt wird ein zentrales Motiv für Organisationshandeln und Strukturbildung. Dabei muss nicht jedes Organisationshandeln einer internen Handlungslogik entsprechen. Organisationsprogramme können vielmehr mit dem übrigen Organisationsgeschehen lediglich lose verkoppelt sein; sie werden dann auf eine Art in das Organisationsgeschehen hineingenommen, dass sie intern »zumindest nicht allzu sehr stören«, aber nach außen eine Übereinstimmung mit Erwartungen aus der Umwelt signalisieren und daher legitimationsbedeutsam sind. Ein Beispiel ist hier »Qualitätsmanagement«: Der hohen legitimatorischen Bedeutung der Qualitätsformel und der damit einhergehenden Anforderung, »Qualitätsmanagement« zu betreiben, kann sich kaum eine Organisation der Sozialen Arbeit entziehen. Sie ist also legitimatorisch zur Übernahme dieser Anforderung verpflichtet; ob, in welcher Weise und Intensität aber intern Prozesse des Qualitätsmanagements realisiert werden, bleibt

mit der Übernahme der Legitimationsanforderung höchst unklar und führt zu erheblichen Unterschieden, wie ein Blick in verschiedene Organisationen der Sozialen Arbeit zeigt. Die Anpassung an Regeln, die im jeweiligen organisationalen Sektor oder Umfeld institutionalisiert sind, beeinflusst das Entscheidungsverhalten der Organisation im Hinblick auf Ziele, Mittel, Theorieverwendung, Methodenkonstruktion etc. und sorgt für eine Angleichung an die Bedingungen und Erwartungen im institutionalisierten Feld. Das führt einerseits zu Phänomenen des »Isomorphismus« (Drepper 2010, S. 139 f.): Die Organisationen im Feld werden einander ähnlicher. Dadurch gewinnen sie andererseits wieder an Legitimität, da sie sich nicht nur über die Aspekte »Effektivität« und »Wirtschaftlichkeit« legitimieren können, sondern gleichermaßen über die »Aufnahme institutionalisierter Erwartungen, sichtbar in der Ähnlichkeit zu anderen Organisationen«, indem also die Kommunizierbarkeit der Vorgänge und Strukturen in der Organisation anschlussfähig gemacht werden an die Relevanzkriterien in der Umwelt. Ein Beispiel für solche Phänomene des Isomorphismus sind die Normen, die für Fallbearbeitungen in Jugendämtern (bzw. im Allgemeinen Sozialen Dienst, ASD) bestehen: Kaum ein ASD-Team kann es sich ohne Legitimationsverlust noch leisten, keine kollegiale Beratung durchzuführen, dabei kein Genogramm anzuwenden, nicht nach Ressourcen im sozialen Umfeld des Klienten (»Sozialraum«) gefragt zu haben, keine Form von »sozialpädagogischer Diagnostik« auf dem Arbeitsplan zu haben. Die Übernahme institutionalisierter Erwartungen aus der Umwelt und die Angleichung von Organisationen (»Isomorphismus«) bedeutet keinen Profilverlust der jeweiligen Organisation. Sie verarbeiten die aus der Umwelt entnommenen »Vorlagen« für ihre Strukturbildung (staatliche Vorgaben, Professionsstandards, Strukturmodelle vergleichbarer Organisationen, theoretische und methodische Entwicklungsimpulse und Anforderungen etc.) in einer organisationsspezifischen Weise, die den in der jeweiligen Organisation herausgebildeten Gegebenheiten und Dynamiken, ihrer jeweiligen Entstehungsgeschichte und Organisationslogik entspricht (Drepper u. Tacke 2010, S. 255).

2.4 Soziale Dienstleistungsorganisationen im Spannungsfeld verschiedenartiger Anforderungen und Handlungslogiken Soziale Dienstleistungsorganisationen sind angesichts ihrer spezifischen gesellschaftlichen und sozialpolitischen Eingebundenheit einer Vielzahl von Stakeholdern mit unterschiedlichen Erwartungen und Anforderungen ausgesetzt, denen gegenüber sie sich als anschlussfähig erweisen müssen. Die jeweiligen politischen Konstellationen mit ihren jeweils aktuellen und

wechselnden Akteuren markieren ebenso Erwartungskonstellationen wie die (realen und potenziellen) Leistungsadressaten und die Organisationen, zu denen im Sinne einer adäquaten Leistungserbringung tragfähige interorganisationale Kooperationsbezüge hergestellt werden müssen. Das jeweilige Organisationssystem bewegt sich in einem komplexen Netz unterschiedlicher Akteure. Diese artikulieren sich in einem um die Organisation herum wirksamen Systemgebilde als Interessenträger. Deren als Erwartungen formulierte Kommunikationsimpulse dürfen nicht negiert, sondern müssen von der Organisation in den elementaren Programmmodi und situativ verarbeitet werden. Die interorganisationalen Bezüge richten sich nicht nur auf Kooperationen mit Organisationen in ähnlichen Handlungsfeldern, mit denen man in Fachgremien (regionale psychosoziale Arbeitsgemeinschaften, Arbeitsgemeinschaften nach § 78 SGB VIII, Fachverbände u. a. m.) oder in regelmäßigen einzelfallbezogenen Kontakten (z. B. Jugendämter, Sozialämter, Krankenkassen u. a.) kooperiert. Es bedarf auch der Kooperationen mit solchen Organisationen in anderen Arbeitsbereichen, die Berührungspunkte zu den eigenen Organisationszwecken aufweisen und zu denen – trotz verschiedenartiger Handlungslogiken – einigermaßen tragfähige Arbeitsbezüge aufgebaut und aufrechterhalten werden müssen (z. B. bei Einrichtungen der Erziehungshilfe: Arbeitsbezüge zu Jugendgerichten, Schulen, Arbeitsverwaltung, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Polizei, Jugendfreizeiteinrichtungen, …). Die spezifische Angewiesenheit von Organisationen Sozialer Arbeit auf gesellschaftliche und (sozial)politische Akteure und auf mannigfache Interorganisationsbeziehungen findet u. a. ihren Niederschlag in einer umfassenden Verwendung des Begriffs »Netzwerk« in der Sozialen Arbeit und in den umfangreichen Debatten, solche Netzwerke strategisch sowohl für methodisches Handeln als auch im Rahmen sozialpolitischer Aktivitäten einzusetzen und somit »Netzwerke« zu einem bedeutsamen Bezugspunkt für Management in Organisationen Sozialer Arbeit zu machen (u. a. Bauer u. Otto 2005; Dahme u. Wohlfahrt 2000; Fischer u. Koselleck 2013; Schubert 2008). Die Stakeholder- und Erwartungsvielfalt, der sich soziale Dienstleistungsorganisationen ausgesetzt sehen, kann als spezifisches Merkmal der Umwelt von Organisationen in diesem gesellschaftlichen Bereich markiert werden. Die Heterogenität von Stakeholdern und von damit einhergehenden Erwartungen und Anforderungen stellt Organisationen der Sozialen Arbeit vor die Aufgabe, sich in verschiedenen Handlungslogiken und Erwartungsbündeln zu bewegen, die in Spannungen zueinander stehen können und zum Teil widersprüchliche Appelle an die Organisation transportieren. Bei der Leistungskonzipierung und -erbringung stoßen verschiedene Logiken aufeinander, so u. a.: • die Logik der Ökonomie: Wirtschaftliche Verwendung von Ressourcen, wettbewerbliche Mechanismen der Ressourcenzuteilung, Preis-Leistungs-Konkurrenz zwischen Trägern etc.; • die Logik der Politik: Orientierung am politisch definierten »Bedarf«, Normwahrung,

• • •



Verfolgung spezifischer lokaler Interessen etc.; die Logik der Lebenswelt der Adressaten: Ausreichende Versorgung mit Hilfen, flexible Versorgung, eine an individuellen Bedürfnissen ausgerichtete Versorgung; die Logik der Profession: Fachliche Qualitätsmaßstäbe, in der Profession verankerte und legitimierte methodische Vorgehensweisen, professionsethische Maßstäbe etc.; die Logik anderer Professionen, mit deren Organisationen Kooperationsbezüge existieren: z. B. Soziale Arbeit und Gesundheitswesen (Medizin), Soziale Arbeit und formale Bildung (Schulen, berufliche Bildung); die aus der Geschichte und der Dynamik entstehende innere Logik der eigenen Organisation, einschließlich der Eingebundenheit der Organisation in ein spezifisches normatives bzw. ethisch geprägtes Feld (z. B. bei Einrichtungen aus konfessionellen Wohlfahrtsverbänden oder bei anthroposophischen Organisationen).

Die unterschiedlichen Normierungen und Handlungslogiken müssen von Organisationen der Sozialen Arbeit so ausbalanciert werden, dass tragfähige Zuordnungen und Ausgleiche zwischen verschiedenen Anforderungen entstehen und eine in verschiedenen Logiken legitimierbare Leistungserstellung möglich wird. Es müssen Kommunikationsmodi gefunden werden, die für unterschiedliche Relevanzen und Handlungslogiken anschlussfähig sind. Dies schließt sprachliche Aspekte ein: Sprachliche Muster, die aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen und damit einhergehenden Organisationskulturen resultieren, müssen so zueinander geführt werden, dass die aus sprachlichen Differenzen entstehende Fremdheit bearbeitbar bleibt oder die damit einhergehende Irritation nicht zu Abwehr führt, so z. B. die Sprache der Ökonomie (Unternehmen, Produkte, Kunden, Businessplan etc.) mit der Sprache der Sozialen Arbeit (Lebenswelt, Beziehung, Hilfe etc.) oder mit der Sprache der medizinischen Profession (Diagnose, Störung, Krankheit, Behandlung etc.) (Mautner 2013). Da jede Balance bedroht ist und daher nicht von Dauer sein kann, wird das Ausbalancieren zu einer Anforderung, die eine permanente Beobachtung und Bewertung von Störungen erfordert und daher die Managementbemühungen kontinuierlich prägt. Gerade in der Sozialen Arbeit sind die an die Organisationen herangetragenen Anforderungen bisweilen sehr widersprüchlich: • »Erfolgsmessung: Messt und dokumentiert eure Erfolge, aber orientiert euch dabei nicht (allein; Anm. S. G./J. M.) an messbaren Größen.« • »Betriebswirtschaftliche Professionalisierung: Werdet wie Wirtschaftsunternehmen, aber bewahrt eure Besonderheit!« • »Trefft klare Entscheidungen, aber bleibt immer dabei harmonisch!« (Simsa u. Patak 2008, S. 33 ff.; vgl. auch Jäger u. Beyes 2008.) • Oder: Haltet das ethische Profil eurer Einrichtung aufrecht, aber macht euch mit den anderen Organisationen im Handlungsfeld vergleichbar und nehmt keine Sonderrolle

ein! • Oder: Richtet euch flexibel am individuellen Hilfebedarf aus, aber macht eure Arbeit kalkulierbar! Solche Widersprüche (»Paradoxien«) und die Heterogenität vielfältiger Interessenträger prägen das Organisationsgeschehen in der Sozialen Arbeit in besonderer Weise und stellen das Management bei sozialen Dienstleistungsorganisationen vor besondere Herausforderungen (Meyer u. Simsa 2013; Beyes u. Jäger 2005). Dass Organisationen der Sozialen Arbeit sich balancierend in und zwischen verschiedenen Handlungslogiken bewegen müssen und dass entsprechend eine elementare Aufgabe von Management darin besteht, verschiedene Handlungslogiken zusammenzuführen und daraus entstehende Paradoxien zu bewältigen, wird in einigen Veröffentlichungen mit dem Begriff »hybride Organisation« gekennzeichnet. Als »hybrid« werden solche Organisationen charakterisiert, »die bei ihren Strategien und Dienstleistungen Merkmale kombinieren, die normalerweise eindeutig dem Staat, dem Markt oder dem Dritten Sektor zugeschrieben werden« (Wasel u. Haas 2012, S. 588; vgl. auch Evers u. Ewert 2010; Glänzel u. Schmitz 2012). Die Organisationen werden gefordert und entwickeln die Fähigkeit, zwischen den Logiken der drei Sektoren je nach Aufgabenstellung und situativen Anforderungen zu wechseln und in den Sektoren unterschiedliche Bindungen einzugehen. »Je nach Anforderung können sich hybride Organisationen als Marktakteur gewinnmaximierend verhalten und zu einem anderen Zeitpunkt gemeinwohlorientiert.« (Wasel u. Haas 2012, S. 588.) Dies schafft einerseits Flexibilität, ist jedoch andererseits mit einer fragilen Identitätsbildung der Organisation und damit einhergehenden Problemen in der Verarbeitung interner Widersprüche und in der Präsentation nach außen verbunden. Das Konstrukt der »hybriden Organisation« steht in Verbindung mit der Aufteilung der Dienstleistungserbringung und -steuerung in drei Sektoren: Staat, Markt und gemeinwohlorientierter »Dritter Sektor«. Es ist fraglich, ob die Ausrichtung der Tatsache, dass Organisationen sich in verschiedenartigen Feldern und Handlungslogiken bewegen müssen und die damit einhergehenden Spannungen und Paradoxien bewältigen müssen, zu einem eigenen Organisationstypus (»hybride Organisation«) einen Erkenntnisgewinn erzeugt. Jede Organisation der Sozialen Arbeit muss sich im Spannungsfeld zwischen Sozialpolitik, Fachlichkeit/Profession, Wirtschaft/Ökonomie/Markt und normativer Ausrichtung (zur Bedeutung von Ethik als Bezugssystem in Organisationen der Sozialen Arbeit siehe Eurich et al. 2005) bewegen, und die daraus entstehenden Kommunikations- und Entscheidungsanforderungen gestalten sich entsprechend den spezifischen Umwelten und den herausgebildeten internen Systemdynamiken immer wieder anders und neu. Die Proklamierung eines »Organisationstypus der Hybridität« ist verbunden mit der Anforderung an die Organisationen, sich die unterschiedlichen Interessenträger, Widersprüche, Spannungsfelder für eine Organisation genau anzusehen, sie in ihrer Veränderungsdynamik

im Hinblick auf Managementhandeln immer wieder neu, also kontinuierlich zu bewerten. Kritisch wird in der Sozialen Arbeit an vielen Stellen vermerkt, im Zeitraum der letzten 15 bis 20 Jahre habe sich ein »Ökonomisierungsschub« ergeben, die Handlungslogiken der Ökonomie hätten also eine immer größere Bedeutung erlangt, seien bisweilen sogar in eine dominante Position gekommen. Abseits einer bestimmten Verwendung und normativen Deutung der Vokabel »Ökonomisierung« in der sozialpolitischen Auseinandersetzung, bei der die Relevanz wirtschaftlicher Steuerungsmechanismen politisch diskreditiert und der Stellenwert der betriebswirtschaftlichen Steuerung für Organisationen der Sozialen Arbeit in Zweifel gezogen werden soll (z. B. Brombach 2010), meint »Ökonomisierung« eine zunehmende Durchdringung der Sozialen Arbeit mit ökonomischen oder aus der Ökonomie entlehnten Handlungsrationalitäten: Kostenbewusstsein, Gewinnerzielung, Wettbewerb, Preisbildung, Konzipierung der Dienstleistungsadressaten als »Kunden« (Buestrich et al. 2008; Heinze u. Schneiders 2014), bis hin zur Ausrichtung der organisationsinternen Handlungsprogramme und der Legitimationskategorien an managementwissenschaftlichen Leitbildern (im BWL-Sinne) (»Managerialismus«; Messmer u. Schnurr 2013; Otto u. Ziegler 2015). Der Hinweis auf eine zunehmende Ökonomisierung der Sozialen Arbeit markiert dreierlei: • zum einen eine wachsende Bedeutung ökonomisch geprägter Anforderungen und Denkweisen, die aus dem Umfeld an Organisationen Sozialer Arbeit herangetragen werden und möglicherweise die Balancierungsanforderungen im Hinblick auf intensivierte Widersprüche zwischen verschiedenen Logiken verstärken (Erweiterung von Systemkomplexität), • zum anderen die Notwendigkeit, dass sich Organisationen Sozialer Arbeit sozialpolitisch stärker im Hinblick auf ökonomische Kategorien legitimieren und somit die Kommunikationsangebote in ihrem »Schaufenster« mit anderen Relevanzkategorien unterlegen; • und zum Dritten bleibt selbstverständlich die Anforderung einer kritischen Beobachtung des sozialpolitischen und kulturellen Rahmens, in den Organisationen der Sozialen Arbeit sich und ihre Leistungserstellung positionieren müssen, im Hinblick auf folgende Fragen: – Können Balancen zwischen verschiedenen Handlungslogiken gehalten werden? – An welchen Stellen kann eigenes sozialpolitisches Engagement der allmählichen Verschiebung von Balancen zuungunsten der Leistungsadressaten und/oder der professionellen Handlungsmaßstäbe entgegenwirken und Einfluss auf die umgreifende Systemdynamik nehmen?

2.5 Fazit: Spezifika von Organisationen der Sozialen Arbeit

und deren Bedeutung für Management 1) Die in der Fachliteratur häufige Ausrichtung am »Nonprofit-Bereich« vereint in diesem Begriff sehr unterschiedliche Organisationstypen und -zwecke. Da Relevanzstrukturen für das Management handlungsfeldspezifischer erfasst werden müssen, ist es angemessener, sich zu diesem Zweck auf den Typus »Organisationen der Sozialen Arbeit« zu konzentrieren, deren Zweck im Erbringen sozialer Dienstleistungen besteht. 2) Soziale Dienstleistungen werden als »öffentliche Güter« hochgradig politisch gesteuert. Ihre Existenz ist unmittelbar abhängig von politischen Entscheidungen, und für die organisationalen Handlungsprogramme werden politische Vorgaben gesetzt. Dies macht es erforderlich, politische Entwicklungen frühzeitig und kontinuierlich zu beobachten. Ferner wird dadurch sozialpolitisch ausgerichtetes Handeln (nicht ausschließlich, aber verstärkt im lokalen, kommunalpolitischen Bezug) zu einem integralen Bestandteil der erforderlichen Managementaktivitäten. 3) Im Zentrum sozialer Dienstleistungen stehen Interaktionen: – Die Kernleistung ist immateriell. – Produktion und Konsum fallen zusammen; daher sind sie in der Regel standortgebunden. – Die Effektivität der Dienstleistung ist gebunden an die Koproduktionsbereitschaft der Leistungsadressaten. – Die Dienstleistungen sind nur begrenzt standardisierbar, sondern müssen individuell ausgerichtet werden. Es handelt sich somit um »Vertrauensgüter«. Als Konsequenzen für das Managementhandeln sind insbesondere folgende Leitorientierungen zu verfolgen: – »Interaktionsqualität« in den Mittelpunkt stellen – Räumliche und mentale Distanz zum Nutzer reduzieren – Das Herstellen von Koproduktionsbereitschaft als Teil der Leistungserbringung profilieren – Individuelle Leistungserstellung ermöglichen und herausfordern, keine oder wenig unflexible »Standardprogramme« – Vertrauen erzeugen, insbesondere durch Marketing und Qualitätsbewertung 4) Das Erbringen sozialer Dienstleistungen ist geprägt durch einen hohen Grad an Unsicherheit bei Anforderungen und Handlungsprogrammen sowie entsprechend durch eine Dominanz des Typus »Zweckprogrammierung«, der jedoch nur sehr begrenzt Unsicherheit zu absorbieren vermag. Es bedarf daher der Installierung

kontinuierlich inszenierter und methodisch tragfähiger Reflexionsmodalitäten in der Organisation. 5) Bei Organisationen der Sozialen Arbeit als »front-line organizations« sind die für die Leistungserbringung wesentlichen Handlungsmodalitäten nur begrenzt und kaum intentional durch Managementhandeln steuerbar. Managementakteure müssen daher besonders Wert legen auf die Modalitäten Personalauswahl, Personalentwicklung und Personalbindung. Da sich die zentralen Prozesse im unmittelbaren Kontakt mit den Leistungsadressaten ereignen, also an den Schnittstellen von Organisation und äußerer Umwelt, und da diese Prozesse nicht der unmittelbaren Beobachtung und Steuerung durch Leitungspersonen zugänglich sind, muss Managementhandeln sich insbesondere auf »intelligente« (gut beobachtete und anschlussfähige) Formen der Kontextsteuerung ausrichten. 6) Als hochgradig politisch gesteuerte Organisationen kommt der Legitimation organisationalen Handelns gegenüber den jeweils relevanten Umweltsegmenten eine zentrale Bedeutung zu: Legitimation über Prozesse der Leistungserstellung, über durch die Leistungen ausgelösten Effekte, über eine normative Ausrichtung des Managements. Managementakteure sollten daher ein glaubwürdiges »Schaufenstermanagement« aufbauen: als anschlussfähiges Kommunikationsangebot an relevante Umweltsegmente bzw. Stakeholder. Ferner sind Erwartungen der institutionalisierten Umwelt im Organisationshandeln zu beobachten und bei der organisationsinternen Strukturbildung in einer für die jeweilige Organisation passenden Weise zu verarbeiten. 7) Organisationen der Sozialen Arbeit sind einer Vielzahl von Interessenträgern mit heterogenen Erwartungen ausgesetzt – mit der Folge, dass sie unterschiedliche, in Spannungen oder gar in Widersprüchen zueinander befindliche Handlungslogiken aufnehmen und balancierend verarbeiten müssen. Als Anforderung an Managementhandeln ist entsprechend festzuhalten: das Bemühen, Balancen zu erzeugen und aufrechtzuerhalten – Dynamiken beobachten und im Rahmen eines balancierenden »Spannungs- oder Paradoxiemanagements« reflexiv verarbeiten.

3 Steuerung als Managementfunktion und Leitungsaufgabe

3.1 Anspruch »Steuerung«: Selbstverständlich und fragwürdig zugleich Dass Organisationen »Steuerung« benötigen, sich also nicht nur im Vertrauen auf die eigenen Selbststeuerungspotenziale gleichsam »natürlich« so entwickeln, dass sie ihre Fortexistenz gewährleisten, ist selbstverständlich und gehört zum Alltagserleben einer jeden Person, die mit Organisationen zu tun hat, also eigentlich aller Menschen, die in einer »Organisationsgesellschaft« (Schimank 2005) wie der unseren leben. Der Steuerungsanspruch ist dem Managementbegriff inhärent: Es geht um eine betriebliche bzw. auf die Organisation bezogene Strukturierungsleistung. Der Begriff »Management« zielt auf die Steuerung von finanziellen, sachlichen und personellen Ressourcen einer Organisation oder einer betrieblichen Organisationseinheit, damit sie diejenigen Leistungen erbringen und diejenigen Zwecke realisieren kann, die der Organisation eine weitere Ressourcenzufuhr und damit die weitere Existenz ermöglichen. Damit die Strukturierung der Leistungserbringung und damit die Erzeugung von Wahrscheinlichkeit der Ressourcenzufuhr aus der Umwelt nicht der zufälligen Dynamik einer Organisation und ihrer Umweltbeziehungen ausgesetzt bleiben, muss eine Organisation in eine bestimmte Richtung gelenkt und bisweilen angesichts veränderter Bedingungen in eine andere Richtung geleitet, also »gesteuert« werden. »Steuerung« als bewusste Einflussnahme auf die Dynamik in einer Organisation und auf die Dynamik der Organisation-Umwelt-Bezüge ist eine zentrale Managementfunktion. Organisationen »institutionalisieren« diese Funktion in der Regel in bestimmten personellen Konstellationen. Sie schaffen für die Wahrnehmung von Managementaufgaben bestimmte Positionen (Strukturen) und ordnen ihnen Personen zu, denen sie Steuerungszuständigkeit und damit Leitungsverantwortung zusprechen. In personeller Hinsicht wird »Management« mit der entsprechenden Steuerungsfunktion als ein System gestufter Leitungsaufgaben verstanden, die positional dafür verantwortliche Managementbzw. Leitungspersonen realisieren müssen (Steinmann, Schreyögg u. Koch 2013, S. 6 f.). Die Selbstverständlichkeit des Steuerungsanspruchs wird vielfach begleitet von einem steuerungsoptimistischen Grundverständnis, in dessen Gefolge die Erwartung an Leitungspersonen adressiert wird, sie sollten solche Steuerungskompetenzen entwickeln und zur Geltung bringen, dass sie im Grundsatz »ihren Laden im Griff« haben. Sie sollen durch

ihr »Steuerungshandeln«, durch das Definieren von Regelungen und durch das offensive Durchsetzen dieser Regelungen dafür sorgen, dass eine Organisation verlässlich ihre Aufgaben erfüllt und dass die Aufgabenerfüllung der einzelnen Teilbereiche nach innen und nach außen kalkulierbar erfolgt. Zwar wird zugestanden, dass der Leitungsstil auch partizipativ geprägt sein soll, aber »unter dem Strich« besteht die Erwartung, dass die Leitungspersonen (unter Einbezug ihrer Mitarbeiter) Vorstellungen von adäquater Aufgabenerfüllung entwickeln und im Grundsatz in der Lage sind, mit geeigneten »Führungsmethoden« die Organisationsmitglieder und deren Handeln an solchen Vorstellungen auszurichten. Eine solche an »Steuerung« gebundene Erwartung wird nicht nur von außen oder von Vorgesetzten an Leitungspersonen gerichtet, sie entspricht auch dem individuellen Wunsch der meisten Leitungspersonen: Diese möchten die Organisation in einer bestimmten Weise prägen, »die Fäden ziehen«, »bestimmen, wo es langgehen soll«. Die skizzierte Erwartung an Steuerungshandeln steht in Zusammenhang mit einem in Kapitel 1.1 charakterisierten zweckrationalen Organisationsverständnis, das die Annahme einer grundlegenden intentionalen Steuerbarkeit einschließt. Entsprechend dem ebenfalls in Kapitel 1 dargestellten systemtheoretischen Verständnis der Organisation als ein soziales System dürfte deutlich sein, dass Steuerung nach dem impliziten mentalen Modell der sozialtechnischen Machbarkeit – intentionale Steuerung durch Definition und Durchsetzen von Organisationsregelungen – nicht funktioniert. Die Eigendynamik sozialer Systeme sorgt dafür, dass Steuerungsimpulse in jeder Organisation und in verschiedenen Konstellationen einer Organisation unterschiedlich aufgenommen und verarbeitet werden. Die Vorstellung einer intentionalen Steuerbarkeit von Organisation bricht sich an der Komplexität und an der damit einhergehenden Eigendynamik von sozialen Systemen. Auch die Alltagserfahrungen lassen die Selbstverständlichkeit von Steuerungserwartungen brüchig erscheinen: Leitungsimpulse gehen bisweilen ins Leere, werden von Organisationsmitgliedern in wesentlichen Teilen ignoriert; Personen widersetzen sich den Steuerungsimpulsen aktiv, oder diese werden durch andersartiges Handeln implizit außer Kraft gesetzt; die mit Steuerungsimpulsen angestrebten Effekte stellen sich nicht oder nur in kleinen Teilen ein; (ungeplante) Nebenwirkungen wirken stärker als der eigentliche Steuerungsimpuls; in einer bestimmten Situation (z. B. bei dem einen Team) und zu einem bestimmten Zeitpunkt treten bei einem ähnlichen Impuls andere Effekte ein als in einer anderen Situation (bei einem anderen Team) oder zu einem leicht veränderten Zeitpunkt u. a. m. Die Reaktion auf solche als Unzulänglichkeit des Steuerungshandelns interpretierten Erfahrungen besteht häufig darin, dass Leitungspersonen nach »besseren Hebeln« suchen, genauer planen, wirkungsvollere Impulse installieren, also insgesamt gezielter »nachsteuern« wollen. Auch wenn die Erwartung intentionaler Steuerbarkeit von Organisationen durch Alltagserfahrungen unterlaufen wird, so bleibt doch die Illusion von Wirkmächtigkeit – die »Illusion, Organisationen ließen sich nach systematischer Planung mit überdurchschnittlichem Engagement, hoher professioneller Kompetenz, geeigneter Beratung

und konsequenter Kontrolle zweckrational steuern« (Schmidt 2017, S. 76) – für Leitungspersonen verführerisch, aber eben nur eine Illusion. Selbstverständlichkeit und Fragwürdigkeit von Steuerungserwartungen gehen also Hand in Hand, sind in- und miteinander verfangen. Steuerungsanspruch und Steuerungserwartungen lassen sich nicht einfach ablehnen, weil dies eine Kapitulation gegenüber zufälligen Ereignissen und Entwicklungen wäre und weil eine Organisation sich dann als reiner Spielball von emergenten Entwicklungen darstellen würde, die sie kaum beeinflussen könnte. Andererseits bricht sich ein intensiv behaupteter Steuerungsoptimismus an dem erfahrungsgesättigten Wissen, dass zielgerichtete Steuerung in Organisationen nur sehr begrenzt möglich ist. Leitungspersonen müssen gestalten, intervenieren, Entscheidungen mit einer bestimmten Absicht bzw. mit bestimmten Zielen treffen, für Verlässlichkeit der Leistungserbringung sorgen, Zufälligkeiten in ihrer Bedeutung begrenzen, also steuern und sich nicht dem Fatalismus des »Es kommt, wie es eben kommt …« aussetzen. Aber welches Verständnis und welcher generelle Modus von Steuerung erscheint für komplexe soziale Organisationen angemessen? Die generelle Perspektive eines systemisch ausgerichteten Steuerungsverständnisses, das die skizzierte Spannung zwischen »Selbstverständlichkeit« und »Fragwürdigkeit« aufnimmt, hat Wimmer (2011) als einen kompetenten Umgang mit der Steuerungsparadoxie markiert und Management als »Steuerung des Unsteuerbaren« charakterisiert (ebd., S. 522): »Es geht letztlich immer darum, das Unsteuerbare zu steuern. Wir müssen gezielt Ergebnisse herbeiführen, ohne die Bedingungen des Erfolgs ernsthaft kontrollieren zu können – eine im Grunde unlösbare Aufgabe. Dafür braucht es eine Haltung kontinuierlicher Selbstbeobachtung und der kritischen Reflexion des Tuns, die Bereitschaft, eingespielte Routinen zu verlassen, zementierte Glaubenssätze und Denkinstrumente aufzubrechen … und verlässliche Muster für das Aufbrechen von Mustern zu etablieren.« Komplexität und Dynamik von und in Organisationen erzeugen eine Steuerungskomplexität, bei der unklar bleibt, zu welchem Zeitpunkt welche Impulse bei welchen Akteuren in welcher Weise aufgenommen, interpretiert und verarbeitet werden. Damit ist zwar die Erwartung, »die Organisation in den Griff zu bekommen«, obsolet, aber nicht der Steuerungsanspruch. Welche Implikationen die Formel der »Steuerung des Unsteuerbaren« beinhaltet und welche Interventionsmöglichkeiten mit Steuerungsoptionen entfaltet werden können, wird in den weiteren Ausführungen näher zu entfalten sein.

3.2 Das »traditionelle« Steuerungsverständnis – und dessen

fehlleitende Orientierungen Die »klassische Managementlehre« folgt der »Idee der plandeterminierten Unternehmenssteuerung« (Steinmann u. Schreyögg 2005, S. 131). Planung hat in diesen Steuerungsvorstellungen eine dominante Bedeutung: als »geistiger Entwurf der zukünftig zu erreichenden Ziele und der hierzu zu ergreifenden Maßnahmen« (ebd.). Steuerung umfasst zum einen die Entscheidung über Zwecke und Ziele und zum anderen die Festlegung von Modalitäten zu ihrer Umsetzung (Strukturen, Programme, Abläufe); dabei sollen die Maßnahmen logisch mit den Zwecken verkoppelt sein (rationale Zweck-Mittel-Bezüge) und als Soll-Vorgaben das Verhalten der Organisationsmitglieder individuell und als Bestandteile von Organisationssegmenten (Teams, Abteilungen, Arbeitsgruppen etc.) lenken. Sicherlich müssen Steuerungsakteure immer mit der »Organisationswirklichkeit« rechnen: dass Organisationsmitglieder Programme unzulänglich umsetzen, sich also nicht ausreichend an Soll-Vorgaben halten, dass Ziele nicht ausreichend im Blick behalten werden oder im Alltag von anderen Dynamiken überlagert werden, dass in Umsetzungsprozessen Störungen deutlich werden und geplante Abläufe behindern etc. Hier gilt es eben, über Formen der Kontrolle das Verhalten von Organisationsmitgliedern plangerecht zu korrigieren. Steuerung vollzieht sich in einem plandeterminierten Verständnis vor allem • in der Konzipierung von Zielen und darauf bezogenen Umsetzungsmodalitäten als in Soll-Vorgaben gesetzte Entscheidungen sowie • in der Umsetzungskontrolle und in der damit einhergehenden zielgerichteten Beeinflussung von Organisationsmitgliedern hin zu einem planungsadäquaten Verhalten. Planung und Differenzminimierung durch Leitungspersonen sind die zentralen Bezugspunkte dieses Verständnisses von Steuerung. Berechenbare und kontrollierbare Abläufe werden konzipiert, Differenzen zu den geplanten Abläufen werden festgestellt, und durch gezielte Interventionen wird dafür gesorgt, dass die Differenz zwischen Plan und Realität verkleinert, im Idealfall auf null gebracht wird. Leitungspersonen können – so die Annahme – gezielt steuern (und verändern), weil sie sich als »Gegenüber« zur Organisation betrachten, weil sie die Organisation als Objekt ihres Steuerungshandelns konzipieren. »Diese Auffassung von Management stellt die Beherrschung der Aufgaben und Menschen in den Mittelpunkt und agiert nach dem Prinzip ›predict and control‹.« (Boos u. Mitterer 2014, S. 86.) Die skizzierte Denkfigur zur »Steuerung«, die sich an einem zweckrationalen Organisationsund Steuerungsverständnis ausrichtet, ist nicht nur in Lehrbüchern der »klassischen« Betriebswirtschaftslehre zu finden, sondern geht bisweilen auch in solche Darstellungen ein, deren Autoren ihren Ansatz ausdrücklich als einen »systemischen« charakterisieren, so u. a. im »Freiburger Management-Modell für Nonprofit-Organisationen« (Lichtsteiner et al. 2015;

insbes. S. 36 ff.), das im Umfeld des Sozialmanagements rezipiert wird (u. a. Maelicke 2013; Schneider u. Minnig 2011; Wöhrle 2009, S. 168). Der Planung wird eine zentrale Funktion zugeordnet für eine »Systemsteuerung« zur »verbindliche(n) Festlegung vereinbarter SollVorgaben und deren Umsetzungskontrolle mit Unterstützung des Controllings« (Lichtsteiner et al. 2015, S. 104). Planung wird konzipiert als »systematischer Prozess 1) zur inhaltlich, zeitlich und organisatorisch koordinierten, auf der Grundlage von strukturierten Analysen zur Früherkennung von Chancen und Gefahren im Umfeld sowie des Ist-Zustands (Stärken, Schwächen) der NPO im Wettbewerb erfolgenden 2) Festlegung einer Gesamtheit von Entscheidungen, 3) deren Ergebnisse als Soll-Vorgaben das Handeln und Verhalten der NPO in der Zukunft lenken« (ebd.) »Planung erfolgt auf verschiedenen Ebenen, um ein vollständiges, in sich konsistentes Planungs- und Controlling-System zu schaffen, das mittels Management-Instrumenten … schriftlich festgehalten und fixiert wird.« (ebd., S. 105.) Deutlicher können das Bestreben und der Optimismus, die Prozesse einer Organisation mittels möglichst präziser Steuerung in den Griff bekommen zu können, kaum formuliert werden – und das ist bemerkenswert: im Rahmen eines selbst proklamierten »System«Ansatzes und mit einem den Systembegriff verwendenden Vokabular! Nach den Ausführungen zum Organisationsverständnis in Kapitel 1 dürften die Irrtümer eines Verständnisses von planungsdeterminierter Organisationssteuerung auf der Hand liegen: Weder sind diejenigen bedeutsamen Entwicklungen in der Umwelt einer Organisation, die für die Formulierung von Organisationszielen ausgewertet werden sollen, in verlässlicher Weise verstehbar und prognostizierbar, noch sind organisationsinterne Prozesse programmierbar und dadurch beherrschbar. Im Planungshandeln werden diffuse Signale aufgenommen, die immer wieder situativ gedeutet werden müssen, und bei jedem über Planung transformierten Steuerungsimpuls sind die Folgen nicht präzise absehbar und daher letztlich nicht unter Kontrolle zu bringen. Planung und daraus abgeleitete Steuerungsimpulse setzen a) Deutungsnotwendigkeit voraus und müssen b) situativ ausgerichtet sein, wobei ein situationsadäquates Steuerungshandeln mit dem Dilemma von zu erreichender Kontinuität und Berechenbarkeit einerseits und Situativität und Flexibilität andererseits umgehen muss. Planung als vermeintlicher Ausgangspunkt von Steuerung muss also im Prozess des Organisierens immer wieder in Vorgängen der Selektion, der Retention, des Unterscheidens (Weick 1995) erneuert und mit veränderten Zwischenergebnissen gespeist werden. Planung ist charakterisiert als eine »unsichere Selektion« (Steinmann u. Schreyögg 2005, S. 150), die zur Komplexitätsbewältigung notwendig ist, aber es ist eine »beobachtungsbedürftige Systemaktivität« (ebd., S. 151), weil kontinuierlich beobachtet und

bewertet werden muss, welche Folgen die in Planung enthaltenen Selektionsleistungen mit sich bringen und ob die Selektionsleistungen den nachfolgenden Wahrnehmungen zur Entwicklung der Umwelt und der organisationsinternen Prozesse angemessen waren. Planung zum Ausgangspunkt von Steuerung zu deklarieren, und dies mit einem wenig prozessbezogenen und einseitig auf Steuerungsakteure ausgerichteten Planungsverständnis, impliziert ein Konzept von »Steuerung«, das der Eigenkomplexität und der Dynamik von sozialen Systemen nicht gerecht wird und das die vergebliche Suche nach immer besseren und präziser wirkenden »Hebeln« zur intentionalen, zweckrationalen Steuerung der Organisation auslöst, an der die Protagonisten aber letztlich scheitern müssen – eine Suche, die sich der Figur des »Sisyphos im Management« (Kühl 2015b) annähert. Neben dem problematischen Planungsverständnis ist die Positionierung der Leitungspersonen als Steuerungsakteure im Verhältnis der zu steuernden Organisation eine weitere Schwachstelle des planungsdeterminierten Steuerungsverständnisses. Die Verortung von Managementakteuren als »das steuernde Gegenüber der Organisation« (Jung u. Wimmer 2014, S. 108) impliziert eine Subjekt-Objekt-Unterscheidung, die die reale Wechselseitigkeit des Steuerungsgeschehens nicht adäquat aufnimmt. Steuerungsimpulse sind kommunikative Vorgänge innerhalb des Organisationssystems, die von Personen ausgehen und von anderen Personen in spezifischer Weise aufgenommen, verarbeitet und kommunikativ beantwortet werden müssen. Die Steuerungsakteure bewegen sich mit ihren Kommunikationsimpulsen somit in dem gleichen sozialen System wie diejenigen, von denen die Impulse aufgenommen und wiederum zu Kommunikationen in der Organisation verarbeitet werden. Es »steuern« also nicht nur Leitungspersonen durch ihre Kommunikation die Mitarbeiter, sondern es steuern auch die Mitarbeiter durch die Verarbeitung der Kommunikationsimpulse und durch ihre Kommunikation sowohl die Prozesse in der Organisation als auch das Verhalten von Leitungspersonen. Insofern ist »Steuerung« ein wechselseitiges Geschehen innerhalb der Kommunikationsdynamik der Organisation. Steuerung der Organisation geht nicht nur von der Position der hierarchisch höher gestellten Leitung aus, sondern kommt auch durch Kommunikationen anderer Organisationsakteure zustande. Würde man »Steuerung« vornehmlich an der Spitze der Organisation verankern, wäre dies zum einen unter empirischen Gesichtspunkten fragwürdig: Es gehört zum Alltagserleben in Organisationen, dass sich mit zunehmender Komplexität einer Organisation Subsystem herausbilden (dezentrale Organisationeinheiten: Regionalteams, Teams, Arbeitsgruppen, abgegrenzte Arbeitseinheiten etc.), mit deren Selbststeuerung zu rechnen ist und bei denen nicht verlässlich kalkulierbar ist, ob, in welcher Weise und mit welchen Brüchen deren Ankoppelung an das Organisationssystem gewährleistet und herausgefordert werden kann. Zum anderen wäre eine vornehmlich zentrale Steuerung nur begrenzt wünschenswert: Die Organisation ist auf Selbststeuerungsaktivitäten der dezentralen Organisationseinheiten angewiesen: Denn die dezentral vorhandenen (Fach-)Kompetenzen und Interaktionen an den Schnittstellen zur Umwelt sowie die Kompetenzen zur Bearbeitung unvorhergesehener

Anforderungen werden dringend für eine adäquate Leistungserstellung der Organisation benötigt. Auch weil in »front-line organizations« die Organisationsmitglieder, die an der Grenze zur Umwelt tätig sind, wesentliche Informationen aus der Umwelt erhalten und für die Organisation verarbeitungsfähig machen können und weil diese Organisationsmitglieder bei der Leistungserbringung eine relativ hohe Autonomie herausbilden müssen, wäre eine Verortung von »Steuerung« vornehmlich an der Spitze der Organisation dysfunktional. Wenn also ein planungsdeterminiertes, primär auf die Organisationsspitze fokussiertes, in einem impliziten Subjekt-Objekt-Verständnis eingebundenes Konzept von Steuerung weder theoretisch und empirisch tragfähig ist, der Anspruch einer Steuerung als einer bewussten Einflussnahme auf die Bewegungsmodalitäten einer Organisation aber nicht aufgegeben werden kann und soll, dann ist genauer zu bestimmen, was ein »systemisches Verständnis« zur Steuerung in Organisationen genauer ausmacht, wie es in der Formel einer »Steuerung des Unsteuerbaren« zum Ausdruck kommt.

3.3 »Steuerung« systemtheoretisch gedacht Einige Aspekte, die ein systemtheoretisch basiertes Verständnis von »Steuerung« charakterisieren, sind in der gerade formulierten Kritik am planungsdeterminierten Steuerungsbegriff bereits angedeutet worden: • Steuerung ist ein wechselseitiges Kommunikationsgeschehen in Organisationen, das nicht allein von der Organisationsspitze ausgeht. • Steuerung kann nicht mit »automatischen Effekten« im Verhalten von Organisationsmitgliedern rechnen, sondern rechnet mit der aktiven Verarbeitung von Kommunikationsimpulsen durch die »gesteuerten« Organisationsmitglieder bzw. von Organisationsmitgliedern, die in »gesteuerte« Prozesse (aktiv beteiligt oder beobachtend) einbezogen sind. • »Steuerung« vollzieht sich nicht nur an der Spitze einer Organisation und geht nicht nur von der »obersten Leitung« aus, sondern vollzieht sich an unterschiedlichen Stellen der Organisation, indem dezentrale Organisationseinheiten Entscheidungen treffen und Kommunikationsvorgänge initiieren, welche mit Auswirkungen auf die Gesamtdynamik der Organisation verbunden sind. Je komplexer Organisationen sind, desto eher bildet sich ein differenziertes Steuerungsgefüge heraus. Eine Aufgabe der oberen Leitungsebene besteht darin, Steuerungsimpulse so zu verknüpfen, dass die Organisation insgesamt ein Profil erhält und wahrt und dass zentrifugale Dynamiken keine zu starke Bedeutung erlangen. • Die Personen, die »steuern« bzw. denen eine Steuerungsverantwortung zugewiesen wird, richten ihre Steuerungsaktivitäten nicht auf ein Objekt, das ihnen entgegentritt,

sondern ihre Aktivitäten sind Bestandteil der Steuerungskommunikationen. Entsprechend schließt eine Beobachtung von Steuerungsaktivitäten und deren Verarbeitung durch die Leitungsperson notwendigerweise die Selbstbeobachtung ein. Denn »Management ist nie das steuernde Gegenüber der Organisation«, sondern beeinflusst »durch jeden Steuerungsversuch immer auch die Bedingungen der eigenen Möglichkeiten« (Jung u. Wimmer 2014, S. 108). Leitungspersonen sind Teil des »Geschehens, auf das sie durch ihre Führungsimpulse Einfluss zu nehmen versuchen« (Wimmer 2012b, S. 47.) Steuerung in einer Organisation markiert den Versuch, auf der Grundlage von Beobachtungen (zur Umwelt und zu den organisationsinternen Prozessen) Kommunikationsimpulse einzubringen, die in der Organisation anschlussfähig sind, also aufgenommen und weiterverarbeitet werden, und dadurch Entscheidungen herbeizuführen, aufgrund derer Unsicherheit über adäquates Handeln reduziert und tragbar gemacht wird sowie die Überlebensfähigkeit der Organisation wahrscheinlicher erscheint. Zur Wahrnehmung der für eine Organisation überlebenswichtigen Funktion der Steuerung haben Organisationen eine Strukturebene ausdifferenziert: »Führung« bzw. »Leitung«. Jedoch darf nicht kurzschlüssig »Führung« auf einige oder wenige Personen verkürzt werden. Je komplexer Organisationen sind, desto differenzierter werden verschiedene Führungsaufgaben verteilt und zugeordnet, und die Steuerungsaufgaben werden in einem differenziertem »Führungssystem« verarbeitet. Anschlussfähig sind Steuerungsimpulse dann, wenn sie Anschlusskommunikationen in der Organisation auslösen. Dies ist nicht mit »Akzeptanz« von Steuerungsimpulsen oder Entscheidungen zu verwechseln (Boos u. Mitterer 2014, S. 85). Auch Störungen – Irritationen oder Konflikte auslösende Impulse – können höchst wirksam sein, indem sie in der Organisation aufgenommen und in Kommunikationen bearbeitet werden: manchmal mit als produktiv bewerteten Auswirkungen (»sie haben die Organisation, die Kooperation, die fachliche Arbeit etc. weitergebracht«) – manchmal mit als ineffektiv empfundenen Folgen (»sie haben von der Arbeit abgehalten, unnötige Konflikte erzeugt, unnötigen Aufwand mit sich gebracht« etc.). Die Effekte von Steuerungsimpulsen sind also nicht absehbar. Um die Wahrscheinlichkeit »produktiver« Impulsgebung in der Steuerung zu erhöhen, bedarf es der Beobachtungen und der daraus abgeleiteten Hypothesen zur Anschlussfähigkeit und zur Wirkungsoption bestimmter Impulse.7 »Die Schleife ›beobachten – nachdenken – handeln – beobachten‹ zu nutzen erhöht die Wahrscheinlichkeit, als Manager wirksam zu werden.« (Boos u. Mitterer 2014, S. 44). Aufgrund des hypothetischen Charakters von Annahmen und von daraus abgeleiteten Steuerungsimpulsen ist »Beobachtung« eine zentrale Anforderung an Steuerungshandelnde: Eine zentrale Funktion der Führung liegt darin, die eigenen Beobachtungsmöglichkeiten zum organisationsinternen Geschehen und zu den relevanten Organisationsumwelten »dazu zu nutzen, um für den jeweiligen Verantwortungsbereich passende Entwicklungsimpulse zu setzen« (Wimmer 2012b, S. 50).

Das Beobachten und Setzen von Entwicklungsimpulsen richtet sich auf die drei zentralen Entscheidungsprämissen in Organisationen: Programme, Kommunikationswege, Personen (Kapitel 1; Kapitel 4; Kapitel 10). Auch muss die »Organisationskultur« als »nicht entscheidbare Entscheidungsprämisse« (Kapitel 1; Kapitel 5) insofern in die Beobachtung und in die Vermittlung von Steuerungsimpulsen einbezogen werden, als diese zwar nicht intentional beeinflussbar, aber wirksam (im Sinne von Kommunikation beeinflussend und auslösend) ist. »Mit dieser Paradoxie – der Notwendigkeit, Kultur zu verändern, ohne sie direkt beeinflussen zu können – muss erfolgreiches Management zurechtkommen.« (Boos u. Mitterer 2014, S. 59.) Steuerung ist darauf ausgerichtet, Entscheidungen herbeizuführen sowie die Folgen bzw. die Verarbeitung von Entscheidungen zu beobachten und zu bewerten und daraus wiederum Anschlussentscheidungen zu erzeugen. Hier ist zum einen zu differenzieren zwischen »Entscheidungen der Leitungspersonen« und »Entscheidungen der Organisation« (ebd., S. 42): »Entscheidungen des Managements sind nicht zwangsläufig Entscheidungen der Organisation. Kein Management kann der Organisation ihre [sic!] Entscheidungen aufzwingen. Manager können durch ihr Handeln Organisationen anregen. Nicht mehr und nicht weniger.« In der Organisation werden Entscheidungen der Leitungsebene in einer bestimmten Form bearbeitet, die im Grundsatz nicht präzise vorhersehbar, sondern nur auf der Grundlage von Beobachtung wahrscheinlicher gemacht werden kann. Zum anderen ist die Form der Entscheidungsfindung damit noch nicht benannt: Entscheidungen in einer Organisation herbeizuführen heißt nicht, dass Leitungspersonen diese Entscheidungen selbst treffen, sondern »lediglich« dafür sorgen müssen, dass Entscheidungen getroffen werden (mehr oder weniger partizipativ, eher »expertokratisch« oder eher demokratisch etc.). Entscheidungen werden immer getroffen, auch dann, wenn sie vermeintlich nicht getroffen werden: Auch die vermeintliche »Nichtentscheidung« ist eine Entscheidung für Unklarheit. In Organisationen sollte entschieden werden, wann Entscheidungssituationen bewusst vage oder offen bleiben sollen (um Prozesse abzuwarten und zu beobachten; um vorgängige Entscheidungen und Entwicklungen abzuwarten etc.) und wann explizite Entscheidungen getroffen werden sollen, um Klarheit zu erzeugen und Optionen für Anschlussentscheidungen zu markieren. Steuerung bedeutet somit einen bewussten und reflexiven Umgang mit der Herbeiführung von Entscheidungen. Steuerung in Organisationen hat in doppelter Weise mit dem Phänomen »Unsicherheit« zu tun: Steuerung ist selbst mit Unsicherheit konfrontiert, weil Steuerungsakteure in ihrem Handeln nicht verlässlich auf Kriterien für »richtiges«, wirksames Intervenieren bauen

können; und gleichzeitig bedarf es des Steuerungshandelns, damit in der Organisation trotz bestehender Unsicherheiten einigermaßen verlässlich gearbeitet werden kann und einigermaßen verlässliche Leistungen erbracht werden können. »Steuerung in und von Organisationen muss immer mit den Kräften der Selbstorganisation rechnen und ist damit in vielen Fällen überfordert. Immer muss sie gegen die Kräfte der Selbstorganisation anarbeiten – oder sie sich zunutze machen. Oft muss sie Gegensteuerung sein, ohne jedoch die Gegenkräfte und -wirkungen sicher absehen zu können.« (Ortmann 2012, S. 160.) Steuerungsakteure bewegen sich immer in einem Raum von Unsicherheiten, den sie letztlich nicht genau kalkulieren können, in dem sie auf der Grundlage von Hypothesen handeln müssen und in dem Reaktionen auf ihre Steuerungsversuche nur sehr bedingt prognostiziert werden können. Insofern bedeutet »Führung/Leitung« die Bewältigung der paradoxen Anforderung, »in einem grundsätzlich nicht beherrschbaren Feld kalkulierbare Wirkungen zu erzeugen« (Willke, zit. nach Wimmer 2012b, S. 52). Gleichzeitig müssen Steuerungsakteure in diesem Unsicherheitsraum handeln, weil die Handelnden Leistungen erstellen und damit die Überlebensfähigkeit der Organisation zu gewährleisten versuchen müssen. Steuerung über »Führung sorgt laufend dafür, bestehende Unsicherheiten über adäquate Entscheidungen in gemeinsame Handlungssicherheit zu verwandeln und dabei für eine Übernahme von Verantwortung für die eingebauten Risiken zu sorgen« (ebd., S. 54). Um diese Funktion der Herbeiführung von Arbeitsfähigkeit durch Unsicherheitsreduktion erfüllen zu können, benötigen die Steuerungsakteure (Leitungspersonen) »eine organisationsintern akzeptierte Asymmetrie in den Beziehungen, ein Oben und Unten zwischen den Mitgliedern eines Verantwortungsbereichs« (ebd.). Die Asymmetrie darf also nicht nur durch Strukturen (normierte Kommunikationswege) geschaffen sein, sondern muss durch die Art des Steuerungshandelns sozial zugeschrieben und bestätigt werden. Es geht um die Zuschreibung von Autorität, durch die den Steuerungsakteuren die Option gegeben wird, Handlungsunsicherheit in der Organisation wirkungsvoll zu absorbieren. »Es zählt zu der besonders herausfordernden Eigenart von Führung, dass sie durch die Art ihrer Ausübung für diese Asymmetrie organisationsintern die erforderliche Akzeptanz und Glaubwürdigkeit schafft. (…) Führung muss sich diese höchst störungsanfällige Einflussdifferenz von Tag zu Tag neu verdienen.« (ebd., S. 55.) In dem Bemühen, durch anschlussfähige Steuerungsimpulse Unsicherheit zu absorbieren und

Entscheidungen herbeizuführen, durch die die Organisation leistungsfähig wird und bleibt, folgt Steuerungshandeln der Leitorientierung, die Selbststeuerung der Organisation zu ermöglichen, zu fördern und herauszufordern. Die Chance für Leitungspersonen, über anschlussfähige Steuerungsimpulse tragfähige Entscheidungen herbeizuführen, wächst, wenn innerhalb der Organisation die Selbstbeobachtungs- und Selbstreflexionspotenziale so herausgebildet und aktiviert sind, dass die Organisation in die Lage versetzt ist, »die Selektivität des eigenen organisationalen Entscheidungszusammenhangs laufend mit zu beobachten« (Wimmer 2011, S. 538).

3.4 Möglichkeiten zur Steuerung in und von Organisationen Wie bereits benannt, richten sich die Steuerungsimpulse inhaltlich auf die drei zentralen Bündel von Entscheidungsprämissen (Abb. 4): • Programme: Die Organisation definiert ihre Erwartungen an »richtiges« Verhalten – sowohl in fachlich-methodischer Hinsicht, hinsichtlich der Arbeitsformen und im Hinblick auf administratives Handeln oder auf ökonomischen Umgang mit Ressourcen oder hinsichtlich des Verhaltens im Kontakt mit anderen Organisationen etc. • Kommunikationswege: Hier geht es um formelle und informelle Strukturen und Prozesswege, die eingehalten werden sollen, damit Entscheidungen sowie Arbeitsweisen und deren Ergebnisse in der Organisation Anerkennung finden. • Personal: Kriterien der Qualifikation und der persönlichen Eignung werden festgelegt, die für notwendig erachtet werden, damit eine Organisation die ihrem Zweck entsprechenden Leistungen erbringen kann und – orientiert an diesen Kriterien – Personalauswahl, Personalbeurteilung und Personalentwicklung erfolgen können. Dieses Bündel von Entscheidungsprämissen enthält das größte Potenzial an Unsicherheit und Unvorhersehbarkeit, weil es hier um die Ankoppelung autonomer psychischer Systeme an das Organisationssystem geht und dies immer mit relativ hohen Risiken behaftet ist. Gleichzeitig stellt die Entscheidungsprämisse »Personal« für die Soziale Arbeit eine zentrale Schaltstelle für »Qualität« dar. Denn Organisationen, die soziale Dienstleistungen (insbesondere im sozialpädagogischen Bereich) erbringen, sind in den konkreten, die Leistung auslösenden Situationen überwiegend mit Nichtwissen konfrontiert und müssen daher dem handelnden Personal viel Vertrauen in die situative Handlungskompetenz entgegenbringen und viel Verantwortung zusprechen. Zudem muss Steuerungshandeln mit der Organisationskultur als »unentscheidbarer Entscheidungsprämisse« rechnen: Es muss die Organisationskultur einerseits als wirksamen

Faktor bei der Aufnahme und Verarbeitung von Steuerungsimpulsen reflektieren und sie andererseits als Zielpunkt von Gestaltungsimpulsen sehen und dabei einkalkulieren, dass sie als emergentes Phänomen nicht direkt und intentional beeinflussbar ist (Kapitel 5). Für ein Steuerungshandeln, das auf diese drei Bündel von Entscheidungsprämissen – unter Einbezug der »Organisationskultur« als unentscheidbarer Entscheidungsprämisse – gerichtet ist, eröffnen sich im Grundsatz zwei Steuerungsmodalitäten: reflexive Steuerung und Kontextsteuerung (Abb. 4):

Abb. 4: Ansatzpunkte für Steuerung in Organisationen

Reflexives Steuerungshandeln resultiert aus folgender Erkenntnis: Der Kontext, in dem Steuerungsimpulse auf ein soziales System treffen, ist nur ebenso begrenzt erkundbar, wie die Art der Verarbeitung dieser Steuerungsimpulse unkalkulierbar bleibt, und entsprechend erfolgt die Impulsgebung auf der Grundlage von Beobachtung und immer von (begründeten, Steuerungshoffnung vermittelnden) Hypothesen. Reflexive Steuerung bedeutet dann gemäß Merchel (2018a), • auf der Grundlage von Beobachtungen Hypothesen zu formulieren, welche Impulse auf der Basis welcher Steuerungshoffnung welche Wirkung haben könnten, also anschlussfähig zu den bisherigen Logiken und Kommunikationsmodalitäten sein könnten; • entsprechende Impulse zu setzen (Konzepte erarbeiten, Gespräche initiieren,

Verfahrensweisen entwickeln, Arbeitsanweisungen geben, Strukturen vorgeben etc.), durch die ein bestimmtes beabsichtigtes Verhalten »wahrscheinlicher« gemacht werden soll; • Kontextbedingungen zu schaffen, damit die gewünschten Verhaltensweisen (»gutes sozialpädagogisches Handeln; gute Leistungserbringung«) realisiert werden können und deren Herausbildung unterstützt wird; • die Verarbeitung der Gestaltungsimpulse und die Wirkungen des jeweiligen interaktionalen, organisationalen und sozialpolitischen Rahmens zu beobachten und auszuwerten im Hinblick auf die den Impulsen zugrunde gelegten Absichten und Hypothesen; • in einem kontinuierlichen, durch Reflexion begleiteten Steuerungsprozess aus der Reflexion zu den Beobachtungen wiederum weitere Steuerungsimpulse zu gewinnen, die die vorherigen korrigieren, verändern, bestätigen oder festigen …, worauf die dann gesetzten Steuerungsimpulse wiederum zu beobachten und auszuwerten sind, und so weiter. In Ergänzung dazu steht »Kontextsteuerung«: als Versuch, auf Konstellationen einzuwirken, die im Umfeld einer Steuerungsabsicht bedeutsam sind, und auf diese Weise die Organisationsakteure zu veranlassen, sich mit einem bestimmten Thema oder einer bestimmten Steuerungsabsicht auseinanderzusetzen. Dies kann z. B. erfolgen durch kontinuierliches Einbringen und Artikulieren eines Themas in Konferenzen und Teamgespräche, durch organisationsinterne Fortbildungen, durch Bindung an bestimmte Bedingungen beim Bereitstellen von Ressourcen, durch Überarbeitung und Akzentuierungen in Handlungsprogrammen etc. Auch hier bedarf es der aufmerksamen Beobachtung und reflexiven Begleitung der Art, in der die kontextbezogenen Steuerungsimpulse aufgenommen und verarbeitet werden. Um den Ansatzpunkt der Kontextsteuerung etwas plastischer werden lassen, soll er an einem Beispiel (Thema »Rückführung von Kindern aus der Heimerziehung in die Herkunftsfamilie« in einem Jugendamt/Allgemeinen Sozialen Dienst, ASD) plausibilisiert werden (Merchel 2018a, S. 582 f.):

Praxisbeispiel Möchte die ASD-Leitung eines Jugendamtes dem Thema »Rückführung von Kindern aus der Heimerziehung in die Herkunftsfamilie« mehr Bedeutung geben (also die Praxis des ASD stärker in diese Richtung »steuern« – im Sinne einer fachlichen und organisationsbezogenen Steuerung), so wird der unmittelbare Steuerungsversuch über Dienstanweisung (administrative Steuerung) vermutlich wenig Erfolg versprechend sein. »Kontextsteuerung« würde sich hier u. a. darin zeigen, • dass dem Thema kontinuierlich und allmählich Bedeutsamkeit in den Reflexionen zugeordnet wird, • dass entsprechende Haltungen und Kompetenzen der Mitarbeiter beobachtet und bewertet werden (Wie wirken sich Haltungen von Mitarbeitern zu Herkunftsfamilien aus? Wie kann dies angesprochen und erörtert werden?), • dass organisationskulturelle Implikationen und Hindernisse im Hinblick auf das Thema (z. B. implizite Bewertungen zur »Rechtzeitigkeit« des Handelns, implizite Normen im Hinblick auf »gute Familie« oder »gutes Heim« etc.) beobachtet und reflexiv verarbeitet werden, • dass Ressourcen für eine praktische Verarbeitung des Themas zur Verfügung gestellt werden (z. B. Mittel für eine In-House-Fortbildung zur Diskussion des Themas), • dass bestehende Handlungsprogramme (methodische Handlungsansätze, Interpretationen zur Lebenssituation von Familien etc.) in ihrer Bedeutung für das Thema überprüft werden, • dass die Handhabung von Handlungsprogrammen in dezentralen Organisationseinheiten (ASD-Teams) beobachtet, ausgewertet (evaluiert) und zum Gegenstand von Erörterungen gemacht wird etc. Über Impulse, die auf das Umfeld (den »Kontext«) einer Steuerungsabsicht zielen, soll das System (ASD, ASD-Teams) veranlasst werden, sich über unterschiedliche Zugänge mit dem Steuerungsthema »Rückführung in die Herkunftsfamilie« auseinanderzusetzen, sich dieses Thema anzueignen und Lösungen zu finden, die zu den Kommunikations- und Entscheidungsmodalitäten im System (Jugendamt; ASD; ggf. Kooperationsbezüge ASD und Einrichtungen) passen und daher eine größere Chance zur Umsetzung haben als eine direktive Dienstanweisung, deren Verarbeitung im System vermutlich nicht so vonstattengeht, wie es die Steuerungsakteure beabsichtigen, und bei der die Gefahr besteht, dass implizite Widerstände, Widersprüche und Nebenfolgen das Thema so belasten, dass es möglicherweise für einen längeren Zeitraum für die Organisation »verbrannt« ist, dass also nur wenig produktive Auseinandersetzungen mit diesem Thema erfolgen. Insbesondere im Zusammenhang der Kontextsteuerung liegt ein bildhafter Vergleich nahe, mit dem Wimmer und Schumacher (2014, S. 222) die Tätigkeit von Leitungspersonen als

»Steuerungsakteuren« in einer Organisation kennzeichnen: »Die Steuerung eines Unternehmens (bzw. einer Organisation; Anm. S. G./J. M.) ist allenfalls mit der Tätigkeit eines Gärtners vergleichbar: Man kann Rahmenbedingungen schaffen, die im Sinne einer indirekten Steuerung Möglichkeiten bieten, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sich das Unternehmen (bzw. die Organisation; Anm. S. G./J. M.) in die gewünschte Richtung entwickelt.« Ein anderes Bild, das eine ähnliche Intention erkennen lässt, verwendet Seliger, wenn sie Leitungsinterventionen als Versuche kennzeichnet, »ein lebendes System zur Bewegung in eine gewünschte Richtung zu verführen« (Seliger 2013, S. 84). Solche Bilder zur systemischen Steuerung sind weit weg vom »Macher-Mythos«, der implizit »Führungskräfte zu Sozialingenieuren (stilisiert), die ihre Unterstellten als Maschine oder Objekte betrachten, für deren reibungsloses Funktionieren sie verantwortlich sind« (Blessin u. Wick 2014, S. 210) – ein Bild, das Erwartungen auslöst, an dem Leitungspersonen von vornherein scheitern müssen. Um eine Anschlussfähigkeit der Steuerungskommunikation wahrscheinlicher zu machen, sollten im Rahmen der reflexiven und kontextbezogenen Steuerungsmodi vier Dimensionen beachtet und in die Steuerungskalküle einbezogen werden (Boos u. Mitterer 2014, S. 46 f.). Steuerungsimpulse enthalten und wirken • in einer inhaltlichen Dimension: Abzuwägen ist die Sachebene der Intervention. Auf welche sachlichen Entscheidungen zielen die Steuerungsimpulse? • in einer sozialen Dimension: Hier geht es um Personen (Interessenträger, Betroffene), die von Entscheidungen und deren Auswirkungen betroffen werden bzw. einbezogen sind. Welche Personen fühlen sich von dem Steuerungsimpuls berührt? Mit wem muss in welcher Weise die Kommunikation gesucht werden? Welche Interessen in Bezug auf den Steuerungsimpuls könnten die Personen haben, und wie muss die Kommunikation entsprechend gestaltet sein? • in einer zeitlichen Dimension: Der richtige Zeitpunkt, an dem ein Steuerungsimpuls eingebracht wird, und die richtige Abfolge von Interventionen sind zu reflektieren. Wann kann ein Steuerungsimpuls eingebracht werden, sodass er die Chance einer produktiven Aufnahme hat? Wie sind einzelne Interventionen am besten zeitlich zueinander zu platzieren? • in einer räumlichen Dimension: Hier geht um den möglichen Einfluss der örtlichen Gegebenheiten auf die steuerungsintentionale Kommunikation. An welchem Ort lassen sich Kommunikationen über Steuerungsintentionen am besten vermitteln und erörtern? Welche Orte wirken in welcher Weise kommunikationsbehindernd oder -

fördernd? Welche räumliche Ausstattung hat für welche Form der steuerungsrelevanten Kommunikation welche potenzielle Wirkung? Der Einbezug dieser vier Dimensionen in die Steuerungskommunikation kann für eine reflexive Ausrichtung der Steuerungsinterventionen Orientierung geben. Dabei ist immer der Zusammenhang zu vorhergehenden Interventionen mitzudenken: Jeder Steuerungsversuch steht im Kontext einer »Interventionsgeschichte« in der Organisation, die die verschiedenen Beteiligten jeweils unterschiedlich empfinden und interpretieren. Diese »Interventionsgeschichte« und deren mögliche Auswirkungen auf das aktuelle Steuerungsgeschehen sollten als Teil einer reflexiven Steuerung einbezogen werden. In Organisationen der Sozialen Arbeit ist häufig »Kontrolle« ein kontroverses, bisweilen mit starken Emotionen verbundenes Thema, wenn es um Steuerung durch Leitungspersonen geht. Als Kontrolle wird nicht nur eine unangenehme personengebundene Überwachung empfunden, die als mangelndes Vertrauen gegenüber den Fähigkeiten und der Loyalität einer Person bzw. eines Teams erlebt wird. Kontrolle durch hierarchisch höher stehende Leitungspersonen wird auch als Widerspruch zur professionellen Autonomie interpretiert: Beim Typus der »professionellen Organisation« vollzieht sich die Kontrolle der professionellen Arbeit in kollegialen Konstellationen und weniger in Kontexten hierarchiegeprägter Steuerung (Klatetzki 2005, S. 272 ff., und 2012, S. 170 ff.). Daher wird in professionsgeprägten Organisationen – und Organisationen Sozialer Arbeit können diesem Typus zugerechnet werden – Kontrolle als personen- und handlungsorientierter Überprüfungsmodus als Thema mit Konfliktpotenzial behandelt. In einem systemtheoretisch geprägten Konzept hat Kontrolle eine wichtige Bedeutung als Bestandteil von reflexiver Steuerung: »Kontrolle ist die Selbstbeobachtung eines Systems nach Steuerungsversuchen.« (Luhmann, zit. nach Schmidt 2017, S. 77.) Wenn Steuerung auf der Grundlage von auf sorgsamer Beobachtung gründenden Hypothesen geschieht, dann bedarf es der beobachtenden Kontrolle, ob diese Hypothesen sich als tragfähig erwiesen haben: und zwar sowohl im Hinblick auf das Ergebnis (»Erfolgskontrolle« zu den Effekten der Steuerung) als auch im Hinblick auf vorgängige Entscheidungsprämissen (fördernde oder hinderliche Wirkung von Entscheidungsprämissen – Programmen, Kommunikationswegen, Personal – auf den jeweiligen Steuerungsversuch). Kontrolle ist somit der reflexiven Steuerung inhärent. Da Entscheidungen immer mit Risiken verbunden sind, ist Kontrolle genauso notwendig wie in ihren sozialen Folgewirkungen und in ihrer Aussagekraft nicht kontrollierbar, also wiederum selbst riskant. Organisationen bewegen sich somit bei der Steuerung von Prozessen und Strukturen in einem Kontrollparadox: Kontrolle beinhaltet immer ein Risiko, »aber keine Kontrolle ist auch keine Lösung. Organisationen brauchen Kontrolle als Kontingenzmanagement, sie dürfen sich nur nicht darauf verlassen. Aber ebenso wenig

dürfen sie sich darauf verlassen, dass es auch ohne brauchbare Kontrollformen ginge.« (Schmidt 2017, S. 92.) Was genau eine »brauchbare Kontrollform« ist, muss für jede Organisation entsprechend ihrer Eigenkomplexität spezifisch herausgefunden werden: eine Anforderung an die Beobachtungs-, Analyse- und Reflexionsfähigkeit von Steuerungsakteuren.

3.5 Steuerungskompetenz als Haltung gegenüber der Organisation als sozialem System Leitung als Steuerungsposition in Organisationen der Sozialen Arbeit ist immer dem Steuerungsparadox ausgesetzt: Steuerung als für den Systemerhalt notwendige Gestaltungsfunktion wahrzunehmen und dabei gleichzeitig auf ein System mit Eigenkomplexität zu treffen, das Steuerungsversuche in einer eigenen, nur begrenzt vorhersehbaren und nur hypothetisch zu erfassenden Weise verarbeitet. Zum Umgang mit diesem Steuerungsparadox bedarf es gleichermaßen einer Haltung der »Demut« gegenüber der Eigenkomplexität des Systems wie auch des aktiven Gestalten-Wollens. »Demut« als respektierende Haltung gegenüber der Eigenlogik und gegenüber dem Geworden-Sein eines sozialen Systems ist nicht als eine kontemplativ-akzeptierende Betrachtung eines Gegenübers gemeint, sondern durchaus als eine Form des Gestalten-Wollens, aber nicht in einer Pose des Machers, der sein Gegenüber nach seinem Willen formt, weil er aufgrund seiner Leitungsposition und seines damit verbundenen vermeintlichen Überblicks zu wissen glaubt, was für die Organisation gut ist, sondern in der Haltung des für die Eigenlogik des Systems sensiblen Impulsgebers, der die Systementwicklung in einer bestimmten Gestaltungsabsicht anregen will. Wimmer kennzeichnet die beobachtungsbereite und lernorientierte Haltung als »Umstellung von ›die Situation beherrschen wollen‹ auf ›mit dem Systempotenzial intelligent mitgehen‹« (Wimmer 2012, S. 57). Die Steuerungsakteure sind und halten sich bewusst: »Steuerung ist möglich, aber kompliziert und immer prekär« (Ortmann 2012, S. 159). Steuerung ist stets sowohl in den Ergebnissen als auch in den Abläufen als eine Eigenleistung des Systems zu verstehen, dessen Bestandteil die Steuerungsakteure sind, was notwendigerweise Selbstbeobachtung als Beobachtung des Stellenwerts und des eigenen Handelns im System erfordert. Leitungspersonen sollten sich als Teil des Systemgeschehens verstehen, auf das sie durch ihre Steuerungsimpulse Einfluss zu nehmen versuchen. Steuerung in Organisationen muss immer mit Eigensteuerungsprozessen rechnen. Dies ist nicht als problematische »Störung« von Steuerung anzusehen, sondern als »natürliches« Geschehen in lebendigen sozialen Systemen. Steuerungshandeln sollte daher Potenziale der Selbststeuerung anregen und fördern, wobei die Selbststeuerungsaktivitäten des Systems

wiederum gebündelt, koordiniert, in den Ergebnissen miteinander abgeglichen, aufeinander abgestimmt werden müssen, um den Zusammenhalt der Organisation zu wahren und die Organisation nicht in verschiedenartige emergente Prozesse zerfallen zu lassen. »Kompetenz misst sich an der Fähigkeit des Managements, die Organisation durch seine Entscheidungen zur Selbststeuerung anzuregen« (Boss u. Mitterer 2014, S. 122), aber auch an der Fähigkeit, die Prozesse und Ergebnisse der Selbststeuerung aneinander anzukoppeln. Leitungspersonen müssen in ihrem Bemühen, soziale Konstellationen richtungsorientiert zu gestalten, mit einem hohen Maß mit Unsicherheit, Intransparenz und Nichtwissen umgehen. »Der Umgang mit Unsicherheit, Intransparenz und Gefühlen des Kontrollverlustes stellt daher an die Aufrechterhaltung des eigenen Kompetenzempfindens der Akteure außerordentlich hohe Anforderungen, zu deren Bewältigung ganz bestimmte persönliche Potenziale entwickelt werden müssen.« (Wimmer 2011, S. 541.) Eine Form der Ambiguitätstoleranz zu entwickeln und aufrechtzuerhalten, die dennoch nicht orientierungsmindernd wirkt oder gar partiell handlungsunfähig macht, ist zum einen eine Frage der Persönlichkeitsentwicklung der Steuerungsakteure selbst, zum anderen aber auch eine Aufgabe, für die im Organisationssystem selbst angemessene Orte und Kommunikationswege ermöglicht werden sollten (z. B. Leitungscoaching, Orte zur kollegialen Leitungsreflexion innerhalb und außerhalb der Organisation). Ferner müssen bestimmte Handlungsmodalitäten einer reflexiven Steuerung (Formen der systematischen Beobachtung, diskursive Hypothesenbildung, Beobachtung und Kommunikation über Folgen und Nebenfolgen von Steuerungsimpulsen etc.) in die »normalen« Kommunikationsweisen und in die »Organisationskultur« allmählich einsickern und sich dort verankern. Eine Haltung des Beobachtens, das kontinuierliche und systemische Beobachten sowie das Bewusstsein zum Hypothesencharakter des Steuerungshandelns mit der Notwendigkeit zur Verankerung reflexiver Schleifen sind eine Basis zur Herausbildung und Aufrechterhaltung einer steuerungsförderlichen Ambiguitätstoleranz.

3.6 Leitorientierungen für ein systemisch verstandenes Steuerungshandeln 1) »Steuerung« als bewusste Einflussnahme auf die Dynamik in einer Organisation und auf die Dynamik der Organisation-Umwelt-Bezüge ist eine zentrale Managementfunktion. Organisationen »institutionalisieren« diese Funktion in der Regel in bestimmten personellen Konstellationen. Sie schaffen für die Wahrnehmung von Managementaufgaben bestimmte Positionen (Strukturen) und ordnen ihnen Personen zu, denen sie Steuerungszuständigkeit und damit Leitungsverantwortung zusprechen. 2) Ein plandeterminiertes, zweckrationales Organisations- und Steuerungsverständnis

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erweist sich als weder theoretisch noch empirisch tragfähig. Weder sind diejenigen bedeutsamen Entwicklungen in der Umwelt einer Organisation, die für die Formulierung von Organisationszielen ausgewertet werden sollen, in verlässlicher Weise verstehbar und prognostizierbar, noch sind organisationsinterne Prozesse programmierbar und dadurch beherrschbar. Ferner impliziert die Positionierung der Leitungspersonen als Steuerungsakteure im Verhältnis zu der zu steuernden Organisation eine Subjekt-Objekt-Unterscheidung, die die reale Wechselseitigkeit des Steuerungsgeschehens nicht adäquat aufnimmt. Auch lässt sich »Steuerung« nicht vornehmlich oder ausschließlich an der Spitze einer Organisation verorten; eine solche Verortung wäre für die Handlungsfähigkeit auch von Organisationen, die soziale Dienstleistungen erbringen (Typus der »front-line organization«), dysfunktional. Steuerung in einer Organisation markiert den Versuch, auf der Grundlage von Beobachtungen (der Umwelt und der organisationsinternen Prozesse) Kommunikationsimpulse einzubringen, die in der Organisation anschlussfähig sind, also aufgenommen und weiterverarbeitet werden, und dadurch Entscheidungen herbeizuführen, aufgrund derer Unsicherheit über adäquates Handeln reduziert und tragbar gemacht sowie die Überlebensfähigkeit der Organisation wahrscheinlicher wird. »Steuerung« bedeutet für Leitungsakteure die Anforderung, in zumindest zwei elementaren Paradoxien zu leben und diese auszugestalten: – Anspruch, eine »Steuerung des Unsteuerbaren« (Wimmer) bewirken zu wollen, sowie – dies aus einer Position »mittendrin in der Organisation« tun zu müssen und sich dabei gleichzeitig in eine beobachtende Position am Rand der Organisation zu begeben. Steuerung ist darauf ausgerichtet, Entscheidungen herbeizuführen, dadurch Unsicherheit in der Organisation zu reduzieren sowie die Folgen bzw. die Verarbeitung von Entscheidungen zu beobachten und zu bewerten und daraus wiederum Anschlussentscheidungen zu erzeugen. Das Absorbieren von Unsicherheit ermöglicht effektives Handeln in einer Organisation und sorgt für eine Übernahme von Verantwortung für Risiken. Steuerung ist selbst mit Unsicherheit konfrontiert, weil Steuerungsakteure in ihrem Handeln nicht verlässlich auf Kriterien für »richtiges«, wirksames Intervenieren bauen können; und gleichzeitig bedarf es des Steuerungshandelns, damit in der Organisation trotz bestehender Unsicherheiten einigermaßen verlässlich gearbeitet werden kann und einigermaßen verlässliche Leistungen erbracht werden können. Steuerung – bezogen auf die zentralen Entscheidungsprämissen Programme, Kommunikationswege, Personal – vollzieht sich in zwei generellen, miteinander

verwobenen Steuerungsmodi, der reflexiven Steuerung und der Kontextsteuerung: – Reflexives Steuerungshandeln resultiert aus der Erkenntnis, dass der Kontext, in dem Steuerungsimpulse auf ein soziales System treffen, nur ebenso begrenzt erkundbar ist, wie die Art der Verarbeitung dieser Steuerungsimpulse unkalkulierbar ist, und dass die Impulsgebung entsprechend auf der Grundlage von Beobachtung und immer von (begründeten, Steuerungshoffnung vermittelnden) Hypothesen erfolgt. – »Kontextsteuerung« markiert den Versuch, auf Konstellationen einzuwirken, die im Umfeld einer Steuerungsabsicht bedeutsam sind, und auf diese Weise die Organisationsakteure zu veranlassen, sich mit einem bestimmten Thema oder einer bestimmten Steuerungsabsicht auseinanderzusetzen. 7) Reflexives Steuerungshandeln … – … bewegt sich in einer Haltung der »Demut« (gegenüber der Eigenlogik und der Eigenkomplexität des sozialen Systems) und des gleichzeitigen aktiven GestaltenWollens; – … rechnet immer mit Eigensteuerung des Systems und mit der Selbststeuerung verschiedener Subsysteme; – … orientiert sich in den Entscheidungen an der Leitlinie, die Organisation zur Selbststeuerung anzuregen; – … richtet Entscheidungen nicht allein an vermeintlicher »Sachrationalität« aus (bzw. an dem, was eine Leitungsperson dafür hält), sondern an komplexerer »Systemrationalität«; – … beobachtet Selbstorganisationsprozesse und gibt Impulse zur Ankoppelung dieser Prozesse; – … bildet Ambiguitätstoleranz heraus und versucht diese aufrechtzuerhalten, um mit Unsicherheit, Intransparenz und Nichtwissen so umzugehen, dass die Ambiguitätstoleranz in aktives, reflektiertes Handeln einmündet und daraus kein Rückzug aus den Steuerungsanforderungen wird.

