Substanz und Qualität: Ein Beitrag zur Interpretation der plotinischen Traktate VI,1, 2 und 3 9783110828528, 9783110018998


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German Pages 305 [308] Year 1973

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Table of contents :
Vorwort
Einleitung und Übersicht
Erster Teil Substanz und Qualität bei Platon und Aristoteles
Kapitel I Der kategoriale Gegensatz von Sein und Erscheinung und die Form seiner Vermittlung bei Platon
1. Eidetische Bestimmtheit und sinnliche Wahrnehmbarkeit als Gegensatz von οὐσία und ποιόν
2. Der Logos als Vermittler zwischen eidetischer Bestimmtheit und sinnlicher Wahrnehmbarkeit
3. Die Analogie als erkenntnisstiftende Vermittlung zwischen den Seinsbereichen im Rahmen der platonischen Zweiprinzipienlehre
Kapitel II Die aristotelische Kategorienlehre als Theorie der bewegten Wirklichkeit
1. Einheit und Vielheit als erste allgemeine Seinsprinzipien und als Seinsweise des einzelnen Seienden
2. Bewegung als Bewegtheit und als Sichbewegen des einzelnen Seienden
3. Der Bezug des Logos auf die bewegte Wirklichkeit
Zweiter Teil Substanz und Qualität bei Plotin
Kapitel III Die kategoriale Unterschiedenheit von geistigem und sinnlich wahrnehmbarem Sein als Ausgangspunkt der plotinischen Aristoteles-Kritik
1. Plotin als Platoniker
2. Die Kategorienfrage als Frage nach „der Anzahl und dem Charakter des Seienden“
3. Realität und sprachliche Form des kategorialen Unterschiedes von geistigem und sinnlich wahrnehmbarem Sein
Kapitel IV Die Trennung von Seinsaussage und Seinsbegründung als Voraussetzung für die Anerkennung der aristotelischen Kategorien durch die Platoniker
1. Die stoischen Kategorien als Hinsichten auf das Körperliche
2. Die Formalisierung des aristotelischen Denkens bei Alexander von Aphrodisias
3. Das Nebeneinander von platonischer Metaphysik und aristotelischer Kategorienlehre im aristotelesfreundlichen Platonismus
Kapitel V Plotins Frage nach der Leistung des diskursiven Denkens bei der Seinserkenntnis als Grundlage seiner Aussagen zum Kategorienproblem
1. Die Form des wahren Seins: γένη ἅμα ϰαὶ ἀρχαί
2. Die Unzureichendheit und Unverzichtbarkeit des diskursiven Denkens
3. Die Sinnenwelt als Konglomerat aus Qualitäten und Materie
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Stellenverzeichnis
Namenverzeichnis
Sachverzeichnis
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Substanz und Qualität: Ein Beitrag zur Interpretation der plotinischen Traktate VI,1, 2 und 3
 9783110828528, 9783110018998

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Klaus Wurm Substanz und Qualität

W DE G

Quellen und Studien zur Philosophie Herausgegeben von Günther Patzig, Erhard Scheibe, Wolf gang Wieland

Band 5

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1973

Substanz und Qualität Ein Beitrag zur Interpretation der plotinischen Traktate VI i, 2 und 3

von

Klaus Wurm

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1973

D 6 ISBN 3 11 00 1899 3 Library of Congress Catalog Card Number 72-81572 1973 by Walter de Gruyter 8c Co., vormals G. J. Gösdien'sdie Verlagshandlung · J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung · Georg Reimer · Karl J. Trübner · Veit & Comp., Berlin 30, Genthiner Straße 13. Printed in Germany Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie, Xerokopie) zu vervielfältigen. Satz und Druck: Walter Pieper, Würzburg

Vorwort Diese Arbeit ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Wintersemester 1968/1969 der Philosophischen Fakultät der Universität Münster vorgelegen hat. Zu danken für das Zustandekommen der Arbeit habe ich Herrn Professor Dr. Heinrich Dörrie, Münster, der sie angeregt und durch seinen Rat ständig gefördert hat; der Studienstiftung des deutschen Volkes, die mich durch die Gewährung eines Stipendiums großzügig unterstützt hat; schließlich den Herausgebern der Reihe „Studien und Quellen zur Philosophie" und dem Verlag Walter de Gruyter & Co., die das Erscheinen der Arbeit in der vorliegenden Form ermöglicht haben. Herford, im November 1972

K. W.

Inhaltsverzeichnis Vorwort

V

Einleitung und

bersicht

i

Erster Teil Substanz und Qualit t bei Platon und Aristoteles Kapitel I Der kategoriale Gegensatz von Sein und Erscheinung und die Form seiner Vermittlung bei Platon

7

1. Eidetische Bestimmtheit und sinnliche Wahrnehmbarkeit als Gegensatz von ουσία und ποιόν

7

a) Die Sicherung des ατομον είδος in der Dihairesis b) Die Elemente als sichtbare K rper und als wi bare Formen .

7 .

c) Αΐσθησις und άλλοίωσις

14 i8

2. Der Logos als Vermittler zwischen eidetischer Bestimmtheit und sinnlicher Wahrnehmbarkeit

23

a) Die Kenntnis der Struktur des Seins als Voraussetzung f r den λόγος αληθής

23

b) Επιστήμη und δόξα αληθής

29

3. Die Analogie als erkenntnisstiftende Vermittlung zwischen den Seinsbereichen im Rahmen der platonischen Zweiprinzipienlehre .

35

a) Die platonische Zweiprinzipienlehre - Einf hrung und Ausblick auf Aristoteles

35

VIII

Inhaltsverzeichnis

b) Die vielf ltige Benennung der Prinzipien als Ausweis ihrer strukturalen Geltung

41

c) Die Einheit des vielf ltigen Auftretens von Einheit und Vielheit als Proportionalit t

45

Kapitel II Die aristotelische Kategorienlehre als Theorie der bewegten Wirklichkeit

60

1. Einheit und Vielheit als erste allgemeine Seinsprinzipien und als Seins weise des einzelnen Seienden

60

a) Transzendente Genera oder immanente Bestandteile als Prinzipien

60

b) Summum Genus oder Infima Species als Prinzip des einzelnen Seienden

67

c) Die Einheit des einzelnen Seienden als seine wi bare Form oder als seine wahrnehmbare Individualit t

75

d) Die vielf ltige Beschaffenheit des einzelnen Seienden als Gegensatz zur Einheit schlechthin oder als anschaubarer Inhalt seiner wi baren Form

80

2. Bewegung als Bewegtheit und als Sichbewegen des einzelnen Seienden

83

a) Bewegung als das Ineinanderumschlagen von Gegens tzen an einem Zugrundeliegenden

83

b) Γένεσις und άλλοίωσις

85

c) Die Materie als Gegensatz zur Form und als dem Werden der Form Zugrundeliegendes

89

d) Die Einheit der ουσία als Grenze und Ziel jeder Bewegung . .

97

3. Der Bezug des Logos auf die bewegte Wirklichkeit

ιοί

a) Die ουσία als Bezugspunkt des in vielfachem Sinne ausgesagten ε'ν/ον b) Das Sein des Bewegten in den Formen der Aussage . .

.

ιοί

. 120

Inhaltsverzeichnis

IX

Zweiter Teil Substanz und Qualität bei Plotin

Kapitel III Die kategoriale Unterschiedenheit von geistigem und sinnlich wahrnehmbarem Sein als Ausgangspunkt der plotinischen AristotelesKritik

133

1. Plotin als Platoniker

133

a) Der „gegenständliche" und der „aktuale" Aspekt in der Philosophie Plotins

133

b) Die „gegenständliche" als die den plotinischen Traktaten „Über die Genera des Seienden" angemessene Betrachtungsweise . .

135

c) Plotins platonischer Standpunkt gegenüber der aristotelischen Kategorienlehre .138 2. Die Kategorienfrage als Frage nach „der Anzahl und dem Charakter des Seienden"

143

a) Plotins Doxographie zur Kategorienfrage: Platon und Aristoteles als Überwinder des monistischen und pluralistischen Materialismus ihrer Vorgänger

143

b) Plotins Stellungnahme zur aristotelischen Kategorienlehre: Die Brauchbarkeit der aristotelischen Kategorien als Einteilung der Sinnenwelt - Ihre Unzureichendheit für die Erklärung der Sinnenwelt aus ihrem geistigen Ursprung

148

3. Realität und sprachliche Form des kategorialen Unterschiedes von geistigem und sinnlich wahrnehmbarem Sein

155

a) Abwehr eines gemeinsamen Genus „ des sinnlich wahrnehmbaren Seins

" des geistigen und

b) Abwehr eines gemeinsamen Genus „ " des geistigen und des sinnlich wahrnehmbaren Seins im Rahmen der Kritik der stoischen Kategorienlehre

155

158

X

Inhaltsverzeichnis

Kapitel IV Die Trennung von Seinsaussage und Seinsbegr ndung als Voraussetzung f r die Anerkennung der aristotelischen Kategorien durch die Platoniker

167

1. Die stoischen Kategorien als Hinsichten auf das K rperliche

167

.

.

a) Die ουσία als K rper

167

b) Der K rper als Seinsgrund m glicher Aussagen ber ihn .

.

.

171

c) Seiendes (πράγμα), Ausgesagtes (λεκτόν), Gedachtes (έννόημα)

176

2. Die Formalisierung des aristotelischen Denkens bei Alexander von Aphrodisias

181

a) Die Form des K rpers als von ihm nur gedanklich zu trennende ουσία

i8i

b) K rperliches und Unk rperliches als Species des Genus „ουσία"

187

c) Konsequenzen aus der Aristoteles-Interpretation Alexanders

.

191

3. Das Nebeneinander von platonischer Metaphysik und aristotelischer Kategorienlehre im aristotelesfreundlichen Platonismus . .

193

a) Ουσία als oberstes Genus in der Dihairesis und als πρώτη ουσία der Platoniker

193

b) Das Verh ltnis von Dihairesis, Kategorienlehre und Seinserkenntnis bei Albinos

199

c) Das Nebeneinander von transzendenter und immanenter Form bei den aristotelesfreundlichen Neuplatonikern

208

d) Das Nebeneinander von transzendenter und immanenter Form bei Plotin

218

Kapitel V Plotins Frage nach der Leistung des diskursiven Denkens bei der Seinserkenntnis als Grundlage seiner Aussagen zum Kategorienproblem

221

i. Die Form des wahren Seins: γένη άμα και άρχαί

221

Inhaltsverzeichnis

XI

a) Γένη άμα και άρχαί? - Die Frage nach der Vereinbarkeit des Unvereinbaren 221 b) Die Kategorien des Geistigen als f r sich bestehende Bestandteile des Ganzen c) Die Bestandteile des Geistigen als seine Prinzipien

.

.

225

.

. 230

d) Die Gliederung des Geistigen als Wirkung seiner Ganzheit .

. 233

e) Die Form des wahren Seins - Ein Paradoxon f r das diskursive Denken

236

2. Die Unzureichendheit und Unverzichtbarkeit des diskursiven Denkens 240 a) Das Neben- und Nacheinander als gemeinsame Struktur des diskursiven Denkens und der Sinnenwelt

240

b) Die Unzureichendheit der Definition durch Genus und spezifische Differenz zur Wesenserkenntnis

243

c) Die Unverzichtbarkeit des diskursiven Denkens bei der Erkenntnis der Sinnenwelt

247

3. Die Sinnenweit als Konglomerat aus Qualit ten und Materie .

.

250

a) Scheitern des Versuches, die ουσία αισθητή als συναμφότερον aus είδος und ΰλη zu verstehen

250

b) Die Irrelevanz der Unterscheidung zwischen spezifischer Differenz und akzidenteller Qualifiziertheit vom Standpunkt der ουσία αισθητή

255

c) Der platonische kategoriale Gegensatz von ούσ'ια und ποιόν und die nicht-platonische Form seiner Vermittlung bei Plotin . . 257 Abk rzungsverzeichnis

263

Literaturverzeichnis

265

Stellenverzeichnis

274

Namenverzeichnis

287

Sachverzeichnis

290

Einleitung und Übersicht (1) In seinen Traktaten „Über die Genera des Seienden" (Enneaden VI i, 2 und 3) weist Plotin die aristotelische Kategorienlehre als für das Erfassen des Seins unzureichend zurück und stellt ihr - gesondert für Geistesund Sinnenwelt - eigene Kategorien entgegen; und zwar findet er erstere in den fünf Genera des platonischen „Sophistes", geht hingegen bei der Aufstellung letzterer von der aristotelischen Unterscheidung zwischen Substanz ( ) und Akzidentien und dem Verständnis der Substanz als Konkretum aus Form und Materie aus, um in der Folge freilich diese „sinnlich wahrnehmbare Substanz" als unbestimmbares „Konglomerat aus Qualitäten und Materie" zu entlarven. Die Voraussetzung der Kritik, die platonische Zweiweltenlehre, scheint der aristotelischen Kategorienlehre unangemessen und die konstruktive Aussage in sich und in ihrem Verhältnis zu der Kritik an Aristoteles widersprüchlich, so daß man die Ansicht vertreten hat, Plotin werde der Problematik des Gegenstandes nicht gerecht. Die vorliegende Arbeit glaubt demgegenüber, die Folgerichtigkeit und Bedeutsamkeit der Aristoteles-Kritik Plotins und seines eigenen Beitrages zur Kategorienfrage zeigen zu können. (2) Dieses Beweisziel wird im Rückgang auf den Ursprungsort der Kategorien-Problematik, auf die Philosophie des Aristoteles, zu erreichen gesucht, deren Lösungen in dieser Frage wiederum als Antwort auf die Konzeption Platons begriffen werden müssen. Platon denkt die eines Seienden als Idee im Ordnungsgefüge des Geistigen in Analogie zu mathematischen Ordnungsgefügen und kann die so gesicherte von der Vielfältigkeit ihrer Erscheinung (also der Qualifiziertheii und Bewegtheit des Seienden) kategorial unterscheiden. Die Vermittlung zwischen beiden „Bereichen" ist für Platon dadurch gegeben, daß das als Modell dienende Mathematische exemplarisch die Vermittlung von Einheit und Vielheit leistet und entsprechend sich das diskursive Reden über das Seiende (der ) in die dialektische Spannung zwischen der Einheit der

2

Einleitung und bersicht

Idee und der Vielheit der m glichen Aussagen ber ihre Erscheinung gestellt findet.

Aristoteles bringt dagegen die anschauliche Gegebenheit des Einzelnen in den Begriff der ουσία ein. Er denkt das einzelne Seiende als die Wirklichkeit seiner immanenten Form, auf die als Einheit sich seine vielf ltige Beschaffenheit und Qualifiziertheit beziehen, so da prim r sich die wesentliche Beschaffenheit eines Seienden an dem ihm als Materie Zugrundeliegenden als seine ουσία verwirklicht, sekund r die Fluktuation der akzidentellen Seinsmodalit ten an der Wirklichkeit der ουσία ihre Grenze und Bestimmtheit findet. Die Aussagen ber ein Seiendes entsprechen diesen Verh ltnissen dergestalt, da die ουσία in der Definition durch Genus und spezifische Differenz zur Sprache kommt, die Akzidentien aber ihre Abh ngigkeit von der Substanz dadurch ausweisen, da sie von dieser ausgesagt werden. Da jedoch die Qualit t innerhalb der Definition als spezifische Differenz die eidetische Beschaffenheit eines Seienden als eines wi baren Allgemeinen, bei der akzidentellen Pr dikation aber einen Einzelaspekt seiner Erscheinung als eines Besonderen bezeichnet, bleiben die Unterschiedenheit und die Beziehung von ουσία als Definiendum und ουσία als gestalteter Wirklichkeit des Einzelnen im Rahmen der Kategorienlehre dem diskursiven Denken problematisch. Die aristotelische ουσία kann zu ihrem Verst ndnis als Wesen der Intuition nicht entraten, sie kann zu ihrem Verst ndnis als Substanz die Erfahrung nicht ausschlie en. Gleichsam noch diesseits der au erdiskursiven M glichkeit, im Rahmen der Akt-Potenz-Lehre die Substantialit t eines Seienden in der Spannung zwischen der Einheit seiner Form und seiner k rperlichen Gegebenheit zu denken, l uft die aristotelische ουσία Gefahr (zumal insofern sie sich antiplatonisch gibt), von dem diskursiven Denken selbst mit der K rperlichkeit des Seienden geglichen zu werden, dessen ουσία sie ist, so da die Formen des λόγος nicht mehr als f r das Sein dieses Seienden konstitutiv gelten k nnen, sondern als blo nachtr glich herangetragen angesehen werden m ssen. Diese in der Auffassung der aristotelischen ουσία als Gefahr angelegte Konsequenz ziehen die Stoiker bewu t in ihrer eigenen Kategorienlehre: Sie identifizieren die ουσία eines Seienden ausdr cklich mit seiner K rperlichkeit und verstehen ihre Kategorien als Anschauungsweisen des K rperlichen. Die Aristoteliker (zu zeigen an Alexander von Aphrodisias) nehmen de facto zwar ebenfalls den K rper als ουσία, nur unterscheiden sie weiterhin formal zwischen dem K rper als der k rperlichen und der Form als der unk rperlichen ουσία und erm glichen so ein problemloses Nebeneinander von ουσία