7 Ortmann (2012) verweist hier auf den Unterschied zwischen »Steuerung« und »Irritation«: Während Steuerung aufgrund reflektierter Erfahrungen und bisheriger Kenntnisse zur innerorganisationalen sozialen Logik und aufgrund daraus abgeleiteter »begründeter Hypothesen« mit bestimmten organisationalen Reaktionen rechnet, diese aber nicht präzise und umfassend vorherzusagen vermag, weist Irritation eine solche Gerichtetheit nicht auf. Irritation »überlässt die Antwort der Organisation daher auf eine ganz andere Weise der innerorganisatorischen Kontingenz und der Autonomie der Organisation« (ebd., S. 142) Anders als »bloße Irritation« versuche Steuerung, die Organisation in eine vorgesehene, intendierte Richtung zu lenken.

4 Organisationsgestaltung

Organisationen – auch solche in der Sozialen Arbeit – sind aus doppelter Perspektive zu betrachten. Einerseits sind sie soziale Gebilde mit einer eigenen Dynamik und mit einer eigenen, für sie eigentümlichen Form der Lebendigkeit. Das macht ihre »Selbstprägung« aus. Die Kommunikationen und Entscheidungsformen in einer Organisation haben ihr eigene Logik entwickelt; es hat sich im Verlauf vielfältiger Prozesse ein organisationsspezifisches Sinngebilde herausdestilliert, das diese Organisation stabilisiert und gegenüber Irritationen und Veränderungsimpulsen partiell immunisiert. Routinen haben sich entwickelt, aufgrund derer die Mitarbeiter in den verschiedenen Organisationssegmenten wissen, was sie zu welchen Zeitpunkten tun sollen, wie die Aufgaben interpretiert werden sollen, wann Regelabweichungen von Leitungspersonen mit Interventionen beantwortet werden sollen und wann sie besser offiziell unbeachtet bleiben sollen, welche Personengruppen in der Organisation welche Arbeitsmethoden realisieren sollten etc. Die Organisation gestaltet sich gewissenmaßen selbst. Andererseits wäre es im Sinne des Organisationserhalts leichtgläubig, würde man nur auf die Selbstorganisationsfähigkeit des sozialen Systems »Organisation« vertrauen und darauf bauen, dass sich in einer Organisation die nach einer Aufbauphase herausgebildete spezifische Leistungsfähigkeit den Erfahrungen und den veränderten Anforderungen allmählich anpassen und weiterentwickeln wird. Sowohl der Aufbau einer verlässlichen, für den Ressourcenerhalt aus der Umwelt erforderlichen Leistungsfähigkeit als auch deren Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung benötigen aktive Gestaltungsimpulse durch Managementakteure. Es bedarf aktiver, kontinuierlicher, auf Kommunikationswege und Programme ausgerichteter Beobachtungen und Gestaltungsaktivitäten, um • eine Verlässlichkeit der Leistungserbringung gegenüber der Umwelt zu ermöglichen, • Unsicherheiten innerhalb der Organisation zu absorbieren im Hinblick auf Zeitpunkte, Modalitäten und Legitimationen zum Handeln (Wer soll was wann aus welchen Gründen tun?) sowie auf die Interpretation der Anforderungen (Für welche Probleme und Anforderungen definiert die Organisation eine Zuständigkeit? Wie sollen die als Ausgangspunkt des Handelns akzeptierten Probleme so interpretiert werden, dass daraus sinnhafte Handlungen entwickelt werden können?); • die Komplexität der Handlungsanforderungen bewältigbar zu machen bzw. die Kontingenz in den Handlungsoptionen einzuschränken, sodass die Wahlmöglichkeiten beim Handeln der einzelnen Personen eingeschränkt werden und die Organisation auf diese Weise ein spezifisches Profil entwickeln kann, durch das sie sich von der

Umwelt abgrenzt und gegenüber relevanten Umweltakteuren spezifisch erkennbar macht. Auf die Soziale Arbeit bezogen: Eine Organisation der Sozialen Arbeit muss ihre Aufgaben so erfüllen, dass die Leistungserbringungen a) in kalkulierbarer Weise erfolgen, b) kontinuierlich gewährleistet werden und c) auf der Grundlage des fachlichen Kenntnisstands, also nach den »Regeln der fachlichen Kunst« in einer professionell legitimierbaren Form realisiert werden. Die Aufgabenerfüllung darf nicht ausschließlich von personellen Zufälligkeiten abhängen. Die Leistungserbringung darf nicht willkürlich oder zufällig und letztlich auch nicht abhängig erscheinen von den Motivationen, den persönlichen Neigungen und den mehr oder weniger ausgeprägten Fähigkeiten eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeitergruppe, an den oder die ein Hilfesuchender oder der Mitarbeiter einer kooperierenden Organisation gerade gerät. Sicherlich sind subjektive Faktoren bei der Leistungserstellung bedeutsam, und sicherlich ist daher jede Aufgabenerfüllung bis zu einem gewissen Grad von den Eigenheiten der Person bestimmt, die für die Organisation tätig wird, jedoch muss die Organisation die Relevanz solcher persönlichen Eigenheiten begrenzen. Die Organisation selbst wird zum Adressaten der Ansprüche, nicht in erster Linie einzelne Mitarbeiter. Die Organisation muss für einen akzeptierbaren Stand der Leistungserbringung jenseits individueller Eigenheiten der handelnden Personen Sorge tragen. Wenn Adressaten des Organisationshandelns auf die Frage nach Art und Qualität der von der Organisation erbrachten Leistungen antworten, »Na ja, es kommt drauf an, an wen man gerade gerät …«, dann gerät die Organisation unter deutlichen Legitimationsdruck. Die Organisation muss Ankoppelungsoptionen schaffen zwischen der Organisation als System von Kommunikationen und Entscheidungen einerseits und den Personen/Mitarbeitern (als »innere Umwelt« des Organisationssystems), die die Organisation gegenüber der »äußeren Umwelt« repräsentieren. Organisationsgestaltung erfolgt also an der Schnittstelle bzw. Differenz zwischen Organisation und »innerer Umwelt« (Abb. 5). Bei der Gestaltung dieser Schnittstelle ist die »äußere Umwelt« immer präsent; denn die Modalitäten, in denen die Leistungserbringung intern gewährleistet werden soll, müssen den Anforderungen der äußeren Umwelt entsprechen, da sonst keine Ressourcenzufuhr erfolgen kann (Kapitel 8), und sie muss auch in der Art der Leistungserbringung dem Erwartungshorizont der äußeren Umwelt entsprechen, um Legitimität zu erlangen (Drepper 2010; Merkens 2011). Es sind eben nicht alle Mittel und Handlungsformen (z. B. Anwendung körperlicher Gewalt) legitim, die zu einem bestimmten, von der Umwelt erwarteten Ziel einer Leistung (z. B. normkonformes Verhalten von Kindern und Jugendlichen) führen können.

Abb. 5: Verortung von Organisationsgestaltung im organisationalen Kontext

Diese Gestaltungsaktivitäten müssen in der Gleichzeitigkeit erfolgen von • aktivem, intentional motiviertem, zielgerichtetem Handeln einerseits – es sollen spezifische Leistungen in einer spezifischen Weise in einem erwartbaren Leistungskorridor erstellt werden – • und im Bewusstsein begrenzter intentionaler Steuerbarkeit von sozialen Systemen andererseits – denn Kommunikationen und die sie tragenden Personen lassen sich aufgrund ihrer Eigenlogik und Eigendynamik nur begrenzt intentional beeinflussen. Die Gestaltungsoptionen bei der Organisationsgestaltung fokussieren auf Kommunikationswege und Programme. Sie realisieren sich in Entscheidungen über Entscheidungsprämissen: • Strukturen und (formell und informell geprägte) Prozessregelungen, die eingehalten werden müssen, damit Kommunikationsweisen, Ergebnisse von Kommunikationen und Entscheidungen Anerkennung finden; • Formulierung von Erwartungen an »richtiges Verhalten« von Personen an verschiedenen Stellen der Organisation und in verschiedenen Kommunikationen innerhalb der Organisation und im Austausch mit der Umwelt.

Solche »Entscheidungen über Entscheidungsprämissen« erfolgen vor dem Hintergrund und in Wechselwirkung zum organisationskulturellen Rahmen (als der »unentscheidbaren Entscheidungsprämisse«; Kapitel 5). Aktivitäten zur Organisationsgestaltung umfassen die Beobachtung und verstehende Interpretation des Organisationsgeschehens (»Organisationsanalyse«), Impulse zur Prägung und Beeinflussung des Organisationsalltags (Kommunikation und Entscheidungen zur alltäglichen Leistungserbringung) sowie Impulse zur Veränderung der Interpretations- und Handlungsweisen in der Organisation (»Organisationsveränderung«, Kapitel 6).

4.1 Zentrale Gestaltungsanforderungen Bei der Organisationsgestaltung als Managementaufgabe stehen vier Anforderungen im Fokus: 1) Gewährleistung von Verlässlichkeit und Kontinuität der Leistungen: Es ist zwar ein Merkmal sozialer Dienstleistungen, dass sie individuell und flexibel ausgerichtet sein müssen, dass sie also für die unterschiedlichen Bedürfnisse der Nachfrager variabel gestaltet werden müssen und somit in ihrer Ausführung individuelle Qualitäten aufweisen (Kapitel 2). Jedoch muss die Organisation andererseits ein gewisses Maß an Erwartbarkeit erzeugen, indem sie Strukturen und Programme konstituiert, durch die Entscheidungsspielräume bei der Leistungserbringung eingeengt werden. Dadurch, dass ein gewisses Maß an Erwartbarkeit der Leistung geschaffen wird, erzeugt die Organisation die Voraussetzungen für ein basales Maß an »Systemvertrauen«, das ihr von der Umwelt entgegengebracht werden kann. Die Leistungserbringung soll nicht als weitgehend abhängig von personellen Zufälligkeiten (»Personenvertrauen«) erlebt werden, sondern die Organisation erzeugt ein Zutrauen, dass die Qualität der Leistung auch dann ähnlich sein wird, wenn andere Personen bzw. Organisationsmitglieder sie erbringen bzw. aufgrund von Personalwechseln erbringen müssen. Die Organisation mit ihrem Leistungsprofil soll sich gegenüber wechselndem Personal und personellen Zufälligkeiten als relativ stabil erweisen. 2) Orientierung schaffen für Mitarbeiter: Organisationen Sozialer Arbeit konfrontieren ihre Mitarbeiter mit Unsicherheiten, die durch die spezifische Aufgaben- und Handlungsstruktur sozialer Dienstleistungen bedingt sind: Sie müssen handeln, obwohl sie in der Ausgangssituation die Lebenssituation ihrer Klienten und die Dimensionen der darin enthaltenen Schwierigkeiten höchstens ansatzweise verstanden haben, und sie müssen Methoden einsetzen, deren Erfolgsaussichten nicht klar kalkulierbar sind. Sozialpädagogisches

Handeln ist strukturell ein »Handeln in Ungewissheit« (Hörster u. Müller 1996; Heiner 2007, S. 445 ff.). Wenn Organisationen die Personen mit diesen Ungewissheiten allein ließen, würden sie einen doppelten Fehler begehen: Auf der personellen Seite würde dies zu massiven Überforderungen führen, mit dem wahrscheinlichen Effekt einer für die Leistungserbringung bedrohlichen Personalfluktuation; auf der organisationalen Seite wären die Kalkulierbarkeit und Qualität der Leistungserbringung gefährdet, wenn jeder Mitarbeiter die Unsicherheit auf jeweils individuelle Weise zu bewältigen versuchen würde. Die Organisation muss daher über Strukturen und Programme Unsicherheit absorbieren. Sie muss den Mitarbeitern Orientierung vermitteln, in welchem Interpretations- und Handlungsspektrum sie Anforderungen interpretieren und methodisch angemessen handeln sowie auf diese Weise zum Leistungsprofil der Organisation beitragen können. 3) Bei Organisationsmitgliedern und Organisationssegmenten tragfähige Anbindung an die Organisation herstellen: Da Personen als »psychische Systeme« sich grundlegend autonom, nach eigener Logik bewegen und entfalten und da in Organisationen, die sich strukturell ausdifferenzieren (in verschiedene Teams, Abteilungen, Sachgebiete etc.), die unterschiedlichen Organisationseinheiten aufgrund ihrer spezifischen Kommunikationen zur Herausbildung eigener Teilsystemdynamiken neigen, bedarf es der Schaffung integrativer Mechanismen und Prozesse, durch die ein Mindestmaß an Einheitlichkeit und Gemeinsamkeit zur Leistungserstellung herausgefordert wird. Die Ankoppelung von Organisationsmitgliedern und Organisationssegmenten geschieht nicht von selbst, sondern muss durch Maßnahmen der Organisationsgestaltung bewusst hergestellt bzw. wahrscheinlicher gemacht werden, und ihr spezifischer Modus des Gelingens oder Misslingens muss kontinuierlich beobachtet werden. 4) Erzeugen und Aufrechterhaltung von Offenheit und Innovationsbereitschaft gegenüber Umweltveränderungen: Trotz der operativen Geschlossenheit von Organisationssystemen und trotz der mit einer Offenheit einhergehenden Option der Überforderung im Hinblick auf Verarbeitungskapazitäten und Veränderungsenergien bedarf eine Organisation der strukturell verankerten Irritationspotenziale, durch die vorhandene Routinen zyklisch überprüft, veränderte Umweltanforderungen in den Blick genommen und im Hinblick auf Entwicklungsanforderungen der Organisation bewertet werden. Die Verankerung in den Arbeitsmodalitäten der Organisation sorgt dafür, dass a) die Beobachtung und Überprüfung nicht allein der Zufälligkeit ausgesetzt bleiben und b) die Wahrscheinlichkeit steigt, dass Beobachtungen und Wahrnehmungen von Organisationsmitgliedern in die Kommunikation gelangen und dort folgenreich verarbeitet werden (Kapitel 6).

Um zur Realisierung dieser vier zentralen Anforderungen der Organisationsgestaltung Steuerungsimpulse zu geben, sind Markierungen zum einen bei der Organisationsstruktur (Kommunikationswege) und zum anderen bei den Handlungsprogrammen zu setzen. Gestaltungsoption »Kommunikationswege/Organisationsstruktur« Im Rahmen der Organisationsstruktur definiert die Organisation zunächst die zu erstellenden Leistungen, das spezifische Leistungsprofil, mit dem die Organisation an die äußere Umwelt herantritt und mit dieser in einen Leistungs- und Ressourcenaustausch gehen will. Mit dem Leistungsprofil signalisiert die Organisation der Umwelt eine spezifische Leistungsbereitschaft und grenzt sich von anderen Leistungsanbietern ab, indem sie Markierungen vornimmt, die sie von anderen Leistungsanbietern unterscheidet (SystemUmwelt-Differenz). Ferner ist zu erörtern und festzulegen, welches Personal für die Leistungserstellung benötigt wird: Welche Qualifikation wird gefordert, mit welchem generellen leistungsbezogenen Erwartungsprofil werden Mitarbeiter konfrontiert, welche persönlichen Merkmale oder Fähigkeiten werden für eine angemessene Leistungserstellung als relevant erachtet. Die Organisation muss darüber hinaus formale Positionen schaffen, mit deren Hilfe die für die Leistungserstellung konzipierten Handlungsprogramme in einer möglichst kalkulierbaren und verlässlichen Weise umgesetzt werden können. Mithilfe formaler Positionen werden insbesondere • Aufgaben definiert und bestimmten Organisationsmitgliedern zur Bearbeitung zugeordnet (Aufgabendifferenzierung, Arbeitsteilung: Wer ist wofür zuständig?); • Formen der Koordination und der Kooperation geregelt (Aufgabenintegration: Wer soll zu welchem Zeitpunkt und bei welchem Anlass mit wem Absprachen treffen, um eine koordinierte Form der Aufgabenerfüllung zu gewährleisten?); • Regelungen zur Herbeiführung von Entscheidungen und zur Kontrolle einer angemessenen Aufgabenerledigung eingesetzt (Hierarchie: Wer soll und darf welche Entscheidungen treffen, und wer darf und soll Weisungen legitimiert aussprechen und deren Einhaltung kontrollieren?). Über Strukturen wird innerhalb der Organisation Verantwortung zugeordnet: Es wird geregelt, welche Organisationsmitglieder für welche Teilbereiche, in welchem Umfang und in welcher spezifischen Weise Verantwortung zu tragen und entsprechend ihrer Verantwortung ihre Verhaltensweisen zu rechtfertigen haben. Hier sind formale Positionen mit formellen und informellen Handlungsprogrammen (mehr oder weniger fest oder lose) verkoppelt. Weil zur Erledigung komplexer Aufgaben nicht alle Organisationsmitglieder entsprechend ihrer begrenzten Kompetenzen in gleicher Weise beitragen können, müssen Handlungsbereiche differenziert werden, die häufig mit unterschiedlichen

Kompetenzbereichen einhergehen (in Einrichtungen der Heimerziehung z. B. Gruppenerziehung/pädagogischer Dienst in Gruppen, Therapie oder besondere Förderung, Verwaltung, Hauswirtschaft). Ein Bestandteil der Arbeitsteilung ist die organisationale Antwort auf die Frage, welche Aufgaben generalisiert (von einem Großteil der Mitarbeiter in einem Organisationssegment) und welche Aufgaben spezialisiert wahrgenommen werden, also aus einem Organisationssegment ausgegliedert werden sollen. Praxisbeispiel Einige Jugendämter organisieren ein eigenes »Falleingangsmanagement« in einem vom Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) getrennten Team, während die meisten Jugendämter den Falleingang im ASD selbst bearbeiten lassen. In einigen Jugendämtern werden Fälle mit möglicher/wahrscheinlicher Kindeswohlgefährdung in einem spezialisierten Team bearbeitet, in den meisten Jugendämtern bleibt diese Aufgabe den ASD-Teams zugeordnet. Werden solche Spezialisierungen in der Organisationsstruktur verankert, ergeben sich Anforderungen zur Bewältigung der Schnittstellen: Es müssen Regelungen und Modalitäten zur Kommunikation zwischen den generalisierten und den spezialisierten Organisationssegmenten gefunden und installiert werden. Im Beispiel des ASD und den skizzierten Spezialdiensten heißt das: Es muss entschieden werden, wie die Übergänge in der Fallbearbeitung gestaltet werden sollen, es müssen tragfähige Kommunikationsformen gefunden werden, die für die Aufgabenbewältigung der jeweils beteiligten Organisationssegmente funktional sind, und es müssen Formen gefunden werden, wie Störungen in der Kommunikation beobachtet, thematisiert und bearbeitet werden. Ferner werden in der Hierarchie Verantwortungsbereiche differenziert (Leitung mit einer entsprechenden Ausdifferenzierung in Leitungsstufen und/oder spezifischen Leitungsaufgaben). Durch die Zuschreibung von Zuständigkeiten mit Entscheidungsmacht und Entscheidungsverantwortung wird es möglich, dass Entscheidungen in der Organisation als »verbindlich« kommuniziert werden und Leitungspersonen legitimierte Weisungen erteilen können. Hierarchien »sichern die Entscheidbarkeit von Problemen«, weil sie bei teamorientierten Aushandlungsprozessen auch als »Stoppregel« oder »Notbremse« wirken (Kühl 2015b, S. 141). Hierarchien sorgen für eine Begrenzung des Kommunikationsaufwands: Es existiert eine Instanz, die legitimiert entscheiden darf und muss sowie dadurch Organisationsmitglieder vom Durchlaufen aufwendiger und ineffektiver Kommunikationsschleifen entlastet. Eine wichtige Anforderung bei der Gestaltung der Aufbaustruktur einer Organisation liegt im Herbeiführen eines möglichst hohen Grades an Transparenz. Strukturbildung soll den Kommunikationsaufwand in Organisationen entlasten, indem die Organisationsmitglieder Orientierungen erhalten, an denen die Personen ihre Kommunikationen und Entscheidungen

ausrichten und aufgrund ihrer Zuständigkeiten und Kooperationsanforderungen nicht immer wieder neu aushandeln müssen. Eine solche Entlastungswirkung ist abhängig vom Grad der Transparenz. Je transparenter eine Aufbaustruktur definiert ist, desto klarer sind die Kommunikationswege und desto begrenzter sind die Anlässe für Unsicherheiten und Störungen, die weiteren Kommunikationsbedarf auslösen. Transparenz bedeutet zum einen, dass möglichst alle in die jeweiligen Arbeitsabläufe einbezogenen Organisationsmitglieder von den formalen Regelungen in der Aufbaustruktur und von deren Bedeutung Kenntnis haben sollten. Zum anderen realisiert sich Transparenz in der Eindeutigkeit des sachlichen Regelungsgehalts. Ein Beispiel für mangelnde Transparenz liegt in der – in Organisationen Sozialer Arbeit häufig anzutreffenden – Proklamation von »Koordinatoren«-Rollen, z. B. als »Teamkoordination«. Hier entsteht dann Intransparenz, wenn Leitungsrollen auf der Teamebene nicht ausdrücklich und offen mit Leitungserwartungen verknüpft und die entsprechenden Rolleninhaber nicht deutlich als Leitungspersonen etikettiert werden, sondern wenn »Koordinationsfunktionen« proklamiert werden aus Gründen einer egalitären Ideologie, aus Sparkalkülen (weil offizielle »Teamleitung« mit einer höheren Bezahlung verbunden wäre) oder aus personenbezogenen Rücksichtnahmen (weil man andere Teammitglieder nicht formal schlechterstellen will). Die Proklamation einer diffusen Rolle der »Koordination« bleibt intransparent, weil damit implizit leitungsbezogene Steuerungsanforderungen verbunden werden, ohne dass man der damit betrauten Person ein positionell abgesichertes Steuerungspotenzial zuspricht. Die mit der Koordination betraute Person muss die strukturelle Intransparenz durch ihr persönliches Verhalten irgendwie auszugleichen versuchen, wobei die jeweils gefundene Balance immer prekär bleibt, weil sie durch die anderen Organisationsmitglieder (z. B. Teammitglieder) stets sehr leicht angreifbar ist. Die Konfliktanfälligkeit und damit der erhöhte Kommunikationsbedarf solcher intransparenten Konstellationen liegen auf der Hand. Weil die ausdifferenzierten Aufgabenbereiche ihrerseits ein Eigenleben entfalten, besteht die Notwendigkeit, Mechanismen der Integration zu installieren, also die einzelnen Aufgabenteile zusammenzubinden, um den Zusammenhalt der Organisation zu gewährleisten. Die differenzierten Formen der Aufgabenerledigung mitsamt den jeweils dafür zuständigen Organisationsmitgliedern müssen miteinander verkoppelt werden. Die Kommunikationsströme in der Organisation sollen so gelenkt werden, dass verlässliche Formen der Koordination und Kooperation geschaffen werden, die die tendenziell partialisierenden, auf Abgrenzung zwischen den Organisationseinheiten zielenden Effekte der Aufbaustruktur zu kompensieren bzw. zu begrenzen vermögen. In der Ablaufstruktur werden Anlässe und Formen der Zusammenführung arbeitsteilig erbrachter Leistungselemente definiert, und es werden Zuständigkeiten geregelt für die Herbeiführung und Ausgestaltung solcher koordinierenden Kommunikationsabläufe. Gestaltungsoption »Programme« Mit »Programmen« legt eine Organisation Erwartungen an das Handeln von

Organisationsmitgliedern fest, oder in ihnen bilden sich in der Organisation entwickelte Handlungsketten ab, in und mit denen die Organisationsmitglieder ihr alltägliches Handeln (insbesondere die Leistungserbringung) methodisch strukturieren. Mit der Erarbeitung und Definition von Handlungsprogrammen schafft sich eine Organisation Instrumente, mit deren Hilfe sie sich in die Lage versetzt, die Art ihrer Leistungserbringung bewusst zu gestalten und mit einem höheren Grad an Verlässlichkeit zu versehen. Handlungsprogramme sind umfassend zu verstehen: als die Vorgaben und Orientierungen, mit denen die Organisation ihr Personal an die Organisationszwecke ankoppelt und auf eine bestimmte organisational beabsichtigte Form der Leistungserbringung einzustellen versucht. Sie treten auf in Form von Konzeptionen, Regeln fachlichen Handelns, mündlichen und/oder schriftlichen Regelsetzungen, als selbstverständlich angesehenen Verhaltenspflichten, festgelegten Abfolgen von Methoden und Arbeitsschritten etc. Handlungsprogramme können explizit benannt sein, sie können aber auch implizit sein, sich in Gewohnheiten oder selbstverständlichen Verhaltensanforderungen äußern, die eine ähnliche normative Kraft entfalten können wie die expliziten Regelungen. Mit Handlungsprogrammen erhalten individuelle und kollektive Handlungen eine zweckorientierte Richtung und eine größere Verlässlichkeit. Gleichzeitig wird mit Handlungsprogrammen nach außen signalisiert, wie die Organisation ihre Leistungen gestalten will sowie dass und wie sie die Anforderungen von wichtigen Interessenträgern aus der Umwelt aufnehmen und verarbeiten will. Handlungsprogramme unterscheiden sich generell in der Frage, ob sie dem Typus »Konditionalprogrammierung« oder dem Typus »Zweckprogrammierung« (Kapitel 1.3.2) zuneigen bzw. entsprechen: • Arbeitsaufgaben, die mit »Konditionalprogrammierung« bearbeitet werden, folgen »Wenn-dann-Abfolgen«: Immer wenn ein bestimmter Sachverhalt (A, B, C …) vorliegt, hat dies ein eindeutiges und festgeschriebenes Handeln (X, Y, Z) zur Folge. Entscheidungsspielräume der Mitarbeiter existieren nicht oder kaum. Ein typisches Beispiel ist das Handeln bei Rechtsansprüchen: Wenn bei einem Antragsteller die Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen des Arbeitslosengeldes II vorliegen, erhält er Leistungen entsprechend genau definierten Regeln; Interpretationsmöglichkeiten und Flexibilitätsoptionen sind aufseiten des »Sachbearbeiters« kaum gegeben. • Demgegenüber wird bei zweckprogrammierten Aufgaben lediglich ein bestimmtes Ziel (Zweck) für das Handeln vorgegeben, während Art und Weise der Zweckerreichung (welches Mittel, welche Handlungsschritte) in der Organisation erarbeitet werden muss. Die jeweiligen Handlungsabläufe sind von den Mitarbeitern nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten immer neu zu bestimmen – nicht ohne Maßgaben und Orientierungen vonseiten der Organisation (also nicht willkürlich), sondern in einem von der Organisation definierten Handlungsrahmen, innerhalb dessen Flexibilitätsoptionen existieren.

Die Legitimation des Handelns erfolgt in unterschiedlichen Logiken: Während bei der Konditionalprogrammierung ein Akteur sein Handeln dadurch legitimieren muss, dass er die Ausgangssituation adäquat geprüft und dadurch die nachfolgenden Handlungsschritte ausgelöst hat, wird bei Zweckprogrammierungen danach gefragt, ob die im Organisationsrahmen als im Grundsatz legitim definierbaren Handlungen des Akteurs geeignet waren, den Zweck zu erreichen. Entsprechend dem individualisierten Aufgabencharakter dominiert bei sozialen Dienstleistungsorganisationen der Typus »Zweckprogrammierung«; dies schließt konditionalprogrammierte Handlungen nicht aus, begrenzt sie jedoch stark. In den Handlungsprogrammen haben fachliche Aspekte (Konzeptionen, Verfahrensregeln, methodische Interpretationsformen etc.) sicherlich eine hervorgehobene Bedeutung, aber sie sind nicht auf diese fachlichen Gestaltungsweisen beschränkt. Vielmehr müssen weitere für die Organisation relevante Bezugspunkte in die Programme einer Organisation aufgenommen werden: spezifische Informationen, wie Verwaltungsabläufe zu handhaben sind (administrative Regeln), wie mit den Ressourcen einer Einrichtung (Geld, Personal, Räume u. a.) adäquat umzugehen ist (betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte) und welche normativen Orientierungen für das Handeln bedeutsam sein sollen. Wenn man über fachbezogene Programme als Gestaltungsoption in Organisationen nachdenkt und diese in Organisationen zu beobachten und zu analysieren versucht, so sollte man sich nicht nur auf schriftliche Konzepte und Regelwerke sowie auf leicht erkennbare informelle Regelungen und interaktive Absprachen beschränken. Man sollte auch solche schwerer fassbaren Muster der Interpretation, der Sinnstiftung und der Wahrnehmungs- und Verhaltenssteuerung in den Blick nehmen, die Klatetzki (1998, S. 63 ff.; 2018a, S. 1268 f.) mit dem Begriff der »praktischen Ideologie« charakterisiert hat und die das Handeln von Mitgliedern einer Organisation maßgeblich beeinflussen können (Klatetzki 1998, S. 63.): »Eine praktische Ideologie ist ein relativ kohärentes System, bestehend aus emotional besetzten Vorstellungen, Werten und Normen, das Personen gemeinsam ist, sie zusammenbindet und ihnen hilft, ihrer Umwelt Sinn zu verleihen. Ideologie verbinden Vorstellungen über Ursache-Wirkungs-Relationen mit Präferenzen für bestimmte Ziele und Resultate und mit Erwartungen im Hinblick auf richtiges Verhalten.« Wenn z. B. in einer Organisation, die Sozialpädagogische Familienhilfe betreibt, alle Teammitglieder eine Ausbildung in systemischer Familientherapie durchlaufen haben, so werden sie in ihrer Sicht auf die Probleme und Hilfeanforderungen, mit denen die Organisation konfrontiert wird, stark durch die mit dieser Ausbildung einhergehenden »praktischen Ideologien« geprägt. Eine solche Organisation wird vermutlich andere Interpretationsmuster für die Deutung familiärer Probleme (»Ideologien«) und für darauf

ausgerichtete Handlungsstrategien (»praktische …«) erzeugen als eine Organisation, deren Mitglieder sich an verhaltensmodifikatorischen Konzepten (z. B. NLP – Neurolinguistisches Programmieren) ausrichten oder deren Mitglieder unterschiedliche methodische Fortbildungen absolviert haben bzw. bisher kaum an Fortbildungen teilgenommen haben. Mit den »praktischen Ideologien« ordnen die Organisationsmitglieder die Realität und machen sie für Organisationshandeln bearbeitbar. Je mehr die »praktische Ideologie« von den Organisationsmitgliedern als gemeinsame Sicht auf die Realität geteilt und anerkannt wird, desto stärker kann auf explizite Vorschriften und Regeln verzichtet werden. Gleichzeitig schränken stark wirkende »praktische Ideologien« die Wahrnehmungsvielfalt und Interpretationsbreite in Organisationen ein: Es werden verstärkt oder tendenziell »nur noch« solche Ereignisse wahrgenommen und in einer spezifischen Weise interpretierend verarbeitet, die in die Logik der »praktischen Ideologie« passen bzw. an diese ankoppelungsfähig sind – ein Effekt, der insbesondere für solche Organisationen, die zur Qualität ihrer Leistungserbringung auf Interpretationsvielfalt angewiesen sind, dysfunktional wirkt. Praxisbeispiel: Sozialpädagogische Fallkonstellationen im Jugendamt bzw. im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) Das in § 36 SGB VIII geforderte »Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte« hat den Sinn, dass die »normalen« Ungewissheiten in den Fallinterpretationen und bei der Auswahl einer angemessenen Hilfe durch die Erzeugung von Interpretationsvielfalt in einer die Lebenssituation der Adressaten adäquat aufnehmenden und verarbeitenden Weise behandelt werden. Ferner soll durch eine kollegiale Fallberatung mit herzustellender Interpretationsbreite den begrenzten Wahrnehmungsmöglichkeiten und den Wertepräferenzen der fallführenden Fachkraft eine Korrektur- und Kompensationsmöglichkeit entgegengestellt werden. Interpretationsvielfalt durch methodisch gestaltete kollegiale Fallberatung ist also konstitutives Element sozialpädagogischen Fallverstehens (Merchel 2015d; Schrapper 2015). Organisationen mit stark ausgeprägten »praktischen Ideologien« tendieren zu einer merklichen Einschränkung von Interpretationsvielfalt und damit zu Qualitätseinbußen beim Erbringen individueller, auf die spezifische Lebenssituation von Adressaten ausgerichteter sozialpädagogischer Leistungen. Formalität und Informalität von Kommunikationswegen und Programmen Ein markanter Teil der Kommunikationswege (Strukturen) und Programme ist formalisiert: Es wird festgelegt, wer was in welchen Zusammenhängen zu welchen Zeitpunkten zu tun hat, um auf diese Weise eine bestimmte Form der Leistungserstellung kalkulierbar zu machen. Der Einfluss personenbezogener Zufälligkeiten soll möglichst gering gehalten werden. Die Anfälligkeit der Organisation für individuell verursachte, zufällig auftretende oder durch Personenwechsel bedingte Störungen soll durch Formalisierung reduziert werden.

Eine zu umfassende Formalisierung stellt jedoch ebenfalls ein Problem dar. Denn gerade Organisationen der Sozialen Arbeit entfalten ihre Qualität dann, wenn persönliche Beziehungen zu den Adressaten und zu anderen Kooperationspartnern aktiviert werden, wenn also gerade der nicht formalisierte Teil von Pädagogik und professionellen sozialen Beziehungen greift. Organisationen der Sozialen Arbeit sind größtenteils darauf angewiesen, einen personenbezogenen (somit nicht formalisierten) Anteil nicht nur zuzulassen, sondern geradezu herauszufordern; denn ohne diese personenbezogenen Anteile kommen soziale Beziehungen, die die Grundlage für das Gelingen insbesondere der sozialpädagogischen Leistungserstellung bilden, nicht zustande. Informalität in den Strukturen, Programmen und Regeln darf nicht als Störfall oder als Ersatz für nicht ausreichende formale Strukturbildung interpretiert werden. Zum Ersten bilden sich informelle Strukturen in allen Organisationen, weil Organisationen soziale Systeme sind und weil sich Dynamiken in der Herausbildung von Kommunikationen und Entscheidungen sowie in der Ankoppelung von interner Umwelt (Personen; Organisationsmitglieder) und äußerer Umwelt (Leistungsaustausch und Kommunikationen mit relevanten Umweltsegmenten) entwickeln. Insofern sind sie in jeder Organisation ein Faktum, das man für eine Organisationsgestaltung beobachten, interpretieren und bei den Gestaltungsimpulsen berücksichtigen muss. Zum Zweiten bedürfen Organisationen der Informalität, weil sie ansonsten an der Starrheit der formalen Regeln zugrunde zu gehen drohen. In Organisationen besteht eine Fülle von Situationen und Anforderungen, die sich nur über Flexibilität adäquat bearbeiten lassen, was nicht »Regellosigkeit« bedeutet, aber auf andere Modi von Regeln verweist, eben »informelle«, Flexibilität eröffnende Regeln. »Nicht umsonst gilt der ›Dienst nach Vorschrift‹ als eine der effektivsten Streikformen.« (Kühl 2011, S. 117.) Zum Dritten ist Informalität gerade für solche Organisationen wichtig, deren Aufgaben so unterschiedlich zusammengesetzt sind, dass dafür stark formalisierte Regeln und Strukturen, die alles identisch regeln, nur hinderlich wären. Gerade Organisationen der Sozialen Arbeit, deren primäre Aufgaben in einer direkten Auseinandersetzung mit Leistungsadressaten und deren wechselnden Problemen liegen, müssen ihren Mitarbeitern auf den unteren Ebenen ein hohes Maß an Spielraum für Vorgehen und Entscheidungen belassen, also dort, »wo die eigentliche Arbeit gemacht wird«. Solche Organisationen (auch als »front-line organizations« bezeichnet; Klatetzki 2018b, S. 465 f.) benötigen eine eher dezentrale Entscheidungsstruktur; denn eine zentralisierte, formal festgelegte Struktur der Anweisung und der Entscheidungsprägung wäre dysfunktional, weil die Besonderheiten der Einzelfälle und der spezifischen Situationen dadurch unberücksichtigt blieben und die Gefahr sachfremder, inhaltlich nicht legitimierbarer Entscheidungen dramatisch anstiege. Hier bieten informelle Regeln eine Orientierung für die Mitarbeiter, damit nicht alles völlig dem Zufall überlassen bleibt. Zum anderen schaffen informelle Regeln eine Verkoppelungsoption, die der Gefahr des Auseinanderdriftens der verschiedenen Organisationseinheiten und der Erosion des Organisationszusammenhalts entgegenwirken kann. Auch Organisationen wie

solche in der Sozialen Arbeit, die dezentralisierte, netzwerkartige Struktur bevorzugen und dabei eine eher lose Koppelung der verschiedenen Organisationsteile aufweisen (Klatetzki 2018b, S. 466 ff.), können auf diese Weise ein für den Organisationszusammenhang erforderliches Maß an Ankoppelung ermöglichen. Gerade in Organisationen der Sozialen Arbeit, bei denen »es um Einstellungen, Haltungen und Denkstile geht«, die nicht an formale Mitgliedschaftsbedingungen zu koppeln sind, »greifen dann häufig die informalen Strukturen« (Kühl u. Muster 2016, S. 21). Informelle Strukturen und Programme sind nicht weniger wirkungsvoll für das Geschehen in Organisationen und nicht weniger verbindlich als die formal definierten und in Geltung gesetzten Kommunikationswege und Vorgehensweisen. Sie wirken ebenso normativ als Verhaltenserwartungen an die Organisationsmitglieder, und der Verstoß gegen informelle Verhaltenserwartungen kann ebenfalls Sanktionen zur Folge haben, jedoch sind solche Sanktionen wiederum informeller sozialer Art (Kritik von Kollegen; Hinweis, dass man bestimmte Dinge »nicht tut«; deutliches »Naserümpfen«; Ausschluss von kollegialen informellen Runden etc.) und nicht formalisiert (z. B. nicht als Verweis oder Abmahnung durch den Vorgesetzten). Gerade neue Organisationsmitglieder stehen häufig vor dem Problem, dass informelle Regeln und darauf ausgerichtete Strukturen nicht ohne Weiteres erfragbar sind. Die informellen Regeln und Strukturen werden meist erst dann offenkundig, wenn man gegen sie verstoßen hat und wenn dieser Verstoß mit (informellen) Sanktionen belegt wird. Dem Neuling in einer Organisation wird man über einen bestimmten Zeitraum, den man als Zeitraum der Eingewöhnung akzeptiert, eine größere Toleranz gegenüber Verstößen gegen informelle Normen entgegenbringen. In diesem Zeitraum hat der Neuling die Aufgabe, sich allmählich in das informelle Regelsystem der Organisation verstehend einzufinden, und Verstöße gegen das informelle Regelsystem werden dem Neuling mit diskreten Hinweisen auf geltende Regeln zur Kenntnis gegeben, so dass er sich allmählich in die informelle Struktur hineinfinden kann. Die informelle Seite der Organisation gilt es für die Organisationsgestaltung aufmerksam wahrzunehmen, sie ist jedoch in ihrer Dynamik nur sehr begrenzt durch Leitungshandeln intentional gestaltbar. Sie ist derjenige Faktor, der bei den Bemühungen zur Installierung und weiteren Ausgestaltung von Kommunikationswegen und Programmen in seiner Wirkungsdynamik sorgsam beobachtet werden muss und ggf. Beeinflussungsversuchen ausgesetzt werden sollte. Doch bleibt es bei Versuchen zur Einflussnahme, weil es sich um die implizite Seite der Organisationsrealität handelt, bei der sich die Effekte bestimmter Steuerungsversuche erst im Prozess der Verarbeitung »auf der Hinterbühne« beobachten lassen, und deren Beobachtbarkeit ist darüber hinaus noch eingeschränkt. Somit lässt sich Informalität einordnen als Bestandteil dessen, was sich als »Organisationskultur« in der Organisation herausgebildet hat und wirksam ist – Organisationskultur eben als die »unentscheidbare Entscheidungsprämisse« (Luhmann 2006, S. 241; Kapitel 5). Auch der Grad der Veränderbarkeit von Strukturmerkmalen, ihre Mobilität oder Immobilität (Kühl u.

Muster 2016, S. 54 ff.), bemisst sich daran, wie tief und fest sie informell, organisationskulturell und durch personengebundene Machtbezüge in der Organisation verankert sind.

4.2 Organisationsgestaltung als Umgang mit Spannungsfeldern und Paradoxien In der vorangegangenen Darstellung sind bereits einige Spannungsfelder angedeutet worden. Da es für Aktivitäten der Organisationsgestaltung fehlerhaft wäre, diese Spannungsfelder einseitig auflösen und auf diese Weise ein für die Leistungsfähigkeit der Organisation wichtiges Strukturelement faktisch außer Geltung setzen zu wollen, kann wiederum nur im Herstellen und Aufrechterhalten von Balancen eine angemessene Gestaltungsperspektive liegen. Die im Bemühen um Balance zu handhabenden zentralen Paradoxien bei der Organisationsgestaltung sind insbesondere folgende: • Balance zwischen Stabilität, die insbesondere durch Entfaltung und Aufrechterhaltung von Routinen bedingt ist, und Lernen und Innovationsbereitschaft, die Aufweichung und Änderung von Routinen voraussetzen: Jede Organisation benötigt Routinen, um effektiv und mit angemessenem Ressourcenaufwand Leistungen erbringen zu können, und sie muss sich zur Wahrung ihrer Leistungsfähigkeit vor einem allzu hohen Maß an Störungen und Irritationen schützen. Gleichzeitig muss sie sich für Irritationen aus der (inneren und äußeren) Umwelt erreichbar erweisen, weil sie ansonsten ihre Leistungen nicht mehr an die Dynamik der Umweltanforderungen anpassen könnte sowie Störungen in den Kommunikationswegen und Programmen nicht angemessen wahrnehmen und verarbeiten könnte. Die Priorisierung einer der beiden Seite bei der Organisationsgestaltung hätte markante Einschränkungen in der Leistungsfähigkeit der Organisation zur Folge. • Balance zwischen Erwartbarkeit und Verlässlichkeit einer bestimmten Leistung einerseits sowie der notwendigen Situativität, Dynamik und Flexibilität bei der Leistungserstellung andererseits: Die Organisation muss ein bestimmtes Leistungsprofil erzeugen, das sie gegenüber ihrer äußeren Umwelt identifizierbar macht und das sie gegenüber personenbedingter Zufälligkeit bis zu einem gewissen Grad immun machen muss. Gleichzeitig müssen die Programme auf die Spezifika personenbezogener Dienstleistungen (Kapitel 2) und auf die besonderen Lebenssituationen der einzelnen Leistungsadressaten ausgerichtet sein, die Veränderungen im Hilfeverlauf berücksichtigen und den Hilfeprozess dynamisch anpassen sowie bei der Hilfegestaltung den persönlichen Einflussfaktor

(aufseiten der Leistungsadressaten wie aufseiten der Mitarbeiter) flexibel beachten und für die Hilfegestaltung zum Tragen kommen lassen.8 Organisationsgestaltung muss Raum lassen für eine Leistungserstellung in der Paradoxie: »Wir handeln zwar verlässlich und in dieser oder jener Weise, und darauf kann man sich verlassen, aber je nach Situation und Person handeln wir auch anders.« • Balance zwischen Strukturieren durch Entscheidungen einerseits und Offenlassen für Dynamik (Entscheiden durch »Nichtentscheiden«) andererseits: Organisationsgestaltung bedeutet, Orientierungen zu geben für »richtiges Verhalten« von Mitarbeitern sowie durch Entscheidungen über Kommunikationswege und Programme den Rahmen zu markieren für Unterscheidungen, innerhalb derer sich das Organisationssystem bewegen und entwickeln und ein Profil entfalten kann. Solche Strukturierungsentscheidungen müssen jedoch gleichzeitig zurückhaltend sein, da sie Raum lassen müssen für Selbsttätigkeit von Organisationssegmenten und Personen, um sich in Ungewissheitszonen adäquat bewegen und unerwartete Ereignisse und Anforderungen bewältigen zu können. Ein frühzeitiges Reagieren der Leitung durch neue Strukturierungsentscheidungen könnte die Kreativität von Organisationsmitgliedern bei der Suche nach Lösungsoptionen für Ungewissheiten einschränken oder die notwendige tastende (hypothesengeleitete) Suche nach adäquaten Umgangsweisen unterlaufen. Leitungspersonen stehen somit vor der Anforderung zu entscheiden, ob und zu welchem Zeitpunkt sie Lösungen für Probleme durch neue Strukturentscheidungen installieren wollen sowie ob und zu welchem Zeitpunkt sie sich für das »Nichtentscheiden« entscheiden wollen, also die Dynamik von Problemlösungskonstellationen beobachten und »experimentierendes Handeln« zulassen oder gar fördern wollen. • Balance zwischen Herstellen von Einheitlichkeit (Zentralität) einerseits und Autonomiebestrebungen von Organisationsteilen (Dezentralität) andererseits: Jede Organisation muss mitsamt ihren unterschiedlichen Organisationssegmenten identifizierbar bleiben, was einschließt, dass die äußere Umwelt einzelne Organisationsteile in der Art ihrer Leistungserstellung als Teil der Gesamtorganisation, d. h. ihrer Struktur (Kommunikationswege) und Handlungsweisen (Programme), erkennt. Dies wird herbeigeführt durch Formen der zentralen Strukturierung, bei der für alle Organisationseinheiten ein struktureller Rahmen definiert wird, an den alle Organisationseinheiten gebunden werden sollen und dessen Praktizierung durch die Organisationseinheiten im Alltag überprüft und ggf. neu eingefordert wird. Andererseits benötigen die einzelnen Organisationseinheiten Autonomie, da sie als »front-line organizations« mit jeweils spezifischen Anforderungen konfrontiert sind, für die sie angepasste und immer wieder in neuen Konstellationen praktikable Lösungen erarbeiten müssen. Ferner entwickeln Organisationssegmente eine eigene »Autonomiedynamik«, die umso stärker ist, je weiter sie (räumlich, sachlich, sozial)

von der Zentrale entfernt sind. Beide Logiken der Organisationsgestaltung – Zentralität und dezentrale Autonomie – müssen gleichzeitig in der Steuerungsperspektive der Leitung integriert sein, und sie müssen miteinander ausbalanciert werden. Die Formel, in der sich die Ausbalancierung von Zentralität und Dezentralität ausdrücken lässt, ist die der »rekursiv-fraktalen Organisationsform« (Graf 2000, S. 85 ff.) als ein Modus der losen, aber dennoch aktiven und wirksamen Koppelung von Organisationssegmenten an die Gesamtorganisation (Klatetzki 2018b, S. 466 f.). Sie markiert eine Form der Ankoppelung von dezentralen, relativ selbstständig (»fraktal«) agierenden Organisationseinheiten, allerdings weniger nach hierarchischen Prinzipien, sondern eher orientiert an einer Ankoppelung durch Rückbindung an gemeinsame Regeln und Orientierungslinien, durch von der Zentrale geleistete Unterstützung bei der Erarbeitung eigener Lösungen (Fachberatung, Reflexionsdiskurse, Fortbildungen, Konzepttage etc.), durch Zuteilung von Ressourcen etc. Diese Form der Ankoppelung (»rekursiv«) ermöglicht eine relativ eigenständige Entwicklung dezentraler Organisationseinheiten, ohne dass diese aus dem Blick der Gesamtorganisation geraten und ohne dass eigene dezentrale Entwicklungsrichtungen unabhängig von der Gesamtorganisation eingeschlagen werden. Eine »Versäulung« der Organisation in einzelnen autonom agierenden »Organisationssäulen« wird im günstigen Fall vermieden durch einen kontinuierlichen Rückbezug auf die Gesamtorganisation mit ihren unterstützenden, aber auch beobachtenden und ggf. korrigierenden Potenzialen, also durch Formen der losen, aber wirksamen Ankoppelung. In der Anforderung, Zentralität und Dezentralität auszubalancieren, zeigt sich die grundlegende Paradoxie der Organisationsgestaltung: die Paradoxie von »Übersteuerung« einerseits – als Versuch, Kommunikationswege und Programme intensiv festzulegen und dadurch »Leistungsfähigkeit« zu gewährleisten – und »Untersteuerung« andererseits – als Bestreben, vorwiegend auf die autonome Steuerungsfähigkeit von Teilsystemen zu bauen mit der Hoffnung, dass sich dadurch produktive Effekte für die Gesamtorganisation ergeben.9 Beide Steuerungsoptionen haben hohe Risiken: organisationale Lähmung und mangelnde Qualität im Hinblick auf unzureichende Beachtung der spezifischen Anforderungen an die dezentralen Organisationseinheiten bei der »Übersteuerung« – Orientierungslosigkeit durch ausbleibende Entscheidungen sowie Überlastung durch kontinuierliche mühsame Verständigungsprozesse und durch mangelnde Unterstützung bei der »Untersteuerung«. Auch hier heißt die Perspektive: situative Ausbalancierung auf der Grundlage sorgfältiger, kontinuierlicher Beobachtung.

4.3 Organisationsgestaltung »systemisch«

Das »Systemische« an der Organisationsgestaltung offenbart sich in einem Steuerungshandeln, das abseits der Vorstellung einer »Organisation als Maschine« von einer Selbstorganisation des sozialen Systems ausgeht und Organisationsgestaltung nicht nur als Wirken in einer Sphäre des »Rationalen« und der Zwecke, sondern in einer sozialen Dynamik versteht und eine sorgfältige Beobachtung des räumlichen, zeitlichen und sozialen Kontexts sowie der Folgen und Nebenfolgen einer Intervention zur Grundlage der Steuerungsversuche macht. Im Grundsatz sind diejenigen Orientierungen maßgeblich, die in den Ausführungen zum Verständnis von Steuerung und Leitung (Kapitel 3) benannt und begründet worden sind: • Reflexives, hypothesengeleitetes Steuerungshandeln auf der Grundlage des Beobachtens und Bewertens der Ausgangsbedingungen und der sozialen und sachlichen Folgen und Nebenfolgen von Interventionen; • Kalkulation zur möglichen Anschlussfähigkeit der Interventionen (in sachlicher, zeitlicher, sozialer und ggf. räumlicher Hinsicht); • Mit eigenständiger Verarbeitung von Steuerungsimpulsen in verschiedenen Teilsystemen rechnen; • Für Kontextbedingungen sorgen, die für die Gestaltungsabsicht förderlich wirken; • Informelle Dynamik und organisationskulturelle Phänomene als Gestaltungsfaktoren im Blick behalten; • Balancen und ihre Entwicklungsdynamik kontinuierlich beobachten. Entscheidungen über Entscheidungsprämissen bedürfen der zyklischen Überprüfung, • ob und wie die mit Strukturen und Programmen beabsichtigten Folgen realisiert wurden, • welche unbeabsichtigten, problematischen und/oder positiven Nebenfolgen im Umgang mit Entscheidungsprämissen sichtbar werden – und hier insbesondere: welche Konfliktbelastungen mit den durch die Entscheidungsprämissen bewirkten Einschränkungen von Handlungsoptionen bei Organisationsakteuren einhergehen, • welche Auswirkungen sie auf die informellen Handlungsmodalitäten und das implizite Normengefüge der Organisation haben, • ob Organisationsmitglieder (Entscheidungsprämisse »Personal«) qualifikatorisch und motivational dafür geeignet erscheinen, die mit den Struktur- und Programmimpulsen beabsichtigten Wirkungen zu realisieren, • ob Strukturen und Programme noch mit den institutionalisierten Erwartungen der Umwelt übereinstimmen und die erforderliche Legitimation der Organisation gewährleisten. Um einen solchen Modus der Organisationsgestaltung angemessen realisieren zu können,

bedarf es transparent definierter und positional verankerter Leitungsstrukturen in der Organisation. Es muss in der Organisation erkennbar sein, a) wer welche Leitungsposition in der Organisation einnimmt, b) mit welchen Leitungsaufgaben und Verantwortungsbereichen die jeweiligen Leitungspositionen verknüpft sind und c) welche Gestaltungsoptionen den einzelnen Leitungspositionen innerhalb der Hierarchie zugesprochen werden. Damit ist der positionale Teil von Leitung skizziert, ihre Verankerung in der Struktur bzw. in den Kommunikationswegen der Organisation. Die Ausgestaltung der Leitungsposition im Hinblick auf Organisationsgestaltung bedarf einer Haltung der Leitungspersonen, die sich durch das Zusammenspiel von aktivem Gestaltungswillen, wacher und sensibler Beobachtungsbereitschaft und Reflexivität auszeichnet. Der Begriff »Leadership«, der in Veröffentlichungen zu Leitung in der Sozialen Arbeit als Leitorientierung proklamiert wird (Eurich u. Brink 2009; Simsa u. Patak 2008; Fröse 2013), steht einer systemischen Haltung zur Organisationsgestaltung entgegen. Denn trotz der Bemühungen um Differenzierung wird in der Debatte um »Leadership« letztlich implizit eine Komplexitätsreduktion zur Leitungsrolle in Organisationen betrieben. Die Komplexität der Gestaltungsdynamik im sozialen System »Organisation« wird durch die Reduktion auf »Leadership«, auf die Gestalt des »Leaders« bearbeitet; letztlich wird damit eine heroisch konzipierte Figur des Hoffnungsträgers proklamiert. Leitungshandeln zur Organisationsgestaltung lässt sich demgegenüber eher als ein Bündel von Versuchen charakterisieren, »ein lebendiges System in eine gewünschte Richtung zu verführen« (Seliger 2013, S. 84). Dies geschieht zum einen durch anschlussfähige Gestaltungsimpulse, die eine Selbststeuerung des Systems anregen und in eine gewünschte Richtung zu bringen versuchen, sowie zum anderen durch Formen der Kontextsteuerung, die die Organisation dazu veranlassen, sich Themen in einer bestimmten Steuerungsabsicht zuzuwenden (Kapitel 3). Und dies im Bewusstsein des Beobachtungsparadoxes, in dem sich Leitungspersonen befinden: Der Beobachtende (die Leitungsperson) soll ein System beobachten, zu dessen »Personal« er selbst gehört. Das Beobachten setzt Distanznahme zum Beobachtungsgegenstand (Organisation) voraus, während die beobachtende Leitungsperson gleichzeitig mitten in der Dynamik der Organisation steht. Beobachten besteht in der Erzeugung von Selbstirritation – dies jedoch im Bewusstsein der begrenzten Möglichkeiten und Bereitschaft des Beobachtenden zu distanzierten Sichtweisen. Nur in der reflexiven Ausgestaltung dieses Beobachtungsparadoxes kann eine Leitungsperson adäquate Impulse zur Organisationsgestaltung setzen. Es erscheint offenkundig, dass Leitungspersonen einen reflexiven Umgang mit dem Beobachtungsparadox ohne Hilfen zur Distanznahme (z. B. in Form von Coaching oder kollegialen Reflexionsgruppen) kaum bewältigen können.

4.4 Leitorientierungen für eine systemisch konzipierte Organisationsgestaltung

1) Organisationsgestaltung erfolgt auf der Grundlage einer Organisationsbeobachtung/Organisationsanalyse, bei der vier Faktorenbündel und Gestaltungsansätze zueinander in Bezug gesetzt werden: Aufgaben/Ziele/Zwecke – Kommunikationswege/Strukturen – Handlungsprogramme – Organisationskultur. 2) Bewusste Organisationsgestaltung ist erforderlich, um nach innen und außen Verlässlichkeit und Kontinuität der Leistungserstellung zu gewährleisten, um Mitarbeitern bei der Bearbeitung ungewisser Aufgabenkonstellationen Orientierungen zu geben sowie um eine tragfähige Ankoppelung der verschiedenen Teilsysteme innerhalb der Organisation zu ermöglichen und zu fördern. 3) Wie bei anderen Managementaufgaben besteht Organisationsgestaltung in einem aktiven reflektierenden Umgang mit Paradoxien, hier insbesondere: – Stabilität, die vor allem durch Routinen erzeugt wird, vs. Lernen, das Änderungsund Innovationsbereitschaft gleichzeitig voraussetzt und erzeugt, also partielle Destabilisierung bedeutet; – Erwartbarkeit/Verlässlichkeit der Abläufe und der Leistungserbringung vs. Situativität/Dynamik/Flexibilität; – Strukturieren von Prozessen durch Entscheidungen vs. Bereitschaft zum Offenlassen und Zulassen von Dynamik, was bewusstes »Nichtentscheiden« einschließt; – Herstellen von Einheitlichkeit der Leistungserstellung und des strukturellen Rahmens in der Organisation (Zentralität) vs. Anerkennen der autonomen Handlungsmöglichkeiten und autonomen produktiven Potenziale dezentraler Organisationseinheiten (Dezentralität); – Gleichzeitigkeit der Gefahren von Übersteuerung und Untersteuerung. 4) Neben den formalen Kommunikationswegen und Programmen ergeben sich in Organisationen vielfältige informelle Regeln und Gewohnheiten im Umgang mit Aufgaben und in der Handhabung von Strukturen und Programmen. Informalität ist Teil der Dynamik sozialer Systeme und wird gerade in Organisationen Sozialer Arbeit zur Bearbeitung ungewisser Anforderungen und Aufgabenkonstellationen benötigt. Informelle Gegebenheiten in Organisationen sind sensibel zu beobachten und bei Impulsen zur Organisationsgestaltung zu erwägen. 5) Organisationsgestaltung in Organisationen, die soziale Dienstleistungen erbringen (»front-line organizations«), besteht im Herbeiführen und in balancierender Aufrechterhaltung einer »losen, aber wirksamen Koppelung« verschiedener Teilsysteme. Orientierungslinie ist das Bild einer »rekursiv-fraktalen Organisation«. 6) Wirkungsvolles Steuerungshandeln bei der Organisationsgestaltung ist nur durch reflexive, hypothesengeleitete, beobachtungsintensive Vorgehensweisen und durch entsprechende Haltungen der Leitungspersonen möglich. 7) Wirksame Organisationsgestaltung hat eine transparente Leitungsstruktur zur

Voraussetzung, bei der die Leitungsaufgaben transparent zugeordnet und in einer im Grundsatz klaren Rollenstruktur verankert sind. 8) Entscheidungen über Entscheidungsprämissen bedürfen der zyklischen Überprüfung durch die Leitungsebene. Die Leitung sollte Zeitrhythmen, Formen, Orte und Methoden solcher Überprüfungszyklen festlegen sowie angemessene Formen der Kommunikation über die Ergebnisse solcher Überprüfungen in der Organisation finden. 9) Organisationsgestaltung durch Leitung bewegt sich im »Beobachtungsparadox«: Diejenige Person, die beobachtet, soll sich auch selbst in ihrem Organisationshandeln beobachten und kann somit die zur Beobachtung erforderliche Distanz nur begrenzt selbst schaffen. Sie ist angewiesen auf Hilfen, die ihr Distanznahme und Optionen zur »Beobachtung 2. Ordnung« ermöglichen. Diese Hilfen müssen sich Leitungspersonen organisieren.

8 Organisationen der Sozialen Arbeit sind »Organisationen der Hilfe« (Bode 2012), die dadurch charakterisiert sind, dass sie zwar z. T. regelbasiert arbeiten und somit erwartbare Leistungen erbringen, z. T. aber auch als »professionelle Organisationen« (ebd., S. 153; Klatetzki 2012) arbeiten müssen, was die Steuerbarkeit über formale Regeln (z. B. Standardisierung von Arbeitsabläufen) eingrenzt. Der Typus der »professionellen Organisation« hat es mit wenig routinisierbaren, eher unbestimmten und kaum technologisierbaren Aufgabenkonstellationen zu tun, die auf der Grundlage eines tragfähigen Wissensbestands interpretativ und fallbezogen flexibel bearbeitet werden müssen. Dies hat Auswirkungen auf Entscheidungsstrukturen und Handlungsprogramme; so können z. B. formale Kontrollmechanismen nur begrenzt greifen, wohingegen kollegiale Formen der Überprüfung und Reflexion einen höheren Stellenwert in den Strukturen und Kommunikationswegen einnehmen müssen (Klatetzki 2005 und 2012). 9 Auf einen Effekt durch »Untersteuerung«, die häufig mit mangelnder Hierarchiebildung einhergeht, macht Kühl aufmerksam: Mangelnde Hierarchiebildung auf den dezentralen Ebenen (z. B. keine »Teamleitung« oder intransparente Funktionszuordnung als »Koordinator«) muss informell kompensiert werden. »Wenn es Gruppen durch informelle Hierarchisierung, Arbeitsteilung oder konsensuale Abstimmungsprozesse nicht gelingt, Konflikte zu regulieren, werden Entscheidungen gerade in diesen stark dezentralisierten Strukturen in der Hierarchiepyramide nach oben gelegt.« (Kühl 2015b, S. 143) Das Bemühen von Leitungspersonen, auf der dezentralen Ebene »enthierarchisiert« zu arbeiten, also wenig Steuerungsimpulse zu geben, führt somit in vielen Fällen entweder dazu, dass notwendige Entscheidungen ausbleiben bzw. implizit erfolgen oder dass die oberen Hierarchieebenen gestärkt oder mit Entscheidungsanforderungen überlastet werden.

5 Zur Bedeutung und Beeinflussbarkeit von Organisationskultur

Praxisbeispiel Der ASD eines großen Jugendamtes kämpft seit Jahren mit einer nicht enden wollenden Mitarbeiterfluktuation. Während früher ein Job im ASD für viele Sozialarbeiter noch ein »Sechser im Lotto« war, scheinen heute maximal »6 aus (bzw. von) 49« (neu eingestellten Kollegen) bleiben zu wollen. Über den Flurfunk hört man, dass der ASD eigentlich nur noch ein Durchlauferhitzer sei, bei dem man den Absprung schaffen muss, bevor man entweder mit einem Bein im Gefängnis steht oder einen Burn-out bekommt. Zudem herrscht die Meinung, dass die ASD-Arbeit aufgrund der hohen Fallzahlen eigentlich sowieso nicht zu schaffen sei, dass man nur noch verwaltet, aber keine »echte« Soziale Arbeit mehr erbringen kann und trotz zahlreicher Hilfeplankonferenzen, Teamsitzungen und kollegialer Beratungen eigentlich doch Einzelkämpfer ist. Die Einstellung von zusätzlichem Personal und die Etablierung eines Einarbeitungskonzepts für neue Mitarbeiter scheinen das Problem der Mitarbeiterfluktuation nicht beheben zu können. Innerhalb der Leitungsrunde verdichtet sich daher der Eindruck, dass der ASD weniger ein strukturelles, als vielmehr ein kulturelles Problem habe. Der ASD-Leiter beschließt daher das Thema Organisationskultur anzupacken: »Wir müssen wieder eine Kultur schaffen, in der sich die Mitarbeiter innerhalb des ASD wohlfühlen, in der sie in ihrer Fachlichkeit gefordert und geschätzt sind und wieder ein Wir-Gefühl entsteht. Nur so können wir das Problem in den Griff bekommen!« Um den Worten Taten folgen zu lassen, wird eine Projektgruppe initiiert, die sich in einem ersten Schritt mit der Erstellung eines gemeinsamen Leitbildes für den ASD beschäftigen soll. Innerhalb der 6-monatigen Projektlaufzeit erlebt die Projektgruppe Höhen und Tiefen. Am Ende der Projektlaufzeit kann die Projektleiterin dennoch ein Leitbild vorstellen, von dem einige aber bereits hinter vorgehaltener Hand sagen, dass dies lediglich der kleinste gemeinsame Nenner der Projektgruppe sei. Das Leitbild wird als Hochglanzprospekt gedruckt und bei der nächsten großen Dienstbesprechung allen ASD-Kollegen vorgestellt. Zudem soll es auf der städtischen Internetseite als Download für alle Bürger und Kooperationspartner einsehbar sein. Weitere Versuche zur Beeinflussung der Organisationskultur werden aufgrund fehlender zeitlicher Ressourcen zunächst vertagt. Einige Monate später stellt der ASD-Leiter resigniert fest, dass es das neue Leitbild zwar auf die Website der Kommune geschafft hat, nicht aber in die Köpfe der Mitarbeiter und erst recht nicht in die handlungsleitenden Prämissen der Organisation. Eigentlich ist alles wie früher, mit dem Unterschied, dass der Kommune nunmehr 5000 Euro weniger zur Verfügung stehen (Kosten für die Erstellung und den Druck der Hochglanzbroschüre) und dass sich die Projektteilnehmer rückblickend fragen, was all das denn eigentlich sollte. Wenngleich dieses Praxisbeispiel frei konstruiert ist, kann es dennoch als Sinnbild für

folgende zu beobachtende Phänomene in Organisationen der Sozialen Arbeit betrachtet werden: • Auch in Organisationen der Sozialen Arbeit findet verstärkt eine Auseinandersetzung mit Fragen der Beinflussbarkeit von Organisationskulturen10 statt. • Ausgangslage hierfür ist häufig eine problemhafte Situation (z. B. hohe Mitarbeiterfluktuation), die mit Interventionen auf der Ebene der Formalstruktur (z. B. Einstellung von zusätzlichem Personal; Implementierung eines Einarbeitungskonzepts) nicht oder nur eingeschränkt zu beheben ist. • Nicht selten sind Versuche zur Beeinflussbarkeit von organisationalen Phänomenen von einem optimistischen Steuerungsverständnis geprägt. Schlagworte wie »Organisationskultur anpacken«, »Kultur schaffen« oder »in den Griff bekommen« können als Ausdruck dessen betrachtet werden. • Ähnlich wie im obigen Praxisbeispiel angedeutet, scheinen Versuche zur direkten Steuerung der Organisationskultur häufig nicht die damit verbundenen Erwartungen einzulösen. Nachfolgend gilt es aufzuzeigen, warum eine Auseinandersetzung mit dem Phänomen Organisationskultur auf den Leitungsebenen unerlässlich erscheint (Kapitel 5.1), wie traditionelle (eher betriebswirtschaftliche) Ansätze zur Beeinflussung von Organisationskulturen vorgehen (Kapitel 5.2) und was systemtheoretische Zugänge hiervon abgrenzt (Kapitel 5.3).

5.1 Zur (bedeutsamen) Funktion von Organisationskulturen Die Bedeutsamkeit von Organisationskulturen und deren impliziten Regelwerk erfährt man häufig erst dann, wenn man gegen sie verstoßen hat. Der skeptische Blick des Vorgesetzten, wenn man den impliziten Dresscode der Organisation missachtet hat, die enttäuschten Arbeitskollegen, wenn man nicht – wie sonst alle – am eigenen Geburtstag Kuchen mitbringt, oder der Teamleiter, der zusehends darüber verstimmt wirkt, dass man sich dem unausgesprochenen Gesetz widersetzt, länger zu arbeiten als vertraglich vereinbart. Wenngleich in solchen Situationen eher die »Schattenseite« der Organisationskultur zutage kommen scheint, nehmen Organisationskulturen aufgrund ihrer identitätsstiftenden sowie ihrer koordinierenden Funktion zugleich eine zentrale Rolle hinsichtlich der Aufrechthaltung der Autopoiese von Organisationssystemen ein. Wenn sich ein Sozialarbeiter fragt, ob er in einer Organisation dauerhaft tätig sein möchte, dann stehen hierbei zunächst einmal sehr pragmatische Fragen wie die folgenden im Vordergrund: Interessiert mich das Handlungsfeld? Passt die räumliche Distanz zwischen

Wohnort und Einsatzort? Passt das Gehalt zu meinen Vorstellungen? Die Entscheidung für oder gegen eine Organisation hängt aber auch davon ab, inwieweit diese zur eigenen Identitätsbildung beiträgt.11 Identitätsbildend wirken hierbei insbesondere die Zuschreibungen, die eine Person aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Organisation von anderen Personen erhält. Wenn sich ein Sozialarbeiter in erster Linie als Entscheider empfindet, dann wird diese Person möglicherweise eher in einem Amt (Jugendamt, Sozialamt, Arbeitsamt etc.) beruflich tätig sein (und hier über die Hilfeanträge anderer entscheiden) als bei einem freien Träger, der primär für die Ausführung der zuvor getätigten Entscheidungen zuständig ist. Die Zugehörigkeit zu einer Organisation hat also immer auch eine identitätsstiftende Funktion. Je länger ein Mitarbeiter in einer Organisation tätig ist, desto prägender ist diese Zugehörigkeit für die Entwicklung der eigenen Identität.12 Um die Zugehörigkeit zu einer Organisation – und damit die eigene (berufliche) Identität – nicht zu gefährden, sind neben den formalen auch die kulturellen Spielregeln einer Organisation zu berücksichtigen. Nur wer also dauerhaft bereit ist, sich auch dem kulturellen Regelwerk einer Organisation zu unterwerfen, kann Mitglied bleiben und erhält so die Möglichkeit, durch seine berufliche Tätigkeit innerhalb der Organisation ein Bild nach außen zu projizieren, das im besten Fall kongruent mit dem Selbstbild ist. Das Befolgen der kulturellen Regeln stellt (neben dem Befolgen der formalen Regeln) einerseits eine Voraussetzung dar, um als Organisationsmitglied die identitätsstiftende Funktion von Organisationen genießen zu können. Andererseits kann das Befolgen der kulturellen Regeln aber auch als Garant dafür betrachtet werden, dass die identitätsstiftende Funktion von Organisationen selbst dann gewährt wird, wenn Organisationen Veränderungen auf Ebene der Formalstruktur erfahren. Dadurch, dass sich die Kultur einer Organisation abseits der formalen Seite der Organisation entwickelt, kann sie sich – zumindest bis zu einem gewissen Grad – gegenüber Veränderungen auf der Ebene der Formalstruktur verselbstständigen. Durch das Befolgen der kulturellen Regeln kann die identitätsstiftende Funktion von Organisationen also auch dann aufrechterhalten werden, wenn sich die offiziellen Spielregeln verändern. Durch ihre identitätsstiftende Funktion wirkt die Organisationskultur wie »sozialer Klebstoff« (Staehle 1999, S. 512), der die Mitglieder auch abseits ihrer formalen Rolle und der damit verbundenen vertraglichen Pflichten an die Organisation bindet. Möglicherweise ist hierin auch begründet, warum in vielen Bereichen der Sozialen Arbeit unbezahlte Überstunden, schlechte Bezahlung, befristete Verträge und hohe Arbeitsbelastung nicht dazu führen, dass die Organisationsmitglieder reihenweise die Kündigung einreichen. Durch die Bereitstellung eines homogenen Orientierungsmusters abseits der Formalstruktur tragen Organisationskulturen aber nicht nur zur Bindung der Organisationsmitglieder bei, sie erleichtern aufgrund ihrer koordinierenden Wirkung zugleich das Handeln in Organisationen. Stünde kein kollektives organisationales Sinnsystem zur Verfügung, müssten Leitungskräfte viel Koordinationsarbeit übernehmen, um die

Kommunikation – und damit das Treffen von Entscheidungen – aufrechtzuerhalten. Wie schwer es gelingende Kommunikation bei fehlenden gemeinsamen Orientierungsmustern hat, wird bisweilen deutlich, wenn im Zuge von Kooperationsveranstaltungen Vertreter unterschiedlicher Disziplinen und Professionen aufeinandertreffen: Da versteht die Jugendamtsmitarbeiterin den Schulvertreter nicht, dieser hat seinerseits Verständigungsprobleme mit der Vertreterin aus dem Gesundheitswesen und die versteht wiederum nicht, was denn eigentlich das (Verständigungs-)Problem zwischen Jugendhilfe und Schule sein soll. Erfreulicherweise – so könnte man meinen – spiegeln solche Kooperationsveranstaltungen nicht den beruflichen Alltag der Akteure wider. Hier bieten Normen und Werte – neben der Formalstruktur – einen sicheren Rahmen, um Entscheidungen treffen zu können. Nicht selten bedarf es zur Lösung eines Problems in Organisationen gar keiner formalen Entscheidung, da irgendwie allen (oder zumindest denjenigen, die schon längere Zeit im Unternehmen sind) klar ist, wie zu entscheiden ist. Organisationskulturen tragen folglich durch ihre koordinierende Funktion massiv zur Reduktion von Komplexität bei. Hierbei koordinieren sie das Handeln der Organisationsmitglieder insbesondere in den Nischen des organisationalen Alltags, die über die Formalstruktur nicht oder nur sehr schwer erreicht werden können. Immer dann also, wenn eine Entscheidung nicht eindeutig aufgrund einer formalen Regel getroffen werden kann, wenn also z. B. der Ermessensspielraum von Sozialarbeitern gefragt ist (»Verlängern wir die Hilfe oder nicht?«, »Sanktionieren wir das Fehlverhalten des Klienten oder nicht?«, »Lassen wir das Kind noch in der Familie oder nicht?«), bieten die kulturellen Prämissen einer Organisation Orientierung, um Entscheidungen zu treffen, die zumindest innerhalb der Organisation ein Mindestmaß an Akzeptanz erwarten lassen.

Zusammenfassend tragen Organisationskulturen also aufgrund ihrer identitätsstiftenden Funktion dazu bei, dass sich die Mitarbeiter auch über ihre formale Rolle hinaus an die Organisation binden. Aufgrund ihrer koordinierenden Funktion reduzieren sie zugleich Komplexität und vereinfachen hierdurch das Treffen von Entscheidungen, wodurch die Aufrechthaltung der organisationalen Grenzen und letztlich das Überleben des sozialen Systems gewährleistet wird. Organisationskulturen befördern aber zugleich – insbesondere aufgrund ihrer identitätsstiftenden Funktion – den strukturellen Konservatismus in Organisationen. Wer einmal eine Organisation gefunden hat, die zu ihm passt, der möchte nicht, dass eben jene Passung einfach so aufgehoben wird. Organisationskulturen erzwingen daher auch dort Konformität, wo möglicherweise Querdenken vonnöten – oder zumindest wünschenswert – wäre und erzeugen so »unsichtbare Barrieren« (Steinmann, Schreyögg u. Koch 2013, S. 671), die Veränderungsversuche auf der Ebene der Formalstruktur ausbremsen und bisweilen auch unwirksam werden lassen. Unabhängig davon, ob Leitungskräfte nun die Organisationskultur mit ihrer bindenden und koordinierenden Funktion als Ressource betrachten, die es zu befördern gilt, oder aber kulturelle Phänomene (mit ihren stark ausgeprägten Beharrungstendenzen) als dysfunktional bewerten, die es folglich zu verändern gilt: Stets stehen Leitungskräfte vor der Herausforderung, steuernd auf die Kultur Einfluss zu nehmen. Welches Steuerungsverständnis traditionellen Ansätzen zur Beeinflussung von Organisationskulturen zugrunde liegt, wird nachfolgend aufgezeigt.

5.2 Traditionelle Ansätze zur Beeinflussung von Organisationskulturen Seit den 1980er-/1990er-Jahren verbreitet sich die Botschaft, dass der Erfolg einer Organisation nicht allein von der Struktur, sondern auch von der Kultur einer Organisation abhängt (vgl. Grubendorfer 2016, S. 73 f.; Staehle 1999, S. 510 f.; Sackmann 2017, S. 141 ff.). In diesem Zusammenhang wurden bisweilen euphorische Botschaften verkündet. So verglichen beispielsweise Kotter und Heskett (Kotter a. Heskett 1992) über einen Zeitraum von 11 Jahren erfolgreiche mit weniger erfolgreichen Unternehmen und stellten hierbei fest, dass die Organisationskultur einen erheblichen Einfluss auf die langfristige wirtschaftliche Leistung eines Unternehmens ausübt. Diese These stützten sie mit »beeindruckenden« Kennzahlen.13 Angetrieben von solchen verlockenden Botschaften, entwickelte sich die Organisationskultur zu einem vermeintlichen Allerheilmittel (Kühl 2011, S. 128): »Werden durch die Schaffung dezentraler Einheiten die Zentrifugalkräfte in einer

Organisation größer, dann soll die ›Organisationskultur‹ die Teile zusammenhalten. Wird es durch die Abschaffung von Hierarchiestufen schwieriger, Mitarbeiter zu kontrollieren, dann müssen diese über die Identifikation mit der ›Organisationskultur‹ gebunden werden.« Es verwundert daher auch nicht, dass große Unternehmensberatungsfirmen, wie etwa McKinsey, die Organisationskultur als steuerungsrelevante Variable in dem bekannten »7-SSchema« (Kasper u. Schmidt 2005, S. 268) eingeordnet haben. Solche und andere Modelle wecken die Hoffnung, mit dem Konzept der Organisationskultur einen (weiteren) Stellhebel im Cockpit der Unternehmensleitung lokalisiert zu haben, »mit dem direkt auf die möglicherweise überholten oder erneuerungsbedürftigen Einstellungen, Denk- und Handlungsweisen von Mitarbeitenden oder Organisationseinheiten Einfluss genommen werden kann« (Baitsch u. Nagel 2014, S. 270 f.). Um dieser Hoffnung Taten folgen zu lassen, können Leitungskräfte auf eine Vielzahl von Managementratgebern zurückgreifen, die bereits durch Titel wie beispielsweise »Planung von Unternehmenskultur« (Schmid 1995), »Kulturwandel in Organisationen: Ein Baukasten für angewandte Psychologie im Change Management« (Hehn, Cornelissen u. Braun 2015) oder »Zehn Schritte zur marktgerechten Firmenkultur: Wie Sie Ihre Firmenkultur zum strategischen Erfolgsfaktor machen« (Flöther 1991) allesamt den Eindruck erwecken, die Kultur einer Organisation ließe sich machen. Was die interessierte Leitungskraft in diesen und anderen »Ratgebern« findet, ist ein großes Arsenal an Tools und Tricks mit dem Zweck »gezielter Interventionen für die Gestaltung und Veränderung kultureller Merkmale und des kulturellen Selbstverständnisses in einem Unternehmen« (Loebbert 2015, S. 10). Zugleich werden »Rezeptbücher« angeboten, die verführerisch einfach klingen, da es im Kern lediglich darum geht, dass die »erfolgsentscheidenden kulturellen Merkmale im Unternehmen gefunden, verändert und weiterentwickelt werden« (ebd.). Häufig wird in solchen »Ratgebern« – zumindest hinsichtlich der Steuerungserwartung – die Organisationskultur mit der Formalstruktur einer Organisation gleichgesetzt. Steuerungserwartungen und -instrumente, die sich auf der Ebene der Veränderung von Kommunikationswegen und Handlungsprogrammen bewährt haben, werden folglich auch auf die Steuerung der Organisationskultur übertragen. Zwar wird eingestanden, dass die Veränderung der Organisationskultur schwierig ist und einen langen Atem erfordert, die grundsätzliche Veränderbarkeit von Organisationskulturen wird aber nicht in Zweifel gestellt. Nicht selten bleiben die Erfolge solcher Kulturtransformationen allerdings aus oder zumindest deutlich unter den hiermit verbundenen Erwartungen. Wenngleich Aussagen, wonach 90% der Projekte zum Kulturwandel scheitern (vgl. Stegmaier 2016, S. 13), zwar mit Vorsicht zu genießen sind, weisen sie dennoch deutlich darauf hin, dass viele der ambitionierten »Kulturingenieure« (Steinmann, Schreyögg u. Koch 2013, S. 674) beim Versuch, die Kultur einer Organisation umzukrempeln, nur sehr bedingt erfolgreich waren.