Einleitung und Übersicht

3

als körperlichem Seienden und als Gegenstand des definierenden Denkens, dergestalt daß die aristotelischen Kategorien losgelöst von ihrer ontologischen Bedeutsamkeit verwendet und erklärt werden. Gerade dieser formale Gebrauch der aristotelischen Kategorien ermöglicht aber ihre widerspruchsfreie Verwendung im Rahmen der dem stoischen „Materialismus" entgegengesetzten Transzendenz-Philosophie: Wie die Stoiker und Aristoteliker durch den Körper, so sehen die Mittel- und Neuplatoniker das einzelne Seiende durch seine transzendente Form begründet und brauchen deshalb der immanenten Form, insofern diese definiert wird und die Akzidentien von ihr ausgesagt werden, nicht die Begründung der Sinnenwelt abzuverlangen; sie können umgekehrt im Zusammenhang der Kategorienlehre darauf verzichten, die Art der Beziehung von immanenter und transzendenter Form zu bedenken, und sind deshalb in den Stand gesetzt, die aristotelische Kategorienlehre als Einteilung der Sinnenwelt zu übernehmen. (3) Plotin unterscheidet sich von den proaristotelischen Platonikern wesentlich dadurch, daß er die auf die Sinnenwelt beschränkte Geltung der aristotelischen Kategorien, von der auch er ausgeht, als Vorwurf formuliert: Als „Genera des Seienden" erheben die aristotelischen Kategorien den Anspruch, das Sein als das, was es ist, zu erfassen. Da sich jedoch nach der Ansicht Plotins die wahre Form des Seins einem Denken, das nacheinander alle Positionen durchgeht, entzieht, hält er die Art und Weise, in der die aristotelischen Kategorien das Sein zur Sprache bringen, für unangemessen. Wenn Plotin dennoch die aristotelische Kategorienlehre für die Sinnenwelt zunächst zu übernehmen sucht, dann aber die hier auftretende als „Konglomerat aus Qualitäten und Materie" entlarvt, so drückt er damit die Spannung zwischen der Notwendigkeit und der Unzureichendheit des diskursiven Denkens aus: Um die Unbegrenztheit des Sinnlich-Wahrnehmbaren überhaupt zu bewältigen, ist gliederndes Reden über es notwendig; nur dürfen die solchermaßen erstellten Ordnungsschemata nicht absolut gesetzt, sondern müssen auf die Bedingungen ihrer Möglichkeit hin befragt werden. Vom Standpunkt der geistigen Form, die dabei als Grund jeglicher Bestimmtheit in den Blick kommt, erweist sich für Plotin das diskursive Denken als ein bloßes Nach-Denken der Wirkkraft, mittels der sich die transzendente Form als Qualität in der Sinnenwelt manifestiert. Mit dieser Verabsolutierung des Noetischen und der mehr oder weniger vitalistischen Vorstellung von seiner Wirkung unterscheidet sich Plotin dann aber nicht nur als Platoniker von Aristoteles, der in den Formen des

4

Einleitung und bersicht

diskursiven Denkens selbst das Sein ausgedr ckt findet, sondern auch von Platon, in dessen Philosophie die noetische Gewi heit und deren diskursive Entfaltung im λόγος dialektisch einander bedingen. (4) Diese erste bersicht ber die Probleme, die zur Behandlung anstehen, legt es nahe, den Terminus „οίισία" gew hnlich un bersetzt zu lassen: In dem Begriff der ουσία sind der Gedanke an die anschauliche Gegebenheit des Seienden (seine „Existenz"), der an seine Eigentlichkeit (sein „Wesen") und der an seine Selbst ndigkeit (seine „Substanz") unl sbar miteinander verbunden; dies aber so, da das Verh ltnis der anschaulichen Gegebenheit eines Seienden zu seiner Eigentlichkeit und Selbst ndigkeit von den einzelnen hier zu behandelnden Philosophen in unterschiedlicher Weise gedacht wird. Diesem Tatbestand sucht die Formulierung des Themas „Substanz und Qualit t" gerecht zu werden. Der Terminus „Substanz" erscheint trotz des Vorbehaltes gegen seine Verwendung als alleinige bersetzung von ουσία deshalb im Titel, weil er unter den m glichen Aspekten der ουσία denjenigen wiedergibt, der wichtig ist zum Verst ndnis der Intention und der Problematik der aristotelischen Kategorienlehre, um deren Interpretation durch Plotin es hier schlie lich geht.

Erster Teil Substanz und Qualität bei Platon und Aristoteles

Kapitel I Der kategoriale Gegensatz von Sein und Erscheinung und die Form seiner Vermittlung bei Platon r. Eidetische Bestimmtheit und sinnliche Wakrnehmbarkeit ah Gegensatz von ουσία und ποιόν a) Die Sicherung des ατομον είδος in der Dihairesis (i) Die platonisdie Wissensdiaft vom Sein, die Dialektik, hat - anscheinend unabh ngig von sinnlicher Wahrnehmung - das, was ein jedes ist, zu ihren Gegenstand und gelangt durch solche Kenntnis des einzelnen Seienden schlie lich zu den Prinzipien alles Seienden und aller Erkenntnis: . . . όταν τις τω διαλέγεσθαι έπιχειρη άνευ πασών των αίσθήσεων δια του λόγου έπ" αυτό δ εστίν εκαστον όρμαν, και μη άποστη πριν αν αυτό δ εστίν αγαθόν αχ'τη νοήσει λαβή, επ' αύτω γίγνεται τω του νοητού τέλει . .. (Resp. 7, 532 a 5 ~ b 2Υ· Sie bedient sich in den sp ten Dialogen der Dihairesis als ihrer vorz glichen Methode2; die Dihairesis ist die Form, in der sich das Sein bis hin zu den άτομα είδη dichotomisch entfaltet und in der es durch die Definition der άτομα είδη bestimmbar wird 3 . Dem Ziel der Dihairesis, 1

Vgl. wenig sp ter 53307/8: ή διαλεκτική μέθοδος, μόνη ταύτη πορεύεται, τάς υποθέσεις αναιρούσα, έπ' αυτήν την αρχήν ... Zur Wertsch tzung der Dialektik vgl. Phaedr. 266 b 3 - c i; Phileb. 58 b 9 - c 4; e 1-3; Sophist. 253 b 8 - e i. 2 Zur διαίρεσις (und - aufsteigend - zur συναγωγή) als Methode der Dialektik vgl. die Beschreibung der dialektischen Wissenschaft als Wissen um Verbindung und Trennung Sophist. 253b8-2j4b i, darin besonders 25302/3, d i und ei/a; Phaedr. 26508-26609, darin besonders 266b3-5: τούτων δη 2γωγε αυτός τβ εραστής, ώ Φαιδρέ, των διαιρέσεων και συναγωγών, ίνα οίος τε ώ λέγειν τε καΐ φρονεΐν ...; Politic. 286 d 8/9: Nicht auf die dort vorgenommene Untersuchung kommt es in erster Linie an, (sondern) πολύ δε μάλιστα και πρώτον την μέθοδοι αυτήν τιμδν του κατ' είδη δυνατόν είναι διαιρεΐν. 3 Das ατομον είδος ist in den Dialogen genannt Phaedr. 277 b 5-8: Man ist nicht eher ein guter Redner, πριν v τις το τε αληθές εκάστων είδη περί ων λέγει ή γράφει, κατ* αυτό τε παν όρίζεσθαι δυνατός γένηται, δρισάμενός τε πάλιν κατ* είδη

8

Platon: Der Gegensatz von Sein und Erscheinung

dem ατομον είδος, kommt eine besondere Bedeutung zu, da es in seiner Bestimmtheit und Einheit die differenzierenden Schritte aus den vorgeordneten Genera voraussetzt und sie so gleichsam in sich zusammenbindet4. Aristoteles zweifelt die Beweiskraft der Dihairesis an und lehnt sie als Methode der Seinserkenntnis ab, weil in der Entscheidung f r eine der beiden Untergliederungen des Genus eine Petitio principii liege (An. prior. I 31, 46 a 320. und An. post. II 5, 91 b 12 ff.) 5 . Ferner gei elt Aristoteles das bei der Dihairesis angewandte dichotomische Verfahren, das aus jedem Genus zwei und nur zwei Species hervortreten l t, obwohl die Erfahrung im Tierreich bisweilen nur eine, bisweilen mehr als zwei Species ausweist (Part. anim. 13, 642 b 5-20). Und in der Tat stellt sich die Frage, welches das Kriterium f r das richtige Trennen und Verbinden von είδη ist und wodurch ein είδος als nicht weiter teilbar, als ατομον, erwiesen wird. Platon selbst bezeichnet zwar Sophist. 253 e 1/2 das Wissen, inwiefern jedes mit jedem anderen in Gemeinschaft treten kann, inwiefern hinwiederum nicht, als das entscheidende Wissen des Dialektikers, scheint aber nicht mitzuteilen, wie man richtig verbindet und wie man Sicherheit dar ber erlangt, ob man bei der Teilung tats chlich beim ατομον angelangt ist. (2) Die Frage, wodurch denn nach Platons berzeugung das ατομον als ein solches bestimmt und so seine Definierbarkeit im λόγος unabh ngig von der Erfahrung gesichert sei, ist von H. Koller dahingehend beantwortet worden, da die dihairetische Entfaltung des Seins in Analogie zu den Einteilungsverfahren der pythagoreischen Musiktheorie gedacht worden sei und aus dieser Analogie ihre Sicherheit gewonnen habe6: μέχρι του ατμήτου τέμνειν έπιστηθη, . .. Sophist. 229 d 5/6: αλλά γαρ ήμΐν 8τν και τοΰτο σκεπτέον, αρ' ατομον ήδη εστί παν ή τίνα Εχον διαίρεσιν άξίαν επωνυμίας. Vgl. des Places, Lexique de Platon, s. v. τέμνειν. 4 Vgl. Stenzel, Studien, 54-62; ders., Zahl und Gestalt, 12 und 114ff. 5 An. prior. I 31,46 a 33 nennt Aristoteles die Dihairesis einen «schwachen Syllogismus»: Wenn alle Lebewesen entweder sterblich oder unsterblich sind, der Mensch aber ein Lebewesen ist, so folgt daraus (da der Mittelbegriff f lschlicherweise umfassender als der Oberbegriff ist) nicht, da der Mensch sterblich ist, sondern es bedarf zur Auswahl der richtigen der beiden Species von „Lebewesen", also des „sterblich", einer Petitio principii (vgl. 46 a39 -b 12). Entschiedener hei t es dann An. post. II 5, 91 b 35/36: συλλογισμόν δ' ου λέγει ό εκ της διαιρέσεως λέγων τον όρισμόν. 6 Η. Koller, Glotta 34>Ι955> J6i-i74; Glotta 39» 1961, 6-24; vgl. dazu P. Kucharski, La musique et la conception du reel dans le Philebe, RPhilos 141, 1951, 39—59; L. Richter, Zur Wissenschaftslehre von der Musik bei Platon und Aristoteles, Berlin 1961, 76 ff.

Der Gegensatz von ουσία und ποιόν

9

Nach pythagoreischer Meinung, die Ptolemaios Harm. I 5; n, 8 ff. During referiert, lassen sich symphone Intervalle (also z.B. Oktave, Quinte, Quarte) als Verh ltnis zweier ganzer Zahlen darstellen, so da die eine entweder ein Vielfaches der anderen (πολλαπλάσιος) ist oder die eine die andere um eine Einheit bertrifft (έπιμόριος) 7 ; Archytas ist nach Ptolem. Harm. I 13; 30, 9 ff. D. dar ber hinaus von der - freilich von ihm selbst nicht eingehaltenen - Voraussetzung ausgegangen, auch alle anderen Intervalle lie en sich durch epimore Zahlenverh ltnisse wiedergeben. - Koller vermutet nun, Archytas habe das im Verh ltnis der Oktave ( 2 : 1 ) zur Quinte ( 3 : 2 ) und Quarte ( 4 : 3 ) sichtbare Teilungsgesetz fortlaufend angewandt und sei so zu einer dem Grenzwert i sich n hernden Reihe epimorer Zahlenverh ltnisse gelangt, derer er sich zur Kennzeichnung der Intervalle innerhalb der von ihm unterschiedenen drei Tongeschlechter (γένη), n mlich des enharmonischen, des chromatischen und des diatonischen, bedienen konnte8. Aus der unendlichen Zahl m glicher epimorer Zahlenverh ltnisse konnten so nat rlich nur ganz bestimmte innerhalb der verschiedenen Tongeschlechter als harmonisch (εμμελής) gelten; es m sse also von Standpunkt der Harmonie, die innerhalb eines Tongeschlechtes herrscht und dieses als ein solches allererst konstituiert, ein nicht weiter differenzierbares Intervall, also ein άτομο v, ατμητον oder άδιαίρετον διάστημα bestanden haben; die zum ατομον f hrende Reihe differenzierender Schritte innerhalb des Genus habe wahrscheinlich στοίχος9, die Glieder dieser Reihe h tten στοιχεία gehei en 10. Das Referat des Eratosthenes bei Theon Smyrn. 82, 22 ff. H., in dem als Prinzip jeder Proportion das Gleichsein (το ίσον 83, y, ή Ισότης 83, 13) der 7 Generell werden in der Antike die Oktave (die mitsamt der aus ihr zusammengesetzten Intervalle eigentlich sogar «homophon" ist), die Quinte und die Quarte als symphone Intervalle anerkannt; als nicht symphon sehen die Pythagoreer z.T. entgegen dem akustischen Eindruck aus den genannten theoretischen Erw gungen die Zusammensetzung der Oktave mit Quinte oder Quarte an (Vgl. Ptolem. Harm. 15-7; 11,1-16,31 D.; B. L. van der Waerden, Die Harmonielehre der Pythagoreer, Hermes 78, 1943, 163-199, dort 166-170). » Das Gesetz lautet: (n + i) : n = [(2 n + i) : 2 n] X [(2 n + 2) : (2 n + i)]. 9 Zu diesem Gebrauch von στοίχος zitiert Koller Arist. Metaph. N 6, 1092 b 30-35; dort hei t es b 32-35: το γαρ αυτό δει γένος είναι εν ταΐς πολλαπλασιώσεσιν, ώστε δει μετρεΐσθαι τω τε Α τον στοΐχον εφ' οδ ΑΒΓ και τφ Δ τον ΔΕΖ· ώστε τφ αύτφ πάντα. Sinn: Beim Beschreiben der Zusammensetzung von K rpern durch Zahlen bezeichnet das Produkt (z. B.) 1 X 2 X 3 die sechsfache Menge einundderselben Grundsubstanz (und nicht die Mischung verschiedener Substanzen, die als Summe von Zahlen auszudr cken w re); deshalb geh rt die Reihe (στοίχος) der Faktoren des Produktes als Ausdruck des Vielfachen eines Grundbestandteiles demselben Genus zu (Vgl. Ross, Comm. in. Arist. Metaph., vol. II 496). 10 Koller, Glotta 39,1961, 9-16.

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Platon: Der Gegensatz von Sein und Erscheinung

in ihr zusammengeschlossenen Verh ltnisse bezeichnet und dieses Gleichsein mit dem nicht weiter diiferenzierbaren Bestandteil eines Genus als dessen στοιχεϊον geglichen wird11, die dihairetische Bestimmung der Eigenschaften von Buchstaben und Silben, von Takten und Tonfolgen, die Platon Hipp. mai. 285 c 7 - d 3 dem Hippias zuschreibt12, die von Platon Euthyd. 277 e 4 und Cratyl. 384 b 6 zitierte Abhandlung des Prodikos Περί ονομάτων ορθότητας, die sich nach Protag. 340 a 7 - b 2 als nach dem Vorbild der Musiktheorie verfahrende διαίρεσις ονομάτων verstehen l t13, und die Einteilung der φωνή, anhand derer Platon Phileb. I 7 b 3 ~ i 8 d 2 das richtige Verkn pfen von Einheit und Vielheit bei Aussagen ber Seiendes erl utert, lassen in ihrem Nebeneinander Koller f r die Harmoniker und Hippias mit einer Analogie der Reihen „musikalischer Laut, Ton - συστήματα als Tongeschlechter - διαστήματα — φθόγγοι (= στοιχεία)" und „artikulierter Sprachlaut - ονόματα/ρήματα - συλλαβαί - γράμματα (= στοιχεία), f r Prodikos dagegen (unter Voraussetzung einer strengen Wechselbeziehung von όνομα und Bedeutung) mit einer bei den ονόματα als άτομα endenden Dihairesis im Bereich der Bedeutungen rechnen, an die dann die platonische Ideen-Dihairesis unmittelbar ankn pfen konnte14. Abweichend von Koller glaubt W. Burkert, der Terminus στοιχεϊον sei aus der Mathematik sowohl auf die Grundbestandteile der Sprache als auch auf die nicht weiter teilbaren Grundformen des Seienden bertragen worden15. Er leitet στοιχεϊον ab von στοίχος (nach στε'ιχω), welches „das geordnete Schreiten einer Menschengruppe", dann „Reihe" bedeute; davon komme στοιχείο „in Reih und Glied stehen". Στοιχεΐον sei nicht einfach 11 Theon Smyrn. 82, 22-83,7 Hiller: ό δε Ερατοσθένης φησίν, 8τι της αναλογίας [φύσις] αρχή λόγος εστί και πρώτη και της γενέσεως αιτία πασι τοις μη ατάκτως γινόμενοι;, αναλογία μεν γαρ πάσα εκ λόγων, λόγου δε αρχή το ίσον. δήλον δε ούτως, εν έκάστω των γενών ίδιον εστί τι στοιχεϊον [και αρχή]', είς 8 τα δλλα αναλύεται, αυτό δε είς μηδέν εκείνων, ανάγκη δη τοΰτο άδιαίρετον είναι καΐ δτομον το γαρ δια'ιρεσιν καΐ τομήν έπιδεχόμενον συλλαβή λέγεται χαΐ ου στοιχεϊον. Unter γένη k nnen hier, wie die folgende Erl uterung des Gesagten zun chst anhand der aristotelischen Kategorien, dann anhand der auf die platonische Dimensionenfolge verweisenden Verh ltnisse αριθμός - μονάς, γραμμή - στιγμή zeigt, ganz allgemein „Seinsbereiche" verstanden werden. 12 (Sokrates zu Hippias:) άλλα δήτα εκείνα δ συ ακριβέστατα έπίστασαι ανθρώπων διαιρεΐν, περί τε γραμμάτων δυνάμεως και συλλαβών καΐ φυθμών καΐ αρμονιών... (Plat. Hipp. mai. 285 c 7 - d 2). της ση; μουσικής, \) το τε βούλεσθαι και έπιθυμεΐν διαιρείς ως ου ταύτόν δν, καί α νυνδή είπες πολλά τε καί καλά (Plat. Protag. 34° a 7-t» 2). 13 (Sokrates zu Protagoras:) καί γαρ ουν καί δεΐται το υπέρ Σιμωνίδου έπανόρθωμα ι* Koller, Glotta 39. 1961, 16-24. is Burkert, Philologus 103, 1959, 167-197; sich beziehend auf Koller, Glotta 34, 161-174.

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„Glied der Reihe", sondern „Mittel, eine Reihe hervorzubringen", „Erg n2ungslied in einer Reihe." Von daher komme es zu der Bedeutung „Voraussetzung" (zun chst als blo e Rektion des Zusammenstimmens des einen mit dem anderen); στοιχεία seien infolgedessen „mathematische S tze, die sich gegenseitig zum System erg nzen und dessen Grundlage bilden" 16. Ungeachtet dieses Unterschiedes in der Erkl rung nehmen aber beide (gegen H. Diels, der seinerzeit von der Bedeutung „Buchstabe als Reihenglied" ausgegangen war17) eine urspr ngliche Bedeutung von στοιχεϊον an, von der sowohl die grammatische Verwendung als „Buchstabe" wie auch die kosmologische Verwendung als „Element" sich herleiten konnte 18; sie verstehen beide - sei es von der Mathematik, sei es von der mathematischen Musiktheorie her - unter στοιχεϊον die bestimmende Grundform eines systematisch gegliederten Ganzen. Auf diese Weise aber wird - und das ist der f r die Platon-Interpretation entscheidende Gesichtspunkt - die Rolle des Mathematischen als eines f r die Seinserkl rung exemplarischen Seinsbereiches deutlich. (3) Platon geht bei der Einteilung der φωνή, die er Phileb. 17 b 3 if. beschreibt, von folgender berlegung aus: Weder das einfache Erfassen des Ph nomens „φωνή" als Sprachlaut noch die Wahrnehmung der unendlichen F lle m glicher φωναί kann das f r den Grammatiker erforderliche Wissen vermitteln; f r ihn kommt es vielmehr darauf an, die Laute nach Art und Zahl (πόσα τ5 εστί και όποια, b 7/8') zu bestimmen und zu erkl ren. Pr ziser l t sich die zu erf llende Aufgabe im Bereich der Musiklaute, der T ne, fassen (buff.): Auch hier stehen sich der Ton schlechthin (c 1/2) und die unendliche Vielzahl der T ne gegen ber, freilich so, da immer schon mit dem Geh r hohe, tiefe und dazwischenliegende 19 T ne unterschieden werden, sich also die unendliche Vielzahl von vornherein in 16

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Das Satz-Zitat a.a.O. 192. Wichtige Belege f r diese Verwendung des Terminus στοιχεϊον in der Mathematik sind Mcnaichmos (4. Jhd. v. Chr.) bei Proklos In Eucl. elem. 72, 23 ff. Friedl. und Arist. Cat. 12, 14337-03. H. Diels, Elementum, Leipzig 1899. Argument Burkerts (a.a.O. 175): Die in Betracht kommenden Platon-Stellen (Cratyl. 422 a 2 ff.; Theaet. 201 e i ff.; Sophist. 252 b 3; Politic. 277 e 6; Tim. 48 b 8) stellen zun chst in der Bedeutung „Element" vor und erl utern erst anschlie end den Sachverhalt am Modell der Sprachanalyse. Das hier griechisch stehende όμότονον bedeutet nat rlich an sich nicht «dazwischenliegender Ton"; wie sich aber dieses Verst ndnis des Wortes rechtfertigen l t, zeigt Stephanus, Thes. L. Graec., s. v. όμότονος, zu unserer Stelle: „Et vox δμότονος dicitur quae tenore sui semper simili sonatur, nee in gravem sonum declinans, nee sc in acutum tollens." Entsprechend bersetzt Dies (Platon, Oeuvres completes, Coll. Bude", Bd. IX 2) „le ton intermediate".

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Tongestalten gliedert (c 4/5). Solches sinnliche Unterscheiden ist jedoch kein Wissen (.. . ουπω σοφής αν ρ,ϊης την μουσικήν είδώς ταΰτα μόνα, c 7/8), sondern dazu bedarf es der F higkeit, die erklingenden Intervalle ihrer Zahl und Beschaffenheit nach zu bestimmen und ihren Platz im Tongef ge zu erkennen (.. . έπειδάν λαβής τα διαστήματα όπόσα εστί τον αριθμόν της φωνής όξΰτητός τε περί και βαρύτητας, και όποια, και τους ορούς των διαστημάτων, και τα εκ τούτων όσα συστήματα γέγονεν ..., . . . τότε έγένου σοφός, c ιι — Δ.2. und e i). Im Falle des Sprachlautes, zu dessen Behandlung Platon i 8 b 3 f L zu r ckkehrt, f hrt seine Einteilung in Vokale, t nende Konsonanten (Liquidae, Nasales, Spirantes) und stumme Konsonanten (Mutae) und die weitere Untergliederung dieser Gruppen in die Einzellaute zu der geforderten Bestimmtheit. Bezeichnend ist dabei nicht nur, da die gewonnenen Grundformen den Namen στοιχεϊον in einem Akte der Benennung zugesprochen erhalten20, sondern auch, da es hei t, jeder Buchstabe lasse sich nur im Zusammenhang mit allen anderen erlernen (ουδείς ημών οΰδ° αν εν αυτό καθ' αυτό άνευ πάντων αυτών μαθοί, c 7/8); auf diese Weise wird n mlich die nach Buchstaben gegliederte φωνή als ein more geometrico verfa tes Ordnungsgef ge gekennzeichnet. (4) Die ordnende Einteilung des Lautes und die dadurch in diesem Bereich sich vollziehende Vermittlung zwischen Einheit und Vielheit dienen Platon als „Beispiel"21 f r die Art und Weise der Vermittlung, die zwischen Einheit und Vielheit bei Aussagen ber Seiendes statthat, und stellen damit die Struktur des Geistes bzw. der „Ideenwelt" vor Augen22. 20 Nat rlich ist das στοιχεϊον επονόμασε, Phileb. 18 c 6, im Zusammenhang der mythischen Darstellung, die den gyptischen Gott Theut die Einteilung der Laute finden l t, zu verstehen; doch lie e sich in dieser Formulierung dar ber hinaus auch ein Hinweis darauf sehen, da στοιχεϊον aus einem anderen Zusammenhang auf die kleinsten bestimmbaren Einheiten des Sprachlautes bertragen worden ist. 21 Die bertragbarkeit aus dem Bereich des Lautes auf alle anderen Bereiche, in denen sich Einheit und Vielheit gegen berstehen und vermittelt werden, wird ausdr cklich betont: και άμα έννοεΐν ως ούτω δει περί παντός ενός και πολλών σκοπεΐν (Phileb. 17 d 6/7). - Vorgreifend sei darauf hingewiesen, da alle Feststellungen, eines werde durch das andere „erl utert", „exemplifiziert" usw., im platonischen Verstande bedeuten, da alle Formen der Vermittlung von Einheit und Vielheit analog und dadurch eins sind. 22 Die in der Sinnenwelt sich findende Interdependenz von Einheit und Vielheit wird anscheinend von vornherein als undurchschaubar ausgeschlossen: (Die noch zu formulierende Lehre von dem Verh ltnis des Einen und Vielen gilt f r den Fall) οπόταν, ώ παΐ, το εν μη των γιγνομένων τε και άπολλυμένων τις τιθηται ... (15 a 1/2), . . . (sondern) όταν δε τις ένα ανθρωπον έπιχειρη τιθέσθαι και βοϋν £να και το καλόν Ιν και το αγαθόν 'εν, περί τούτων των ένάδων καΐ των τοιούτων ή πολλή σπουδή μετά διαιρέσεως άμφισβήτησις γίγνεται (1534-7)·

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Jedes Seiende zeigt sich im Reden — insofern es sich n mlich als ein mit sich selbst Identisches ansprechen l t und doch viele verschiedene Aussagen von ihm gemacht werden k nnen - sowohl als Eines als auch als Vieles (Phileb. 15 d 4/5). Der Gefahr der v lligen Verwirrung, die durch solche Interdependenz von Einheit und Vielheit heraufbeschworen wird (16 a 7 b 8), entrinnt man, indem man die Vielzahl der Aussagen ber ein Seiendes am Ma stab seiner eidetischen Einheit (μίαν ίδέαν . .. ένοϋσαν, i6d 1/2) mi t und so ihre m gliche Zahl (όπόσα, d 7) bestimmt (insgesamt 16 c 10 d j ) . Durch solche Bestimmung wird die Vielheit zur Einheit zusammengefa t oder (was dasselbe ist) die Einheit in der Vielheit ihrer Beziehungen begriffen und so zwischen Einheit und Vielheit vermittelt: Die zutreffende Zahl der Mittelglieder (τα μέσα, 1733), das hei t: die richtige Vermittlung zwischen den Extremen zu finden bedeutet, dialektisch (διαλεκτιχώς, iy a 4) zu verfahren (16 e 4 -17 a _j). Auf diese richtige Vermittlung zwischen Einheit und Vielheit durch die Kenntnis der Verbindungsm glichkeiten kommt es - wie noch im einzelnen zu zeigen sein wird - auch im „Sophistes" an, wo in den f nf Genera die Struktur des wahren Seins begriffen wird. Auf diesen Dialog sei hier nur insoweit hingewiesen, als dort die Feststellung, nicht alle Genera k nnten miteinander in Verbindung treten, es d rfe aber auch nicht jedes unvermittelt stehenbleiben (252 e 1-8), gleichfalls durch den Hinweis auf die Buchstaben- und Tonordnung erl utert wird (25269-253b4): Es kann nicht jeder Ton mit jedem, nicht jeder Buchstabe mit jedem zusammengef gt werden; Grammatik und Musik kommen als τέχναι erst zustande, wenn man die betreffenden richtigen Verbindungen kennt. — Zwar ist im „Sophistes" nicht deutlich von zahlenhafter Bestimmtheit die Rede, durch den Hinweis auf die Beschr nkung der Verbindungsm glichkeiten ist jedoch auch hier der Regressus ad infinirum abgewehrt. Auch da noch, wo die Errterung (wiederum nicht, ohne - entsprechend Phileb. 17 d 6/7 - auf die Geltung des gefundenen Gesetzes f r alle τέχναι hingewiesen zu haben) von der Grammatik und Musik zur Dialektik zur ckkehrt (Sophist. 253 b 8 ff.), klingt in ποία ποίοις συμφωνεί των γενών (b 11) die Beziehung zur Musik an. (5) Die Erl uterung der Struktur des wahren Seins anhand der Buchstaben- und Tonordnung bewahrt vor dem Mi verst ndnis, es sei von der „Ideenwelt" unabh ngig von ihrem Bezug zur „Sinnenwelt" die Rede. Phileb. 17 b n ff. lehrt zwar, da nur die Kenntnis des Zahlenma es der Vermittlung von Einheit und Vielheit als Wissen gelten kann, zeigt aber auch, da sich die Vielheit niemals als das άπειρον schlechthin, sondern

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immer schon in sinnlich erfa baren Gestalten darbietet, und stellt dementsprechend die M glichkeit, da jemand T ne nicht einmal akustisch unterscheiden kann, als einen Grenzfall hin (... ως γ"επος είπεΐν εις ταΰτα ούδενός άξιος εση, 1708/9). Sinnliches und geistiges Erfassen des Seienden vollziehen sich also beide als Vermittlung zwischen εν und άπειρον (als den Prinzipien des Seins); der Unterschied zwischen beiden Formen der Erkenntnis resultiert aber daraus, da erst im exakten Wissen der Ordnung des Seins von Seiten der Erkenntnis voll entsprochen wird. Grunds tzlich ist also f r Platon mit der Einsicht in die Form des Geistigen als genau bestimmbarer Vermittlung zwischen Einheit und Vielheit auch die Form des Verh ltnisses des Geistigen zum sinnlich Wahrnehmbaren aufgewiesen und damit eine Antwort auf die Frage nach der „Teilhabe" des einen am anderen gegeben. Es ist ja bei der Unterscheidung von Geistes- und Sinnenwelt nicht von zwei gleichsam topographisch geschiedenen Schichten auszugehen, sondern es begegnen einfachhin τα οντά, nach deren Prinzipien der Philosoph fragt. Erst die Akzentuierung dessen, was als Grund und bleibender Sinn des Seienden erkannt wird, f hrt dann zu Formulierungen, die anschaulich von der Trennung zweier Welten sprechen *. b) Die Elemente als sichtbare K rper und als wi bare Formen (i) Platon betont Tim. 48 b 3 ff., da die Erkl rung, die Welt (48 b 3: ουρανός als die sichtbare Welt; b8: το παν; vorher 35: τόδε το πάν) sei 23 Mit Recht wendet sich Kremer, Metaphysikbegriff, 1140. und 1380., dagegen, die Transzendenz der platonischen Ideen als r umliche Trennung von der Sinnenwelt aufzufassen, wie es die Platon-Kritik des Aristoteles nahezulegen scheint. Vielmehr sei die immaterielle Welt als „die Struktur und das Wesen der materiellen" zu verstehen (a.a.O. 117). Er rechtfertigt diese Deutung der Ideen (und damit seine Einw nde gegen die Art und Weise ihrer Darstellung durch Aristoteles) jedoch nicht dadurch, da er die Lehre von den Ideen als Ausruck einer Seinskonzeption versteht, die sich an der Mathematik orientiert und von daher ihre Sicherheit nimmt, sondern er findet, allein schon die Beschreibung des Verh ltnisses der Idee zu den Sinnendingen als παρουσία der Idee in ihnen mache jede „r umliche" Deutung unm glich. Da sich zur Bezeichnung der „Teilhabe" auch bei Plotin dieser und andere Ausdr cke der platonischen Dialoge w rtlich oder sinngem finden (μετάληψις, μίμησις. μέθεξις ist selten, weil wahrscheinlich durch die aristotelische Kritik verleidet), lehnt Kremer auch f r Plotin einen χωρισμός zwischen Ideenwelt und Sinnenwelt ab. Das entspricht zweifellos dem Sinn der potinischen Lehre; es mu jedoch beachtet werden, da Plotin die Beziehung von geistigem und sinnlich wahrnehmbaren Sein mit seiner Lehre vom Logos als wirkender Kraft in einer von der Platons unterschiedenen Weise bestimmt und wir deshalb gehalten sind, nach dem Unterschied beider Konzeptionen zu fragen.

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aus Feuer, Luft, Wasser und Erde als ihren Prinzipien zusammengesetzt, nicht gen ge, da es vielmehr darauf ankomme, die Natur (την φύσιν αυτήν, b 4) dieser Stoffe zu untersuchen. „Denn bis jetzt hat noch keiner ihr Entstehen auf gewiesen, sondern als ob wir w ten, was Feuer und jedes von ihnen eigentlich ist, bezeichnen wir sie als Prinzipien (άρχαί), wobei wir sie als Elemente des Alls (στοιχεία του παντός) ansetzen. Dabei geht es, wenn man auch nur ein wenig Vernunft hat, nicht einmal an, ihnen vergleichsweise mit einiger Aussicht auf Wahrscheinlichkeit auch nur den Rang von Silben (ως εν συλλαβής εΐδεσιν) zuzuerkennen" (48 b 5-C2). Der Wortlaut zeigt, da Platon den Terminus στοιχεΐον zur Bezeichnung der Prinzipien gebraucht, aus denen sich die Welt ableiten und erkl ren l t. Damit, da er diese Prinzipien als στοιχεία erfragt, legt er sich aber in seiner Antwort keineswegs schon auf die vier Elemente Feuer, Luft, Wasser und Erde fest; vielmehr sind f r Platon die ersten Prinzipien, zu denen es zu gelangen gilt, notwendig verschieden von der sinnlich wahrnehmbaren Gestalt der Elemente, ja diese Stoffe sind noch nicht einmal das N chsteinfache vor den Prinzipien, auf die sie sich zur ckf hren lassen24. Der bergang von der sinnlich wahrnehmbaren Gestalt der Elemente zu ihren nicht mehr mit der sinnlichen Wahrnehmung fa baren Strukturen und deren Prinzipien wird dann Tim. 53 c 4 ff. eingeleitet, wo Platon ber die Auffassung der Elemente als K rper (πρώτον μεν δη πυρ και γη και ύδωρ και «ήρ ότι σώματα εστί, δήλόν που και παντί, C4/5) hinausgeht zur Analyse ihrer Dimensionalit t (το δε του σώματος είδος παν και βάθος έχει. το δε βάθος αύ πασά ανάγκη την έπίπεδον περιειληφέναι φύσιν, c 5~7) und damit zur R ckf hrung auf die Elementardreiecke (c8-d4), deren letzte Urspr nge in diesem είκώς λόγος nicht genannt sind, sondern auf die mit dem Satz τάς δ' έτι τούτων αρχάς άνωθεν θεός οίδεν και ανδρών δς αν έκε'ινφ φίλος η (d /j) nur verwiesen wird25. (2) F r die Elemente ist, insofern sie als wahrnehmbare K rper in den Blick genommen werden, ihre Qualifiziertheit typisch: Als Platon Phaed. 85 e 3 ff. erw gt, ob die Seele eine Harmonie des K rpers sei, stellt er sie als Mischung von „Warmem, Kaltem, Trockenem und dergleichen" vor (86 b 8/9), verbindet also mit der K rperlichkeit wesentlich die Vorstellung des Qualifiziertseins. 24

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Vgl. Leg. io, 892 c 2-5. Vgl. besonders auch Tim.4802-di. - ber den „Timaios" als είκώς λόγος handelt B. Witte, ΕΙκώς λόγος, AGPh 46,1964,1-16.