5.3 Organisationskultur systemtheoretisch betrachtet In der Einführung dieses Kapitels wurde bereits darauf verwiesen, dass die Organisationskultur neben ihrer identitätsstiftenden auch eine koordinierende Funktion einnimmt. Indem – basierend auf der vorherrschenden Organisationskultur – Entscheidungen vorgeprägt werden, entwickeln Organisationen also einen Orientierungsrahmen, an dem die Organisationsmitglieder ihr Handeln (präziser formuliert: das Treffen von Entscheidungen) abseits der formalen Vorgaben ausrichten können. Hierdurch reduzieren Organisationen Komplexität und ermöglichen koordiniertes Handeln trotz stark zweckprogrammierter Ausrichtung und der damit verbundenen Kontingenz hinsichtlich der Erbringung von personenbezogenen Dienstleistungen. Praxisbeispiel Ob innerhalb eines ASD der Meldung aus der Schule oder von Nachbarn zu möglichen Kindeswohlgefährdungen sofort oberste Priorität eingeräumt wird oder diese eher nachrangig behandelt werden, wie mit dem Spannungsfeld von umfassender Hilfeanforderung einerseits und Spardruck andererseits umgegangen wird, ob die Lebenssituation eines Kindes (noch) als »normal« oder bereits als »dramatisch« bewertet wird, all dies wird wesentlich durch die Kultur innerhalb eines ASD (mit)geprägt (vgl. Merchel 2015e, S. 62). Die vorherrschenden Normen, Werte und Basisannahmen innerhalb einer Organisation nehmen also maßgeblich Einfluss darauf, wie entschieden wird; sie werden in diesem Sinne als Entscheidungsprämisse wirksam. Im Gegensatz zu anderen Entscheidungsprämissen (Kommunikationswegen, Handlungsprogrammen und Personen) zeichnet sich die Kultur einer Organisation aber dadurch aus, dass über sie nicht aktiv entschieden werden kann. In jeder Organisation lassen sich daher Erwartungen hinsichtlich des Treffens von Entscheidungen vorfinden, die nicht »durch Entscheidungen eines Unternehmensvorstandes, eines Parteitages oder eines Papstes zustande kommen, sondern die sich einfach erfolgreich als Gewohnheiten eingeschlichen haben. Selbst bei intensivem Suchen lassen sich keine Entscheidungen finden, auf die diese Festlegungen zurückgehen, sie sind aber trotzdem als Entscheidungsprämissen wirksam« (Kühl 2011, S. 117). Solche Gewohnheiten, die sich »eingeschlichen« und als Entscheidungsprämissen etabliert haben, wenngleich niemand aktiv über sie entschieden hat, können als »unentscheidbare Entscheidungsprämissen« (Luhmann 2006, S. 242) bezeichnet werden (Kapitel 1.3.2). Ordnet man die Kultur einer Organisation aus systemtheoretischer Perspektive als unentscheidbare Entscheidungsprämisse ein, dann ist »die wohl wichtigste damit verbundene Erkenntnis, so unpopulär sie auch sein mag, dass Unternehmenskulturen nicht direkt

steuerbar sind« (Grubendorfer 2016, S. 74).14 Die Entscheidungsmacht, die Leitungskräfte in Bezug auf die Veränderung von Kommunikationswegen, die Neuordnung von Handlungsprogrammen oder die Umbesetzung von Personal genießen, versagt also, wenn es um die Organisationskultur geht. Daher sind Steuerungsansätze abzulehnen, die Formalität und Organisationskultur unreflektiert gleichsetzen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Formalstruktur und die Organisationskultur völlig unabhängig voneinander betrachtet werden können. Auch wenn die entscheidbaren Entscheidungsprämissen (hier als Formalstruktur bezeichnet) und die unentscheidbaren Entscheidungsprämissen (hier als Organisationskultur bezeichnet) analytisch betrachtet als zwei autonome, autopoietische Kommunikations- und Entscheidungssysteme bewertet werden müssen, sind sie gleichwohl strukturell gekoppelt, was dazu führt, dass sie sich – wenngleich auch nicht in einem linear-kausalen Sinne – gegenseitig beeinflussen können. Betrachtet man Informalität als Bestandteil von Organisationskultur (Kapitel 4.1), dann werden die Wechselwirkungen zwischen entscheidbaren und unentscheidbaren Entscheidungsprämissen offenkundig. Organisationskultur ist aber »mehr« als nur Informalität. Je tiefer man in die Kultur einer Organisation vordringt (Kapitel 5.4), desto loser erscheint die Kopplung zwischen der formalen Seite der Organisation und der Organisationskultur.15 Die »mentale Tiefenstruktur« (Merchel 2015e, S. 62) einer Organisation zu verändern ist daher äußerst anspruchsvoll und erfordert in einem ersten Schritt ein bestmögliches Verstehen derselben.

5.4 Veränderung von Organisationskultur: Impulse auf der Grundlage des Verstehens Wer immer auch Einfluss auf ein autopoietisches, operational geschlossenes System nehmen will, als Versuch der Einflussnahme auf den eigenen Hund (»Sitz!«), den Partner (»Jetzt bring doch endlich einmal den Müll runter!«) oder auf die kulturellen Prämissen einer Organisation (»Wir müssen unsere Kultur verändern!«), der ist gut beraten, zunächst sein Gegenüber (Hund, Partner oder Organisationskultur) mit dessen Eigenarten und Marotten einschätzen zu können, denn es gilt (Willke 1999, S. 64): »Intervention in komplexe Systeme ist ein schwieriges Geschäft. Sie kann nur gelingen, wenn der Interventionsabsicht ein adäquat komplexes und elaboriertes Verständnis des zu intervenierenden Systems zugrunde liegt.« Eben jenes Prinzip des »Verstehen-Wollens« (Reith u. Wimmer 2014, S. 153) ist auch zu

berücksichtigen, wenn Leitungskräfte die Organisationskultur beeinflussen wollen. Hilfestellung hierbei bietet eine analytische Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Ebenen einer Organisationskultur sowie die hier bereits mehrfach benannte Differenzierung zwischen den Ebenen der Beschreibung, der Erklärung und der Bewertung. Um die kulturellen Muster einer Organisation verstehen zu können, bietet die von Schein vorgeschlagene analytische Differenzierung zwischen drei Ebenen von Organisationskultur eine erste hilfreiche Orientierung (Schein 2003, S. 31):16 • Ebene der Artefakte • Ebene der Normen und Werte • Ebene der unausgesprochenen Basisannahmen Die Ebene der Artefakte kann als »Oberflächenstruktur« (Grunwald 2013, S. 722) der Organisationskultur bezeichnet werden, da sich hier die Kultur in ihren symbolischen Elementen wie Sprache, Jargons, Witzen, Anekdoten, aber auch in formalen Elementen wie Strukturen, Verfahren oder Dienstanweisungen zeigt. Praxisbeispiel Wer das Arbeitsamt der eigenen Kommune aufsucht und bereits vor dem Gebäude stehend auf die vertrockneten Blumen in den Fenstern der dortigen Mitarbeiter aufmerksam wird, bekommt möglicherweise genauso einen ersten Eindruck von der Kultur der Organisation wie derjenige, der beim Betreten einer Kindertagesstätte die selbst gemalten Bilder im Flur betrachtet. Auf der Ebene der Normen und Werte sind die mehr oder weniger bewussten Wertvorstellungen und Verhaltensstandards einer Organisation verankert. Hier sind also die organisationalen Verhaltensrichtlinien, Maximen sowie (ungeschriebene) Ge- und Verbote einer Organisationskultur verortet. Während die Ebene der Artefakte noch vergleichsweise leicht beobachtet werden kann, kommt die Ebene der Normen und Werte häufig erst dann zum Vorschein, wenn man gegen eben diese verstoßen hat. Wer also nicht – um das o. g. Beispiel noch einmal aufzugreifen – beim eigenen Geburtstag Kuchen für die Kollegen im Büro mitbringt, wird früher oder später merken, dass er hiermit gegen eine stillschweigende Norm der Organisation verstoßen hat (dies dürfte spätestens dann offensichtlich werden, wenn irgendwann die Einladungen anderer Kollegen zum Geburtstagskuchen ausbleiben). Die Ebene der unausgesprochenen Basisannahmen bildet den »Kern oder die unsichtbare Basis einer Unternehmenskultur« (Sackmann 2004, S. 24). Auf dieser Ebene lassen sich die selbstverständlichen Orientierungslinien organisatorischen Handelns einer Organisation verorten, die die Mitglieder einer Organisation gewöhnlich verfolgen, ohne darüber nachzudenken und ohne dass diese Annahmen offiziell kundgetan werden müssen.

Sie stellt daher für die Mitglieder einer Organisation die »faktisch erlebte organisationale Realität dar« (Nagel 2001, S. 25). Auf dieser Ebene der Organisationskultur sind Annahmen über die Umwelt, Vorstellungen über Wahrheit und Zeit, Annahmen über die Natur des Menschen und dessen Handeln sowie Annahmen über die Natur zwischenmenschlicher Beziehungen festgelegt, die implizit das Handeln der Organisationsmitglieder prägen. Als Beispiel für die Wirkungsweise dieser Ebene der unausgesprochenen Basisannahmen führt Merchel die Unterscheidung zwischen den »Kinderfreunden« und den »Familienfreunden« innerhalb des ASD eines Jugendamtes an (Merchel 2015e, S. 62): »Wir kennen in vielen Jugendämtern Mitarbeitergruppen, die sich als ›Kinderfreunde‹ bei der Wahrnehmung von Familienkonflikten schnell auf die Seite der Kinder schlagen und dementsprechend schneller für Aktivitäten zur Herausnahme des Kindes aus der Familie plädieren, und andere Mitarbeitergruppen, die eher eine Haltung als ›Familienfreunde‹ herausgebildet haben und viel länger und intensiver auf Bemühungen zur Aufrechthaltung des familiären Lebensrahmens setzen. Solche Haltungen werden vielfach fachlich ›untermauert‹, aber sie sind über das Fachliche hinaus in Werten und in Emotionen verankert, können also als Ausdruck von Grundannahmen interpretiert werden.« Neben der Differenzierung zwischen den drei Ebenen einer Organisationskultur, erweist sich auch die Unterscheidung zwischen den Ebenen der Beschreibung, der Erklärung und der Bewertung17 als hilfreich, um die Kultur einer Organisation verstehen zu können. Dies soll anhand des Praxisbeispiels der vertrockneten Blumen in Büros des Arbeitsamtes verdeutlicht werden:

Praxisbeispiel Während auf der Ebene der Beschreibung mit hoher Wahrscheinlich auch unterschiedliche Beobachter zu dem Ergebnis kommen würden, dass die Blumen im Bürofenster der dortigen Mitarbeiter vertrocknet sind, scheint auf den Ebenen der Erklärung und Bewertung Kontingenz im vollen Umfang zuzuschlagen: Erklärt sich der eine Beobachter die vertrockneten Blumen möglicherweise damit, dass innerhalb des Arbeitsamtes den Blumen ähnlich viel (bzw. wohl eher: ähnlich wenig) Beachtung geschenkt wird wie dem einzelnen Menschen und folglich weder Blumen noch Kunden etwas wert zu sein scheinen (Ebene der Bewertung), erklärt sich möglicherweise ein anderer Beobachter die vertrockneten Blumen damit, dass den Arbeitsamtsmitarbeitern schlicht die Zeit für die Pflege ihrer Blumen fehlt, da sie primär damit beschäftigt sind den Wünschen und Bedarfen der Kunden gerecht zu werden (Ebene der Erklärung). Die hieran gekoppelte Bewertung (Hier steht der Mensch im Mittelpunkt, alles andere ist nachrangig!) ist der vorherigen Bewertung (Hier ist der Mensch nichts wert!) also diametral entgegengesetzt. Dieses simple Beispiel der vertrockneten Blumen macht zweierlei deutlich: • Zum einen neigen psychische Systeme im Zuge der Komplexitätsreduktion dazu, die Beschreibung, Erklärung und Bewertung von beobachtbaren Phänomenen zeitgleich vorzunehmen. Das führt in der Praxis dazu, dass häufig nur der letzte Akt der Bewertung (»Der Mensch ist hier nichts wert!« vs. »Hier steht der Mensch im Vordergrund!«) in das Bewusstsein und bisweilen auch in die Kommunikation kommt. Wenn Leitungskräfte die Kultur ihrer Organisation verstehen wollen, sind sie gut beraten, diesen Prozess der Bewertung zu verlangsam, sich also mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Erklärung der eigenen Bewertung vorausgegangen ist und auf welche konkret zu beobachtende Phänomene sich diese Erklärung (und die daran gekoppelte Bewertung) bezieht. • Zum anderen wird deutlich, wie verführerisch (und zugleich gefährlich) es ist, die Kultur einer Organisation allein aufgrund der zu beobachteten Artefakte und Symbole (vertrocknete Blumen) zu bewerten. Da die Gefahr der Fehlinterpretation stets hoch ist, scheint es unumgänglich, sich auch den tiefer liegenden Ebenen der Organisationskultur (der Ebene der Normen und Werte sowie der Ebene der Basisannahmen) anzunähern. Aufgrund der damit steigenden Komplexität ist allerdings auch hierfür ein verlangsamtes Bewertungstempo, also eine dezidierte Unterscheidung zwischen den Ebenen der Beschreibung, Erklärung und Bewertung dringend zu empfehlen. Wie wichtig zudem die Unterscheidung zwischen der »Schauseite« der Organisation und den tatsächlich gelebten kulturellen Spielregeln einer Organisation ist, wird deutlich, wenn sich

Leitungskräfte der Ebene der Normen und Werte (zweite Ebene im Modell von Schein) innerhalb einer Organisation annähern wollen. Nicht selten wird bei der Erschließung der Normen und Werte auf vorhandene Leitbilder zurückgegriffen. Wenngleich diese sicherlich eine erste Orientierung hinsichtlich der (zumindest gewünschten) Normen und Werte innerhalb einer Organisation geben können, zeigt eine dezidiertere Analyse häufig, dass Leitbilder ihre Wirkung (so sie überhaupt eine haben) primär auf der »Schauseite« entwickeln. Nach innen scheint ihre Strahlkraft hingegen stark eingeschränkt zu sein, was einerseits darin begründet liegt, dass Leitbilder häufig so beliebig formuliert sind, dass sie eigentlich zu jeder Organisation passen könnten, und andererseits darin, dass einmal verabschiedete Leitbilder zwar physisch existieren (z. B. gerahmt im Eingangsbereich eines kirchlichen Trägers), faktisch im sozialen System aber nicht (mehr) vorhanden sind, da sie (bzw. deren Inhalte) nicht (mehr) in die Kommunikation kommen. Die Beobachtung und Beschreibung von Kommunikationsmustern, die immer dann sichtbar werden, wenn mehrere Personen in Interaktion treten, kann als eine mögliche Alternative zur Leitbildanalyse betrachtet werden, um sich den tatsächlich gelebten Normen und Werte einer Organisation anzunähern (vgl. Grubendorfer 2016, S. 78). Teamsitzungen bieten sich hierfür als ideales Beobachtungsfeld an. Die Kunst bei der Beobachtung von Kommunikationsmustern besteht allerdings darin, von den Personen (Teammitgliedern) zu abstrahieren und den Fokus auf die Spielzüge (Aktion, Reaktion usw.) zu legen. In ihnen kondensieren sich die gelebten Normen und Werte einer Organisation. Folgende Fragen können Leitungskräften hierbei Orientierung bieten: • Welche Interaktionen lassen sich innerhalb einer Teamsitzung lokalisieren, die einen wiederkehrenden Charakter aufweisen? • Welchen Aspekten wird immer wieder Relevanz eingeräumt, welche fallen immer wieder hintenüber? • Welches Muster lässt sich erkennen, wenn innerhalb der Teamsitzung schwierige Themen auf den Tisch kommen? • Wie wird grundsätzlich innerhalb der Teamsitzung mit Konflikten umgegangen? • Wie bringen sich neue Mitarbeiter in die Teamsitzung ein? Um reflektiert mit der zwangsläufig entstehenden Kontingenz bei der Erschließung der gelebten Normen und Werte umzugehen, sind Leitungskräfte auch bei der Beobachtung von Kommunikationsmustern gefordert, dezidiert zwischen der Beschreibung von beobachtbaren Kommunikationsmustern sowie deren Erklärung und Bewertung (im Sinne von »dies ist eine Norm / dies ist keine Norm«) zu unterscheiden. Die sicherlich größte Herausforderung beim Versuch, die eigene Kultur zu verstehen, stellt die Annäherung an die unausgesprochenen Basisannahmen (dritte Ebene), also den Kern der Organisationskultur, dar. Um diese Ebene der Organisationskultur zu erschließen,

müssen Leitungskräfte Rahmenbedingungen schaffen, innerhalb derer das Unausgesprochene (und bisweilen auch Unbewusste) ausgesprochen (und damit auch bewusst gemacht) wird. Es geht also darum, solche Kommunikationsmuster zu lokalisieren, die den Organisationsmitgliedern häufig selber nur in Ausnahmefällen bewusst sind. Aus diesem Grund scheidet eine simple Abfrage der Organisationsmitglieder mithilfe eines Fragebogens oder Ähnlichem aus (vgl. Steinmann, Schreyögg u. Koch 2013, S. 660). Alternativ hierzu schlägt Schein zur Erkundung der Ebene der grundlegenden unausgesprochenen Basisannahmen vor, Gruppen zusammenzubringen, »die auf strukturierte Weise über das Unternehmen sprechen und so die unausgesprochenen Annahmen sichtbar machen« (Schein 2003, S. 175). Gruppenbefragungen (Gruppeninterviews oder -diskussionen) gelten hierfür als besonders geeignet. Die Beobachtungsdimensionen in Tabelle 1 deuten auf die grundlegenden unausgesprochenen Annahmen einer Organisation hin und markieren zugleich mögliche Orientierungspunkte, die innerhalb einer Gruppendiskussion beobachtet werden können. Stellt man die von Schein vorgeschlagenen drei Ebenen der Organisationskultur (Ebene der Artefakte, Ebene der Normen und Werte, Ebene der Basisannahmen) den drei Ebenen der Beschreibung, Erklärung und Bewertung gegenüber, so lässt sich folgende Matrix erstellen, die Hilfestellung beim systematischen Verstehen der Organisationskultur bieten kann (Abb. 6). Bei der Anwendung der Analysematrix stehen Leitungskräfte vor der Herausforderung, dass das, was einfach zu bestimmen ist (die Beschreibung der Ebene der Artefakte) zugleich eine relativ geringe Aussagekraft in Bezug auf die vorhandenen kulturellen Prämissen einer Organisation besitzt. Eine – deutlich aussagekräftigere – konkrete Bewertung des Kulturkerns vorzunehmen wird allerdings dadurch erschwert, dass sich zum einen die Ebene der grundlegend unausgesprochenen Annahmen einer direkten Beobachtung entzieht und zum anderen die Kontingenz deutlich steigt, wenn beobachtbare Phänomene nicht nur beschrieben, sondern auch erklärt und bewertet werden sollen. Es erscheint daher ratsam, wenn die Annäherung an den Kulturkern nicht allein einem Beobachter (häufig der Leitungskraft) übertragen wird. Gemäß dem Motto »Ich sehe was, was du nicht siehst« gilt es unterschiedliche Beobachterperspektiven zu vereinen und so ein Verstehen der vorhandenen tiefer liegenden Ebenen der Organisationskultur zu ermöglichen.

Tabelle 1: Dimensionen einer Kulturanalyse und mögliche Ausprägungen (verändert nach Baitsch u. Nagel 2014, S. 284 f.)

Abb. 6: Analysematrix zur Organisationskultur: Gegenüberstellung der drei Ebenen der Organisationskultur und der Ebenen der Beschreibung, Erklärung und Bewertung

Wenn unterschiedliche Beobachter hierbei zu dem Ergebnis kommen, dass eine Einflussnahme auf die Organisationskultur unumgänglich erscheint, stehen Leitungskräfte vor der Herausforderung, dass sie über eine Entscheidungsprämisse entscheiden müssen, die nicht entscheidbar ist. Mit 1) der Veränderung von Artefakten, 2) dem indirekten Ansprechen der Unternehmenskultur über die Formalstruktur und 3) dem Vorleben von gewünschten kulturellen Mustern können Leitungskräfte gleichwohl Anreize zur Veränderung von Organisationskulturen setzen. Welche praktischen Konsequenzen hiermit verbunden sind, wird nachfolgend durch Rückbezug auf das ganz am Kapitelanfang dargestellte Praxisbeispiel aufgezeigt. 5.4.1 Veränderung von Artefakten Wie oben in Kapitel 5.4 beschrieben, stellt die Ebene der Artefakte die Oberflächenstruktur einer Organisationskultur dar. Veränderungen auf der Ebene der Artefakte vorzunehmen bedeutet daher, »dass man sich beim Kulturwandel von hinten nach vorne arbeitet. Erst verändert man das Symbol, dann werden in Bezug auf dieses Symbol neuere Werte formuliert und mit ihnen verknüpft, und schließlich werden die Annahmen mit den Symbolen und Werten in Einklang gebracht. Man fängt im Grunde mit kleinen Veränderungen an, die man als

Hebel für größere und tiefgreifendere Veränderungen nutzt.« (Weick u. Sutcliffe 2010, S. 128 f.) Was Weick und Sutcliffe hier so rezeptbuchartig beschreiben (»Zunächst nehme man eine Prise hiervon, dann reiche man ein wenig davon an, und schließlich …«), ist in der Praxis alles andere als trivial. Dies liegt insbesondere darin begründet, dass eine technische Verknüpfung von Symbolen und Werten genauso wenig möglich ist wie ein simples InEinklang-Bringen von Werten und Grundannahmen. Daher muss auch die von Weick und Sutcliffe verwendete Hebelmetapher mit größter Vorsicht interpretiert werden. Dennoch – und hier kann Weick und Sutcliffe im Kern zugestimmt werden – kann die Veränderung von Symbolen als erster Akt innerhalb einer Kulturveränderung interpretiert werden. Wenn der ASD-Leiter im eingangs aufgeführten Praxisbeispiel die Kultur dahingehend verändern möchte, dass sich die Mitarbeiter wieder wohlfühlen und dass ein Wir-Gefühl im ASD entsteht, dann kann es ein guter Anfang sein, wenn Veränderungen auf Ebene der Artefakte bzw. Symbole vorgenommen werden. Hierbei geht es weniger darum, Motivationsplakate (»Wir sind ein Team!«) in der Kantine aufzuhängen, sondern vielmehr darum, kleine Rituale im organisationalen Alltag zu pflegen oder sie neu zu implementieren. Das Bereitstellen einer Kaffeemaschine und einer Keksdose, damit sich die Mitarbeiter morgens vor dem offiziellen Dienstantritt bei einer Tasse Kaffee schon einmal (informell) austauschen können, kann hierbei genauso wirkungsvoll sein wie der Vorschlag, einmal pro Woche mittags gemeinsam zum Italiener essen zu gehen. Entscheidend ist, dass sich die Veränderungen auf der Ebene der Symbole im Bereich der Verarbeitungskapazitäten des sozialen Systems bewegen und daher nicht zu abgehoben vom organisationalen Alltag wirken. Lösen die Veränderungen auf Symbolebene eine zu große Irritation aus, droht die Gefahr, dass das soziale System entweder mit offener Abwehr oder verdeckter Ignoranz reagiert – in beiden Fällen verfehlen die Veränderungen auf Symbolebene dann ihre kulturprägende Intention. Aber auch das Gegenteil ist der Fall: Verfügen die Veränderungen auf der Ebene der Symbole über ein zu geringes Irritationspotenzial, gehen sie im organisationalen Alltag schlichtweg unter. In der Praxis enden Versuche zur Einflussnahme auf die Kultur einer Organisation nicht selten bereits damit, Symbole zu verändern bzw. neue einzuführen. Die alte Weisheit, »Worten (bzw. Symbolen) Taten folgen zu lassen«, gilt aber auch hier: Soll eine Verknüpfung von Symbolen und Werten stattfinden, um im besten Fall eine Entwicklung auf der Ebene der Basisannahmen anzuregen, dann bedarf es in der Regel mehr als einer Kaffeedose oder eines regelmäßigen gemeinsamen Mittagessens. Leitungskräfte können dieses »Mehr« herbeiführen, indem sie ihre Einflussnahme auf die entscheidbaren Entscheidungsprämissen geltend machen und hierdurch die Kultur der eigenen Organisation indirekt ansprechen. 5.4.2 Indirektes Ansprechen der Organisationskultur über die

Formalstruktur Unternehmenskulturen über die Formalstruktur indirekt anzusprechen bedeutet, sich als Leitungskraft den Umstand zunutze zu machen, dass die entscheidbaren Entscheidungsprämissen einer Organisation (umgangssprachlich: die Formalstruktur) strukturell mit den nicht entscheidbaren Endscheidungsprämissen – also der Organisationskultur – gekoppelt sind. Es ist daher durchaus möglich, Einfluss auf die Organisationskultur zu nehmen, »indem entscheidbare Entscheidungsprämissen verändert werden, wie Programme, Kommunikationswege oder Personen. Jede Veränderung auf personeller Ebene, in der programmatischen Ausrichtung oder den Berichtswegen hat Auswirkungen auf die Art und Weise, wie im Unternehmen miteinander umgegangen wird, nach welchen Spielregeln Kommunikation gestaltet wird.« (Grubendorfer 2016, S. 83.)18 Letztlich ist diese Erkenntnis banal und wirkungsvoll zugleich: • banal, da es als allgemein bekannt betrachtet werden kann, dass Veränderungen auf Ebene der Formalstruktur (z. B. Veränderungen, die sich im Zuge der Einführung eines Qualitätsmanagementsystems ergeben) auch Auswirkungen auf die Kultur innerhalb einer Organisation haben können (»Seitdem wir uns einem Qualitätsmanagementsystem unterwerfen müssen, zählt unsere Fachlichkeit nichts mehr.«); • wirkungsvoll, da Leitungskräfte sich eben jenen Umstand zunutze machen können, um die Organisationkultur indirekt anzusprechen. Es wäre daher durchaus denkbar, dass auch der ASD-Leiter im o. g. Praxisbeispiel die Möglichkeit des indirekten Ansprechens in Betracht ziehen könnte, um die Kultur innerhalb des ASD zu beeinflussen. Soll beispielsweise die Kultur dahingehend verändert werden, dass die Fachlichkeit der ASD-Kollegen wieder etwas »wert« ist, wäre es möglich, die Handlungsprogramme innerhalb des ASD einer kritischen Reflexion zu unterziehen: Welche Bereiche der administrativen ASD-Arbeit müssen tatsächlich konditionalprogrammiert werden, wodurch zwangsläufig die Autonomie der Kollegen eingeschränkt wird? Wie lassen sich Ansätze der kollegialen Fallberatung (eines der zentralen Handlungsprogramme im ASD) so umsetzen, dass diese nicht als »lästiges Übel« betrachtet werden, sondern als strukturierter Rahmen, innerhalb dessen die fachliche Einschätzung der beteiligten Kollegen die nötige Bedeutsamkeit erfährt? Ebenso könnte die Leitungskraft anregen, innerhalb des ASD-Teams »Fachexperten« aufzubauen, die sich regelmäßig zu »ihrem Fachthema« fortund weiterbilden und deren Fachexpertise dann andere ASD-Mitarbeiter abrufen können. (Hier steht die Entscheidungsprämisse »Personal« im Vordergrund.) Die Kultur dahingehend

zu prägen, dass Fachlichkeit etwas »wert« ist, kann auch dadurch begünstigt werden, dass Leitungskräfte von ihrem Entscheidungsrecht über Kommunikationswege Gebrauch machen. Muss beispielsweise jeder Antrag auf Hilfen zur Erziehung »über den Tisch« der Leitung gehen, oder kann die Leitungskraft nicht auch einen Handlungskorridor definieren, innerhalb dessen die ASD-Fachkraft autonom entscheiden kann? Mit der Einflussnahme auf die Ebene der Artefakte und der Möglichkeit, die Organisationskultur indirekt über Veränderungen auf der Formalstruktur anzusprechen, stehen Leitungskräften zwei Ansätze zu Verfügung, um Einfluss auf die Organisationskultur zu nehmen. Inwiefern solche Ansätze tatsächlich greifen, hängt aber maßgeblich von einer weiteren zentralen Variable ab: dem konkreten Verhalten der Leitungskräfte. 5.4.3 Zur Vorbildfunktion von Leitungskräften Leitungskräfte in Organisationen der Sozialen Arbeit können noch so bemüht sein, Artefakte zu verändern und ihre Einflussnahme auf entscheidbare Entscheidungsprämissen geltend zu machen, um Einfluss auf die Organisationskultur zu nehmen. Wenn all diese Maßnahmen nicht durch das konkrete Verhalten der Leitungskräfte flankiert werden, droht die Gefahr, dass sämtliche Versuche der Kulturveränderung schlichtweg verpuffen. Will man die eingangs benannte Suche nach einem »Hebel« zur Einflussnahme auf Organisationskulturen nicht aufgeben, dann scheint das konkrete Vorleben von Werten am ehesten einer solchen Hebelfunktion zu entsprechen, denn am »beobachtbaren Verhalten des Teams an der Spitze der Unternehmung ›lesen‹ die Mitarbeitenden täglich ab, was in einer Unternehmung Geltung beansprucht« (Dubs 2009, S. 476 f.). Sackmann (2004, S. 37) betrachtet daher das konkrete »Führungsverhalten als zentrale Determinante der Unternehmenskultur«. Aus einer solchen Perspektive kann man die Kultur einer Organisation als »Sediment der in den Alltagshandlungen von erfolgreichen Führungskräften gezeigten Verhaltensnormen, Werte und Grundannahmen« (Simon 2005, S. 159) interpretieren. Dieser Umstand macht zugleich deutlich, dass man als Führungskraft nicht nicht führen kann: »Manager bringen bewusst oder unbewusst ihre Überzeugung zum Ausdruck, indem sie gewisse Verhaltensweisen beachten und belohnen, Rollen formen, auf kritische Vorfälle in charakteristischer, d. h. für die Beobachter bedeutungshaltiger, Weise reagieren.« (Simon 2005, S. 159.) Inwiefern es dem ASD-Leiter in dem eingangs dieses Kapitels angeführten Praxisbeispiel tatsächlich gelingt, Einfluss auf die Kultur innerhalb des ASD-Teams zu nehmen, hängt also auch maßgeblich davon ab, welche Werte, Normen und Basisannahmen er selber vorlebt. Fordert er eine sofortige Kehrtwende, wenn infolge der Ausweitung des fachlichen Entscheidungsspielraums der ASD-Mitarbeiter Fehler entstehen, oder werden solche Fehler als Chance betrachtet, um die der Arbeit zugrunde liegenden Kommunikationsund Entscheidungsmuster einer kritischen Reflexion zu unterziehen? Nimmt der ASD-Leiter auch selber am wöchentlich initiierten Mittagessen beim Italiener teil, oder entschuldigt er

sich von Woche zu Woche aufs Neue, da immer gerade »etwas Wichtiges« dazwischengekommen ist? Steuert der ASD-Leiter nur noch von der »Teppichetage« oder fährt er ab und zu selber noch raus, um bei Hausbesuchen oder Inobhutnahmen dabei zu sein? Liest der ASD-Leiter selber noch regelmäßig Fachzeitschriften und nimmt an Fort- und Weiterbildungen teil, um fachlich »auf der Höhe« zu bleiben, oder versteht er sich nur noch als Gewährungs- oder Verwehrungsinstanz, die mit Argusaugen über das Weiterbildungsbudget des ASD wacht? Mit Blick auf die Bedeutsamkeit der Vorbildfunktion von Leitungskräften wird zweierlei deutlich: • Wenngleich es zwischen dem Vorleben von Werten und Normen durch Leitungskräfte und den Basisannahmen innerhalb einer Organisation keine linear-kausale Verbindung gibt, prägt das Leitungshandeln die Organisationskultur deutlich. Leitungskräfte, die sich dieser »Ausstrahlung« bewusst sind, sollten sich zwecks Abgleichs von Selbstund Fremdwahrnehmung in regelmäßigen Abständen mit einer Beobachtung 2. Ordnung versorgen. Ob dies nun in Form von Coaching, Supervision oder innerhalb eines kleinen Leitungszirkels passiert, ist hierbei letztlich nachrangig. Entscheidend ist, das eigene Wertesystem immer wieder aufs Neue kritisch zu hinterfragen. • Wenn Leitungskräfte durch eine Veränderung ihres Verhaltens Einfluss auf die Organisationskultur nehmen wollen, dann braucht es hierfür Zeit – und zwar in zweifacher Hinsicht: Lebende Systeme sind von Natur aus träge. Die dauerhafte Umsetzung eines neuen Verhaltens erfordert daher vonseiten der Leitungskraft viel Selbstdisziplin und einen langen Atem. Dies ist insbesondere deswegen anspruchsvoll, da Leitungskräfte in der Regel wenig Feedback und noch weniger Anerkennung für ihr verändertes Verhalten bekommen (es sei denn, es fällt negativ auf). Zeit braucht es aber auch, bis das veränderte Verhalten auf Leitungsebene seine Ausstrahlungskraft auf die Basisannahmen innerhalb einer Organisation entfalten kann. Als soziale – lebende – Systeme reagieren auch Organisationen zunächst einmal misstrauisch auf Veränderungen.

Zusammenfassend betrachtet, ist die Einflussnahme auf Organisationskulturen ein anspruchsvolles Geschäft. Dadurch, dass Leitungskräfte Einfluss auf Entscheidungsprämissen zu nehmen versuchen, die sich grundsätzlich gegen jede Form der Einflussnahme verschließen, sind besondere Anstrengungen (z. B. das indirekte Ansprechen der Organisationskultur), ein langer Atem und ein Höchstmaß an Vorsicht vonnöten. Die Kultur einer Organisation muss stets als ein »Spiegel der Vergangenheit« (Grubendorfer 2016, S. 65) interpretiert werden. In ihr kommt zum Ausdruck, welche (Lern-)Erfahrungen eine Organisation in der Vergangenheit gemacht hat, was das Überleben des sozialen Systems möglicherweise gefährdet oder aber auch gefördert hat. Sie markiert im Wesentlichen die Identität einer Organisation. Hier voreilig und möglicherweise mit den falschen Instrumenten Änderungen vornehmen zu wollen wäre in etwa so, als würde ein Klempner mit einer rostigen Zange den Herzchirurgen bei einer OP vertreten. Komplikationen währenddessen und erst recht im Anschluss wären in beiden Fällen vorprogrammiert.

5.5 Leitorientierungen für eine systemisch konzipierte Beeinflussbarkeit der Organisationskultur 1) Die Kultur einer Organisation muss als Kommunikationssystem betrachtet werden, das – wie jedes andere autopoietische System auch – der kontinuierlichen Reproduktion bedarf. Die Reproduktion dieses (Kommunikations-)Musters erfolgt über das Befolgen der kulturellen Regeln durch die Organisationsmitglieder. 2) Die Kultur einer Organisation wirkt einerseits identitätsstiftend, andererseits trägt sie aufgrund ihrer koordinierenden Funktion maßgeblich zur Komplexitätsreduktion in Organisationen der Sozialen Arbeit bei. Beide Funktionen sind bedeutsam, um die Autopoiese in Organisationen aufrechtzuerhalten. Insbesondere aufgrund ihrer identitätsstiftenden Funktion befördern Organisationskulturen aber zugleich den strukturellen Konservatismus von Organisationssystemen. 3) Während Leitungskräfte über die Formalstruktur einer Organisation entscheiden können (entscheidbare Entscheidungsprämissen), entzieht sich die Kultur einer Organisation dieser Durchgriffsmöglichkeit. Gleichwohl wirkt die Organisationskultur dennoch – ähnlich wie die Formalstruktur – als Entscheidungsprämisse (Organisationskultur als unentscheidbare Entscheidungsprämisse) und gibt der einzelnen – nicht vorhersehbaren – Entscheidung eine deutliche Richtung vor. 4) Ansätze, die suggerieren, die Organisationskultur ließe sich direkt steuern, sind abzulehnen – nicht nur weil mechanistische Steuerungsfantasien im Umgang mit lebenden Systemen generell ungeeignet sind, sondern auch weil der unentscheidbare

Charakter von Organisationskulturen hierdurch ignoriert wird. Ein solches Ignorieren führt bei Versuchen zur direkten Steuerung der kulturellen Prämissen einer Organisation nicht selten dazu, den bestehenden Status quo weiter zu verschlechtern und neue – nicht beabsichtigte – Problemfelder zu erzeugen. 5) Um trotz der begrenzten Steuerbarkeit von Organisationskulturen dennoch Einfluss auf diese nehmen zu können, bedarf es zunächst eines »Verstehens« der vorhandenen – aber in der Regel nicht sichtbaren – kulturellen Muster. Hilfestellung bietet hierbei einerseits die Differenzierung zwischen unterschiedlichen Kulturebenen (Ebene der Artefakte, Ebene der Normen und Werte, Ebene der grundlegend unausgesprochenen Annahmen) sowie andererseits die Unterscheidung zwischen der Beschreibung, Erklärung und Bewertung der jeweils beobachtbaren kulturellen Phänomene. 6) Wird im Zuge des Verstehens der Organisationskultur beobachtet, dass eine Einflussnahme auf die Organisationskultur sinnvoll wäre, stehen Leitungskräften mit der Veränderung von Artefakten, der indirekten Einflussnahme über das Ansprechen der Formalstruktur und dem konkreten Vorleben von gewünschten Normen und Werten (mindestens) drei Interventionsmöglichkeiten zur Verfügung. 7) Wenn es nicht zwingend geboten ist, sollte allerdings von tief greifenden, intentional verstandenen Veränderungsversuchen von Organisationskulturen abgesehen werden. Die Kultur einer Organisation muss stets als ein Abbild der Vergangenheit interpretiert werden. In ihr kommt zum Ausdruck, welche (Lern-)Erfahrungen eine Organisation in der Vergangenheit gemacht hat, was das Überleben des sozialen Systems möglicherweise gefährdet oder aber gefördert hat. Die Kultur markiert im Wesentlichen die Identität einer Organisation.

10 Wenn hier von der Funktion von Organisationskulturen die Rede ist, dann zeigt bereits die Verwendung des Plurals Kulturen, dass sich in Organisationen – abhängig von deren Größe – durchaus mehrere und unterschiedliche Kulturen vorfinden lassen (vgl. Luhmann 2006, S. 242). Je autonomer einzelne Organisationseinheiten arbeiten können, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich in solchen autonomen Subsystemen eine spezifische Kultur ausbildet. Diese unterschiedlichen Kulturen können sich durchaus ergänzen, widersprechen oder voneinander nahezu unabhängig sein (vgl. Sackmann 1992, S. 170). Dies ist der Grund, warum man möglicherweise im Allgemeinen Sozialen Dienst eines Jugendamtes eine andere Kultur vorfindet als in der Organisationseinheit »Wirtschaftliche Jugendhilfe«, die ebenfalls der Organisation Jugendamt zugeordnet wird. Und dies ist auch der Grund, warum man in großen Jugendämtern durchaus auch innerhalb einzelner (Regional-)Teams eines Allgemeinen Sozialen Dienstes unterschiedliche Kulturen vorfindet. 11 Natürlich ist die Identität eines Menschen nicht allein davon abhängig, in welcher Organisation er beruflich tätig ist. Vielmehr ist es der Mix von Zugehörigkeiten zu unterschiedlichen sozialen Systemen, der die jeweils unverwechselbare Identität eines Menschen ausmacht. Gleichwohl scheint es unbestritten zu sein, dass das Selbstbild – und damit auch die eigene Identität – stark davon beeinflusst wird, womit sich eine Person den ganzen Tag beschäftigt und wie diese Beschäftigung von anderen Personen angesehen wird (vgl. Grubendorfer 2016, S. 26). 12 Möglicherweise ist dies der Grund, warum bisweilen auch Ansätze einer Identitätskrise beobachtet werden, wenn altgediente Sozialarbeiter nach vielen Berufsjahren in den (eigentlich wohlverdienten) Ruhestand gehen oder aber das Handlungsfeld wechseln und nunmehr in einer Organisation tätig sind, die völlig andere Fremdbilder erzeugt. 13 »Wir haben gesehen, dass Firmen, die eine Kultur unterstützen, in der das Interesse der Kunden, Aktionäre, Mitarbeiter und des Managements von allen Führungsebenen einbezogen wird, erfolgreicher waren als ihre Mitbewerber, die diese Kultur nicht haben. Über einen Zeitraum von 11 Jahren haben Erstere ihren Umsatz im Durchschnitt um 682% (gegenüber

162%) steigern können; ihre Mitarbeiterschaft wuchs um 282% (36%); der Aktienkurs wuchs um 901% (74%), und ihr Geschäftsergebnis verbesserte sich um 756% (1%).« (Kotter a. Heskett 1992, p. 11; Übers. d. Autoren). 14 Wenngleich über die Kultur einer Organisation nicht direkt entschieden werden kann, bedeutet dies nicht, dass Organisationskulturen statisch sind. Vielmehr verändern sie sich ständig, allerdings unabhängig davon, »ob sich die Unternehmensleitung systematisch darum bemüht, sich dauernd mit deren Verbesserung beschäftigt, sich mit bloßen Lippenbekenntnissen begnügt oder ob sie gar nichts unternimmt« (Dubs 2009, S. 473). 15 Wenngleich sich auch die informalen Strukturen einer Organisation einer direkten Beobachtung entziehen, sind die dahinter liegenden Kommunikationsmuster in der Regel innerhalb einer Organisation bekannt. Deswegen können die informalen Regeln dem neuen Mitarbeiter innerhalb der Phase der Einarbeitung auch unmittelbar vermittelt werden. (»Wenn du hier ein Kind stationär unterbringen willst, solltest du hierfür besser Herrn Meier statt Frau Müller ansprechen.«) Die Basisannahmen der Organisationskultur müssen hingegen als tiefer liegende Ebene der Organisationskultur betrachtet werden. Wenngleich dieses Kommunikations- und Entscheidungsmuster ebenfalls nachhaltig das Entscheiden der Organisationsmitglieder prägt, scheint dies den Organisationsmitgliedern weniger bewusst und für sie damit weniger kommunizierbar zu sein. 16 Bisweilen wird dieses Modell auch mit der Metapher des Eisbergs umschrieben: Während die Ebene der Artefakte die über dem Wasser liegende Spitze des Eisbergs darstellt, die folglich relativ einfach zu beobachten ist, erscheint die Beobachtung der Ebene der Normen und Werte bereits schwieriger, da sie – um noch einmal die Metapher des Eisbergs zu bieten – zum Teil unterhalb und zum Teil oberhalb des Wassers liegt. Die Ebene der unausgesprochenen Annahmen ist für den außenstehenden Beobachter nicht zu erkennen, da sich dieser Teil der Organisationskultur unter Wasser befindet. 17 Eine ausführlichere Unterscheidung dieser drei Ebenen findet sich bei Simon (2012, S. 31 ff.) 18 Grubendorfer führt in diesem Zusammenhang den aus dem Billard bekannten Begriff des »Anspielens« der Organisationskultur »über Bande« ein (vgl. ebd.).

6 Organisationsveränderung – Entscheidungen herbeiführen als Management von Balancen

Eigentlich – so könnte man meinen – könnten Leitungskräfte in Organisationen der Sozialen Arbeit dem Thema Organisationsveränderung relativ gelassen begegnen. Während im klassischen Profitbereich – oftmals vom Shareholder-value-Prinzip getrieben – die Devise »Wer (den organisationalen Wandel) bremst, verliert!« gilt, geht es im Bereich der Sozialen Arbeit deutlich bedächtiger zu. Durch die Zuerkennung gesetzlicher Aufträge und die damit verbundene Festlegung des Behördenstatus (§§ 69–71, 79–81 SGB VIII) haben öffentliche Träger per se Bestandsschutz. Eine rasante Organisationstransformation einzuleiten, weil sich der Sozialmarkt von heute auf morgen radikal verändert hat, muss daher kein Jugend-, Sozial-, Arbeits- und/oder Gesundheitsamt befürchten. Ähnliches gilt für die freien Träger. Wenngleich diese keinen offiziellen Bestandsschutz genießen, führt die enge strukturelle Kopplung zwischen öffentlichen und freien Trägern dazu, dass auch viele freie Träger – trotz des gestiegenen Konkurrenzdrucks und der Aufweichung von tradierten Beziehungsgeflechten – über einen Status verfügen, der sie weniger anfällig für stark dynamisierend auftretende Umweltveränderungen macht, als dies bei Wirtschaftsunternehmen der Fall ist. Dennoch können auch Organisationen der Sozialen Arbeit Veränderungen in der Umwelt nicht vollständig ausblenden. Aufgrund ihrer strukturellen Kopplung mit den organisationsrelevanten Umwelten müssen sie sich »gegenüber den Einflüssen ihrer Umwelt als zugänglich erweisen, weil sie sich sonst isolieren, die Anforderungen ihrer Umwelt nicht mehr angemessen wahrnehmen und auf diese Weise die Grundlagen ihrer eigenen Existenz gefährden« (Merchel 2005, S. 13). Der zu erwartende gesetzliche Einbezug von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung in die Kinder- und Jugendhilfe (Stichwort »Inklusion«), der Umgang mit einer großen Vielzahl von geflüchteten Menschen, veränderte Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen in stationären Erziehungshilfeeinrichtungen oder die deutliche Erwartung an Jugendämter, flexible und individuell differenzierte ambulante Erziehungshilfen auszugestalten, dies alles stellt ebenso veränderte Anforderungen an Organisationen der Sozialen Arbeit dar wie die starken Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt (Stichwort »Fachkräftemangel«), die veränderten Anforderungen von jungen Fachkräften an ihren Arbeitsplatz oder die zunehmende Digitalisierung der Lebens- und Arbeitswelt. Darüber hinaus zwingt die generelle starke Abhängigkeit von den politischen und den mit diesen verbundenen rechtlichen Rahmenbedingungen Organisationen der Sozialen Arbeit in regelmäßigen Abständen dazu, Reformprozesse einzuleiten und sich insofern dem Thema

Organisationsveränderung anzunähern. Wenngleich das Veränderungstempo auf dem Sozialmarkt ein anderes ist als auf dem reinen »Profitmarkt«, gilt auch für Organisationen der Sozialen Arbeit: Wer dauerhaft (den organisationalen Wandel aus)bremst, spielt mit dem Risiko, irgendwann den Anschluss (und damit den Zugang zu überlebenswichtigen Ressourcen) zu verlieren. Leitungskräfte sind daher angehalten, den Veränderungsanforderungen adäquat zu begegnen. Im besten Fall nicht nur ad hoc und reaktiv, sondern proaktiv, also strategisch und konzeptionell verankert.

6.1 Organisationsveränderung – eine systematisierte Annäherung Nicht selten werden Fragen der Organisationsveränderung in Einrichtungen der Sozialen Arbeit erst dann thematisiert, wenn die Organisation bereits in eine deutliche Schieflage geraten ist. In eben jenen Momenten will keine Leitungskraft hören, dass die eigene Organisation doch eigentlich so etwas wie organisationale Lernfähigkeit benötigt. Was zählt, ist das nackte (organisationale) Überleben, verbunden mit dem Versprechen, beim nächsten Mal – so es denn ein nächstes Mal gibt – alles anders zu machen. Konnte dann mit vereinten Kräften der Untergang der eigenen Organisation verhindert werden, folgt nicht selten auf die stressige und anstrengende Phase der Veränderung eine Phase der kollektiven Erholung und Verdrängung: Man atmet auf, ist froh, dass es noch einmal gut gegangen ist und möchte jetzt schnellstmöglich wieder zum Tagesgeschäft übergehen. All die unangenehmen Facetten, die mit dem Prozess der Organisationsveränderung verbunden sind (Unsicherheit, Veränderung von bewährten Routinen, Aufgabe des Status quo, Verlust von Macht etc.), werden folglich an die Seite geschoben oder unter den Teppich gekehrt. Meldet sich dann die nächste Krise an, stellt man resigniert fest, dass man hinsichtlich des Umgangs mit Aspekten der Organisationsveränderung eigentlich wenig aus der letzten Krise gelernt hat. Um diesen Teufelskreis aus kurzfristigem, nicht selten überstürztem Agieren und anschließendem latentem Ignorieren zu durchbrechen, scheint es ratsam, wenn sich Leitungskräfte Fragen der Organisationsveränderung in guten Zeiten (in denen nicht akut auf eine Krise o. Ä. reagiert werden muss) aus einer analytischen Perspektive annähern. Die Matrix von Reith und Wimmer kann hierbei Orientierung bieten (Abb. 7; Reith u. Wimmer 2014, S. 148). Den Ausgangspunkt der Überlegung von Reith und Wimmer bildet die – möglicherweise zunächst irritierende – Annahme, dass sich Organisationen auch dann verändern, wenn dies von Leitungskräften gar nicht intendiert ist (Wandel 1. Ordnung).

Praxisbeispiel Die ASD-Fachkraft aus der Kommune X trifft während einer Weiterbildung auf eine ASD-Fachkraft aus der Kommune Y und erfährt während der Kaffeepause, dass es in der Kommune Y auf dem Vordruck zur Erstellung eines Hilfeplanprotokolls einen Punkt gibt, in dem die Form der Beteiligung der Klienten dokumentiert wird, um so sicherzustellen, dass deren Wunsch- und Wahlrecht auch tatsächlich Berücksichtigung findet. Zurück im ASD der Kommune X möchte die ASD-Fachkraft ausprobieren, wie es wäre, wenn die interne Vorlage für die Hilfeplanprotokolle ebenfalls über diesen Passus verfügte. Sie ergänzt daher die bestehende Vorlage und speichert beim Schließen der Mustervorlage versehentlich das Dokument. Wenngleich sich die Mitarbeiter bei der Nutzung der Vorlage zunächst wundern, dass diese scheinbar erweitert wurde, finden alle die veränderte Protokollvorlage hilfreich, weswegen sie so dauerhaft zum Einsatz kommt, ohne dass hierzu eine geordnete Abstimmung oder gar eine Leitungsentscheidung vonnöten war.

Abb. 7: Vier Spielarten absichtsvoller Veränderung (aus Reith u. Wimmer 2014, S. 148)

Die Art und Weise, wie sich hier eine (zugegeben sehr kleine) organisationale Veränderung (ein Wandel 1. Ordnung) eingeschlichen, wie sich also ein Lernen der Organisation19 ereignet hat, gleicht evolutionären Prozessen in der Natur (vgl. Weick 1995, S. 179 ff.). Es hat eine Form von Variation – also eine eher zufällige Abweichung vom »so wie immer« stattgefunden, diese Variation wurde aufgegriffen (Selektion), und da sie sich als nützlich erwiesen hat, kam es zu einer Form der Stabilisierung (Retention; vgl. Luhmann 1997b, S.

451). Betrachtet man Organisationen als lebende Systeme, dann können sie sich folglich nicht nicht verändern. Problematisch ist allerdings, dass Organisationen eher selten selbstorganisiert mit dem Tempo und in die Richtung lernen, wie es die Organisationsspitze gerne hätte (vgl. Kühl 2011, S. 161). Wenngleich Organisationen also ständig evolutionäre Prozesse durchlaufen und sich daher verändern, heißt dies nicht, dass am Ende solch selbstorganisierter Lernprozesse die besten Lösungen gefunden und beibehalten wurden, sondern lediglich irgendwelche Lösungen. Daher erscheint es riskant, die Gestaltung des organisationalen Wandels allein evolutionären – und damit selbstorganisierten – Prozessen zu überlassen. Wenn Leitungskräfte in Organisationen der Sozialen Arbeit absichtsvoll – also abseits der o. g. evolutionären Veränderungsprozesse – Prozesse der Organisationsveränderung gestalten wollen, kann hinsichtlich der Intensität des einzuleitenden organisationalen Wandelprozesses analytisch zwischen einem Wandel 2. Ordnung und einem Wandel 3. Ordnung differenziert werden: Während sich Ansätze der Organisationsveränderung auf Ebene eines Wandels 2. Ordnung innerhalb des bestehenden organisationalen Rahmens bewegen (hier geht es also primär um die Anpassung bestehender Strukturen), erfolgen Prozesse der Organisationsveränderung auf Ebene eines Wandels 3. Ordnung tiefer greifend. Hier finden also Veränderungen auf mehreren Ebenen statt, was zwangsläufig auch die kulturelle Rahmung innerhalb der Organisation betrifft. Neben der Differenzierung hinsichtlich der Intensität des Wandels (Wandel 2. und 3. Ordnung) steht mit der Unterscheidung in Bezug auf die Wandeldauer eine weitere analytische Ebene zur Verfügung, um Ansätze der Organisationsveränderung in Bezug auf die zeitliche Dimension voneinander abzugrenzen. Hierbei kann zwischen einem eher episodenhaften Vorgehen20 einerseits und einem eher auf Kontinuität ausgerichteten Vorgehen andererseits unterschieden werden. Mit der Differenzierung zwischen Intensität (Wandel 2. Ordnung / Wandel 3. Ordnung) und Dauer (episodenhaft/kontinuierlich) kann nunmehr eine Vierfeldermatrix gespannt werden, der sich vier unterschiedliche Spielarten der absichtsvollen Veränderung zuordnen lassen (Abb. 7). Optimierung der bisherigen Praxis Innerhalb eines Wandels 2. Ordnung können Ansätze zur »Optimierung der bisherigen Praxis« als ein eher auf Kontinuität ausgerichtetes Verständnis von Organisationsveränderung betrachtet werden. Metaphorisch betrachtet geht es darum, »Fitnessprogramme« (Reith u. Lohmer 2014, S. 156) innerhalb der Organisation zu implementieren, um zur Aufrechthaltung bzw. Steigerung der »organisationalen Vitalität« beizutragen. Mit regelmäßigen Konzeptreflexionen, einem reflektierten Fehler- und Beschwerdemanagement, Routinen zur systematischen Umweltbeobachtung, einem etablierten Bildungsmanagement oder auch Ansätzen des Qualitätsmanagements organisiert sich die Organisation kontinuierlich Anlässe, um die bestehenden Prozesse und Strukturen einer kritischen

Reflexion zu unterziehen und – falls für nötig erachtet – (kleinere) Korrekturen vorzunehmen. Zeigt sich beispielsweise innerhalb eines regelmäßig stattfindenden internen Qualitätsmanagementaudits, dass einzelne Prozesse in der Theorie zwar schlüssig, in der Praxis aber eher umständlich und lähmend wirken, gilt es Anpassungen vorzunehmen, ohne sofort einen umfassenden Prozess der Organisationsveränderung zu initiieren. Akutes Krisenmanagement Während die Optimierung der bisherigen Praxis auf Kontinuität ausgerichtet ist, kann das akute Krisenmanagement als Sinnbild für einen eher episodenhaften Zugang zu Prozessen der Organisationsveränderung interpretiert werden. Akutes Krisenmanagement ist immer dann gefragt, wenn die Organisation bereits in Not geraten ist. Kurzfristig – und zugleich zeitlich begrenzt – gilt es Anpassungen der bestehenden Strukturen und/oder Prozesse vorzunehmen, um eine bestehende Krise abzuwenden. Praxisbeispiel Wenn innerhalb des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) eines Jugendamtes trotz bestehender Ansätze zur kontinuierlichen Optimierung der Praxis (kollegiale Fallberatung, Supervision, kontinuierliche Hausbesuche etc.) ein Kind zu Schaden gekommen ist, ist nicht nur in Bezug auf das möglicherweise vernachlässigte Kind, sondern auch hinsichtlich der bestehenden Strukturen und Prozesse akutes Krisenmanagement zu betreiben. Verfahren der sozialpädagogischen Diagnostik kommen auf den Prüfstand und werden ggf. angepasst, Formen der kollegialen Fallberatung werden hinsichtlich ihrer Sinnhaftigkeit überprüft und ggf. modifiziert, und Prozesse, die im Zuge der Gefahrenabwehr eine bedeutsame Rolle spielen – z. B. der Hausbesuch – werden überarbeitet. Radikale Transformation Werden Ansätze der Organisationsveränderung im Sinne einer radikalen Transformation umgesetzt, beschränken sie sich nicht auf die (oberflächliche) Anpassung von Strukturen und Prozessen. Vielmehr findet eine grundlegende Neuausrichtung innerhalb der Organisation statt, bei der auch – zumindest indirekt – Fragen der Organisationskultur in den Fokus geraten. Die Implementierung des Neuen Steuerungsmodells in den 1990er-Jahren kann beispielhaft für solche Phasen der radikalen Transformation einer Organisation betrachtet werden. Auch der zurzeit verstärkt zu beobachtende »Fusionsboom« innerhalb der Sozialen Arbeit ist in der Regel nicht ohne eine tief greifende Organisationstransformation möglich. Diesen Ansätzen der Organisationsveränderung ist ein episodenhafter Charakter gemein. Wenngleich die Zeiträume für den Prozess der Organisationsveränderung bisweilen nur bedingt konkret benannt werden können, ist allen Protagonisten klar: Diese Phase ist eine Phase und hat folglich irgendwann ein Ende.

Vorausschauende Selbsterneuerung Findet Ansätze der Organisationsveränderung im Sinne einer vorausschauenden Selbsterneuerung statt, dann steht weniger die einzelne konkrete Veränderung im organisationalen Alltag im Vordergrund als vielmehr die dauerhafte »Erhöhung der Lernfähigkeit der Organisation als Ganzes. Der Anspruch an das Management besteht darin zu ergründen, ob das Führungssystem die eingeschwungenen Evolutionsmechanismen und den Variationsreichtum der Umwelt ausreichend beobachtet und relevante Variationen überhaupt erkennen kann.« (Reith u. Wimmer 2014, S. 151.) Im Kern geht es also darum, die Organisation veränderungsbereit zu halten, indem Lernimpulse, die beispielsweise im Zuge der Optimierung der bisherigen Praxis entstehen, nicht nur zur oberflächlichen Anpassung der bestehenden Strukturen und Prozesse genutzt werden, sondern als Anlass betrachtet werden, die zugrunde liegenden Kommunikations- und Entscheidungsmuster einer kritischen Reflexion zu unterziehen. Die hier lediglich skizzierten vier Spielarten der absichtsvollen Veränderung von Organisationen der Sozialen Arbeit zeigen auf, dass in Bezug auf Fragen der Organisationsveränderung zum einen zwischen verschiedenen Ebenen der Intensität von organisationalen Wandelprozessen differenziert werden muss (Wandel 1. und 2. Ordnung). Wenn Leitungskräfte Prozesse der Organisationsveränderung einleiten, sollten sie sich hierbei der jeweilige Reichweite und der damit verbundenen »Risiken und Nebenwirkungen« bewusst sein. Zum anderen wird anhand der vier Spielarten deutlich, dass Leitungskräfte zwecks Bewältigung des organisationalen Wandels zweierlei zugleich gewährleisten müssen: • Ist die Organisation bereits in die Krise geraten, benötigen Leitungskräfte möglichst konkrete Orientierungspunkte, um die Organisation mithilfe von zeitlich befristeten Interventionen wieder »auf Kurs« zu bringen. In gewisser Weise benötigen Leitungskräfte also »Notfallpläne«, wohlwissend, dass »in Bezug auf Prozesse der Organisationsveränderung festgestellt werden muss, dass »weder das Ergebnis … noch der Weg dorthin exakt planbar« ist (Wimmer 2012a, S. 185) (Kapitel 6.2). • Der beste Notfallplan taugt allerdings nichts, wenn zu spät oder gar nicht erkannt wird, dass er zum Einsatz hätte kommen müssen. Neben konkreter Orientierungspunkte zur Umsetzung von Prozessen der Organisationsveränderung bedarf es daher zugleich einer Art organisational verankerten »Frühwarnsystems«, das Sorge dafür trägt, dass Veränderungsanforderungen frühzeitig wahrgenommen und adäquat verarbeitet werden. Eben hierauf zielt die Steigerung der organisationalen Lernfähigkeit ab (Kapitel 6.3).

6.2 Orientierungspunkte für episodische Phasen der Organisationsveränderung

Organisationsveränderung findet in der Praxis der Sozialen Arbeit häufig episodenhaft statt. Basierend auf einem Zustand »relativer Ruhe«, wird für eine zeitlich begrenzte (und oftmals sehr stressige) Dauer eine organisationale Veränderung vorgenommen. Ein Träger der Jugendberufshilfe beschließt beispielsweise die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems nach DIN ISO21 und setzt hierfür einen Umsetzungszeitraum von 12 Monaten an. Episodische Ansätze der Organisationsveränderung verfügen also über einen mehr oder weniger klaren Anfang und ein mehr oder weniger klares Ende. In der Zwischenzeit – der Phase der konkreten Veränderung – herrscht nicht selten mehr oder weniger latentes Chaos. Um jenes Chaos in produktiven Grenzen zu halten, gilt es, Prozesse der Organisationsveränderung gut zu rahmen. Eine solche Rahmung kann ermöglicht werden, wenn der Phase der konkreten Veränderung (Phase 2: Praxisbezogene Verarbeitung der Irritation) eine Phase der maßvollen Destabilisierung (Phase 1) vorangestellt wird. Zugleich sind Leitungskräfte nach Abschluss einer Phase der Veränderung in der Verantwortung, der Organisation Hilfestellung zu geben, um die nötige partielle Stabilität zurückzugewinnen (Phase 3).22 Phase 1: Maßvolle Destabilisierung Das Einleiten von organisationalen Veränderungsprozessen hat stets einen destabilisierenden Charakter. Routinen, mit deren Hilfe die Organisation in der Vergangenheit die Komplexität der (Um-) Welt auf ein verarbeitbares Niveau reduziert hat, werden infrage gestellt, ohne zu gewährleisten, dass die neuen (bisweilen noch zu entwickelnden) Routinen besser zur Komplexitätsreduktion geeignet sind. Hiermit geht aufseiten der Organisationsmitglieder häufig das Gefühl von Unsicherheit, Skepsis und bisweilen blanker Angst einher. Um trotz dieser grundlegenden Skepsis der Organisationsmitglieder Prozesse der Organisationsveränderung zu ermöglichen, müssen Leitungskräfte eine paradoxe Anforderung erfüllen: Einerseits sind sie dafür verantwortlich, aktiv zur Destabilisierung beizutragen, da Veränderungen bei dauerhafter Stabilität nicht möglich sind, andererseits dürfen sie den Bogen der Destabilisierung nicht überspannen, da die eigene Organisation ansonsten wie das Kaninchen vor der Schlange erstarrt und keinerlei Bewegung möglich ist. Die Bereitschaft, temporäre Phasen der (maßvollen) Destabilisierung innerhalb einer Organisation zuzulassen, kann dadurch gesteigert werden, dass man den Organisationsmitgliedern transparent vermittelt, warum eine Veränderung ansteht und worauf die Veränderung konkret abzielt. Es geht also darum, eine attraktive Zukunftsperspektive zu schaffen, auf die hinzuarbeiten sich für (möglichst) alle lohnt.23 Hierbei sollten Leitungskräfte der Versuchung widerstehen, der attraktiven Zukunftsperspektive einen zu stark visionären Charakter zu verleihen. Denn dies birgt die Gefahr, dass die grundsätzliche Zukunftsvision zwar innerhalb der Belegschaft Anklang findet, eine konkrete Veränderungsbereitschaft aber kaum befördert wird. Stattdessen empfiehlt es sich zum einen, möglichst konkrete Ziele für den Prozess der Veränderung zu formulieren. Hierbei ist es

hilfreich, zwischen zwei Zieltypen zu unterscheiden, und zwar zwischen »Zielen, die dadurch erreicht werden können, dass ein bisheriges – ein Problem herstellendes und am Leben erhaltendes – Kommunikationsmuster unterbrochen wird (›Entlernen‹ der Organisation), und (solchen; Anm. S. G./J. M.) Zielen, die dadurch zu erreichen sind, dass ein neues Kommunikationsmuster etabliert wird (›Neu-Lernen‹ der Organisation)« (Simon 2013b, S. 265 f.). Organisationsmitglieder erhalten hierdurch frühzeitig Orientierung, in welche Richtung die Reise (der Veränderung) geht, und sind möglicherweise eher bereit, den (Leidens-)Weg mitzugehen. Zum anderen ist es hilfreich, neben konkret anzustrebenden Zielen auch eindeutige »Nichtziele« (Grossmann, Bauer u. Scala 2015, S. 82) zu benennen, also auch klar zu kommunizieren, worum es innerhalb der Organisationsveränderung nicht geht, was also nicht erreicht werden soll und was folglich nicht angetastet wird. Wenngleich hier von maßvoller Destabilisierung die Rede ist, soll nicht der Eindruck entstehen, dass sich Prozesse der Organisationsveränderung vollends planen (und daher auch maßvoll »dosieren«) lassen. Vielmehr müssen sich Leitungskräfte innerhalb von Prozessen der Organisationsveränderung stets auch auf die prinzipielle Unkalkulierbarkeit einstellen (vgl. Wimmer 2012a, S. 185). Dies bedeutet, bei der Entwicklung von Zielen nicht beabsichtigte Nebenwirkungen, die in der Regel mit einem begrenzten Maße an Fantasie durchaus zu erahnen sind, einzukalkulieren. Die frühzeitige gedankliche Vorwegnahme von unbeabsichtigten Nebenwirkungen wird erleichtert, wenn bei der Formulierung von Zielen die relevanten Umwelten (insbesondere die Organisationsmitglieder als innere Umwelt) mitgedacht werden. Hier kommt insbesondere die soziale Sinndimension zum Tragen. Konkret geht es also um Fragen wie: Wer ist von der angestrebten Veränderung besonders betroffen? Wer nicht? Wer geht eher als Gewinner, wer eher als Verlierer aus dem Veränderungsprozess? Wie verschieben sich aufgrund der geplanten Organisationsveränderung formale und informale Machtverhältnisse? Um Antworten auf diese und andere Fragen zu finden, gilt es nach Wegen und Möglichkeiten zu suchen, um die Organisationsmitglieder aktiv in den Prozess der Zielformulierung einzubinden. Zukunftsorientierte Großgruppenmethoden ermöglichen es hierbei, einen großen Teil der Belegschaft in diesen Prozess einzubinden (vgl. Holman a. Devane 2006; Seliger 2015). Eine Phase der maßvollen Destabilisierung einzuleiten gleicht einem Ritt auf der Rasierklinge. Es droht stets die Gefahr abzurutschen, also das Maß an Destabilisierung zu übertreiben und so zur Überforderung der Organisationsmitglieder beizutragen. Leitungskräfte müssen daher Formen der Destabilisierung behutsam einleiten und deren Auswirkungen sorgfältig beobachten. Nur so kann das Fundament dafür gelegt werden, dass in einem nächsten Schritt eine praxisbezogene Verarbeitung von Irritationen stattfindet. Phase 2: Praxisbezogene Verarbeitung der Irritation Innerhalb der Phase der praxisbezogenen Verarbeitung von Irritationen findet nun die

konkrete organisationale Veränderung statt. Davon ausgehend, das Organisationen im Kern Kommunikationssysteme sind (Kapitel 1), bedeutet die Veränderung von Organisationen stets die Veränderung von bestehenden Kommunikationsmustern, entweder indem alte Kommunikationsmuster aufgehoben (»Entlernen«) oder neue Kommunikationsmuster etabliert werden (Neulernen). Um ein solches Ent- oder Neulernen zu ermöglichen, stehen Leitungskräften mit ihrer Einflussnahme auf die entscheidbaren Entscheidungsprämissen innerhalb einer Organisation drei »Stellhebel« der Organisationsveränderung zur Verfügung (Kapitel 1). Praxisbeispiel Eine Leitungskraft im Allgemeinen Sozialen Dienst eines Jugendamtes, die vermehrt feststellt, dass das gesetzlich festgeschriebene Wunsch- und Wahlrecht der Klienten im Hilfeplanverfahren von den ASD-Kollegen unterschiedlich intensiv umgesetzt und methodisch unterschiedlich ausgestaltet wird, könnte im Zuge eines (zugebenermaßen eher kleinen) Prozesses der Organisationsveränderung einerseits Einfluss auf das Programm Hilfeplanung nehmen (erster »Stellhebel«). Wenngleich sich die Umsetzung des Wunsch- und Wahlrechts kaum in simplen Wenn-dann-Regelungen (konditional)programmieren lässt, könnte die Leitungskraft gleichwohl entscheiden, dass die Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts zukünftig nach einem festgelegten Ablaufschema zu erfolgen hat und das Ergebnis dieses Beteiligungsprozesses im Hilfeplanprotokoll zu dokumentieren ist. Zugleich könnte die Leitungskraft ihren Einfluss auf Kommunikationswege geltend machen (zweiter »Stellhebel«) und die Entscheidung treffen, dass Hilfeplanprotokolle von nun an immer »über den Tisch« der Leitung »gehen«. Neben Programmen und Kommunikationswegen stellen Entscheidungen über Personen den dritten »Stellhebel« innerhalb der Organisationsveränderung dar. Um die Umsetzung des Wunsch- und Wahlrechts zu vereinheitlichen, könnte die Leitungskraft z. B. die Entscheidung treffen, dass alle ASD-Mitarbeiter an einer zweitägigen Weiterbildung zum Thema »Beteiligung im Hilfeplanverfahren« teilnehmen müssen.24 Wenngleich das Entscheiden über die drei »Stellhebel« Programme, Kommunikationswege und Personal grundsätzlich Möglichkeiten der Organisationsveränderung eröffnet, sei an dieser Stelle davor gewarnt, alle drei »Stellhebel« zugleich zu aktivieren, denn es »gibt vielleicht nur ein einziges unausweichliches Ordnungsgesetz (in Organisationen; Anm. S. G./J. M): dass nicht alles auf einmal geändert werden kann« (Luhmann 1976, S. 140). Wenn die im Praxisbeispiel genannte ASD-Leitungskraft gleichzeitig ein Ablaufschema zur Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts einführt, die Mitarbeitenden von heute auf morgen zudem gefordert sind, alle Hilfeplanprotokolle über den Tisch des ASD-Leiters laufen zu lassen und darüber hinaus der gesamte ASD eine zweitägige Weiterbildung zum Thema Beteiligung im Hilfeplanverfahren durchlaufen soll, kann dies schnell zu einer Überforderung des Systems führen. In solchen Fällen erreicht man nicht selten genau das

Gegenteil dessen, was eigentlich intendiert war (vgl. Wimmer 2012a, S. 189). Um weitergehende Orientierung bei der Festlegung und Konkretisierung von Veränderungsmaßnahmen zu ermöglichen, bieten die Sinndimensionen von Luhmann erneut Hilfestellung • In Bezug auf die Sachdimension sind Entscheidungen zu treffen, in welcher Organisationsform über die Festlegung und Konkretisierung von Veränderungsmaßnahmen diskutiert werden soll. Reicht eine Arbeitsgruppe von Leitungskräften aus, oder macht es möglicherweise eher Sinn, eine Projektgruppe zu initiieren? Welche »Stellhebel« (Kommunikationswege, Programme, Personen) gilt es bei der Festlegung und Konkretisierung von Veränderungsmaßnahmen genauer in den Blick zu nehmen? Welche Strukturelemente müssen möglicherweise als immobil25 bewertet werden und stehen folglich nicht für eine Veränderung zur Verfügung? Lassen sich Maßnahmen ins Auge fassen, bei denen schon kleine Veränderungen schnelle Erfolge erwartbar machen? Und so weiter. • Hinsichtlich der Sozialdimension sind Hypothesen aufzustellen, wer direkt oder indirekt in den Prozess der Entwicklung von Veränderungsmaßnahmen eingebunden werden kann bzw. muss und wie eine solche Einbindung erfolgen kann. Um in der Phase der Implementierung innerhalb der Organisation möglichst geringen Widerstand zu erzeugen, wäre es wünschenswert, möglichst viele Organisationsmitglieder in den Prozess der Entwicklung von Veränderungsmaßnahmen einzubinden. Zum einen würde hierdurch aber die Komplexität derart steigen, dass das Treffen von tragfähigen Entscheidungen nahezu verunmöglicht wird, zum anderen kann sich keine Organisation erlauben, dass über einen längeren Zeitraum der überwiegende Anteil des Personals nicht für die tägliche Arbeit zur Verfügung steht. Eine sinnvolle Alternative stellt die Initiierung von hierarchieübergreifenden Projektgruppen dar. Während die Kernprozesse der Organisation mit ihren Routinetätigkeiten weiterlaufen, wird innerhalb einer Projektgruppe eine »neue Organisation innerhalb einer Organisation« (Grossmann, Bauer u. Scala 2015, S. 46) geschaffen, die sich explizit, zeitlich befristet und abgehoben vom organisationalen Alltag der Bearbeitung des Veränderungsprozesses widmet.26 • Innerhalb der Zeitdimension ist zu entscheiden, wann der Prozess der Organisationsveränderung abgeschlossen sein soll und welche zeitlichen Meilensteine bis dahin abzuarbeiten sind. Wenngleich Großprojekte wie die Elbphilharmonie oder der Berliner Flughafen hinsichtlich der konkreten Benennung eines Endzeitpunkts zur Vorsicht mahnen, sollten die Mitglieder der Organisation zumindest eine grobe Orientierung erhalten, wie lange einerseits das alte Kommunikationsmuster aufrechterhalten und das neue (oder veränderte Kommunikationsmuster) eingeübt werden soll/kann. Zudem sollte innerhalb der zeitlichen Planung eine Konkretisierung

stattfinden, welche Veränderungsprozesse möglicherweise parallel laufen können und welche voneinander abhängig sind. Davon ausgehend, dass jeder Veränderungsprozess eine mehr oder weniger chaotische Phase durchläuft, erscheint es zudem ratsam, ausreichend zeitliche Puffer zum Innehalten, Nachsteuern und ggf. Neuanfangen einzuplanen, denn »Änderungen brauchen … Zeit; und während dieser Zeit muss Nichtgeändertes konstant bleiben, damit die Änderung nicht ihren Sinn verliert« (Luhmann 1976, S. 140). Phase 3: Schaffung von partieller Stabilität Organisationsveränderung findet stets bei »laufendem Motor« (Nagel u. Wimmer 2014, S. 342) statt. Die Organisationsmitglieder müssen also einerseits das normale Tagesgeschäft bewerkstelligen und andererseits – in der Regel obendrein – den Prozess der Organisationsveränderung mit (er)tragen. Damit den Mitarbeitern hierbei nicht »die Puste ausgeht«, sind bereits während des Veränderungsprozesses immer wieder kleinere Verschnaufpausen vonnöten, also Zeiträume, in denen nicht die Veränderung, sondern die (organisationale) Ruhe im Vordergrund steht. Zudem sollte – zumindest in Ansätzen – klar sein, wann die Phase der Veränderung abgeschlossen ist. Dieses Ende sollte deutlich markiert werden.27 Insbesondere wenn Projektgruppen eine zentrale Bedeutsamkeit innerhalb von Prozessen der Organisationsveränderung zukommt, sollten die Projektgruppenmitglieder wissen, wann das Projektende anberaumt ist. Andernfalls droht die Gefahr, dass Projekte irgendwann ihre Sinnhaftigkeit verlieren, die einzelnen Projektgruppenmitglieder zwar nach wie vor mehr oder weniger regelmäßig und mehr oder weniger motiviert an der Projektgruppe teilnehmen, keiner aber mehr wirklich weiß, was eigentlich der Grund für das Einsetzen der Projektgruppe war. Die Wahrscheinlichkeit, dass solche Projektgruppenmitglieder auch bei nachfolgenden Prozessen der Organisationsveränderung für eine Projektteilnahme gewonnen werden können, dürfte äußerst gering sein. Zur Markierung des Endes einer Phase der organisationalen Veränderung gehört es auch, solche Unterschiede aufzuzeigen, die sich im Prozess der Organisationsveränderung aufgetan haben. Was ist also heute anders als gestern? Welche Ziele konnten erreicht werden und welche nicht? Was sind mögliche Gründe für ein Verfehlen der Ziele? Ansätze der Evaluation können hier Hilfestellung bieten, um systematisch und interpersonell den Erreichungsgrad der zuvor formulierten Ziele zu überprüfen (vgl. Merchel 2015b). Darüber hinaus sollten sich Leitungskräfte nicht davor scheuen, abschließend aufzuzeigen, wo durch den Prozess der Organisationsveränderung möglicherweise neue Probleme entstanden sind, die zuvor gar nicht da waren. Während im traditionellen Verständnis von Organisationsveränderung die Abschlussphase eines Prozesses der Organisationsveränderung häufig mit Bezug auf das zu Beginn von Kapitel 6.2 vorgestellte Modell von Lewin mit der Metapher des Einfrierens beschrieben wird, distanziert sich ein systemtheoretisches Verständnis von

Organisationsveränderung von der Annahme, man könne Organisationen nach Belieben einfrieren und auftauen. Jede Form von Stabilität von autopoietischen Systemen ist erklärungsbedürftig und bedarf besonderer Anstrengungen. Wenn also der neue – veränderte – Organisationszustand auf Dauer aufrechterhalten werden soll, dann bedarf es hierzu entsprechender Anstrengungen. Konkret bedeutet dies, dass sowohl die Mitarbeiter als auch die Leitungskräfte den Routinen der Vergangenheit widerstehen müssen. Insbesondere in stressigen Phasen ist die Gefahr groß, lieber auf die (Entscheidungs-)Muster der Vergangenheit zurückzugreifen (»Da weiß man zumindest, was man hat!«) als auf neue Programme, Kommunikationsmuster etc., deren Wirkung noch unsicher ist. Stabilität in Organisationen kann daher immer nur partiell erreicht werden. Insbesondere bei tief greifenden Veränderungen kann es auch nach Jahren passieren, dass sich die Wandelbemühungen wieder verflüchtigen. Diese Gefahr scheint immer dann groß zu sein, »wenn die neuen Ansätze nicht fest in Gruppennormen und -werten verankert wurden« (Kotter 2016, S. 126). Hiermit wird deutlich, dass bei Prozessen der Organisationsveränderung die Perspektive der Organisationskultur nicht ungestraft weggedacht werden kann. Wie in Kapitel 5.4 aufgeführt, ist das indirekte Ansprechen der Organisationskultur – indem also über entscheidbare Entscheidungsprämissen entschieden wird und sich diese auch auf die Kultur der Organisation auswirken – eine der wenigen Möglichkeiten, wie Leitungskräfte überhaupt die Kultur der eigenen Organisation beeinflussen können. Dies bedeutet aber im Umkehrschluss, dass jeder Prozess der Organisationsveränderung auch Einfluss auf die Kultur der Organisation haben kann. Ist die Distanz zwischen neuem Kommunikationsmuster und den kulturellen Normen und Standards zu groß, so ist die Aktivierung des »sozialen Immunsystems« zu befürchten. Im schlimmsten Falle führt dies dazu, dass es zu »akuten Abstoßungsreaktionen« (Doppler 2017, S. 237) der neuen Strukturen kommt.

Um auch zukünftig – vielleicht sogar häufiger als heute – Phasen der Organisationsveränderung bewältigen zu können, benötigen Leitungskräfte in Organisationen der Sozialen Arbeit einerseits Orientierungspunkte, an denen sie ihr Handeln ausrichten können. Wenn also klar ist, dass der aktuelle Status quo nicht weiterhin aufrechterhalten werden kann und eine Veränderung erforderlich ist, dann müssen Leitungskräfte konkret wissen, was zu erledigen, wer wie zu beteiligen und was generell überhaupt möglich (bzw. unmöglich) ist, um einen organisationalen Wandel zu bewerkstelligen. Die hier vorgestellten drei Phasen sollen Leitungskräften eben jene Orientierung innerhalb einer konkreten Phase der organisationalen Veränderung bieten, ohne hierbei der Illusion zu erliegen, der organisationale Wandel ließe sich mit einer zweckrationalen Planungsvorstellung in den Griff bekommen. Der Frage nach dem Wie (Wie werden Phasen der Organisationsveränderung konkret umgesetzt?) muss allerdings die Frage nach dem Wann (Wann müssen wir überhaupt Prozesse der Organisationsveränderung einleiten?) vorangestellt werden. Leitungskräfte können über noch so ausgefeilte Orientierungshilfen für die Durchführung von Organisationsveränderungsprozessen verfügen – wenn zu spät (oder gar nicht) erkannt wird, dass diese hätten zum Einsatz kommen müssen, verfehlt die beste Orientierungshilfe ihren Zweck. Sich als Leitungskraft in Einrichtungen der Sozialen Arbeit der Organisationsveränderung zu widmen bedeutet also nicht nur, über Wissen zur Umsetzung von Ansätzen der Organisationsveränderung zu verfügen, sondern auch der Organisation die Fähigkeit zu verleihen zu erkunden, wann diese Ansätze zum Einsatz kommen müssen (und wann nicht). Für die Organisationsveränderung in Einrichtungen der Sozialen Arbeit verantwortlich zu sein bedeutet daher auch, die Lernfähigkeit der Organisation zu steigern.

6.3 Zur (bewussten) Steigerung der organisationalen Lernfähigkeit Als lernfähig kann generell beschrieben werden, wer sich »stören, irritieren, verunsichern lässt. Wer alles weiß (oder zu wissen glaubt), ist nicht mehr lernfähig.« (Siebert 2005, S. 34.) Übertragen auf Organisationen, geht es im Kern darum, »sich als Organisation in ausreichendem Maße irritierbar zu halten, um überhaupt entscheiden zu können, ob in der jeweiligen Situation Lernen oder Nichtlernen die angemessene Strategie darstellt« (Wimmer 2012a, S. 226). Lernfähige Organisationen sind also keine Organisationen, die ständig lernen, sich also andauernd verändern. Würden Organisationen tatsächlich ständig lernen, würden sie zu einem »chronically unfrozen system« (Weick 1977, S. 39) mutieren, wodurch ihr Überleben möglicherweise stärker gefährdet wäre, als wenn sie nicht lernen, da

»Merkmale wie Identität und Integration, die normalerweise über klare Organisationsstrukturen hergestellt werden, verloren gehen. Infolge einer totalen Veränderungsorientierung kann die Organisation kein Gefühl der Einheit mehr entwickeln. Chronische Flexibilität zerstört im Extremfall die Identität der Organisation. Ein permanenter Wandel produziert eine so große Unsicherheit, dass gemeinsame Handlungsorientierungen und Zielsetzungen nicht mehr existieren. Wenn man in einer massiven Veränderungsmobilisierung versuchte, gleichzeitig die verschiedensten Relationen und Beziehungen zu aktivieren, käme es zu verheerenden Überlastungserscheinungen.« (Kühl 2015a, S. 61 f.) Um einen solchen »organisationalen Burn-out« zu verhindern, müssen sich Organisationen in gewisser Weise ignorant gegenüber Lernanforderungen zeigen, sie benötigen also lernresistente, verlässliche Routinen, um sich als Einheit von ihrer Umwelt abzugrenzen und ihre Infrastrukturen aufrechtzuhalten. Anders formuliert, müssen Organisationen ein gewisses Maß an Langeweile etablieren (vgl. Simon 2013b, S. 48). Zugleich – und hier zeigt sich die paradoxe Anforderung, der sich Leitungskräfte stellen müssen – darf die organisationale Langeweile allerdings nicht überhandnehmen, da Organisationen sonst träge und unbeweglich werden. Eben jene Trägheit und Unbeweglichkeit kann dann dazu führen, dass Organisationen veränderte Rahmenbedingungen entweder erst gar nicht wahrnehmen oder sich aber trotz entsprechender Beachtung an die Routinen der Vergangenheit klammern und notwendige organisationale Veränderungsprozesse nicht oder zu spät einleiten. Eine Organisation, die dauerhaft auf dem Sozialmarkt überleben will, muss daher die Balance zwischen der »Selbstlähmung perfekter Ordnung und der Willkür perfekter Unordnung« (Willke 1993, S. 97) halten. Sie muss lernen, wann Lernen und wann Nichtlernen die richtige Antwort auf veränderte Rahmenbedingungen darstellt. Zu diesem Zweck muss sie in der Lage sein, »sich selbst (System) und ihre Umwelten zu beobachten, die Relevanz von Informationen für das Überleben zu bewerten, Zwecke von Mitteln und Bedingungen von Konsequenzen zu unterscheiden sowie die eigene Lernnotwendigkeit einschätzen können« (Simon 2013a, S. 65). Lernfähige Organisationen sind daher keine Organisationen, die sich kontinuierlich verändern, sondern solche, die bemüht sind, eine Veränderungsbereitschaft kontinuierlich aufrechtzuhalten, um so im richtigen Moment zu entscheiden, ob Lernen oder Nichtlernen vonnöten ist. Zu diesem Zweck benötigen lernfähige Organisationen neben den stabilitätsverleihenden Routinen zugleich Routinen zur kritischen Reflexion und ggf. zur Modifikation von Routinen. Wenn mithilfe von Routinen zur kritischen Reflexion von Routinen zur Steigerung der organisationalen Lernfähigkeit beigetragen werden soll, bedeutet dies nicht, Organisationen etwas »einzuhauchen«, was sie zuvor nicht besessen haben, sondern Einfluss auf eine Fähigkeit zu nehmen, über die jede Organisation quasi von Natur aus verfügt: die Fähigkeit

zu lernen. Denn ebenso wie Menschen »nicht nicht kommunizieren können … können psychische und soziale Systeme nicht nicht lernen« (Willke 2007, S. 48). So lange Organisationen also ihre Autopoiese aufrechterhalten, lernen sie zwangsläufig, meist allerdings – wie in Kapitel 6.2 anhand der Ausführungen zu einem Wandel 1. Ordnung aufgezeigt – nicht unbedingt mit der Geschwindigkeit und in die Richtung, wie es sich Leitungskräfte wünschen. Um zur Steigerung der organisationalen Lernfähigkeit beizutragen, gilt es, als Leitungskraft bewusst auf die natürliche evolutionäre Entwicklung, der jede Organisation ausgesetzt ist, Einfluss zu nehmen. Zu diesem Zweck gilt es, Routinen innerhalb der Organisation zu etablieren, die fortlaufend die Erhöhung des Variationsreichtums (Kapitel 6.3.1) und die Schärfung von reflektierten Selektionen forcieren (Kapitel 6.3.2). 6.3.1 Zur Erhöhung des Variationsreichtums Die organisationale Lernfähigkeit bewusst zu steigern bedeutet in einem ersten Schritt eine Weiterentwicklung der Beobachtungssensoren in Organisationen der Sozialen Arbeit anzustreben. Es geht also darum, Einfluss auf die bestehende, historisch entwickelte (begrenzte) Beobachtungsfähigkeit der Organisation zu nehmen, denn ohne veränderte bzw. erweiterte Beobachtung keine Häufung von Variation. Hierbei ist jede Organisation zwingend auf ihre Mitglieder angewiesen, »da sie selbst nicht über Mittel der sinnlichen Wahrnehmung verfügt. In dieser Hinsicht besteht eine vollkommende Abhängigkeit der Organisation vom Bewusstsein ihrer Mitglieder als relevanter Umwelt. Wenn deren Wahrnehmungen nicht kommuniziert werden, so nimmt die Organisation nicht wahr …« (Simon 2013a, S. 39). Blickt man in die Praxis der Sozialen Arbeit, so kann festgestellt werden, dass dort massenweise »evolutionsträchtiges Material« (Luhmann 1997b, S. 462) in Form von Irritationen produziert wird: • Irritationen, weil der Klient den Lösungsvorschlag der sozialpädagogischen Fachkraft nicht umsetzt; Irritationen, die bei der kollegialen Fallberatung entstehen, wenn die Kollegen die nach Ansicht der falleinbringenden Fachkraft notwendige Intervention völlig anders einschätzen; • Irritationen, die der neue, noch nicht »einsozialisierte« Mitarbeiter erfährt, wenn er Einblicke in die bestehenden Strukturen und Routinen der Organisation erhält; • Irritationen, die im Zuge der Reflexion bestehender Konzepte erzeugt werden (weil die Konzepte in der Praxis möglicherweise ganz anders umgesetzt werden als in der Konzeptionsphase geplant);

• Irritationen, die durch Fehler oder Beschwerden verursacht werden, oder aber • Irritationen, die Mitarbeiter innerhalb einer Fort- und Weiterbildung erfahren, da sie hier auf Fachkollegen treffen, die zwar im gleichen Handlungsfeld tätig sind, die Art und Weise der Aufgabenumsetzung jedoch völlig anders wahrnehmen. Allen diesen benannten möglichen Unberechenbarkeit, denn was sich

Irritationsmomenten

gemeinsam

ist

ihre

»in der Psyche eines Mitglieds abspielt, ist unberechenbar (›nicht trivial‹). Daher können psychische Umwelten der Organisation das nötige Irritationspotenzial zur Verfügung stellen. Wenn sie ihre Wahrnehmungen, Meinungen etc. in die Kommunikation einspeisen oder zur Grundlage ihrer Entscheidungen machen, kann dies Routinen aufbrechen.« (Simon 2013a, S. 74 f.) Wenngleich der Begriff der Kommunikationseinspeisung dies möglicherweise suggeriert, ist hiermit keine technische Einspeisung von Daten gemeint, die anschließend von einer Maschine (in diesem Fall dem sozialen System) linear-kausal weiterverarbeitet werden. Vielmehr ist hiermit der Prozess des Mitteilens einer Information (in diesem Fall der subjektiv wahrgenommen Irritation) gemeint, wodurch allerdings noch keine Kommunikation stattgefunden hat, da diese voraussetzt, dass »die Selektionspunkte Information, Mitteilung und Verstehen zu einer Einheit synthetisiert werden« (Kneer u. Nassehi 2000, S. 91). Kommunikation ist folglich erst dann »realisiert, wenn und soweit das Verstehen zustande kommt« (Luhmann 1984, S. 203). Dass eben jenes Verstehen nicht zwingend vorausgesetzt, sondern vielmehr als »evolutionäre Unwahrscheinlichkeit« (Luhmann 2008, S. 293) betrachtet werden muss, wird deutlich, wenn man mögliche Reaktionsszenarien auf die Mitteilung der o. g. beispielhaften Irritationsmomente von Fachkräften der Sozialen Arbeit konstruiert. So wird beispielsweise dem Klienten, der den Lösungsvorschlag der pädagogischen Fachkraft nicht umsetzt, mangelnde Bereitschaft zur Mitarbeit unterstellt, anstatt das eigene Handeln kritisch zu reflektieren; den Kollegen innerhalb der kollegialen Fallberatung, die plötzlich völlig andere Hypothesen aufstellen, wird mangelnde Fallkenntnis unterstellt, anstatt dass die falleinbringende Fachkraft die eigenen Hypothesen zur Disposition stellt; dem neuen Mitarbeiter, der durch die ihm wenig sinnvoll erscheinenden Abläufe und Strukturen in der Organisation irritiert ist, muss noch etwas mehr Zeit zum »Einfinden« eingeräumt werden, statt seine Eindrücke als einmalige Chance zu begreifen, einen Blick von außen zu erhalten; die Irritationen, die im Zuge der Konzeptreflexion erfahren worden sind, werden mithilfe des damals nur »irgendwie nebenbei« geschriebenen Konzepts erklärt, anstatt sie zum Anlass zu nehmen, die dem Konzept zugrunde liegenden Annahmen infrage

zu stellen. Irritationen, die aufgrund von Fehlern oder Beschwerden eingetreten sind, werden entweder möglichst schnell unter den Teppich gekehrt oder aber einzelnen Personen zugeordnet und als bedauerliche Ausnahmen betrachtet, anstatt sie als Ausdruck von möglicherweise unpassenden Handlungsroutinen zu betrachten, und Irritationen, die der Mitarbeiter aus der Weiterbildung mitbringt, werden als temporäres Problem bewertet, das sich von allein auflöst, sobald der Mitarbeiter wieder im alten Trott ist, anstatt diese temporäre Außenperspektive als Chance zu begreifen, das eigene Handeln aus einem anderen Perspektive zu beobachten. Derartige Muster im Umgang mit Irritationen sind Spiegelbild der Selbstbezüglichkeit von sozialen Systemen. Diese Selbstreferenzialität wirkt hierbei wie ein Filter, der nur das an Informationen durchlässt, was für die Organisation in ihrem jeweiligen Zustand verarbeitbar ist, sodass das, was für das System als eine zu große Bedrohung erscheint, entweder nicht gesehen oder in seiner Bedeutung ausgesondert wird. Eben jenes Nichtsehen bzw. Aussondern kann somit als Verweigerung eines Verstehens des sozialen Systems betrachtet werden. Hierdurch schützt sich das soziale System vor einem zu hohen Maß an Komplexität, läuft jedoch zugleich Gefahr, kaum Variationen zuzulassen. Wenn Leitungskräfte aktiv zur Steigerung der organisationalen Lernfähigkeit beitragen wollen, müssen sie zum einen trotz allen möglichen Unbehagens innerhalb der Belegschaft die Herbeiführung und Mitteilung von individuell erfahrenen Irritationen immer wieder aufs Neue initiieren (Erhöhung des Variationsreichtums). Ansätze zur Optimierung der bisherigen Praxis, wie sie in Kapitel 6.2 unter Bezugnahme auf einen Wandel 2. Ordnung vorgestellt wurden, weisen hierfür den Weg. Zum anderen sind aber auch Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen ein aktives Auseinandersetzen mit solchen Mitteilungen, also ein reflektiertes Selektieren, ermöglicht wird. 6.3.2 Zur Schärfung von reflektierten Selektionen Geht man davon aus, dass »Variation und Selektion … nur lose miteinander gekoppelt sind« (Wimmer 2007, S. 48), dann wird offensichtlich, dass die Erhöhung des Variationsreichtums zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung dafür ist, die Lernfähigkeit einer Organisation zu steigern. Von einer gesteigerten organisationalen Lernfähigkeit zu sprechen scheint erst dann angemessen, wenn Leitungskräfte in Organisationen der Sozialen Arbeit zum einen dafür Sorge tragen, dass das Maß an Variationen nicht die Verarbeitungskapazitäten der Organisation überschreiten. Zum anderen bedarf es einer bewussten Reflexion der automatisch vollzogenen Selektion, denn auch »wenn keine positive Selektion stattfindet, findet Selektion statt, weil dann die operationsgebundene Variation vergeht, ohne Strukturen zu ändern, und alles so bleibt, wie es war und ist. Selegiert wird dann der bisherige Zustand – und nicht die Innovation. Die Selektion selbst ist also eine Zwei-Seiten-Form: wenn nicht positiv, dann negativ.«

(Luhmann 1997b, S. 474.) Es geht also nicht um die Frage, ob selektiert wird – dies passiert auf jeden Fall –, sondern vielmehr um die Frage nach dem Wie, um die Fragen, nach welchen Kriterien und auf der Basis welcher Annahmen diese Selektion vollzogen wird und ob sie nicht auch anders möglich wäre. Leitungskräfte, die bewusst Einfluss auf die organisationale Lernfähigkeit nehmen wollen, sind also neben der maßvollen Steigerung des Variationsreichtums angehalten, den Prozess der Selektion künstlich zu verlangsamen, ihn mit Kontingenz anzureichern und gegen das Immunsystem der Organisation zu schützen. Nicht nur um den subjektiv wahrgenommenen Irritationen der Organisationsmitglieder einen Rahmen zu bieten, damit sie Einlass in die Kommunikation finden, sondern auch um ein reflektiertes Selektieren im hier skizzierten Sinne zu ermöglichen, benötigen Organisationen der Sozialen Arbeit verlässliche Kommunikationsanlässe. Nur wenn die Auseinandersetzung (verstanden als bewusste Selektionsleistung) mit möglichen Irritationen nicht dem Zufall oder Tür-undAngel-Gesprächen überlassen wird, sondern hierfür regelmäßige Räume geschaffen werden – z. B. in Form von Reflexionstagen, die einmal pro Quartal stattfinden, in Form eines gesonderten Zeitfensters, das bei jeder Teamsitzung eingeräumt wird oder als Bestandteil der wöchentlichen Leitungsrunde –, macht sich eine Organisation auf den Weg, die eigene Lernfähigkeit bewusst zu steigern. Dies bedeutet gezwungenermaßen auch, dass Leitungskräfte »zeitliche Fettpolster« gewährleisten müssen. Selbst wenn routinemäßig Reflexionstage eingerichtet werden, droht immer die Gefahr, dass diese zusätzlichen zeitlichen Ressourcen von anderen – natürlich stets genauso bedeutsamen – Themen in Anspruch genommen werden. Die reflektierte Auseinandersetzung mit wahrgenommenen Irritationen fällt dann hinten über. Leitungskräfte können hier entgegenwirken, indem sie beispielsweise den Tagesordnungspunkt »Dinge, die mich verwundert haben« als ersten TOP auf die wöchentlich stattfindende Teamsitzung bringen. Hierfür werden jede Woche 15 Minuten eingeplant, damit die Mitarbeiter von »verwunderlichen Beobachtungen« (also individuellen Irritationen) berichten und gemeinsam hinsichtlich des Umgangs mit solchen Beobachtungen Entscheidungen (Selektieren oder Negieren) treffen können. Gelingt es, diesen Tagesordnungspunkt auch in stürmischen Zeiten auf der Agenda der Teamsitzung zu halten, hat die Organisation eine Routine zur kritischen Reflexion von Routinen implementiert und sich auf den Weg zur bewussten Steigerung der organisationalen Lernfähigkeit gemacht. Neben der Einrichtung von Raum und Zeit hängt die Wirksamkeit von solchen Reflexionsroutinen aber auch zentral davon ab, welche kulturellen Rahmenbedingungen vor Ort vorzufinden sind. Herrscht ein Klima von Angst und Schrecken, wird sich während der Teamsitzung kaum jemand trauen, seine – möglicherweise etwas ungewöhnlichen – Beobachtungen in die Kommunikation zu bringen. Routinen zur Reflexion von Routinen wird also erst dann Leben eingehaucht, wenn sie von einer lernförderlichen Kultur getragen

werden, die gewährleistet, dass »Personen ihre persönlichen Wahrnehmungen zu relevanten Prozessen in und außerhalb der Organisation in die organisationsinterne Kommunikation ungeschützt einspeisen können und dass diese dort als Material zu gemeinsam geteilten Realitätseinschätzungen auch genutzt werden« (Wimmer 2012a, S. 232). .

Zusammenfassend stehen Leitungskräften mit der Implementierung von Routinen zur kritischen Reflexion von Routinen Möglichkeiten zur Verfügung, um die eigene Organisation »immanent unruhig« (Luhmann 1984, S. 77), also veränderungsbereit zu halten. Hierdurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wesentliche Veränderungen in den Umwelten von Organisationen der Sozialen Arbeit frühzeitiger beobachtet werden und eine reflektierte Auseinandersetzung innerhalb der Organisation hinsichtlich der Frage stattfindet, ob eine Veränderung (Lernen) erforderlich erscheint oder am Status quo (Nichtlernen) festgehalten wird. Routinen zur kritischen Reflexion von Routinen können ihr Potenzial allerdings nur dann entfalten, wenn die Bewältigung des organisationalen Wandels nicht länger nur als Ausnahme von der Regel betrachtet wird. Wenn Leitungskräfte dauerhaft zur Steigerung der organisationalen Lernfähigkeit beitragen wollen, dann müssen sie Raum und Zeit zur kritischen Reflexion vorhandener Routinen auch dann ermöglichen, wenn es der Organisation eigentlich gut geht, wenn also kein kollektiver Leidensdruck vorhanden ist. Dies scheint der Praxis von vielen Einrichtungen der Sozialen Arbeit diametral entgegengesetzt zu sein, da oftmals erst dann eine Auseinandersetzung mit Fragen des organisationalen Wandels erfolgt, wenn die Organisation bereits mit dem Rücken zur Wand steht. Routinen zur kritischen Reflexion von Routinen einzurichten heißt also, ein »Frühwarnsystem« zu implementieren, das allerdings nur dann funktioniert, wenn es kontinuierlich mit den nötigen Ressourcen (Raum und Zeit plus entsprechende kulturelle Rahmung) versorgt wird.

6.4 Organisationsveränderung: Vom Entweder/oder zum Sowohl-als-auch Leitungskräfte in Einrichtungen der Sozialen Arbeit, die qua Rolle auch für Prozesse der Organisationsveränderung verantwortlich sind, sind in gewisser Weise für eine Sisyphosarbeit zuständig: Einerseits sind sie dafür verantwortlich, Organisationen mit der nötigen Stabilität zu versorgen. Nur wenn sie durch Entscheidungen über Kommunikationswege, Handlungsprogramme und Personal gewährleisten, dass es in Einrichtungen der Sozialen Arbeit einigermaßen geordnet zugeht, können sie die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen und im Gegenzug auf Geld zur Fortführung ihrer Arbeit hoffen. Um eben jene Stabilität zu gewährleisten, reicht es aber nicht aus, einmalig die

Entscheidung zu treffen, dass von nun an dieses oder jenes gemacht wird. Das Aufrechterhalten von Stabilität stellt vielmehr eine Daueraufgabe für Leitungskräfte dar, denn lebende Systeme – und damit auch Organisationen – müssen die ihnen Stabilität verleihenden Strukturen kontinuierlich aufrechterhalten (Simon 2009b, S. 29): »Beständigkeit und Mangel an Veränderung bedürfen der Aktivität: Alles verändert sich, es sei denn, irgendwer oder -was sorgt dafür, dass es bleibt, wie es ist.« Stabilität, wie sie in Organisation vorgefunden wird, ist deswegen auch »keine statische, sondern eine dynamische Stabilität« (Luhmann 1997b, S. 565), die kontinuierlich reproduziert werden muss. Andererseits sind Leitungskräfte dafür verantwortlich, die mühsam gewährte Stabilität immer wieder aufs Neue ins Wanken zu bringen, indem sie eine Erhöhung des Variationsreichtums und ein reflektiertes Selektieren durch die Implementierung von Routinen zur kritischen Reflexion von Routinen befördern. Wird in diesem Zusammenhang festgestellt, dass organisationales Lernen erforderlich ist, gilt es, entlang der hier vorgestellten Orientierungspunkte für episodische Phasen der Organisationsveränderung einen Prozess des organisationalen Wandels zu initiieren, um anschließend wieder (dynamische) Stabilität zu gewährleisten. Damit Organisationen im Gefüge der sozialen Dienstleistungen dauerhaft überleben können, benötigen sie also »eine lebensfähige Balance zwischen Sich-Ändern und Einen-bestimmten-Zustandstabil-Halten. Lernen und Sich-Weiterentwickeln bzw. Nichtlernen und Gleichbleiben, d. h. Sich-gegenüber-bestimmten-Veränderungsimpulsen-indifferent-Zeigen sind beides Fähigkeiten, die für die Überlebenssicherung von Organisationen in gleicher Weise bedeutsam sind.« (Wimmer 2012a, S. 226.) Aus diesem Grund müssen sich Leitungskräfte in Organisation von der Vorstellung verabschieden, dass Stabilität und Wandel Gegensätze seien. Es geht also nicht um ein Entweder/oder, sondern vielmehr um ein Sowohl-als-auch. Neuere Ansätze, wie beispielsweise agile Methoden oder Holocracy, versuchen beides zu ermöglichen: starre Regelsysteme einerseits (»Agiles Manifest«; »Verfassung«) und hohe Flexibilität der Organisationsmitglieder innerhalb der Regeln andererseits (vgl. Kozica u. Kneip 2017, S. 16). Wenngleich hier nicht dafür geworben werden soll, jeder neuen Managementmethode hinterherzulaufen, scheint es dennoch ratsam, dass sich Leitungskräfte in Organisationen der Sozialen Arbeit von solchen Konzepten inspirieren lassen. Nimmt man ein solches Sowohl-

als-auch-Denken ernst, dann bedeutet dies, dass Leitungskräfte nicht nur ein Changemanagement, sondern auch ein Stabilitätsmanagement benötigen, um das Überleben auf dem Sozialmarkt zu gewährleisten. Zugleich müssen sie mehr und mehr Experten für den Umgang mit Dilemmata, Ambiguität und Widersprüchlichkeiten werden: kein einfaches Unterfangen.

6.5 Leitorientierungen für eine systemisch konzipierte Organisationsveränderung 1) Wenngleich das Veränderungstempo auf dem Sozialmarkt ein anderes ist als auf dem Profitmarkt, müssen sich Organisationen der sozialen Arbeit aufgrund der zahlreichen strukturellen Kopplungen mit ihren relevanten Umwelten systematisch mit Fragen der Organisationsveränderung auseinandersetzen. 2) Da sowohl psychische als auch soziale Systeme nicht nicht lernen können, finden Formen der Organisationsveränderung auch dann statt, wenn dies nicht von Leitungskräften initiiert wurde. Dass alleinige Vertrauen auf die evolutionären Veränderungsfähigkeiten von Organisationen muss allerdings als risikoreich bewertet werden, da weder Tempo noch Richtung der Veränderung vorhersehbar sind. 3) Systematische Formen der Organisationsveränderung finden häufig episodisch, also zeitlich befristet und abgehoben vom organisationalen Alltag, statt. Um solche Prozesse der Veränderung produktiv durchlaufen zu können, bedarf es 1) einer einleitenden Phase der maßvollen Destabilisierung, 2) einer Phase, innerhalb der der Organisation die Möglichkeit der praxisbezogenen Verarbeitung von Irritationen gegeben wird und 3) einer abschließenden Phase der partiellen Stabilität. Leitungskräfte tragen hierbei die Prozessverantwortung. Orientierung bieten die drei Sinndimensionen (sachlich, zeitlich, sozial). 4) Da Organisationen als nicht triviale Systeme betrachtet werden, ist davon auszugehen, dass jeder Versuch der gezielten Veränderung auch unbeabsichtigte Nebenwirkungen auslöst. Formen der episodischen Veränderung von Organisationen setzen daher ein enges Beobachtungskorsett voraus. 5) Finden Phasen des organisationalen Wandels episodenhaft statt, stellt die Veränderung eine Ausnahme von der Regel dar (Regel: Stabilität). Dies führt dazu, dass Organisationen – abhängig von der Tiefe des Wandels – in Phasen der episodenhaften Veränderung nicht selten unter Stress geraten. Um das Stresserleben in Phasen der Veränderung zu reduzieren, sollte die grundlegende Veränderungsbereitschaft von Organisationen erhöht werden. Die Steigerung der organisationalen Lernfähigkeit zielt darauf ab, eine permanente Veränderungs-bereitschaft zu befördern, also nicht permanent umfassend und intentional verändern zu wollen. Zu diesem Zweck sind

Routinen zur Reflexion von Routinen in den Strukturen einer Organisation zu verankern. 6) Die organisationale Lernfähigkeit steigern zu wollen bedeutet somit einerseits das Spektrum an Variationen zu erhöhen. Zu diesem Zweck sind Irritationen bewusst zu initiieren und Vorkehrungen dafür zu treffen, dass die individuell erlebten Irritationen in die Kommunikation kommen. Andererseits gilt es den Akt der Selektion bewusst zu verlangsamen. Hierbei ist neben Zeit und Raum eine lernförderliche Kultur notwendig. 7) Leitungskräfte in Organisationen der Sozialen Arbeit sind kontinuierlich gefordert, die Balance zwischen Lernen (Veränderung) und Nichtlernen (Stabilität) innerhalb der Organisation zu gewährleisten. Ein zu hohes Maß an Veränderung überfordert nicht nur die Organisationsmitglieder, sondern kann auch dazu beitragen, dass das Profil der Organisation im Hinblick auf die Kommunikation mit der Umwelt unklar wird. Daher müssen Leitungskräfte bewusst Formen des Nichtlernens in Organisationen pflegen. Findet Lernen allerdings ausschließlich als Ausnahme von der Regel statt, droht die Gefahr, dass die organisationalen Strukturen verkrusten, mögliche Diskrepanzen zu spät wahrgenommen werden und der organisationale Wandel erst dann eingeleitet wird, wenn die Organisation bereits »mit dem Rücken zur Wand steht«. Leitungskräfte müssen daher Veränderungs- und Stabilitätsmanagement zugleich betreiben.

19 Das hier organisationales und nicht nur individuelles Lernen stattgefunden hat, lässt sich daran erkennen, dass die veränderte Protokollvorlage im Sinne einer Entscheidungsprämisse im Miniformat mit hoher Wahrscheinlichkeit auch dann noch weiter Bestand hätte, wenn sämtliche ASD-Kollegen ausgetauscht würden – ein Szenario, das in einigen ASD aufgrund der hohen Personalfluktuation gar nicht so weit hergeholt erscheint. 20 Ansätze der Organisationsveränderung, die einen eher episodenhaften Charakter aufweisen, basieren grundsätzlich darauf, dass die Wandelprozesse über einen mehr oder weniger klar formulierten Anfang und ein mehr oder weniger klares formuliertes Ende verfügen. 21 DIN, Deutsches Institut für Normung e. V.; ISO, International Organization for Standardization 22 In eher traditionellen betriebswirtschaftlich orientierten Veröffentlichungen wird ebenfalls zwischen drei Phasen der organisationalen Veränderung differenziert. Hierbei dient in der Regel das Dreiphasenmodell von Kurt Lewin (1958) als Referenzrahmen. Da die von Lewin verwendete Begrifflichkeit für die drei Phasen der organisationalen Veränderung (1. Phase: Auftauen, 2. Phase: Veränderung, 3. Phase: Einfrieren) einen stark mechanistischen Eindruck vermittelt, wird an dieser Stelle von dieser Diktion Abstand genommen. 23 Simon vergleicht eine solche erstrebenswerte Perspektive mit dem Prinzip von Wunderdiäten, die insbesondere in solchen Zeitschriften vorzufinden sind, die man beim Arzt oder Friseur vorfindet (vgl. Simon 2013b, S. 259). Da werden dem (mehr oder weniger) interessierten Leser zwei Bilder ein und derselben Person präsentiert: ein Vorher-Foto, auf dem eine leicht dickliche Person mit traurigem Gesicht zu sehen ist, und ein Nachher-Foto, auf dem die (vermeintlich) gleiche Person nicht nur freudig in die Kamera strahlt, sondern zugleich um 10 Kilo erleichtert ist. Ist der Leser selbst recht wohlgenährt, wird er dank dieses attraktiven Zukunftsszenarios vielleicht eher bereit sein, sich die nächsten 4 Wochen ausschließlich von Ananas (Steak, Eiern oder was auch immer gerade empfohlen wird) zu ernähren. Ob der empfohlene Weg (ausschließlich Ananas zu essen) tatsächlich zum Ziel (Gewichtsreduktion) führt, sei an dieser Stelle dahingestellt. 24 Zu den (Un-)Möglichkeiten, das Lernen von Mitarbeitern während einer Fort- und Weiterbildung zu erzwingen, siehe Kapitel 10. 25 Immobile Strukturen sind zwar grundsätzlich veränderbar, ihre Veränderung muss aber teuer mit dem Preis des

Identitätsverlusts bezahlt werden (vgl. Kühl 2011, S. 111). Wenn ein Caritasverband einen wichtigen Teil seiner Handlungsprogramme – nämlich den Bezug zum Alten und Neuen Testament – im Zuge eines Changeprojekts streichen würde, könnte dies möglicherweise einige Prozesse deutlich verschlanken und bestehende Probleme – beispielsweise bei der Einstellung von andersgläubigem Personal – lösen, zugleich würde der Caritasverband hierdurch einen wesentlichen Teil seiner organisationalen Identität aufgeben, weswegen dieser Teil der Handlungsprogramme als sakrosankt und damit immobil bewertet werden muss. 26 Welche Herausforderungen bei der Projektgestaltung zu erwarten sind und wie hiermit produktiv umgegangen werden kann, ist an anderer Stelle bereits ausführlich beschrieben worden (vgl. Doppler 2017, S. 114 ff.; Merchel 2005, S. 81 ff.; Kühl 2016). 27 Eine deutliche Markierung des Endes eines Prozesses der Organisationsveränderung kann beispielsweise bei einer großen Dienstbesprechung oder eine Mitarbeiterversammlung erfolgen.

7 Betriebswirtschaftliche Steuerung: Controlling – systemisch konzipiert

7.1 Ausgangssituation: Warum überhaupt Controlling? Versucht man die Aufgabe von Leitungskräften in Organisationen der Sozialen Arbeit in aller Kürze zu skizzieren, dann sind Leitungspersonen dafür zuständig, Ziele zu setzen, Maßnahmen zur Zielerreichung festzulegen und Modalitäten zur Überprüfung des Erreichungsgrades der zuvor formulierten Ziele zu gewährleisten. Dass es sich hierbei um eine anspruchsvolle (und mühsame) Aufgabe handelt, ist tagtäglich im organisationalen Alltag zu beobachten: Da werden die durch Leitungskräfte gesetzten Ziele von den Organisationsmitgliedern uminterpretiert, Maßnahmen zur Zielerreichung so modifiziert, dass sie den individuellen fachlichen (oder persönlichen) Vorlieben entsprechen, und Modalitäten zur Überprüfung des Zielerreichungsgrades bisweilen schlichtweg ignoriert. Nicht ohne Grund kann die Steuerung von Organisationen daher als anspruchsvolle Aufgabe bezeichnet werden, und daher wird nicht jeder, der sich hierzu berufen fühlt, mit der Übernahme von Steuerungsaufgaben betraut. Leitungskräfte in dieser anspruchsvollen Steuerungsfunktion zu unterstützen kann als das zentrale Anliegen eines Controllings bezeichnet werden. Zu diesem Zweck unterstützt das Controlling Leitungskräfte in ihrer Planungsfunktion. Hier versteht es sich als »Zieltreiber« (Halfar, Moos u. Schellberg 2014, S. 27). Das Angeben von Zielen immer wieder einzufordern und Unterstützung bei der Formulierung von Zielen zu bieten bilden daher Kernanliegen des Controllings. Da Planung nur dann sinnvoll ist, wenn die im Zuge der Planung formulierten Ziele regelmäßig hinsichtlich ihres Zielerreichungsgrades überprüft werden, bildet die Unterstützungsleistung bei der Installierung und Umsetzung von Modalitäten der Überprüfung von Zielen die »andere Seite der Controllingmedaille«.28 In diesem Sinne hat Controlling also auch immer ein kontrollierendes Moment.29 Um den Erreichungsgrad der zuvor formulierten Ziele möglichst genau bestimmen zu können, sind präzise Informationen erforderlich. Der Aufbau und die Pflege eines aussagefähigen betrieblichen Informationssystems kann daher ebenfalls als eine zentrale Aufgabe des Controllings betrachtet werden. Eine besondere Beachtung erhält hierbei das Rechnungswesen einer Organisation, das »die wichtigste Informationsquelle innerhalb des Informationsversorgungssystems« (Horváth & Partners 2003, S. 9) darstellt. Das Controlling übernimmt hierbei die Funktion eines »Kompressors«, indem es die Daten aus dem

Rechnungswesen zu Kennzahlen verdichtet. Diese werden monatlich oder quartalsweise dem Management vorgelegt, wodurch potenzielle Abweichungen von Zielgrößen frühzeitig erkennbar werden, was wiederum zeitnahe Korrektur- bzw. Steuerungsmaßnahmen auf der Leitungsebene ermöglicht.

7.2 Spannungsfelder innerhalb des Controllings Versteht man das Controlling grundsätzlich als Servicefunktion, die Leitungskräfte bei der Steuerung von Organisationen unterstützt, dann scheint eine solche Unterstützungsleistung zunächst zur Steuerung erforderlich zu sein. Es sind jedoch auf vier Feldern auch markante Spannungen erkennbar: • Spannungen zwischen der eher formalzielorientierten Funktionslogik des Controllings und der eher sachzielorientierten Funktionslogik von Organisationen der Sozialen Arbeit • Spannungen zwischen dem Wunsch nach umfassender Information und der eindimensionalen Betrachtung des Controllings • Spannungen zwischen der starren Zielorientierung des Controllings und der notwendigen Flexibilität bei der Ausgestaltung von sozialen Dienstleistungen • Spannungen zwischen dem Wunsch nach Versachlichung durch das Controlling und der unmöglichen Entkopplung weiterer Sinndimensionen Spannungsfeld Formalziel- vs. Sachzielorientierung In Kapitel 2 wurde bereits auf Besonderheiten von Organisationen der Sozialen Arbeit hingewiesen. Neben anderen Unterscheidungsmerkmalen zwischen Organisationen im Handlungsfeld der Sozialen Arbeit und Organisationen der freien Wirtschaft wurde unter anderem auf die Unterscheidung einer primär sachzielorientierten und einer primär formalzielorientierten Unternehmensführung hingewiesen (Kapitel 2). Während traditionelle Profitunternehmen – wie die Bezeichnung bereits vermuten lässt – primär auf Gewinnmaximierung ausgerichtet sind (Dominanz des Formalzieles Gewinn), können Organisationen der Sozialen Arbeit eher als sachzielorientiert betrachtet werden. Hier geht es also um die Erreichung von (Sach-)Zielen, über die zuvor (sozial)politisch entschieden wurde, nicht um die Befriedigung der Renditeerwartungen von Aktionären oder Gesellschaftern. Wird Controlling ausschließlich in einem betriebswirtschaftlichen Sinne angewandt, orientiert es sich folglich ausschließlich an Formalzielen wie Gewinn und Liquidität und hierauf ausgerichtete Kennzahlen, droht die Gefahr, dass dies in eher sachzielorientierten Organisationen der Sozialen Arbeit wie die Attacke auf ein stabiles Immunsystem wirkt (Halfar, Moos u. Schellberg 2014, S. 25):

»Dort, wo früher die Sprache über Hilfsbedarfe, über Nächstenliebe und Zumutbarkeitsniveaus die Oberfläche des Betriebssystems der Sozialarbeit bildete, tauchen jetzt andere Zeichen auf: Zahlen, mathematische Operationen, Kennziffern, statistische Maße. Diese Zahlen transportieren eine gewichtige, fremde Logik, die wie ein Triumphwagen in die weichen Bedarfsdiskurse der sozialen Profession hineinfährt. Die Wagenlenker des Triumphwagens scheinen vor argumentativer Kraft kaum laufen zu können und beanspruchen die Deutungshoheit. Die sozialen Professionen ihrerseits zeigen sich beeindruckt und bedroht zugleich.« Spannungsfeld umfassende Information vs. eindimensionale Betrachtung Vom Controlling wird erwartet, dass es Leitungskräfte in Organisationen der Sozialen Arbeit umfassend in ihrer Entscheidungsfindung unterstützt. Dem berechtigten Wunsch nach allumfassenden Informationen steht aber zunächst die eindimensionale (auf Zahlen ausgerichtete) Betrachtungsweise des Controllings gegenüber. Was sich nicht »auf dem Radar von Zahlen« bewegt, wird folglich kaum oder gar nicht beobachtet und findet daher auch kaum (oder gar nicht) Einzug in die Empfehlungen des Controllings zur Entscheidungsfindung. Will man an der viel verwendeten und in Kapitel 7.3 ausführlich besprochenen Metapher vom Controller als Navigator eines Schiffes festhalten, der den Kapitän (also die Leitungskraft) mit zentralen Steuerungsinformationen versorgt, so müsste man sich diesen Navigator eher als einäugigen Piraten vorstellen, der nur über ein stark eingeschränktes Sichtfeld verfügt. Controlling bewegt sich folglich stets in dem Spannungsfeld, dass es einerseits bemüht ist, dem Wunsch nach umfassenden Informationen gerecht zu werden, dass es andererseits primär auf die Bereiche des organisationalen Alltags fokussiert, die es in Form von Kennzahlen beobachten und bewerten kann. Bleiben die hiermit verbundenen »Beobachtungslatenzen« (Kühl u. Muster 2016, S. 44) unreflektiert, droht die Gefahr, aufgrund der einseitigen (Steuerungs-)Empfehlungen des Controllings einen falschen Kurs einzuschlagen. Spannungsfeld starre Zielorientierung vs. notwendige Flexibilität in der Aufgabenausgestaltung Controlling kann seine Funktion nur dann erfüllen, wenn es mit möglichst konkreten Zielzuständen versorgt wird. Damit auf dem Weg zur Zielerreichung nicht jeder macht, was er will, können Leitungskräfte durch ihre Einflussnahme auf Handlungsprogramme Rahmenbedingungen zur Zielerreichung setzen. Das Formulieren von eindeutigen Wenndann-Regelungen (»Wenn Familie X zu dir kommt, dann prüfe als Erstes, ob die Familie überhaupt anspruchsberechtigt ist.«) bietet hier eine Möglichkeit, den Handlungsspielraum des Einzelnen zielorientiert auszurichten. Eine solche starke (und einengende) Zielorientierung ist dem Handeln von Sozialarbeitern allerdings bisweilen diametral entgegengesetzt. So wird vonseiten der Praxis

durchaus plausibel erklärt – und mit dem Verweis auf Komplexität, Koproduktion etc. zuweilen auch systemtheoretisch begründet –, warum sich das organisationale Handeln nur bedingt in vorab definierte Zielkaskaden pressen lässt und daher nicht alles in Wenn-dannRegelungen »vorprogrammiert« werden kann. Controlling bewegt sich folglich stets zwischen den Polen der notwendigen Einschränkung von Handlungsmöglichkeiten (durch Ziele und hierauf ausgerichtete Handlungsprogramme) und der notwendigen Flexibilität, um den individuellen Bedarfslagen der Klienten zu entsprechen. Bleibt dieses Spannungsfeld unberücksichtigt, droht die Gefahr, dass auf der Schauseite der Organisation die Spielregeln des Controllings mitgespielt (oder vorgegaukelt) werden (Zielzustände werden benannt, Sollgrößen definiert, Kennzahlen formuliert, Verfahrensregeln ausgearbeitet etc.), während auf der informalen Seite der Organisation Zielzustände, Sollgrößen und Handlungsprogramme uminterpretiert, sabotiert oder ignoriert werden. Abhängig von der Größe der Diskrepanz zwischen Schauseite und informaler Seite und abhängig davon, inwiefern diese Diskrepanz in die Kommunikation kommt, sind Spannungen folglich vorprogrammiert. Spannungsfeld Wunsch nach Versachlichung vs. unmögliche Entkopplung von Sinn Nicht selten werden Entscheidungen auf Leitungsebene aus dem Bauch heraus getroffen (»Ich habe das Gefühl, wir sollten das so machen …«). Erweist sich die Entscheidung dann als falsch, geraten Leitungskräfte in Erklärungsnot (»Wie konntest du das denn nur machen?«). Umso lauter werden in solchen Momenten die Rufe nach einem Controlling, da von diesem erwartet wird, dass es sachlich informiert und folglich »entemotionalisiert«. Bezugnehmend auf die drei Sinndimensionen von Luhmann (sachlich, zeitlich und sozial), dominiert innerhalb des Controllings also insbesondere die sachliche Sinndimension, zumindest in der (Wunsch-)Vorstellung derjenigen, die ein Controlling einfordern. Implizit wird folglich unterstellt, dass sich die drei Sinndimensionen entkoppeln lassen, dass also die sachliche Sinndimension innerhalb des Controllings »exklusiv gebucht« werden kann. Auch wenn es unbestritten erscheint, dass Controlling auf Versachlichung ausgerichtet ist, schwingen die zeitliche und insbesondere die soziale Sinndimension aber stets mit. So wird beispielsweise der Entwicklungsprozess von Zielen zwar vordergründig von sachlichen Argumenten geprägt sein, die Erfahrungen der Vergangenheit (zeitliche Dimension) sowie den individuellen Wünschen derjenigen, die am Zielentwicklungsprozess beteiligt sind (soziale Dimension), werden aber immer ebenfalls ihren Raum suchen und finden. Controlling bewegt sich folglich stets in dem Spannungsfeld, dass einerseits von ihm erwartet wird, sachlich zu informieren, und dass andererseits eine vollständige Entkopplung der sozialen und zeitlichen Sinndimension nicht möglich ist.

7.3 Zur Grundlogik des traditionellen Controllings

Bei der Sichtung der vorherrschenden Fachliteratur zum traditionellen Controlling30 fällt auf, dass eine kritische Auseinandersetzung mit möglichen Spannungsfeldern häufig nicht (oder nur am Rande) erfolgt. Stattdessen dominiert ein Controllingverständnis, das • von einem grundlegenden Steuerungsoptimismus geprägt ist und • Controlling als Garanten für rationale Entscheidungen betrachtet. Zum Steuerungsoptimismus des traditionellen Controllings Um das implizite Steuerungsverständnis des traditionellen Controlling skizzieren zu können, bietet es sich an, auf die bereits in Kapitel 7.2 erwähnte Metapher vom Controller als Navigator zurückzugreifen (Bauer 2015, S. 14): »Die Aufgabe des Kapitäns ist die Führung eines Schiffes. Damit ein Schiff sein Ziel überhaupt findet und optimal ansteuern kann, benötigt der Kapitän speziell aufbereitete Informationen durch seinen Navigator. Der Navigator bestimmt die aktuelle Position des Schiffes, er berechnet den Kurs zum Ziel, und er informiert den Kapitän laufend über aufgetretene Kursabweichungen, sodass er möglichst frühzeitig gegensteuern kann. Der Navigator informiert auch über mögliche Hindernisse (Untiefen) und geänderte Wetterverhältnisse (Sturm oder Wellen) und berät den Kapitän darin, welche Steuerungsentscheidungen in dieser geänderten Situation zu empfehlen wären.« Innerhalb des traditionellen Controllings wird eine Organisation folglich als Schiff betrachtet, das sich prinzipiell von einer Stelle aus steuern lässt. Zwar wird eingeräumt, dass der Kapitän auf Instrumente bzw. Unterstützungsleistungen angewiesen ist (z. B. Daten vom Navigator) und es durchaus auch einmal turbulent werden kann (Sturm und Wellen), die grundsätzliche Steuerbarkeit des Schiffes wird aber nicht in Zweifel gezogen. Ebenso wenig wird in Zweifel gezogen, dass sich der Kurs zum Ziel eindeutig berechnen lässt, dass der Controller mögliche Hindernisse eindeutig identifizieren und zeitnah kommunizieren und den Kapitän möglichst neutral und damit auch objektiv darüber informieren kann, welche (Steuerungs-) Entscheidungen zu treffen sind, um das Schiff (die Organisation) auf Kurs zu halten. Controlling als Garant für rationale Entscheidungen Wird Organisationen unterstellt, sie seien in einem mechanistischen Sinne steuerbar, und wird das Controlling als neutraler, objektiver Akt der Informationserzeugung betrachtet, um rationale Steuerungsentscheidungen treffen zu können, dann scheint es innerhalb des Organisationssystems nur noch eine kritische Stelle zu geben, die das zuverlässige Funktionieren von Organisationen gefährdet: der Mensch. Die Gefahr, dass die Organisation »vom Kurs abkommt«, scheint insbesondere dann hoch zu sein, wenn die steuerungsverantwortlichen Personen – also Leitungskräfte – ihre eigenen Marotten und

Befindlichkeiten in die Organisation einbringen. Um den möglichen Schaden für die Organisation klein zu halten, versteht sich das traditionelle Controlling als Modus zur »Rationalitätssicherung der Führung« (Weber u. Schäffer 2008, S. 43): »Führung wird durch eigenständige Ziele verfolgende ökonomische Akteure (insbesondere Manager) vollzogen, die hierfür kognitive Fähigkeiten besitzen. Diese sind individuell begrenzt. Rationalitätsdefizite können somit durch Wollens- und Könnensbeschränkungen der Manager entstehen. Ausgehend von diesen Defiziten der Akteure bedeutet Rationalitätssicherung, so zu handeln, dass die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, dass die Realisierung der Führungshandlungen den antizipierten ZweckMittel-Beziehungen trotz der genannten Defizite entspricht.« (ebd., S. 26.) Controlling wird hierdurch zum »›Garanten‹ rationaler Entscheidungen« (Berger 2004, S. 64) und damit im Sinne eines Korrektivs wirksam, das irrationales Handeln von Leitungskräften unterbinden soll. Zusammenfassend betrachtet, scheint das traditionelle Controlling von einem hohen Steuerungsoptimismus geprägt zu sein. Es unterstellt nicht nur, dass sich Organisationen zentral steuern lassen, sondern es beruht auch auf der Annahme, dass sich rationales Handeln von Leitungskräften – vorausgesetzt, es liegt ein funktionstüchtiges Controlling vor – sichern lässt. Dem Controlling hierbei die Fähigkeit zu attestieren, objektiv zu informieren, erscheint nur dann möglich, wenn ontologisch betrachtet eine strikte Trennung zwischen Subjekt (Controller) und Objekt (Unternehmen bzw. Umwelt) stattfindet. Das Controlling produziert folglich keine eigenen Informationen, »sondern sammelt und verdichtet ›nur‹, ohne Veränderung der Aussagekraft und ohne inhaltliche Manipulation, jene Daten, die die Wirklichkeit bereitstellt« (ebd., S. 84). Dass ein solches steuerungsoptimistisches und auf Rationalitätssicherung ausgelegtes Controllingverständnis der hier vertretenen systemtheoretischen Perspektive (und auch der Alltagsbeobachtung in Organisationen der Sozialen Arbeit) diametral gegenübersteht, dürfte offensichtlich sein. Die systemtheoretische Perspektive grenzt sich zum einen vom zweckrationalen Steuerungsverständnis ab und bezieht zum anderen die benannten Spannungsfelder des Controllings ein.

7.4 Systemisches Controlling: Was ist es, und wie kann es gehen? Auch ein systemisches Controlling orientiert sich im Kern an den bereits benannten

unterstützenden Funktionen des traditionellen Controllings (Unterstützung bei der Zielformulierung, bei der Überprüfung von Zielen sowie bei der Informationsversorgung von Leitungskräften). Aus systemtheoretischer Perspektive wird Controlling allerdings weniger als zahlengetriebenes Kontrollorgan, sondern vielmehr als spezifischer Modus zur Erweiterung der organisationalen Beobachtungskompetenz interpretiert. Das Spezifische an diesem Modus zur Erweiterung der organisationalen Beobachtungskompetenz zeigt sich darin, dass ein systemisches Controlling • einen mehrdimensionalen Beobachtungsfokus besitzt, d. h., es erweitert den eher eindimensionalen Beobachtungsfokus des traditionellen Controllings um weitere Beobachterperspektiven; • eine erweiterte Beobachtungsform verwendet; d. h., es ergänzt die kennzahlenorientierte Form der Beobachtung durch eine indikatorengestützte; • in einem hohen Maße selbstreflexiv konstituiert ist, d. h., es weiß um die eigene begrenzte Sichtweise und fordert eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Begrenztheit immer wieder ein; • auf reflexives Bewerten statt auf rationales Absichern ausgelegt ist, d. h., es versteht sich primär als »Zulieferer«, der Leitungskräfte bei der Bewertung von beobachteten Diskrepanzen unterstützt. 7.4.1 Zum mehrdimensionalen Beobachtungsfokus eines systemischen Controllings Damit eine Organisation entscheidungsfähig (und damit überlebensfähig) bleibt, muss sie »bei ständigem Abfluss von Geld dafür sorgen, dass sie wieder zu Geld kommt« (Luhmann 2006, S. 467). Dies gilt für Organisationen innerhalb der freien Wirtschaft genauso wie für Organisationen der Sozialen Arbeit. Die Beobachtung des Geldflusses ist daher eine zentrale Aufgabe des Controllings – unabhängig davon, ob Controlling nun eher traditionell oder eher systemisch interpretiert wird. Daher ist auch ein systemisches Controlling auf ein funktionierendes Rechnungswesen angewiesen. Sowohl die Kosten- und Leistungsrechnung (internes Rechnungswesen) als auch die Bilanz bzw. die Gewinn- und Verlustrechnung (externes Rechnungswesen) stellen hierbei wesentliche Beobachtungsperspektiven zur Verfügung, die kontinuierlich innerhalb des Controllings in den Blick genommen, entsprechend aufbereitet und dem Leitungsstab präsentiert werden. Während sich das traditionelle Controlling primär darauf fokussiert, die finanzielle Situation einer Organisation zu beobachten, ist ein systemisches Controlling darauf ausgerichtet, »dynamische Bilder aller steuerungsrelevanten Aspekte einer Organisation zu generieren und sie dem Management als Grundlage für Steuerungsentscheidungen zur Verfügung zu stellen« (Bauer 2015, S. 80). Ein systemisches Controlling ergänzt daher die eher eindimensionale Betrachtungsweise des traditionellen Controllings um weitere steuerungsrelevante Beobachtungsdimensionen.

Da Organisationen der Sozialen Arbeit als Anbieter von personenbezogenen Dienstleistungen sowohl auf ausreichendes als auch auf kompetentes und motiviertes Personal (Kapitel 9) angewiesen sind, bildet die Beobachtung der quantitativen wie auch der qualitativen Personalausstattung eine weitere zentrale Beobachtungsdimension des Controllings. Sowohl bei der Beobachtung der finanziellen als auch der personellen Situation dominiert allerdings primär die sachliche Sinndimension (»Wie viel Geld haben wir?«, »Wie hoch ist unsere monatliche Auslastung?«, »Haben wir ausreichend Personal?«, »Wie steht es um die Mitarbeiterfluktuationsquote?« etc.). Wenn ein systemisches Controlling allerdings darauf ausgerichtet ist, möglichst alle steuerungsrelevanten Bereiche einer Organisation zu beobachten, dann scheint die Beobachtung der sozialen Sinndimension hierbei unverzichtbar. Der mehrdimensionale Beobachtungsfokus zeigt sich daher zum einen darin, dass ein systemisches Controlling sowohl der Sach- als auch der Sozialdimension Aufmerksamkeit schenkt. Insofern ist ein systemisches Controlling bemüht, auch für »weichere Faktoren« (z. B. das Kommunikationsverhalten der Mitarbeiter im Team, das Kooperationsverhalten mit anderen Abteilungen/Teams, der Umgang mit Konflikten etc.) Zielzustände zu formulieren und Kriterien festzulegen, die zumindest grob einzuschätzen helfen, inwiefern diese Zielzustände erreicht wurden. Der mehrdimensionale Beobachtungsfokus eines systemischen Controlling zeigt sich zum anderen darin, dass die Differenzierung zwischen sachlicher und sozialer Sinndimension für die Beobachtung von steuerungsrelevanten Aspekten nicht nur im Inneren einer Organisation, sondern zugleich mit Blick auf die Umwelt(en) von Organisationen genutzt wird. Auch hier beobachtet ein systemisches Controlling einerseits steuerungsrelevante Aspekte, die sich in der sachlichen Sinndimension (z. B. die aktuelle Rechtslage, die Situation auf dem Arbeitsmarkt, die Aktivitäten von Mitbewerbern etc.) und/oder in der sozialen Sinndimension verorten lassen (z. B. die Funktionsweise von Netzwerken, die Beziehung zu Kunden bzw. Klienten etc.) (Abb. 8).

Abb. 8: Beobachtungmatrix eines systemischen Controllings (verändert nach Bauer 2015, S. 68 ff.)

Welche steuerungsrelevanten Aspekte im Inneren bzw. in der Umwelt auf Ebene der Sachund Sozialdimensionen als beobachtungswürdig erscheinen, lässt sich nicht allgemeingültig festlegen. (In Abb. 8 sind lediglich beispielhafte Beobachtungsschwerpunkte aufgeführt.) Vielmehr müssen Leitungskräfte in Organisationen der Sozialen Arbeit vor Ort entscheiden, was im Zuge des Controllings dezidierter in den Blick genommen und was folglich vorerst unbeobachtet bleibt. Im besten Fall treffen Leitungskräfte diese Entscheidung nicht allein und isoliert, sondern gemeinsam mit ihrem Leitungsstab und unterstützt vom Controlling. Um zu verhindern, dass das Controlling zu einem beliebigen Beobachtungsmodus verkommt, bei dem alles irgendwie einmal in den Blick genommen werden kann, ist ein systemisches Controlling auch für die Beobachtungsschwerpunkte abseits des traditionellen Controllings (dessen Schwerpunkt ist in Abb. 8 grau hinterlegt) darauf ausgerichtet, möglichst konkrete Zielzustände zu formulieren und Modalitäten zur Überprüfung dieser Zielzustände zu installieren. Dass dies insbesondere für Aspekte auf der Sozialebene herausfordernd ist, scheint offenkundig zu sein und dennoch notwendig, wenn ein systemisches Controlling sein eigenständiges Beobachtungsprofil behaupten will. 7.4.2 Zur erweiterten Beobachtungsform des systemischen

Controllings Wenn sich ein systemisches Controlling als spezifischer Modus zur Erweiterung der organisationalen Beobachtungskompetenz versteht, dann muss es sich von anderen Modi zur Steigerung der organisationalen Beobachtungskompetenz abgrenzen können (z. B. gegenüber dem Qualitätsmanagement, dem Marketing oder dem Strategischen Management). Mit dem Verweis auf den mehrdimensionalen Beobachtungsfokus wurde bereits ein mögliches Unterscheidungskriterium eingeführt. Ein wesentlicheres Unterscheidungsmerkmal stellt allerdings die Form der Beobachtung durch das Controlling dar. Sowohl das traditionelle als auch das systemische Controlling beobachten steuerungsrelevante Aspekte primär in Form von Kennzahlen.31 Kennzahlen können als »betriebswirtschaftliche Informationskonzentrate« (Gladen 2011, S. 11) betrachtet werden, die darauf ausgerichtet sind, komplexe betriebliche Sachverhalte auf relativ einfache Weise abzubilden. Sie sollen Leitungskräften einen möglichst umfassenden und schnellen Überblick ermöglichen, um einzelne Segmente innerhalb der Organisation zu quantifizieren und zu bewerten. Ein ASD-Leiter, der von seinem Controller über die durchschnittliche Anzahl von Fällen pro Vollzeitstelle sowie über die durchschnittliche Anzahl an Überstunden und Krankheitstagen der ASD-Mitarbeiter informiert wird, kann anhand dieser Daten eine (erste) Orientierung erhalten, wie es um die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter bestellt ist. Der Informationsgehalt solcher Daten – und damit auch das Maß an Orientierung – steigt in der Regel dann, wenn diese Daten mit Vergleichswerten angereichert werden. Sei es durch Vergleich mit vorab gesetzten Sollwerten (»In unserem ASD soll jede Vollzeitkraft maximal 50 Fälle übernehmen.«), durch Vergleiche mit vergangenen Perioden (»Die durchschnittliche Anzahl an Krankheitstagen pro Vollzeitstelle ist im Vergleich zum letzten Jahr um 10% gestiegen.«) oder aber durch Vergleiche mit anderen Teams, Abteilungen oder Organisationen, was in der Regel als »Benchmarking« bezeichnet wird (»Wie kann es sein, dass die Überstunden im Team X deutlich höher sind als im Team Y?«). Auch ein systemisches Controlling beobachtet mit Kennzahlen als der spezifischen Form der Beobachtung von steuerungsrelevanten Aspekten im Inneren sowie in der Umwelt einer Organisation. Da es im Zuge seines mehrdimensionalen Beobachtungsfokus allerdings auch steuerungsrelevanten Aspekten innerhalb der sozialen Sinndimension Beachtung schenkt, kommt das Controlling durch alleinige kennzahlenorientierte Beobachtung an seine Grenzen und bedarf daher einer erweiterten Beobachtungsform. Die Beobachtung mithilfe von Indikatoren kann als eine solche erweiterte Form der Beobachtung im Sinne eines systemischen Controllings gelten. Während Kennzahlen im engeren Sinne Messgrößen darstellen, die durch starke Verdichtung entstehen, fehlt bei Indikatoren dieses Verdichtungsmoment. Sie sind vielmehr »Ersatzgrößen, deren Ausprägung oder Veränderung den Schluss auf die Ausprägung und Veränderung einer anderen als wichtig erachteten Größe zulassen« (Gladen 2011, S. 15).

Hiermit erweisen sich Indikatoren als besonders geeignet, wenn es darum geht, dass »nicht direkt messbare oder nicht direkt beobachtbare Tatbestände bzw. Größen wie sog. ›weiche Faktoren‹ abgebildet« werden sollen (ebd.). Wenn beispielsweise im Zuge des systemischen Controllings das Konfliktverhalten innerhalb eines Teams oder einer Abteilung beobachtet werden soll (Innenperspektive/Sozialdimension), unterstützt das systemische Controlling nicht nur dabei, Zielzustände für den Umgang mit Konflikten innerhalb eines Teams / einer Abteilung zu formulieren, sondern es bietet auch Hilfestellung an, um Indikatoren zu bestimmen, mit deren Hilfe eine Bewertung hinsichtlich des Zielerreichungsgrades möglich ist. 7.4.3 Zum selbstreflexiven Charakter eines systemischen Controllings aufgrund von dessen begrenzter Sichtweise Mithilfe der beschriebenen Beobachtungsmatrix (Abb. 8) trägt ein systemisches Controlling dazu bei, die eher eindimensionale Betrachtungsweise des traditionellen Controllings um weitere steuerungsrelevante Beobachtungsdimensionen zu ergänzen. Indem es nicht nur in Form von Kennzahlen, sondern auch in Form von Indikatoren beobachtet, ist es zudem in der Lage, auch solchen steuerungsrelevanten Aspekten Beachtung zu schenken, die eher auf der Ebene der Sozialdimension zu verorten sind. Gleichwohl ist sich ein systemisches Controlling der eigenen begrenzten Sichtweise bewusst, da a) der Auswahlprozess von Beobachtungsschwerpunkten kontingent (und damit stets auch anders möglich) ist, b) Controlling als flüchtiger (Beobachtungs-)Moment betrachtet werden muss und c) die Beobachtung durch das Controlling auch maßgeblich davon abhängig ist, wer beobachtet. Wenngleich die dargestellte Beobachtungsmatrix dazu animiert, möglichst viele Beobachtungsschwerpunkte für steuerungsrelevante Aspekte in Organisationen der Sozialen Arbeit festzulegen, zwingt die begrenzte Aufnahme- und Verarbeitungskapazität von sozialen (und psychischen) Systemen ein systemisches Controlling zur Selbstbegrenzung. Hierbei folgt das Verarbeitungspotenzial eines sozialen Systems einer sehr simplen Logik: »Was nicht in die Kommunikation kommt, existiert sozial nicht.« (Simon 2009a, S. 91.) Das systemische Controlling kann folglich noch so stark informationsgeladene Diskrepanzen beobachten und dem Leitungsgremium in Form von Kennzahlen oder Indikatoren zur Verfügung stellen – fehlt dort die Zeit, um sich mit den Daten auseinanderzusetzen, dann bleibt das Controlling wirkungslos. Bei der Festlegung von Beobachtungsschwerpunkten ist daher sorgsam abzuwägen, wie viele Beobachtungen der eigenen Organisation zugemutet werden können. Da also nicht alles, was steuerungsrelevant und somit beobachtungswürdig erscheint, auch beobachtet werden kann, muss ein systemisches Controlling mit der Ungewissheit leben können, dass steuerungsrelevante Aspekte möglicherweise unbeobachtet bleiben. Ein systemisches Controlling begegnet diesem Kontingenzproblem einerseits damit, dass

es bestimmte Beobachtungsschwerpunkte für nicht verhandelbar erklärt. Die eingangs benannte Beobachtung der finanziellen und personellen Situation (Innenperspektive/Sachdimension) muss als so bedeutsam eingeschätzt werden, dass sie aus der o. g. Beobachtungsmatrix nicht ungestraft weggedacht werden kann. Andererseits trägt ein systemisches Controlling dafür Sorge, dass die einmal festgelegten Beobachtungsschwerpunkte in regelmäßigen Abständen (z. B. einmal pro Jahr) selbst zum Gegenstand der Beobachtung werden. Eine solche Beobachtung der Beobachtung kann blinde Flecken zwar nicht vollends verhindern, deren Auftreten (und Auswirkungen) aber zumindest begrenzen. Der Moment, in dem das Controlling zur Überprüfung des Erreichungsgrades von zuvor formulierten Zielzuständen ansetzt, ist zu vergleichen mit dem Moment, in dem ein Tourist auf dem Petersplatz in Rom auf den Auslöser seiner Kamera drückt. In beiden Fällen wird ein Bild der aktuellen – in der Regel äußerst schnelllebigen – Situation geschaffen. Genauso wie der Tourist zu einem späteren Zeitpunkt dieses Bild nutzen wird, um seinen Aufenthalt in Rom zu beschreiben, werden die im Zuge des Controllings generierten Daten dazu verwendet, etwas über den aktuellen Zustand eines zuvor ausgewählten Beobachtungsschwerpunkts (z. B. den Grad an Liquidität der Organisation) auszusagen. Hierbei ist allerdings zu beachten – und diese Perspektive bleibt innerhalb des traditionellen Controllings in der Regel unberücksichtigt –, dass sich das jeweils erzeugte Bild schon wenige Minuten später (oder früher) möglicherweise anders konstituiert hätte. Wäre der Tourist früher auf dem Petersplatz gewesen, hätte er vielleicht sogar noch den Papst fotografieren können, wäre er wenige Minuten später vor Ort gewesen, wäre der Petersplatz aufgrund eins plötzlich einsetzenden Gewitters möglicherweise menschenleer gewesen. Ebenso sind die durch den Controller generierten Daten stark vom Augenblick ihres Entstehens geprägt. (»Macht es Sinn, heute bereits den aktuellen Kontostand aus der Finanzbuchhaltung anzufordern, oder wäre es möglicherweise ratsam, noch bis morgen zu warten? Vielleicht ist dann schon der Geldeingang vom Jugendamt gebucht?«) Die Überprüfung des Erreichungsgrades von zuvor formulierten Zielzuständen muss innerhalb des Controllings als flüchtiger (Beobachtungs-)Moment interpretiert werden. Damit kann eine Entscheidung hinsichtlich des Moments der Überprüfung darüber (mit)entscheiden, welche Daten generiert und welche möglichen Differenzen lokalisiert werden. Neben der Frage, wann eine Überprüfung des Erreichungsgrades von zuvor formulierten Zielzuständen vorgenommen wird (zeitliche Sinndimension), scheint das Wer (soziale Sinndimension) den Überprüfungsprozess und damit möglicherweise auch das Ergebnis der Überprüfung zu beeinflussen. Der begrenzte Erkenntnisanspruch eines systemischen Controllings ist auch darin begründet, dass eine objektive Abbildung der Realität aus systemtheoretischer Perspektive nicht möglich ist und folglich jeder Beobachter seine Realität individuell und eigenständig konstruiert. Abhängig von der eigenen Beobachterbiografie und dem eigenen

Beobachtungsinteresse schenken unterschiedliche Beobachter unterschiedlichen Ereignissen in der Umwelt Beachtung: Was der eine als relevant und bedeutsam interpretiert, kann der andere als überflüssig und vernachlässigbar ansehen. Wenngleich das systemische Controlling den Beobachtungsfokus des Controllers lenkt, widersteht es der Versuchung, mithilfe der generierten Daten eine Scheinsicherheit vorzugaukeln. Es betrachtet die erzeugten Kennzahlen bzw. Indikatoren nicht als Ausdruck einer objektiven Wirklichkeit, sondern vielmehr als eine individuelle Konstruktionsleistung des Controllers, die »durch die subjektive Sichtweise, durch die subjektive Vorerfahrungen, den speziell gewählten Fokus, durch allfällige Vorurteile oder blinde Flecken des Controllers geprägt ist und daher, obwohl in scheinbar objektive Zahlen gegossen, ein durchaus subjektives Abbild darstellt« (Bauer 2015, S. 42). Hiermit soll nicht unterstellt werden, dass Controller bewusst manipulieren, vielmehr unterliegen sie dem Problem, dass jede Beobachtung nur sehen kann, »was sie mithilfe der Unterscheidung sehen kann, sie kann (aber; Anm. S. G./J. M.) nicht sehen, was sie mit dieser Unterscheidung nicht sehen kann« (Kneer u. Nassehi 2000, S. 99). Leitungskräfte in Organisationen der Sozialen Arbeit dürfen daher nicht der Illusion unterliegen, aufgrund der Umsetzung eines systemischen Controllings »gegenüber dem unternehmerischen Risiko – vergleichbar dem Instrumentenflug eines Verkehrsflugzeugs – technisch total gewappnet zu sein. Es braucht also das Wissen, dass man nicht alles wissen kann. Controllingsysteme schaffen immer nur eine selektive Beschreibung des eigenen Zustandes« (Wimmer u. Schumacher 2014, S. 235). Obgleich ein systemisches Controlling aufgrund seines mehrdimensionalen Beobachtungsfokus und seiner erweiterten Beobachtungsform über ein stärker ausgedehntes »Sichtfeld« verfügt, betrachtet es das Auftreten von Beobachtungslatenzen nicht als Ausnahme von der Regel, sondern als Regel mit wenigen Ausnahmen. Aus diesem Grund ist ein systemisches Controlling grundlegend reflexiv angelegt. Neben der systematischen Beobachtung von steuerungsrelevanten Aspekten im Inneren und in der Organisationsumwelt beobachtet sich ein systemisches Controlling daher regelmäßig selbst beim Beobachten (Beobachtung 2. Ordnung). Hierbei versucht es nicht nur zu verstehen, welche Prämissen das eigene Beobachtungsverhalten lenken. Es versucht zugleich, Auskunft darüber zu erhalten, wie hilfreich diese Beobachtungsprämissen erscheinen, um den Fortbestand der Organisation zu ermöglichen. 7.4.4 Reflexives Bewerten statt rationales Absichern Wenn ein systemisches Controlling trotz des mehrdimensionalen Beobachtungsfokus und trotz der Verwendung von erweiterten Formen der Beobachtung stets über ein selektives

»Sichtfeld« verfügt, kann es weder objektiv, neutral und rein sachlich informieren noch zur Absicherung von rationalem Handeln auf Leitungsebene beitragen. Stattdessen ist ein systemisches Controlling darauf ausgerichtet, Leitungskräfte bei der reflexiven Bewertung von beobachteten (Ziel-)Diskrepanzen zu unterstützen, indem es zum einen zwischen den Ebenen (und Aufgabenbereichen) Beschreiben, Erklären und Bewerten unterscheidet sowie zum anderen fortlaufend die eigene Beobachtung (und auch die von Leitungskräften) mit Kontingenz anreichert. Bisweilen ist zu beobachten, dass in der Praxis des Controllings nur unzureichend zwischen den Ebenen der Beschreibung, der Erklärung und der Bewertung der generierten Daten differenziert wird. (Controller eines ASD: »Unsere Fluktuationsquote32 liegt bei 35%. Das ist eine Katastrophe. Wir müssen uns endlich um eine strukturierte Einarbeitung der neuen Kollegen kümmern!«) Eine solche Verschmelzung der drei Ebenen führt nicht nur dazu, dass die begrenzte Sichtweise des Controllings unbeachtet bleibt und hierdurch eine Scheinobjektivität konstruiert wird. Sie führt auch dazu, dass die Grenze zwischen Controlling und Leitungshandeln unscharf wird, da Controlling sich nicht länger darauf beschränkt, Leitungskräfte zu informieren, sondern damit beginnt, Leitungshandeln zu übernehmen. (»Wir müssen uns endlich um die strukturierte Einarbeitung kümmern.«) Hierdurch wächst nicht nur das Konfliktpotenzial zwischen Controller und Leitungskraft, sondern zugleich die Gefahr, dass Leitungsverantwortung intransparent wird und dass bei einer unreflektierten Übernahme der Steuerungsempfehlungen des Controllings ein falscher Kurs eingeschlagen wird. Um diesen Gefahren entgegenzuwirken, ist ein systemisches Controlling deutlich stärker als das traditionelle Controlling darauf ausgerichtet, das Beschreiben und Erklären der im Zuge des Controllings beobachteten Differenzen vom Akt der Bewertung zu entkoppeln. Ein systemisches Controlling versteht sich daher originär als Dienstleister, dessen primäre Aufgabe darin besteht, Leitungskräften in Organisationen der Sozialen Arbeit eine reflektierte Bewertung der im Zuge des Controllings generierten Daten zu ermöglichen. Zu diesem Zweck ist das systemische Controlling einerseits darauf ausgerichtet, die beobachteten Diskrepanzen möglichst anschlussfähig zu beschreiben. Um eine frühzeitige Erklärung zu verhindern, ist das systemische Controlling hierbei bemüht, sich primär auf der Ebene der beobachtbaren Phänomene zu bewegen. Andererseits ist ein systemisches Controlling aber auch nicht frei von der Absicht, mögliche Erklärungen hinsichtlich der zuvor beschriebenen Phänomene zu bieten, jedoch wiederum im Kontext einer mehrdimensionalen Betrachtung. Um Diskurse auf Leitungsebene zu initiieren, die dann eine reflektierte Bewertung der innerhalb des Controllings beobachteten Diskrepanzen ermöglichen, zielt ein systemisches Controlling darauf ab, möglichst unterschiedliche Sichtweisen (Hypothesen) hinsichtlich der Erklärung der zuvor beschriebenen Phänomene zu präsentieren. Dies gewährleistet ein systemisches Controlling, indem es seine Beschreibungen, insbesondere aber seine Erklärungen

fortlaufend in ihrem Kontingenzcharakter sichtbar macht. Da ein systemisches Controlling berücksichtigt, dass die im Zuge des Controllings beobachteten Diskrepanzen immer auch davon abhängig sind, wer (Sozialdimension) wann (Zeitdimension) was wie (Sachdimension) beobachtet, macht es sowohl seine Beschreibungen, insbesondere aber seine Erklärungen fortlaufend als kontingent deutlich. Beschreibt ein systemisches Controlling Leitungskräften seine beobachteten Diskrepanzen, verweist es also zugleich darauf, wie, wann und durch wen es zu diesen Beschreibungen gekommen ist. Gleiches gilt in Bezug auf die Präsentation von möglichen Hypothesen zur Erklärung der beobachteten Diskrepanzen. Auch hier ist das systemische Controlling bemüht, die vordergründige sachliche Sinndimension um die zeitliche Sinndimension (»Wie hätten wir uns das vor einem Jahr erklärt?«) und die soziale Sinndimension (»Wie würde Abteilung X diese beobachtete Diskrepanz erklären?«, »Welche Erklärung hätte Abteilung Y?«) zu erweitern. Wenngleich ein systemisches Controlling die reflektierte Bewertung seiner beobachteten Diskrepanzen als primäre Leitungsaufgabe betrachtet, legt es auch hier seinen diskursiven Charakter nicht ab. Vielmehr beobachtet es sorgsam, welche der jeweiligen Sinndimensionen im Zuge der Bewertung dominiert und welche anderen folglich eher unberücksichtigt bleiben. Das Controlling stellt das Ergebnis dieser Beobachtung Leitungskräften zur Verfügung, um so vollzogene Bewertungen erneut einer kritischen Reflexion zu unterziehen. (»Wie hätten unsere Mitarbeiter / unser alter Chef die beobachtete Diskrepanz bewertet?«, »Wie hätten wir die beobachtete Diskrepanz vor der Umstrukturierung bewertet?«, »Was ist heute bei der Bewertung anders als früher?«) Zusammenfassend trägt ein systemisches Controlling also Sorge dafür, dass zwischen den Ebenen der Beschreibung, der Erklärung und der Bewertung von beobachteten Differenzen innerhalb des Controllings unterschieden wird. Wenngleich sich das systemische Controlling primär als Zulieferer versteht, indem es eine reflektierte Bewertung auf Leitungsebene dadurch ermöglicht, dass es die beobachteten Diskrepanzen anschlussfähig beschreibt und mögliche Erklärungen für deren Auftreten anbietet, beobachtet es gleichwohl den Akt der Bewertung kritisch und ist um Verdeutlichung von Kontingenz bemüht. Eben jenes Sichtbarmachen von Kontingenz befördert ein systemisches Controlling dadurch, dass es konsequent (also sowohl bei der Beschreibung, Erklärung und Bewertung von beobachteten Differenzen) auf die drei Sinndimensionen (Sach-, Sozialund Zeitdimension) verweist (Abb. 9). Ein systemisches Controlling ist daher unbequem. Es arbeitet nicht lautlos im Hintergrund, sondern bringt sich immer wieder ein, um Diskurse hinsichtlich der Beobachtung von Diskrepanzen zu initiieren und reflektierte Bewertungen und darauf basierende Steuerungsentscheidungen zu ermöglichen.