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Tim. 48 e 2 ff. f hrt Platon neben Ideenwelt und Sinnenwelt, die sich wie Vorbild und Abbild zueinander verhalten, als „drittes Genus" dasjenige ein, das gleichsam wie eine Amme das Werden aufnimmt (... πάσης είναι γενέσεως ύποδοχήν αυτήν οίον τιθήνην, 49 a 5/6) und ihm Raum gibt (τρίτον δε αύ γένος δν το της χώρας αεί, φθοράν ου προσδεχόμενον, εδραν δε παρέχον δσα έχει γένεσιν πασιν, 52 a 8/b i). Er begr ndet die Notwendigkeit solches Aufnehmenden 49 a 6 ff. damit, da die Elemente als sich st ndig ineinander wandelnde nicht als ein „Dieses" (τοΰτο, d 6 u. .), sondern als ein „Sobeschaffenes" (τοιούτον, d 6 u. .) anzusprechen seien, es also ein Bleibendes in diesem Wandel geben m sse. Dabei steht das τούτο f r die τιθήνη lediglich als Kontrast zu dem auf die Sinnenwelt zutreffenden τοιούτον. Der anschlie ende Vergleich des Aufnehmenden mit dem Golde (50 a 5 -b 5) und die Betonung seiner v lligen Gestaltlosigkeit (50 b 8 — c 6) lassen erkennen, da Platon in seiner „Materie" die Bedingung der M glichkeit des Erscheinens der Ideen als Sinnenwelt denkt, also jede Vorstellung von ihr als einem „Etwas" abzuwehren ist26. Wesentlich in unserem Zusammenhang ist, da die Idee stets als qualifizierter K rper erscheint. Die Tim. 51 b 6 ff. vorgetragenen berlegungen zur Erkenntnisart der Elemente zeigen, da sie als qualifizierte und sich wandelnde der sinnlichen Wahrnehmung begegnen: Es werden νους (^i d 6; νόησις, 52 a 4) und δόξα αληθής (5id6; δόξα μετ' αίσθήσεως, 5 2 a ?) unterschieden27 und ersterem die Erkenntnis der bleibenden Form der Elemente (... είναι καθ' αυτά ταΰτα, αναίσθητα ύφ' ημών είδη, νοούμενα μόνον, ^ ι d 4/55 το κατά ταύτα είδος ε*χον, άγέννητον και άνώλεθρον, ούτε εις εαυτό είσδεχόμενον άλλο αλλοθεν ούτε αυτό εις άλλο ποι ιόν, άόρατον δε και άλλως άναίσθητον, 52 a 1-4), letzterer das Auffassen ihrer sich wandelnden Erscheinung (αισθητόν, γεννητόν, πεφορημένον αεί, γιγνόμενόν τε εν τινι τόπω και πάλιν εκείθεν άπολλύμενον, 52 a 5-7) zugeschrieben. (3) Die bleibende Form und die sich wandelnde Erscheinung der Elemente, die mittels der Unterscheidung zwischen Wissen und Meinen voneinander abgegrenzt werden, stehen jedoch nicht unvermittelt nebeneinander. Vielmehr l t Platon der dimensionalen Analyse des K rperlichen bis hin zu den Elementardreiecken (53^-54 a 7) die Beschreibung des Aufbaus der dreidimensionalen Grundformen aus diesen Dreiecken (54 b i 26 Zu dieser Auffassung der platonischen τιθήνη vgl. ihre Behandlung im Rahmen der berlegungen zum zweiten platonischen Prinzip (der αόριστος δυάς) und zu dessen Verh ltnis zur aristotelischen ΰλη oben S. 57, Anm. 103; S. 80-83; 9 2 /9327 Zum Verh ltnis von νους (νόησις) und δόξα αληθής bei Platon vgl. S. 32—35.

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55 c 6) und der Zuordnung dieser Grundformen zu den vier Elementen folgen (55 d 7 - 56 c 7) und erkl rt die M glichkeit des Wandels der Elemente ineinander und die Vielgestaltigkeit des aus den Elementen Zusammengesetzten aus diesen geometrischen Voraussetzungen ihrer Gestalt (56 d i-57d6). Die folgende detaillierte Behandlung verschiedener „Aggregatzust nde" und Mischungen der Elemente (58 c 5 ff.) und die Erkl rung der einzelnen Arten der Sinneswahrnehmung (6103 ff.) gr nden dementsprechend auf der berzeugung, da Qualit t quantitativ-formale Voraussetzungen habe. Im Falle der Farbqualit ten wird dies besonders deutlich: Tim. 67 c 6/7 wird die Farbe als aus dem K rper flie ende Flamme definiert, deren Bestandteile denen im (gleichfalls k rperlich als „Sehstrahl" vorgestellten28) Gesichtssinn kommensurabel sind, so da Wahrnehmung statthaben kann (φλόγα των σωμάτων εκάστων άπορρέουσαν, όψει σύμμετρα μόρια εχουσαν προς αΐσ-θησιν). Die Unterschiede in der Farbwahrnehmung werden dadurch erkl rt, da einige der genannten Teilchen gr er, einige kleiner als die im Sehstrahl anzutreffenden Teilchen, andere wiederum gleich gro wie diese seien. W hrend die gleich gro en bei ihrem Auftreffen Durchsichtigkeit bewirken, ziehen die gr eren den Sehstrahl zusammen und erwecken den Eindruck des Schwarzen, lassen die kleineren hinwiederum ihn auseinandertreten und erwecken den Eindruck des Wei en (67 d 2—7; e 5/6). Hell und Rot kommen durch verschiedene Arten von Feuer zustande, die mit unterschiedlicher Geschwindigkeit im Auge auf treffen und dadurch jeweils in ihm bestimmte Ver nderungen erzeugen (67 e 6-68 b5). Alle brigen Farben entstehen durch Mischung der so abgeleiteten Grundfarben Wei , Schwarz, Hell und Rot29. 28 Vgl. Tim. 45 b 2 ff. 29 Eine ausf hrliche Interpretation dieser „Timaios"-Stelle, in der er die μόρια auf ihre geometrische Form befragt und sie auf die Elementardreiecke zur ckf hrt, gibt Gaiser, Platons Farbenlehre, in: Synusia. Festgabe Schadewaldt, 173-222. Er vermutet (vgl. a. a. O. 181) aufsteigend von den Erscheinungen folgende Reihe: Sichtbare Farben (unbestimmt viele Mischungen) - vier Hauptqualit ten der Farbwahrnehmung (Schwarz, Wei , Rot, Hell) - Mischung von (verschiedenartigem) Feuer oder von Feuer und Wasser - Bewegung (Geschwindigkeit) der Feuerteilchen Gr e der Korpuskeln (Tetraeder) - Ausma ihrer Seitenfl chen - Zahl der zusammengesetzten Elementardreiecke. - Vgl. auch Gaiser, AGPh 46, 1964, 251, Anm. 20, mit dem Hinweis auf Sophist. 251 a 9; Resp. 10, 602 c 10-12; Ep. 7, 342 d 3/4; [Plat.]1 Epin. 981 b 6; besonders auf Menon 74 b 4 ff.; Sophist. 235 d 7 — e 2 und Phileb. 51 c i - d 3. - Ferner verweist Gaiser, Platons Farbenlehre, auf [Arist.] De sensu, wo eine bertragung der Ergebnisse und Probleme der akustischen Musiklehre auf das Gebiet der Farbenlehre vorliegt. Im Bestreben zu „mathematisieren" geht diese Schrift noch ber den „Timaios" hinaus, da Platon es ja Tim. 68 b 6-8

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Bedeutsam ist die in diese Ableitung der Farben eingeflochtene Bemerkung (67d7-63), da die Teilchen, die durch Zusammenziehen bzw. Auseinandertretenlassen des Sehstrahles Schwarz bzw. Wei hervorbringen, denen verschwistert (αδελφό, 6γ e 2) seien, die sich am Fleisch als Warm und Kalt, auf der Zunge als Herb und Scharf erwiesen, da es sich also dabei um dieselben Zust nde in einem anderen Bereich (εκείνων παθήματα γεγονότα εν αλλω γένει τα αυτά, 62/3) handele. Mit dem unterminologischen αδελφός ist vermutlich auf die Analogie hingewiesen, die hinsichtlich des Verh ltnisses der Qualit ten und ihrer exakt bestimmbaren quantitativen Voraussetzungen zwischen allen Arten sinnlicher Wahrnehmung besteht3*. c) Αΐσθησις und άλλοίωσις (i) Die im „Theaitet" durchgef hrte Untersuchung, ob der sinnlichen Wahrnehmung (αΐσθησις) der Rang von Wissen (επιστήμη) zuerkannt werden k nne, f hrt 156 a 2 ff. zur Betrachtung der Lehre, die behauptet, alles sei sich im Gegeneinander von Bewirken und Erleiden vollziehende Bewegung (το παν κίνησις ην και άλλο παρά τοϋτο ουδέν, της δε κινήσεως δύο είδη, πλήθει μεν άπειρον έκάτερον, δΰναμιν δε το μεν ποιεΐν έχον, το δε πάσχειν, τ^βζ^-γ). Im Rahmen dieser Lehre mu die sinnliche Wahrnehmung als Relation von Wahrnehmungsverm gen (αΐσθησις, z. B. οψις) f r praktisch undurchf hrbar erkl rt, bestimmte Ma verh ltnisse f r die Mischung der Grundfarben anzugeben. 30 Die Erkl rung sinnlicher Wahrnehmung aus kinetisch-quantitativen Voraussetzungen findet sich bereits bei Demokrit: νόμωι χροι/ή, νάμωι γλυκύ, νόμωι πικρόν, έτεήι 6' ατομα και κενόν („Der gebr uchlichen Redeweise nach gibt es Farbe, S es, Bitteres; in Wahrheit aber nur Atome und Leeres", 68 B 125 D.-K.). Vgl. ferner aus der Reihe der Testimonia Sext. Empir. Adv. math. 8,6 (= 68 A 59 D.-K.): οί δε περί τον Πλάτωνα και Δημόκριτον μόνα τα νοητά ύπενόησαν αληθή είναι, αλλ' δ μεν Δημόκριτος δια το μηδέν ύποκεΐσθαι φύσει αίσθητόν, των τα πάντα συγκρινουσών ατόμων πάσης αισθητής ποιότητος ε'ρημον έχουσών φύσιν, δ Οέ Πλάτων δια το γίγνεσθαι μεν αεί τα αίσθητά, μηδέποτε δε είναι, ... Lit.: Β. Snell, Die Entdeckung des Geistes, i9J53, 311; H. Langerbeck, ΔΟΞΙ2 ΕΠΙΡΥΣΜΙΗ. Studien zu Demokrits Ethik und Erkenntnislehre (Neue Philolog. Unters. 10), Berlin 1935, 83-118. - In diesem Zusammenhang ist auch die Gleichsetzung von Oberfl che und Farbe durch die Pythagoreer zu erw hnen: το γαρ χρώμα ή εν τω πέρατί εστίν ή πέρας, διό και οί Πυθαγόρειοι την έπιφάνειαν χροιάν έκάλουν ([Arist.] De sensu 3>439 a 3°)· Vgl. Arist. Top. V 5,134 a 18-25: Ein K rper wird nach seiner Oberfl che wei genannt; ihr kommt prim r das Farbigsein zu. hnlich Arist. Phys. IV 3, 210 b 4-8: το λευκόν εν άνθρώπφ δτι εν σώματι, καΐ εν τούτω 8τι εν επιφάνεια· εν δε ταύτη ούκέτι κατ* αλλο.

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als dem Bewirkenden und Wahrgenommenen (αίσθητόν, z.B. χρώμα) als dem Erleidenden verstanden werden (i5 bi-C3). Da nun aber - und das ist die von Sokrates/Platon gezogene Konsequenz - die Wahrnehmung so nur jeweils in der Beziehung der an ihr beteiligten Faktoren aufeinander und damit in der Bewegung des Bewirkens und Erleidens ihre Wirklichkeit hat, darf man gar nicht von Qualit ten an sich reden (και έγένετο ου λευκότης αύ άλλα λευκόν, i^6e^; εξ απάντων τούτων . . . ουδέν είναι εν αυτό κα·9' αυτό, 157^7/8), sondern mu vielmehr sagen, da sie (und damit das Seiende, insofern es sinnlich wahrgenommen wird) γιγνόμενα και ποιούμενα και άπολλύμενα και άλλοιούμενα sind (1^7^6/7; vgl. insgesamt Auf diese Konsequenz weist Sokrates hin, als er die Lehre, da alles Bewegung ist, danach befragt, wie sie sich hinsichtlich der Unterscheidung zwischen Ortsbewegung und Qualit tsver nderung (δύο δη λέγω τούτω εΐδει κινήσεως, άλλοίωσιν, την δε φοράν, iSidj/ ) verhalte (insgesamt i8ib 8 ff., der Hinweis auf das Vorhergehende iSaba) 3 2 . Wenn etwas seinen Ort wechselt oder sich an ihm im Kreise bewegt, ohne dabei seine Qualit t zu ndern, dann l t sich angeben, als ein Wiebeschaffenes sich das Sichbewegende bewegt oder „flie t" (ει μεν τοίνυν έφέρετο μόνον, ήλλοιοΰτο δε μη, εΐχομεν αν που ειπείν οϊα αττα ρεΐ τα φερόμενα, 1 82 c 9/10); es l t sieb also sagen: Dieses Wei e bewegt sich (dahin oder dorthin). Da nun aber die vorhergehenden berlegungen ergeben haben, da nicht das Wei e sich als ein „Etwas" bewegt, der Farbeindruck „Wei " vielmehr erst in der Bewegung seine Wirklichkeit hat und in ihr sich ver ndert (επειδή δε ουδέ τοΰτο μένει, το λευκόν φεΐν το ρέον α, αλλά μεταβάλλει, i8a d 1/2), l st sich alles in Instabilit t auf. Das hei t: Vom Standpunkt der Lehre, die die Bewegung als die Wirklichkeit und folglich die sinnliche Wahrnehmung als die der Wirklichkeit angemessene Erkenntnisart ansieht, ist die Unterschet d ng zwischen Ortsbewegung und Qualit tsver nderung gar nicht durchf hrbar. 31 Anschlie end 157 b 7-0 2 f llt das im Platonismus weiterwirkende Wort vom Sinnending als δθροισμα ποιοτήτων: ως εάν τί τις στήση (n mlich die den Sinnen sich als Bewegung darbietenden Eindr cke) λόγω, εύέλεγκτος δ τοϋτο ποιων. Αεί δε και κατά μέρος οΰτω λέγειν (damit ist der einzelne Qualit tseindrudc gemeint) καΐ περί πολλών άθροισθέντων, φ δη άθρο'ισματι δνθρωπόν τε τίθενται κοί λίθον και £καστον ζφόν τε και είδος (womit das Einzelne als sinnlich Wahrgenommenes gemeint ist). Vgl. S. 203 f. 32 Vgl. Parm. 138 b 8 / c i; 162 d 9. 33 Λευκόν φεΐν το φέον ist durch το substantivierte Satzapposition zu τοΰτο in del Form des „A.c.L": το φέον (Subj.), λευκόν (Pr dikativum), φεΐν (Pr dikats-infinitiv).