Abb. 9: Diskursmatrix (verändert nach Simon 2012, S. 50)

7.5 Leitorientierungen für ein systemisch konzipiertes Controlling 1) Controlling zielt im Kern darauf ab, Leitungskräfte in ihrer Steuerungsfunktion zu unterstützen. Zu diesem Zweck fordert es Ziele ein und unterstützt bei deren Formulierung. Zugleich bietet es Hilfestellung, um den Erreichungsgrad der zuvor gesetzten Ziele regelmäßig zu überprüfen. Controlling hat folglich immer auch ein kontrollierendes Moment, ist aber mehr als reine Kontrolle. 2) Aufgrund seines kontrollierenden Moments erzeugt Controlling – ähnlich wie z. B. Ansätze des Qualitätsmanagements – stets Spannungen. Spannungsfelder innerhalb des Controllings eröffnen sich darüber hinaus dadurch, dass Controlling a) grundsätzlich auf Formalziele (in der Regel auf Gewinn) ausgerichtet ist, Organisationen der Sozialen Arbeit aber primär Sachziele verfolgen, b) mit der Anforderung konfrontiert ist, bei eindimensionaler Betrachtung umfassend informieren zu sollen, c) zu einer starken Zielorientierung anregt, die dem Bedürfnis nach notwendiger Flexibilität in der Aufgabengestaltung von Sozialarbeitern gegenübersteht, und d) den Eindruck erweckt, eine »Entemotionalisierung« sei möglich und Controlling könne folglich ausschließlich sachlich informieren. 3) Während das traditionelle Controlling von einem hohen Steuerungsoptimismus

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geprägt ist und als Garant für rationale Entscheidungen betrachtet wird, versteht sich ein systemisches Controlling in erster Linie als Modus zur Erweiterung der organisationalen Beobachtungskompetenz, wohlwissend, dass weder allumfängliche noch objektive Beobachtungen möglich sind. Im Gegensatz zum traditionellen Controlling ist ein systemisches Controlling mehrdimensional ausgerichtet. Es beobachtet daher nicht nur systematisch den Geldfluss (Finanzcontrolling) und die Personalausstattung (Personalcontrolling), sondern richtet seinen Fokus auch auf steuerungsrelevante Aspekte, die sich innerhalb der Sozialdimension verorten lassen (z. B. Kommunikationsverhalten, Motivation etc.). Während das traditionelle Controlling stark nach innen gerichtet ist, beobachtet das systemische Controlling anhand der Leitdifferenz sachlich/sozial auch systematisch steuerungsrelevante Aspekte in der Umwelt von Organisationen der Sozialen Arbeit. Wenn ein systemisches Controlling auch der Sozialdimension als steuerungsrelevante Perspektive Beachtung schenkt, gerät eine rein kennzahlenorientierte Beobachtung an ihre Grenzen. Ein systemisches Controlling ist daher auf eine erweiterte Beobachtungsform angewiesen. Zu diesem Zweck ergänzt das systemische Controlling die traditionelle, eher kennzahlenorientierte Beobachtungsform um eine indikatorenorientierte Perspektive. Hierdurch eröffnet sich die Möglichkeit, auch solche steuerungsrelevanten Aspekte im organisationalen Alltag zu beobachten, die sich nicht in Kennzahlen pressen lassen. Da der Auswahlprozess von Beobachtungsschwerpunkten kontingent ist, Controlling zudem als flüchtiger (Beobachtungs-)Moment betrachtet werden muss und die Ergebnisse des Controllings stets auch davon abhängen, wer wie beobachtet, ist sich ein systemisches Controlling der eigenen begrenzten Sichtweise bewusst. Systemisches Controlling ist daher von Grund auf selbstreflexiv ausgerichtet. Aus diesem Grund regt ein systemisches Controlling regelmäßig dazu an, das eigene »Beobachtungsverhalten« zu beobachten (Beobachtung 2. Ordnung). In seiner Unterstützungsfunktion ist ein systemisches Controlling primär darauf ausgerichtet, Leitungskräften in Organisationen der Sozialen Arbeit ein reflektiertes Bewerten (statt eines rationalen Absicherns) der im Zuge des Controllings generierten Daten zu ermöglichen. Hierbei bewegt sich das systemische Controlling primär auf der Ebene der Beschreibung und Erklärung von beobachtbaren Phänomenen und reichert diese mit Kontingenz an. Darüber hinaus beobachtet es aber auch, welche Sinndimensionen (sachlich, zeitlich, sozial) bei der Bewertung der im Zuge des Controllings generierten Daten auf Leitungsebene dominiert. Das Ergebnis dieser Beobachtung speist es in die Kommunikation ein, um die vollzogene Bewertung so erneut einer kritischen Reflexion zu unterziehen.

28 Planung und regelmäßige Überprüfung der im Zuge der Planung formulierten Zielzustände können daher auch als »Zwillingsfunktionen« (Schreyögg 1991, S. 261) bezeichnet werden. 29 Bisweilen kann in der Praxis der Sozialen Arbeit beobachtet werden, dass Controlling allein auf seine Kontrollfunktion reduziert wird. Hierdurch wächst nicht nur die Gefahr, dass a) Ansätze des Controllings zur Aktivierung des organisationalen Immunsystems beitragen und b) Controlling sich selbst überflüssig macht (wenn Controlling und Kontrolle identisch sind, dann braucht es schlichtweg kein Controlling). Wenngleich Controlling immer auch Kontrollmomente beinhaltet, so ist es dennoch mehr als nur reine Kontrolle. Daher wird hier auch dafür plädiert, Controlling als separaten Steuerungsbereich zu betrachten (der gleichwohl Schnittmengen zu anderen Steuerungsbereichen aufweist). 30 Mit traditionellem Controlling ist ein Controllingverständnis gemeint, wie es seinen Ursprung innerhalb der traditionellen Betriebswirtschaftslehre findet. In den weiteren Ausführungen wird daher primär auf solche Literatur Bezug genommen, die sich der klassischen Betriebswirtschaftslehre zuordnen lässt. 31 Kennzahlen lassen sich in absolute Kennzahlen (Summen, Differenzen und Mittelwerte) sowie relative Kennzahlen (Gliederungszahlen, Beziehungszahlen, Messzahlen) unterscheiden. Relative Kennzahlen werden auch als Verhältniskennzahlen bezeichnet, da sie – im Gegensatz zu absoluten Kennzahlen – darauf ausgerichtet sind, zu quantifizierende Werte in Beziehung zu setzen. Hierdurch ist ihr Informationsgehalt in der Regel höher als der von relativen Kennzahlen (vgl. Preißler 2014, S. 105 ff.). Die Kapitalrentabilität einer Organisation ist ein Beispiel für eine relative Kennzahl. Sie setzt den generierten Gewinn ins Verhältnis zum eingesetzten Kapital. 32 Die prozentuale Fluktuationsquote wird berechnet, indem die Anzahl der Personenabgänge durch den durchschnittlichen Personalbestand dividiert und mit 100 multipliziert wird.

8 Marketing

8.1 Warum Marketing auch in der Sozialen Arbeit für Management bedeutsam ist Marketing als eine bedeutsame Managementaufgabe in Organisationen der Sozialen Arbeit zu bezeichnen mag zunächst Irritationen hervorrufen. Denn zum einen assoziieren Akteure in der Sozialen Arbeit Marketing bisweilen immer noch verkürzt mit »Werbung«; eine solche Assoziation zu Produktwerbung erzeugt Unbehagen, weil Soziale Arbeit eben keine Bedürfnisse wecken, sondern auf den Bedarf an Hilfe/Förderung/Unterstützung antworten will. Zum anderen löst der semantische Bezug zu »Markt« Irritation aus. Es wird infrage gestellt, dass in der Sozialen Arbeit ein »Markt« existiert, dem eine solche Bedeutung zukommt, dass Marketing zu einem bedeutsamen Teil des Managements stilisiert werden muss. In der Sozialen Arbeit existiert lediglich ein sehr eingeschränkter Markt, und dessen Logik ist nicht primär auf eine gezielte Bedürfnisausweitung ausgerichtet, wie das auf dem Sachgütermarkt der Fall ist, in dem Kundengewinnung und Kundenbindung als gute Marktpositionierung eine wesentliche Rolle spielen. Dennoch hat das Thema »Marketing« eine große Bedeutung für das Management, denn auch in der Sozialen Arbeit existiert ein zwar eingeschränkter und politisch stark regulierter, doch realer »Markt«, der sich in der Konkurrenz verschiedener Träger, in Bezügen zu Nutzern, im Bemühen um das Wohlwollen verschiedener Interessenträger manifestiert. Mit zunehmender Wettbewerbsorientierung in der Sozialen Arbeit dringen Marktstrukturen stärker in die vorher dominanten korporatistisch geprägten Trägerstrukturen ein (vgl. Cremer 2013; Hensen 2006; Merchel 2008, S. 213 ff.; Dahme u. Wohlfahrt 2013, S. 167 ff.). Auch weil soziale Dienstleistungen »Vertrauensgüter« sind, deren Qualität aufgrund ihrer Immaterialität und aufgrund der Ausrichtung an jeweils individuellen Konstellationen und Anforderungen nur begrenzt von Anfragenden beurteilbar sind (Kapitel 2), bedarf es eines sorgfältig konzipierten Marketings, um a) Vertrauensoptionen zu schaffen und b) die Leistungen immer wieder im Hinblick auf die sich wandelnden Anforderungen von Nutzern und Interessenträgern zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Somit ist Marketing auch in Konstellationen mit eingeschränktem Marktcharakter als Managementaufgabe in Organisationen der Sozialen Arbeit von erheblicher Bedeutung, • weil die Leistungen in der Sozialen Arbeit und deren Finanzierung durch politische Entscheidungen mitbedingt sind und somit ein Bezug zu den politischen Entscheidungsprämissen und Entscheidungsakteuren hergestellt werden muss,

• weil verschiedene Interessenträger mit unterschiedlichen Interessen bei der Leistungsgestaltung und bei den Bemühungen um eine Platzierung der Organisation in ihrer Umwelt in den Blick genommen werden müssen, • weil eine Organisation sich in zwar durch politische Entscheidungen und Vorgaben eingeschränkten, aber doch bestehenden Markt- und damit Wettbewerbskonstellationen bewegen muss, • weil das Schaffen von Vertrauensoptionen gegenüber den angebotenen Leistungen eine sorgfältige Beobachtung und Kommunikation mit der leistungsrelevanten Umwelt erfordert. Insofern sind auch in der Sozialen Arbeit ein Marketingdenken und eine daraus folgende Marketingpraxis als reflektierte Gestaltung der Kommunikation mit der Umwelt bedeutsam, bei der die Anforderungen der Nutzer und Interessenträger (insbesondere der Finanzgeber) bei der Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Leistungen eine zentrale Rolle einnehmen. Marketing ist der Gegenpol zur – oder zurückhaltender ausgedrückt: die Korrektur der –»traditionell starken innenzentrierten Aufgabenerfüllung«, die Buber (2013, S. 235) als charakteristisch für Nonprofit-Organisationen bezeichnet. Dies hat – neben einer über lange Zeit lediglich geringen Herausforderung durch die Umwelt (administrativ aufgeteilte »Märkte«, kaum Steuerungsbemühungen der Finanzgeber, Vertrauen auf »guten Willen« und »fachliche Kompetenz« der Leistungserbringer) – auch Gründe in der Struktur des Handlungsfeldes: Organisationen bzw. freie Träger, die mit einer bestimmten Idee gegründet wurden, wollen zunächst diese Idee nach außen tragen, wodurch eine solche Motivation mit der Richtung »von innen nach außen« Dominanz gewinnt und folglich Grenzen setzt für eine Haltung, die den Perspektiven von Umweltakteuren eine starke Bedeutung zuweist. Insofern sind Managementansätze, die der »Mission« einer Organisation eine hohe Bedeutung zuweisen (Vilain 2010; Beiträge in Strunck 2013; kritisch dazu Merchel 2015a, S. 102 ff.), kritisch zu betrachten im Hinblick auf ihre Folgen für das Marketing und die entsprechenden Haltungen in einer Organisation. Bereits das Wort »Mission« oder »Vision« markiert das Bemühen, sich »missionarisch« gegenüber seiner Umwelt zu verhalten – eine Haltung, die den Gegenpol zum Marketingdenken bildet. Ferner haben Organisationen, die den öffentlichen Trägern angehören, eine gesetzlich definierte Bestandsgarantie mit darin eingewobenen Machtpotenzialen, sodass ihr Bestreben, im Rahmen von Marketingdenken und -aktivitäten den Leistungsadressaten und anderen Interessenträgern aus ihrer Umwelt einen Stellenwert zuzuweisen, nur sehr begrenzt herausgefordert wird.33

8.2 Zum Kern von Marketing und dessen Herausforderung für Managementhandeln

Im Mittelpunkt des Marketings steht die Bearbeitung der System-Umwelt-Differenz.34 Organisationssysteme können nicht unabhängig von Umwelten agieren, sie sind faktisch auf vielfältige Weise an ihre Umwelt gekoppelt und stehen vor der Anforderung, diese Koppelung zu gestalten. Sie müssen eine Form der »Systemrationalität« ausbilden, die es ihr erlaubt, mit als relevant betrachteten Umweltsegmenten so in Kommunikation zu treten, dass sie über einen Modus des Leistungsaustauschs die für ihr Überleben erforderlichen Ressourcen erhalten. Das System »Organisation« – als operativ geschlossenes System – muss Offenheit erwerben für eine Beobachtung der Umwelt und für die in dieser Umwelt zu erschließenden, dem Überleben des Systems förderlichen Ankoppelungsmöglichkeiten. Organisationen »tasten ihre Umwelten permanent nach Gelegenheiten ab, um Anhaltspunkte zu finden, die den Stoff dafür liefern, ihre eigene Fortsetzbarkeit zu reproduzieren« (Wimmer 2011, S. 533). Eine Organisation muss beobachten, • welches die für ihr Überleben relevanten Interessenträger in der Umwelt sind und welches deren jeweilige Austauschbeiträge für den Erhalt der Organisation sein können, • welche Leistungen die Organisation den Interessenträgern im Rahmen von Austauschbeziehungen bieten kann, um Ankoppelung zu ermöglichen und Ressourcenzufuhr herbeizuführen, • wie sich die Konstellationen in relevanten Umweltsegmenten verändern, in veränderten Anforderungen an die Organisation ausdrücken und damit die Austauschbeziehungen dynamisieren, • mit welchen Leistungsveränderungen wirksame Ankoppelungen an die relevanten Interessenträger gewahrt bzw. wiederhergestellt werden können und somit eine weitere Ressourcenzufuhr wahrscheinlich gemacht werden kann. Es geht also zum einen um die Konstruktion von organisationsrelevanter Umwelt sowie zum anderen um eine Ermöglichung und eine dynamische Herbeiführung von Ankoppelungen an die als relevant erachteten Umweltsegmente. Mit dem Beobachten der Umwelt wird vorausgesetzt, dass die »Umwelt« einer Organisation nicht von sich aus existiert, sondern von der Organisation konstruiert wird. »Umwelt« sind für eine Organisation solche Vorgänge, Ereignisse, Institutionen und Personen, die sich außerhalb der Organisationsgrenzen befinden oder ereignen und die für die Organisation deshalb eine Relevanz erhalten, weil sie bewertet werden als solche, die sich in irgendeiner Weise auf die inneren Vorgänge in Organisationen auswirken und daher in die strategische Organisationsgestaltung einbezogen werden sollten. Die Organisation entscheidet, was sie als Umwelt einordnet und welche Ereignisse, Institutionen etc. außerhalb der Organisationsgrenzen sie aus ihrer »Umwelt« heraushält. Mit dieser Festlegung dessen, was »Umwelt« für eine Organisation ausmacht, ist bereits ein Austauschverhältnis impliziert: Nicht alles, was außerhalb der Organisationsgrenzen geschieht, stellt sich für die

Organisation als relevante »Umwelt« dar. Vielmehr erhält nur derjenige Teil dieser Geschehnisse für eine Organisation eine »Umweltrelevanz«, der in irgendeiner Weise für das Austauschverhältnis zwischen der Organisation und der sie umgebenden Welt als bedeutsam erachtet wird. »Umwelt« ist immer organisationsspezifisch. Jede Organisation konstruiert ihre Umwelt hat daher ihre jeweils eigene und spezifische Umwelt. »Relevante Umwelt ist das, was als subjektiv bedeutsame Unterscheidung erkannt wird. So passen sich Unternehmen nicht den Umwelten einseitig an, sondern vielmehr ist das ein wechselseitiger Prozess.« (Bergmann 2006, S. 230.) Da dies je nach Beobachtungsblick und Ereignisdynamik wechseln kann, stellt sich die »Umwelt« für ein Organisationssystem als eine dynamische Basis für Marketing dar. Das Ermöglichen und kontinuierliche Beobachten von Ankoppelungen zwischen der Organisation und ihrer Umwelt geschieht vorrangig über die Abgabe von Leistungen, die von anderen Systemen in der Umwelt (Personen, Personengruppen, Organisationen) als nützlich angesehen und mit der Vergabe von (materiellen, legitimatorischen und Einflussnahme/Macht ermöglichenden) Ressourcen an die Organisation honoriert werden. Die Bearbeitung der Schnittstelle System/Umwelt erfolgt aber auch durch Aktivitäten zur Unterscheidbarkeit einer Organisation von anderen Organisationen, also durch Differenzmarkierung. Denn ohne Unterscheidbarkeit bleibt ungewiss, ob die von der Organisation dargebotenen Ankoppelungsoptionen von der Umwelt aktiv aufgenommen und in Leistungsnutzung und Ressourcenabgabe transferiert werden oder ob die Ankoppelungsangebote anderer Organisationen genutzt werden. Eine Organisation muss den Austausch ihrer Leistungen mit der Umwelt durch Unterscheidbarkeit und Kommunikation von Unterschieden wahrscheinlicher machen.35 Marketing lässt sich demnach fassen als die Gesamtheit der Beobachtungs- und Gestaltungsaktivitäten, die auf die Bearbeitung der Schnittstelle Organisation/Umwelt ausgerichtet sind und durch die Bemühungen zu Austauschbeziehungen im Spannungsfeld von ankoppelungsfähigen Leistungen einerseits und Unterscheidbarkeit andererseits geformt werden. Abb. 10 markiert die beiden Stellen, an denen das Marketing an den Schnittstellen von Organisation und äußerer Umwelt sowie von Organisation und innerer Umwelt ansetzt.

Abb. 10: Verortung von Marketing im organisationalen Kontext

An den folgenden drei Praxisbeispielen lassen sich die Bedeutung von Marketing in der Sozialen Arbeit, die mit Marketing verbundenen Herausforderungen und die Schwierigkeiten bei der Praktizierung eines angemessenen Marketings konkreter nachvollziehbar machen: Praxisbeispiel 1 Eine Erziehungsberatungsstelle hat das Bestreben, in der Konkurrenz zu Beratungseinrichtungen in ihrem Umfeld stärker auf sich und ihre Angebote aufmerksam zu machen. In einem Workshop mit allen Mitarbeitern (hauptberuflich Tätigen und Honorarkräften) wird nach einem »Alleinstellungsmerkmal« gesucht, das die Erziehungsberatungsstelle von anderen Einrichtungen oder Personen (Elternberatung in Kindertageseinrichtungen und Schulen, Eltern- und Familienbildung, niedergelassenen Psychotherapeuten, Beratungsstellen anderer Träger) unterscheidet und das man als zentrales Profilelement nach außen kommunizieren will. Das Ergebnis: Man hält »Therapie / therapeutisches Handeln« für das Element, das einen wichtigen Unterschied ausmacht gegenüber anderen regionalen Angeboten und mit dem sich alle Mitarbeiter angesichts ihrer Zusatzausbildungen gut identifizieren können. Und diese »Therapie« erfolge, anders als bei niedergelassenen Psychotherapeuten, »niederschwellig« (ohne Kosten, ohne ärztliche Verschreibung etc.). Die entsprechende Ausrichtung wird über Flyer, gezielte Kontakte mit Kindertageseinrichtungen und Schulen, Pressekontakte etc. aktiv kommuniziert – mit dem paradoxen Ergebnis, dass die

Anzahl der Ratsuchenden über einen Zeitraum von 1,5 Jahren allmählich geringer wird, obwohl Kindertageseinrichtungen und Schulen über zunehmende Orientierungsprobleme von Eltern in Erziehungsfragen und Verhaltensprobleme von Kindern/Jugendlichen klagen. Eine Erklärungsmöglichkeit für diese Divergenz: mangelnde Ankoppelung der Leistungen an die Wahrnehmung der Leistungsadressaten. Wenn Leistungsadressaten sich erst als »therapiebedürftig« definieren müssen, um sich von dem Leistungsangebot angesprochen zu fühlen, erhöht sich die Zugangsschwelle. Die organisationsinterne Sicht auf die Kompetenz »Therapie« divergiert mit dem Blick der Adressaten auf ein solches Etikett: Mangelnde Ausrichtung an der Außenperspektive verhindert den beabsichtigten Kommunikationseffekt und untergräbt die Ankoppelungsoption zwischen Leistung der Organisation und Umwelt. Zusätzlich nutzen Jugendamt und Jugendhilfeausschuss der Kommune die »Therapieorientierung« der Beratungsstelle und die Reduktion der Anfragen zur kritischen Überprüfung der Zuwendungen an die Organisation. Praxisbeispiel 2 Eine Kindertageseinrichtung in konfessioneller Trägerschaft definiert ihre Leistungen über viele Jahre hinweg – ähnlich wie die anderen Einrichtungen im Stadtteil – fast ausschließlich in Kategorien der pädagogischen Förderung. Die Leitung hat den Eindruck, dass dies den Erwartungen der Eltern entspricht. Gelegentliche Hinweise des Kirchenvorstands und der Fachberaterin, man vermisse etwas das konfessionelle Profil, übergeht die Leitung der Einrichtung mit allgemeinen Floskeln (man werde das über der Überarbeitung des Konzepts berücksichtigen; im Alltag der Einrichtung würden ja auch die christlichen Feste thematisiert und damit ein konfessionelles Profilelement eingebracht etc.) und mit dem Hinweis auf die Prioritäten bei den Elternerwartungen. Im Zuge des Rückgangs von Kirchensteuereinnahmen und zunehmenden Finanzproblemen der Kirche geraten auch die Kindertageseinrichtungen in die Diskussion. Es wird diskutiert, die Eigenmittel vor allem in solchen Einrichtungen einzusetzen, deren konfessionelles Profil sichtbar ist und deren Profil den Einsatz von Kirchensteuermitteln für Kirchenmitglieder und -funktionäre legitimiert. Die Leitung der Kindertageseinrichtung befürchtet, dass dies die Existenz der Einrichtung bedroht oder dass Akteure aus dem Umfeld stärker auf die Handlungsprogramme der Einrichtung Einfluss nehmen wollen. Es breitet sich starke Unruhe und Unsicherheit bei den Akteuren der Kindertageseinrichtung (Leitung, Erzieherinnen, Elternrat) aus. Dies ist eine Folge davon, dass die Einrichtung ihrem Interessenträger »Kirche« zu wenig Ankoppelungsoptionen geboten hat, während sie ihren Schwerpunkt einseitig auf den Interessenträger »Eltern« ausgerichtet hat; denn die Interessen dieses Interessenträgers waren mit einer hohen Ankoppelungsoption an die Sichtweisen der internen Akteure (Leitung und Erzieherinnen) verbunden. Die Divergenz von Interessen und die Macht verschiedener Interessenträger wurden nicht ausreichend beachtet; die Ankoppelungsoptionen wurden ausschließlich auf der Grundlage des internen Blicks und der organisationsinternen Interessen strukturiert.

Praxisbeispiel 3 Eine Einrichtung der stationären Erziehungshilfe, die diffus »Elternarbeit« als Element in ihrem Leistungsprofil hervorhebt, erzeugt beim ASD irrtümlich die Erwartung, sie bringe Kinder mit der Option einer Rückkehr in die Herkunftsfamilie unter und die Einrichtung übernehme die Elternarbeit zur Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie, und zwar zum regelhaften Leistungsentgelt/Tagessatz der Einrichtung. Die Einrichtung meint jedoch mit »Elternarbeit« nicht eine solche intensive Zusammenarbeit mit der Herkunftsfamilie des Kindes, sondern die »normale Kontaktarbeit« mit den Eltern als den Bezugspersonen des Kindes; eine intensive Arbeit an den Erziehungsbedingungen der Herkunftsfamilie wird zum normalen Tagessatz für nicht realisierbar gehalten. Die Einrichtungsakteure ordnen das intensive Arbeiten mit den Eltern als Aufgabe des ASD ein, während der ASD auf das von ihm interpretierte »Leistungsversprechen« der Einrichtung vertraut und damit implizit »intensive Elternarbeit« von der Einrichtung erwartet. Das Missverständnis und die Enttäuschungen sind vorprogrammiert – mit der Folge einer künftigen geringeren Inanspruchnahme der Leistungen der Einrichtungen durch den ASD: ein durch mangelnde Leistungstransparenz erzeugtes Problem – die Leistung ist nicht eindeutig konturiert. Was mit »Elternarbeit« gemeint ist und mit dem normalen Leistungsentgelt abgegolten wird, hätte genauer charakterisiert werden müssen. Solchen Beispielen, die sich als Folgen eines nicht beachteten Marketingdenkens interpretieren lassen, könnten viele weitere hinzugefügt werden. Sie lassen erahnen, dass und warum Marketingdenken und praktiziertes Marketing für das Management in Organisationen der Sozialen Arbeit bedeutsam sind. Es bedarf einerseits der Sensibilität für die Schnittstellen zwischen Organisation und Umwelt, eines Blicks auf unterschiedliche Interessenträger in der Umwelt mit ihren divergenten Anforderungen an die Organisation und ihren Machtpotenzialen sowie andererseits der Bereitschaft, die Ankoppelungsformen mit ihren Folgen und Nebenwirkungen zu beobachten und aus den Beobachtungen Schlussfolgerungen zu ziehen mit dem Versuch, balancierende Ankoppelungsoptionen zu gestalten: balancierend zwischen verschiedenen Interessenträgern, zwischen einer innen- und verschiedenen Außenperspektiven auf Leistungen und zwischen spezifischem Leistungsprofil der Organisation und Ausrichtung der Leistungen an den Anforderungen der Umwelt. Gleichzeitig muss Managementakteuren bewusst sein, dass jedes Organisationsmitglied durch sein Verhalten zu einem »Marketingakteur« wird: Denn jedes Organisationsmitglied agiert bei der Leistungserstellung an der Schnittstelle Organisation/Umwelt und vermittelt durch die Art seines Handelns ein Bild von der Leistungsfähigkeit und den Leistungsmodi der Organisation. Das Organisationsmitglied wirkt als »Kommunikationsmedium« der Organisation zu ihrer Umwelt. Dadurch ergibt sich eine Verbindung von Marketing nicht nur zur Gestaltung von Handlungsprogrammen der Organisation, sondern auch zum Personalund Qualitätsmanagement. Denn die »kommunizierte Leistung und Qualität« müssen im

Verhalten der Organisationsmitglieder und im Qualitätsmanagement abgebildet und erlebbar sein. Ansonsten entstehen nicht bearbeitbare, weil zu intensive Divergenzen und Irritationen an der Schnittstelle Organisation/Umwelt. »Marketing« vollzieht sich also faktisch immer, ob die Organisation dies beabsichtigt oder nicht. Denn eine Organisation kommuniziert immer mit ihrer Umwelt. Es kommt darauf an, dies in einer a) absichtsvollen, b) die Unterschiede in den relevanten Umweltsegmenten beachtenden und c) auf Beobachtung gründenden, reflektierten Weise zu tun. Es geht also nicht nur und nicht primär um eine spezifische »Marketingplanung«, wie sie in vielen betriebswirtschaftlichen Konzipierungen oder auch in Konzeptvorstellungen zum »NPOMarketing« (u. a. Lichtsteiner et al. 2015, S. 222 ff.; Bruhn 2012) als Herbeiführung von vermeintlich »rationalen Entscheidungen« und rationalem Handeln (Christa 2010, S. 37) beschrieben wird. Vielmehr geht es um die Gestaltung von Ankoppelungsmodalitäten zwischen Organisation und Umwelt auf der Grundlage von Beobachtungen sowohl der Erwartungen relevanter Interessenträger als auch der internen Handlungsorientierungen und auf der Grundlage der Beobachtungen zur Präsentation der Organisation durch die Kommunikationsmodi der Organisationsakteure mit der Umwelt: durch Außenvertretung, durch alltägliche Leistungsgestaltung, durch Inkongruenzen und Kongruenzen zwischen organisationsinterner und extern ausgerichteter Kommunikation. Neben den klassischen Intentionen des Marketings – dem »Eigenmarketing«, um die Organisation mit ihren Zielen und Leistungen bekannt zu machen und ein bestimmtes Image zu fördern, sowie dem »Absatzmarketing«, damit die Leistungen der Organisation von Nutzern in Anspruch genommen werden – hat in der Sozialen Arbeit das »Ideenmarketing« eine große Bedeutung, von Lichtsteiner et al. (2015, S. 218) und Buber (2015, S. 233 f.) mit dem Begriff »Social Marketing«, also der kommunikativen Verankerung »sozialer Ideen«, charakterisiert. Weil soziale Dienstleistungen über politische Entscheidungen zustande kommen und unmittelbar von diesen abhängen (Kapitel 2), ist eine normative Grundhaltung in der Gesellschaft erforderlich, vor deren Hintergrund politische Entscheidungen erfolgen und Organisationen Entscheidungen zur Leistungsgestaltung legitimieren können. Dass auch schwerstbehinderte Menschen ein Recht auf Förderung haben, dass »Aids alle angeht« und nicht nur Menschen mit vermeintlich risikobehaftetem Sexualverhalten und Drogenkonsum, dass Inklusion ein gesellschaftlicher Wert sein soll, der auch bei möglicherweise höheren Kosten realisiert werden soll, dass Chancengleichheit eine wichtige gesellschaftliche Herausforderung darstellt – solche und viele weitere normative Grundlagen in der Gesellschaft bilden die Folie, vor deren Hintergrund sozialpolitische Entscheidungen entstehen, die für die Existenz und die Handlungsbedingungen von Organisationen der Sozialen Arbeit bedeutsam sind. Daher stellt »Ideenmarketing« einen nicht zu vernachlässigenden Aspekt in den Marketingstrategien von Organisationen der Sozialen Arbeit dar.

8.3 Absichten und Paradoxien im Marketing Das generelle Anliegen von Marketing besteht darin, an der Schnittstelle System/Umwelt Anschlussoptionen zu schaffen durch eine möglichst gelingende Kommunikation, zu der es zum einen der Beobachtung und Bewertung von Umweltvorgängen im Hinblick auf die eigene Leistungskonzipierung und Leistungserstellung bedarf, zum anderen der Herausbildung eines erkennbaren, von relevanten Interessenträgern akzeptierbaren Leistungsprofils der Organisation, zum dritten der reflektierten Herausbildung von Kommunikationsmodalitäten zur Umwelt sowie zum vierten der kontinuierlichen Beobachtung der Dynamik zwischen Umweltvorgängen, Leistungsprofil der Organisation und Kommunikationsprozessen mitsamt den daraus zu vollziehenden Schlussfolgerungen. Grundlage für Marketing ist eine Klärung der Fragen, was für die Organisation »Umwelt« ausmacht und welche unterschiedlichen, z. T. widersprüchlichen und mit unterschiedlicher Macht verbundenen Erwartungen Interessenträger an die Organisation herantragen. Jede Organisation definiert ihre spezifische »Umwelt«, nimmt unterschiedliche Umweltsegmente wahr und gewichtet sie gemäß ihrer Bedeutung für die Organisation, um sich dann zu dieser konstruierten Umwelt in Beziehung zu setzen. Bei der Realisierung dieses generellen Anliegens gerät Marketing in Paradoxien, die im Managementhandeln bearbeitet, ausbalanciert werden müssen: • Der zentrale Widerspruch liegt in der Anforderung, sich einerseits bei der Leistungsgestaltung an den Anforderungen der Umwelt auszurichten und diese zu einem wesentlichen Orientierungspunkt für die Leistungsdefinition und die organisationsinternen Handlungsprogramme zu machen und andererseits durch Profilgewinnung und Profilbehauptung eine Unterscheidbarkeit zu anderen Organisationen mit ähnlichem Handlungsfeld herzustellen und zu behaupten. Das Profil, die Corporate Identity einer Organisation wird geschaffen durch eine Differenzmarkierung zur Umwelt, die durch organisationsinterne Kommunikationsprozesse konstituiert wird und dadurch in die Kommunikation mit der Umwelt getragen werden kann. In der prozessidentischen Verkoppelung von Selbstreferenzialität und Umweltbezug vollzieht sich ein potenziell gelingendes Marketing. Marketing ist gelebte Kommunikation einer Organisation mit ihrer Umwelt im gleichzeitigen Bemühen um Anschlussfähigkeit und Abgrenzung. • In der Umwelt wirken verschiedene Interessenträger (Stakeholder) mit unterschiedlichen, z. T. divergenten Leistungserwartungen, die nicht ohne Weiteres – wie im Sachgütermarkt – mit »Leistungsdifferenzierung« (für jede »Kundengruppe« spezifische Produkte bzw. Leistungen) beantwortet werden können. Anforderungsdifferenzen machen sich vielfach bereits an einer bestimmten Leistung fest: Worin sich z. B. im Einzelfall eine gelingende Erziehung in einer Wohngruppe

(Heimerziehung) festmacht, wird von verschiedenen Interessenträgern (Jugendamt, Elternteilen, Kind/Jugendlichem, Lehrer, kooperierenden Therapeuten etc.) bisweilen sehr unterschiedlich definiert. Die Erwartungsdifferenzen aus der Umwelt müssen zum einen ausbalanciert werden, und zum anderen gerät die Bearbeitung von Erwartungsdifferenzen in Spannung zur Profilgewinnung der Organisation. Der Versuch, immer wieder neue individuelle Leistungsarrangements zu entwerfen (»Leistungen nach Maß, nicht von der Stange«), löst zum einen das Problem der Erwartungsdifferenzen verschiedener Interessenträger nicht; zum anderen drohen dadurch die Konturen des organisationalen Leistungsprofils zu erodieren, es wird für Umweltakteure unklarer, »wofür die Organisation eigentlich steht«. • Sorgfältige Umweltbeobachtung, verkoppelt mit einem Denken in der Logik von relevanten Interessenträgern aus der Umwelt sind elementare Anforderungen des Marketings. Gleichzeitig ist jedoch zu konstatieren, dass der Blick auf die Umwelt und die darin agierenden Interessenträger beschränkt ist durch die systemeigenen Beobachtungs- und Interpretationslogiken – entsprechend dem bekannten Satz von Luhmann (2004, S. 52): »Ein System kann nur sehen, was es sehen kann. Es kann nicht sehen, was es nicht sehen kann. Es kann auch nicht sehen, dass es nicht sehen kann, was es nicht sehen kann.« Offenheit für die Logik von Umweltakteuren einerseits und Bewusstheit der Begrenztheit der Beobachtungsoptionen durch die Systemlogik der Organisation andererseits konstituieren eine Paradoxie, die gerade für Marketing als Kommunikationsmodus an der Schnittfläche von Umwelt und Organisation prägend ist. • Marketing vollzieht sich im Widerspruch von Zentralität und Dezentralität. Eine Organisation legt Wert darauf, dass sie in den Kommunikationen mit der Umwelt als »einheitlich«, mit einem für die gesamte Organisation erkennbaren Profil und Erscheinungsbild, wahrgenommen wird, um erkennbare Differenzen zur Umwelt zu erzeugen und aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig erfolgt die Kommunikation mit der Umwelt jedoch zu wesentlichen Teilen in Prozessen zwischen Organisationsmitgliedern und Umweltsegmenten, also dezentral und dadurch in einer nur sehr begrenzt durch die Organisation steuerbaren Weise. Managementakteure müssen stets damit rechnen, dass die von ihnen behaupteten und in die Kommunikationsprozesse eingebrachten Profilelemente der Organisation (Corporate Identity) in Zweifel gezogen oder gar desavouiert werden durch die umweltbezogenen Kommunikationsaktivitäten von Organisationssegmenten oder einzelnen Organisationsmitgliedern, entweder durch die Art der Leistungserstellung, die immer auch als Kommunikation zu werten ist, oder durch Kommunikationsakte mit der Umwelt, die unabhängig von einem unmittelbaren Leistungsprozess vollzogen werden. Marketing als reflektierte Kommunikation an der Schnittstelle Organisation/Umwelt

vollzieht sich also ebenso wie andere Managementaufgaben in einem von Paradoxien gekennzeichneten Kontext. Mit welchen Leitorientierungen ein solches Paradoxien bewusst aufnehmendes und verarbeitendes Marketing ausgestaltet werden kann, wird im folgenden Abschnitt skizziert.

8.4 Orientierungslinien für ein systemisch ausgerichtetes Marketing Eine erste Orientierungslinie ergibt sich bereits aus den skizzierten Paradoxien: Auch hier ist eine Beachtung und ein produktives Verarbeiten von Paradoxien im Sinne des Bemühens um Herstellung und sensibles Austarieren von Balancen angesagt – Balancen nicht im Sinne eines zwanghaften Bemühens um einen vermeintlichen harmonischen Ausgleich, sondern im Sinne einer kontinuierlichen Suche nach Möglichkeiten, Gegensätze in ihren Auswirkungen zu entschärfen, nicht sie aufzulösen, und dabei im Bewusstsein zu halten, dass die produktiven Entwicklungspotenziale für die Organisation und für das Managementhandeln gerade in der Weiterexistenz der Spannung liegen. Neben dieser Orientierung beim Umgang mit Marketingparadoxien sind insbesondere vier Aspekte von Haltungen in der Organisation zu implementieren und wachzuhalten: • Wie bei jeder Form und jedem Grundverständnis von Marketing ist immer wieder die Bedeutung der Umweltperspektiven bei der Konzipierung und Realisierung der eigenen Leistungen zu beachten. Dies bedeutet die partielle Überwindung der Selbstreferenzialität in den Wahrnehmungen und Bewertungen »ihrer« Organisation durch die Organisationsmitglieder, also eine Relativierung der Innenperspektive im Bewusstsein der Begrenzungen einer solchen Relativierung, die durch die Notwendigkeit der Abgrenzung des Organisationssystems gegenüber seiner Umwelt, durch das Erfordernis der Profilentwicklung gegeben sind. Darin eingeschlossen ist die praktische Anerkennung der Tatsache, dass die Kompetenz der Organisation (als zentrales Element von Marketing) nicht allein von innen entwickelt und behauptet werden kann (»Wir finden, dass wir ziemlich gute Arbeit machen.«); »Kompetenzmarkierungen« werden vielmehr nur dann wirksam, wenn sie der Organisation aus der Umwelt zugeschrieben werden. »Kompetenz« von Organisationen ist letztlich das Ergebnis von Zuschreibungen, also auch ein Kommunikationseffekt aus den Außenbezügen einer Organisation. Die Verankerung eines solchen Bewusstseins und einer solchen Haltung in der Organisation ist Teil eines auf Marketing ausgerichteten Managements. • Eine differenzierte Umweltbeobachtung, bei der die politisch-rechtliche und soziokulturelle Umwelt wie die relevanten Interessenträger und Konkurrenzleistungen

in den Blick genommen werden, muss installiert werden. Auf der Basis von Beobachtungen sind möglichst mehrperspektivisch Bewertungen vorzunehmen von deren Bedeutung für die Leistungserstellung der Organisation und von den Anforderungen an eine aktive Kommunikationsgestaltung mit der Umwelt. Dabei ist davon auszugehen, dass alle Organisationsmitglieder in ihren Tätigkeiten, die immer auch Kommunikation mit der Umwelt beinhalten, Wahrnehmungen zu Entwicklungen in der Umwelt entwickeln und Informationen zu den Sichtweisen von Umweltakteuren auf die Organisation bzw. Organisationsteile erhalten. Durch das systematische Zusammentragen dieser Wahrnehmungen und Informationen entsteht ein differenziertes, mehrperspektivisches Beobachtungsbild, dessen Gehalt wahrscheinlich mindestens so aussagekräftig ist wie aufwendig konzipierte Datenerhebungen (Frageund Einschätzungsbögen zu Leistungserwartungen und zum Fremdbild, das eine Organisation bei Interessenträgern vermittelt), die in traditionellen Marketingkonzepten bisweilen empfohlen werden. • Da die von der Organisation vorgenommene Umweltbeobachtung immer begrenzt wird durch die systemeigenen Beobachtungs- und Interpretationslogiken, bedarf es der Bewusstheit des hypothetischen Charakters dieser Beobachtungen, die sich darin ausdrücken sollte, dass in der Organisation nach Modalitäten gesucht werden sollte, in denen eine »Beobachtung 2. Ordnung« realisiert werden kann. Wenn in einer Organisation zyklisch danach gefragt wird, ob der bisherige Blick auf ausgewählte Umweltsegmente noch angemessen ist, warum andere Organisationen in dem Handlungsfeld aufgrund ihrer Umweltbeobachtungen zu anderen Schlussfolgerungen kommen, ob ggf. externe Personen (mit Kenntnis des Handlungsfeldes) zu anderen Beobachtungen und Bewertungen der Umweltgeschehnisse gelangen etc., dann wird zum einen die Relativität bzw. der hypothetische Charakter der eigenen Beobachtungen bewusst gehalten, und zum anderen kann eine größere Perspektivenvielfalt der Umweltbeobachtungen entstehen, aufgrund derer eine breitere Entscheidungsbasis erzeugt werden kann – allerdings um den Preis einer erhöhten Komplexität, die wiederum bewältigt werden muss und Entscheidungsprozesse erschweren kann. • Innerhalb der Organisation ist ein Bewusstsein zu schaffen und aufrechtzuerhalten für die »Marketingbedeutung« der Kommunikation und der Leistungserstellung jedes einzelnen Organisationsmitglieds. Zum einen verbindet sich damit die Anforderung, die organisationsinterne Kommunikation mit dezentralen Organisationseinheiten so zu gestalten, dass Differenzen in der nach außen gerichteten Kommunikation nicht allzu groß werden. Zum anderen verschränkt sich damit die organisationsinterne mit der nach außen gerichteten Kommunikationsperspektive (Bergmann 2006, S. 231): »Wie und über was gesprochen wird, bestimmt den Charakter dessen, was nach außen kommuniziert wird.« Will man die Leistungen in einer bestimmten Weise gestalten

oder die Kommunikationsmodalitäten nach außen verbessern, muss man auf die internen »Kommunikationsepisoden« (ebd.) achten und diese ggf. zu beeinflussen versuchen. Vor diesem Hintergrund ist z. B. nicht zuletzt unter Marketinggesichtspunkten darauf zu achten, mit welchen Vokabeln und sprachlichen Konnotationen innerhalb einer Organisation über Leistungsadressaten oder zentrale Interessenträger gesprochen wird; interne Kommunikationsmodalitäten werden Teil einer reflektierten Marketingstrategie. Ein systemisch ausgerichtetes Marketing baut verschiedene Kommunikationskanäle zur Umwelt reflektiert auf und nutzt diese: Verhalten, Leistungsmodalitäten, Wort, Schrift, Bild, Internet, Social Media. Es rechnet damit, dass die auf die Umwelt differenziert ausgerichteten Kommunikationen misslingen können, dass die intendierten Mitteilungen von den adressierten Systemen nicht oder anders als beabsichtigt aufgenommen und verarbeitet werden. Dass gelingende, den Intentionen entsprechende Verständigung über Kommunikation angesichts der selbstreferenziellen, selektiven Verarbeitung von Informationen im Grundsatz als unwahrscheinlich gelten muss (Luhmann 1984, S. 217 ff.), hat für Marketing zur Folge, dass • Kommunikationsimpulse an die Umwelt in einer reflektierten, aufgrund von Beobachtungen zu Erwartungen der Kommunikationsadressaten gestalteten Weise geformt werden müssen und • das Gelingen oder (partielle) Misslingen der Kommunikation beobachtet und im Hinblick auf Konsequenzen bezüglich der weiteren Kommunikation bewertet werden muss; dies bezieht sich sowohl auf die Kommunikationsinhalte als auch auf die kanäle mit ihren jeweiligen Kommunikationslogiken. Die im Marketing entwickelten Instrumente und Verfahrensweisen (Umfeldanalysen, SWOTAnalysen, Portfolioanalysen, Kunden- und Stakeholderbefragungen; Bruhn 2012; Buber 2015; Christa 2010) und die strategische Ausrichtung an den »klassischen vier P des Marketings«36 (Merchel 2015a, S. 265 ff.; Christa 2010; Kortendieck 2011, S. 101 ff.) sind als methodische Hilfsmittel zu konzipieren und anzuwenden, um zu einem reflektierten Verstehen von Umwelt zu gelangen, um Reflexionen zu den Schnittstellen zwischen Organisation und Umwelt anzuregen, um wirkungsoptionale Ankoppelungen herzustellen und deren Wirkungen zu beobachten – also als Hilfsmittel beim Abtasten der Umwelt nach möglichen Anhaltspunkten, an denen die Bemühungen zur Aufrechterhaltung der Organisation ansetzen können. Die Verwendung der Instrumente und Verfahren des Marketings soll daran ausgerichtet sein, »sich einerseits verlässliche Bilder des eigenen Geschäftsumfelds zu verschaffen und andererseits offen zu sein für Überraschungen und noch unbekannte Entwicklungen, um so den eigenen Markt durch eine Weiterentwicklung des eigenen Leistungsspektrums immer wieder neu zu erfinden« (Wimmer u. Schumacher

2014, S. 228). Methoden der Umweltanalyse dienen »dem Versuch der Selbstirritation eines Unternehmens, um Entwicklungen antizipieren zu können, die für den Unternehmenserfolg potenziell kritisch verlaufen könnten« (Lambers 2015, S. 68), wobei – wie bei jeder Form der Selbstirritation und fernab von jedem objektivistischen Missverständnis einer Datenerhebung als verlässliche Aussage über die Wirklichkeit – der instrumentelle Charakter der Methoden als Hilfsmittel zur Erzeugung von Reflexionsanlässen im Mittelpunkt steht. Ohne die Beachtung der instrumentellen Bedeutung der Analyseverfahren und deren systemische Anbindung an kommunikative Reflexionsverfahren in der Organisation zerfließt der Wert des Analyseaufwands und verflüchtigt sich zu »Marketingstrategien« mit rein zufallsorientierter Wirkungsdynamik.

8.5 Unterschiede zu »nicht systemischen« Marketingkonzepten Bei der Charakterisierung der Orientierungslinien zu einem systemisch ausgerichteten Marketing drängt sich die Frage nach den Unterschieden zu »nicht systemischen« Konzepten auf: Ist es lediglich der theoretische Rahmen oder die zurückhaltende Bewertung der Bedeutung von Marketinginstrumenten und – verfahren, die sich eher im konzeptionellen Denken und weniger in der Praxis des Marketings auswirken? Sieht die Praxis eines »systemischen Marketings« markant anders aus als die eines »nicht systemischen Marketings«? Systemisch ausgerichtete und nicht systemische Konzepte des Marketings unterscheiden sich in ihrer grundlegenden Perspektive zunächst nicht: In beiden Konzeptionierungen des Marketings geht es um die Gestaltung der Bezüge Organisation–Umwelt, um das bewusste, differenzierte und methodisch angeleitete In-Bezug-Setzen einer Organisation zu den Anforderungen und Erwartungen ihrer Umwelt bzw. der für sie relevanten Umweltsegmente. Unterschiede sind insbesondere in zwei Aspekten zu konstatieren: • Bei einem nicht systemischen Marketingverständnis ist die Perspektive letztlich einseitig auf die Organisation beschränkt, die Marketing betreibt. Marketing erscheint weniger als eine Austauschbeziehung mit der Umwelt, sondern vorwiegend als ein von der Organisation ausgehendes Bestreben, sich mit einem bestimmten Bild in der Umwelt zu positionieren und zu verankern. Nach einem solchen Verständnis ist »festzulegen, aus welchen Identitätselementen die Wahrnehmung der NPO bestehen soll« (Lichtsteiner et al. 2015, S. 211). Dass dies nicht »festgelegt« werden kann, sondern dass die Kommunikation von »Identitätselementen« lediglich als ein Kommunikations-angebot zu sehen ist, dessen Annahme durch relevanten Umweltakteure zu beobachten und dann im Hinblick auf weitere

Kommunikationsaktivitäten zu bewerten ist, bleibt bei einem solchen Verständnis unterbelichtet. Es bleibt bei einem »voluntaristischen Missverständnis«: dass die Organisation ihr »Bild« selbst erzeugen könne, wenn sie es nur geschickt anstelle. • Damit einher geht ein zweiter Unterschied: eine steuerungsoptimistische Sicht, mit der Marketing betrieben und die Marketinginstrumente eingesetzt werden. Marketing soll sich »vollumfänglich an rationalen Entscheidungen auf der Basis von relevantem Wissen orientieren«, und die Methoden (Umfeldanalyse, SWOT-Analyse etc.) werden eingesetzt, um solche »rationalen Entscheidungen« instrumentell herbeizuführen (Christa 2010, S. 31). Die steuerungsoptimistische Verkürzung wird bisweilen plakativ auf den Punkt gebracht (Knüpp 2013, S. 646): »Marketing ist eine einfache und sichere Methode für ein Unternehmen, seine Marktchancen zu erkennen und sie erfolgreich zu nutzen. (…) Die Marketing-Methodik bietet ein ziel- und praxisorientiertes Instrumentarium, mit dem sozialwirtschaftliche Anbieter die erforderliche Neuorientierung in allen erfolgskritischen Bereichen bewältigen können: Von der Frage einer grundsätzlichen Neupositionierung über das Entwickeln einer zukunftsorientierten Strategie bis zur Realisierung in allen Unternehmensebenen und -bereichen kann systematisch und kontrolliert geplant und realisiert werden. Mit der Marketing-Methode haben soziale Organisationen ihren Erfolg und ihre Zukunft selbst in der Hand.« Marketing wird konzipiert als eine kausale Abfolge von Handlungsketten – von der Situationsanalyse über die Prognose, die Festlegung von Marketingzielen und Marketingstrategien, den Aufbau einer operativen Marketingplanung bis zur Marketingimplementierung (z. B. Buber 2015) –, deren sorgfältige Bearbeitung einen »Marketingerfolg« im Sinne einer stabilen Positionierung der Organisation in ihrer Umwelt und damit »Unternehmenserfolg« verspricht. Leitend ist »die Einsicht, dass Austauschprozesse dann erfolgreich verlaufen, wenn die Erfüllung der Ansprüche, Bedürfnisse und Interessen der Austauschpartner zielorientiert geplant und ausgeführt wird« (Arnold 2014b, S. 656). In einer solchen steuerungsoptimistischen Sicht haben a) reflexive Schleifen und b) eine Beachtung der Widersprüche und Paradoxien, die das Marketing durchziehen, keinen bedeutsamen Platz. Wenn sie überhaupt beachtet werden, dann verkommen sie zu Marginalien, etwa in der Anforderung eines »Marketing-Controllings«, verstanden als »Kontrolle/Evaluierung des MarketingErfolgs« und als Bemühen zur Erklärung der »Soll-Ist-Abweichung« (Buber 2015, S. 38). Eine Bedeutung als integraler konzeptioneller Bestandteil eines reflexiv angelegten Marketings wird ihnen nicht zuteil.

Die Differenz zwischen einem systemischen und einem nicht systemischen Konzept von Marketing ist somit vornehmlich zu verorten a) im unterschiedlichen Verständnis dessen, was das Verhältnis Organisationssystem–Umwelt ausmacht, und entsprechend b) in der unterschiedlichen Konzipierung von Marketingmethoden im Hinblick auf die Steuerungserwartungen zur Positionierung einer Organisation in ihrer Umwelt. Wird der Fokus bei der Betrachtung des Verhältnisses Organisation–Umwelt vorwiegend und tendenziell einseitig auf die Organisation und ihr Verankerungsbestreben gelenkt (»Wie kann die Organisation das Bild, das sie sich von ihr wünscht, in die Umwelt transportieren?«), dann folgt daraus logischerweise ein primär instrumentelles Verständnis der Marketingmethoden. Diese dienen dann nicht in erster Linie zur Herstellung einer reflexiven Distanz, sondern vor allem zum »Durchdringen« der Umwelt, verbunden mit der steuerungsoptimistischen Annahme, dass ein gut geplanter und »kompetenter« Umgang mit den Methoden einen »Unternehmenserfolg« zu einem sehr wahrscheinlichen Ereignis macht. Wie dann die dennoch immer wieder zu verzeichnenden Misserfolge (Leistungen, die im Markt nicht angenommen werden; Unzufriedenheit der Leistungsnehmer; geringe Inanspruchnahme von vermeintlich qualitativ guten Leistungen; Insolvenzen von Trägern Sozialer Arbeit aufgrund mangelnder Inanspruchnahme etc.) zu erklären sind, bleibt offen: vermutlich weil die Marketingmethoden nicht »kompetent genug« angewendet wurden!?

8.6 Leitorientierungen für ein systemisch konzipiertes Marketing 1) Marketing ist auch in der Sozialen Arbeit dringend erforderlich, um die SystemUmwelt-Differenz für Managementhandeln ins Bewusstsein zu bringen und bearbeitbar zu machen. Dabei sind die hier zu beachtenden Spezifika sozialer Dienstleistungen (Abhängigkeit der Leistungserbringung durch politische Vorgaben und Entscheidungen; Vertrauensgüter) besonders in den Blick zu nehmen. 2) »Marketing« vollzieht sich immer – mit und ohne Absicht und Entscheidungen der Organisation. Denn jede Organisation ist eingebunden in eine Umwelt und steht in faktischer Kommunikation mit der Umwelt, sodass sie ein Bild von sich erzeugt. »Implizites Marketing« ist größtenteils zu ersetzen bzw. anzureichern durch »explizites, reflektiertes Marketing«. 3) Was die »Umwelt« einer Organisation ist und als »Umwelt« Bedeutung annimmt, entscheidet die Organisation. Die Bezugnahme auf »Umwelt« setzt deren Konstruktion durch die Organisation voraus. Die Organisation muss zyklisch überprüfen, ob die durch ihre Entscheidungen vorgenommene Rahmung von »Umwelt« noch stimmig erscheint. 4) Marketing vollzieht sich gleichermaßen durch das Ermöglichen und Herbeiführen von

Leistungsaustausch auf der Grundlage von Umweltbeobachtung und ankoppelungsfähiger Leistungserbringung sowie durch Profilierung der Organisation zur Herbeiführung von Unterscheidbarkeit und durch Kommunikation von Unterschieden. 5) Marketing ist nicht nur explizite Bezugnahme auf die Umwelt und Kommunikation mit der Umwelt. Genauso bedeutsam sind die impliziten Modi, in denen sich eine Organisation gegenüber ihrer Umwelt darstellt. Das Verhalten eines jeden Organisationsmitglieds wird damit zu einem Element mit faktischer Marketingbedeutung für die Organisation, zu einem »gelebten, vielgestaltigen Marketing«. Marketing bedarf daher der beobachtenden Gestaltung, damit die Darstellungsabsichten der Organisation und die Darstellungen der Organisation in den Kommunikationsaktivitäten der Organisationsmitglieder nicht zu sehr divergieren. 6) Wie auch bei anderen Managementaufgaben besteht Marketing in einem aktiven, reflektierenden Umgang mit Paradoxien, hier insbesondere: – Offenheit gegenüber Anforderungen der Umwelt vs. Profilgewinnung/Profilbehauptung als Modus der Abgrenzung; – Beachtung und Ausbalancierung von sich z. T. widersprechenden Erwartungen von Interessenträgern bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Organisationsprofils; – Beobachtungsoffenheit für die Logik von Umweltakteuren bei gleichzeitigem Bewusstsein der Begrenztheit der Beobachtungsoptionen durch die Systemlogik der Organisation; – Notwendige Zentralität bei gleichzeitiger Dezentralität der Kommunikation mit der Umwelt. 7) Ein systemisch verstandenes Marketing … – … sorgt für eine partielle Überwindung von Selbstreferenzialität durch Beobachtung und Reflexion der Außensicht auf die Organisation – und dies im Bewusstsein der nur begrenzten Beobachtbarkeit dieser Außensicht; – … gewährleistet eine differenzierte, kontinuierliche Umweltbeobachtung und bemüht sich um mehrperspektivische Bewertungen insbesondere der Leistungen der Organisation; – … ist sich der Begrenztheit der Beobachtungsfähigkeit durch eigene Beobachtungsund Interpretationslogiken bewusst und versucht entsprechend, Modalitäten der »Beobachtung 2. Ordnung« zu installieren; – … schafft organisationsintern Bewusstheit für die Marketingbedeutung der Leistungserstellung und der Kommunikation jedes einzelnen Organisationsmitglieds und/oder der verschiedenen Organisationssegmente – … versucht, die internen Kommunikationsmodi und die beabsichtigten, nach außen gerichteten Kommunikationssignale möglichst anzugleichen;

– … rechnet mit dem Nichtgelingen von Kommunikation und leitet daraus die Notwendigkeit kontinuierlicher Beobachtung und Bewertung ab; – … versteht Marketinginstrumente und -methoden als Hilfen zur Erzeugung tragfähiger Hypothesen für die Gestaltung von Ankoppelungen an die Umwelt sowie als Hilfen zur Erzeugung von Reflexionsanlässen zu den Wirkungen und Nebenwirkungen solcher Ankoppelungsaktivitäten.

33 Die Bemühungen, im Rahmen einer Verwaltungsmodernisierung mit dem Etikett der »Neuen Steuerung« die Perspektivenbegrenzungen einer kommunalen Bürokratie u. a. durch eine stärkere »Kundenorientierung« zu reduzieren und durch eine stärkere Ankoppelung von Verwaltungshandeln an Prozesse in der Umwelt eine größere Offenheit in den Kommunikationen zu erreichen (umfassend: Blanke et al. 2010), haben sich als nur eingeschränkt erfolgreich erwiesen (Bogumil et al. 2007; Grohs 2010). 34 Marketing wird hier auf die Gestaltung und Reflexion der Austauschbeziehungen zur Umwelt, also der Außenbeziehungen, reduziert – im Unterschied zu einem bisweilen anzutreffenden Verständnis, bei dem unter der Proklamation von Marketing als »Ausrichtung des Handelns an verschiedenen Interessenträgern« auch interne Interessenträger zum Bezugspunkt von Marketing erklärt werden. So etwas wie »organisationsinternes Marketing« als Ausrichtung auf Mitarbeiter als »interne Kundengruppe« zu proklamieren (Buber 2015, S. 36 f.), ist wenig überzeugend, weil a) damit große Teile von Personalmanagement und Organisationsgestaltung »irgendwie« zum Bestandteil von Marketing erklärt werden können, da sie sich immer auf die »Kundengruppe Mitarbeiter« ausrichten und der Begriff Marketing so markant an Bedeutungsschärfe verliert und weil b) dadurch die im Marketing enthaltene Herausforderung, das Leistungspotenzial der Organisation aus der Perspektive von relevanten Interessenträgern zu betrachten und daraus Gestaltungsperspektiven zu gewinnen, geradezu unterlaufen wird. 35 Zu theoretischen Beschreibungen/Analysen von Marketing als einem »System« vergleiche Reinbacher (2018). Die Ausführungen von Reinbacher offenbaren jedoch nur am Rande Perspektiven des praktischen Marketings; spezifische Bezüge auf das Marketing im Kontext sozialer Dienstleistungen enthalten seine Ausführungen nicht. 36 Die »vier klassischen P des Marketings« kennzeichnen strategische Anforderungsfelder des Marketings. Es geht um Leistungen und Leistungspolitik einer Organisation (»product«), um den Preis bzw. die Gegenleistungen der Austauschpartner (»price«), um die Modalitäten des Absatzes der Leistungen (»place«) und um die öffentlichkeitsbezogene Kommunikation (»promotion«) einschließlich der Herausbildung einer Corporate Identity mitsamt der damit einhergehenden Bestimmung des Corporate Behaviour und des Corporate Designs.

9 Qualitätsmanagement

Aus einer Stellungnahme zum Qualitätsmanagement im Allgemeinen Sozialen Dienst von Jugendämtern einer Großstadt (Landesarbeitsgemeinschaft ASD Hamburg 2017): »Qualität der Sozialen Arbeit im ASD sollte vor allem das Kindeswohl, die Unterstützung der Eltern und anderer Erziehungsberechtigter und nicht die Kosteneffizienz und das starre Einhalten von Regeln in den Mittelpunkt stellen. … Qualität … stellt eine Grundlage für einen vertrauensvollen Beziehungsaufbau zwischen ASD und Adressat/innen dar. Der Aufbau einer vertrauensvollen Arbeitsbeziehung wird durch hohe Arbeitsbelastung und Standardisierung von Hilfeabläufen erschwert und ist zudem kaum objektiv messbar. An ihre Stelle tritt eine distanzierte und formalisierte soziale Dienstleistung. … Qualitätsstandards und -managementsysteme in der Sozialen Arbeit dürfen sich weder auf Verfahrensfragen (DIN ISO) beschränken, noch sollten diese im Fokus stehen. Eine enge Regulierung bzw. Qualitätssicherung über Verfahrensstandards nimmt der Sozialen Arbeit ihre Eigenständigkeit, die ein Kernmerkmal ihrer Professionalität ist. … Die Handlungsfähigkeit der Fachkräfte kann durch Qualitätsmanagementverfahren zunehmend gesteuert und überwacht werden, die fachlichen Handlungsspielräume werden eingeschränkt. Die steigende Dokumentationspflicht dient dabei nicht allein der Einhaltung gesetzlicher Standards, sondern auch der engmaschigen Kontrolle, sodass Hilfebedarfe und passende Unterstützungsleistungen durch Dienstvorgesetzte und übergeordnete Fachkräfte abgelehnt werden können.« In diesem Auszug aus einer Stellungnahme ist die Skepsis von Fachkräften in der Sozialen Arbeit auf den Punkt gebracht: Qualitätsmanagement wird in Verbindung gebracht mit Regulierung, Standardisierung, Formalisierung und einem fremdbestimmten Eingriff in die Professionalität des Handelns. Qualitätsmanagement erscheint als Gegenpunkt zu Professionalität, zu vertrauensvollen Beziehungen, die eigentlich der Zielpunkt sozialarbeiterischen Handelns sein sollten, zur Individualität der Arbeitsbeziehungen, die als kaum objektiv messbar angesehen werden. Die Reduktion auf formalisierte Verfahrensanweisungen wird kritisiert als eine mangelnde Beachtung der fachlichinhaltlichen Ebene der Arbeit: das Erzeugen von Vertrauen als Grundlage von Hilfe und Unterstützung und der Aufbau einer entsprechenden Beziehung zu den Adressaten. Qualitätsmanagement wird empfunden als ein Instrument zur Kontrolle von Fachkräften (u. a. mithilfe »steigender Dokumentationspflichten«, also wachsender Bürokratisierung) und als

ein Verfahren zur fachfremden Kostensteuerung. Das hier geäußerte Unbehagen macht Spannungen kenntlich, die viele Fachkräfte aus unterschiedlichen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit empfinden: einerseits das Bemühen, in der Aneignung und Umsetzung professioneller Handlungsorientierungen und Methoden »gute Arbeit« zu machen, und die Forderung, dafür ein gewisses Maß an Eigenständigkeit und Flexibilität im Handeln zugestanden zu bekommen, sowie andererseits das Empfinden, dass das in der Organisation verankerte Qualitätsmanagement nur sehr begrenzt Qualität zu erzeugen vermag oder partiell sogar das Entstehen von Qualität behindert. Denn der Kern professionellen Handelns, der individuelle, Hilfe und Unterstützung ermöglichende Beziehungsaufbau zu den Adressaten, werde vom Qualitätsmanagement kaum oder gar nicht angesprochen oder gar durch Formalisierung, Bürokratisierung und Kontrolle bedroht. Zugespitzt: Qualität der Arbeit lasse sich durch Qualitätsmanagement nur sehr begrenzt gewährleisten, häufig müsse die Qualität des Handelns in Abgrenzung oder gar gegen die Verfahren des Qualitätsmanagements durchgesetzt werden. Qualitätsmanagement erscheint vielen Fachkräften nur sehr begrenzt anschlussfähig an die Logik und die Modalitäten professionellen Handelns in der Sozialen Arbeit. Dem steht die Wahrnehmung gegenüber, dass Qualitätsmanagement mittlerweile zu den selbstverständlichen Anforderungen gehört, die an eine Organisation gerichtet werden und denen sich eine Organisation stellen muss, wenn sie ihre Legitimation nicht nachdrücklich gefährden will. Die Anforderungen zum Qualitätsmanagement, die in der Güterproduktion ihren Ausgang nahmen, haben sich deutlich auf andere Organisationsbereiche ausgeweitet: Auch im medizinischen Bereich, bei sozialen Dienstleistungen oder im Bildungsbereich werden Organisationen mit der Anforderung zum Qualitätsmanagement konfrontiert, der sie sich nur noch bedingt entziehen können (u. a. Hensen 2016; Merchel 2013; Deutsche Gesellschaft für Qualität 2015 und 2016; Dubs 2013). Die Anforderung, Qualitätsmanagement zu betreiben, wird über gesetzliche Bestimmungen (u. a. in den Büchern des Sozialgesetzbuchs), Auflagen bei der Finanzierung und politische Programme an die Organisationen herangetragen und darüber hinaus von politisch-administrativen Akteuren und in einflussreichen Segmenten der Öffentlichkeit zum Teil sehr deutlich artikuliert. Die Umwelt erwartet von Organisationen der Sozialen Arbeit, dass sie sich gezielt mir Fragen der Qualität und der »Qualitätssicherung« auseinandersetzen sowie durch planvolles Handeln das Erzeugen von Qualität nicht personellen Zufälligkeiten innerhalb der Organisation überlassen. Die offenkundige Divergenz zwischen Skepsis gegenüber Qualitätsmanagement in der Sozialen Arbeit einerseits und Allgegenwärtigkeit von Anforderungen zum Qualitätsmanagement mit den entsprechenden Organisationsaktivitäten andererseits weist auf Paradoxien hin, die erklärt und entfaltet werden müssen, um Orientierung für einen angemessenen Umgang mit diesen Paradoxien zu gewinnen: Wie lassen sich die skizzierten Divergenzen interpretieren? Welche Modalitäten und Orientierungen für ein systemisch

konzipiertes Qualitätsmanagement lassen sich formulieren, mit denen sich die dem Qualitätsmanagement inhärenten Spannungsfelder und Paradoxien reflexiv und balancierend handhaben lassen?

9.1 Warum Qualitätsmanagement in der Sozialen Arbeit? Anforderungen und Widersprüche Wie bereits angedeutet, sind Organisationen der Sozialen Arbeit in mehreren Kontexten mit der Anforderung konfrontiert, systematisch am Thema »Qualität« zu arbeiten und Vorkehrungen zu treffen, um ein bestimmtes Maß an »Qualität« ihrer Arbeit verlässlich und erwartbar zu gewährleisten. Inhaltlich lassen sich die in verschiedenen Kontexten geäußerten Anforderungen zu drei Bündeln zusammenfassen: • Profilierung des Qualitätsthemas in Sozialgesetzen • Erzeugen und Aufrechterhalten von Professionalität innerhalb der Organisation • Nutzennachweis im Zuge politisch stärker akzentuierter Wirtschaftlichkeitsanforderungen Profilierung des Qualitätsthemas in Sozialgesetzen In allen Teilen bzw. Büchern des Sozialgesetzbuchs, die für die Einrichtungen Sozialer Arbeit unmittelbare und zentrale Regelungen enthalten, sind seit Ende der 1980er-Jahre Vorschriften eingesetzt worden, die Qualität, Qualitätsüberprüfung oder Qualitätsentwicklung zum Gegenstand haben: Das Qualitätsthema ist in umfassender Weise durch den Gesetzgeber in die Soziale Arbeit hineingetragen worden – mit unterschiedlichen thematischen, semantischen und prozessualen Nuancierungen in verschiedenen Büchern des SGB (Qualitätskontrolle, Qualitätssicherung, Qualitätsentwicklung, Qualitätsprüfung; z. T. mit Zertifizierungsanforderungen; teilweise mit explizitem Bezug von Qualität und »Wirtschaftlichkeit«). Durch die Verankerung des Qualitätsthemas in den Sozialgesetzen kann eine Organisation der Sozialen Arbeit sich kaum um dieses Thema herumdrücken: Zur nach außen gerichteten Legitimation muss eine Organisation verdeutlichen, dass sie irgendeine Form von Qualitätsmanagement betreibt. Eine solche nach außen gerichtete Legitimation folgt jedoch nicht allein der gesetzlichen Anforderung, sondern ist ebenfalls der Antwortversuch auf eine sozialpolitische Anfrage: Angesichts der zunehmenden Kosten für soziale Leistungen sehen sich die Organisationen stärker der Frage ausgesetzt, was mit dem Geld geschieht, das in Soziale Arbeit »investiert« wird, und welche Wirkungen mit den finanzierten Handlungsweisen erreicht werden. Der nach außen gerichtete Nachweis von qualitativer Arbeit und Effektivität (adressatenbezogene Wirkungen) ist somit ebenso gesetzlichen wie sozialpolitischen Anforderungen geschuldet.

Erzeugen und Aufrechterhalten von Professionalität innerhalb der Organisation Das Herstellen von Transparenz bezüglich Qualität und Erfolg des Handelns ist maßgeblich für die Handlungsmotivation und die Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiter. Bleibt das Gefühl qualitativ guten, erfolgreichen Arbeitens aus oder ergibt sich ein diffuses, aber nachdrückliches Unbehagen hinsichtlich dessen, was man bewirkt, bilden sich markante Zweifel am Sinn des eigenen Handelns, was sich über längere Zeit zu Phänomenen des sog. »Burn-out« verdichten kann. Neben dieser persönlichen Ebene muss die Organisation auch den Mitarbeitern Signale geben, die professionell adäquate von professionell inadäquaten Handlungsweisen unterscheiden. Die Organisation erweist sich dann als professionell, wenn sie auf den Ebenen der Ziele und Programme (und deren Verkoppelung) verlässliche und begründbare Orientierungspunkte für das Handeln der Mitarbeiter setzt. Qualitätsmanagement dient also auch der professionellen Selbstvergewisserung und verdeutlicht Erwartungen der Organisation an die in ihr Handelnden. Nutzennachweis im Zuge politisch stärker akzentuierter Wirtschaftlichkeitsanforderungen Wenn Differenzen deutlicher werden zwischen sich ausweitenden, gesellschaftlich als Problem definierten Situationen einerseits und den gesellschaftlich für soziale Problembewältigung als verfügbar angesehenen Ressourcen andererseits, wächst der Druck auf Organisationen der Sozialen Arbeit, Rechenschaft abzulegen darüber, welche Wirkungen mit den eingesetzten Ressourcen erreicht werden und ob mit ähnlichem Ressourcenaufwand ein Mehr an Wirkungen erzielt werden könnte. »Wirkungsorientierung« wird zur Hoffnungsformel, um Kriterien für einen zielgerichteten Einsatz von Ressourcen und für die Suche nach Wirtschaftlichkeitsreserven (größerer Nutzen bei gleich bleibendem Ressourceneinsatz) zu erhalten (Polutta 2014; Schober u. Rauscher 2014). Ferner vollzieht sich in den Beziehungen zwischen Politik/Verwaltung und leistungserbringenden Trägern seit einiger Zeit eine Umorientierung von einem vorgängigen Vertrauen in das Handeln freier Träger hin zu Anforderungen der Rechenschaftslegung (»accountability«), und zwar sowohl im wirtschaftlichen als auch im fachlichen Bereich. »Der Vertrauensvorschuss in die Leistungsfähigkeit von NPOs wird massiv kritisch hinterfragt, was dazu führt, dass NPOs vielfältige Vertrauenswürdigkeitssignale aussenden müssen. … Durch den Wandel (von einer ›trust me‹-Kultur; Anm. S. G./J. M.) hin zu einer ›prove me‹-Kultur sind entsprechende Signale keine Kür mehr, sondern gehören zunehmend zur existenziell notwendigen Pflichtübung für NPOs.« (Greiling 2014, S. 238.)