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Die hier gemachten Aussagen ber die Sinnenwelt und ber die sinnliche Wahrnehmung sind als solche nach Platons Ansicht keineswegs falsch (die Kennzeichnung der Sinnenwelt durch die Verben κινεϊσθαι, γίγνεσθαι, άλλοιοϋσθαι usw. entspricht ja seiner eigenen Auffassung); sie sind aber in diesem Falle angreifbar, weil sie aus einer Theorie folgen, die die Sinnenwelt und die dieser zugeordnete Erkenntnisart absolut setzt und es vers umt, sie auf ihre nicht mehr wahrnehmbaren Voraussetzungen hin zu hinterfragen. Dabei wird das Vorhandensein einer hinter den Sinnendingen als solchen, d. h. als qualifizierten, liegenden Wirklichkeit hier indirekt eben dadurch bewiesen, da Sokrates zeigt, wie im Rahmen der Theorie, die nur die sinnliche Wahrnehmung anerkennt, die Unterscheidung zwischen Ortsbewegung und Qualit tsver nderung hinf llig wird: Diese Unterscheidung, die hier als allgemein anerkannt in die Diskussion eingeht, ist n mlich vom platonischen Standpunkt der erste Schritt hin zu den nicht-sinnlichen Voraussetzungen der Sinnenwelt. (2) Solches zeigt die genaue Einteilung der Bewegungsarten, die Platon Leg. 10, 893 b i ff. gibtM: Neben den r umlichen Bewegungen der Rotation (893C4~d^), des Gleitens und des Rollens (d6 — e i ) stehen solche Bewegungen, die durch das Zusammentreffen des Bewegten mit einem Feststehenden oder zweier sich Bewegender miteinander gekennzeichnet sind (e i ff.). Durch das Zusammentreffen erster Art, das Trennung verursacht, kommt es zu Schwund, durch das zweiter Art, das zu Verbindung f hrt, kommt Wachstum zustande, wenn bei diesen Bewegungen die έξις des so Bewegten erhalten bleibt (e 6/7); Verbindung und Trennung k nnen aber auch zur Ver nderung der έξις und damit zum Untergang des Betroffenen f hren (894 a i). Entstehen und Vergehen sind demnach als Auf- und Abbau der έξις (Formgewinnung und Formverlust) zu erkl ren, wobei γένεσις als Entfaltung in die Dreidimensionalit t aus dem Ursprung verstanden wird: γίγνεται δη πάντων γένεσις, ήν'ικ' αν τί πάθος ή; δήλον ως οπόταν αρχή λαβοϋσα αΰξην εις την δευτέραν ελθη μετάβασιν και από ταύτης εις 34

Zum Folgenden vgl. Solmsen, Ar. system of the physical world, 20-66; Gaiser, PI. ungeschr. Lehre, 173-201 mit Anm. 146 und 379 f. (dort und im PlatonForschungsbericht von H. Cherniss, Lustrum 4,1959,113 unter Nr. 571 weitere Literatur). - Gaiser, a. a. O., vermutet als Grundlage f r die Unterscheidung der Bewegungsarten folgende dichotomische Dihairesis: Ruhe : Bewegung - Bewegung ohne Ortsver nderung (Rotation) : Bewegung mit Ortsver nderung - Ortsvernderung ohne Zusammentreffen (Gleiten, Rollen) : Ortsver nderung mit Zusammentreffen, a) ein Objekt bewegt (Aufl sung), b) beide Objekte bewegt (Verbindung) - solche Verbindung oder Aufl sung ohne Ver nderung der έξις (Wachstum bzw. Schwund): mit Ver nderung der έξις (Entstehen bzw. Zugrundegehen) (vgl. sein Schema a. a. O. 177).

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την πλησίον, και μέχρι τριών έλθοΰσα αΐσθησιν σχη τοις αίσθανομένοις (894 a 1-5). Bemerkenswert ist nicht nur, da mit dem „Eintreten" in die Dreidimensionalit t es zur sinnlichen Wahrnehmung kommt, sondern auch die Ausdrucksweise, mit der die sinnliche Wahrnehmung eingef hrt wird: Die αρχή wird (nachdem sie sich durch die Dimensionen hindurch entfaltet hat) „wahrnehmbar f r die Wahrnehmenden" 35. Mit diesem Doppelausdruck scheint sowohl die Relation angedeutet, die zwischen dem Wahrnehmungsgegenstand und dem Wahrnehmenden besteht, als auch ausgedr ckt, da das Gewordene, insofern man ihm als Wahrnehmender begegnet, sinnliche Wahrnehmung biete, da man ihm aber auch anders begegnen k nne. Es ist dies derselbe Unterschied, der Tim. 53 c 4—6 zwischen Feuer, Luft usw. als wahrnehmbaren K rpern und ihren είδη, das hei t aber: ihrer Dimensionali tat gemacht wird36. An die genannte Aufz hlung der Bewegungsarten schlie t sich 894b 8 ff. die Unterscheidung zwischen der Bewegung durch Ansto eines anderen und der Selbstbewegung an. Denn wiewohl die Einsicht in die dimensionale Struktur eines Seienden eine berwindung der Sinnlichkeit bedeutet, sind die Bewegungen, aus denen diese Struktur sich aufbaut, abgeleitete Bewegungen; genauer: sie sind aus der Selbstbewegung der Seele als ihrem Prinzip abgeleitet. 8946 4 ff. wird die Selbstbewegung zun chst ohne inhaltliche Bestimmung als eine solche definiert, von der jede andere Bewegung ausgeht; dann wird diese Selbstbewegung 895 c i ff. als Leben und damit als wesentliche Bestimmung der Seele erwiesen. Schlie lich wird 896 b 4 ff. die Selbstbewegung der Seele von den anderen Bewegungen, die ihren Anfang nicht aus sich selbst haben, abgehoben und betont, da diese abgeleiteten Bewegungen solche des unbeseelten K rpers (σώματος άψυχου, 896 b 7/8) seien; dabei ist mit der 896 c 9 — d 3 gemachten Bemerkung, da alle Formen seelischen Seins den Dimensionen des K rpers und seiner Kraft vorgeordnet seien, die Priorit t des Seelischen unterstrichen. Obzwar mit den letztgenannten Bestimmungen Seele und K rper in ihrem Gegensatz gesehen werden, ist doch aus der einleitenden Definition 35 Αΐσθησιν ε"χειν = αΐσθησιν παοέχειν, so Liddel-Scott, Greek-English Lexicon, s. v. αΐσθησις zu Thukyd. 2,61,2: το λυπούν έχει ήδη την αΐσθησιν έκάστω. 36 Bei dem Vergleich von Leg. ίο, 893 e 6 ff. und Tim. 53 c 4 ff. ist besonders zu beachten die Nennung der αρχή als Anfangsglied der dimensionalen Entfaltung: τάς δ' έτι τούτων (sc. der Dreiecke) αρχάς άνωθεν θεός οΐδεν (Tim. 53 d 6/7); αρχή λαβοϋσα αΐξην (Leg. ίο, 894 a 3)·

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der Selbstbewegung als Ursache aller Bewegung klar, da alle zuvor aufgez hlten Bewegungsarten auf der Wirkung der seelischen Selbstbewegung beruhen und da damit endlich auch die nach der dimensionalen Entfaltung anschaubare Au enseite eines K rpers („αϊσθησιν σχη τοις αίσθανομένοις") von der prim ren Bewegung her bestimmt ist. Wenn nun 894 e 8 (vgl. auch 895 b 6) der Ansto der Bewegung durch das Sichselbstbewegende als άλλοιοΰν bezeichnet wird, so wird man darin einen Hinweis darauf erblicken d rfen, da alle abgeleiteten Bewegungen, insbesondere aber (und zwar l t sich diese Sonderung anhand der sonst blichen Unterscheidung von r umlicher Bewegung und άλλοίωσις durchf hren) die 893 e 6 ff. genannten Bewegungen Wachstum und Schwund und nderung der έξις als γένεσις oder φθορά, sich der sinnlichen Wahrnehmung als άλλοίωσις darbieten. Aus diesem Grunde k nnen, wenn es um die Kennzeichnung der Sinnenwelt als Sinnenwelt geht, Theaet. 157 b 6/7 γίγνεσθαι und άλλοιοΰσθαι, Resp. 2,381 b 8 μεταβάλλεσθαι und άλλοιοΰσθαι, Farm. 163 a 2 ff. κινεϊσθαι und άλλοιοΰσθαι ohne Unterscheidung nebeneinander gebraucht und Parm. 163 a 7 -b i auch der Wandel der έξις als άλλοιοΰσθαι bezeichnet werden. Dies zu betonen ist wichtig angesichts der Unterscheidung, die Aristoteles zwischen der γένεσις als Bewegung κατ' ούσίαν und der άλλοίωσις als Bewegung κατά το ποιόν trifft. Άλλοίωσις und άλλοιοΰσθαι bezeichnen also bei Platon augenscheinlich die mit den Sinnen wahrnehmbare Au enseite der durch die Seele repr sentierten Form, die sich als autonome Kreisbewegung durch die Abfolge der immer komplexeren Bewegungen den Sinnen mitteilt37. (3) Das bei Wachstum und Schwund Verharrende, das in der γένεσις Entstehende wird, insofern es verharrt, als έξις καθεστηκυία (893 e 7) bzw. als δντως ov (894 a 6/7) angesprochen. - Gh. Mugler hat nun gezeigt, da ε*ξις (im Unterschied zu σχήμα, das haupts chlich auf geometrische Formen geht) bei Platon f r Seiendes gebraucht wird, zu dessen Wesen die Bewegung geh rt, also f r Organismen und Seelen, und da es im besonderen hier Leg. 10, 893 6/894 a (und Politic. 273 c i) eine kosmologisch-physikalische Realit t bezeichnet; er kommt f r die έξις καθεστηκυία (893 e 7) 37 Gaiser, Pl. ungeschr. Lehre, 173-201, versteht den in der Reihe der aufgezahlten Bewegungen jeweils zu verzeichnenden Zuwachs an Bewegung und Komplexit t als Zunahme der Wirkung des zweiten Prinzips und bringt die verschiedenen Formen der Bewegung mit der Stufenordnung des Seins (2v - Zahlen/Ideen - Seele/μαθηματικά - Erscheinungen -απειρον) in Verbindung, die sich bei der Rekonstruktion der platonischen "Αγραφα δόγματα abzeichnet. (Zu letzteren vgl. insgesamt Kap. I 3. „Die Analogie als erkenntnisstiftende Vermittlung zwischen den Seinsbereichen im Rahmen der platonischen Zweiprinzipienlehre").

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zu folgender Bestimmung: „La realisation, dans le flux du devenir, d' une forme preempirique arretee dans le plan intelligible du monde" M. Muglers Ergebnisse verm gen die hier vorgebrachten berlegungen zum Verh ltnis von seelischer Selbstbewegung, dimensionaler Entfaltung und qualitativer Ver nderung zu best tigen: Einerseits ist έξις als Verharren dem άλλοιοΰσθαι, insofern dieses die den Sinnen sich zeigende und deshalb unbestimmbare Au enseite der Bewegung und damit die Instabilit t schlechthin bezeichnet, entgegengesetzt; έξις verweist als Verharrendes auf das wahre Sein (vgl. das εστίν δε όντως ov, οπόταν μένη, Leg. ίο, 894a 6/7)· Andererseits ist έξις, obwohl sie von der in ihr sich zeigenden Struktur und der in dieser Struktur sich auspr genden ουσία bestimmt ist, nicht mit der ουσία identisch, sondern bleibt als deren sinnf llige Gestalt mit dem άλλοιοϋσθαι verbunden, da sich das Seiende den Sinnen als Wandel von Qualit ten darbietet. In έξις findet sich also die Spannung zwischen der sichtbaren Gestalt eines Seienden, die wegen ihrer Qualifiziertheit zur unendlichen Vielheit tendiert, und der wi baren Form eines Seienden, die auf die Einheit verweist, vermittelt.

2. Der Logos als Vermittler zwischen eidetischer Bestimmtheit und sinnlicher Wahrnehmbarkeit a) Die Kenntnis der Struktur des Seins als Voraussetzung f r den λόγος αληθής (i) Im „Sophistes" 39 geht Platon bei der Frage, was „Sein" bedeute (die sich anl lich der Suche nach dem Sophisten bei der Unterscheidung von „Sein" und „Nichtsein" stellt), nicht von vornherein von der Gleich38

Ch. Mugler, REG 70,1957,72-92; das Zitat dort 81/82. - Die von Mugler vorgebrachten Gesichtspunkte wertet des Places, Lexique de Platon, bei der Gliederung der Artikel 2ξις, σχέσις und σχήμα aus, so da das Material dort leicht aufgefunden und seine Interpretation abgelesen werden kann. Vgl. auch Ch. Mugler, La physique de Platon (fitudes et Commentaires 35), Paris 1960, 43-63. 39 Wichtige neuere Arbeiten zum „Sophistes" sind im Lit.-Verz. genannt; sie bilden die allgemeine Voraussetzung f r die folgende Behandlung des Dialoges, werden aber wegen der hier gebotenen K rze nicht im einzelnen kritisch gew rdigt und deshalb auch im folgenden nicht zitiert. — Eine umfangreiche Bibliographie von Arbeiten zum „Sophistes" findet sich eingangs der Neubearbeitung der bersetzung des Dialoges von O. Apelt durch R. Wiehl: Platon. Der Sophist. Griechisch - deutsch (Ph os. Bibl. 265), Hamburg 1967.

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setzung des Seins mit den Ideen aus, sondern er fragt, was seine Vorg nger unter „Sein" verstanden haben (243 d 3-5). Die anschlie ende Darlegung der Meinungen der Vorg nger ist deutlich in zwei in sich wiederum zweigegliederte Positionen geschieden: Einmal werden diejenigen, die entgegengesetzte Beschaffenheiten (oder Elemente qua qualifizierte K rper) als Seiendes genommen haben (243 d 8 - 244 b 5), denen, die das Sein als ganzheitliche Totalit t angesehen haben (244 b 5 245 e^), gegen bergestellt; zum anderen werden die, die das Sein als K rperliches angesehen haben (ταύτόν σώμα και ούσίαν οριζόμενοι, 246b ι; insgesamt 246 a 7 — 248 a 3), von denen, die Ideen setzen und diese als unwandelbare Einheiten von der Welt des Werdens unterscheiden (προς δη τους έτερους ΐωμεν, τους των ειδών φίλους, 248 a 3) getrennt"°. Diese Zuordnung hat darin ihren Grund, da im ersten Paare (ohne den Unterschied zwischen K rperlichkeit und Unk rperlichkeit ausdr cklich einzuf hren) gezeigt wird, da mit einer aus der K rperwelt bezogenen Pluralit ts- oder Einheitsvorstellung (gegens tzliche Beschaffenheiten, Trennung und Verbindung von Elementen, das Eine als Ganzes) das Sein nicht zu begreifen ist; da im zweiten Paare klargemacht wird, da angesichts der Doppelheit von Geistigem und Sinnlichem (Seele und K rper), die bei der Bestimmung eines jeden Seienden zu ber cksichtigen ist, die eine Seite nicht verabsolutiert werden darf: So wird denn einerseits die Lebendigkeit des Geistig-Seelischen dadurch nachgewiesen, da die f r die Wahrnehmung der Sinnenwelt typische Relation des ποιεϊν und πάσχειν und damit die Bewegung auf das Geistig-Seelische bertragen wird (248 c n - 249 b 7), wird andererseits die Best ndigkeit des Geistigen, die von den Ideenfreunden f lschlicherweise als sein alleiniges Wesensmerkmal angesehen worden war, als notwendige Bedingung der M glichkeit des Wissens herausgestellt (249 b8-c9). Entsprechend ist der Philosoph aufgefordert, beides in eins zu denken: τω δη φιλοσοφώ ... ανάγκη δια ταΰτα μήτε των εν ή και τα πολλά είδη λεγόντων το παν εστηκός άποδέχεσθαι, των τε αύ πανταχη το δν κινούντων μηδέ το παράπαν άκούειν, άλλα κατά την των παίδων εύχήν, όσα ακίνητα και κεκινημένα, το ον τε και το παν συναμφότερα λέγειν (249 c ίο d4)· Demzufolge versteht sich die platonische Lehre von den Genera des Seienden, die anschlie end entwickelt wird, und die aus ihr folgenden Aus4° Die paarweise Gliederung der vier Positionen wird sprachlich deutlich markiert: Die beiden letzten Gruppen werden gegen ber den beiden ersten Sophist. 245 e 8 als τους δε ολλως λέγοντες zusammen eingef hrt; der bergang von den Materialisten zu den Ideenfreunden 248 a 4 προς δη τους έτερους ΐωμεν verweist dann darauf, da hier ein Paar vorliegt.

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sagen ber die M glichkeit des λόγος αληθής als Antwort auf alle zuvor behandelten und als unzureichend erwiesenen Aussagen ber das Sein41. (2) Die aus der Kritik der alten Philosophen sich ergebende Feststellung, da dem Sein Ruhe und Bewegung zuzusprechen seien, f hrt zun chst keineswegs zu gr erer Klarheit ber das Sein: Ruhe und Bewegung sind einander entgegengesetzt und k nnen deshalb nicht beide mit dem Sein identisch sein (sie w ren es dadurch miteinander), so da das Sein als ein Drittes neben sie treten mu : ουκ αρά κίνησις και στάσις συναμφότερον το δν αλλ' έτερον δη u τοι'ιτων (250 c 3/4; vgl. insgesamt 249 d 6-2500 8). Die vollst ndige Trennung der drei aber ist gleicherma en unm glich, da das Sein doch entweder sich bewegen oder ruhen, ihm also eine der beiden anderen Bestimmungen zukommen mu (25009^4). Weit entfernt also davon, das Nichtsein bestimmt zu haben, um dessentwillen in die Behandlung des Seins eingetreten wurde, bedarf es eines neuen Anlaufs zur Bestimmung beider (250^5-251 a4): Von einem Seienden (z. B. einem Menschen) kann nicht nur sein Name ausgesagt werden (ου μόνον ανθρωπον αυτόν εΐναί φαμεν ...), sondern ihm k nnen in der Aussage viele andere Namen (von Farben, Gestalten, Gr en) beigelegt werden (αλλά και αγαθόν και ετέρα άπειρα, 251 a ιο/b ι). Diese offensichtliche Paradoxie, da so Vieles Eines und Eines Vieles ist (παντί πρόχειρον ως αδύνατον τα τε πολλά εν και το εν πολλά είναι, b 7/8) 42 , f hrt zu der Frage nach der Bedingung ihrer M glichkeit dergestalt, da gefragt wird, welches mit welchem in Gemeinschaft treten kann und welches nicht, und diese Frage mit dem Bedenken der Verbindungsm glichkeiten von Sein, Ruhe und Bewegung beantwortet wird (251 d 5 ff.). Es ergibt sich (was durch den Hinweis auf die Verbindungsm glichkeiten der Buchstaben und T ne und auf das Wissen des Grammatikers bzw. des Musikers darum „erl utert" wird, 2 5 3 3 1 — b 743), da nicht jedes mit jedem in Verbindung treten kann, da es also darauf ankommt, die richtigen Verbindungen zu kennen. Die Dialektik, derer sich der Philosoph bedient, ist das Wissen um die richtigen Verbindungen im Bereich der είδη und des λόγος (... μετ" επιστήμης τινός άναγκαϊον δια των λόγων πορεύεσθαι τον ορθώς μέλλοντα δείξειν ποία ποίοις συμφωνεί των γενών και ποία άλληλα ου δέχεται, 253 b 41

Vgl. Sophist. 251 c 8-d 3: 'ίνα τοίνυν προς απαντάς ήμίν ό λόγος f| τους πώποτε περί ουσίας και ότιοΰν διαλεχθέντας, έστω και προς τούτους και προς τους άλλους, δσοις έμπροσθεν διειλέγμεϋα, τα νυν ως εν ερωτήσει λεχθησόμενα. 42 Das Verwunderliche dieses δν πολλά wicd betont Farm. 129 d 2-03; Phileb. 140 6- 10; 15 b i -C2. 43 Vgl. S. 12 mit Anm. 21.

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9-c i; ..., τε κοινωνεΐν έκαστα δύναται και οπή μη, διακρίνειν κατά γένος έπίστασθαι, 253 e 1/2) **. Sophist. 254^7^· wird dann der entscheidende Schritt damit getan, da Platon die Frage nach der angemessenen Art und Weise der Verbindung durch die „Ableitung" der f nf obersten Genera beantwortet: Ruhe und Bewegung, die zuvor ausgemacht wurden, werden auf die in ihrem Gegensatz gegebene Unterschiedenheit voneinander und vom Sein und auf die in ihrem Sein gegebene Identit t mit sich selbst und mit dem Sein hin angesehen, und es werden so ταύτόν und έτερον als die beiden weiteren Bestimmungen des Seins gefunden (254 b 7-255 67). Die so im Unterschied des einen vom anderen stets mitgesetzte Beziehung auf das andere schlie t das Nichtsein in der Form der unvermittelten Antithese zum Sein aus. Das Sein ist dadurch bestimmt, da das Nichtsein sich an ihm als έτερον zeigt (25568-25865; besonders 258311 -b3). Mit der Aufstellung der f nf Genera und der Einsicht in die Art ihres Verh ltnisses ist die Einsicht in die Struktur des Seins als Geist gewonnen und damit zugleich eine Aussage ber die Verbindungsm glichkeiten aller είδη gemacht. Platon dr ckt sich zwar so aus, als w hle er mit dem v, der κίνησις und der στάσις die wichtigsten aus der Reihe aller m glichen inhaltlich voneinander unterschiedenen είδη aus (... τηδε σκοποϋντες, μη περί πάντων των ειδών, ίνα μη ταραττώμεθα εν πολλοίς, αλλά προελόμενοι των μεγίστων λεγομένων αττα, ... 254c2-4); seine Bemerkung, das Sein und das Nichtsein lie en sich nicht mit v lliger Genauigkeit erfassen (... ει μη πάση σαφήνεια δυνάμεθα λαβείν, .. .c6), sondern nur soweit es die Form der gegenw rtigen Untersuchung zulasse (... καθ' όσον ό τρόπος ενδέχεται της νυν σκέψεως, c 7/8), l t sich jedoch als Hinweis darauf verstehen, da die (diskursiv verfahrende) Sprache dazu zwingt, die Eigenheit eines jeden Genus und seine Verkn pfungsf higkeit nacheinander zu behandeln (πρώτον μεν ποία έκαστα εστίν, έπειτα κοινωνίας αλλήλων πώς έχει δυνάμεως, 04/5)» und damit der Eindruck entsteht, als werde hier ausschnitthaft eine Verbindung wichtiger Inhalte des Geistes vorgestellt, da in Wirklichkeit aber in den Genera die Struktur des Geistes gedacht und damit die Modalit t der Zuordnung aller είδη zueinander ausgesprochen ist45. 44 Bei der Behandlung der Verbindungsm glichkeiten scheint Platon keinen Unterschied zwischen der Verbindung von ονόματα, είδη und γένη zu machen (vgl. 251 a^/6 mit dj/6 und das Nebeneinander νον δια των λόγων πορεύεσθαι und «οία πο'ιοις συμφωνεί των γενών im oben zitierten Satz 253 b 9 — c i). Zur Erkl rung solchen Vorgehens vgl. alle hier folgenden Ausf hrungen zum „Sophistes*. 45 Da es nicht darum geht, die Verbindungen einzelner είδη zu kennen, sondern

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(3) Da das Sein als Geist mit der Form seiner Erkenntnis zusammenf llt und so der, der die Struktur des Seins und damit die Verbindungsm glichkeiten der είδη eingesehen hat, der Wahrheit selbst teilhaftig ist *, gibt es keine falschen Verkn pfungen von είδη (das w re sowohl f r das Sein als ganzes als auch f r das einzelne είδος eine Contradictio in adiecto), sondern es gibt nur ein „Herausfallen" aus dem Sein ins Nichtsein, aus dem Wissen ins Nichtwissen, das dann im Bereich des λόγος zu falschen Verkn pfungen von ονόματα (genauer: von ονόματα als nominalen Subjekten und ρήματα als verbalen Pr dikaten47) f hrt, w hrend die richtigen Verkn pfungen das unfehlbare Seinswissen in diskursiver Form ausdr cken. Dieses best tigt die 254 a 4 ff. gegebene Bestimmung des Sophisten als jemandes, der in das Dunkel des Nichtseins entl uft (ο μεν άποδιδράσκων είς την του μη δντος σκοτεινότητα, ...), die zwischen der Forderung nach sinnvoller Verbindung und der Erf llung dieser Forderung durch das Verst ndnis des μη δν als έτερον eingeschoben wird: Durch diese Bestimmung wird der Sophist als derjenige hingestellt, der des in den f nf Genera begriffenen Seins nicht teilhaftig ist. Da sich der λόγος ψευδής am Ende als die eigentliche Dom ne des Sophisten erweist (vgl. besonders die „Gelenkstelle" 264 d 3-8), ist es klar, da der λόγος ψευδής als Folge des oben genannten Entlaufens ins Nichtsein anzusehen ist und demnach die Unteilhaftigkeit am Sein als Ursache f r das Falsche im Bereich des diskursiven Denkens zu gelten hat. Entsprechend wird die M glichkeit einer falschen Aussage 260 b 7 ff. damit erkl rt, da das Nichtsein, das sich als berallhin verstreut erwiesen habe (κατά πάντα τα οντά διεσπαρμένον, b 8), auch in der δόξα und im λόγος zu finden sei, und eben diese Beimischung des Nichtseins als ψευδός bestimmt (260 c 1-4). darum, in den f nf Genera die Struktur des Seins als Geist einzusehen, zeigt der unmerkliche Ausdruckswechsel in den S tzen, die von den m glichen Verbindungen sprechen: Hei t es 253 b n ποία ποίοις συμφωνεί, so da eine diskursive Zuordnung des einen zum anderen ins Auge gefa t scheint, so wird dieser Gedanke 253 e i so aufgenommen, da nach dem Modus der Verbindung gefragt ist: fj τ6 κοινωνεΐν Ικαστα δύναται και δπη μη. 46 Vgl. Sophist. 254 a 8/9: Ό δε γε φιλόσοφος, τη του οντος αεί δια λογισμών προσκείμενος Ιδέα, ...; ferner Phaed. 79 a 2/3: των δε κατά ταύτα εχόντων (n mlich der Ideen, die hier in ihrer Best ndigkeit gesehen werden) ουκ δστιν δτω «οτ* δν δλλφ έπιλάβοιο ή τφ της διανοίας λογισμφ. Resp. 6,501 d 1/2: ... του δντος τ« και αληθείας έραστάς είναι τους φιλοσόφους, γ, 525 c 5/6: ... της ψυχής ... μεταστροφής .. . από γενέσεως έπ' άλήθειάν τε και ούσίαν. Dabei bleibt allerdings angesichts „λογισμός" das Verh ltnis von Ratio discursiva und Intuition als Formen der Seinserkenntnis noch zu bedenken. » Vgl. Sophist. 261 d i ff.

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Dagegen mu der λόγος αληθής als entfalteter Ausdruck der Seinsgewi heit verstanden werden: Ein λόγος, der wahr ist, in dem also die ονόματα richtig verbunden sind, resultiert aus der συμπλοκή ειδών, welche mit der Einsicht in die Struktur des Seins grunds tzlich gegeben ist. Sophist. 258 e 7 ~ 2 ^ 9 C 5 wird zusammenfassend an die Form des Seins erinnert, die mit der Aufstellung der f nf Genera eingesehen wurde; es wird wiederholt, da weder jedes mit jedem beliebig verkn pft (259 c 7 — d 8), noch jedes von jedem g nzlich getrennt werden d rfe (259 d p - 6 2 ) . Der bergang von den είδη zum λόγος erfolgt hier dadurch, da die Verkn pfung der είδη als verursachender Grund f r das Zustandekommen des λόγος bezeichnet wird: τελεωτάτη πάντων λόγων εστίν άφάνισις το διαλύειν εκαστον από πάντων δια γαρ την αλλήλων των ειδών συμπλοκήν ό λόγος γέγονεν ήμΐν (2^9 e 4~6) *. (4) Von den Aussagen Platons im „Sophistes" her l t sich das Verfahren der Dialektik zusammenfassend so kennzeichnen: Jede der beiden beim dichotomischen Einteilungsproze aus dem Genus hervorgehenden Species verh lt sich zu seinem Gegenst ck als ταύτόν zum έτερον, als v zum μη δν, wobei sein Es-selbst-Sein als στάσις, sein Sich-Unterscheiden als κίνησις gefa t wird. Das Genus als die Einheit der so unterschiedenen Species ist deren Prinzip und deshalb ontologisch hb'herwertig; die spezifische Differenz ist als Konstituens des Unterschiedes vom anderen Gliede der Dichotomic bei der Teilung wesentlich mitgesetzt, so da der von der sprachlichen Form des λόγος und der Kategorieneinteilung bestimmte Gedanke des Aristoteles, die spezifische Differenz trete von au en zum Genus hinzu, hier keinen Grund findet49. Insofern sich das Sein in λόγοι, die wahr sind, entfaltet, braucht innerhalb der Formen der Aussage prim r nicht, wie bei Aristoteles, zwischen der Aussage der Definition als Bestimmung der ουσία und der Aussage der Akzidentien unterschieden und auf diese Weise das vorrangige Sein der ουσία im Unterschied zu den abgeleiteten Formen des Seins, also den Akzidentien, erst konstituiert zu werden, sondern alle wahren Aussagen welcher Kategorie des Aristoteles ihre Pr dikate auch zuzuordnen sind 48

Vgl. J. Sprute, ber den Erkenntnisbegriff in Platons Theaitet, Phronesis 13, 1968, 47-67, dort 48: „Die zitierten Stellen (sc. aus den platonischen Dialogen) legen die Auffassung nahe, da f r Platon jede Aussage ber eine Sache - zumindest in philosophischer Hinsicht - nur durch die Wesenserkenntnis dieser Sache verifizierbar ist." 49 Als Bestimmung des είδος ist die spezifische Differenz ουσία, der sprachlichen Form nach geh rt sie unter die Kategorie der Qualit t. Vgl. S. 121 f.

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beziehen sich als Entfaltung der vordiskursiv gesicherten ουσία auf diese, sind aber, weil sie bereits Entfaltung und Vielheit sind, von der Einheit dieser ουσία unterschieden; die Definition, die die spezifische Differenz nennt, hat aus dieser Sicht in der Zahl wahrer Aussagen, die sonst eine Beschaffenheit zur Sprache bringen, keine Sonderstellung50. Allerdings bleibt das Sein stets an die diskursive Form seiner Darstellung im λόγος (also insbesondere an die Definition des είδος im Rahmen der Dihairesis) gebunden, so da das Seinswissen bei Platon in der Spannung zwischen der Gewi heit und dem dialektischen Bem hen um sie seine Wirklichkeit hat 51 . b) Επιστήμη und δόξα αληθής (i) Wiewohl der λόγος wegen seiner diskursiven Form und der damit verbundenen M glichkeit zu Wahr und Falsch als „Abfall" von der noetischen Gewi heit dasteht, mu er gegen ber der Vielzahl der ονόματα als das Sammelnde, das Begrenzende angesehen werden, indem er n mlich Verbindungen schafft und so erst Wissen erm glicht: και ουκ ονομάζει μόνον (sc. ό λόγος) αλλά τι περαίνει, συμπλέκων τα ρήματα τοις όνόμασι. διό λέγειν τε αι'ιτόν αλλ' ου μόνον όνομάζειν εΐπομεν, και δη και τψ πλέγματι τούτφ το όνομα έφθεγξάμεθα λόγον (Sophist. 262 d 3-6)52. Der λόγος steht als Mittler zwischen der zur absoluten Einheit tendierenden Einheitlichkeit des Noetischen und der zum Unendlichen tendierenden Vielheitlichkeit des Sinnlichen und ist damit die Form, die (insofern das Miteinander von Einheit und Vielheit die Wirklichkeit ausmacht und beide als gleichrangige Prinzipien an50 Bezeichnenderweise wird an den Stellen, an denen nach der Einheit der vielen Bestimmungen, die von einem Seienden gelten, gefragt ist (Phileb. 14 c 7 ff.; Sophist. 251 ff.), kein Unterschied zwischen wesentlichen und akzidentellen Bestimmungen im Sinne der aristotelischen Kategorienlehre gemacht. 51 Prauss, Pl. u. d. logische Eleatismus, 206, ist der Ansicht, da Platon zwar seinen eigenen Eleatismus, wonach das Wissen im Haben einzelner Noemata besteht, revidiere und zu einer Theorie des begr ndeten Wissens fortschreite, da er jedoch blo zu einem Begr ndungszusammenhang von Ideen (Noemata), nicht - wiewohl er im „Sophistes" von S tzen handle - zu einem Begr ndungszusammenhang von S tzen gelange wie Aristoteles. Das ist zwar vom Standpunkt der aristotelischen Urteilslehre richtig, l t aber unber cksichtigt, da das Bewu tsein f r die Spannung zwischen dem εΐδος und seiner Entfaltung im λόγος, das wir bei Platon antreffen, jedem (apodeiktischen) Syllogismus, in dessen Pr missen ja die Wesenserkenntnis vorausgesetzt ist (An. post. II 3, 90 b 30-33; Metaph. Z 9,1034 a 31), voraufgeht. 52 Zum λέγειν als περαίνειν vgl. Theaet. 207 b 5. Da λέγειν als κρίνειν, als ausw hlendes Unterscheiden, aufgefa t und so gegen όνομάζειν abgegrenzt werden kann, zeigt H. Boeder, Der fr hgriechische Wortgebrauch von Logos und Aletheia, ABG 4, 1959, 82-112; danach Prauss, a. a. O., 61/62.

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gesehen werden) geeignet ist, das Sein auszudr cken, die jedoch (insofern die Einheit das der Vielheit vorgeordnete Prinzip ist und die Vielheitlichkeit des λόγος hinter der Einheitlichkeit des Noetisdien zur ckbleibt) zum Ausdruck des Seins wiederum nicht hinreicht. Zum Verh ltnis von λόγος und όνομα sei nur dies gesagt: Ihre ονόματα kommen, wie der „Kratylos" zeigt, den Dingen weder von Natur (φύσει, 3 83 a 5), noch durch Vertrag und bereinkunft (συνθήκη και ομολογία, 384d i) zu; sie sind als Nachahmungen der Dinge (το όνομα . . . μίμημά τι είναι του πράγματος, 43° a ι o/Tb ι; πράγμα als „Ding an sich", als Idee) zu verstehen und k nnen als solche Nachahmungen genau wie der λόγος entweder wahr oder falsch sein (385b2-017; 43036-43102). Ob nun der richtige Name f r ein Ding gew hlt wird, l t sich nicht auf der Ebene, auf der diese Wahl stattfindet, also im Bereich der ονόματα, verifizieren, sondern mu im Umgang mit den Dingen selbst festgestellt werden (ουκ εξ ονομάτων άλλα πολύ μάλλον αυτά — sc. τα οντά, 439 b 5 ~ εξ αυτών και μαϋητέον και ζητητέον ή εκ των ονομάτων, 439 b 6-8). Dieser Umgang mit dem Seienden aber kann vom Standpunkt des „Sophistes" nur in der Spannung zwischen der Einsicht in die Struktur des Seins und den daraus folgenden λόγοι αληθείς ber das einzelne Seiende, also im διαλέγεσθαι, geschehen, so da von daher dem λόγος trotz seiner Defizienz gegen ber der Ideengewi heit ein h herer Rang als den einzelnen ονόματα zukommt: δει δε αεί παντός περί το πράγμα αυτό μάλλον δια λόγων ή τούνομα μόνον συνωμολογήσθαι χωρίς λόγου (Sophist. 21804/5). (2) Der ambivalenten Stellung des λόγος entspricht die Einsch tzung der ihm Sophist.260c 1-4 zugeordneten δόξα53: Einerseits ist die δόξα als blo es Meinen der επιστήμη entgegengesetzt, andererseits steht sie zwischen Unwissenheit und Wissen und kann, wenn sie richtige Meinung ist, in die N he des Wissens r cken **. 53