Die Erwartungen an Wirksamkeitsnachweise bilden den fachlichen, mit Wirtschaftlichkeit verkoppelten Teil zur Legitimierung der leistungserbringenden Organisationen. Spannungsfelder im Qualitätsmanagement Mit der Leitformel »Qualität« und von der an sie angehängten Steuerungsmodalität »Qualitätsmanagement« versprechen sich Organisationen der Sozialen Arbeit eine Bewältigung der benannten Anforderungen, und zwar sowohl diejenigen Organisationen (öffentliche Träger) und sozialpolitischen Akteure, die die Anforderungen an die Leistungserbringer herantragen, als auch diejenigen Organisationen, die als Leistungserbringer den Anforderungen genügen sollen und dafür Legitimation erhalten wollen. Die Leitformel »Qualität« hat zwei Vorteile: Sie ist zum einen als Kontingenzformel hinreichend offen und bedarf jeweils einer handlungsfeld- und organisationspezifischen Codierung und Programmierung, wodurch Flexibilitätsräume eröffnet werden; zum anderen trägt sie eine unabweisbare legitimatorische Bedeutung und wirkt dadurch als eine »mächtige Formel«. Obwohl der Begriff in seinem Ursprung bedeutungsoffen ist (»Beschaffenheit« eines Gegenstands oder Vorgangs), wird er in der Regel mit einem stark positiv aufgeladenen semantischen Gehalt verwendet, da er mit der Leitdifferenz »gut/schlecht« arbeitet. Somit werden keine Organisation und kein Managementakteur es sich leisten können, sich gegen die Anmutung zu stellen, systematisch und offensiv an der »Qualität« zu arbeiten. Das Thema »Qualität« wird sowohl im Innern der Organisation unabweisbar eingebracht als auch in den Anforderungen der Umwelt nicht zurückgewiesen werden können. Organisationsintern wird niemand das Bestreben, »gute Arbeit« zu leisten und an der Weiterentwicklung hin zu »Verbesserung« interessiert zu sein, als illegitim abweisen. Auch in den Umweltbezügen muss den institutionalisierten Erwartungen, dass eine Organisation das Thema »Qualität« explizit bearbeitet und systematisierte Aktivitäten zur Gewährleistung eines gewissen Maßes an Qualität unternimmt, Rechnung getragen werden, wenn man sich nicht dem Risiko eines Legitimationsverlusts aussetzen will (Walgenbach 2014; Walgenbach u. Beck 2000). Zu entscheiden ist in einer Organisation, auf welche Weise man sich dem Thema »Qualität« nähern und mit welcher Ernsthaftigkeit man das Thema bearbeiten will. Bei den Versuchen, die Leitformel »Qualität« zur Bewältigung der skizzierten Anforderungen handhabbar zu machen, werden jedoch Spannungsfelder erkennbar, die sich zu einem erheblichen Teil wegen der Unaufhebbarkeit der Anforderungsdivergenzen zu Paradoxien im Managementhandeln verdichten: • Die Notwendigkeit, entlang der Leitdifferenz »gut/schlecht« relativ eindeutige Codierungen vorzunehmen und dadurch den Kontingenzraum merklich einzugrenzen, bricht sich an zwei gleichermaßen bedeutsamen Anforderungen: zum einen an der Notwendigkeit, Interessendivergenzen verschiedener relevanter Akteure innerhalb der Organisation und in der Organisationsumwelt sowie damit verbundene unklare Machtpotenziale zu beachten und auszugleichen, zum anderen an dem Erfordernis, die

vielfach diffusen methodischen Normen der Sozialen Arbeit (z. B. die Formeln: Sozialraumorientierung, gelingender Beziehungsaufbau, Herstellen von Vertrauen, Ressourcenorientierung, Empowerment, Schaffen von Arbeitsbündnissen, Bedürfnisorientierung u. a.m.) einigermaßen plausibel und handhabbar in die zu codierende Leitdifferenz »gut/schlecht« zu transferieren. Es besteht also das Problem, die inhaltliche Ebene von »Qualität« so zu codieren, dass die Codierungen an unterschiedliche Systemlogiken (innerhalb und im Umfeld der Organisation) anschlussfähig sind und inhaltliche Eingrenzungen (»Festlegungen«) bei gleichzeitigem partiellem Offenhalten (»Flexibilisierungsoptionen«) für Interpretationen liefern. • Qualitätsmanagement folgt zu einem erheblichen Teil der Verfahrenslogik, Berechenbarkeit des Handelns zu erzeugen durch die Definition von »Standards«, die das Handeln (an)leiten, und mit der Gewährleistung der Einhaltung dieser Standards. Ohne die Vorstellung, Qualität zu einem erheblichen Teil intentional durch Verfahrensvorgaben herstellen und ihr Entstehen nicht dem Zufall überlassen zu können, sind die skizzierten Anforderungen nicht einzulösen. Dagegen steht die Logik der sozialen Dienstleistungen: Der Kern sozialer Dienstleistungen zielt auf eine individuelle, die jeweils spezifische Lebenskonstellation der Adressaten berücksichtigende und auf das Erzeugen individueller Koproduktionsbereitschaft zielende Leistungserbringung. Je stärker der Kern sozialer Dienstleistungen angesprochen wird, desto deutlicher entzieht sich dies der Berechenbarkeit und Vorprägbarkeit von Handlungsabfolgen. Ungewöhnliche und nicht genau vorhersehbare Anforderungen sowie in Prozessen auftauchende Unkalkulierbarkeiten, die für soziale Dienstleistungen typisch sind (Kapitel 2), lassen sich nicht prospektiv in eindeutige Verfahrensstandards fassen. Hier bedarf es informeller, nicht durch Standardisierung normierter Handlungsspielräume. Es ergibt sich somit das Paradox, dass die Intention, über Verfahrensstandards und Verhaltensnormierungen Qualität herzustellen und zu gewährleisten, das Entstehen von Qualität bei sozialen Dienstleistungen geradezu verhindert. • Das intentionale Herstellen von »Qualität« erfordert nicht nur die Definition von (voraussichtlich Qualität erzeugenden) Verfahrensweisen, es muss auch kontrolliert werden, ob die Organisationsakteure sich an die normierten Verfahrensabfolgen halten. Ohne Qualitätskontrolle, die immer auch eine Verhaltenskontrolle bei den Organisationsakteuren beinhaltet, gerät Qualitätsmanagement in Gefahr, reines Programm ohne Ankoppelung an das reale Handeln zu bleiben. Andererseits benötigen Organisationsakteure Freiräume für Informalität und Kreativität, um die ihnen auferlegten Aufgaben adäquat, d. h. in professioneller Weise, erledigen zu können. Eine durch Verfahrensnormierung und Verhaltenskontrolle geprägte Organisationskultur reduziert jedoch die Entscheidungs- und die damit einhergehende

Risikobereitschaft aufseiten der Organisationsmitglieder, die für eine fachlich gute Leistungserbringung erforderlich sind. Da bei sozialen Dienstleistungen Qualität auf der Grundlage von individuellen, fallbezogenen Entscheidungen entsteht, was eine professionelle Verantwortungsübernahme voraussetzt, steht Qualitätsmanagement vor dem Paradox, einerseits die Umsetzung von Verhaltensnormierungen kontrollieren zu müssen, was jedoch andererseits tendenziell die individuelle Verantwortungsbereitschaft bei notwendigen Entscheidungen unterminiert. • Das Einführen und das kontinuierliche Lebendig-Halten von Qualitätsmanagement in Organisationen werden zunächst dadurch wirksam, dass sie Routinen stören. Die Störung erfolgt zum einen dadurch, dass bisher entstandene Routinen einer Bewertung unterzogen werden (anhand der Leitdifferenz »gut/schlecht« und der dadurch ausgelösten Codierungen), und zum anderen, indem veränderte, vermeintlich bessere Verfahrensweisen an deren Stelle gesetzt werden. Die Organisation schützt sich durch das Installieren neuer Routinen vor einem zu hohen Ausmaß an Störung. Diese neuen Routinen bedürfen wiederum der Störung, denn nur durch Beobachtung der neuen Routinen und ihrer Folgen wird Qualität zu einem kontinuierlichen Entwicklungsprojekt, wie es in Formeln wie »Qualitätsentwicklung« oder »KVP – kontinuierlicher Verbesserungsprozess« programmatisch zum Ausdruck gebracht wird. Organisationen bedürfen jedoch der Routinen, um leistungsfähig zu bleiben; ohne bzw. durch ein zu geringes Maß an Routinen laufen Organisationen Gefahr, aufgrund der übergroßen Beschäftigung mit sich selbst ihre Leistungsfähigkeit einzubüßen. Qualitätsmanagement muss also gleichermaßen Routinen infrage stellen, stören, dekonstruieren wie andererseits Routinen herbeiführen und stärken – eine Paradoxie, die dadurch noch deutlicher zutage tritt, dass Qualitätsmanagement selbst sich als eine Routine herausbilden kann, die immer wieder beobachtet und gestört werden muss, wenn sie ihre Sinnhaftigkeit, die Impulsgebung zur Überprüfung von Routinen, zum Tragen kommen lassen will. Die Praxis des Qualitätsmanagements in Organisationen der Sozialen Arbeit ist also mit grundlegenden Spannungsfeldern und Paradoxien konfrontiert, die sich noch erweitern, wenn man in einzelne Aspekte des Qualitätsmanagements tiefer eindringt. So z. B. im Hinblick auf die Erfassung von Wirkungen als Teil von Ergebnisqualität: Wirkung zum einen als selbstverständlich zu beobachtende und möglichst zu messende Dimension der Qualität sozialarbeiterischen Handelns, zum anderen die Relativierung der Zuschreibung von Wirkung auf Handlungsweisen angesichts fehlender Kausalketten und multifaktorieller Konstellationen bei sozialen Dienstleistungen (Merchel 2013, S. 57 ff.; Merchel 2016). Oder im Hinblick auf die Divergenz zwischen den Anforderungen an quantitative Messbarkeit und Verallgemeinerbarkeit von Qualitätserhebungen einerseits und dem Erfordernis qualitativen Vorgehens und individueller Ausdifferenzierung bei falldifferenzierenden Qualitätsdiskursen andererseits.

Zu bewerten ist, ob und wie das bisher vielfach praktizierte, in Lehrbüchern und Anleitungen explizierte und in »QM-Systemen« konzipierte Qualitätsmanagement (u. a. Deutsche Gesellschaft für Qualität 2016; Rugor u. von Studzinski 2012; Vomberg 2010; Zollondz 2011) mit diesen Spannungsfeldern und Paradoxien umgeht, wo Leerstellen und Nebenfolgen solcher traditionellen QM-Konzepte sind. Ferner ist zu erörtern, an welchen Orientierungen sich demgegenüber ein systemisch ausgerichtetes Qualitätsmanagement der Bearbeitung dieser Paradoxien und Spannungsfelder nähern kann.

9.2 Orientierungslinien im »traditionellen« Qualitätsmanagement Ein zentrales Anliegen der Qualitätsmanagementkonzepte besteht darin, die Komplexität möglicher Handlungsweisen zu reduzieren, indem durch standardisierte Aufgabendefinitionen und Abläufe die Möglichkeit von individuellen Entscheidungen eingeschränkt und im Sinne organisational als »gut« festgelegter Verfahren gelenkt wird. Qualitätsmanagement wird genutzt zur Erzeugung von »Entscheidungsprämissen« (Simon 2013a, S. 70 ff.), bzw. die Art des Qualitätsmanagements wird selbst zu einer »Entscheidungsprämisse«. In diesen Konzepten folgt das Qualitätsmanagement folgenden Intentionen: Vermeintlich »gute« Prozessabläufe werden durch die Organisation definiert und festgelegt, den Organisationsmitgliedern werden Orientierungen für ihr Handeln vermittelt, Erwartungen an die Organisationsmitglieder werden transparent gemacht, und Verbindlichkeit zu den unterschiedlichen Prozesselementen der Leistungserbringung soll hergestellt werden. Indem eine relative Einheitlichkeit des Handelns erzeugt bzw. wahrscheinlicher gemacht wird sowie organisationale Schnittstellen (zwischen Organisationsakteuren bzw. Organisationssegmenten) ins Bewusstsein gehoben und mithilfe geregelter Abläufe bewältigbar gemacht werden, soll nach innen und außen eine hohe Verlässlichkeit der Leistungserbringung gewährleistet werden. Um die genannten Intentionen umsetzen zu können, folgen die »traditionellen« Verfahren des Qualitätsmanagements drei Leitorientierungen: • Generalisierung: Die Festlegung, dass im Grundsatz immer so gehandelt werden soll, wie es in der Verfahrensanweisung benannt ist, soll Verlässlichkeit und Kalkulierbarkeit garantieren. Die Organisation gibt Handlungsmuster vor und verfestigt deren Gültigkeit durch Aufnahme in ein »Qualitätshandbuch«, das für alle Organisationsmitglieder das Handeln verbindlich vorschreibt. Durch Regelungen, bei welchen Anlässen, in welchen Schritten und von wem die Verfahrensanweisungen überprüft und verändert werden können, zeigt die Organisation den verbindlichen Stellenwert der Regelungen im Qualitätshandbuch.

• Kausalisierung: Mit den Verfahrensanweisungen werden Kausalitätsannahmen konstruiert. Wenn in der Organisation genau nach den Verfahrensanweisungen gehandelt wird und wenn im Grundsatz alle Organisationsmitglieder sich so verhalten, dann werden »gute Arbeit« und in der Folge »ein gutes Ergebnis« dabei herauskommen. Der immer wieder eingebrachte »Deming-Zyklus« (Zollondz 2011, S. 297 f.) und die im Verfahren der European Foundation for Quality Management (EFQM) propagierte ähnliche »RADAR-Systematik« machen diese Vorstellung und deren Verbindung zur beabsichtigten Kontinuierlichkeit (»kontinuierlicher Verbesserungsprozess« – KVP) deutlich. Einem einfachen logischen Handlungsvorgang, einer selbstverständlichen Handlungsabfolge wurden mit den Etiketten »PDCA-Kreislauf« oder »RADAR-Logik« höhere Weihen verliehen. Der Planung (P; Konzipierung eines »guten Ablaufs«) folgt die Realisierung des geplanten Ablaufs (»do«; D), woraufhin geprüft wird, ob das Geplante umgesetzt und das Beabsichtigte erreicht wurde (»check«; C), und dann eine Verbesserung des Handelns oder des Geplanten erfolgen kann (»act«; A). Die im EFQM-Modell propagierte »RADAR-Systematik« drückt mit anderen Buchstaben das Gleiche aus: Beabsichtigte Ergebnisse werden festgelegt (»results«, R), Vorgehensweisen zum Erreichen der Ergebnisse werden geplant (»approach«, A) und umgesetzt (»deployment«, D), und anschließend werden Planungen und Umsetzungsprozesse bewertet und ggf. weiterentwickelt (»assessment« und »review«, AR). Die in den beiden Akronymen formelhaft zusammengefassten Ablauflogiken markieren eine Affinität zu technischen Kausalketten. »Der nach Deming benannte PDCA-Zyklus … kann seinen Siegeszug nur deshalb antreten, weil er sich als linear-kausale Komplexitätsreduktion besonders einprägsam vermitteln lässt.« (Schmidt 2017, S. 141.) Mit der Formel wird eine kausale Ablauflogik suggeriert: Bei einem solchen Vorgehen würden verlässlich gute Qualität und gute Ergebnisse erzeugt oder zumindest sehr wahrscheinlich gemacht. • Totalisierung: Die gesamte Organisation – nicht nur Teilbereiche – soll in die systematische »Qualitätsplanung« einbezogen werden. Die Leitformel des »Total Quality Management« (TQM) oder die Rede von »Qualitätsmanagementsystemen« bringt die umfassende Absicht zum Ausdruck, Qualität zur Leitvokabel des gesamten Organisationshandelns zu machen und folgerichtig keine Prozesse, zumindest keine von der Organisation als »Kernprozesse« definierten Abläufe, bei der Qualitätsorientierung unberücksichtigt zu lassen. Wenn Qualität verlässlich »hergestellt« und »gesichert« werden soll, dann müssen auch alle Prozessabfolgen in dieses intentionale, auf Qualität ausgerichtete Managementhandeln einbezogen werden. Denn alle Teilprozesse sollen ihren Beitrag leisten zur intendierten Gesamtqualität der Organisation und ihrer Leistungserbringung. Sie sollen entsprechend in die »Qualitätsplanung« umfassend einbezogen werden. Mit den drei Leitorientierungen der Generalisierung, der Kausalisierung und der

Totalisierung wird Qualitätsmanagement zu einem Instrument, mit dem eine Organisation versucht, Rationalitätsfassaden aufzubauen, mit deren Hilfe sie den Organisationsmitgliedern nach innen Orientierung für ihr Handeln vermitteln und sich nach außen hin gegenüber ihrer auf Rationalität und Kalkulierbarkeit bedachten Umwelt Legitimation verschaffen will. In dem Bemühen, Ordnung in das tendenzielle Chaos komplexer Organisationen zu bringen, stehen »ordentliche und (vermeintlich) leicht überschaubare Verfahren (vor allem das Modell der ISO) besonders hoch im Kurs« (Schmidt 2017, S. 83). Dann lässt sich »eindeutig beschreiben, gründlich planen, erfolgreich umsetzen und nachhaltig überprüfen, was an Komplexitätsreduktion vorgeschlagen, vorgeschrieben und vorgekaut wird: Technik, die die Qualitätsingenieure und Fachberater begeistert und nun auch die Anwender überzeugen soll« (ebd., S. 306). Organisationen, die vor der Anforderung stehen, »Sicherheiten in einem Meer von Nichtwissen« zu erzeugen (Luhmann; zit. nach Schmidt 2017, S. 267), nutzen dafür Verfahren der Komplexitätsreduktion: Planungs-, Strukturierungs- und Kontrollverfahren des Qualitätsmanagements, der »Qualitätsherstellung« und der »Qualitätssicherung«. Verfahrensstandardisierungen mit verhaltensnormierendem Charakter haben den Vorteil, dass sie bestimmte Verhaltensweisen von Organisationsmitgliedern kalkulierbarer machen, dass sie Organisationsmitgliedern Orientierungen für das von der Organisation gewünschte Verhalten vermitteln können und dass die Wahrscheinlichkeit reduziert wird, dass sich die Erkennbarkeit des Organisationshandelns in den verschiedenen Handlungsweisen unterschiedlicher Organisationsmitglieder nicht vollständig auflöst. Jedoch haben Verfahrensstandardisierungen a) eine begrenzte Reichweite im Hinblick auf sozialpädagogisches Handeln und sind b) anfällig für einige die Qualität untergrabende Nebenwirkungen. Die begrenzte Reichweite von Verfahrensstandardisierungen resultiert aus dem Charakter von sozialen Dienstleistungen: Diese erweisen sich als »Vertrauensgüter«, von deren Beschaffenheit sich die Leistungsnehmer im Vorhinein nur ein höchst verschwommenes Bild machen können, ihre Erstellung ist auf die Koproduktionsbereitschaft der Leistungsnehmer angewiesen, und sie müssen variabel sein für unterschiedliche Bedürfnisse und Problemlagen der Nachfrager und daher in ihrer Ausführung individuelle Qualitäten aufweisen (Kapitel 2). Da in sozialpädagogischen Handlungsfeldern die »Leistungserstellung von der Stange« geradezu einen Qualitätsmangel konstituieren würde und Qualität insbesondere in der individuellen, flexiblen Ausrichtung sowie in dem situationsadäquaten Bemühen um das Herstellen von Koproduktionsbereitschaft entsteht, kann hier eine Vorgabe von Verhaltensnormierungen höchstens den Rahmen für die Interaktion qualitativ unterstützen, nicht jedoch an den interaktiven Kern der Dienstleistung heranreichen. Verfahrensstandardisierungen können hilfreich sein für administrative Prozesse und für den äußerlichen Rahmen, in dem sozialpädagogische Interaktionen stattfinden. Für die sozialpädagogischen Interaktionen selbst bieten Verhaltensnormierungen kaum Orientierung, da diese professionell über ein angemessenes Fallverstehen und über fallbezogenes,

situationsadäquates Handeln bearbeitet werden müssen. Bei einer weitgehenden Verfahrensstandardisierung besteht zudem die Tendenz, dass informelle Handlungsspielräume, die für die Bearbeitung von in sozialpädagogischen Prozessen auftauchenden Problemen funktional und notwendig sind, weil sie den Organisationsmitgliedern Kreativitätsspielräume eröffnen, reduziert werden. Informelles Wissen lässt sich eben nicht ausreichend in »Standards« überführen. Ein stark formalisiertes Qualitätsmanagement enthält die Gefahr, dass widersprüchliche Anforderungen und ungewöhnliche Situationen nicht mehr adäquat informell bearbeitet werden (können) (Kühl 2015b, S. 81 ff.). Ungewöhnliche, inhomogene und durch Unsicherheit geprägte, nicht genau vorhersehbare Anforderungen, die insbesondere für soziale Dienstleistungen typisch sind, lassen sich eben nicht prospektiv in eindeutige Verfahrensstandards mit daraus folgenden Verhaltensnormierungen fassen. Neben einer solchen begrenzten Reichweite von Verfahrensstandardisierung im Qualitätsmanagement der Sozialen Arbeit sind im Qualitätsmanagement vieler Organisationen einige Nebenwirkungen einer ausgeweiteten Normierungsstrategie zu beobachten (Merchel 2017): • Es vollzieht sich nicht selten eine äußerliche Routinisierung des Handelns, statt sich an dem Sinn von durch Qualitätsmanagement festgelegten Verfahrensregeln auszurichten. Die Orientierung an den standardisierten Verfahren wird wichtiger als die Reflexion darüber, worin die Bedeutung der jeweiligen Verfahrensregeln liegt und ob im Einzelfall eine strikte Einhaltung eines Verfahrensstandards angemessen ist. • Entsprechend erleben die Organisationsmitglieder ihr Handeln als legitim, wenn sie Verfahrensregeln einhalten, und weniger dann, wenn sie eine fachliche Angemessenheit und eine situationsspezifische Flexibilität reflektieren und begründen können. Es entsteht eine »Mentalität der Absicherung« statt einer »Mentalität des professionsbasierten Begründens«. • In Organisationen, die sich stark am Modus der Verfahrensstandardisierung ausrichten, kann sich eine Tendenz zur Überregulierung und Bürokratisierung herausbilden. Einerseits suchen Organisationsmitglieder Orientierung in Standards und rufen nach Standardisierungen für Situationen, für die sie solche nicht ausreichend vorfinden. Gleichzeitig empfinden sich andere Organisationsmitglieder vorwiegend als Ausführungsorgane bürokratisierter Regelungen und weniger als Fachkräfte, die eine spezifische berufliche Anforderung mit professionellen Vorgehensweisen und Maßstäben zu bearbeiten haben. Es entsteht eine Paradoxie des Rufes nach Orientierung durch immer mehr »Standards« bei gleichzeitiger Abwehr solcher Formalisierungen. Ferner kann es zu Situationen kommen, in denen so umfangreiche Regelwerke existieren, dass Mitarbeiter den Überblick verlieren und die passenden Verfahrensstandards nicht mehr den Situationen zuordnen können, die sie zu

bewältigen haben. • Organisationsmitglieder können Qualitätsmanagement als einen Modus ausgeweiteter Kontrolle und weniger als eine Unterstützung und Ermöglichung guter Leistungserbringung erleben. Mit der Ausweitung und Ausdifferenzierung von Regelungen in Qualitätsmanagement-Handbüchern erweitern sich die Optionen verhaltensbezogener Kontrolle von einzelnen Organisationsmitgliedern und Gruppen innerhalb der Organisation – mit entsprechenden Auswirkungen auf eine stärker durch den Kontrollmodus geprägten Organisationskultur. • Organisationen, die sich zu stark am Modus der Verfahrensstandardisierung ausrichten, laufen Gefahr, so sehr in Routineabläufen zu funktionieren und ihren Mitarbeitern so sehr ein Denken in Routinen nahezulegen, dass irritierende Vorgänge nicht mehr wahrgenommen, »stromlinienförmig« »irgendwie« an standardisierte Verfahrensweisen angepasst werden oder in ihrer Bedeutung an den Rand gedrängt werden. Organisationen nehmen sich dann die Chance, durch Irritationsimpulse zur Reflexion und zum Lernen angeregt zu werden. Zugespitzt: Durch eine allzu intensive Verfahrensstandardisierung macht sich die Organisation selbst »dumm«, sie untergräbt eigene Lernchancen. Die Verfahrenslogik technisch anmutender Kausalketten passt ebenso wenig zur Vorstellung von Qualität sozialer Dienstleistungen wie eine starre Reduktion von Qualitätsbewertung und Qualitätsorientierung auf Kennzahlen. Hinzu kommt, dass ausgedehnte Verfahrensstandardisierungen, wie angedeutet, eine Entprofessionalisierung befördern. Klatetzki (2005) sieht den professionellen Charakter beruflicher Tätigkeiten insbesondere im Schaffen eines plausiblen und begründbaren Zusammenhangs zwischen Diagnose und Behandlung; er nennt diesen Schritt »Inferenz«: ein auf der Grundlage von Diagnose erfolgendes schlussfolgerndes Denken, das in eine begründete (Be-)Handlung einmündet. Wenn aufgrund von weitgehender Standardisierung die Inferenzanforderungen markant reduziert werden, wird der Einsatz von Professionellen in seiner Bedeutung zurückgedrängt, tendenziell überflüssig (ebd., S. 268). Inferenz wird ersetzt durch Entscheidungsautomatismen, die durch ein ausgeweitetes System von Verfahrensstandardisierungen geprägt werden. Professionalität als verantwortliche, einzelfalloder themenbezogene und begründende Entscheidungspraxis wird zurückgedrängt zugunsten von Handlungen nach vorher formulierten Kausalitätsketten (»In solchen Fällen ist dies und jenes in folgenden Abläufen zu tun …«). »Unter dem Label ›Qualität‹ wird Wissen in organisatorischen Regeln verortet, nicht mehr in den Köpfen der Professionellen.« (ebd., S. 280.) Eine Handlungsstrukturierung mit solchen Tendenzen zur Entprofessionalisierung wird nicht nur den individualisierten Anforderungen bei sozialen Dienstleistungen nicht gerecht, sondern hat auch Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der Organisation: Sie untergräbt die professionelle Handlungsqualität, führt zu Unzufriedenheit aufseiten der Organisationsmitglieder mit einem professionellen Selbstverständnis und drängt diese

tendenziell aus der Organisation heraus, indem Personen mit einem professionellen Selbstbewusstsein motiviert werden, sich zur Umsetzung ihres professionellen Selbstverständnisses einer anderen Organisation zuzuwenden.

9.3 Perspektiven eines systemisch konzipierten Qualitätsmanagements Was bedeutet nun die Kritik an einem generalisierenden, am Denken in Kausalketten orientierten und die gesamte Organisation einbeziehenden Qualitätsmanagements in praktischer Hinsicht? An welchen Leitlinien lässt sich ein »systemisch konzipiertes Qualitätsmanagement« ausrichten? Systemisch konzipiertes Qualitätsmanagement muss dialogisch und reflexiv ausgerichtet sein (Merchel 2018b). Wirkungsvolles Qualitätsmanagement vollzieht sich auf drei Ebenen: auf der fachlichen Ebene, der Verfahrensebene und der Organisationsgestaltungsebene. Auf allen drei Ebenen zeigt sich der dialogische Gehalt von Qualitätsmanagement: • Auf der fachlichen Ebene ist der Konstruktcharakter des Qualitätsbegriffs (Merchel 2013, S. 39 ff.; Schmidt 2017, S. 183 ff.) zur Kenntnis zu nehmen. Angesichts der unterschiedlichen normativen Festlegungen, angesichts des individuell unterschiedlichen Wechselspiels zwischen den an eine Leistung gerichteten Erwartungen und dem subjektiven Erleben der Leistung sowie angesichts der prozesshaft-dynamisch, fachlich und gesellschaftlich sich verändernden Kriterien, die an Leistungen in einem Handlungsfeld herangetragen werden, verbietet sich jedes Verständnis von »objektiver Qualität«. Qualität wird immer konstruiert nach verschiedenen subjektiven Kriterien verschiedener Beteiligter (Interessenträger), die in einen Kommunikationsprozess eingebracht werden und deren intersubjektive Tragfähigkeit sich in argumentativen und interessengeleiteten Aushandlungsprozessen erweisen muss. Was als »Qualität« festgelegt wird und gelten soll, ist ein Konstrukt und daher von seiner begriffslogischen Struktur her auf Diskursivität angewiesen. Qualität in Organisationen erfordert Entscheidungen zu dem, was als Qualität angenommen werden soll, und solche Entscheidungen gewinnen Relevanz durch Dialoge: im Hinblick auf Erwartungen relevanter Umweltsegmente, auf Wahrnehmungen zu Anforderungen von Interessenträgern in der Umwelt, zum Stand und zur Einschätzung der Fachdiskussionen mit deren Qualitätskriterien, zu persönlichen Wertsetzungen der Organisationsmitglieder. Nicht zuletzt münden solche normativen Diskurse in grundlegende Erörterungen: »Ohne eine gefüllte Vorstellung eines guten Lebens in einer gerechten Gesellschaft macht das Managen von Qualität keinen Sinn.« (Zech 2017, S. 338.)

• Auf der Verfahrensebene sind deswegen dialogische Abläufe erforderlich, weil Verfahren nicht einfach »verordnet« werden können – zumindest gilt das für Verfahren, die über rein administrative Anordnungen hinaus auf den fachlichen Qualitätsgehalt von personenbezogenen Dienstleistungen zielen. Solche Verfahren beinhalten Bewertungen verschiedener Beteiligter, eine Verarbeitung unterschiedlicher Wahrnehmungen bzw. Beobachtungen zu Formen der Leistungserbringung und ihrer Ergebnisse sowie eine Kommunikation über den mit den praktizierten Verfahren verfolgten Sinngehalt des Qualitätsmanagements. Denn Verfahren des Qualitätsmanagements können nur dann Erfolg versprechend eingesetzt werden, wenn über deren Sinngehalt kommuniziert wird und dieser Sinngehalt von denen, die in das Verfahren praktisch einbezogen sind, im Grundsatz akzeptiert wird (Merchel 2017). Ferner müssen Konzepte und Verfahren des Qualitätsmanagements anschlussfähig sein an die bisherigen Kommunikationsweisen und Entscheidungsmodalitäten in der Organisation. Verfahren des Qualitätsmanagements, die nicht ausreichend an die Kommunikationsmodalitäten ankoppelbar sind und zu große Divergenzen zu bisherigen Entscheidungsprämissen (z. B. Organisationskultur) aufweisen bzw. deren Spannungen zu den Kommunikationsmodalitäten nicht wahrgenommen und bearbeitet werden, bleiben weitgehend unwirksam. Sie lösen Widerstand bei Organisationsakteuren aus oder bleiben schlicht unbeachtet bzw. werden unterlaufen. Die Installierung von Verfahren mit Wirkungsoptionen setzt somit dialogische Formen der Verständigung voraus. • Damit ist auch die Ebene der Organisationsgestaltung als eine auf Dialog angewiesene markiert: Denn die Integration der als qualitätsförderlich angenommenen Verfahren in das Organisationsgeschehen setzt voraus, dass die Mitarbeiter, die die Verfahren des Qualitätsmanagements praktizieren sollen, Formen finden, in denen sie dieses in ihrer Gestaltung des Organisationsalltags verankern können, und dass die Erkenntnisse aus dem Qualitätsmanagement in eine Organisationsentwicklung eingebracht werden und auf diese Weise Qualitätsmanagement zu einem impulsgebenden Bestandteil einer »lernfähigen Organisation« werden kann. Eine solche Ankoppelung von Qualitätsmanagement an Modalitäten der Organisationsgestaltung, ohne die kein lebensfähiges Qualitätsmanagement zustande kommen kann, bedarf der Kommunikation, also des Dialogs zwischen den beteiligten bzw. zu beteiligenden Organisationsmitgliedern. Somit sind dialogische Modalitäten bereits in der Logik des Qualitätsmanagements angelegt. Vorstellungen und Konzepte, die ohne oder mit nur marginalen Formen des Dialogs Qualitätsmanagement betreiben wollen, verfehlen ihre Wirkungsabsicht. Sie vermögen vielleicht Arbeitsabläufe administrativ zu steuern und zu vereinheitlichen, indem sie den Organisationsmitgliedern Handlungszwänge auferlegen und die Umsetzung solcher Anforderungen kontrollieren, jedoch wird dadurch der Entwicklungsimpuls, der als Potenzial

im Qualitätsmanagement enthalten ist und der die Akteure motiviert, die Mühen des Qualitätsmanagements im Alltag auf sich zu nehmen, untergraben. Die elementaren Charakteristika sozialer Dienstleistungen (Kapitel 2) lassen erkennen, dass Qualität nur sehr eingeschränkt über Verhaltensvorgaben zu erreichen ist. Auf welche Weise eine Vertrauensbereitschaft bei unterschiedlichen Leistungsadressaten geschaffen werden kann, wie eine mentale Distanz zum Nutzer überwunden werden und eine vom Leistungsadressaten erlebbare »Niedrigschwelligkeit« erreicht werden kann, wie im Einzelfall eine Koproduktionsbereitschaft hergestellt werden kann, wie trotz der notwendigen Individualität und Flexibilität bei der Leistungserbringung eine basale Verlässlichkeit in der Qualität der Leistungserbringung über die Einzelfälle hinweg erzeugt werden kann: Dies sind Aufgaben im Rahmen eines Qualitätsmanagements, die eine Haltung zum Qualitätsmanagement und ein Methodenrepertoire erfordern, bei dem Steuerung über Diskursivität und über Reflexivität im Zentrum stehen. Im Steuerungshandeln von Organisationen der Sozialen Arbeit muss ein hoher Grad von Unsicherheit in den Anforderungen bewältigt werden, der in den Handlungsprogrammen der Organisation zu verarbeiten ist. Die von der Organisation formulierten Handlungsprogramme (Leitlinien, methodische Ausrichtungen, Konzepte etc.) vermögen nur wenig Unsicherheit zu absorbieren. Im Rahmen sozialer Dienstleistungen muss mit »Personen« gearbeitet werden. Personen sind »zu Selbstaktivierung bzw. Selbstreferenz fähig. Damit ist gemeint, dass Individuen auf der Grundlage ihrer jeweils subjektiven Situationsinterpretation handeln und folglich in der Lage sind, Interventionen zu neutralisieren. Kurz gesagt: Personen mit einem freien Willen lassen sich nicht kausal beeinflussen.« (Klatetzki 2010, S. 13.) Es bleibt also unsicher, wie bestimmte methodische Impulse aus Handlungsprogrammen der Organisation von den Personen verarbeitet werden und ob ähnliche Impulsgebungen überhaupt bei verschiedenen Personen ähnlich ankoppelungsfähig sind und zu bedeutsamen Kommunikationen im Sinne der Programmintentionen werden. Daraus ergibt sich das Erfordernis, »Qualitätssteuerung« reflexiv anzulegen: Wenn auf Unsicherheit und Individualität nur sehr begrenzt über generalisierende Verfahren geantwortet werden kann, bleibt lediglich der Weg, orientierende Qualitätskriterien zu benennen, methodische Handlungsweisen (Programme), die mit diesen Qualitätskriterien korrespondieren, zu erarbeiten und einzuüben sowie die Anwendung solcher Qualitätskriterien und methodischen Programme zu beobachten und systematisch auszuwerten, um daraus Schlussfolgerungen für Qualitätsentwicklung ziehen zu können. Es bedarf also reflexiver Steuerungsverfahren im Qualitätsmanagement. Für das Qualitätsmanagement in Organisationen der Sozialen Arbeit sind somit vier

Leitorientierungen zu formulieren: • Verfahrensstandardisierungen sollten nur zurückhaltend eingesetzt werden, denn sie entsprechen nur begrenzt der Logik von Zweckprogrammen und treffen nicht den interaktiven Kern sozialer Dienstleistungen. • Der Kern sozialer Dienstleistungen wird über diskursive und reflexive Verfahrensmodalitäten im Qualitätsmanagement angesprochen. Denn wenn eine Qualitätssteuerung nicht maßgeblich über Verhaltensnormierungen realisierbar ist, weil die Professionalität der Leistungserbringung zu einem wesentlichen Teil über eine fallinterpretative, einzelfallorientierte und flexible Leistungsgestaltung erfolgt (Dewe u. Otto 2015), bleibt nur eine auf systematisierte Anregung und Förderung von Reflexivität ausgerichtete Form der Steuerung. Allerdings wird damit die Erwartung, die über die Formel »Qualitätssicherung« artikuliert wird, nämlich Kalkulierbarkeit der Leistungserstellung über vorher definierte Ablaufnormen, nicht erreicht: Erreicht wird lediglich eine Vertrauensoption, dass durch kompetent angewendete, kontinuierliche Reflexionsverfahren die Organisation sich regelhaft mit Qualitätsfragen auseinandersetzt und sich dadurch die Wahrscheinlichkeit »guter Arbeit« deutlich erhöht. • Komplexitätsreduktion (durch Verfahrensstandardisierungen) und Komplexitätsausweitung (durch reflexive Verfahren) sind in ein für die jeweilige Organisation verarbeitbares, balancierendes Verhältnis zu bringen. Das bedeutet zum einen für Verfahrensstandardisierungen, dass sie eher angewendet werden bei administrativen und wenig komplexen Vorgängen, und zum anderen, dass auch diese letztlich reflexiv »bearbeitet« werden müssen. Es bedarf nämlich der systematischen Beobachtung, ob die in den Standards enthaltenen Normierungen tatsächlich praktiziert werden, ob die beabsichtigten qualitätsförderlichen Wirkungen tatsächlich eintreffen und mit welchen Nebenwirkungen das (vollständige oder partielle) Erreichen der beabsichtigten Wirkungen verbunden ist. Komplexitätsausweitende reflexive Verfahren sind in ihrem Umfang so zu begrenzen, dass sie in der Organisation sinnhaft praktiziert werden können. Reflexive Verfahren entfalten ihre Wirkung dadurch, dass sie Routinen ins Stocken bringen, die Organisation mit den Wirkungen und Nebenwirkungen ihres Tuns konfrontieren. Da Organisationen ihre Leistungsfähigkeit zu einem erheblichen Teil über Routinen gewährleisten, können sie nur einen bestimmten Umfang zulassen und verarbeiten, ohne ihre Leistungsfähigkeit zu gefährden. Reflexive Verfahren des Qualitätsmanagements dürfen nicht so ausgeweitet werden, dass die organisationale Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird. Dies ist einer der Gründe, warum ein ausgeweitetes, »totales« Qualitätsmanagement schon vom Anspruch her dysfunktional ist. • Qualitätsbewertungs- und Qualitätsentwicklungsverfahren sind dialogisch

auszurichten. Denn die Organisationsmitglieder, die in der unmittelbaren Interaktion mit den Leistungsadressaten stehen, sind diejenigen Stellen, an denen sich die Qualität der sozialen Dienstleistung – und damit die Qualität und die Leistungsfähigkeit der Organisation – letztlich entscheidet. Eine dialogische Ausrichtung ist erforderlich, um das Qualitätsmanagement anschlussfähig an die bisherigen Kommunikationsmodalitäten und an die Sinngehalte der bisherigen Strukturen und Prozesse zu gestalten. In dialogische Verfahren einzubeziehen sind im Grundsatz auch die Leistungsadressaten, weil Prozesse und Ergebnisse nur dann qualitativ ausgestaltet werden können, wenn es gelingt, Leistungsadressaten zur Koproduktion zu motivieren und ihnen einen Raum für gelingende Koproduktion zu gestalten. Elementar für die Produktivität von Qualitätsmanagement ist das kommunikative Erzeugen von Sinnhaftigkeit. Sinn und angezielter Nutzen müssen transparent werden, um in der Breite der Organisationsmitglieder Akzeptanz für die Ressourcen, die für Qualitätsmanagement aufzuwenden sind, erzeugen zu können. Ein Qualitätsmanagement, das nicht bei »totem Material« (QM-Handbuch) im Regal enden will, bedarf der aktiven Mitwirkung der Organisationsmitglieder. Das kann nicht ohne Motivationsbildung durch Sinnerzeugung hervorgerufen werden, und zwar im differenzierenden Bezug auf die unterschiedlichen Handlungsbereiche der Organisationsmitglieder. Erforderlich ist also ein hoher Grad an expliziter Sinnverständigung zu den angewendeten Methoden und zum Aufwand, mit dem Qualitätsmanagement in einer Organisation implementiert und kontinuierlich praktiziert werden soll. Zur expliziten Sinnverständigung gehört auch die Beobachtung, ob und wie die beabsichtigte Sinnhaftigkeit in der Organisation verarbeitet wird, welcher Sinn dem Qualitätsmanagement von verschiedenen Akteuren zugeschrieben wird, welche Nebenwirkungen das Qualitätsmanagement im Vollzug erzeugt und wie sich der Sinngehalt von Qualitätsmanagement im Vollzug verändert bzw. weiterentwickelt. Nur auf der Grundlage solcher sorgfältigen Beobachtungen lassen sich angemessene Steuerungsimpulse setzen, um den »Sinn von Qualitätsmanagement in der Organisation« zu thematisieren und zu beeinflussen. Auch wenn z. B. durch von der Umwelt gesetzte Zertifizierungsanforderungen (z. B. in der beruflichen Bildung, in der Arbeits- und Beschäftigungsförderung oder in Werkstätten für Menschen mit Behinderung) der Sinn von Qualitätsmanagement vermeintlich bestimmt ist, so bedarf es immer noch der organisationsinternen Sinnverständigung: ob man das zertifizierte Qualitätsmanagement primär »für das Schaufenster« macht oder auch zur verbesserten Qualitätsorientierung im Innern nutzen will, ob man die internen Audits als »Pflichtübung« praktiziert oder als Überprüfungsmodalitäten zur Reflexionserzeugung einsetzt, ob und welche Verfahrenselemente man deutlicher in den Blick nehmen und welche man eher randständig belassen will etc. Auch in solchen Konstellationen bedarf es der Kommunikation über den Sinn, den man dem Qualitätsmanagement zuordnen will. Jeder Modus des Qualitätsmanagements muss mit dem Problem »Kontrolle« als Teil von

Organisationskultur oder »Qualitätskultur« umgehen. Jedes Qualitätsmanagement kann als Ausweitung von Kontrolle oder als Mittel zur disziplinierenden Bewertung erlebt werden. Es kann dann Widerstand hervorrufen sowie zum Gegenstand und Werkzeug mikropolitischer Interventionen werden. Seine mikropolitische Relevanz ist Ausdruck der dem Qualitätsbegriff inhärenten Bewertungsdimension: Mit der Bewertung geht eine soziale Dynamik der Auseinandersetzung um Zuschreibungen, der sozialen Anerkennung, der Bedeutung von Prozessen und der diese Prozesse verantwortenden Akteure, der Breite oder Eingrenzung von Handlungsspielräumen etc. einher. Bewertungskriterien und in der Organisation gelebte Bewertungstabus geraten in die Debatte mit der Folge, dass Personen mit ihren Interessen und Einflusssphären davon profitieren oder sich benachteiligt fühlen können (Merchel 2013, S. 175 ff.; Bücker-Gärtner 1998). Das Spannungsfeld zwischen sachund organisationsbezogenen Entwicklungsimpulsen einerseits und personenbezogenen Bewertungen andererseits kann durch Bemühungen zur dialogischen Sinnerzeugung in seiner Dramatik reduziert, jedoch nicht aufgehoben werden. Es bleibt in den Qualitätsmanagementprozessen präsent und muss beobachtet werden, um allzu große Störfaktoren frühzeitig erkennen zu können und Versuche zur Beeinflussung dieser Faktoren auszulösen. Mit dem Problem »Kontrolle« ist eine weitere Paradoxie der Organisationsgestaltung angesprochen, die in das Qualitätsmanagement hineinreicht: die Paradoxie von Fachaufsicht und Qualitätsentwicklung. Jede Organisation muss Fachaufsicht organisieren, die durch dafür legitimierte, in der Hierarchie einer Organisation verankerte und mit Macht ausgestattete Organisationsmitglieder (oder Organisationsteile) ausgeübt wird, damit a) in der Organisation gewährleistete Beobachtungsmechanismen zur Handhabung von Regelungen existieren und b) Organisationsmitglieder im Hinblick auf regelkonformes Verhalten kontrolliert werden, um auf diese Weise der Organisationsverantwortung für eine angemessene Aufgabenbearbeitung bzw. eine angemessene Leistungserstellung gerecht zu werden. Fachliche Kontrolle führt jedoch zu Abschottungstendenzen bei den betroffenen Organisationsteilen, welche wiederum in einem Gegensatz zur Lernoffenheit der Qualitätsentwicklung stehen. Es bedarf der Qualitätsentwicklung, bei der Lern- und Entwicklungsimpulse in eine Organisation gegeben und dort reflexiv verarbeitet werden, und zwar Impulse, die – anders als die notwendigerweise kontrollierenden Interventionen einer »Aufsicht« – Qualitätsprozesse anregen, bei denen die Mitglieder einer Organisation Lernbereitschaft und (selbst)kritische Beobachtung von Strukturen und Handlungsweisen anregen. Es bedarf beider mit Steuerungsabsicht verbundener Interaktionsmuster, wenn eine Organisation ihrer Verantwortung für eine kalkulierbare, qualitative Aufgabenerfüllung bzw. Leistungserstellung gerecht werden will: der Aufsicht/Kontrolle und der lernbezogenen Impulsgebung (ausführlicher und am Beispiel der Kinder- und Jugendhilfe: Merchel 2015c). Qualitätsmanagement muss sich somit im Paradox zwischen Entwicklung und Kontrolle/Aufsicht bewegen und sich in diesem Paradox reflexiv bewegen.

Die Analogie zur Forderung nach einer »offenen Fehlerkultur« in Organisationen ist hier evident. Eine Organisation soll einerseits ein »fehlerfreundliches Klima« aufweisen und Organisationsmitglieder zu Offenlegung von Fehlern motivieren, weil Fehler als Störungen mit Lernimpuls angesehen werden. Andererseits darf eine Organisation aber auch nicht auf das Offenlegen von Fehlern durch die Mitarbeiter vertrauen, sondern muss zum einen die Fehler im Alltagshandeln genau beobachten, um diese bewerten zu können, und sie muss Sanktionsmöglichkeiten bereithalten und anwenden, um gewisse Fehler zu unterbinden und auf diese Weise eine basale Qualität zu gewährleisten. Ein produktiver organisationaler Umgang mit Fehlern beinhaltet also eine Paradoxie: die fachliche, über Hierarchie erfolgende Aufsicht sowie das Erzeugen eines Klimas, bei dem das Benennen und das Aufarbeiten von Fehlern zum Impuls für Qualitätsentwicklung verarbeitet werden. Fehlermanagement als Teil von Qualitätsentwicklung vollzieht sich als Paradoxie (Baecker 2011, S. 61): »Fehler zu ermutigen und sie zugleich zu entmutigen ist das Mindeste, was sich ein System schuldig ist.« Reflexive Verfahren des Qualitätsmanagements sind darauf ausgerichtet, Qualitätsentwicklung über das partielle Durchbrechen der operativen Geschlossenheit des »Systems Organisation« mitsamt seinen Strukturen, Programmen und Routinen zu erreichen, also das System partiell zu »destabilisieren«. Damit es nicht bei »Destabilisierung« bleibt, bedarf es einer guten Moderation, durch deren Impulse eine produktive Verarbeitung der Irritationen erreicht werden kann. Methodische Vorgehensweisen, die dem Anspruch einer Qualitätsentwicklung durch das Erzeugen von Reflexionsimpulsen folgen, sind insbesondere: • Evaluation anhand von Qualitätskriterien: Grundlage für eine Evaluation der Arbeit ist das (gemeinsame) Definieren von Qualitätskriterien, die man – fachlich begründet – bezogen die eigene Arbeit für zentral hält (»Schlüsselkriterien«, ggf. ausgerichtet auf »Schlüsselprozesse«). Um die Arbeit anhand dieser Kriterien evaluieren zu können, bedarf es geeigneter Indikatoren, deren Grad an Realisierung anhand von darauf ausgerichteten, der empirischen Sozialforschung entlehnten Erhebungsinstrumenten mit systematisch erhobenen Daten überprüft wird. Die auf diese Weise erzeugten Evaluationsergebnisse ermöglichen eine diskursive Bewertung der Qualität der Arbeit vor dem Hintergrund der zugrunde gelegten Qualitätskriterien. Sie regen Diskussionen an zu Schlussfolgerungen im Hinblick auf eine Verbesserung der Arbeit, deren Umsetzung und Folgen/Nebenfolgen wiederum evaluativ beobachtet werden können (Merchel 2013, S. 147 ff.; Merchel 2015b). • Systematisierte Fallbearbeitungsanalysen: Bei diesem Vorgehen zur Erzeugung von qualitätsbezogenen Reflexionsimpulsen geht es nicht um eine »Fallrekonstruktion« als methodischer Zugang im Rahmen einer »sozialpädagogischen Diagnostik« o. Ä. (Loch u. Schulz 2010), sondern um eine unter Qualitätsgesichtspunkten vorgenommene systematische Analyse der Art, wie in einer Organisation Fälle bearbeitet worden sind und an welchen Stellen im Prozess der Fallbearbeitung

möglicherweise Mängel zu registrieren sind, an denen im Sinne einer Qualitätsentwicklung künftig zu arbeiten sein wird. Im Mittelpunkt solcher Fallanalysen steht das Interesse, Fallbearbeitungen gleichermaßen als individuelles methodisches Vorgehen wie als durch organisationale Abläufe geprägte Handlungsweisen in den Blick zu nehmen, wobei individuelles Vorgehen und organisational geprägte Wahrnehmungs- und Handlungsmuster in ihrem Wechselverhältnis zueinander interpretiert werden. In den Analysen ist danach zu fragen, wie die Fallbearbeitung vor dem Hintergrund von Qualitätskriterien zu bewerten ist und mit welchen Schlussfolgerungen die Organisation gezielt zu einer Qualitätsverbesserung beitragen kann. Die Fallanalysen sollten bei den in der Organisation bearbeiteten Fällen ansetzen, bei denen Organisationsakteure ein Unbehagen bezüglich des Bearbeitungsverlaufs haben (»Ist so gerade noch mal gut gegangen«, »Hätte deutlicher besser gemacht werden können«, »Dabei haben wir uns als relativ hilflos erlebt«, »Es hat an mehreren Stellen gehakt« etc.). Für die systematische Analyse solcher Fallbearbeitungsverläufe werden vorher qualitative Analysekriterien vereinbart. Eine genaue und zyklisch vorgenommene Analyse mehrerer solcher Fallbearbeitungsverläufe kann zum Herausfinden von Mängeln und Risikomustern in der Fallbearbeitung und/oder in den Organisationskonstellationen führen, auf diese Weise das Herausarbeiten von Änderungsperspektiven herausfordern und somit Anstöße geben zur Qualitätsentwicklung in der Organisation. • Systematisierte Selbstbewertung (z. B. orientiert an der Verfahrenslogik von EFQM): Das Qualitätsmanagement auf der Basis des EFQM-Konzepts basiert auf der Logik einer in der Organisation verankerten Selbstbewertung in festgelegten Bereichen der Prozess- und Ergebnisqualität (Merchel 2013, S. 89 ff.). Auch wenn eine Organisation nicht die gesamten EFQM-Bereiche in ihrem Qualitätsmanagement bearbeiten will, so kann sie sich von der Verfahrenslogik des EFQM-Konzepts zu einer systematisierten Selbstbewertung im Sinne eines Schaffens von dialogisch ausgerichteten Reflexionsimpulsen anregen lassen. In der Organisation werden handlungsfeldbezogene Schlüsselprozesse (»Kernprozesse«) zur Qualitätsbewertung ausgewählt, zu denen Qualitätskriterien formuliert und mithilfe von Fragestellungen/Statements/Zielbenennungen in einen Bewertungsbogen überführt werden (Beispiele in Merchel 2013, S. 95 ff.). Die jeweils individuell anhand des Bewertungsbogens vorgenommenen Bewertungen der Organisationsmitglieder machen Unterschiede in den Wahrnehmungen zum Qualitätsstand deutlich, was zur dialogischen Auseinandersetzung führt und in der Zusammenführung der individuellen Bewertungen zu verarbeiten ist. Das systematische Zulassen und Verarbeiten von Differenzen schafft Reflexionsimpulse, die die Arbeit an der Qualität zu einem dialogischen und entwicklungsorientierten Prozess werden lassen.

9.4 Leitorientierungen für ein systemisch konzipiertes Qualitätsmanagement Die generellen Perspektiven für ein »systemisch konzipiertes Qualitätsmanagement« sind im vorangegangenen Abschnitt charakterisiert worden: Qualitätsmanagement ist zu verstehen als ein systematischer, an inhaltlichen Kriterien (diskursiv ausgehandelten, explizit benannten Qualitätskriterien) ausgerichteter, kontinuierlich praktizierter Strukturierungs-, Bewertungsund Beobachtungsmodus, mit dem eine Organisation sich selbst mit verarbeitbaren Gestaltungs-, Reflexions- und Lernimpulsen versorgt. Die daraus abzuleitenden pragmatischen Orientierungen sollen im Folgenden in einigen Leitsätzen zusammengefasst werden. Die Leitsätze finden ihre Begründung in den vorangegangenen Erörterungen. 1) Grundlegend: Die dem Qualitätsmanagement zugrunde liegenden Vorstellungen zu »guter Arbeit« sind zu explizieren und im Hinblick auf Qualitätskriterien, an denen sich das Qualitätsmanagement ausrichtet, zu konkretisieren. In jedes Qualitätsmanagement gehen normative Vorstellungen zu guter Arbeit ein; werden diese nicht zum Gegenstand von Kommunikation gemacht, sondern verbleiben lediglich auf der impliziten Ebene, fehlen verhandelbare Entscheidungskriterien und transparente Kommunikationswege mit Anschlussoptionen. 2) Verfahren der Qualitätssicherung durch Standardisierung/Verhaltensnormierung (Komplexitätsreduktion) und der reflexiven Qualitätsentwicklung (Komplexitätsausweitung) sind gegenseitig auszubalancieren und entsprechend dem Charakter der jeweiligen Aufgabenlogik im Handlungsfeld zu differenzieren. Als Leitformel kann gelten: Je administrativer der Charakter der Aufgaben ist, um die es beim Qualitätsmanagement geht, desto eher sind Verfahrensstandardisierungen sinnvoll; je stärker die Aufgaben auf einen interaktiven – mit Leistungsadressaten zu bewältigenden – Kern der Tätigkeit zielen, desto eher werden evaluative, also komplexitätserweiternde Methoden des Qualitätsmanagements angemessen sein. 3) Die Angemessenheit des Balancemaßes hängt ebenfalls vom Zustand einer Organisation ab. Leitformel: Eher »chaotische« Organisationen, bei denen die Organisationsmitglieder gewohnt sind, das Handeln an eigenen Schwerpunktsetzungen sowie Vorstellungen und Wünschen auszurichten, benötigen stärker standardisierende Verfahren als Organisationen, in denen Organisationsmitglieder mit einem hohen Maß an Professionalität agieren und in denen sich Modalitäten der Leistungserbringung und der Kooperation relativ verlässlich eingespielt haben. 4) Ein gewisses Maß an Verfahrensstandards kann die Leistungsfähigkeit der Organisation verbessern, weil Routinen expliziert und gefestigt werden und weil sie

Organisationsmitgliedern eine Orientierung geben für ein von der Organisation erwünschtes und zur Leistungserbringung förderliches Verhalten. Verfahrensstandards absorbieren Unsicherheit und vermögen bis zu einem gewissen Grad die Handlungsfähigkeit von Organisationsmitgliedern zu fördern. Jedoch müssen auch Verfahrensstandards einer systematischen Beobachtung und somit reflexiven Bearbeitung zugeführt werden. Es muss beobachtet werden, – ob die in den Standards enthaltenen Normierungen tatsächlich praktiziert werden bzw. angesichts der Handlungsbedingungen im Alltag der Organisation praktiziert werden können, – ob die qualitätsförderlichen Wirkungen, die man sich von den Verfahrensstandards verspricht, tatsächlich eintreffen, – mit welchen Nebenwirkungen das (vollständige oder partielle) Erreichen der beabsichtigten Wirkungen verbunden ist, ob solche Nebenwirkungen im Hinblick auf Qualität förderlich oder hinderlich sind und wie sie vor dem Hintergrund des erreichten beabsichtigten Wirkungsgrades zu bewerten sind. 5) Damit die durch Qualitätsmanagement ausgelösten Irritationen nicht zu einer die Leistungsfähigkeit der Organisation stark einschränkenden Destabilisierung führen, ist das Maß an reflexiver Qualitätsentwicklung zu begrenzen auf das, was in einer Organisation an Irritationen verarbeitet werden kann. Zu viel Irritation führt zu Orientierungsverlust ebenso wie nicht bearbeitete Datenberge das Unbehagen von Organisationsmitgliedern gegenüber Qualitätsmanagement intensivieren. Eine Beschränkung der systematisierten Qualitätsbewertung auf einige besonders qualitätsrelevante Schlüsselprozesse und/oder Schlüsselkriterien ist ebenso zu erwägen wie eine Bearbeitung verschiedener Qualitätsthemen in zeitlich aufeinander folgenden Zyklen. 6) Um das Qualitätsmanagement an die bisherigen, in der Organisation wirksamen Logiken anzukoppeln und dadurch eine Wirksamkeit des Qualitätsmanagements zu ermöglichen und zu fördern, ist in allen Schritten eine Dialogorientierung zu praktizieren: sowohl im Hinblick auf die inhaltliche Explikation und Spezifikation von »guter Arbeit« (Fachdimension) als auch im Hinblick auf methodische Vorgehensweisen und deren Verankerung in der Organisation (Prozessdimension und organisationale Dimension). Ohne eine praktische Ausgestaltung der Dialogorientierung in erkennbaren und erlebbaren Beteiligungsformen gerät Qualitätsmanagement in Gefahr, in der Organisation marginalisiert zu werden, in explizit geäußerten oder implizit durch Verhalten gezeigten Widerständen unterzugehen oder an unreflektiert gebliebenen und daher unbearbeitet gebliebenen Paradoxien zu scheitern. 7) In allen Verfahren des Qualitätsmanagements ist das vorhandene und untergründig wirkende Kontrollparadox wahrzunehmen und zu berücksichtigen, das mit dem

elementaren Bewertungscharakter des Qualitätsmanagements einhergeht: Qualitätsmanagement zwischen notwendiger, der Verantwortung der Organisation entsprechender »Fach- und Verfahrensaufsicht« einerseits und dem Impuls zur »lernorientierten Entwicklung« andererseits. Das Paradox lässt sich nicht auflösen, jedoch ist die jeweilige Entwicklung der Widersprüchlichkeit kontinuierlich zu beobachten. Denn vom Gelingen einer in der Organisation anschlussfähigen Balancierung hängt ein wesentlicher Teil der produktiven Wirkungsoptionen von Qualitätsmanagement ab. 8) Qualitätsmanagement vollzieht sich primär in der Koppelung von Unsicherheitsabsorption (über Verfahrensstandards und Benennung von Qualitätskriterien) sowie in methodisch angeleiteter und in der Organisation verankerter Reflexion. Eine Entwicklung, bei der – wie vielfach wahrzunehmen – Mitarbeiter Qualitätsmanagement als vor allem geprägt durch Bürokratisierung in Form von umfassenden QM-Handbüchern und überbordenden Dokumentationspflichten empfinden, ist der Tod einer produktiven Qualitätsentwicklung. Dokumentationen sind auf ein geringes Maß zu reduzieren. Maßstab für Dokumentationen sollte die Antwort auf die Frage sein, welche aufzuzeichnenden (quantitativen und qualitativen) Daten für eine fachlich tragfähige Evaluation der Arbeit und damit für eine an Qualitätskriterien (und Schlüsselprozessen) ausgerichtete Bewertung erforderlich sind. 9) Ein fachlich und organisational produktives Qualitätsmanagement entwickelt sich durch eine gute, fachlich kompetente und zur Reflexion anregende, prozessual gestaltende, beobachtungskompetente, sozial und organisational anschlussfähige Moderation der verschiedenen Verfahrensschritte. Insbesondere bildet eine kompetente Moderation einen entscheidenden Markierungspunkt, an dem sich entscheidet, ob zum einen das Erzeugen von Differenzen gelingt und zum anderen die Differenzen produktiv im Sinne einer Qualitätsentwicklung verarbeitet werden und nicht vorschnell eine äußerliche Harmonisierung der Differenzen eine reflexive Qualitätsentwicklung abschneidet. Qualitätsmanagement mit dem Fokus der fachlichen Steuerung ist als eine Leitungsaufgabe einzuordnen, sodass auch die damit verbundenen Moderationsaufgaben im Grundsatz von Leitungspersonen wahrzunehmen sind. »QM-Beauftragte«, die in vielen Organisationen tätig sind und die z. B. im DIN-ISO-Verfahren als eigene Position im Organisationsgefüge ausdrücklich gefordert werden, können in enger Ankoppelung an Leitung solche Moderationsfunktionen wahrnehmen. Jedoch sollte auf eine Ankoppelung an die verantwortliche Leitung geachtet werden, sodass keine Entkoppelung von der Organisationsgestaltung stattfindet. Eine mangelnde Verkoppelung könnte dazu führen, dass eine Parallelität von Gestaltungsimpulsen der Leitung und von Impulsen aus dem Qualitätsmanagement nicht ausreichend aneinander angeschlossen werden

und zu Orientierungsproblemen in der Organisation führen oder dass das Qualitätsmanagement auf eine Spielwiese abgedrängt wird, mit dem ein Nischendasein ohne organisationsbezogene Wirkung einhergeht. 10) Ohne dass in der Organisation eine explizite Kommunikation über den Sinn von Qualitätsmanagement erzeugt und ohne dass dessen im Alltag der Organisation gelebte Sinnhaftigkeit kontinuierlich beobachtet wird (insbesondere durch Leitungspersonen und Qualitätsmanagementbeauftragte), wird sich Qualitätsmanagement kaum als ein ankoppelungsfähiger fachlicher Steuerungsmodus in einer Organisation einführen und verankern lassen. Qualitätsmanagement als Strukturierungs- und Beobachtungsmodus zu den Leistungen einer Organisation bedarf, um Produktivität als Entwicklungsimpulsgeber entfalten zu können, wiederum der zyklischen Beobachtung (als »Beobachtung 2. Ordnung«), wie sich die Sinnhaftigkeit verschiedener Prozesse und Methoden des Qualitätsmanagements im Alltag der Organisation verändert, wie die Organisationsakteure im Alltag den Sinn von Qualitätsmanagement erleben bzw. ihm Sinn zusprechen und wie die Akteure die Qualitätsmanagementverfahren in ihrer Praxis anwenden, Prozesse und Effekte der Anwendung erleben und im Handeln verarbeiten. Abschließend noch eine Anmerkung im Hinblick auf die zu Beginn dieses Kapitels angesprochene Anforderung der Umwelt an eine Organisation, Qualitätsmanagement zu installieren, der sich eine Organisation angesichts des hohen Institutionalisierungsgrades dieser Anforderung kaum ohne Legitimationseinbußen entziehen kann. Einige Organisationen der Sozialen Arbeit verarbeiten diese Anforderungen dadurch, dass sie sich äußerlich anpassen, indem sie das Qualitätsvokabular annehmen und bisherige Prozesse in das Qualitätsvokabular umetikettieren oder gar Zertifizierungsprozesse durchlaufen, um den Anforderungen aus der Umwelt zu entsprechen, ohne jedoch einem Qualitätsmanagement in den internen Kommunikationen und Entscheidungen eine tatsächliche Bedeutung zuzusprechen. Sie bedienen das »Schaufenster« (Kühl 2011, S. 136 ff.), um den Legitimationsanforderungen zu entsprechen, entkoppeln dies jedoch weitgehend von den internen Organisationslogiken. Wenn es gut geht, wird nicht allein »das Schaufenster dekoriert«, sondern daneben ein für die interne Logik der Organisation anschlussfähiger und tragfähiger Modus des Qualitätsmanagements aufgebaut. Es entsteht dann eine Differenzierung zwischen »extern orientiertem Schaufenster« und »organisationsintern sinnhaftem Qualitätsmanagement«, also ein Nebeneinander von zwei mit unterschiedlichem Sinn behafteten Modi der Bearbeitung des Qualitätsthemas. Eine solche Lösung mag zeitweise praktikabel erscheinen, längerfristig ist deren Plausibilität jedoch eingeschränkt. Als Handlungsempfehlung enthielte sie nämlich eine paradoxe Anforderung mit höchst ambivalenten Optionen: Denn eine allzu deutliche Hervorhebung und Praktizierung der »Schaufensterfunktion« des Qualitätsmanagements in der organisationsinternen Kommunikation würde die erhoffte Legitimationswirkung dieses Schaufensters erodieren

lassen.

10 Personalmanagement

10.1 Personalmanagement als Herausforderung insbesondere in sozialen Dienstleistungsorganisationen Qualität und Verlässlichkeit: zwei elementare Anforderungen an soziale Dienstleistungen und deren Erbringer. Damit Organisationen der Sozialen Arbeit von ihren unterschiedlichen Interessenträgern (Leistungsadressaten, Leistungsfinanzierer, politische Akteure, kooperierende Organisationen) eine angemessene Legitimation ihrer Arbeit zugesprochen bekommen, müssen Sie sich als qualitativ kompetent und als solche Organisationen darstellen, in denen diese Qualität nicht allzu sehr von personellen Zufällen abhängt, sondern in sozialer, zeitlicher und sachlicher Hinsicht verlässlich erstellt wird. Das System muss gegenüber seiner Umwelt eine im Grundsatz erwartbare Leistungserbringung präsentieren können. Anders als bei der Güterproduktion, bei der ein nicht unerheblicher Teil der Qualität von der Güte des technischen Apparats (also der Maschinen) und von technisch geprägten Abläufen zum angemessenen Einsatz des technischen Apparats abhängt, ist bei personenbezogenen Dienstleistungen im Sozialbereich das Personal der zentrale Faktor für das Erzeugen von Qualität und Verlässlichkeit. Personen müssen in der Lage sein, • individuelle Lebenskonstellationen von Leistungsadressaten wahrzunehmen und interpretierend zu bewerten, • einen darauf ausgerichteten Hilfe- und Unterstützungsbedarf zu konstituieren, • diesen Hilfe- und Unterstützungsbedarf in organisational tragfähige Handlungsprogramme und Handlungsformen zu transformieren bzw. in diese einzugliedern, • dabei die aus der Umwelt (anderen Organisationen und Institutionen, Leistungsfinanzierer) kommenden Anforderungen wahrzunehmen und berücksichtigen, • die für einen erfolgsorientierten Verlauf des Hilfe- und Unterstützungsprozesses erforderlichen Arbeitsbündnisse mit den Leistungsadressaten und mit relevanten Akteuren aus deren Lebenswelt herzustellen und aufrechtzuerhalten. Dazu benötigen die »an der Front« tätigen (Kapitel 2) Organisationsmitglieder insbesondere • Fähigkeiten zur Interpretation der Lebenssituation eines Leistungsadressaten und seines sozialen Umfelds,

• theoretische Kenntnisse und methodische Fähigkeiten zu einem angemessenen Fallverstehen, • Kompetenz zur Nutzung kollegialer Beratungsprozesse, um die mit Aufgaben einhergehenden Unsicherheitspotenziale bewältigen zu können, • Bereitschaft und Fähigkeit zum reflexiven Umgang mit den eigenen Normen, da personenbezogene Dienstleistungen in der Regel mit einer normativ festgelegten Bedarfsdefinition verknüpft sind, • die Fähigkeit zu einem reflexiven Distanz-Nehmen gegenüber der eigenen personalen Logik (eigenen Wahrnehmungen, Normen, Bewertungen, Empfindungen, Interpretationen etc.), • Haltungen im Hinblick auf das Ernstnehmen und die Partizipation von Adressaten, ohne die ein erforderliches Mindestmaß an Arbeitsbündnis nicht zustande kommen und Hilfe/Unterstützung nicht erfolgreich verlaufen kann, • Kommunikationsbereitschaft, Kommunikationsfähigkeit und Sensibilität in Kommunikationsprozessen sowie Geschicklichkeit beim Herstellen von Arbeitsbündnissen, • ein für die Leistungsadressaten wahrnehmbares Interesse an deren Wohlergehen. Die Organisation kann das Vorhandensein solcher, für eine qualitative und verlässliche Leistungserbringung erforderlicher Faktoren nicht voraussetzen. Die Organisation benötigt die für ihr Leistungsprofil passenden Organisationsmitglieder, die in der Lage sind, die von der Organisation konzipierten und gegenüber der Umwelt »versprochenen« Leistungen gut und kontinuierlich zu erbringen, und die dadurch der Organisation die Möglichkeit geben, Glaubwürdigkeit – als eine Voraussetzung für weitere Ressourcenzufuhr – zugesprochen zu erhalten. Die Organisation muss passende Personen (»psychische Systeme«) an das Organisationssystem in einem tragfähigen Maß ankoppeln können. Dass Mitarbeiter eine elementare Bedeutung haben für die Qualität und Verlässlichkeit der Arbeit von Organisationen der Sozialen Arbeit und dass es daher eine zentrale Managementaufgabe darstellt, entsprechende »passende« Mitarbeiter zu finden, sie an die Organisation zu binden und für deren Qualifikation im Sinne der Leistungsfähigkeit der Organisation zu sorgen, ist unmittelbar plausibel. Gegenüber der hier proklamierten Selbstverständlichkeit, Personal als einen zentralen Bezugspunkt von Managementhandeln in Organisationen der Sozialen Arbeit anzusehen, zeigt ein Blick in Organisationen und in Fachveröffentlichungen zum Sozialmanagement zunächst einmal eine Vernachlässigung von Personalmanagement.37 Die Rekrutierung von Personal war lange Zeit unproblematisch, der Personalbedarf konnte über den Arbeitsmarkt relativ problemlos gedeckt werden. Die Motivation der Mitarbeiter wurde mit der Berufsmotivation des »Helfen-Wollens« als selbstverständlich vorausgesetzt. Dies hat sich durch Personalknappheit verändert, in deren Gefolge Organisationen um Personal konkurrieren, und durch darin eingebettete

Auseinandersetzungen um angemessene Rahmenbedingungen für Mitarbeiter (Entlohnung, Teilzeit vs. Vollzeit, Befristung von Arbeitsverhältnissen, Personalschlüssel etc.). Damit sind drei zentrale Gründe für intensive Aktivitäten im Personalmanagement bei Organisationen der Sozialen Arbeit benannt: die Abhängigkeit der Qualität der Leistungserbringung von qualifiziertem und motiviertem Personal, eine mangelnde Verfügbarkeit von Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt sowie Auseinandersetzungen um Rahmenbedingungen für den Personaleinsatz. Zwei weitere Gründe seien angefügt: die glaubwürdige Präsentation der Organisation gegenüber der Umwelt (»Marketing«) sowie das Ermöglichen und Herausbilden von organisationaler Lernfähigkeit. Die Präsentation einer Organisation gegenüber ihrer Umwelt als Teil des Marketings (Kapitel 8) erfolgt zu einem wesentlichen Teil in Alltagskontakten. Die Organisation wird vor allem erlebbar in den Interaktionen der Organisationsmitglieder mit Akteuren aus der Umwelt – nicht allein und nicht vor allem durch die als Präsentation beabsichtigten Interaktionen von Leitungspersonen, sondern vornehmlich in den alltäglichen Interaktionen, in denen Mitarbeiter als implizit wahrgenommene Repräsentanten durch ihr Handeln das Bild der Organisation nach außen prägen. Organisationsmitglieder bewegen sich an der Schnittstelle von Organisation und Umwelt. Ein Management, das diese Wirkung des Faktors »Personal« unberücksichtigt lässt, erzeugt Mängel sowohl hinsichtlich der fachlichen Steuerung (Defizite in der Kooperation mit anderen Umweltakteuren) und hinsichtlich des Marketings (Mängel in der Außendarstellung der Organisation). Auch im Hinblick auf organisationale Lernfähigkeit (Kapitel 6.3) ist Personal ein zentraler Faktor: Organisationales Lernen ist zwar mehr als die Addition individueller Lernprozesse, aber ohne Lernbereitschaft, Offenheit und Beobachtungsfähigkeit der Organisationsmitglieder – auch der Mitarbeiter – sind Lernbereitschaft und Lernfähigkeit einer Organisation nicht herzustellen und aufrechtzuerhalten.

10.2 Spannungsfelder und Paradoxien im Personalmanagement Organisationen der Sozialen Arbeit sind, wie in Kapitel 2 dargelegt, durch Zweckprogrammierungen geprägt. Da die Leistungserbringung der Organisation durch jeweils individuelle, situationsspezifisch ausgerichtete und flexible sowie in Koproduktion erfolgende Handlungsweisen gewährleistet werden muss, ist der Kontingenzraum für Entscheidungen nur sehr begrenzt durch Konditionalprogrammierung und durch festgelegte Entscheidungswege (u. a. Hierarchie) eingrenzbar. Damit erhält die »Entscheidungsprämisse Personal« (Luhmann 2006, S. 225 ff.; Simon 2013a, S. 70 ff.) eine zentrale Bedeutung: Denn die Zweckprogrammierungen werden durch Mitarbeiter mit ihren Kompetenzen und Haltungen umgesetzt, und durch die Mitarbeiter erhält die Organisation ihre spezifische

Profilprägung. Mit der großen Bedeutung der »Entscheidungsprämisse Personal« erhält die Organisation jedoch ein relativ hohes Maß an Instabilität, denn das Handeln des Personals ist nur in Ansätzen durch Programme und Strukturen (Hierarchie, geregelte Arbeitsteilung etc.) abzusichern. Die Personen kommen nicht nur mit ihrer Arbeitskraft, sondern als komplexe »psychische Systeme« mit einem Eigensinn in die Organisation. »Wo immer Personen als Entscheidungsprämissen fungieren, wird Unvorhersehbarkeit eingeführt.« (Simon 2013a, S. 75.) Hinzu kommt die Anfälligkeit durch Fluktuationen im Personalbestand, die ebenfalls begrenzt bzw. aufgefangen werden muss. Personalmanagement folgt somit der Absicht, Instabilität der Organisation dadurch zu absorbieren, dass durch Maßnahmen zur Ankoppelung von Personal an die Organisation die Wahrscheinlichkeit eines Stabilitätszuwachses steigt – dies im Bewusstsein, dass gerade in sozialen Dienstleistungsorganisationen der erreichte Stabilitätsgrad immer fragil, abhängig von personellen Konstellationen bleibt. Die Managementakteure handeln in der Paradoxie, dass einerseits Personal im Grundsatz austauschbar ist, weil Qualifikationen und Kompetenzen eingesetzt werden, die für eine angemessene Aufgabenerfüllung erforderlich sind, und andererseits das Gelingen von Ankoppelung zwischen individuellen Systemen und Organisationssystem immer gleichermaßen von generalisierten wie von je spezifisch auf die personelle Konstellation ausgerichteten Bemühungen und Erfolgen abhängt, also letztlich unvorhersehbar bleibt. Jeder wird es erlebt haben: Eine Organisation kann sich verändern, wenn an bestimmten Schlüsselstellen Personen wechseln, auch wenn die Managementakteure um Kontinuität bemüht sind. Personalmanagement hat beides im Blick: die Funktionalität, also die generalisierte Perspektive auf die »Entscheidungsprämisse Personal«, ebenso wie die Spezifität der jeweiligen Konstellationen, also die Ankoppelung der einzelnen individuellen Systeme mit ihrer jeweiligen Besonderheit an das Organisationssystem. Personalmanagement hat eine strukturbezogene und eine personenbezogene Komponente: Es zielt auf Entscheidungen, die mit einer mitarbeiterbezogenen Steuerungsabsicht strukturell in der Organisation verankert werden (z. B. Qualifikationsrahmen, Entlohnungssysteme, Muster der Einarbeitung etc.), sowie auf das individuelle oder gruppenbezogene Verhalten der Mitarbeiter (Anweisungen, Mitarbeitergespräche, Beurteilung mit Kritik und Kontrolle etc.). Soziale Dienstleistungsorganisationen stehen vor dem Problem, dass ihre Beurteilungs- und Kontrollmöglichkeiten gegenüber Mitarbeitern begrenzt sind. Je stärker sich eine Organisation dem Typus der »professionellen Organisation« annähert, desto schwieriger wird eine dezidiert hierarchische Kontrollform und desto deutlicher wird die Kontrolloption auf die Ebene der »kollegialen Kontrolle« verlagert (Klatetzki 2005, S. 272 ff.). Mit der Ausrichtung am Modus einer »kollegialen Kontrolle« scheint eine weitere Paradoxie auf, in dem sich das Personalmanagement bewegt: Kollegialität und Kontrolle stehen zunächst einmal gegeneinander; Kontrolle ist dazu angetan, das Vertrauen als Basis von Kollegialität

anzugreifen. Damit die spannungsvolle Formel der »kollegialen Kontrolle« praktiziert werden kann, wird eine entsprechende Organisationskultur benötigt, die diesem Kontrollmodus Legitimität verleiht. Beurteilung und Kontrolle in professionellen Organisationen können dann produktiv werden, wenn in der Organisation nicht nur die Eigenständigkeit eines jeden Mitarbeiters hervorgehoben wird, sondern gleichermaßen normativ akzeptiert ist, dass das Arbeitsvermögen und das Handeln eines jeden Mitarbeiters einer Beurteilung unterzogen wird, die kollegial geprägt, aber auch dem Beurteilungsblick der personalverantwortlichen Leitungspersonen nicht entzogen ist. Neben den beiden skizzierten grundlegenden Paradoxien im Personalmanagement – Absorption organisationaler Instabilität durch gleichermaßen generalisierende wie konstellationsspezifische (also für Instabilität anfällige) Maßnahmen; Personalbeurteilung auf der Basis »kollegialer Kontrolle« unter Einbezug der hierarchischen Beobachtung und Bewertung – erleben Managementakteure weitere Spannungsfelder und Widersprüche, in denen sie die für die Organisation bedeutsame »Entscheidungsprämisse Personal« konstituieren und gestalten müssen; so u. a.: • Leitungspersonen klagen vermehrt darüber, dass sie keine oder nicht ausreichend qualifizierte Mitarbeiter über den Arbeitsmarkt erhielten. Personalrekrutierungsprobleme zeigen sich sowohl in quantitativer Hinsicht (»Fachkräftemangel«) als unter qualitativen Gesichtspunkten (»nicht mit den gewünschten Kompetenzen«, »zu praxisfern ausgebildet«, »zu wenig spezifisch für das Arbeitsfeld ausgebildet« etc.). Leitungspersonen erleben sich im Spannungsfeld zwischen Anforderungen des Handlungsfeldes einerseits und Gegebenheiten des Arbeitsmarktes andererseits. • Mitarbeiter fordern Flexibilität bei den zeitlichen Konstellationen des Arbeitsverhältnisses (»familienfreundliche Arbeitszeiten« mit flexibel zu handhabenden Teilzeitbeschäftigungen, möglichen Auszeiten etc.), während die Arbeit mit den Leistungsadressaten Verlässlichkeit und personelle Kontinuität erfordert (Soziale Arbeit als persönlich geprägte »Beziehungsarbeit«). • Individuelle Entwicklungsvorstellungen und persönliche Selbstverwirklichungswünsche im Beruf einerseits und Anforderungen der Organisation andererseits gehen zu sehr auseinander, sodass entweder eine zu hohe – weil für die Verlässlichkeit der Leistungserbringung schädliche – Mitarbeiterfluktuation oder eine – für die Qualität der Leistungserbringung dysfunktionale – Unzufriedenheit und Motivationseinschränkung bei den Mitarbeitern die Folge ist. Mitarbeiterzufriedenheit (als Anzeichen für eine gelingende Ankoppelung zwischen Individuum und Organisationssystem) und Leistungsanforderungen der Organisation stehen in einem Spannungsverhältnis, das sich nicht in Formeln wie »Nur zufriedene Mitarbeiter sind gute, produktive

Mitarbeiter « auflösen lässt. • »Moderne« Gestaltungsmodalitäten wie z. B. die »leistungsorientierte Bezahlung« als Anreizmodus stoßen sich an der Logik des Handlungsfeldes, weil individuelle Leistung vielfach nur im Teamzusammenhang erbracht und daher von der Leistung des Teams nicht ausreichend unterschieden werden kann sowie weder in eine »teamorientierte Organisationskultur« passt noch in ihren dysfunktionalen Nebenfolgen (Untergraben der Teamkooperation etc.) begrenzt werden kann (Friedrich 2010, S. 79 ff.). Die Ausrichtung an den Ansprüchen und Erwartungen des Personals (individuelle Logiken der Mitarbeiter) und an den Anforderungen des Handlungsfeldes und der zu erstellenden Leistungen (Logik der Leistungsanforderungen und der Handlungsprogramme) geraten in Spannungen, die sich partiell zu nicht auflösbaren Widersprüchen (»Paradoxien«) zuspitzen.