VgJ. Stenzel, Studien, 22-25 und 71-94; Oehler, Die Lehre vom noetischen und dianoetischen Denken bei Platon und Aristoteles, (dazu die Rezension von E. Tugendhat, Gnomon 38, 1966, 752-760); Sprute, Der Begriff der Doxa in der platonischen Philosophie; derselbe, Zur Problematik der Doxa bei Platon, MH 26, 1969, 179-198; E. Tielsch, Die platonischen Versionen der griechischen Doxalehre. Ein philosophisches Lexikon mit Kommentar (Monographien zur philos. Forsdi. 58), Meisenheim 1970. 54 Vgl. aus den hier nicht behandelten Dialogen zur Mittelstellung der δόξα vor allem Resp. 5,477 a 2 - 480 a 13, dort 478 c 13 — d 3: . . . γνώσεως μεν σοι φαίνεται δόξα σκοτωδέστε.ρον, άγνοιας δε ηρανότερον .. . μεταξύ αρά δν εΐη τούτοιν δόξα. 47^ β 1—4: ... το αμφοτέρων μετέχον, του είναι τε και μη είναι . . . δοξαστόν αυτό είναι. Wertend dann aber Resp. 6, 506 €6-9: ουκ Ιίσθησαι τάς άνευ επιστήμης δόξας, ως πασαι αίσχραί; ων αϊ βέλτιστοι τυφλοί - ή δοκοΰσί τί σοι τυφλών διαφέρειν

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Im „Theaitet" ist die δόξα αληθής (bzw. ορθή) von der επιστήμη unterschieden und l t sich auch nicht dadurch als Wissen erweisen, da sie schlie lich als „wahre Meinung, verbunden mit λόγος" bestimmt wird (την μεν μετά λόγου αληθή δόξαν έπιστήμην είναι ..., 201 c 9 / d i). In diesem dem „Sophistes" systematisch vorgeordneten Dialog55 wird von der sinnlichen Wahrnehmung her ein „Aufstieg" zum Wissen versucht; der λόγος kann also hier, da die Struktur des Seins noch gar nicht begriffen ist, nicht als diskursive Entfaltung der Ideengewi heit angesehen werden und von daher als gesichert gelten, sondern er bleibt ein ungesichertes „Bezeichnen und Beschreiben" M des Gemeinten. Alle drei Versuche, die Bedeutung von λόγος so zu erkl ren, da sich in Verbindung mit ihm die wahre Meinung als Wissen erweist, schlagen deshalb fehl, wiewohl die vorgebrachten Erkl rungen an sich durchaus auf den λόγος zutreffen (206070.). Als λόγος kann erstens die laut ge u erte Verbindung von ονόματα und ρήματα zur Wiedergabe dessen, was man denkt, gelten (το την αύτοΰ διάνοιαν εμφανή ποιεΐν δια φωνής μετά ρημάτων τε και ονομάτων, 2o6di/2). Dieser λόγος macht aber aus der richtigen Meinung noch kein Wissen, da dann ja jede so zur Sprache gebrachte richtige Meinung Wissen w re (206 d 1-63). Zweitens l t sich unter λόγος die Auffindung der Grundbestandteile eines Dinges und ihre Aufz hlung in der richtigen Ordnung verstehen (την δια στοιχείου διέξοδον περί εκάστου λόγον είναι, 20706/7). Eine solche geordnete Aufz hlung braucht aber auch dann, wenn sie das Richtige trifft, nicht auf Wissen zu beruhen, sondern kann aufgrund des u eren Eindruckes, den das zu analysierende Ding vermittelt, zustande kommen und f hrt deshalb nicht ber die richtige Meinung hinaus. So jedenfalls scheint man das Beispiel verstehen zu d rfen, das Platon w hlt. Schreibe ich die erste Silbe, mit der die Namen Theaitetos und Theodoros beginnen, im ersten Falle mit Theta-Epsilon, im zweiten mit Tau-Epsilon, so beruht die richtige Schreibung des ersten Namens nicht auf einem Wissen, sondern beide Schreibungen resultieren aus der - einmalrichtigen,einmal falschen Meinung, die ich mir aufgrund sinnlicher Wahrnehmung der betreffenden Silbe gebildet habe (2o6e4~2o8b ίο). Λόγος ist drittens die Angabe des Unterschiedes, durch den sich ein Ding von den anderen Dingen unterscheidet (την διαφοράν εκάστου αν λαμβάνης fj των άλλων διαφέρει, λόγον . . . όδόν ορθώς πορευομένων οί ανευ νου αληθές τι δοξάζοντες; Das (zuf llige) Vermuten des Richtigen z hlt also nicht. Vgl. dazu die gleich oben behandelte zweite Erkl rung von „λόγος" im „Theaitet". 55 Vgl. Theaet. 210 04/5; dazu Stenzel, Studien, 44; Jaeger, Aristoteles, 25. 56 A. Weische, M nster, mdl.

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λήψη· ε(ος ' αν κοινού τίνος έφάπτη, εκείνων περί σοι εσται ό λόγος ων αν ή κοινότης fj, 208 d 6-9). Eine wirklich hinreichende Unterscheidung des einen von allen anderen darf dabei als Unterschiede nicht Merkmale benennen, die das Ding mit anderen Dingen gemeinsam hat, sondern mu die Differenzierung soweit treiben, da die individuelle Verschiedenheit erfa t wird. Dieses (nur durch sinnliche Wahrnehmung m gliche) Erfassen der Eigenschaften des Dinges als eines Individuums ist aber mit der richtigen Meinung (= Vorstellung), die ich von dem Ding habe, identisch, so da der Ausdruck dieser Unterschiede im λόγος als Erkl rung der richtigen Meinung eine unn tze Tautologie darstellt (208 c 7 - 209 64). Mit seiner Ablehnung der dritten Bestimmung von „λόγος" weist Platon indirekt auf das zentrale Problem der aristotelischen Kategorienlehre voraus: Die Definition der ουσία eines Seienden durch Genus und spezifische Differenz, durch die dieses Seiende wi bar ist, bringt es stets nur als ein Allgemeines zur Sprache und wird der unendlichen Zahl der Qualit ten, die das Seiende als Individuum ausmachen (durch die es als solches allerdings auch unwi bar ist), nicht gerecht. Da die spezifische Differenz als Qualit t neben den anderen Qualit ten des Individuums erscheint, erhebt sich f r Aristoteles die Frage nach dem Rechtsgrund der Unterscheidung zwischen ihr als »Qualit t der ουσία" und den akzidentellen Qualit ten; diese Frage aber entspricht der nach der Begr ndung der ουσία, gem der sie als vorab gesicherte den Akzidentien als begrenzender Bezugspunkt in deren Aussage und als einheitstiftende Grundlage f r deren Sein dienen kann. Platon sichert mit der Herleitung des λόγος αληθής aus der συμπλοκή ειδών die spezifische Differenz eindeutig au erhalb des Bereiches der Qualit t, als die sie neben den anderen Qualit ten in der Aussage und f r die sinnliche Wahrnehmung erscheint. Im „Sophistes" kann aufgrund der Einsicht in die Struktur des Seins das Verh ltnis der δόξα zur επιστήμη und zum λόγος gekl rt werden: 263 d 6 - 264 b 8 werden διάνοια, δόξα und φαντασία als verschiedene Formen des im λόγος statthabenden Verbindens bestimmt und ihnen entsprechend die M glichkeit zu Wahr und Falsch zuerkannt. Διάνοια, also das (diskursive) Denken, vollzieht sich als stimmloses Selbstgespr ch der Seele (26363-5; 26439); die Meinung (δόξα) steht am Ende eines solchen Dialoges mit sich selbst (263 a 10-264 33; 264bi). Die durch sinnliche Wahrnehmung in der Seele erzeugte Vorstellung (φαντασία) f hrt ebenfalls zur δόξα, so da auch ihr die M glichkeit zu Wahr und Falsch zuerkannt und sie als mit dem λόγος verwandt bezeichnet werden kann (26434-6;

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b 1-3). - Sollte man die Verbindung der sinnlichen Wahrnehmung mit dem λόγος, die mit der Bestimmung der φαντασία als σύμμειξις αίσθήσεως και δόξης (264 b 2) indiziert ist, als den Punkt verstehen d rfen, an dem sich die Ratio discursive aufgrund ihres Bezuges auf die είδη mit der an sich v llig instabilen αΐσθησις so verbindet, da zwar nicht die ουσία eines Seienden gewu t, doch aber seine Gestalt (έξις) wahrgenommen wird? CT Die vielzitierte „Timaios-Stelle 28 a 1-4: το μεν (sc. το δν) δη νοήσει μετά λόγου περιληπτόν, αεί κατά ταύτα δν, το δ' αΰ (sc. το γιγνόμενον και άπολλύμενον) δόξη μετ' αίσθήσεως αλόγου δοξαστόν macht zwar einerseits den Gegensatz zwischen Geisteswelt und Sinnenwelt sichtbar (vgl. 28et und 52 a i ff.), zeigt aber auch die Mittelstellung von λόγος/δόξα, wenn wir die Zus tze μετά λόγου und μετ' αισθήσεως αλόγου nicht als blo e Explikation des jeweils voranstehenden Wortes auffassen, sondern in ihnen jeweils die Erkenntnisart bezeichnet finden, die bei der νόησις bzw. bei der δόξα im Spiele ist, ohne ganz mit ihr identisch zu sein. Jedenfalls ist diese Stelle in der bis auf Speusipp und Xenokrates zur ckreichenden Tradition immer in dieser Weise verstanden worden **. (3) In diesem Zusammenhang ist nat rlich auch der „philosophische Exkurs" des 7. platonischen Briefes (342a7-344d2) zu nennen59, wo es von den f nf Erkenntnisstufen όνομα, λόγος, εΐδωλον, επιστήμη (342 c 4 a^s επιστήμη και νους αληθής τε δόξα) und αυτό δ γνωστόν τε και αληθώς εστίν δν hei t, da die ersten vier stets nicht nur das δν, sondern auch das ποίον mit erfa ten und deshalb die Erkenntnis dessen, was etwas wirklich sei, Schwierigkeiten bereite: ου γαρ αν τούτων μη τις τα τέτταρα λαβή άμώς γέ πως, οΰποτε τελέως επιστήμης του πέμπτου μέτοχος ε'σται. προς γαρ τούτοις ταΰτα ούχ ήττον επιχειρεί το ποιόν τι περί εκαστον δηλοΰν ή το δν εκάστου δια το των λόγων άσθηνές (342 d 8 - 343a *) ί°· Die Aussage, da ohne die 57 Vgl. S. 22/23.

58 Vgl. die Interpretation dieser Stelle bei Sext. Empir. Adv. math. 7,141-144 (unmittelbar auf Platon bezogen); 145/146 (= Speusipp fr. 29 Lang) und 147-149 (= Xenokrates fr. 5 Heinze); dazu hier S. 205 ff. im Zusammenhang der Interpretation von Albinos Didasc. 4. 59 Vgl. H.-G. Gadamer, Dialektik und Sophistik im siebten platonischen Brief (SBHeidelbg 1962,2), Heidelberg 1964; H. Gundert, Zum philosophischen Exkurs im 7. Brief, in: Idee u. Zahl, 85-105; H.-J. Kr mer, Die grunds tzlichen Fragen der indirekten Platon berlieferung, in: Idee u. Zahl, 106-150, dort 115-124. 60 Der Sinn (vgl. das Folgende im Text) ist dieser: Zur Erkenntnis des wahren Seins mu man sich immer der anderen Erkenntnisformen bedienen. (Ellipse:) Das ist aber schwierig; denn zu der langwierigen Prozedur auf dem Erkenntniswege kommt noch (προς γαρ τούτοις), da diese vier zuvor zu bew ltigenden Erkenntnisformen

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ersten vier Stufen der Erkenntnis ein Zugang zur f nften nicht m glich sei, ist nat rlich kein Zeichen eines Sensualismus, sondern besagt, da man sich immer der Anschauung und des diskursiven Denkens bedienen mu , um Wissen zu vermitteln, und da eben wegen dieser Abh ngigkeit von eigentlich unangemessenen Formen der Vermittlung die Gefahr besteht, das Wesen einer Sache zu verfehlen. Wenn επιστήμη, νους und δόξα αληθής als Viertes zusammenstehen (342 c 4/5), dennoch der νους f r sich dem F nften am n chsten kommt (342 d 2), so d rfte damit die Spannung zwischen dem Seinswissen und seinem diskursiven Ausdruck angedeutet sein. Wenn der λόγος noch vor dem εΐδωλον und nicht in der Reihe επιστήμη - νους δόξα αληθής zu finden ist, dann deshalb, weil er auf die sinnliche Gestalt seines Ausgesprochenwerdens, nicht auf die in ihm statthabende Verkn pfung hin angesehen wird. Das geht indirekt daraus hervor, da επιστήμη, νους und δόξα αληθής 342 c 5/6 als ουκ εν φωναΐς ούδ3 εν σωμάτων σχήμασιν αλλ' εν ψυχαΐς ενόν bestimmt und so von όνομα, λόγος, εΐδωλον, aber auch (anschlie end) von dem F nften unterschieden werden. Durch die kategoriale Unterscheidung zwischen v (τί, 343 c i) und ποιόν (vgl. 343 b 8 / c i) verbindet der philosophische Exkurs des 7. platonischen Briefes die Kosmologie des „Timaios" und die Bewegungslehre der „Gesetze" mit der Ideendialektik des „Sophistes" und macht die Rolle der Ratio discursiva als Mittlerin zwischen der Einheit des Geistigen und der Vielheit der Sinnenwelt in der ganzen Spannung dieses Verh ltnisses deutlich. Bezeichnenderweise ist die Antithese von v (τί) und ποιόν in den ersten vier Stufen der Erkenntnis (wenn man das vom Erkenntnisziel aus negativ zu bewertende Mitauftreten des ποιόν positiv nimmt) vermittelt, so da selbst das εΐδωλον nicht v llig dem Flie en der reinen Qualifiziertheit zuzuordnen ist, sondern auch ihm die Verbindung von v (τί) und ποιόν zugestanden wird. Nicht umsonst ist der Kreis als Beispiel zur Erl uterung der f nf Erkenntnisstufen gew hlt (342 b4 ff. und 3433^ ff.): In der geometrischen Figur verbindet sich die Anschauung mit der Wi barkeit zu der Form, die die Wirklichkeit selbst hat, n mlich eine Vermittlung zwischen absoluter Vielheit und absoluter Einheit zu sein, derart, da in der zur Vielheit tendierenden Anschauung immer schon die Einheit, da in der zur Einheit tendierenden Wi barkeit stets auch die diskursive, also vielheitliche Form der Wissensvermittlung mitgegeben ist. (4) Angesichts der Spannung, in der der λόγος zwischen Einheit und Vielheit steht, wird man die mit dem λόγος αληθής verbundene δόξα αληθής nicht einfach als einen minderwertigen „Ersatz" f r die επιστήμη ansehen

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d rfen, sondern wird in ihrer Nennung die Ansicht Platons ausgedr ckt finden m ssen, da der λόγος αληθής der einzig m gliche Ausdruck der noetischen Gewi heit ist, der jedoch als λόγος eben auch die M glichkeit zum Falschen hat61. Es scheint so, als stelle die επιστήμη einfachhin, die durch das diskursive (n mlich sich des λόγος bedienende) Vorgehen hindurch zur vollen Einsicht in das Sein gelangt, einen Grenzfall der menschlichen M glichkeiten dar43.

j. Die Analogie als erkenntnisstiftende Vermittlung zwischen den Seinsbereichen im Rahmen der platonischen Zweiprinzipienlehre a) Die platonische Zweiprinzipienlehre - Einf hrung und Ausblick auf Aristoteles (i) Die mit „Analogie-Denken" bezeichnete Denkweise Platons, auf die als M glichkeit, die verschiedenen Erscheinungsformen von Einheit und Vielheit miteinander in Beziehung zu setzen, mehrfach Bezug genommen wurde, kann im Blick auf die Zeugnisse von Platons Vorlesung „ ber das Gute" und die dort sichtbare Zweiprinzipienlehre des εν und der αόριστος δυάς genauer bestimmt werden64: Ausgehend von der mathematischen Ge(ταΰτα Subj. zu επιχειρεί) von sich aus dazu neigen, die Beschaffenheit statt der ουσία wiederzugeben. 61 Vgl. die positive Bewertung der δόξα αληθής z.B. Phileb. n bj/S: το φρονεΐν και το νοεΐν και μεμνήσθαι και τα τούτων αί συγγενή, δόξαν τε όρθήν καΐ αληθείς λογισμούς ... Resp. 4>43 J £5/6: μετά νου τε και δόξης ορθής λογισμφ δγονται. 9, .585 b 14 / c ι: το δόξης τε άληθοϋς είδος και επιστήμης καί νου καΐ συλλήβδην αυ πάσης αρετής. 62 Vgl. auf dem H hepunkt des „Symposion" die Terminologie: εξαίφνης κατόψεταί τι θαυμαστόν την φύσιν καλόν (2ioe4/55 vgl· 211 b 6/7; 63/4); entsprechend Phaed. 109 e 5: τα εκεί κατιδεΐν und Resp. 7,526 e i: κατιδεΐν ... την του άγαθοΰ Ιδέαν. 63 Vgl. Phaedr. 278 d 3/4: σοφός darf nur der Gott genannt werden; Symp. 204 b 4/5: Der Philosoph zwischen dem σοφός und dem άμαθης. Gegenteilige Stellen, wie z.B. Tim.51 e5/6: και του μεν (sc. της δόξης) πάντα α"νδρα μετέχειν φατέον, νου δε θεούς, ανθρώπων δε γένος βραχύ τι verweisen auf die Spannung im Philosophie-Begriff Platons: Das Wissen des Philosophen steht in der Spannung zwischen der Beschr nktheit der menschlichen Erkenntnis berhaupt und der Einsicht, die den Philosophen von der Masse unterscheidet. Vgl. Sprute, Der Begriff der Doxa in der platonischen Philosophie, 114-116; 119-123 (besonders zu Ep. 7,342375. und der dort 344 b 7 angesprochenen Erleuchtung). 64 Es ist unm glich, in einem Zusammenhang, der in system-unterscheidender Absicht das Denken Platons umrei t, dabei allerdings auf die Ergebnisse der Περί τάγαθοΰForschung nicht verzichten zu k nnen glaubt, diese Forschung bibliographisch voll-