10.3 Orientierungslinien für ein systemisch ausgerichtetes Personalmanagement Im traditionellen, betriebswirtschaftlich ausgerichteten Verständnis wird dem Personalmanagement primär eine »Zulieferfunktion« zugesprochen: Mithilfe des Personalmanagements soll die Organisation diejenigen personellen Ressourcen mit den erforderlichen Qualifikationen und Kompetenzen liefern, die für eine adäquate Zielerreichung für erforderlich gehalten werden. »Das Ziel des Personalmanagements ist es, eine optimale Zusammensetzung des Personals zu erreichen, die auf die Erfüllung gegenwärtiger und zukünftiger Aufgaben und Ziele der Organisation ausgerichtet ist. Dies kann grundsätzlich auf zwei (sich auch ergänzenden) Wegen geschehen: Zum einen durch die Bereitstellung von Menschen mit geeigneten Kompetenzen … Zum anderen können Kompetenzen durch die Entwicklung der vorhandenen Fähigkeiten und Qualifikationen von Einzelnen und Teams durch Maßnahme der Personalentwicklung aufgebaut werden.« (Friedrich 2010, S. 14 f.; ähnlich Bode 2012, S. 92 u. 105.) Damit ist ein traditionelles Grundverständnis von Personalmanagement verbunden: Personalmanagement diene vornehmlich dazu, die Organisation mit qualifizierten »Humanressourcen« zu versorgen – die Rede ist dann vom »Human Resources Management (HRM)«; vgl. u. a. Lichtsteiner et al. 2015, S. 245 ff. –, damit diese ihre Aufgaben bewältigen und ihre Ziele erreichen könne. Es dominiert die Perspektive »Organisation«: Sie

wird zum primären oder gar alleinigen Orientierungspunkt für das Personalmanagement. Insbesondere die Aufgabe der Personalentwicklung wird mit dem mechanistisch konzipierten Begriff der »Deckungslücke« charakterisiert (Schreyögg u. Koch 2010, S. 437): »Wichtige Anhaltspunkte sind die zukünftig zu erfüllenden Aufgaben sowie die damit verbundenen Anforderungen und korrespondierend dazu die Fähigkeiten bzw. Qualifikationen der mit dieser Aufgabe betrauten Personen. Ein Entwicklungsbedarf liegt demzufolge immer dann vor, wenn sich bei einer Gegenüberstellung von Qualifikation und Aufgabenanforderungen Deckungslücken zeigen.« In dieser Linie liegt auch die einseitige, im tradierten betriebswirtschaftlichen Denken formulierte Fragestellung, die Kolhoff und Kortendieck der verhaltensbezogenen Variante des Personalmanagements (»Personalführung«) zugrunde legen (Kolhoff u. Kortendieck 2006, S. 36): »Wie kann ich Mitarbeiter so beeinflussen, dass sie mithelfen, die Ziele des Unternehmens effektiv zu erreichen?« Rietmann formuliert diese Personalführung konsequent als eine Aufgabe der »Verhaltensmodifikation« (Rietmann 2012, S. 252): »Um Mitarbeiter entsprechend aufgabenspezifischer Charakteristika zu qualifizieren und fortzubilden, hat Führung die Aufgabe der Verhaltensmodifikation im Sinne einer Qualifizierung zur effektiven, effizienten und nachhaltigen Leistungserbringung.« Die Perspektive der Organisation wird zum primären Bezugspunkt, auf den hin das Personalmanagement sich mit den Bemühungen zur Lieferung, Weiterentwicklung und Aufrechterhaltung der »Humanressourcen« auszurichten hat. Die dazu verwendeten Methoden können unterschiedlich sein – in unterschiedlichen Formen des Einbezugs von Mitarbeitern oder Mitarbeitergruppen, eher anordnend oder eher partizipativ, eher formal kontrollierend oder eher diskursiv –, es bleibt ein anpassungsorientiertes, organisationsdominantes konzeptionelles Grundverständnis zum Personalmanagement. Eine solche, an der Dominanz der Perspektive »Organisation« ausgerichtete Konzipierung von Personalmanagement ist deswegen fragwürdig, weil sie die jeweiligen Eigenlogiken der Personen (als »psychische Systeme«) nicht berücksichtigt und weil die in diesen Differenzen enthaltenen Entwicklungsoptionen für die Organisation vernachlässigt werden. Ausgangspunkt muss die Anerkennung der Tatsache sein, dass in einer Einrichtung oder einem Dienst der Sozialen Arbeit viele unterschiedlich geprägte Systeme aufeinandertreffen: die »Organisation« mit der ihr eigenen organisationalen Logik sowie die unterschiedlichen Personen mit ihren »psychischen Systemen« und mit ihren jeweiligen personalen Logiken. Die mit einem solchen Aufeinandertreffen einhergehenden Potenziale für Diskrepanzen und Spannungen bedürfen zu ihrer Bewältigung der Bemühungen, das Organisationssystem und die unterschiedlichen individuellen Systeme miteinander kommunikationsfähig zu machen und zu halten, also Anschlussfähigkeit zwischen den

Systemen herzustellen und aufrechtzuerhalten, sodass die Organisation insgesamt ihre Leistungs- und Entwicklungsfähigkeit aufbauen und gewährleisten kann. Die Konzipierung von Personalmanagement als »Zuliefereinheit« von qualifizierten und motivierten »Humanressourcen« verkennt den Eigensinn der Personen, die in einer Organisation tätig werden.38 Da die in der Organisation tätigen Personen »mehr« sind als ein auf die Organisationszwecke auszurichtendes und im günstigen Fall motiviertes Konglomerat von Arbeitsfähigkeiten,39 wäre es ein verkürzter Blick, würde man deren personale Logik auf eine Betrachtung ihrer Arbeitsfähigkeiten verkürzen, die dann an Organisationszwecke angepasst werden müssten. Vielmehr gebietet die Beachtung der Differenzen in den Logiken der Systeme eine Suche nach Möglichkeiten der Ankoppelung: Ankoppelung gedacht als Suche nach und Gestaltung von Ansatzpunkten, bei denen die Systeme zueinanderfinden können und die in den Systemdifferenzen enthaltenen Störungspotenziale begrenzt oder produktiv bearbeitet werden können. Eine solche Logik der Ankoppelung trägt eine andere Haltung in das Personalmanagement als die organisationsdominante Anpassungslogik. Personalmanagement kann somit interpretiert werden als ein Modus innerhalb der Organisation, mit dessen Hilfe • zum einen die organisationale Logik an individuelle Systeme herangetragen wird, Individuen gefunden werden, die als »anschlussfähig« an das Organisationssystem angesehen werden, und diese in der organisationalen Logik beeinflusst werden sollen; • zum anderen die individuellen Logiken kenntlich gemacht und die Möglichkeiten ausgelotet werden sollen, diese in der Organisationslogik zum Tragen zu bringen; • zum dritten durch das Gelingen von Anschlussfähigkeit verarbeitbare Irritationen ggf. Impulse zur Organisationsveränderung ausgelöst werden können. In der erstgenannten Intention wird Personalmanagement in der Perspektive der Organisation und deren Logik wahrgenommen; in der zweitgenannten Intention steht die Perspektive der Individuen/Personen stärker im Blick. Die drittgenannte Intention markiert die optionale Folge einer gelingenden Realisierung und Verkoppelung der beiden vorgenannten Intentionen; denn personale Systeme transportieren auch Irritationen in Organisationssysteme, die für diese als »Lernmaterial/Lernimpuls« bedeutsam werden und von diesen entsprechend genutzt werden können. (Zu »organisationalem Lernen« siehe Kapitel 6.3) Die Herausforderung für das Personalmanagement liegt zum einen in der Suche nach und in der kontinuierlichen Gestaltung von Ansatzpunkten für eine Verkoppelung sowie zum anderen im Halten von Balancen zwischen der Organisationsperspektive und der Mitarbeiterperspektive, also in einer möglichst für beide Seiten produktiven Spannungsbewältigung. Bei der Bewältigung dieser Ankoppelungsaufgabe sieht sich das Management in Organisationen der Sozialen Arbeit mit unterschiedlichen Schwierigkeiten konfrontiert. Zum

einen besteht das generelle Problem, dass die individuellen Logiken, insbesondere die Fähigkeiten, die normativen Haltungen und die spezifischen Motivationen von Personen, nur sehr begrenzt im Vorhinein erkundet werden können und dass daher eine prognostizierbare Passung von Organisation und Individuum nur als Hypothese zu handhaben ist; ob sich die prognostizierten Ankoppelungspunkte im Alltag und in einer zeitlich nicht zu eng befristeten Weise als ausreichend tragfähig erweisen, ist ungewiss. Zum anderen sehen sich die Managementakteure mit einem weiteren Ungewissheitsproblem konfrontiert: Weil in »frontline organizations« eine unmittelbare Einflussnahme auf die adressatenbezogene Leistungserbringung durch die Mitarbeiter und damit auf die Qualität kaum möglich ist (Kapitel 2), bleibt nur die Option, an den Voraussetzungen zu arbeiten, also sorgfältig Personal auszuwählen und Personal im Arbeitsprozess so weit wie möglich zu beobachten. Der interaktionale Kern der Sozialen Arbeit entzieht sich jedoch – in verschiedenen Handlungsfeldern unterschiedlich weit – zumindest in wesentlichen Teilen der Beobachtbarkeit. Ungewissheit muss auch hier mit Vertrauen in die Handlungsfähigkeit und Handlungsbereitschaft der Personen beantwortet werden, jedoch darf es kein naives Vertrauen sein (»Der wird es bei seiner Ausbildung und seinem Auftreten schon gut machen …«), sondern es muss ein begründbares Vertrauen aufgrund sorgfältiger Auswahl und Beobachtung sein. Ein systemisch ausgerichtetes Personalmanagement, das der Leitlinie der »Suche nach Möglichkeiten der Ankoppelung« folgt, richtet sich an folgenden drei Leitorientierungen aus: • Zu beobachten sind die Bedeutung, die Verarbeitung und die (Neben-)Wirkungen personenbezogener Maßnahmen im sozialen System »Organisation«. Jede Maßnahme, die auf einzelne Personen oder auf abgrenzbare Gruppen von Personen zielt, hat Auswirkungen und (häufig unbedachte oder kaum vorher kalkulierbare) Nebenwirkungen auf das »soziale System Organisation«. Maßnahmen wie Arbeitszeitflexibilisierung, Einführung von Ansätzen leistungsorientierter Bezahlung, Zielvereinbarungen, Setzen bestimmter Qualifikationsanforderungen bei der Personalauswahl etc. werden in der Organisation beobachtet und verarbeitet. So können z. B. individuelle leistungsorientierte Bezahlungsanteile zum Unterlaufen von teamorientierter Arbeit führen, die Praxis der Zielvereinbarungen kann mit einem reduzierten Herausforderungscharakter der vereinbarten Ziele einhergehen, Arbeitszeitflexibilisierung eine geringere Zugänglichkeit für Leistungsadressaten zur Folge haben etc. Auch allmähliche Veränderungen in den organisationskulturellen Normierungen und Bedeutungsgehalten können sich ergeben (z. B. Leistungsorientierung vs. egalitäre, teamorientierte Normativität oder Messung von »Leistung« an Kriterien des Aufwands und weniger an Kriterien der »Güte« oder gar des Erfolgs). Systemisch ausgerichtetes Personalmanagement realisiert sich in der Beobachtung und wachen Begleitung der Wirkungen und Nebenwirkungen individueller und gruppenbezogener Maßnahmen im sozialen Kontext der

Organisation. • Systemische Konzepte des Personalmanagements richten sich angesichts ihrer Ausrichtung an einer »Ankoppelungslogik« und angesichts des Einbezugs des hohen Grades an Unsicherheit bei den Arbeitsaufgaben in der Sozialen Arbeit an einem komplexen Bild zu »kompetentem Personal« aus. Da die Arbeitsaufgaben in der Sozialen Arbeit durch ein erhebliches Maß an Unsicherheit gekennzeichnet sind, müssen Maßnahmen der Personalentwicklung über die Beobachtung und Vermittlung von eng funktionsorientierten Kompetenzen hinausgehen. Sie müssen sich daran orientieren, dass »mündiges«, zum Umgang mit Unsicherheit fähiges Personal vorhanden ist bzw. zur Herausbildung einer solchen »Mündigkeit« gefördert werden kann. Orientierungspunkt ist das Bild von Mitarbeitern, die – mit Regelungslücken umgehen und sich diesen adäquat stellen können, – normative Vorgaben interpretieren können, – mit Ambivalenzen reflektiert umgehen, also in der Spannung unterschiedlicher »Logiken« (z. B. Adressatenlogik vs. Organisationslogik, Flexibilität vs. Regelhaftigkeit, Bedürfnisorientierung vs. Normbefolgung etc.) verantwortlich und kommunikativ handeln und Entscheidungen herbeiführen können, – das eigene Handeln im organisationalen Systemkontext interpretieren und reflektieren können; – sich irritieren lassen können und zur Bearbeitung dieser Irritation in Kommunikationsprozessen bereit sind. In einem solchen Bild von Kompetenz wird Personalentwicklung zu einem »Bildungsprojekt« (Klaus 2008), das über die Ausrichtung an instrumentellfunktionalen Kompetenzen deutlich hinausweist. Bei Personalentwicklung geht es dann um mehr als um eine Verhaltenssteuerung zur besseren Bewältigung zweckbestimmter Aufgaben, sondern um in einem komplexeren Sinn »professionelle«, gestaltungsbereite, (selbst)reflexive Mitarbeiter.40 • Systemische Konzepte des Personalmanagements setzen sich in einen reflektierenden Bezug zu den Prozessen in der Organisation. Sie gestalten ihre Ankoppelungsbemühungen im spannungsvollen Zusammenspiel von zentralen Organisationsentscheidungen (Zielorientierung und Handlungsprogramme der Organisation) und dezentralen Organisationseinheiten (Wahrnehmungen und Entwicklungsbedarf »an der Basis«). Sie reflektieren Nebenwirkungen organisationaler Handlungsprogramme auf Haltungen und Kompetenzen von Mitarbeitern (Beispiel: Auswirkungen von weitgehenden Standardisierungen im Qualitätsmanagement auf die Selbstorganisationskompetenz von Mitarbeitern). Sie verkoppeln Aktivitäten der Personalentwicklung – und hier insbesondere: die Fortund Weiterbildung – mit der Organisation, indem sie individuelle Qualifizierung und Organisationsentwicklung zueinander in Bezug setzen: zum einen durch Auswahl und

Präferenzbildung vor Beginn von Maßnahmen der Personalentwicklung (»Welche Qualifikation werden aktuell und in der Entwicklungsperspektive in der Organisation benötigt, und wie können solche Anforderungen der Organisation mit individuellen Qualifizierungsbedürfnissen vermittelt werden?«), zum anderen durch einen reflexiven Einbezug von Transferkonstellationen (»Wie kann der Transfer des Erlernten im Alltag begleitet werden, welche Irritationen entstehen durch das Erlernte, und wie können solche durch Fortbildung gewonnenen Irritationen als Impulse für Organisationslernen genutzt werden?«) (Gesmann 2012; Kapitel 11). Systemisches Personalmanagement wird zu einem erheblichen Teil durch die Haltung der Leitungspersonen (»Personalverantwortlichen«) und derjenigen Personen geprägt, die eventuell in einem speziellen Organisationssegment neben der Personalverwaltung in die inhaltliche Ausgestaltung des Personalmanagements eingebunden sind (»Personalabteilung«): Verstehen diese Akteure Personalmanagement primär als Modus der auf die Ziele der Organisation ausgerichteten Verhaltensbeeinflussung (egal, ob eine solche entsprechend den Intentionen mehr oder weniger oder kaum funktioniert) oder als eine Suche nach Möglichkeiten der Ankoppelung von Organisationssystem und individuellen Systemen (Personen)? Systemisches Personalmanagement stellt nicht nur Integrationsabsichten in den Mittelpunkt, sondern rechnet gleichermaßen mit Potenzialen der »individuellen psychischen Systeme« sowie deren Eigensinn und versucht, dieses Potenzial so weit wie möglich zu beobachten und für die Organisation fruchtbar zu machen – als Beitrag zur Arbeitsweise der Organisation und als Irritationsbeitrag zur Reflexion und Weiterentwicklung des Organisationsgeschehens.

10.4 Aufgaben des Personalmanagements Entsprechend den skizzierten Leitorientierungen sind die einzelnen Aufgaben- und Handlungsbereiche des Personalmanagements41 zu betrachten. Personalmanagement versucht, Personen in der Funktion von Mitarbeitern an eine Organisation zu binden bzw. die Voraussetzungen zu schaffen, dass diese sich an die Organisation binden – wobei »Bindung« selbstverständlich immer nur partiell vollzogen werden kann, bestimmte Kompetenzen und Motive betreffend und nie die »ganze Person«.42 Die Bindung von Personen an eine Organisation, verstanden als Ankoppelung individueller Systeme an ein Organisationssystem, kann sich in unterschiedlichen, ggf. einander ergänzenden Formen vollziehen (Sichler 2012, S. 480 ff.): • Als affektive/emotionale Bindung (Verbundenheit mit der Organisation, Loyalität, Identifikation mit Werten und Zielen der Organisation)

• Als kalkulatorische, auf angemessene Aufwand-Nutzen-Bezüge basierende Bindung (Abwägung zwischen sozialem und materiellem Nutzen einerseits und der geforderten Arbeitsleistung und dem sozialen Engagement in der Organisation andererseits) • Als normative Bindung, bei der (gegenseitige) Verpflichtungen, Verantwortung, Dankbarkeit o. Ä. im Mittelpunkt stehen Mit einer solchen Ausrichtung auf »Bindung« wird der motivationale Faktor der Ankoppelung benannt. Neben der motivationalen Dimension (»Wollen«) spielen die kognitive Dimension (»Wissen«) und die instrumentelle Dimension (»Können«) in die Kompetenz hinein, durch die sich Mitarbeiter in einer Organisation als handlungsfähig erweisen. Um überhaupt Wahrscheinlichkeiten für eine Ankoppelbarkeit von Personen an die Organisation zu schaffen, muss die Organisation Kompetenzprofile definieren, in denen sie entscheidet, welche Kompetenzvoraussetzungen sie für erforderlich hält, damit eine Person die Arbeitsaufgaben erfüllen und somit mit hinreichenden Aussichten auf Erfolg an die Organisation angekoppelt werden kann. Kompetenzprofile ermöglichen eine Unterscheidung, welche Personen wahrscheinlich in eine Organisation passen können und bei welchen Personen die Aussichten auf eine gelingende Ankoppelung als gering einzuschätzen sind. Die Arbeit an Kompetenzprofilen fördert innerhalb einer Organisation eine Verständigung über Aufgaben und über die zu ihrer Bearbeitung erforderlichen beruflichen Fähigkeiten und Haltungen. Sie schafft Transparenz für alle Beteiligten und bietet Orientierung für die unterschiedlichen Aktivitäten der Personalplanung und Personalentwicklung. Grundlage für die Erarbeitung von Kompetenzprofilen, bei denen die für einen Arbeitsplatz erforderlichen Kompetenzen zu verschiedenen Zeiten des Hineinwachsens in eine Organisation differenzierend charakterisiert werden (z. B. zu Beginn der Tätigkeit, nach einer Einarbeitungszeit von 6 Monaten, nach einem Jahr, nach 2 Jahren), ist eine genauere Vorstellung zu den handlungsfeldspezifischen Qualifikationen und Kompetenzen, die eine Person mitbringen oder in einem bestimmten Zeitraum erwerben soll. Es bedarf einer genaueren Systematisierung, was eine Person an Kenntnissen, instrumentellen Fähigkeiten und Haltungen mitbringen oder entwickeln soll, um kompetent die Anforderungen in einem Handlungsfeld erfüllen zu können. Für eine solche Systematisierung stehen mehrere in der Fachliteratur erarbeitete Kompetenzmodelle zur Verfügung, an denen man sich ausrichten und die man als Orientierung für eine handlungsfeldbezogene Konkretisierung verwenden kann, z. B.: • Im Kompetenzprofilvorschlag von Pamme u. Merchel (2014, S. 47 f.) werden pragmatisch unterschieden: – Wissensorientierte Fachkompetenzen (Kenntnisse zu handlungsfeldrelevanten Wissensfeldern) – Methodenkompetenzen (Fähigkeiten zur Realisierung systematischer Verfahrensweisen im Handlungsfeld)

– Sozialkompetenzen (Fähigkeiten zur positions- und kontextbezogenen Zusammenarbeit und Kommunikation) – Persönliche Eignungsvoraussetzungen (berufliche und persönliche Haltungen; normative Bezüge; über enge berufliche Kompetenzen hinausweisende, aber für das Handlungsfeld bedeutsame Persönlichkeitsfaktoren) • Von Spiegel (2013, S. 82 ff.) unterscheidet drei Dimensionen professioneller Handlungskompetenz: – Die theoretische Dimension des Wissens (zur Beschreibung, Erklärung und Veränderung von Zuständen und Vorgängen) – Die normative und persönliche Dimension der beruflichen Haltung (berufliche Wertorientierungen und reflexive Haltung im Hinblick auf die eigene Person und ihr werteorientiertes Handeln im beruflichen Alltag) – Die instrumentelle und reflexive Dimension des Könnens (zum kommunikativen, dialogischen Handeln, zur Selbstreflexion und zum begründbaren, methodisch ausgerichteten Handeln in der Interaktion mit Leistungsadressaten, anderen Organisationen sowie innerhalb der eigenen Organisation und in anderen institutionellen Feldern wie z. B. der Kommunalpolitik) • Maja Heiner (2010, S. 12 ff.) differenziert bereichs- und prozessbezogene Kompetenzmuster: Eine handlungskompetente Fachkraft in der Sozialen Arbeit zeichnet sich demnach dadurch aus, dass sie zum einen in der Dimension der bereichsbezogenen Kompetenzmuster über Selbstkompetenz (bezogen auf die eigene Person: Selbstregulation, angemessene Identitätsentwicklung, Offenheit für Qualifizierungsimpulse), über Fallkompetenz (bezogen auf die Leistungsadressaten: Fallanalyse und Fallbearbeitung) und über Systemkompetenz (bezogen auf die Organisation und das institutionelle Leistungssystem: Wissen und Umgang mit relevanten politischen, administrativen und organisationalen Konstellationen) verfügt. In jedem dieser drei bereichsbezogenen Kompetenzmuster soll eine Fachkraft a) Planungs- und Analysekompetenz, b) Interaktions- und Kommunikationskompetenz sowie c) Reflexions- und Evaluationskompetenz entwickeln. Wenn man diese beiden Kompetenzstränge (bereichs- und prozessbezogene Kompetenzmuster mit ihren jeweils drei Ausprägungen) einander tabellarisch zuordnet, ergeben sich insgesamt neun Felder, in denen sich die jeweiligen handlungsfeldbezogenen Kompetenzen konkretisieren lassen. In der Fachliteratur lassen sich weitere Systematisierungsvorschläge finden. Die genannten drei Vorschläge zeigen Möglichkeiten für eine Konstruktion von Kompetenzprofilen auf, die genutzt und für ein entwicklungsorientiertes Personalmanagement in Organisationen der Sozialen Arbeit verarbeitet werden können. Wichtig ist, dass die Kompetenzprofile nicht verkürzt werden auf kognitive und methodisch-instrumentelle Kompetenzen, sondern dass

dabei gleichermaßen reflexive Kompetenzen und persönlichkeitsbezogene Aspekte einfließen. Neben fachlichen Kompetenzen werden in Organisationen der Sozialen Arbeit Aspekte der »persönlichen Eignung« bedeutsam, die für Ankoppelungsprozesse von erheblicher Relevanz sind. Dabei sind zum einen handlungsfeldbezogene Eigenheiten des persönlichen Auftretens, der verkörperten Werthaltungen, der Kommunikationsbereitschaft und -fähigkeit etc. einzubeziehen wie auch zum anderen die eher situativen und informell erfolgenden Bewertungen zur Passung zwischen einer Person und der Organisationskultur (»Passt der oder die wahrscheinlich zu uns, also zu der Art, wie wir sind?«) zu berücksichtigen. Kompetenzprofile als Grundlage für Personalauswahl und Personalentwicklung haben also nicht allein kognitive und methodische Kompetenzen in den Blick zu nehmen, sondern auch persönlichkeitsbezogene Faktoren, die in die Handlungskompetenz der Fachkräfte hineinwirken und die als für die Ankoppelbarkeit von Person und Organisation bedeutsam eingeschätzt werden. Bei dem Hinweis auf die Bedeutung von Kompetenzprofilen könnte der Eindruck entstehen, die Aufgaben ließen sich im Wesentlichen strukturieren und entsprechend die zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Fähigkeiten konturieren. Demgegenüber lässt bei sozialen Dienstleistungen eine individualisierte Leistungserbringung eine Aufgabenstrukturierung nur begrenzt zu, und die Aufgabenkonstellationen variieren stark. Daher ist hier nur ein relativ grobes Kompetenzprofil definierbar, und die Prognosemöglichkeiten bei der Personalauswahl sind auch in der Nutzung eines solchen Kompetenzprofils eingeschränkt. Das Kompetenzprofil hat seine Bedeutung als ein in der Organisation transparent gemachtes Kriterienbündel für eine wahrscheinlich mehr oder weniger gut gelingende Ankoppelung (bei der Auswahl und Einstellung von Mitarbeitern) und als Beobachtungsschema für die Entwicklung und für eine zielgerichtete Unterstützung beim Aufbau von Kompetenzelementen. Kompetenzprofile bilden eine Grundlage für die Reflexion und Konstituierung von Ankoppelungsmodi bei Personalbeschaffung und Personalentwicklung, und hier insbesondere für die • Personalauswahl: zur Konzipierung von Kriterien und Verfahrensweisen bei der Überprüfung, ob Bewerber für eine zu besetzende Stelle geeignet erscheinen; • Einarbeitung: als inhaltlicher Rahmen für eine sorgfältige und strukturierte Einarbeitungsphase zum Hineinwachsen in die jeweilige Organisation und zur Herausbildung weiterer arbeitsfeld- und organisationsspezifischer Handlungskompetenzen; • Fort- und Weiterbildung: zur genaueren Betrachtung des Fortbildungsbedarfs sowohl aus einer individuellen Perspektive (An welchen Stellen sollten persönliche Kompetenzen erweitert werden?) als auch aus einer organisationsbezogenen Perspektive (Welche Kompetenzen der Mitarbeiter benötigt die Organisation, um sich

in einer bestimmten Weise weiterentwickeln zu können?); • Mitarbeiterentwicklungsgespräche: als Folie zur diskursiven Bewertung der Kompetenzen von Mitarbeitern und zur Erörterung der individuellen Entwicklungsperspektiven; • Beobachtungen zur Entwicklung der Arbeitsbelastung: als Rahmen zur Einschätzung der Belastungsanfälligkeit, die bei einem Arbeitsplatz erkennbar wird, und zur kontinuierlichen Beobachtung der (handlungsfeldbezogenen und individuellen) Belastungsentwicklung. Mit diesen Stichworten sind die Handlungsbereiche eines auf Ankoppelung ausgerichteten Personalmanagements benannt: • Im Vorfeld der Tätigkeit: Personalrekrutierung, insbesondere Personalausschreibung, Personalauswahl; • Während der Tätigkeit: (dialogische) Personalbeurteilung auf der Grundlage von an Kriterien des Kompetenzprofils ausgerichteten Beobachtungen, systematische Einarbeitung, Personalentwicklung. Die Personalmanagementaktivitäten vor und während der Tätigkeit (differenziert zu einzelnen methodischen Vorgehensweisen siehe Hölzle 2017 sowie Pamme u. Merchel 2014) dienen gleichermaßen zum Erkunden und Herausarbeiten von Abschlussoptionen: • Im Vorfeld der Tätigkeit geht es zum einen generell darum, ein glaubwürdiges »Arbeitgeberimage als Identifikationsangebot« zu erzeugen und zu kommunizieren; Attraktivitätsfaktoren werden bewusst herausgearbeitet, um vorhandenen Mitarbeitern und potenziellen Bewerbern ein rationales und emotionales Identifikationsangebot, also Ankoppelung, zu ermöglichen, indem individuelle Motivationen mit Charakteristika der Organisation (und der Aufgaben) in einen positiv empfundenen Bezug gesetzt werden.43 Zum anderen dienen Personalausschreibung und Personalauswahl dazu, solche Personen anzusprechen und auszuwählen, die gute Voraussetzungen für eine Ankoppelung aufweisen bzw. bei denen eine Passung zwischen Organisation und Person durch entsprechende Maßnahmen (strukturierte Einarbeitung etc.) mit einer kalkulierbaren Erfolgswahrscheinlichkeit erreicht werden kann. Grundlage für eine solche auf Ankoppelungswahrscheinlichkeit ausgerichtete Personalauswahl sind in der Organisation kommunizierte Kriterien (»Kompetenzprofil«), eine im Auswahlverfahren praktizierte diskursive Bezugnahme auf informelle und organisationskulturelle Dynamiken und Konstellationen sowie damit einhergehende methodisch konzipierte Auswahlverfahren (am Beispiel Jugendamt/ASD siehe Pamme u. Merchel 2014, S. 78 ff.). • Während der Tätigkeit ist zunächst eine strukturierte Einarbeitung erforderlich, denn

eine ausreichende Passung zwischen Organisation und Person kann selbst bei sorgfältiger Personalauswahl nicht vorausgesetzt, sondern muss durch Einarbeitungsmaßnahmen hergestellt und prozesshaft beobachtet werden. Der Begriff »Einarbeitung« legt eine organisationsdominante Perspektive nahe: Die Person wird dazu geführt, sich Kompetenzen und Arbeitsweisen anzueignen, die in der Organisation üblich sind und mit denen die der Organisation gegebenen Aufgaben bearbeitet werden (formelle und informelle Handlungsprogramme und Eingewöhnung in formelle und informelle Strukturen). Einarbeitung kann jedoch auch produktiv zur Erzeugung von Irritationen genutzt werden: Der »fremde Blick« des neuen Mitarbeiters bricht sich an Routinen, und das gezielte Thematisieren solcher Brechungen kann die Organisation mit Reflexions- und Lernimpulsen versorgen (Kapitel 6.3). Sodann ist das Gelingen eines ausreichenden Maßes von Ankoppelung zu beobachten und diskursiv zu thematisieren: Personalbeurteilung als Zusammenspiel von Beobachtungen zu den kognitiven, instrumentellen und motivationalen Kompetenzdimensionen einerseits und deren kommunikativer Verarbeitung andererseits. Denn die Beobachtungen, deren Einordnungen in Organisationskonstellationen und die daraus zu konstruierenden Schlussfolgerungen in Bezug auf verbesserte Ankoppelungsoptionen bedürfen der kommunizierten Mehrperspektivität. Ausfluss der Personalbeurteilung sind Maßnahmen der Personalentwicklung: Deren Zweck ist die systematische Beobachtung und Förderung der Fähigkeiten und der Motivation der Mitarbeiter in aktiver und prozessualer Abstimmung mit deren eigenen beruflichen Erwartungen, mit den Erfordernissen der Arbeitsaufgaben und mit den Organisationszielen. Maßnahmen der Personalentwicklung (insbesondere Fort- und Weiterbildung – organisationsintern und -extern, systematisierte und zyklisch geführte Mitarbeiterentwicklungsgespräche) führen im erfolgreichen Fall zu einer verbesserten Ankoppelung und inneren Bindung der Mitarbeiter an die Organisation. Zwischen den Personalmanagementaktivitäten vor und während der Tätigkeit vollzieht sich ein Wechsel in der Perspektive. Während bei Personalgewinnung und Personalauswahl der Schwerpunkt deutlich bei den Anforderungen der Organisation (Organisationslogik) liegt, greift bei der Personalentwicklung eher die balancierende Perspektive einer Ankoppelung von Systemen mit unterschiedlichen Logiken (Organisationslogik einerseits und Logiken psychischer Systeme andererseits). Damit während der Tätigkeit die Spannungsfelder und die Ankoppelungsprobleme nicht zu groß werden, muss Personalauswahl darauf ausgerichtet sein, Divergenzpotenziale einzugrenzen. Zwischen den verschiedenen Vorgehensweisen des Personalmanagements wechselt die Orientierung: vom Primat der Organisationslogik zur stärker balancierenden Ankoppelung, die ihrerseits nur dann gelingen kann, wenn vorher bei der Personalauswahl das Primat der Organisationslogik angemessen zur Geltung gebracht worden ist.

Der im Personalmanagement fest verankerte Begriff »Personalentwicklung« ist höchst missverständlich und steht in Spannung zu systemischen Konzeptvorstellungen. Er suggeriert, man wolle Personen auf ein bestimmtes, von der Organisation definiertes Ziel der Kompetenz und der Einordnung oder gar der Motivation (»Motivierung«) hin entwickeln. Jedoch gilt (Böckelmann 2017, S. 295): »Menschen kann man nicht entwickeln, das können sie nur für sich selber tun.« Die Eigenständigkeit psychischer Systeme und die Unvorhersehbarkeit ihrer Eigenlogik lässt nicht verlässlich kalkulieren, wohin sie wollen und wie sich Entwicklungsimpulse aus dem Personalmanagement bei ihnen auswirken. Personalentwicklung kann daher nur bedeuten, aufgrund von Beobachtung nach anschlussfähigen Entwicklungsimpulsen zu suchen, die Anschlussoptionen im Diskurs zu überprüfen und die Verarbeitung der diskursiv konstruierten Entwicklungsimpulse zu beobachten, dies in Formen der diskursiv ausgerichteten Personalbeurteilung zu überführen, wovon wiederum weitere Entwicklungsimpulse ihren Ausgang nehmen … und so weiter in einem kontinuierlichen Verfahren. Personalentwicklung enthält dadurch die »Aufgabe, für die Moderation der Selbstorganisation zuständig zu sein« (Arnold u. Bloh 2009, S. 22) und die Selbstorganisation durch reflektierte Entwicklungsimpulse anzuregen. In diesem Sinne ist auch »Motivation« als Teil von in die Organisation eingebrachter Kompetenz ein internaler Faktor von Mitarbeitern und nur begrenzt durch organisationales Steuern beeinflussbar. »Inzwischen ist wohl allen klar geworden, dass Motivation im Kern Selbstmotivation bedeutet und dass Führung diejenigen Bedingungen zu gestalten hat, die diese Eigenleistung der Beschäftigten stimuliert.« (Wimmer u. Schumacher 2014, S. 233.) Das kann auf verschiedenen Wegen erfolgen: durch Ermöglichen von Arbeitszufriedenheit in Form einer gelingenden Passung zwischen individuellen Erwartungen, Struktur der Arbeitsaufgaben und organisationalen Handlungskonstellationen, durch ein angemessenes Empfinden von Arbeitsbelastung (Balancierung von quantitativen und qualitativen Arbeitsanforderungen zwischen Unterforderung und empfundener Überlastung; sorgfältige Beobachtung und Thematisierung der Entwicklung von Arbeitsbelastung) sowie durch Anregen einer emotionalen, kalkulatorischen und normativen Bindung (s. o.).

10.5 Leitorientierungen für ein systemisch konzipiertes Personalmanagement Zusammenfassend ist ein »systemisch konzipiertes Personalmanagement« an folgenden Leitsätzen auszurichten: 1) Im Mittelpunkt des Personalmanagements – des Umgangs mit der »Entscheidungsprämisse Personal« – steht die Anerkennung der Selbstregulation der Personen im Kontext von organisationalen Strukturen, Prozessen, Entscheidungen,

Kulturen. Personalmanagement hat hier zwei Aufgaben: – Für tragfähige Ankoppelungen zwischen dem Organisationssystem (Organisation) und den psychischen Systemen (Personen) zu sorgen bzw. diese wahrscheinlich zu machen – Den Personen auf der Grundlage kontinuierlicher Beobachtungen gezielte Entwicklungsimpulse zu vermitteln, die deren Handlungskompetenz in der Organisation betreffen, und die Verarbeitung dieser Impulse durch die Personen zu beobachten, zu bewerten sowie dies kommunikativ in neue Entwicklungsimpulse zu überführen. 2) Systemisch ausgerichtete Konzepte zum Personalmanagement nehmen Abstand von der Vorstellung eines »Personalmanagements als Zulieferbetrieb für die in der Organisation benötigten Qualifikationen (und Motivationen)« und von der darin enthaltenen Organisationsdominanz. Stattdessen ist ihre Leitorientierung das Bemühen um Möglichkeiten zur Ankoppelung von Organisationssystem und psychischen (individuellen) Systemen, deren jeweilige Eigenlogiken mit den darin enthaltenen Spannungsfeldern beachtet und in die konzeptionellen Überlegungen zum Personalmanagement einbezogen werden. 3) Die Bedingungen zur Herausbildung von Anschlussoptionen werden sowohl vor einer Tätigkeitsaufnahme als auch während der Tätigkeit von Personen in der Organisation gestaltet. Im Vorfeld der Tätigkeit in einer Organisation wird im Rahmen der Imagebildung der Organisation, der Personalausschreibung und der Personalauswahl zum einen ein Identifikationsangebot erzeugt und zum anderen ein Entscheidungsrahmen im Hinblick auf mögliche Passungen zwischen Organisation und Person definiert. Das hier wirksame Primat der Organisationslogik wird für die Phase während der Tätigkeit der Person(en) von einer stärker balancierenden Ankoppelung abgelöst, bei der die Perspektiven der Personen einen höheren Stellenwert erhalten. 4) Reine anpassungsorientierte Interventionen beim Personalmanagement gehen aus zwei Gründen fehl: Zum einen werden sie der Eigenlogik und Selbststeuerung psychischer Systeme nicht gerecht, und zum anderen missachten sie das für die Organisationsentwicklung wertvolle Irritations- und Reflexionspotenzial, das insbesondere, aber nicht nur durch neue Mitarbeiter in die Organisation eingebracht werden kann. 5) Ein systemischer Blick beachtet die Wirkungen und Nebenwirkungen einzelner personalbezogener Interventionen auf das »soziale System Organisation« und bezieht diese in die Beobachtung und Gestaltungsüberlegungen ein. 6) Systemisch konzipierte Personalentwicklung in Organisationen der Sozialen Arbeit arbeitet angesichts der Spezifität der Arbeitsaufgaben (insbesondere: hoher Grad an Unsicherheit bezüglich Situation/Problem/Einschätzung der Lebenssituation der

Adressaten, angemessene Methoden, erwartbare Wirkungen) mit einem komplexen Bild von Handlungskompetenz, in dessen Zentrum die Orientierung an »professioneller und personaler Mündigkeit« steht und das daher nicht auf funktionale, instrumentelle Kompetenzen beschränkt werden darf. Das macht insbesondere die Fort- und Weiterbildung als Bestandteil von Personalentwicklung sowie Coaching/Supervision zu einem komplexer zu fassenden »Bildungsprozess«. 7) Die Konstruktion von Kompetenzprofilen schafft Transparenz a) bei den Anforderungen, die eine Organisation zur Bewältigung ihrer Aufgaben an die Mitarbeiter adressiert, b) bei den Kriterien, an denen sich eine (kommunikative) Personalbeurteilung ausrichtet, und c) bei den Maßstäben, die den Impulsen zur Personalentwicklung zugrunde gelegt werden. Ferner wird durch in der Organisation definierte Kompetenzprofile ein Orientierungskorridor geschaffen, durch den bei der Personalauswahl personenbezogen zwischen mehr oder weniger guten Voraussetzungen für eine Passung von Organisation und Person entschieden werden kann. 8) Aktivitäten der Einarbeitung, der Personalbeurteilung und der Personalentwicklung werden dann erfolgswahrscheinlicher, wenn sie diskursiv ausgerichtet sind und wenn systematisch die Perspektive der Person(en) einbezogen wird, deren Kompetenzen und Verhaltensweisen beeinflusst bzw. weiterentwickelt werden sollen. Durch Diskursivität kann die Anschlussfähigkeit von Beurteilungen und Interventionen sowie damit die Wahrscheinlichkeit ihrer Effektivität erhöht werden. Der Bezug zwischen einem guten Personalmanagement und anderen Steuerungsbereichen in der Organisation liegt auf der Hand: Ein Strategisches Management bedarf der Erwägungen, welches Personal für welche Entwicklungsoptionen der Organisation benötigt wird sowie ob und wie man Erfolg versprechende Aktivitäten zur Rekrutierung und Entwicklung solchen Personals initiieren kann; Qualitätsmanagement bei personenbezogenen Dienstleistungen ist zu einem wesentlichen Teil das Herbeiführen einer kompetenten, differenzierenden und situationsadäquaten reflexiven Prozessgestaltung durch Mitarbeiter; Marketing vollzieht sich als »gelebtes Marketing« zu einem erheblichen Teil durch Mitarbeiter als Repräsentanten der Organisation in alltäglichen Kommunikationssituationen mit der Umwelt. Auch für Impulse zur Herausbildung organisationaler Lernfähigkeit sind systematisierte, zyklische, auf der Grundlage von Beobachtung erfolgende Mitarbeitergespräche Bestandteil von Personalentwicklung, weil sie eine Verschränkung individuellen und organisationalen Lernens ermöglichen – eine Perspektive, die neben dem Blick auf eine solche verschränkende Option auch eine entsprechende »pädagogische Kompetenz« aufseiten der Leitungspersonen erfordert (Sausele-Bayer 2011). Diese Bezüge verdeutlichen den zentralen Stellenwert von Personalmanagement für den Erfolg von Organisationen der personenbezogenen Dienstleistungen.

37 In vielen Veröffentlichungen, die – aus betriebswirtschaftlicher Sicht – das Management in Nonprofit-Organisationen »anleiten« wollen, kommt Personalmanagement gar nicht oder nur randständig vor. Beispiele: Von den vierzehn bei Helmig und Purtschert (2006) hervorgehobenen Beispielen für gutes Management in Nonprofit-Organisationen ist Personalmanagement nur bei einem Beispiel als eigens berücksichtigter Bereich hervorgehoben; in der abschließenden Darstellung der Herausgeber zu den »Erfolgsfaktoren im NPO-Management« kommt der Faktor »Personal« nicht vor, er wird nicht einmal erwähnt! Stöger und Salcher (2006) reduzieren in dem Buch »NPOs erfolgreich führen« das Personalmanagement auf Checklisten zu drei Themen: »Einstellungsrisiko, Vorstellungs- und Einstellungsgespräch«, »Arbeitsverhältnis und Dienstzettel«, »Konfliktgespräch, Auflösung und Dienstzeugnis«. Ein bemerkenswert einfältiges Verständnis von »Personalführung«! Auch bei Hensen und Hensen (2012), die beanspruchen, für das Gesundheits- und Sozialmanagement »Leitbegriffe und Grundlagen modernen Managements« zu erörtern, sucht man vergeblich nach einem Beitrag zum Personalmanagement. 38 An dieser Stelle sei auf den Nutzen der systemtheoretischen Differenz zwischen Organisation und Person (als Organisationsmitglied) verwiesen. In der Systemtheorie sind die Personen, die in einer Organisation tätig werden, nicht als Teil des »Systems Organisation«, sondern als Teil von dessen Umwelt zugeordnet. Die Kommunikation, die Personen in das Organisationssystem einbringen, sind ein Systembestandteil, nicht jedoch die Personen als Kommunikationsakteure. Dies mag zunächst befremdlich erscheinen, da in der Alltagswahrnehmung die Personen als Teil und Repräsentanten der Organisation betrachtet werden, jedoch schärft die theoretische Differenzmarkierung zwischen Organisation und Person die Beobachtung und Würdigung der verschiedenen Eigenlogiken von Organisationssystem und psychischen Systemen sowie die Beachtung der Notwendigkeit, nach Möglichkeiten der Ankoppelung zu suchen (Kapitel 1) 39 »Die einzelnen Beteiligten (hier: die in einer Organisation wirkenden Akteure; Anm. S. G./J. M.) sind niemals nur ›gemietete Hände‹, sie bringen auch ihren Kopf und Herz mit ein.« (Scott 1986, S. 124.) 40 Die Paradoxie, die mit einer solchen Orientierung am Bild eines »kompetenten Mitarbeiters« einhergeht, liegt auf der Hand: Das Bemühen, Mitarbeiter an die Organisationslogik heranzuführen und sie auf diese Weise in die Organisation zu »integrieren«, wird durch die Förderung von individueller Autonomie partiell unterlaufen, die aber erforderlich ist, damit die Organisation die durch Unsicherheit und Unbestimmtheit gekennzeichneten Aufgaben, die sie zum Ressourcenerhalt bearbeiten muss, bewältigen kann. 41 Diese Ausführungen zu den Aufgaben des Personalmanagements beziehen sich lediglich auf beruflich, auf der Grundlage von Bezahlung tätige Personen in Organisationen der Sozialen Arbeit. Die Personengruppe der freiwillig, ehrenamtlich tätigen Personen, denen in einigen Bereichen der Sozialen Arbeit eine Bedeutung als quantitative und qualitative Ressource zukommt, bleibt hier unberücksichtigt. Bei dieser sind spezifische Konstellationen zu bedenken, die den Rahmen dieses Kapitels sprengen würden. Bei Freiwilligen ist die Ankoppelung schwieriger, weil der Bindungsmechanismus »Bezahlung« mitsamt den in einem Anstellungsverhältnis verbundenen Verhaltenspflichten nicht greift und somit die Exitoptionen bei Divergenzen größer sind. Aus Sicht der Organisation stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Aufwand und Nutzen: Warum werden Freiwillige benötigt, welche Bedeutung hat ein »Ehrenamt« im Hinblick auf Organisationsziele und damit einhergehende Leistungserbringung, und welche Bemühungen zur Bindung sind angemessen? Für die praktische Ankoppelung ist zu erwägen, welche immateriellen Nutzenerwägungen für Freiwillige zur Gewinnung und Bindung kalkuliert und eingesetzt werden können. Zu differenzieren ist hier noch zwischen Freiwilligen in der unmittelbaren Tätigkeit für Adressaten und Freiwilligen in Gremien (Vorstände, Beiräte etc.). Für diese Personengruppen greifen andere Logiken und Handlungserwägungen als bei den beruflich tätigen Mitarbeitern. Vergleiche dazu ausführlichere Quellen (Reifenhäuser u. Reifenhäuser 2013; Schober, More-Hollerweger u. Meyer 2015, S. 324 ff.; Lichtsteiner et al. 2015, S. 237 ff.). 42 Das Bestreben, eine Bindung der »ganzen Person« zu erreichen, würde die substanzielle Divergenz von Individuum und Organisation infrage stellen und wäre daher eher als pathogenes Muster zu bezeichnen, wie es z. B. in Sekten zum Ausdruck kommt. 43 Die unter dem Etikett »Employer Branding« propagierten Kommunikationsempfehlungen für Personalmarketing richten sich auf das Erarbeiten solcher Ankoppelungsoptionen (Heider-Winter 2014). Derartige Kommunikationsbemühungen werden jedoch nur dann als Identifikationssignal angenommen und Ankoppelungsoptionen wirksam realisieren, wenn sie von den Personen im Alltag als glaubwürdig erlebt werden. Die als Identifikationsangebot präsentierte »Schaufensterseite« der Organisation (Kühl u. Muster 2016, S. 25 ff.) darf nicht zu sehr vom Erlebbarem abweichen, da sonst die Ankoppelungsoptionen untergraben würden und ins Leere gingen.

11 Bildungsmanagement

11.1 Ausgangssituation: »Anything-goes-Mentalität« innerhalb der Fort- und Weiterbildung

Praxisbeispiel Frau Brandenburg ist eine erfahrene Fachkraft im Jugendamt der Stadt Musterhausen. Seit 15 Jahren arbeitet sie als Bezirkssozialarbeiterin im dortigen Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD). Obwohl die Haushaltslage der Kommune äußerst angespannt ist, können sowohl Supervisionen als auch Weiterbildungsangebote noch regelmäßig in Anspruch genommen werden. Bei einer flüchtigen Begegnung mit der ASD-Leiterin Frau Sondermann auf dem Flur eröffnet ihr diese: »Frau Brandenburg, ich habe Sie zu einem Seminar ›Effektivität durch persönliche Arbeitsorganisation‹ angemeldet. Ich denke, das können Sie doch gut gebrauchen. Die Einladung erhalten Sie per Post. Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei!« Hochgradig irritiert kehrt Frau Brandenburg an ihren Arbeitsplatz zurück. In den nächsten Tagen macht sich Frau Brandenburg viele Gedanken, warum ihre Vorgesetzte sie zu diesem Seminar angemeldet hat. Das Seminar findet extern bei einem Weiterbildungsanbieter in der Nachbarstadt statt. Grundsätzlich fühlt sich Frau Brandenburg dort wohl. Das Tagungshaus hat fast Hotelcharakter, und der Dozent ist auch sehr sympathisch. Zudem trifft Frau Brandenburg innerhalb der Weiterbildung nette Kollegen aus anderen ASD. Mit Blick auf die Weiterbildungsinhalte ist Frau Brandenburg zufrieden, wenngleich das Gefühl bleibt, dass einige Themen einfach nicht zu ihrem ASD passen. Dennoch nimmt sie sich vor, nach dem Seminar ihren Arbeitsplatz neu zu strukturieren, ein neues Wiedervorlagesystem einzuführen und täglich eine Stunde zur Bearbeitung wichtiger Aufgaben einzuführen. Zurück am Arbeitsplatz versucht Frau Brandenburg das Erlernte umzusetzen. Kaum betritt sie das Büro, erfährt sie allerdings, dass während ihrer Abwesenheit ein Kinderschutzfall in ihrem Bezirk aufgetreten ist. Hinzu kommen 74 E-Mails, die es abzuarbeiten gilt, ebenso müssen auch noch drei dringende Hilfeplanprotokolle geschrieben werden. Die ASD-Leiterin Frau Sondermann erkundigt sich mit Blick auf die Weiterbildung kurz, wie es war, wechselt dann aber rasch das Thema, da während Frau Brandenburgs Abwesenheit ein Gespräch mit dem Kämmerer stattgefunden hat, innerhalb dessen noch einmal in aller Dringlichkeit auf die Einsparnotwendigkeit bei den Hilfen zur Erziehung hingewiesen wurde. Aufgrund der Vielzahl von Ereignissen beschließt Frau Brandenburg, die

Neustrukturierung des Arbeitsplatzes und die Einführung eines neuen Wiedervorlagesystems auf ruhigere Zeiten zu verschieben. Mit ihrem Bürokollegen möchte Frau Brandenburg dennoch die ›Bearbeitungsstunde‹ einführen. Dieser erwidert allerdings nur: »Du warst wohl auf diesem Seminar, was? Aber keine Angst, das gibt sich wieder!« Letztlich führt Frau Brandenburg auch die Bearbeitungsstunden nicht ein. Das Wiedervorlagesystem bleibt, wie es ist, und auch der Arbeitsplatz hat nach wie vor dieselbe Struktur. Einige Wochen später kommt die ASD-Leiterin Frau Sondermann auf das belegte Seminar zurück: »Frau Brandenburg, jetzt waren Sie doch extra auf dem Seminar, aber an Ihrer Arbeitsweise hat sich bis heute nichts verändert. Das Geld hätten wir uns auch sparen können!« Frustriert und irritiert kehrt Frau Brandenburg an ihren Arbeitsplatz zurück. Als sie ihrem Kollegen von dem Gespräch berichtet, antwortet der nur süffisant: »Siehst du, habe ich dir doch gesagt!« Möglicherweise ließe sich das hier dargestellte Praxisbeispiel auch problemlos auf andere Handlungsfelder und Organisationsformen innerhalb der Sozialen Arbeit übertragen. Zugleich wird hier nur eine Form der mangelnden Verknüpfung von Leitungshandeln und Fort- und Weiterbildungsangeboten skizziert, wie sie in Einrichtungen der Sozialen Arbeit beobachtet werden kann. Während im Praxisbeispiel Frau Brandenburg die Weiterbildung durch ihre Vorgesetzte »verordnet« wird, lässt sich in der Praxis der Sozialen Arbeit auch eben jenes entgegengesetzte Phänomen konstatieren. So werden (zum Teil zeit- und kostenintensive) Weiterbildungsangebote von Fachkräften in Anspruch genommen, ohne dass Leitungskräfte überhaupt genau wissen, was Inhalt und Zielsetzung des Seminars ist. Die Funktion der Leitungskräfte beschränkt sich hierbei nicht selten ausschließlich auf die Gewährung (oder Verwehrung) entsprechender Weiterbildungsbudgets. Wird gegen Ende des Jahres festgestellt, dass diese noch nicht vollständig aufgebraucht sind, gilt es – damit die Budgets im nächsten Jahr nicht gekürzt werden – noch schnell Weiterbildungsangebote an den Mann bzw. die Frau zu bringen. In diesen Fällen entscheidet nicht selten das Windhundprinzip (wer sich als Erster meldet, darf teilnehmen), das Abkömmlichkeitsprinzip (Welcher Mitarbeiter ist überhaupt abkömmlich?) oder das Belohnungsprinzip (Wer hat es verdient, eine Weiterbildung in Anspruch zu nehmen?) darüber, wer noch auf die Schnelle ein Fort- und Weiterbildungsangebot in Anspruch nehmen kann (vgl. Gesmann 2016). Aufgrund der fehlenden organisationalen Einbindung werden Fragen der Übertragung der jeweiligen Weiterbildungsinhalte in die berufliche Praxis (insbesondere bei externen Weiterbildungen) weitestgehend ausgeblendet. Gelingt ein Transfer – was eher die Ausnahme als die Regel zu sein scheint –, hängt dies vom besonderen Engagement des Mitarbeiters, anderen günstigen Umständen oder schlichtweg dem Zufall ab.

Zusammenfassend scheint rund um die Fort- und Weiterbildung in Organisationen der Sozialen Arbeit eine gewisse »Anything-goes-Mentalität« vorzuherrschen. Konkrete Ansätze zur Steuerung der Fort- und Weiterbildung sucht man zumeist vergeblich. Die Folgen einer solchen mangelnden Verknüpfung von Fort- und Weiterbildungsangeboten mit dem Managementhandeln von Leitungskräften sind weitreichend. Analytisch betrachtet lassen sich Problemfelder auf (mindestens) vier Ebenen konstatieren: • Auf der Ebene der Mitarbeiter führt die »Anything-goes-Mentalität« zu Unverständnis oder gar Frust, weil sie zu Weiterbildungen geschickt werden, die möglicherweise gar nicht ihren eigenen Interessen entsprechen, oder aber weil – trotz positiver Lernerfahrungen und gutem Willen – die Übertragung der Weiterbildungsinhalte in den beruflichen Alltag nicht oder nur sehr eingeschränkt erfolgt. • Auf der Ebene des Teams kann die »Anything-goes-Mentalität« zu Unstimmigkeiten führen, da der Eindruck entsteht, dass ständig jemand »auf Weiterbildung« ist und infolgedessen die Arbeit von anderen Teammitgliedern übernommen werden muss, oder weil das vom Mitarbeiter neu Erlernte nicht zu den etablierten Handlungsroutinen des Teams passt und folglich als Störung wahrgenommen wird. • Auf der Ebene der Leitungskräfte erzeugt die »Anything-goes-Mentalität« den problematischen Eindruck, dass die (oftmals impliziten) Erwartungen hinsichtlich der Absolvierung der Weiterbildung nicht oder nur unzureichend erfüllt wurden und folglich die Investition in die Weiterbildung des Mitarbeiters scheinbar sinnlos war.44 • Auf der Ebene der Organisation führt die »Anything-goes-Mentalität« dazu, dass individuelle Lern- und/oder Irritationserfahrungen der einzelnen Organisationsmitglieder in der Organisation versanden und somit das Potenzial ungenutzt bleibt, dass solche Lern- und/oder Irritationserfahrungen zur kritischen Reflexion bestehender Routinen, also zur Steigerung der organisationalen Lernfähigkeit, genutzt werden (Kapitel 6.3). Dass sich keine Organisation der Sozialen Arbeit auf Dauer eine solche »Anything-goesMentalität« in Bezug auf die Fort- und Weiterbildung erlauben sollte, liegt auf der Hand. Als »front-line organizations« erbringen Organisationen der Sozialen Arbeit soziale – also personenbezogene – Dienstleistungen, deren Qualität trotz Koproduktionsfaktor maßgeblich von der Qualifikation, Kompetenz und Leistungsbereitschaft der in »vorderster Reihe tätigen« Mitarbeiter abhängt. Diese Kompetenzen immer wieder aufs Neue den veränderten Rahmenbedingungen und Bedarfslagen der Klienten anzupassen, ist daher zwingend notwendig, um die stets »neu zu definierende Beschaffenheit (= ›Qualität‹) der angebotenen Leistungen zu gewährleisten« (Klaus 2008, S. 141). Auch die dauerhafte Notwendigkeit, die eigene Organisation mit Irritation zu versorgen, um so einer Verkrustung vorhandener Routinen entgegenzuwirken (Kapitel 6.3), sollte Leitungskräfte in Organisationen der Sozialen Arbeit dazu bewegen, sich verstärkt mit der Steuerung von Angeboten der Fort- und

Weiterbildung auseinanderzusetzen.

11.2 Spannungsfelder und Herausforderungen in Bezug auf die Steuerung von Fort- und Weiterbildungen Nehmen Leitungskräfte ihre Steuerungsverantwortung in Bezug auf Angebote der Fort- und Weiterbildung ernst, dann treten unweigerlich Spannungsfelder und Herausforderungen auf, die innerhalb der »Anything-goes-Mentalität« weitgehend unbeachtet bleiben: • Individuelle vs. organisationale Interessen • Lernfeld vs. Funktionsfeld • Steuerung des kaum Steuerbaren Individuelle vs. organisationale Interessen Werden Angebote der Fort- und Weiterbildung in Organisationen der Sozialen Arbeit im Sinne der o. g. »Anything-goes-Mentalität« umgesetzt, erfolgt dies zumeist, ohne dass vor Beginn einer Weiterbildung die Interessen der – direkt und indirekt – beteiligten Protagonisten (der sich weiterbildende Mitarbeiter, die Leitungskraft und ggf. auch noch die Kollegen des sich weiterbildenden Mitarbeiters) in die Kommunikation gebracht werden. Da beginnt beispielweise eine ASD-Fachkraft eine umfangreiche (und durchaus kostenintensive) Weiterbildung zur systemischen Beraterin und wird hierbei durch das Jugendamt unterstützt (finanziell und/oder durch Freistellung vom Dienst), obwohl die ASD-Fachkraft eigentlich kaum noch aktiv Klienten berät. Was die ASD-Kollegin antreibt, diese Weiterbildung zu absolvieren, bleibt ebenso unbeantwortet wie die Frage, warum hier eine solche Förderung durch die Leistungskraft erfolgt. Versuchen Leitungskräfte steuernd in das Weiterbildungsgeschehen einzugreifen, dann bedeutet dies, die unterschiedlichen impliziten Interessen und Erwartungen an die Absolvierung einer Weiterbildung zu benennen und möglicherweise in einen notwendigen Aushandlungsprozess einzusteigen. Nicht selten wird hierbei erkennbar, wie groß die Diskrepanz zwischen individuellen und organisationalen Interessen, also zwischen subjektivem Bedürfnis und organisational definiertem Bedarf liegen. Nimmt man dann noch die Perspektive der Mitarbeiter des jeweiligen Teams hinzu, dann wird offensichtlich, dass im Zuge der Thematisierung von Interessenslagen Störungen vorprogrammiert sind. Leitungskräfte, die steuernd Einfluss auf die Fort- und Weiterbildung nehmen wollen, sollten sich der Tatsache bewusst sein, dass eine Abkehr von der o. g. »Anything-goes-Mentalität« konfliktträchtig sein könnte. Erspart man sich allerdings als Leitungskraft diesen – zumeist mühevollen – Aushandlungsprozess, droht die Gefahr, dass die impliziten Interessenskonflikte sich andere Wege suchen und folglich an Orten und zu Zeiten

auftauchen, die man zuvor kaum erwartet. Lernfeld vs. Funktionsfeld Insbesondere wenn Angebote der Fort- und Weiterbildung bei externen Anbietern in Anspruch genommen werden, erfolgt das Lernen in einer hochgradig künstlichen Welt. Nicht nur weil hier Kaffee, Kekse und Obst für die Teilnehmer bereitgestellt werden (was im organisationalen Alltag vieler Sozialarbeiter eher selten der Fall sein dürfte), sondern insbesondere weil hier unterschiedliche Personen mit unterschiedlichen Professionen aus unterschiedlichen Institutionen zusammenkommen und unabhängig von der jeweiligen Funktion in der Organisation gemeinsam ein Thema bearbeiten. Da treffen beispielsweise bei einer Weiterbildung zum Thema »Motivierende Gesprächsführung« Sozialarbeiter vom öffentlichen Träger auf solche vom freien Träger, Pädagogen auf Erzieher, Leitungskräfte auf Fachkräfte, Berufsanfänger auf Kollegen, die kurz vor der Rente stehen etc. Vor Ort konstituiert sich also ein soziales System mit eigenen Spielregeln und eigener Dynamik. Die jeweiligen Personen koppeln sich zeitlich befristet strukturell an dieses soziale System und erfahren im besten Fall eine Veränderung ihrer kognitiven Strukturen – sie lernen also. Die Anwendung des Erlernten soll nunmehr aber im organisationalen Alltag stattfinden, das heißt in einem sozialen System, in dem nach anderen Regeln gearbeitet wird. Während bei der o. g. Weiterbildung zur »Motivierenden Gesprächsführung« alle Teilnehmer von der Methode begeistert sind, wirken – zurück im organisationalen Alltag – die Teammitglieder möglicherweise eher reserviert, als der weitergebildete Kollege davon berichtet, wie er demnächst Beratungsgespräche zu führen gedenkt. Aussagen wie »Das kannst du hier nicht umsetzen!« sorgen dafür, dass ein erfolgreicher Transfer deutlich erschwert und der bestehende Status quo innerhalb des sozialen Systems gewahrt wird. Versuchen Leitungskräfte steuernd auf das Weiterbildungsgeschehen Einfluss zu nehmen, sind sie gut beraten, wenn sie sich der Paradoxie bewusst sind, dass insbesondere bei externen Weiterbildungen Lernerfahrungen in einem Umfeld gemacht werden, das bisweilen dem organisationalen Alltag diametral entgegengesetzt ist. Übersteigerte Steuerungserwartungen hinsichtlich der Übertragung der Weiterbildungsinhalte vom Lern- in das Funktionsfeld scheinen daher unangebracht. Steuerung des kaum Steuerbaren Wenn Leitungskräfte steuernd auf Angebote der Fort- und Weiterbildung Einfluss nehmen, dann versuchen sie im Kern etwas zu steuern, was sich hochgradig gegenüber jedweder Fremdsteuerung verschließt: das Lernen von Menschen. Aus systemtheoretischer Perspektive muss Lernen als ein autopoietischer, selbst gesteuerter, eigenwilliger und eigensinniger Prozess betrachtet werden. »Lernen benötigt zwar Informationen, Anregungen, Rückmeldungen, Lernhilfen, aber

Lernen lässt sich nicht ›von außen‹ determinieren. Das psychische ›System‹ entscheidet, was es verarbeiten kann und will.« (Siebert 2005, S. 32.) Leitungskräfte, die steuernd auf die Fort- und Weiterbildung Einfluss nehmen wollen, geraten somit zwangsläufig in ein Dilemma. Einerseits kann die o. g. »Anything-goes-Mentalität« nur durchbrochen werden, wenn Leitungskräfte ihre Steuerungsverantwortung wahrnehmen, andererseits haben sie keinerlei direkten Zugriff auf das psychische System. Sie können also Angebote der Fort- und Weiterbildung ermöglichen; was sich aber konkret vor Ort (im jeweiligen Lernfeld) innerhalb des psychischen Systems ereignet, ob eine Veränderung von Wissen stattfindet oder aber der Mitarbeiter lediglich das tolle Tagungshaus und den damit verbunden zeitlichen und räumlichen Abstand vom organisationalen Alltag genießt, kann vorab nur sehr begrenzt vorausgesagt und geplant werden. Das Dilemma des mangelnden Steuerungszugriffs potenziert sich noch, da weder zwischen Lernbereitschaft und Lernerfolg noch zwischen Lernerfolg und Anwendungserfolg eine linear-kausale Verbindung besteht. Selbst wenn ein Mitarbeiter hoch motiviert zu einem Fort- und Weiterbildungsangebot fährt, können ein schlecht vorbereiteter Referent, eine konfliktreiche Gruppe oder widrige Rahmenbedingungen vor Ort erfolgreiches Lernen verunmöglichen. Und selbst wenn trotz schwieriger Umstände Lernerfolge eintreten, sind diese noch keine Gewähr dafür, dass das Erlernte auch dauerhaft Anwendung im organisationalen Alltag findet: entweder weil hierfür schlicht die Zeit nicht zugestanden wird oder aber weil das Neue möglicherweise nicht oder nur bedingt an das Alte anschließen kann und das soziale System mit Abstoßungstendenzen reagiert. Zusammenfassend haben es Leitungskräfte innerhalb der Fort- und Weiterbildung mit drei autopoietischen Systemen zu tun, die sich jeweils gegenüber ihrer Umwelt – und damit auch gegenüber Steuerungsfantasien von Leitungskräften – operational abschließen: einem psychischen System (Mitarbeiter) und zwei voneinander losgelösten sozialen Systemen (die Organisation und die jeweilige Lerngruppe). Angebote der Fort- und Weiterbildung von ihrer »Anything-goes-Mentalität« zu befreien bedeutet daher, auf unterschiedlichen (Steuerungs-)Ebenen ansetzen zu müssen (Mitarbeiter, Lernsetting und organisationales Umfeld), wohlwissend, dass keine der Ebenen einen direkten (Steuerungs-)Durchgriff erlaubt. Konzepten eines traditionellen Bildungsmanagements, die hier Einfachheit, Berechenbarkeit und damit verbunden Vorhersehbarkeit suggerieren, sollte mit Skepsis begegnet werden.

11.3 Traditionelle Bildungsmanagementansätze Innerhalb des Bildungsmanagements existiert eine Vielzahl von Phasen-, Zyklus- und

Ablaufmodellen, die allesamt den Versuch unternehmen, die Komplexität des Weiterbildungsprozesses so weit zu reduzieren, dass einzelne Teilprozesse erkennbar und darauf bezogene Steuerungsempfehlungen für Leitungskräfte abgeleitet werden können. Exemplarisch wird nachfolgend der Funktionszyklus systematischer Personalentwicklung von Becker skizziert (vgl. Becker 2011, S. 19). Becker unterteilt den Fort- und Weiterbildungsprozess in sechs Teilprozesse, von denen die Prozesse »Bedarfsanalyse« und »Ziele setzen« der vorbereitenden (Planungs-)Phase zugeordnet werden, die Prozesse »Kreatives Gestalten« sowie »Durchführung« der Durchführungsphase und der Prozess »Erfolgskontrolle« und »Transfersicherung« der nachgelagerten (Kontroll-)Phase (Abb. 11). Da sich der potenzielle Steuerungsbereich für Leitungskräfte in der Regel primär auf die Planungs- und Kontrollphase, weniger aber auf die konkrete Durchführung von Angeboten der Fort- und Weiterbildung beschränkt, werden nachfolgend diese Teilprozesse in aller Kürze skizziert: • • • •

Bedarfsanalyse Ziele setzen Erfolgskontrolle Transfersicherung

Abb. 11: Funktionszyklus systematischer Personalentwicklung (verändert nach Becker 2011, S. 19)

Bedarfsanalyse Dem Teilprozess der Bedarfsanalyse kann innerhalb des Bildungsmanagements eine zentrale Bedeutsamkeit zugesprochen werden, schließlich soll hier das Fundament für die weitere Planung, Durchführung und Erfolgskontrolle von Angeboten der Fort- und Weiterbildung gelegt werden (vgl. Arnold u. Lermen 2004, S. 9). Um einen Bildungsbedarf bestimmen zu können, wird einer zuvor definierten Soll-Größe ein konkreter Ist-Zustand gegenübergestellt. Zeigt sich eine Lücke zwischen Soll und Ist, wird ein Bildungsbedarf unterstellt. Während

dieses »Substraktionsmodell«45 (Faulstich 1998, S. 114) in Bezug auf konkrete Fachkenntnisse (z. B. rechtliche Kenntnisse) möglicherweise noch anwendbar erscheint, verkompliziert sich eine solche Form der Bedarfsanalyse bereits, wenn sogenannte SoftSkills wie z. B. Empathiefähigkeit zum Gegenstand der Betrachtung werden. Dies ist einerseits darin begründet, dass für solche Soft-Skills kaum konkrete (Soll-)Vorgaben vorliegen und zum anderen die Bestimmung des Ist-Zustands mit zahlreihen praktischen und bisweilen auch ethischen Herausforderungen verbunden ist. Ziele setzen Während die Bedarfsanalyse dazu dient, mögliche Diskrepanzen zwischen erwünschten (Soll-Zustand) und vorhandenen Kompetenzen (Ist-Zustand) aufzudecken, geht es im Teilprozess »Ziele setzen« darum, diese Diskrepanz in konkrete Zielsetzungen zu übertragen. Damit der Erreichungsgrad von Fort- und Weiterbildungszielen innerhalb der Kontrollphase bestimmbar ist, wird dafür plädiert, Fort- und Weiterbildungsziele bestmöglich zu operationalisieren. Hilfestellung bietet hierbei die Differenzierung verschiedener Lernzielebenen (Richtziel, Grobziel und Feinziel) sowie unterschiedlicher Lernzielbereiche (kognitive, affektive und psychomotorische Lernziele) (vgl. Becker 2011, S. 115 f.). Darüber hinaus wird für eine spezifische Formulierung von Lernzielen plädiert, bei der nicht nur Inhalt und angezieltes Verhalten, sondern auch konkrete Bedingungen sowie Beurteilungsmaßstäbe formuliert werden. Erfolgskontrolle (Evaluation) Wenngleich grundsätzlich in Bezug auf die inhaltliche Ausrichtung von Ansätzen zur Evaluation zwischen Konzept-, Struktur-, Prozess- und Ergebnisevaluation differenziert werden kann (vgl. Merchel 2010, S. 55 ff.), erfolgt die Evaluation von Fort- und Weiterbildungen – so sie denn überhaupt zum Einsatz kommt – häufig primär auf der Ergebnisebene. Hierbei werden – angelehnt an das populäre Modell von Kirkpatrick (2006) – vier Ergebnisebenen differenziert: • • • •

Ebene der Zufriedenheit Ebene des Lernerfolgs Ebene des Transfererfolgs Ebene des ökonomischen Erfolgs

Obschon die Ergebnisse für Leitungskräfte von Ebene zu Ebene interessanter werden, steigt zugleich von Ebene zu Ebene die Komplexität hinsichtlich der Datenerhebung und interpretation. Dennoch finden Leitungskräfte insbesondere zur Bestimmung des ökonomischen Erfolgs von Angeboten der Fort- und Weiterbildung in vielen (primär betriebswirtschaftlich orientierten) Veröffentlichungen unterschiedliche Kennzahlen (wie z. B. dem Return on Investment, kurz ROI; vgl. Phillips u. Schirmer 2008, S. 30) sowie andere

komplexe Formeln, mit denen berechnet (und damit auch vermeintlich bewiesen) werden kann, inwieweit sich die Investition in die Fort- und Weiterbildung eines Mitarbeiters gerechnet hat.46 Transfersicherung Generell kann die Transferphase als bedeutsamste Phase innerhalb eines Weiterbildungsprozesses beschrieben werden, da sich hier entscheidet, ob zuvor Erlerntes auch tatsächlich Anwendung im jeweiligen Funktionsfeld findet. Unter dem Begriff der Transfersicherung lassen sich sämtliche Maßnahmen subsumieren, die insbesondere nach einer Fort- und Weiterbildung geplant sind, um die Übertragung des Erlernten in den beruflichen Alltag zu fördern (vgl. Müller et al. 2007, S. 207). Maßnahmen der Transfersicherung sollen also helfen, »das ›Carry-over-Problem‹ der Übertragung des Gelernten vom Lern- in das Arbeitsfeld abzuschwächen bzw. zu lösen« (Becker 2011, S. 335). Dass zu Recht von einem Carry-over- bzw. Transferproblem gesprochen werden kann, zeigen Untersuchungen zur Quantifizierung des Transfererfolgs. Wenngleich solchen Studien durchaus mit einer gewissen Skepsis begegnet werden sollte – schließlich behaupten sie, dass sich ein so schillernder Begriff wie Transfererfolg quantifizieren ließe –, spiegeln vorliegende Daten einen eindeutigen Trend zum niedrigen Transfererfolg wider.47 Um Transfersicherung im Zuge des Bildungsmanagements zu betreiben, liegt eine Vielzahl von entsprechenden »Tools« vor. Exemplarisch seien hierbei nur Nachbereitungsgespräche, Transfertagebücher, Transfercoaching, Verhinderungsverträge und Transferrituale genannt (vgl. Besser 2004).

Betrachtet man zusammenfassend die hier nur skizzierten Teilprozesse des traditionellen Bildungsmanagements, so kann festgestellt werden, dass diese vor Steuerungsoptimismus nur so strotzen. Ein Bedarf wird als dingliche Größe betrachtet, die sich objektiv bestimmen lässt, folglich erscheint auch die umfassende und weitreichende Operationalisierung von Zielen vor Beginn einer Fort- und Weiterbildung möglich und notwendig. Deren Überprüfung nach Absolvierung einer Fort- und Weiterbildung innerhalb der Phase der Evaluation kennt kaum Grenzen, und auch der Lerntransfer lässt sich in den Griff bekommen, vorausgesetzt entsprechende Transfersicherungsmaßnahmen werden umfassend eingesetzt. Für alle Teilprozesse gilt: Die Arbeitsumgebung des einzelnen Organisationsmitglieds wird nahezu ausgeblendet. Eine solche plandeterminierte Steuerungslogik ist nicht nur unvereinbar mit dem hier vertretenden systemtheoretischen Managementverständnis, sie scheint auch kaum praxistauglich zu sein. Zumindest weisen vorliegende Untersuchungsergebnisse darauf hin, dass die bisweilen verführerisch klingenden Instrumente und Ansätze in der Praxis kaum zum Einsatz kommen (vgl. Stender, Knippel u. Reemtsma-Theis 2009, S. 108; Käpplinger 2009, S. 6; Patry 2000, S. 148). Wenn Leitungskräfte in Organisationen der Sozialen Arbeit in Abkehr zur »Anythinggoes-Mentalität« mithilfe von Ansätzen des Bildungsmanagements steuernd auf den Fortund Weiterbildungsprozess Einfluss nehmen wollen, kann durchaus auf vorhandene Steuerungskonzepte zurückgegriffen werden, jedoch sind diese von ihrer technokratischen Steuerungslogik zu befreien. Hierzu gehört auch, die Nichttrivialität im Verhalten der beteiligten Protagonisten (insbesondere der sich weiterbildenden Mitarbeiter) und im strukturell gekoppelten sozialen System zu berücksichtigen. Wie dies in Bezug auf die zuvor skizierten vier Phasen des Bildungsmanagements (Bedarfsanalyse, Ziele setzen, Erfolgskontrolle und Transfersicherung) umgesetzt werden kann, wird nachfolgend skizziert.

11.4 Handlungsorientierungen: Perspektiven eines systemischen Bildungsmanagements Bedarfsanalyse – systemisch In Bezug auf die Bedarfsanalyse distanziert sich ein systemisches Bildungsmanagement von der Annahme, dass ein Bildungsbedarf empirisch-analytisch eindeutig und objektiv bestimmbar ist, wie es komplexitätsreduzierende Instrumente und Methoden bisweilen suggerieren. Vielmehr wird die Bestimmung des Bedarfs als spannungsgeladener »Konstruktionsprozess« (Stender, Knippel, Reemtsma-Theis 2009, S. 127) betrachtet, bei dem eine Aushandlung zwischen eher individuellen Bedürfnissen und organisationalen Bedarfen notwendig ist. Hierbei sind Leitungskräfte durchaus gefordert dem jeweiligen

Organisationsmitglied Hilfestellung zur Selbstbeobachtung zu bieten, um so mögliche blinde Flecken hinsichtlich der eigenen Kompetenzen aufzudecken. Die Ermöglichung einer solchen Beobachtung 2. Ordnung basiert auf der Annahme, dass den Organisationsmitgliedern kein Bedarf aufgestülpt werden kann, es aber durchaus möglich ist, den Mitarbeiter »mit der Kontingenz seiner ›normalen‹ Selbstbeschreibung und Weltsicht« (Willke 1987, S. 356) zu konfrontieren, um basierend auf einer solchen »Kontingenzerfahrung« (Wollnik 1994, S. 174) eine (Selbst-)Veränderungsbereitschaft, also ein Bildungsbedürfnis, zu wecken. Um bereits innerhalb des Teilprozesses der Bedarfsanalyse einen günstigen Nährboden für einen Transfer der Fort- und Weiterbildungsinhalte zu bereiten, scheint es ratsam, dass bei der Konstruktion des Bildungsbedarfs auch das jeweilige soziale (Sub-)System, z. B. die Teammitglieder, aktiv einbezogen wird. Für eine solche dialogische Bedarfsanalyse ist im Team zu klären, welche Probleme kurz-, mittel- und langfristig gelöst werden müssen und welche Kompetenzen dafür von strategischer Bedeutung sind. Darüber hinaus gibt eine solche dialogische Bedarfsanalyse dem Einzelnen auch die Möglichkeit, seine eigenen Qualifizierungswünsche mit ins Gespräch zu bringen. Indem die Frage der Kompetenzentwicklung so zu einem gemeinsamen Thema wird, steigen die Chancen, »dass das Gelernte später auch am Arbeitsplatz angewandt werden kann. Da alle Beteiligten wissen, weshalb eine bestimmte Kompetenzentwicklung im Team realisiert worden ist (z. B. durch Entsendung eines Mitarbeiters zu einer Fortbildung), ist ihnen zumindest auch bewusst, dass dieser Mitarbeiter hiernach auch diese Kenntnisse anwenden können muss und nicht alles so bleiben kann wie bisher. Es ist deshalb wahrscheinlicher, dass durch die dialogische Bedarfsanalyse (die Besprechung der Bildungsbedarfe im und mit dem Team) bessere Voraussetzungen für den Transfer bzw. die Übertragung des Gelernten in die Praxis gegeben sind.« (Arnold 2009, S. 15.) Ziele setzen – systemisch Ein systemisches Bildungsmanagement geht davon aus, dass Organisationsmitglieder zwar »lernfähig, aber unbelehrbar« (Siebert 2012, S. 97) sind, dass folglich jeder Lernprozess und erst recht das Ergebnis von Lernprozessen stets ungewiss bleiben. Diese Ungewissheit hinsichtlich des Verlaufs und der Ergebnisse von Lernprozessen potenziert sich insbesondere dann, wenn das Lernen außerhalb der eigenen Organisation stattfindet, wie es in der Sozialen Arbeit oft der Fall ist. Nicht selten ist in solchen Fällen vor Beginn einer Fort- und Weiterbildung unklar, welche anderen Personen und Professionen daran teilnehmen und wie die Inhalte methodisch-didaktisch durch den Referenten umgesetzt werden. Entsprechend bleibt es auch ungewiss, wie lose oder fest sich die jeweiligen psychischen Systeme an das soziale System koppeln, was sie in die Kommunikation einbringen (oder eben nicht), wie das

soziale System (die Weiterbildungsgruppe) auf diese Kommunikationsbeiträge reagiert und welche systemspezifische Eigenlogik sich über die Zeit herausausbildet. Eben jene Eigenlogik, die sich also erst im Zuge eines sozialen Prozesses ausbildet und die maßgeblich darüber mitentscheidet, was und wie gelernt wird, ist somit einzigartig und kann weder vorab prognostiziert noch für spätere Zeiten konserviert48 werden. Aus diesem Grund nimmt ein systemisches Bildungsmanagement Abschied von überzogenen technokratischen (Wunsch)Vorstellungen bei der Auferlegung von Lern- und Anwendungszielen. Dies bedeutet aber nicht, dass es sich für eine Rückkehr zum ziellosen Driften ausspricht. Vielmehr nehmen Ziele auch innerhalb eines systemischen Bildungsmanagements eine bedeutsame Funktion ein. Sie werden jedoch stets als spekulative Richtwerte betrachtet, weswegen es auch angemessener erscheint, von »Erwartungen« statt von »Zielen« zu sprechen. Erwartungen werden als spekulativ betrachtet, da sie zum einen in die Zukunft gerichtet sind – was jede Erwartung per se spekulativ macht –, ihr spekulativer Charakter steigt in Bezug auf Angebote der Fort- und Weiterbildung aber insbesondere deswegen, weil das Objekt der Erwartung ein psychisches, autopoietisches, operational geschlossenes System und der Ort der Erwartungseinlösung (das Lernfeld) als soziales, autopoietisches, operational geschlossenes System betrachtet werden müssen. Sowohl das Objekt der Erwartung als auch der Ort der Erwartungseinlösung entziehen sich einer linear-kausalen Steuerung, was der Wirkung von Steuerungsversuchen (und als solcher muss die Formulierung von Erwartungen betrachtet werden) stets einen hypothetischen Charakter verleiht. Vorab formulierten Erwartungen kann dennoch die Funktion eines Richtwertes attestiert werden, da sie Einfluss auf die Selektivität von psychischen und sozialen Systemen nehmen. »Sie (die Erwartungen; Anm. S. G./J. M.) haben die Funktion, Kommunikation und Gedanken trotz der Komplexität und Kontingenz der Welt auf relativ stabile Weise zu orientieren. Sie bilden in diesem Sinne die Strukturen sozialer und psychischer Systeme, weil sie die Selektivität dieser Systeme stabilisieren und für sie einen Horizont von Möglichkeiten offenhalten« (Baraldi et al. 2008, S. 45.) Damit Erwartungen jene Richtwertfunktion übernehmen können, müssen sie aber tragfähig, also anschlussfähig, erscheinen. Vergewissert man sich der am Weiterbildungsprozess beteiligten Protagonisten, so wird deutlich, dass der Weg zur Bildung tragfähiger Erwartungen zwangsläufig von Konflikten gezeichnet ist. Innerhalb eines systemischen Bildungsmanagements wird die Diskrepanz und die hiermit verbundene Spannung zwischen organisationalen und individuellen Erwartungen zum Normalfall erklärt. Dissens wird erwartet, Konsens erscheint hingegen erklärungsbedürftig, da er darauf hinweist, dass eine der beiden Seiten ihre Erwartungen möglicherweise nur unzureichend eingebracht hat.

Erfolgskontrolle (Evaluation) – systemisch Wie bereits innerhalb der Ausführungen zur Zielbestimmung ausgeführt, betrachtet ein systemisches Bildungsmanagement die vor Beginn einer Fort- und Weiterbildung formulierten Ziele als spekulative Richtwerte. Folglich distanziert es sich von der Vorstellung, der Erfolg einer Fort- und Weiterbildung ließe sich in Kennzahlen (wie z. B. dem Return on Investment, ROI) oder anderen monetären Werten möglichst exakt abbilden (vgl. Gesmann 2018). Dies bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass Formen der Evaluation innerhalb eines systemischen Bildungsmanagements nicht zum Einsatz kommen. Sie fokussieren im Gegensatz zum traditionellen Bildungsmanagements aber weniger eine Kontroll- als vielmehr eine Reflexionsvariante und beschränken sich folglich nicht ausschließlich auf zu erwartende Lernergebnisse, sondern fokussieren auch nicht zu erwartende und überraschende Ereignisse. Innerhalb einer solchen reflexiven Variante erhofft man sich von einer Evaluation Hinweise, »die auf Differenzen zwischen Ziel und erreichtem Zustand hinweisen und die dementsprechend Anlass geben zu einer Suche nach Optimierungsmöglichkeiten – ohne eine Erwartung hinsichtlich genauer Handlungsanweisungen. Man verspricht sich von Evaluation eine Reflexionshilfe in der Hoffnung, dass die Güte der Reflexion die Wahrscheinlichkeit einer guten Entscheidung erhöht.« (Merchel 2015b, S. 18.) Wenngleich auch innerhalb eines solchen Verständnisses von Evaluation der Fokus auf die zuvor formulierten Erwartungen gelegt wird, geht es nicht primär darum, mögliche Diskrepanz zwischen angestrebten und eingelösten Erwartungen bestmöglich bestimmen (oder gar quantifizieren) zu können, sondern vielmehr darum, mögliche (Erwartungs)Diskrepanzen als Kommunikationsanlass zu betrachten, um hierzu gemeinsam Hypothesen zu bilden und so Reflexionsprozesse zu ermöglichen. Formen der Evaluation werden daher aus systemtheoretischer Perspektive als »reflexiv-bewertende Beobachtungsoperation« (Blank 2004, S. 140) betrachtet. Der Begriff der Diskrepanzen soll hierbei bewusst offengehalten werden. Offen in dem Sinne, dass Diskrepanzen auch dadurch entstehen können, dass innerhalb einer Fort- und Weiterbildung Lern- bzw. Irritationsmomente erfahren werden, die zuvor gar nicht intendiert wurden. Betrachtet man insbesondere solche Fort- und Weiterbildungen, die außerhalb der eigenen Organisation stattfinden, so könnte man den Eindruck bekommen, dass diese »nicht nicht irritieren können« (Gesmann 2014, S. 92). Dies ist insbesondere darin begründet, dass – wie o. g. – nicht selten unterschiedliche Professionen und Berufsgruppen (z. B. Sozialarbeiter, Psychologen, Soziologen, Pädagogen, Juristen, Erzieher, Fachkräfte aus dem Gesundheitswesen etc.) aus unterschiedlichen Institutionen (z. B. Fachkräfte freier oder

öffentlicher Träger, Mitarbeiter gemeinnütziger oder gewerblicher Organisationen, freiberuflich Tätige und angestellte Mitarbeiter etc.) mit bisweilen äußerst unterschiedlichen Intentionen (z. B. eher intrinsisch oder eher extrinsisch geprägt) aufeinandertreffen. Versteht man Angebote der Fort- und Weiterbildung auch als Möglichkeit, die Organisation mit Irritationen zu versorgen, um so zur kritischen Reflexion bestehender Handlungsroutinen einzuladen, sind eben jene nicht intendierten, individuell erfahrenen Irritationsmomente in die Kommunikation zu bringen, also Anlässe zu schaffen, damit eine kollektive Auseinandersetzung hiermit stattfinden kann. Aus diesem Grund werden Ansätze der Evaluation innerhalb eines systemischen Bildungsmanagements auch nicht an den Veranstalter der Fort- und Weiterbildung ausgelagert. Vielmehr findet Evaluation in Form von Selbstevaluation statt, da auch nur so die notwendige Hilfestellung beim In-die-Kommunikation-Bringen erfolgen kann. Solche Ansätze der Evaluation verstehen sich nicht nur als Gegenentwurf zu eher kontrollierenden Ansätzen der Evaluation, sondern auch als Möglichkeit, den Transferprozess zu unterstützen. Transferförderung – systemisch Ein systemisches Bildungsmanagement betrachtet aufgrund der direkten bzw. indirekten Beteiligung zahlreicher autopoietischer Systeme die Transferphase als komplexen Prozess, der sich nicht in einem technischen Sinne sichern lässt, die wie dies traditionelle Ansätze des Bildungsmanagements suggerieren.49 Die Verabschiedung von einem technischen Transfersicherungsverständnis bedeutet nunmehr aber nicht, dass Leitungskräfte in Organisationen der Sozialen Arbeit keinerlei Möglichkeiten haben, auf den Bildungstransfer Einfluss zu nehmen. Davon ausgehend, dass Steuerung aus einer systemtheoretischen Perspektive nur »in der Form der Kontextsteuerung und in der Form der Anregung zu Selbststeuerung« (Willke 2007, S. 25) möglich ist, ist zu klären, wie eine solche Kontextsteuerung (bzw. Anregung zur Selbststeuerung) in Bezug auf den Lerntransfer aussehen könnte. Hilfestellung bietet hier die Transfermatrix von Broad und Newstrom (vgl. Broad a. Newstrom 1992, pp. 52 ff.), die den möglichen Kontext beschreibt, innerhalb dessen Maßnahmen der Transferförderung ansetzen können (Abb. 12).

Abb. 12: Transfermatrix (verändert nach Broad a. Newstrom 1992, S. 60)

Hierbei differenzieren Broad und Newstrom nicht nur zwischen verschiedenen Schlüsselpersonen, die direkt oder indirekt das Transfergeschehen beeinflussen können, sondern auch zwischen verschiedenen Zeitpunkten, innerhalb derer Einfluss auf den Lerntransfer genommen werden kann. Demnach ist offensichtlich, dass sich Transferförderung50 nicht – wie es traditionelle Bildungsmanagementkonzepte bisweilen suggerieren – allein auf die Phase nach Beendigung einer Fort- und Weiterbildung bezieht (Transfersicherung als nachgelagerter Appendix). Vielmehr können Maßnahmen der Transferförderung bereits vor Beginn und während einer Fort- und Weiterbildung eingeleitet werden. Dialogische Bedarfsanalyse und die gemeinsame Formulierung von Erwartungen vor Beginn einer Fort- und Weiterbildung können hierbei als Ansätze der Transferförderung betrachtet werden, insbesondere dann, wenn auch die Mitarbeiter aus dem Team in diese Prozesse eingebunden werden. Denn – und hierauf weisen Broad und Newstrom im Zusammenhang mit ihrer Transfermatrix auch hin – die Verantwortung für einen gelingenden Transfer liegt nicht allein beim sich weiterbildenden Mitarbeiter. Wenngleich Broad und Newstrom in Bezug auf die Schlüsselpersonen insbesondere auf die Bedeutsamkeit der Leitungskräfte hinweisen, sprechen sie auch den Mitarbeitern des Teams eine maßgebliche Bedeutung bei der Förderung (oder Verhinderung) des Transfers zu. Eine solche verstärkte Beachtung der Arbeitsumgebung ist hochgradig anschlussfähig an das hier vertretende systemtheoretische Bildungsmanagementverständnis. Während traditionelle Bildungsmanagementansätze in der Regel stark individuumzentriert sind – im Fokus steht der sich weiterbildende Mitarbeiter und ggf. die Leitungskraft –, wird innerhalb eines systemischen Bildungsmanagements stets das soziale (Sub-) System (beispielsweise das jeweilige Team) »mitgedacht«. Wenngleich psychische

und soziale Systeme jeweils über ein hohes Maß an Autonomie verfügen, können sie dennoch nicht autark operieren. Sie stellen füreinander relevante Umwelten dar, die sich im Zuge von strukturellen Kopplungen zwar nicht linear-kausal determinieren, gleichwohl aber irritieren können. Hierbei ist die Intensität der strukturellen Kopplung zwischen psychischen und sozialen Subsystemen innerhalb eines Organisationssystems unterschiedlich stark ausgeprägt. Während beispielsweise innerhalb eines Jugendamtes die strukturelle Kopplung einzelner ASD-Mitarbeiter mit dem Leitungssystem oder dem Team der wirtschaftlichen Jugendhilfe möglicherweise als eher lose betrachtet werden muss, bestehen in der Regel zum eigenen Team, mit dem tagtäglich Akte der Kommunikation erzeugt werden, besonders feste strukturelle Kopplungen. Teams und deren Mitglieder können daher als relativ fest gekoppelte System-Umwelt-Einheiten betrachtet werden, die gemeinsam Prozesse der Koevolution durchlaufen (vgl. Simon 2009a, S. 82). Ein weiterbildungsbedingtes verändertes Verhalten eines einzelnen Organisationsmitglieds wird vom fest gekoppelten sozialen Subsystem zwangsläufig eher beobachtet und fordert von diesem eher eine Reaktion als vom lose gekoppelten Leitungssystem. Erscheint das beobachtete weiterbildungsbedingte Verhalten des Organisationsmitglieds nicht anschlussfähig an die innere Logik des sozialen (Sub-) Systems, droht die Gefahr, dass das »Immunsystem« (Wimmer 2012a, S. 184) des sozialen Systems aktiviert und Abwehrmechanismen mobilisiert werden. Um solche Abwehrmechanismen zu reduzieren und zugleich die Chance zu eröffnen, dass individuelle Lern- und Irritationserfahrungen auch organisationale Relevanz erhalten und zur kritischen Reflexion bestehender Handlungsroutinen genutzt werden können, setzt ein systemisches Bildungsmanagement auf eine konsequente Einbindung der Teammitglieder bereits bei der kollektiven Bedarfskonstruktion und bei der Festlegung von Erwartungen vor Beginn einer Fort- und Weiterbildung. Hierdurch erhöht sich zwar nicht nur der Kommunikationsaufwand, sondern auch das Konfliktpotenzial, da unterschiedliche Annahmen und Meinungen rund um Angebote der Fort- und Weiterbildung in die Kommunikation kommen. Doch können durch eben jene frühzeitige Auseinandersetzung möglicherweise Abwehrreaktionen des Sozialen Systems »vorgezogen« werden, was eine produktive Auseinandersetzung mit den Annahmen, Befürchtungen und Zweifeln der Mitarbeiter aus dem Team ermöglicht. Systemisches Bildungsmanagement, so lässt sich zusammenfassen, ist im Kern Transfermanagement, da es sich auf den gesamten Bildungsprozess bezieht und Transferförderung von Beginn an umfassend mitdenkt. Transfermanagement ist immer auch Konfliktmanagement, da sich Angebote der Fort- und Weiterbildung stets im Grenzbereich zwischen Individuum und Organisation, also zwischen psychischem und sozialem System, ereignen – Konflikte sind daher eher die Regel als die Ausnahme.

11.5 Systemisches Bildungsmanagement: Eine

abschließende Betrachtung Wenn die Entscheidung über Entscheidungsprämissen als ein wesentlicher Mechanismus zur Steuerung von Organisationen betrachtet werden muss (Kapitel 1.3.2), ist auch in Bezug auf ein systemisches Bildungsmanagement zu prüfen, wie hier – im Sinne von Kontextsteuerung – Einfluss auf den Fluss der Entscheidungen, also auf Programme, Kommunikationswege und Personal, genommen werden kann. Wenngleich die analytische Zerlegung des Bildungsprozesses in seine einzelnen Teilprozesse den Eindruck erweckt, man könne diesen tendenziell (konditional) programmieren und somit in bester tayloristischer Manier in Reihe schalten, zeigt die Praxis des Bildungsmanagements, dass die Übergänge zwischen den einzelnen Phasen fließend sind und bisweilen einzelne Teilprozesse (wie z. B. Transferförderung und Evaluation) parallel laufen können und sollen. Ein In-Reihe-Schalten im Sinne der Regel »Erst wenn der Transfer gefördert ist, können auch Ansätze der Evaluation zum Einsatz kommen« scheint daher wenig zielführend. Simple Regeln wie z. B. die, dass vor der Anmeldung zu einer Fort- und Weiterbildung ein Austausch mit dem Vorgesetzten und den anderen Teammitgliedern stattfinden muss, sind sicherlich sinnvoll. Da sich jedoch die Komplexität des Fort- und Weiterbildungsgeschehens niemals vollends mit Wenn-dann-Regeln erfassen lässt, ist ein systemtheoretisch inspiriertes Bildungsmanagement primär auf die Formulierung von Zweckprogrammen angewiesen. Die Festlegung, dass innerhalb der Organisationseinheit in regelmäßigen Abständen eine gemeinsame Konstruktion von Bildungsbedarfen stattfindet sowie vor Beginn einer Fort- und Weiterbildung gemeinsam mit den Teammitgliedern Erwartungen formuliert werden, kann ebenso als Zweckprogramm interpretiert werden wie die Zielsetzung, dass nach Abschluss einer Fort- und Weiterbildung Zeit und Raum geboten wird, um die Inhalte – und (möglicherweise irritierende) Nebeneffekte – einer Fort- und Weiterbildung zu thematisieren. Inwiefern solche Zweckprogramme tatsächlich zum Tragen kommen, hängt maßgeblich davon ab, ob Leitungskräfte ihren möglichen Einfluss auf Kommunikationswege geltend machen. Hierbei geht es nicht darum, den gesamten Weiterbildungsprozess zu formalisieren, sondern vielmehr darum, das Weiterbildungsgeschehen entweder in bereits vorhandene, formalisierte Kommunikationsanlässe einzubinden oder aber neue formalisierte Kommunikationsanlässe zu schaffen. Teamsitzungen, so sie regelmäßig stattfinden, können als bereits vorhandene, in der Regel formalisierte Kommunikationsanlässe betrachtet werden. Damit die einzelnen Teilelemente eines Bildungsmanagements (Bedarfskonstruktion, Formulierung von Erwartungen, Formen der Selbstevaluation sowie umfassende Transferförderung) innerhalb von Teamsitzungen einen Raum erhalten, müssen Leitungskräfte allerdings ihren Einfluss hinsichtlich der Entscheidung über Kommunikationswege geltend machen. Innerhalb einer Teamsitzung können die

abzuarbeitenden Tagesordnungspunkte der Teamsitzung als ein solcher Kommunikationsweg in »Miniformat« betrachtet werden. Durch ihre aktive Einflussnahme auf diese Themenhierarchie innerhalb einer Teamsitzung können Leitungskräfte somit Kontextsteuerung betreiben, wenngleich hierdurch die konkreten Entscheidungen im Einzelfall nicht determiniert werden können. Neben der Anknüpfung an bereits vorhandene formalisierte Kommunikationsanlässe können Leitungskräfte aber auch darüber entscheiden, neue Orte der Kommunikation zu schaffen. Ein zu Beginn des Jahres eingerichteter Reflexions- bzw. Strategietag, der sich ausschließlich der Frage widmet, welches Wissen bzw. welche Kompetenzen innerhalb des Teams zur Verfügung stehen müssen, um die Herausforderungen der näheren Zukunft zu bewältigen, bietet nicht nur einen Rahmen, sich aktiv und abseits des beruflichen Alltags mit Beobachtungen zu relevanten Umwelten auseinanderzusetzen, sondern auch die Chance, zwischen dem bestehenden Wissen (bzw. den Kompetenzen) der Organisationsmitglieder und dem Wissen der Organisationseinheit zu differenzieren und somit individuelle und organisationale Bildungsbedarfe abzuleiten und im Idealfall bereits frühzeitig einen Transfer zu fördern. Inwieweit der Einfluss von Leitungskräften auf Kommunikationswege im Sinne einer Entscheidungsprämisse wirksam wird und somit Einfluss auf den Fluss der Entscheidungen rund um die Fort- und Weiterbildung in Einrichtungen der Sozialen Arbeit nimmt, scheint maßgeblich von zwei Faktoren abzuhängen: • Zum einen müssen Leitungskräfte ihren Einfluss auf Kommunikationswege mit der nötigen Dringlichkeit und einem langen Atem geltend machen. Rutscht das Thema Fort- und Weiterbildung nach nur wenigen Teamsitzungen wieder innerhalb der Themenhierarchie nach unten mit der Folge, dass die o. g. Teilelemente des Bildungsmanagements aufgrund der stets zu knappen Zeit doch nicht zum Thema werden, oder erweist wenn sich der o. g. Reflexions- und Strategietag zu Beginn des Jahres als einmaliges Ereignis, das zwar für alle Beteiligten angenehm, aber als so weit abgehoben vom beruflichen Alltag wahrgenommen wird, dass die erzielten Ergebnisse ohne Bodenhaftung schnell wieder im organisationalen Alltag verpuffen, dann hat ein Bildungsmanagement kaum eine Chance, sich als Routine innerhalb von Einrichtungen der Sozialen Arbeit zu etablieren. • Zum anderen bedarf es einer lernförderlichen Kultur: Mit welchen Herausforderungen der Versuch verbunden ist, als Leitungskraft Einfluss auf eine Entscheidungsprämisse zu nehmen, die eigentlich nicht entscheidbar ist, wurde bereits in Kapitel 5 skizziert.

11.6 Leitorientierungen für ein systemisch konzipiertes Bildungsmanagement

1) Ein systemisches Bildungsmanagement bewegt sich im Spannungsfeld zwischen a) individuellen und organisationalen Interessen sowie zwischen b) Lern- und Funktionsfeld. a) Ein systemisches Bildungsmanagement ist sich des Umstands bewusst, dass die Eigenlogik des psychischen Systems und die Eigenlogik des sozialen Systems nicht deckungsgleich sind. Folglich sind Spannungen innerhalb der Phasen des Bildungsprozesses zu erwarten. Dissens ist die Regel, Konsens erscheint erklärungsbedürftig. b) Wenn Fort- und Weiterbildung nicht innerhalb der eigenen Organisation stattfindet, sind Spannungen zwischen Lern- und Funktionsfeld systemimmanent, da Lernund Funktionsfeld jeweils als autopoietische, operational geschlossene soziale Systeme mit spezifischen Eigenlogiken betrachtet werden müssen. Eine simple Übertragung von Lernerfahrungen von einem in das andere Feld ist hierdurch ausgeschlossen. Gelingender Transfer ist daher aus der Perspektive eines systemischen Bildungsmanagements eher unwahrscheinlich. 2) Ein systemisches Bildungsmanagement versteht sich daher im Kern als Transfermanagement. Es plant den Bildungsprozess vom Ergebnis (einem bestmöglichen Transfer) her und betrachtet das Aushandeln von Bedarf und Bedürfnis, das Festlegen von Erwartungen, Formen der Erfolgskontrolle (Evaluation) und abschließende Maßnahmen der Transferförderung als Unterstützungsleistungen. Gleichwohl ist sich ein systemisches Bildungsmanagement der Tatsache bewusst, dass sich Transfer nicht in einem technischen Sinne sichern lässt. Transfermanagement bedeutet daher, Einfluss auf den Kontext zu nehmen, um gelingenden Transfer wahrscheinlicher zu machen. 3) Ein systemisches Bildungsmanagement geht davon aus, dass insbesondere externe Angebote der Fort- und Weiterbildung nicht nicht irritieren können. Solche möglichen (individuell erfahrenen) Irritationen bieten das Potenzial, zur kritischen Reflexion von bestehenden Routinen innerhalb der eigenen Organisation einzuladen und so zur Steigerung der organisationalen Lernfähigkeit beizutragen. Dies setzt voraus, dass die individuell erfahrenen Irritationen in die Kommunikation kommen, denn was nicht in die Kommunikation kommt, existiert für ein soziales System nicht. 4) Konkret auf die einzelnen Phasen des Bildungsprozesses bezogen: – Ein systemisches Bildungsmanagement distanziert sich von der Vorstellung, psychischen Systemen könne ein Bedarf von außen aufgestülpt werden. Vielmehr muss die Phase der Bedarfsanalyse als Aushandlungsprozess zwischen (eher organisational geprägten) Bildungsbedarfen und (eher individuell geprägten) Bildungsbedürfnissen interpretiert werden. Bedarf ist somit ein Konstrukt, das im Dialog gemeinsam – bisweilen auch kontrovers – erschaffen wird. – Innerhalb der Phase der Zielformulierung distanziert sich ein systemisches

Bildungsmanagement von überzogenen Steuerungs- und damit verbundenen Operationalisierungsvorstellungen. Gleichwohl strebt auch ein systemisches Bildungsmanagement die Formulierung von konkreten Erwartungen vor Beginn eines Fort- und Weiterbildungsangebots an. Diese Erwartungen übernehmen die Funktion eines Richtwertes, einerseits für das Lernsetting (Was wird hinsichtlich möglicher Lernerfahrungen erwartet?), andererseits für das Funktionsfeld (Was erwarten wir im Anschluss hinsichtlich der konkreten Umsetzung der Fort- und Weiterbildungsinhalte?). – Innerhalb eines systemischen Bildungsmanagements findet Erfolgskontrolle in einem erweiterten Sinne statt. Einerseits wird mit Ansätzen der Praxisevaluation der Erreichungsgrad der zuvor formulierten Erwartungen überprüft, andererseits richtet sich ein systemisches Bildungsmanagement in dieser Phase auch auf mögliche Lern- bzw. Irritationserfahrungen, die zuvor nicht intendiert waren, aber das Potenzial bieten, zur Steigerung der organisationalen Lernfähigkeit beizutragen. – Ein systemisches Bildungsmanagement distanziert sich vom Begriff der Transfersicherung. Stattdessen forciert es eine umfassende Transferförderung. Zu diesem Zweck greifen Maßnahmen der Transferförderung nicht erst während, sondern bereits vor Beginn und nach Beendigung eines Angebots der Fort- und Weiterbildung. Darüber legt ein systemisches Bildungsmanagement seinen Fokus zwecks Transferförderung nicht ausschließlich auf den sich weiterbildenden Mitarbeiter und das Weiterbildungssetting, sondern insbesondere auf die Arbeitsumgebung, innerhalb der das neue Wissen Anwendung finden soll. Folglich werden auch die Kollegen des sich weiterbildenden Mitarbeiters in den Prozess der Transferförderung eingebunden.

44 Möglicherweise ist es auch diesem kollektiven Frustpotenzial geschuldet, dass die betriebliche Weiterbildung in Einrichtungen der Sozialen Arbeit ein Schattendasein führt. Angebote der betrieblichen Weiterbildung scheinen »nice to have« zu sein, etwas, das man sich in »guten Zeiten« erlauben und worauf man in »schlechten Zeiten« verzichten kann. 45 Soll minus Ist = Bedarf 46 Studiert man die entsprechende Fachliteratur, so trifft man auf abenteuerliche Zahlen. So scheinen Bildungsrenditen von 1127,8% (!) (vgl. Jeserich 1989, S. 126) genauso möglich zu sein wie ein »ökonomischer Nutzen von mehr als 300.000 Euro (…) für ein dreitägiges Seminar« (Büser u. Gülpen 2007, S. 241). Spätestens jetzt sollte man dem eigenen Bauchgefühl trauen und der Berechnung der Autoren kritische Beachtung schenken. 47 So kommt Bergel in ihrer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass es 77% der Seminarteilnehmer nicht gelingt, erlernte Inhalte in ihren Arbeitsalltag zu transferieren (vgl. Bergel 2007, S. 11). Kauffeld bezieht sich auf Studien, wonach 80% der Weiterbildungen trotz zufriedener Teilnehmer am Lerntransfer scheitern (vgl. Kauffeld 2016, S. 4). Gris bewertet das Transferproblem monetär und nimmt an, dass bei jährlichen Investitionen in die betriebliche Weiterbildung in Deutschland in Höhe von 27 Mrd. Euro rund 21,6 Mrd. Euro unnütz ausgegeben werden (vgl. Gris 2009, S. 53). Zusammenfassend muss somit konstatiert werden: Gelingender Transfer ist unwahrscheinlich! Ansätze der Transfersicherung sind somit mehr als nötig. 48 Die mangelnde Konservierungsfähigkeit der einzigartigen inneren Logik eines sozialen Systems zeigt sich mit Blick auf Angebote der Fort- und Weiterbildung, wenn sich Weiterbildungsteilnehmer nach einer gemeinsamen intensiven und für alle Beteiligten zufriedenstellenden absolvierten Fort- und Weiterbildung wiedertreffen und resigniert feststellen, dass sich zwar dieselben Personen am selben Ort treffen, dass dennoch die Atmosphäre (verstanden als Spiegelbild der Eigenlogik eines

sozialen Systems) nicht dieselbe ist. 49 Was dem überwiegenden Anteil der Ansätze zur Transfersicherung implizit zugrunde zu liegen scheint, spiegelt sich bereits im Begriff der Transfersicherung wider: Die Annahme, dass Lernerfahrungen von A nach B transferiert werden können, vorausgesetzt sie werden – vergleichbar mit dem Kauf eines Fernsehgerätes im Elektronikfachmarkt des Vertrauens – ordentlich gesichert. Ein solches Verständnis von Transfersicherung gesteht zwar ein, dass es durchaus zu Störungen kommen kann (im Sinne von Transportschäden bei fehlerhafter Sicherung), es setzt die kontextuellen Rahmenbedingungen von Lern- und Funktionsfeld dennoch prinzipiell gleich und unterstellt daher, dass das Transferproblem bei guter Sicherung gelöst werden kann. Wenngleich ein solches Transfersicherungskonzept bei Trivialmaschinen wie Fernsehgeräten durchaus funktioniert, so scheint es doch kläglich zu versagen, wenn es bei nicht trivialen, also lebenden Systemen Anwendung finden soll. 50 Da der Begriff der Transferförderung auch sprachlich eher die begrenzten Möglichkeiten hinsichtlich der Steuerung des Transferprozesses kennzeichnet, findet dieser im weiteren Verlauf Verwendung und löst den Begriff der Transfersicherung ab.

12 Strategisches Management

12.1 Warum Strategisches Management in Organisationen der Sozialen Arbeit? Organisationen der Sozialen Arbeit wurden gegründet mit einem bestimmten Anliegen der sozialen Hilfe, Förderung, Unterstützung: Kinder sollten in Kindertageseinrichtungen betreut und eine soziale Förderung in Gruppenkonstellationen erhalten, Menschen mit Behinderungen sollten ihnen gemäße Möglichkeiten der Teilnahme am Erwerbsleben geboten werden, Suchtabhängige sollten auf ihrem Weg aus einer Sucht beraten und begleitet werden, Eltern sollten zur besseren Bewältigung von schwierigen Erziehungssituationen beraten werden, Jugendlichen mit Verhaltensproblemen und intensiven Konflikten im Elternhaus sollten andere Formen des Wohnens und des sozialpädagogische Umgangs mit Anforderungen des Aufwachsens erleben und bewältigen etc. Mit diesen Anliegen haben die Akteure einen Organisationszweck proklamiert. Es gab einen Bedarf an Leistungen, die dem Organisationszweck entsprachen. Der Bedarf war im Grundsatz sozialpolitisch anerkannt; er wurde von anderen Organisationen nicht oder nicht in dem erforderlichen Umfang bearbeitet, sodass die Organisation mit ihrem Organisationzweck hier tätig werden konnte. Oder die Akteure mussten politisch und institutionell – als Grundlage für nachfolgende gesellschaftliche Akzeptanz und Finanzierung der Leistungen – eine Anerkennung der Zustände als »soziale Probleme« und eine Anerkennung der Bearbeitungsform für diese sozialen Probleme bewirken (Groenemeyer 2010; Stallberg u. Springer 1983). Zur Realisierung des Organisationszwecks hat die Organisation ein bestimmtes organisationales Leistungsprofil geschaffen. Sie hat bestimmte Strukturen und Programme, Qualifikationen etc. erzeugt, die zu diesem Zeitpunkt von der relevanten Umwelt akzeptiert waren und mit denen die Organisation ihre praktische »Leistungsfähigkeit« demonstrieren konnte. Diese Programme und das dadurch erzeugte Leistungsprofil perpetuieren sich: Sie haben sich in die Logik der Organisation »eingebrannt« und tendieren insofern zu einem Eigenleben, als sie Orientierung geben für das Verhalten der Mitarbeiter, eine Verlässlichkeit der Leistungserstellung ermöglichen, der eingespielten innerorganisationalen Dynamik entsprechen, Kooperationsbezüge innerhalb der Organisation verankern. Die Organisation tendiert bezogen auf ihr Leistungsprofil zur Trägheit. Die Gefahr wächst, dass Bereitschaft und Fähigkeit der Organisation zur Beobachtung ihrer Umwelt nachlassen und dadurch Signale, die auf eine erodierende Akzeptanz des Leistungsprofils in der Umwelt oder auf neue Anforderungen an Organisationen in dem jeweiligen Leistungsbereich hinweisen, nicht rechtzeitig erkannt werden – mit dem Effekt, dass konkurrierende Organisationen Vorteile

erlangen oder die Leistungen der jeweiligen Organisation nicht mehr ausreichend nachgefragt werden und die Existenz der Organisation dadurch gefährdet wird. Zur Vermeidung solcher Entwicklungen bedarf es des bewusst und methodisch gestalteten, in kontinuierlichen Zyklen erfolgenden Strategischen Managements: Strategieentwicklung als periodische Auseinandersetzung mit der eigenen Zukunft im Kontext der Entwicklungen und Anforderungen der organisationsrelevanten Umwelt. Strategisches Management spricht die Schnittstelle »Organisation / äußere Umwelt« an (Abb. 13): Thematisiert wird hier die Entwicklung des Leistungsaustauschs, also die Frage, welche Leistungen die Organisation künftig erbringen zu sollen glaubt, um die für ihren Erhalt wichtigen Ressourcen aus der äußeren Umwelt beziehen zu können.51 Mit der Bearbeitung dieser für die mittelfristige Existenzerhaltung zentralen Frage zielt Strategiebildung zunächst auf die Steuerungsebene »Programme«: Es geht um Entscheidungen zu den zu erbringenden Leistungen und zu den Modalitäten der künftigen Leistungserbringung. Dies zieht Nachfolgeentscheidungen zum Personal (Qualifikation und Motivation) und zu den Kommunikationswegen (Aufbau- und Ablaufstrukturen) nach sich, jedoch geht solchen Entscheidungen die basale Entscheidung zu den Programmen voraus. Ebenso wird in der Strategiebildung zunächst die formale Seite der Organisation angesprochen, also das explizite Leistungsprofil. Dass dies bedeutsame Auswirkungen auf die informale Seite und auf das nach außen gerichtete Bild, die »Schauseite« der Organisation, nach sich zieht, ist selbstverständlich für die Prozesse der Umsetzung strategischer Entscheidungen zu beachten; auch in den strategischen Diskursen selbst, also in den Prozessen hin zu strategischen Entscheidungen, ist eine informale Dynamik wirksam. Der primäre Fokus der Strategiebildung richtet sich jedoch zunächst auf die formale Seite der Definition von Leistungen, mit denen die Organisation künftig in einen Leistungsaustausch zur Umwelt gehen bzw. diesen Leistungsaustausch weiterführen will.

Abb. 13: Verortung von Strategischem Management im organisationalen Kontext

Nun könnte man kritisch nach dem Stellenwert von Strategischem Management in der Sozialen Arbeit fragen. In der gewerblichen Wirtschaft, vor allem in der Sachgüterindustrie, ist die Notwendigkeit Strategischen Managements aufgrund der hohen Marktdynamik unmittelbar plausibel: Kunden verändern rasch ihre Bedürfnisse und ihr Kaufverhalten, Konkurrenten wechseln und verändern ihre Strategien, sodass ein Unternehmen solche Veränderungen frühzeitig beobachten und wahrnehmen muss, um die eigenen Geschäftsfeldstrategien kontinuierlich überprüfen und ggf. an Umweltveränderungen anpassen zu können. Im Vergleich dazu ist die »Marktsituation« in der Sozialen Arbeit deutlich weniger dynamisch. »Bedarf« an Leistungen resultiert nicht allein aus einem Nutzerverhalten, sondern wird durch politische Entscheidungen (Kapitel 2) konstituiert, was zu einer deutlich trägeren Dynamik in der Bedarfsentwicklung führt. Ferner wirken in der Sozialen Arbeit noch – in verschiedenen Handlungsfeldern unterschiedlich intensiv – korporatistische Bezüge zwischen öffentlichen Trägern (Auftraggebern und Finanzierern von Leistungen) und einem eingeschränkten Kreis freier, gemeinnütziger Träger (Leistungserbringer),52 was ebenfalls eine geringere Marktdynamik zur Folge hat. Hat angesichts solcher Divergenzen Strategisches Management für Organisationen Sozialer Arbeit eine Bedeutung, die es rechtfertigt, dies als eine zentrale Managementaufgabe hervorzuheben? Trotz der Divergenzen erhält Strategisches Management auch für Organisationen der

Sozialen Arbeit eine zunehmende Bedeutung, weil sich die sozialpolitischen Steuerungsmechanismen und Steuerungsdynamiken verändert haben (vgl. u. a. Merchel 2011 und 2018c; Dahme u. Wohlfahrt 2015): • Die Bedeutung von Subsidiarität als normativer Leitkategorie für den Sonderstatus gemeinnütziger Träger sinkt und wird zunehmend ersetzt durch sachrationale Kriterien der Ökonomie (Preis-Leistungs-Verhältnis, Konkurrenzpreise, Kosten-NutzenKalküle, »Kostendämpfung« etc.), durch die eine Bevorzugung bestimmter Träger delegitimiert wird. • Eine Pluralisierung von Trägern zieht die bisherigen Verhandlungsarrangements in Zweifel und erzeugt zunehmenden Wettbewerb. • Die Ausweitung der Trägerformen (insbesondere bei den gewerblichen Trägern, aber auch bei den Trägern und Trägerverbünden innerhalb der Wohlfahrtsverbände) zieht die Bindungswirkung der traditionellen Wohlfahrtsverbände und damit ihre Nützlichkeit für korporatistische Aushandlungen in Zweifel. Dadurch nimmt der Wettbewerb als sozialpolitischer Steuerungsmechanismus zu. Dies bedeutet für die einzelne Organisation der Sozialen Arbeit, dass sie sich einem tendenziell stärkeren – und handlungsfeldbezogen unterschiedlich intensiven –Wettbewerb ausgesetzt sieht, bei dem Leistungsprofile deutlicher herausgearbeitet und transparent vermittelt, Preisunterschiede im Vergleich zu anderen Organisationen deutlicher legitimiert und das Verhalten von Auftraggebern (und Interessenträgern) wie von Wettbewerbern aufmerksam beobachtet werden müssen. In einem solchen – im Vergleich zu früheren Zeiten dynamischeren – Umfeld muss eine Organisation der Sozialen Arbeit ihre knappen Ressourcen gezielter für die Weiterentwicklung ihres Leistungsprofils einsetzen. Dies erfordert sorgfältigere Entscheidungen zu den künftigen Leistungen und zu deren Potenzialen für einen wirkungsvollen Ressourcenaustausch mit den relevanten Interessenträgern aus der äußeren Umwelt. Organisationen der Sozialen Arbeit müssen den Leistungsaustausch mit ihrer Umwelt sowohl aktuell gestalten und bewerten als auch im Hinblick auf Annahmen zur künftigen Entwicklung von Anforderungen formen. Dazu muss die Organisation Entscheidungen treffen, was sie als »relevante Umwelt« in den Blick nehmen will: wie sich in dieser Umwelt möglicherweise rechtliche Normen und gesellschaftliche Werte entwickeln werden, mit welchen Anforderungen von Leistungsadressaten man wahrscheinlich wird rechnen können, welche möglichen Entscheidungen relevanter politisch-administrativer Akteure sich vielleicht ergeben, in welchen Konstellationen sich interorganisationale Bezüge verändern werden. Auf der Basis solcher Annahmen können strategische Entscheidungen zum eigenen aktuellen und zum künftigen Leistungsprofil sowie zu den Optionen einer Einflussnahme auf relevante Umweltsegmente erarbeitet werden.

12.2 Strategisches Management: Zweck und Erwartungen Organisationen müssen Entscheidungen treffen über • die Ausrichtung der eigenen Handlungsfelder und der darin zu schaffenden künftigen Leistungen, • ihr Verhalten gegenüber bedeutsamen Interessenträgern, • ihr Verhalten gegenüber möglichen Konkurrenten, • den investiven Einsatz eigener Finanzmittel, • die für die künftige Leistungserstellung erforderliche Kompetenz der Mitarbeiter. Diese Festlegungen zu Geschäftsfeldern, zum Verhalten im Wettbewerb und zur mittelfristigen Kompetenzbasis reduzieren die Entscheidungsoffenheit bei weiteren Nachfolgeentscheidungen, markieren aber auch Orientierungen und Anknüpfungspunkte für weitere Entscheidungen. Dieser orientierende und richtungsweisende Charakter für Anschlussentscheidungen macht den strategischen Charakter dieser Entscheidungen aus. Im Mittelpunkt strategischer Entscheidungen steht die Bearbeitung der System-UmweltDifferenz unter mittel- bis langfristiger Perspektive des Leistungsprofils. Die grundlegende künftige Ausrichtung des Leistungsprofils spricht die Zukunft und Überlebensfähigkeit der Organisation an; es ist die praktische Beantwortung der Frage, wie ein Leistungsprofil so zu gestalten ist, dass es auch künftig als elementarer Modus der Ankoppelung der Organisation an ihre Umwelt wirken kann. Strategische Entscheidungen unterscheiden sich von operativen Entscheidungen dadurch, dass sie (Glatzel u. Wimmer 2014, S. 242) • eher langfristig (statt in der Tendenz kurzfristig) ausgerichtet sind, • mehrere (statt nur wenige) Funktionen und Managementaufgaben der Organisation zugleich ansprechen (Organisationsgestaltung, fachlich-methodische Ausrichtung, Qualifikation der Mitarbeiter, Außendarstellung, finanzielle Steuerung etc.), • nachfolgende Entscheidungen prägen und leiten (statt mit geringeren Folgewirkungen verbunden sind), • Orientierung auf die Zukunft hin geben (statt eher auf die Gegenwart hin orientiert sind), • mit höheren Risiken verbunden sind (statt in den Kalkülen risikoärmer). Strategisches Management verfolgt somit das Ziel, zukunftsorientierte Entscheidungen auf der Grundlage systematisierter, in der Organisation verankerter Reflexionen zur Umwelt und zu den Potenzialen einer Organisation treffen zu können, aufgrund derer sich die Organisation möglichst langfristig am – durch politische Entscheidungen konstituierten und

durch Konkurrenzorganisationen beeinflussten – »Markt« zu halten vermag. Im Strategischen Management muss die elementare Paradoxie einer praktischen Beantwortung zugeführt werden, die Wimmer und Nagel (2000, S. 9) zugespitzt und treffend formulieren: »Wie lässt sich angesichts der Intransparenz des Umfeldes und der Unvorhersehbarkeit künftiger Entwicklungen jenes Maß an Sicherheit und Orientierung gewinnen, das jede Organisation für ihre spezifische Leistungsfähigkeit unabdingbar braucht?« Organisationen müssen, um leistungsfähig zu sein und zu bleiben, Entscheidungen treffen trotz mangelnder Durchschaubarkeit des Umfeldes und trotz Ungewissheit der Zukunft, weil ohne solche grundlegenden Entscheidungen keine tragfähigen Anschlussentscheidungen getroffen werden können. Nachfolgende operative Entscheidungen blieben rein situativ und zufällig, was die Kohärenz der Organisation über das als normal anzunehmende Maß hinaus markant beeinträchtigen würde. Sie müssen also Unsicherheit pragmatisch reduzieren und in Orientierung verwandeln, ohne dies für eine stabile Form von Gewissheit zu halten und ohne den Hypothesencharakter der vermeintlich erzeugten »Sicherheit« zu ignorieren. Das – in der Betriebswirtschaftslehre vielfach implizit leitende – »Rationalitätsparadigma« mag lockende Versprechungen bieten: Durch differenzierte Analyseinstrumente seien Informationen zu gewinnen, durch die sich Entwicklungen im Grundsatz berechenbar erfassen ließen, und es seien mithilfe genauer Analysen von Umweltkonstellationen rational begründbare Optionen zur rationalen Unternehmensplanung herauszuarbeiten, wodurch man die betriebliche Zukunft »gut in den Griff bekommen« könne. Das »Rationalitätsparadigma als dominantes mentales Modell« (Nagel u. Wimmer 2014, S. 4) enthält jedoch Fallen hinsichtlich der falschen Erwartung, Zukunft »in den Griff bekommen« zu können, denn: • Zukunft ist und bleibt immer ungewiss; es gibt keine zuverlässige Vorhersehbarkeit von Steuerungsproblemen und Steuerungsanforderungen. • Sichtbare Sachverhalten und Tendenzen sind ihrer praktischen Relevanz selten eindeutig; welche praktische Bedeutung und Auswirkungen z. B. gesetzliche Veränderungen (beispielsweise das Bundesteilhabegesetz im Bereich der Behindertenhilfe oder Bundeskinderschutzgesetz für Kinder- und Jugendhilfe oder die beabsichtigte Verankerung des Prinzips »Inklusion« im SGB VIII) haben, erweist sich erst in den vielfältigen und z. T. mit widersprüchlichen Interessen belegten Prozessen der politisch und administrativen Umsetzung. • Sowohl Organisationen als soziale Systeme als auch Personen als psychische Systeme verfügen nur über eine eingeschränkte Beobachtungsfähigkeit und über eine nur begrenzte Kapazität zur Informationsverarbeitung. Im »Umweltrauschen« vergeht möglicherweise etwas und bleibt unbeachtet, was sich aus einer späteren Sichtweise als relevant herausgestellt hat. • Die Organisationsdynamik setzt Grenzen für Beobachtungen. Interessen und

mikropolitische Prozesse (soziale Dynamik) können mitentscheidend dafür sein, ob und wie etwas in die Beobachtung und in die Kommunikation gelangt. Wenn angesichts dieser Faktoren die Erwartung, man könne mit differenzierten Erhebungsmethoden Zukunftsentwicklungen, wenn auch mit gewissen Variabilitäten, aber doch ausreichend genau voraussehen und für das Management »in den Griff bekommen«, ungerechtfertigt erscheint und Enttäuschungen vorprogrammiert sind, so ergibt sich daraus nicht automatisch ein Fatalismus, dass man dann eben »mit Ungewissheiten leben lernen« müsse. Stattdessen heißt die Leitformel für Strategisches Management: Instrumente und Verfahren für einen »verantwortlichen Umgang mit Unsicherheit/Ungewissheit« finden und anwenden. Strategiebildung jenseits des Rationalitätsparadigmas bedeutet, methodisch gestaltete Diskurse über zukunftsbezogene Handlungsoptionen zu entwickeln und zu praktizieren im Bewusstsein über den hypothetischen Charakter der dabei erarbeiteten Annahmen, Ergebnisse und Entscheidungen (Nagel u. Wimmer 2014 und 2015).

12.3 Systemische Strategieentwicklung jenseits des Rationalitätsparadigmas Systemische Strategieentwicklung erfolgt als »periodische Auseinandersetzung mit der eigenen Zukunft« (Nagel u. Wimmer 2015, S. 17), indem »strategische Diskurse« in der Organisation angeregt und methodisch gestaltet werden. Der zeitliche und soziale Raum, in dem solche Diskurse inszeniert und methodisch gestaltet werden, zeichnet sich insbesondere durch folgende Merkmale aus: • Die Diskurse finden abgehoben vom Alltag statt: als »strategische Auszeiten«. Die Distanz vom Organisationsalltag ermöglicht das Denken in Kategorien und das Aufnehmen von Informationen in anderer Weise als in einer sonst üblichen Logik, die durch Routineaufgaben, durch an Routinen orientierte Selektivitäten der Wahrnehmung und durch eingeübte Interpretationsmuster geprägt ist. Strategiebildung erfordert »die Schaffung geeigneter Kommunikationsräume, um die eigenen Grundannahmen zu hinterfragen und den strategischen Entwicklungsbedarf festlegen zu können« (ebd., S. 63). • »Methodisch gestalten« bedeutet das systematische Nutzen von Instrumenten und Verfahren, mit deren Hilfe Wahrnehmungen und Beobachtungen kenntlich gemacht werden, Differenzen in Wahrnehmungen und Interpretationen verschiedener Beteiligter erhoben und zum Gegenstand von Kommunikation gemacht werden. Die in vielen Lehrbüchern verbreiteten üblichen Analysemethoden (Stärke-SchwächenAnalyse, Szenariomethoden, Stakeholderanalyse, Konkurrenzanalyse etc.; vgl. Nagel









u. Wimmer 2014, S. 119 ff.) haben ihren Wert zum einen für eine methodische Grundlegung, als ein methodisches Hilfsmittel, um den Diskursen eine Richtung zu geben und nicht in einen bloßen Meinungsaustausch mit Glaubenssätzen abdriften zu lassen. Zum anderen sollten sie so gestaltet werden, dass Differenzen in den Beobachtungen und Bewertungen zwischen verschiedenen Diskursteilnehmern verdeutlicht und kommunikativ bearbeitbar gemacht werden. Die Instrumente und Verfahren werden nicht mit der Erwartung versehen, mit ihrer Hilfe könne etwas »Objektives« zur Zukunftsentwicklung analysiert und erfasst werden, sondern sie werden als methodische Mittel genutzt, um die Diskurse zu strukturieren und innerhalb dieser Diskurse Divergenzen erkennbar und diese für die Diskurse nutzbar zu machen. In die methodische Gestaltung von Diskursen ist einbezogen, dass Irritationen herausgefordert werden, die eine Kommunikation über bisherige mentale Modelle ermöglichen und die für strategische und reflexive Diskurse genutzt werden können. Dabei geht es »um eine subtile Mischung von Themen und Formaten, die sicherstellt, dass das Unkonventionelle ausreichend Platz findet und bereits verfestigte Argumentationsmuster aufgebrochen werden können« (Nagel u. Wimmer 2015, S. 63). Dazu bedarf es insbesondere der Mobilisierung des in der Organisation vorhandenen und an verschiedenen Stellen der Organisation verteilten Wissens (durch Umweltbeobachtungen in verschiedenen Organisationssegmenten und bei unterschiedlichen Organisationsakteuren). Da der Zweck in einer Zukunftsorientierung, im Ermöglichen eines verantwortbaren Umgangs mit Unsicherheit liegt, bedarf es der Bemühungen, die Organisation nicht allein auf der Grundlage von – Vergangenheit repräsentierenden – Erfahrungen zu führen, sondern diese Perspektive anzureichern durch die anders gelagerte Perspektive »Organisation von der Zukunft her führen«. Es geht um eine Anreicherung der strategischen Diskurse durch eine partielle »Umkehr des Zeitverhältnisses«, indem durch die Formulierung und Ausrichtung »auf eine selbst gewählte und Energien mobilisierende künftige Identität« Wege in die Zukunft markiert werden (ebd., S. 69). Da Strategiebildung und Strategieumsetzung nicht auf sicheren Fakten beruhen, sondern auf Unsicherheit reduzierenden begründeten Hypothesen, sind die Prozesse rekursiv anzulegen: als zyklische Überprüfung der Tragfähigkeit vorheriger Hypothesen vor dem Hintergrund zwischenzeitlich gemachter Erfahrungen und Beobachtungen. Dies kann Veränderungen, Variationen zu den bisherigen strategischen Entscheidungen zur Folge haben. Systemische Strategiebildung hält bewusst, dass Umwelt und Zukunft als »begründete Eigenkonstruktionen des Systems« zu gelten haben (Glatzel u. Wimmer 2014, S. 249). Reale und prognostizierbare Umweltereignisse werden nach eigenen, im Diskurs

entwickelten Relevanzkriterien gefiltert im Hinblick auf das, was man angesichts des Zwecks und der inneren Dynamik der Organisation für bedeutsam erachten oder ignorieren will. Damit geht die Konstruktion eines Zukunftsentwurfs der Organisation einher, den man vor dem Hintergrund der vorherigen Filterungen als voraussichtlich tragfähig zur Existenzsicherung der Organisation betrachtet. Das Inszenieren, also das methodische Ausgestalten und entscheidungsbezogene Ausrichten, solcher strategischen Diskurse, die einen »verantwortlichen Umgang mit Unsicherheit/Ungewissheit« ermöglichen sollen, ist Aufgabe von Leitung. Leitungspersonen haben in ihrer Managementverantwortung »einen Zustand zu erzeugen, der spannungsvoll genug ist, dass er das Unternehmen (bzw. die Organisation Sozialer Arbeit; Anm. S. G./J. M.) mit Vorstellungen und Zielformulierungen für eine unsichere Zukunft versorgt« (ebd., S. 250). Die strategischen Diskurse im Duktus eines diskursorientierten Herbeiführens von Strategieentscheidungen und einer zyklischen reflexiven, rekursiven Strategiebegleitung sind in den drei Sinndimensionen auszugestalten: • Zeitlich: als Einbezug kürzerer und längerer Zeitdimensionen und in einem ausbalancierten Verhältnis von Erfahrungen (Vergangenheit) und Optionen (Zukunft); • Sachlich: als Herbeiführen von Entscheidungen zu Leistungen und zum Leistungsprofil der Organisation im Wechselverhältnis zur Wahrnehmung der Umwelt und ihrer Dynamiken; • Sozial: als Art des Miteinanders in den Prozessen der Strategiebildung und der Strategieumsetzung und hierbei insbesondere als Umgang mit Äußerungen der Unsicherheit und des unkonventionellen Denkens. Die Art, in der die Diskurse über die »Konstruktion von organisationsrelevanter Zukunft« geführt wird, gestaltet sich ebenfalls in diesen drei Sinndimensionen: zeitlich, indem ein bestimmter Zeithorizont von »Zukunft« festgelegt und angesprochen wird; sachlich, indem der Rahmen bestimmt wird, innerhalb dessen über Leistungsentwicklung nachgedacht werden kann bzw. soll; sozial, indem die zulässigen Zumutungen für einzelne Organisationsmitglieder oder Organisationssegmente kalkuliert werden, die man in die Diskussion einbeziehen oder aus ihr heraushalten will. Die Schwerpunkte der auf Instrumenten und Verfahren basierenden Analyse, die die Grundlage für Strategieentwicklung und strategische Entscheidungen bieten, erfolgt anhand von zwei Leitdifferenzen: entlang der Organisationsgrenzen in der Leitdifferenz »innen – außen« und entlang der Zeitachse (Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft) in der Leitdifferenz »gestern – heute – morgen« (Abb. 14). Beide Leitdifferenzen können miteinander verkoppelt werden: so z. B. beim Analyseschwerpunkt »Außen« bei der Umweltanalyse (Analyse sozialpolitischer Entwicklungen oder Stakeholderanalyse) in den

Dimension von Gegenwart und erwartbare Zukunft, wobei die Analyse zur erwartbaren Zukunft nach Chancen und Risiken ausdifferenziert werden kann – oder beim Analyseschwerpunkt »Innen« in einer systematisierten Stärken-Schwächen-Analyse (differenziert im Hinblick auf Kategorienbündel wie fachliche Konzepte und deren Umsetzung, Personal und deren Qualifikation und Motivation, Finanzen, Image, räumliche und organisatorische Bedingungen) ebenfalls in den Dimensionen von »aktuell und künftig« mit den jeweiligen Ausprägungen von Chancen und Risiken. Eine Wettbewerberanalyse bewegt sich im Schnittpunkt von Innen und Außen und richtet sich auf beobachtete Stärken und Schwächen realer und potenzeller Konkurrenten; eine solche Analyse fällt jedoch aufgrund der Zufälligkeit von Beobachtungen deutlich grober aus. Weitere Analysemethoden lassen sich in dieser Leitdifferenzsystematik (Abb. 14) verorten.

Abb. 14: Analysemethoden des Strategischen Managements – Einordnung anhand von Leitdifferenzen

Entscheidungen, die in den strategischen Diskursen anhand von hypothesengeleiteten Analysen zu treffen sind (als Anknüpfungspunkte für operative Entscheidungen), sind u. a.: • Welche zu erwartenden Veränderungen der (äußeren) Umwelt (Lebenslagen der Leistungsadressaten, Anforderungen der politisch-administrativen Akteure und



• •

• •



zentraler Organisationen in Interorganisationsbezügen, rechtliche und politische Konstellationen, normative Veränderungen) halten wir für relevant im Hinblick auf die eigene Organisation und deren Leistungsprofil? Wer sind die für uns zentralen Interessenträger (Stakeholder), wie sind sie in ihrer Bedeutung abzustufen und einzuordnen, welche Interessen haben sie im Hinblick auf uns, und wie wird sich die Lage dieser Interessenträger künftig mit welchen Auswirkungen auf ihre Anforderungen an uns entwickeln? Welche möglichen Auswirkungen dieser Veränderungen im Hinblick auf das momentane und das künftige Leistungsprofil der Organisation nehmen wir an? Welche Veränderungen im Hinblick auf das eigene organisationale Leistungsprofil halten wir mit welchen Bemühungen und mit welchem Ressourcenaufwand in welchen Zeiträumen und Zeitzyklen für realisierbar? Wie könnten unsere wichtigsten Stakeholder auf Veränderungen unseres Leistungsprofils reagieren? Welche (operativen) Maßnahmen müssten in Gang gesetzt werden, um bestimmte strategische Entscheidungen mit möglichst wenig Reibungen und Risiken (innen und außen) zu realisieren? Welche Beobachtungsformen müssen installiert werden, um Hypothesen, die in Entscheidungen eingegangen sind, kontinuierlich bzw. zyklisch zu bewerten, um ggf. Korrekturen an Entscheidungen vornehmen zu können?

12.4 Typen oder Muster der Strategiebildung in Organisationen Da jede Organisation sich im Laufe ihrer Existenz mit Fragen ihrer weiteren Existenz und ihrer künftigen Leistungsgestaltung in irgendeiner Weise auseinandergesetzt hat, wäre zu schlussfolgern, dass keine Organisation ohne Strategie existiert. Anders formuliert: Jede Organisation hat eine Strategie! Allerdings: Sie weiß es nur nicht immer, bzw. weniger polemisch formuliert: Die Strategie bleibt implizit, sie wird nicht ausdrücklich, »explizit« diskutiert und entschieden, sondern ist das Ergebnis verschiedener Entscheidungen, ohne dass diesen ein strategischer Charakter zugeordnet wird. Der strategische Charakter solcher Entscheidungen wird häufig erst im Rückblick erkennbar. Nagel und Wimmer (zuletzt: 2015, S. 73 ff.) haben vier markante Typen oder Grundmuster der Strategiebildung anhand von zwei Unterscheidungen markiert. Die eine Unterscheidung ist die bereits genannte nach impliziten und expliziten Formen der Strategiebildung. Die andere Unterscheidung richtet sich nach dem Ort bzw. nach den maßgeblichen Personen, an dem maßgebliche strategische Entscheidungen bzw. von denen

diese getroffen werden: Nagel und Wimmer differenzieren danach, ob Strategieentwicklung in die Organisation integriert ist oder ob sie isoliert an der Spitze der Organisation (ggf. unter maßgeblichem Einfluss externer »Experten«) erfolgt. Die Kombination dieser beiden Unterscheidungen führt zur Annahme von vier typisierten Grundmustern (Tabelle 2): Prägende Akteure

Wie findet man zur Strategie? Implizit

Explizit

Außerhalb der Organisation oder isolierte Entscheidungen an der Spitze der Organisation

Intuitive Entscheidungsfindung

Experten orientierte Ansätze

Innerhalb des Systems – Einbezug der Leitungsebene(n)

Inkrementale oder evolutionäre Strategien

Gemeinschaftliche Führungsleistung

Tabelle 2: Prägende Akteure und typische Muster der Strategiebildung (verändert nach Nagel u. Wimmer 2015, S. 74)

Jedes dieser vier Muster ist mit Chancen und Risiken verbunden, und jedes Muster kann für eine Organisation in einer bestimmten Phase ihrer Entwicklung mehr oder weniger nützlich sein. Organisationen können sich auch im Zwischenbereich dieser Typisierungen bewegen, und sie können bei Organisationsveränderungen den Schwerpunkt des Modus ihrer Strategiebildung von einem auf einen anderen Typus verlagern. Für die Reflexion zum Stand und Modus bisheriger Strategiebildungen in einer Organisation und zu Überlegungen, welche Formen der Strategiebildung künftig angemessen sein können und mit welchen Erwägungen welche Schritte gegangen werden sollen hin zu einer Typusveränderung in der Strategiebildung, ist es hilfreich, sich die Logik des jeweiligen Grundmusters sowie dessen Nutzen und Grenzen zu vergegenwärtigen (vgl. zum Folgenden Nagel u. Wimmer 2014, S. 29 ff., und 2015, S. 74 ff.). Intuitive Strategiebildung Hier erfolgt Strategiebildung durch eine Person oder sehr wenige Personen an der Spitze der Organisation. Diese Entscheidungsträger entscheiden auf der Basis ihres durch (meist langjährige) Erfahrung geformten Wissens, das ihnen ein »gutes Gefühl« für die Situationen und Kontexte vermittelt. Strategische Diskurse finden kaum statt; getroffene Entscheidungen der Organisationsleitung werden vermittelt, erläutert, und es werden die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen als Handlungsaufforderungen kommuniziert. Der Nutzen dieser intuitiven Strategiebildung besteht darin, dass Personen, die langjährig in einer Organisation Leitungsfunktionen ausüben, häufig eine gute Wahrnehmung für Situationen und Umfeld entwickelt haben und auch »klimatische Aspekte« gut einschätzen

können. Dies stattet diese Personen mit Autorität aus und vermittelt den Organisationsmitgliedern Gefühle von Vertrauen und (partieller) Sicherheit nach dem Motto: »Die Leitungskraft hat so viel Erfahrung, so viel Kontakte, so viel Kenntnisse, dass sie die Entwicklungen sicherlich sehr gut einschätzen kann und die richtigen Entscheidungen treffen wird. Wie schon in der Vergangenheit: Wir können uns auf sie verlassen.« Die Grenzen dieses Strategiemusters liegen zum einen in der Übertragung von erfolgreichen Interpretations- und Handlungsmustern aus der Vergangenheit in die Zukunft. Erfolge in der Vergangenheit schränken die Wahrnehmung von Irritationen in der Gegenwart ein und machen blind für Anzeichen, die eine Weiterführung des Bestehenden in der Zukunft infrage stellen. Irritation werden so lange ignoriert, und andere Interpretationen werden so lange ausgegrenzt, bis die Irritationen so drängend werden, dass sie nicht mehr aus der Kommunikation herausgehalten werden können. Damit ist möglicherweise viel Zeit für strategische Umorientierungen verloren gegangen. Ferner besteht ein hohes Risiko durch die Ausrichtung auf die notwendigerweise begrenzten Wahrnehmungs- und Interpretationsmöglichkeiten einer oder wenigen Personen. Und wenn solche zentralen Personen dann noch (durch Krankheit, Unfall, altersbedingtes Ausscheiden aus dem Berufsleben oder andere persönliche Konstellationen) ausfallen, erlebt die Organisation die problematischen Folgen ihrer zu großen Abhängigkeit von diesen Personen. Expertenorientierte Strategieentwicklung Auch bei diesem Muster stehen wenige Personen im Zentrum der Strategiebildung, und folgenreiche strategische Diskurse innerhalb der Organisation finden kaum statt. Entscheidungen der Organisationsspitze werden legitimiert durch Experten (externe, z. B. Organisationsberater, oder interne, z. B. Personen in Stabsfunktionen) und durch expertenbestimmte Analyseverfahren. Grundlage für strategische Entscheidungen ist der Einsatz »rationaler« Analysemethoden, mit denen Daten erzeugt werden, aufgrund derer Prognosen für künftige Entwicklungen erstellt werden können und das erforderliche Wissen für strategische Entscheidungen mobilisiert werden kann. Der Nutzen solchen Vorgehens liegt im strukturierten Vorgehen sowie in der Aktivierung und unter Einbezug professionellen Wissens. Während bei dialogorientierten Verfahren häufig Probleme in einer mangelnden Moderation, einer mangelnden Strukturierung und einer mangelnden Informations- und Wissensbasis liegen und entsprechend die Gespräche unstrukturiert und in der Äußerung zufälliger Eindrücke verlaufen (»Alle sagen mal so, was sie meinen …«), wird bei expertenorientiertem Vorgehen eine deutlichere Ergebnisorientierung aktualisiert, und der argumentative, informationsbasierte Charakter von Entscheidungsvorgängen wird intensiviert. Das Muster der expertenbestimmten Strategiebildung enthält jedoch viele Begrenzungen. Es suggeriert zum einen, das für eine tragfähige Strategiebildung erforderliche Wissen sei im Grundsatz und weitgehend verfügbar, und zum anderen, es gebe relativ klare

Unterscheidungen (»richtig – falsch«), die aufgrund von Expertise vorstrukturiert werden könnten. Beide impliziten Annahmen sind angesichts der Ungewissheit von Zukunft und angesichts des damit einhergehenden Hypothesencharakters von zukunftsbezogenen Aussagen höchst problematisch. Aufgrund der markanten Ausrichtung auf Daten und Fakten, die Vergangenheit und Gegenwart repräsentieren, droht die Gefahr unzureichender Zukunftsorientierung im Denken. Ferner besteht die Gefahr mangelnder Anschlussfähigkeit von Strategieentscheidungen an die informellen und organisationskulturellen Muster, die in der Organisation wirken. Bisweilen scheitert die Umsetzung der von Expertisen ausgelösten strategischen Entscheidungen daran, dass sie zu wenig mit den bisher in der Organisation herausgebildeten (formellen und informellen) Kommunikationswegen und Programmen verbunden waren. Strategische Entscheidungen und ihre Umsetzung wurden nicht gleichermaßen in die Überlegungen einbezogen. Eine expertenorientierte Strategiebildung wird dann erst recht problematisch, wenn sie implizit an Experten (Organisationsberater o. Ä.) gleichsam »ausgelagert« wird und wenn auf diese Weise Leitungspersonen sich einer zentralen Leitungsfunktion partiell »entkleiden« – nach dem Motto: »Die Organisationsberater haben uns ja gesagt, was wir tun sollen; sie wissen, was für uns gut ist, denn sie sind die Experten. Und diesem Gedanken sollten wir jetzt folgen.« Dadurch unterlaufen Leitungspersonen ihre eigene Verantwortung und untergraben ihre Autorität. Inkrementale oder evolutionäre Strategieentwicklung Hier werden keine strategischen Entscheidungen (oder nur sehr wenige mit einer strategischen Intention) an der Organisationsspitze getroffen, und es finden auch keine strategischen Diskurse statt. Strategie entwickelt sich demgegenüber eher zufällig: aus einer Vielzahl situationsbezogener Entscheidungen verschiedener dezentral angesiedelter Funktionsträger oder Organisationssegmente. Diese Form der Strategiebildung setzt auf den Prozess (»Strategie bildet sich irgendwie heraus …«) und auf die Fach-, Interpretations- und Handlungskompetenz dezentraler Organisationseinheiten (»Sie werden schon wissen, was jeweils in ihrem Zuständigkeitsbereich los ist und was die Organisation dann tun sollte …«). Eine Strategie der Organisation entsteht implizit, bildet sich durch verschiedene Entscheidungen an verschiedenen Orten der Organisation heraus, wobei sich die Entscheider nicht immer klar darüber sind, ob, in welcher Weise und in welcher Intensität ihre Entscheidungen strategischen Charakter und Auswirkungen auf die Strategie der Organisation haben. Dieses Muster der Strategiebildung entfaltet Nutzen, weil es die Verantwortung, die Motivation und die Kompetenz in dezentralen Organisationseinheiten anerkennt, stärkt und aktiviert. Gerade bei »front-line organizations« wie in der Sozialen Arbeit kommt es auf diejenigen Akteure in besonderer Weise an, die an der Schnittstelle von Organisation und äußerer Umwelt tätig sind (Kapitel 2): Sie müssen ihre Handlungsmuster flexibel auf sich verändernde und individualisiert auftauchende Anforderungen ausrichten, und sie erhalten aufgrund ihrer Stellung an den Schnittstellen zur äußeren Umwelt Beobachtungsoptionen, die

für die Strategiebildung der Organisation bedeutsam sind. Da in diesem Muster die dezentralen Organisationseinheiten eine zentrale Bedeutung haben, fördert es eine tendenziell innovationsfreundliche Organisationskultur: Die einzelnen Organisationseinheiten können mit ihren jeweiligen Interpretationen und Entscheidungen der Gesamtorganisation Dynamik verleihen und Verkrustungen in der Gesamtorganisation entgegenwirken. Die Grenzen dieses Muster der Strategiebildung sind zum einen durch die Abhängigkeit von zufälligen Ereignissen und Entscheidungen in der Organisation markiert. Strategiebildung erfolgt nicht bewusst, sondern sie ereignet sich aufgrund von situativen Zufälligkeiten, als implizites, unkoordiniertes Zusammenspiel von dezentralen Entscheidungen. Dies enthält Unwägbarkeiten zur Entwicklung der Organisation: Es wird nur unzureichend entschieden, »wohin wir in Zukunft wollen und aufgrund welcher Annahmen wir dahin wollen«. Ein weiteres Problem liegt in der möglicherweise widersprüchlichen Ausrichtung von Entscheidungen dezentraler Organisationseinheiten. Die Organisation sähe sich möglicherweise gezwungen, mit einem Verlust ihrer Gesamtstrategie und mit einer Einschränkung in der Transparenz der Entwicklungslinie umzugehen. Strategiebildung als gemeinschaftliche Führungsleistung Eine solche Strategiebildung würde der Orientierungslinie der systemischen Strategieentwicklung entsprechen, wie sie in diesem Beitrag gekennzeichnet wird. Strategiebildung erfolgt explizit und wird durch strategische Diskurse im Organisationssystem verankert. Die Verankerung im Organisationssystem erfolgt aber als »gemeinschaftliche Führungsleistung«, also unter Einbezug der auf den verschiedenen Ebenen der Organisation tätigen Leitungspersonen (Gesamtleitung, Abteilungsleitung, Teamleitung etc.) und nicht als aufwendiges, aber vielfach nicht sehr folgenreiches »großes Palaver aller Mitarbeiter«. Strategiebildung wird als Leitungsaufgabe verstanden, wobei die Wahrnehmungen und Interpretationen verschiedener Leitungspersonen bedeutsam sind und zusammengeführt werden. Die strategischen Dialoge werden methodisch strukturiert und als rekursive Zyklen in der Differenz zwischen »strategischer Auszeit« und operativem Alltag gestaltet. Der Nutzen einer solchen systemischen Strategiebildung ist bereits angesprochen worden: Das Vorgehen bezieht unterschiedliche Beobachtungen systematisch ein, macht ungeprüfte Annahmen und scheinbare Sicherheiten diskutierbar, ermöglicht das Artikulieren und Verarbeiten von Unsicherheiten durch entsprechend gestaltete »Kommunikationsräume«, verzahnt Strategiebildung mit Überlegungen und Entscheidungen zur Umsetzung, greift durch die prozessuale Ausrichtung den Hypothesencharakter von Annahmen für die Entscheidungen auf. Die Grenzen einer solchen Konzipierung von Strategiebildung liegen in den hohen Anforderungen an die (methodische, soziale, moderierende) Gestaltungskompetenz von Personen auf der obersten Leitungsebene. Ferner setzt dieses Muster auf die

Kooperationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft der Beteiligten, da in diesen Prozessen auch über Einfluss- und Machtverschiebungen verhandelt wird, die ein hohes Konfliktpotenzial mit sich bringen können. Und es bedarf eines kompetenten Leitungsteams mit einer arbeitsfähigen »Gruppendynamik«, um solche komplexen Prozesse moderieren, zusammenführen und kontinuierlich bewertend begleiten zu können. In dem Vierfelderschema der Typisierung von Strategiebildung Tabelle 2) mag das Feld »unten rechts« (Strategiebildung als »gemeinschaftliche Führungsleistung«) auf den ersten Blick als das Ideal erscheinen, an dem sich Organisationen möglichst ausrichten sollten. In theoretischer Hinsicht mag das zutreffen, jedoch ist hier zu beachten, dass dieser Typus nicht ohne Voraussetzungen in der Organisation realisiert werden kann. Auch hier ist nach dem Zustand, nach der bisherigen Entwicklung der Organisation, nach ihren formalen und informellen Regeln, Handlungsweisen und Routinen zu fragen, um über eine Abschlussfähigkeit von als »ideal« erachteten Formen der Strategiebildung zu reflektieren. Das Vierfelderschema markiert Typen der Strategiebildung in Organisationen, um a) den Stand der Strategiebildung in einer Organisation analysieren und verorten zu können und b) Überlegungen anzustellen, in welcher Richtung angesichts der Erkenntnisse zu bisherigen Mustern der Strategiebildung weitere anschlussfähige Impulse eingebracht werden können, um Strategiebildung in der Organisation weiterzuentwickeln. Die Orientierung am Typus »gemeinschaftliche Führungsleistung« eröffnet theoretisch angemessene Perspektiven, lässt sich aber nicht verabsolutieren, sondern kann als Orientierung dienen, um Impulse zu kalkulieren, mit deren Hilfe eine Organisation sich allmählich in die markierte Richtung entwickeln kann.

12.5 Leitorientierungen für eine systemisch konzipierte Strategiebildung Strategisches Management bewegt sich an der Schnittstelle von Organisation und äußerer Umwelt und thematisiert dabei aktuelle und künftige Perspektiven zu Inhalten und Formen des Leistungsaustauschs, die der Organisation mittel- und längerfristig eine Ressourcenzufuhr aus der Umwelt ermöglicht und damit Optionen für den Erhalt der Organisation eröffnet. Entgegen einer Konzipierung von Strategischem Management, das sich am »Rationalitätsparadigma« ausrichtet, gilt für die Akteure eines systemisch konzipierten Strategischen Managements: • Sie sind sich der Paradoxie bewusst, Orientierung gewinnen zu wollen (und zu müssen) trotz Intransparenz des Umfelds und trotz Unvorhersehbarkeit künftiger Entwicklungen, und halten diese basale Paradoxie in den Prozessen präsent.

• Sie gestalten Prozesse der Strategiebildung und -umsetzung reflexiv und in rekursiven, zyklisch gestalteten Prozessen. • Sie organisieren vom operativen Alltag abgehobene »reflexive Auszeiten« (»strategische Strategiediskursinseln«). • Sie versuchen die Perspektive »Gestaltung der Organisation von der Zukunft her« zur Geltung zu bringen. • Sie mobilisieren das auf den verschiedenen Leitungsebenen in der Organisation vorhandene Wissen. • Sie ermöglichen das Artikulieren und dadurch das Bearbeiten von Unsicherheiten, ermöglichen und erzeugen Irritationen, machen vorhandene Differenzen in Beobachtungen und Interpretation sichtbar und besprechbar. • Sie setzen methodisches Vorgehen bei der Analyse und bei der Reflexion sowie Methoden der moderierenden Gestaltung ein. • Sie beziehen die Differenzdimension »innen – außen« und die Differenzdimension »Zeitachse« in die Analysen und Reflexionen ein. • Sie beobachten aufmerksam die soziale Dynamik der Prozesse und setzen entsprechende Gestaltungsimpulse.

51 Mit der Ausrichtung auf die Leistungen und das Leistungsprofil, mit dem die Organisation sich künftig anschlussfähig gegenüber der Umwelt halten will, ist die Schnittfläche zum Managementfeld des strategischen Controllings markiert. Während das Controlling in der Praxis vielfach auf den Funktionsbereich des Operativen begrenzt wird, wären im Hinblick auf das Strategische, also die Konzipierung eines künftigen Leistungsprofils, die Denkweisen und das Vorgehen des Controllings als kontinuierlicher Reflexions- und Bewertungsmodus gegenstandsadäquat einzusetzen. 52 Das Verhältnis zwischen den Wohlfahrtsverbänden als den großen Trägerblöcken bei den Leistungsanbietern in der Sozialen Arbeit (vgl. Boeßenecker u. Vilain 2013, S. 19–80) einerseits und den politischen Steuerungsinstanzen und Auftraggebern für Leistungen andererseits wurde lange mit dem Theorem des Korporatismus interpretiert und analysiert. Gemeint ist damit eine Analyseperspektive, bei der die wechselseitige Verflechtung zwischen staatlichen Steuerungsinstanzen einerseits und Wohlfahrtsverbänden und den in ihnen organisierten freien Trägern andererseits im Mittelpunkt steht (vgl. u. a. Heinze 2000; Olk 2018, S. 405 ff.). Betont werden die Einbeziehung der Verbände in politische Prozesse der Formulierung und Implementation von sozial- und jugendhilfepolitischen Programmen, die Integration der Verbände als Repräsentanten gesellschaftlicher Interessen zu Zwecken der diskursiven Aushandlung politischer Zielsetzungen, der Festsetzung von Handlungsprioritäten und der Begleitung bei der Realisierung von politischen Programmen. Die Verbände und die von ihnen repräsentierten freien Träger werden frühzeitig in Aushandlungsmodalitäten einbezogen, und es wird von ihnen erwartet, dass sie zwar die Interessen der ihnen angeschlossenen Träger und Einrichtungen einbringen, dass sie aber gleichzeitig hinsichtlich anderer Interessenartikulationen und unter Beachtung der Funktionsfähigkeit der Kinder- und Jugendhilfe insgesamt in Verhandlungen grundsätzlich in der Lage sind, eine Haltung der Gegenseitigkeit einzunehmen. Die Funktionsfähigkeit der Verhandlungssysteme ist an eine kooperativ eingespielte Austauschlogik gebunden. Die Beteiligten brauchen einander, um eine funktionsfähige Soziale Arbeit zu gestalten: Die öffentlichen Träger benötigen die finanziellen, personellen und fachlichen Ressourcen der Verbände der freien Träger. Die Verbände ihrerseits haben ein grundlegendes Interesse an Mitwirkung, um zum einen die sie direkt oder indirekt betreffenden sozialpolitischen Programmformulierungen beeinflussen zu können und zum anderen eine langfristige politische und finanzielle Sicherstellung ihrer Handlungsfähigkeit zu erreichen. Man kann von einer wechselseitigen Abhängigkeit der beteiligten Organisationen sprechen, durch die die Motivation zu einer kooperativen Steuerung der sozialen Dienstleistungen aufrechterhalten wird. Solche korporatistischen Verhandlungslogiken sind insbesondere auf regionaler Ebene wirksam.

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Über die Autoren

Stefan Gesmann, Prof. Dr. phil., M. A. Sozialmanagement, Dipl.-Soz.Päd.; nach dem Sozialpädagogikstudium mehrere Jahre in leitender Funktion im Handlungsfeld der Sozialen Arbeit tätig. Berufsbegleitendes Studium des Sozialmanagements. Absolvent des ZertifikatsFernstudiums Systemisches Management an der TU Kaiserslautern. Promotion zum Thema »Systemisches Weiterbildungsmanagement« an der Universität Münster. Ausbildung zum Systemischen Organisationsberater (Simon, Weber und Friends). Seit 2015 Professor für Erwachsenenbildung/Weiterbildung in der Sozialen Arbeit an der Fachhochschule Münster; dort Geschäftsführer des Referats Weiterbildung sowie stellvertretender Leiter des Masterstudiengangs Sozialmanagement. Gemeinsam mit Joachim Merchel fachlicher Leiter des Hochschulzertifikatskurses Systemisches (Sozial-)Management an der FH Münster. Kontakt: [email protected]

Joachim Merchel, Prof. Dr. phil., Dipl.-Päd.; Promotion an der Universität Bielefeld zum Thema Wohlfahrtsverbändeforschung; Tätigkeiten in Heimerziehung, Fortbildung und beim Paritätischen Wohlfahrtsverband NRW; von 1992 bis 2019 Professor für Organisation und Management in der Sozialen Arbeit an der Fachhochschule Münster, Fachbereich Sozialwesen; dort von 2000 bis Anfang 2019 Gründer und Leiter des weiterbildenden, berufsbegleitenden Master-Studiengangs Sozialmanagement; Mitglied im geschäftsführenden Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft ASD, eines Fachverbands in der Kinder- und Jugendhilfe; Arbeitsschwerpunkte und vielfältige Veröffentlichungen in den Bereichen Sozialmanagement, Kinder- und Jugendhilfe, Qualitätsmanagement, Evaluation, Jugendhilfeplanung. Kontakt: [email protected]