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stalt der beiden Prinzipien haben Toeplitz und Stenzel die αόριστος δυάς (μάλλον και ήττον = ύπερέχον - ΰπερεχόμενον) als unendliche M glichkeit des Verh ltnisses zweier Zahlen (λόγος) verstehen gelehrt, die durch die Eins zu bestimmten λόγοι begrenzt wird, und haben gezeigt, da in der Proportionalit t (αναλογία) mehrerer λόγοι die Vermittlung inhaltlich verschiedener Seinsbereiche gedacht worden ist65. Dieser Gedanke kann im

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st ndig zu dokumentieren. Hier seien deshalb nur die (s mtlich im Lit.-Verz. regelrecht zitierten) Werke in chronologischer Reihenfolge genannt, die die wichtigsten Etappen der Περί τάγαΦοΰ-Forschung markieren: Robin, La theOrie platonicienne des idees et des nombres d'apres Aristote (1908); Stenzel, Zahl und Gestalt bei Platon und Aristoteles (1924, 2. - erweiterte - Auflage 1933); Toeplitz, Das Verh ltnis von Mathematik und Ideenlehre bei Platon (1929, in: Quellen und Studien zur Geschichte der Mathematik, Abt. B, Bd. I 1,3-33); Merlan, Beitr ge zur Geschichte des antiken Platonismus (Philologus 89, 1934, 35-53 u. 197-214); Cherniss, Aristotle's Criticism of Plato and the Academy, Bd. I (1944, fruchtbar geworden als Gegenposition, die den Zeugniswert der aristotelischen Platon-Referate anzweifelt und sie als Fehl-Konstruktion anhand der platonischen Dialoge versteht); Wilpert, Zwei aristotelische Fr hschriften ber die Ideenlehre (1949; dazu die vorangehenden Aufs tze: Hermes 75,1940,369-396 und Hermes 76, 1941, 225-250); de Vogel, Problems Concerning Later Platonism (Mnemosyne IV 2, 1949, 197-216 u. 299318); dieselbe, On the Neoplatonic Character of Platonism and the Platonic character of Neoplatonism (Mind 62, 1953, 43-64); dieselbe, A la recherche des etapes premises entre Platon et le n£oplatonisme (Mnemosyne IV 7, 1954, 111-122); Merlan, From Platonism to Neoplatonism (1953, 2. - erweiterte - Auflage 1960); Kramer, Arete bei Platon und Aristoteles (1959, ma gebender Ausgangspunkt der gegenw rtigen Diskussion; die nachfolgenden zustimmenden und ablehnenden u erungen zu seinen Ergebnissen f hrt Kr mer an: MH 21, 1964, 137/138 Anm. 2 und 3; Philologus no, 1966, 35 Anm. 2); Gaiser, Platons ungeschriebene Lehre (1963, dort 443-557 eine Sammlung und Kommentierung der Περί τάγαοοϋ-Zeugnisse). - Eine zusammenfassende Darstellung der Περί τάγαθοΰ-Problematik, verbunden mit einer ma vollen Beurteilung der Wirkungsm glichkeiten der altakademischen Lehren auf Plotin, bringt W. Theiler, Einheit und unbegrenzte Zweiheit von Plato bis Plotin (1964, in: Isonomia. Studien zur Gleichheitsvorstellung im griechischen Denken, 89-109); Wichtiges ber die Methoden, M glichkeiten und Grenzen der Περί τάγαθοϋ-Forschung bietet die Ver ffentlichung (1968) der Diskussionsbeitr ge des Platon-Kolloquiums vom September 1967 in Leutershausen bei Heidelberg: Idee und Zahl. Studien zur platonischen Philosophie, von Gadamer, Gaiser, Gundert, Kr mer, K hn. - Die weitere Diskussion bem ht sich um die Sicherung und Vervollst ndigung der Zeugnisse durch genaue Interpretation der berlieferungsverh ltnisse ihrer Quellen, um ein vertieftes Verst ndnis der platonischen Dialoge vor dem Hintergrund der Περί τάγαθοΰ-Zeugnisse, um neue Einsichten in die Abh ngigkeit des Aristoteles von akademischen Denkfonnen und Fragestellungen, um Aufschl sse ber die Bedeutung der altakademischen Lehren f r die weitere Geschichte des Platonismus. Toeplitz, Das Verh ltnis von Mathematik und Ideenlehre, 3-33, besonders 12-18; Stenzel, Zahl und Gestalt, 146-183; dazu die W rdigung bei Kr mer, Arete, 256267. Weitestgehend ausgewertet hat das Analogiedenken Gaiser, Pl. ungeschr. Lehre, 22 u. ., Grunds tzliches 305-308; wichtig die kurze Bemerkung zur Analogie bei Wilpert, Zwei aristotel. Fr hschriften, 219 mit Anm. 47. — Grenet, Les origines de

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Anschluß an Krämers Nachweis, daß die werthafte Mitte zwischen den Gegensätzen als feste Einheit gegenüber dem Mehr und Weniger des Schlechten gedacht ist, dahingehend erweitert werden, daß die Einheit des Seins als eines geordneten und wißbaren Ganzen die Form der Proportion hat. Allen in der Proportion stehenden Zahlenverhältnissen ist als Maß ein Grundverhältnis gemeinsam, das ein Zuviel oder Zuwenig in einem der Glieder (durch das die Proportion zerbrechen müßte) ausschließt, also in jedem der beteiligten als angemessene Mitte wirkt und so die Termini der Proportion zur Einheit zusammenschließt. Als solchermaßen geordnet lassen sich nicht nur die Glieder e i n e r Proportion ( e i n e s Bereiches) verstehen, sondern es können a l l e Proportionen ( a l l e Bereiche), insofern sie je geordnete Vielheit sind und so eine Einheit darstellen, in dieser Weise auf die Eins (das Eine) selbst bezogen gedacht werden. Der Begriff der Analogie spielt nun auch bei Aristoteles eine wichtige Rolle: An einer Reihe von Stellen bestimmt Aristoteles das Verhältnis seiner Kategorien als ein analoges (Metaph. N 6,1093 b *9 14,1096 b 28). Von der Form der Kategorienlehre her, nach der die verschiedenen Weisen, in denen von „Sein" die Rede ist, auf die als die in jeder Hinsicht vorrangige Weise von Sein bezogen und von ihr abhängig sind, pflegt man die hier vorliegende Analogie als Analogia attributionis zu bezeichnen und mit dieser Bezeichnung einfach die Abhängigkeit der sekundären Weisen von Sein von der primären auszudrücken". Das so als „analog" bestimmte

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l'analogie philosophique dans les dialogues de Platon (1948), bietet eine Interpretation aller Dialog-Stellen, wo sich Platon der Analogie als Mittel zur Verdeutlichung eines Sachverhaltes bedient, ja er interpretiert das gesamte Denken Platons von der Analogie her und kommt 99-175 („Transposition de l'analogie mathematique") bezüglich der einheitstiftenden, über die Empirie erhebenden Kraft der Analogie zu denselben Ergebnissen, wie sie im Anschluß an die Zeugnisse möglich sind. Grenet verzichtet jedoch völlig auf diese Fundierung seiner Thesen und geht auch nicht auf die Verwendung der Analogie bei Aristoteles ein. Thomas von Aquin, Summa theol. I q 13 a 3 und Quaest. disp. de ver. q 2 a n (dazu A.Krempel, La doctrine de la relation chez Saint Thomas, Paris 1952, 112—114) kennt sowohl die Analogia proportionalitatis als auch die Analogia attributionis. Dabei ist für ihn letztere als Analogia entis die theologisch-ontologisch entscheidende, da in ihr die Abhängigkeit der menschlichen Eigenschaften von denen Gottes begriffen wird (Summa theol. I q 13 35 conclusio); zwar liegt auch hier eine Proportion zugrunde (Geist Gottes : Unendlichkeit Gottes = Geist des Menschen : Endlichkeit des Menschen, u. ä., also a : b = c : d, dann natürlich auch a : c = b : d), die Proportionalität tritt jedoch gegenüber der Vorstellung von einer einfachen Abhängigkeit des Menschen und seiner Fähigkeiten von Gott in den Hintergrund. Entscheidend für die nachscholastische Vorstellung von der Bedeutung der Analogie im Rahmen der aristotelischen Kategorienlehre ist, daß Thomas das Verhältnis der Akzidentien zur Substanz (gestützt auf das aristotelische Paradebeispiel

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Verh ltnis der verschiedenen Weisen von „Sein" w rde demnach der mit προς εν (αφ* ενός) gekennzeichneten Beziehung der Akzidentien auf die ουσία entsprechen (vgl. z. B. Metaph. Z 4, 1030 b 3), damit jedoch - wenigstens auf den ersten Blick - die urspr ngliche Form der Analogie als Proportion nicht mehr erkennen lassen61. (2) Es soll nun im folgenden wahrscheinlich gemacht werden, da die sich bei der Pr dikation vollziehende Verbindung eines Angeh rigen der sekund ren Kategorien mit der ουσία, die in ihrer sprachlichen Form die Abh ngigkeit des einen vom anderen erkennen l t (λευκόν =λευκότης kommt immer nur als λευκόν τι, also z.B. als άνθρωπος λευκός vor; vgl. An. post. I 22, 83 a 30-32), in dieser Form gar nicht die Bezeichnung „Analogie" hervorgerufen haben kann, da αναλογία immer (auch f r Aristoteles) die Gleichheit von Verh ltnissen, also Proportionalit t, bezeichnet; da vielmehr an allen Stellen, wo von einem analogen Verh ltnis der Kategorien (und damit des verschiedenen Sinnes von „Sein") und von einer προς εν-Beziehung der Akzidentien auf die ουσία die Rede ist, ein Denken nachwirkt, in dem die Proportionalit t die das inhaltlich Verschiedene zur Einheit zusammenfassende Rolle gespielt hat, die dann bei Aristoteles von der anschaulichen Gegebenheit der ουσία so eingenommen wird, da die sekund ren Weisen von „Sein" sichtbar ihr innewohnen und sprachlich sich auf sie beziehen. Falls nicht alles t uscht, werden in dem Ma e Aussagen ber die unterschiedliche Art und Weise des platonischen und des aristotelischen SeinsDenkens m glich, in dem es gelingt, sich ber die Bedeutung des AnalogieDenkens bei Platon und ber seine Nachwirkung, aber auch seine Umwertung bei Aristoteles klarzuwerden. (3) Die Ausrichtung auf Aristoteles (sowie das weitere Ziel, die platonische und die aristotelische von der plotinischen ουσία-Sicherung abzuheben) rechtfertigen es, grunds tzlich mit dem sich an der Mathematik vergewissernden Denken Platons zu rechnen und es gegen andere Formen des Seins-Denkens abzugrenzen, dabei aber die F lle mathematischen Details des verschiedenen Sinnes von „ rztlich" oder „gesund", Metaph. Γ 2, 1003834b ; 2 4 , 1030a35-b3; K3, 1060 b 36 - 1061 a 7) von vornherein als Analogie attributionis (Analogia entis) fa t und hier niemals an eine Analogie proportionalitatis denkt. 67 Arist. EN V 6,1131 a 31/32: ή γαρ αναλογία Ισότης εστί λόγων, καΐ εν τέτταρσιν έλαχίστοις. Vgl. dazu Euch Elem. 5, Def. 7; II 4 Heiberg, wo nach der Definition in einigen Handschriften folgt: αναλογία δε εστίν ή των λόγων δμοιότης, ferner Theon Smyrn. 82, 22 ff. Hiller, hier ausgeschrieben S. 10, Anm. n.

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nicht auszubreitenM. Vorausgesetzt für alles Folgende ist deshalb vor allem das Dimensionenmodell als Denkform platonischer Metaphysik: Nach Aristoteles stellt sich der Stufenbau der platonischen Seinslehre so dar, daß das Mathematische als „Mittelbereich" zwischen Ideen und Sinnendingen steht (Metaph. A 6, 98? b 14-18; 9, 992 b 13-18; B i, 995 b 1618; Z 2, iO28bi9; , 1069334; M i, 1076319/20; N 3, iO9ob35/ 36). Das Mathematische selbst zeigt sich als gegliederte Ordnung in der Weise, daß die bei der Bildung der Zahlen sichtbare Begrenzung der durch das sich bei der Bildung der Raumdimensionen wiederholt: Die Linien werden aus dem „Langen-und-Kurzen", die Flächen aus dem „Breiten-und-Engen", die Körper aus dem „Tiefen-und-Fkchen" als der jeweils dimensionsspezifischen Gestalt des zweiten Prinzips (Metaph. A 9, 992 310-13; M 9, 1085 39-12; N i, 1089b 11-14) durch Wirkung der der Dimensionsstufe jeweils entsprechenden Zahl beziehungsweise der „Linie an sich", der „Fläche an sich", des „Körpers an sich" als Einheit (Metaph. Z n, 1036b 14/15; N 3,1090b 21-24) gebildet, so daß sich in der Abfolge Zahl-Linie-Fläche-Körper eine vom Einfachen zum Zusammengesetzten hin entfsltete Stufung erkennen läßt. Die vermittelnde Rolle, die dss Msthemstische spielt, darf sllerdings nicht so verstsnden werden, als seien mit den Dimensionen zwischen sinnliches Erscheinen und idesles Sein mehrere Stufen einfsch „d3zwischengeschsltet", sondern es wird am Mathematischen die Seinsordnung als an einem Modell sichtbar: Nicht nur findet sich in der Gestalt der Zahlen die Ordnung der Vielheit durch die Einheit exemplarisch verwirklicht; sondern anhand der Dimensionenfolge, in der Einheit und Vielheit in je verschiedener, aber doch auf die erste Ordnung von Einheit und Vielheit exakt bezogener Weise auftreten, läßt sich auch die Abfolge verschiedener Ausformungen der beiden Prinzipien sowie der Bezug dieser Ausformungen auf die Einheit und Vielheit selbst in vorbildlicher Weise denken. Von daher wird im Grundsätzlichen verständlich, daß die Zshlen als Ideen-Zshlen 3ufgefaßt und als noch vor oder zugleich mit den Ideen aus den Prinzipien 3b6

8 Die Berücksichtigung mathematischen Details hätte nachzuprüfen, ob die mathematischen Operationen, die Gaiser, PL ungeschr. Lehre, insgesamt 39-201, als Modelle für ontologische Sachverhalte namhaft macht, richtig bezeichnet sind, und hätte sie nachzuvollziehen oder zu korrigieren. Solche Leistung kann hier nicht erbracht werden, ist aber methodisch auch nicht gefordert, da die Mathematisierung des Seins-Denkens nur in ihrer grundsätzlichen Bedeutung für die Frage nach dem Verhältnis von Substanz und Qualität begriffen, also lediglich gezeigt werden soll, wie sich die mathematisch gesicherte zu ihrer anschaubaren Gegebenheit verhält.

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geleitet gedacht werden k nnen, ohne da sich die Frage nach dem Verh ltnis der Ideen-Zahlen zu den arithmetischen Zahlen und zu den geometrischen Gr en eindeutig beantworten und die Zuordnung bestimmter Zahlen zu bestimmten Ideen sicher durchf hren lie e (Metaph. A 6, 987 b 20-23; 9,991 b 9; Λ 8,1073318-22; M r, 1076317-20; 6,1080 b 11-14; 8, 1083317/18; 9,1086311-13; N 3,1090 b 32/33) ". Wenn Aristoteles De anims I 2,404 b 16-27 berichtetTO, Platon habe im „Timaios" die Weltseele „aus den Elementen" entstehen lassen (την ψυχήν εκ των στοιχείων ποιεί, 4°4 b 16/17), u^d dies unter Hinweis auf seinen Dialog Περί φιλοσοφίας so erl utert, da sich in der Seele die Abfolge der Dimensionen entsprechend den Erkenntnisarten (also νους = eins; επιστήμη = „erste L nge"/zwei; δόξα = „erste Breite"/drei; αΐσθησις = „erste Tiefe/vier) gegeben finde und deshalb die Seele in ihren Bestandteilen auf die Elemente der Zahlen, also auf die Eins und die Unbegrenzte Zweiheit zur ckgef hrt werden k nne, so steht dahinter der Gedanke, da das Mathematische und das Seelische dieselbe Struktur aufweisen, insofern mathemstisches Erkennen das Seelische in seinen M glichkeiten rein verwirklicht. Wie die Seele als erkennende zwischen dem zur Einheit konvergierenden Geistigen und dem zur Vielheit divergierenden Sinnlichen vermittelt, so da sie 3ls eigentlicher Ort der Diskursivit t die „Mitte" ausmacht, dabei aber gleichzeitig als vermittelnde in ihren Erkenntnisverm gen die Vermittlung selbst in Richtung auf die vermittelten Extreme berschreitet und so Sitz aller Erkenntnisverm gen ist, so haben die Gegenst nde der Mathematik zwar (als kommensurable) in der Vermittlung von Einheit und Vielheit ihre Wirklichkeit, weisen aber gerade dadurch auf die in ihnen vermittelten Prinzipien: Nicht nur ist in jedem Bereich des Mathematischen nach dem Vorbild der Zahlen solche Vermittlung von Einheit und Vielheit in je besonderer Weise gegeben und dadurch insgesamt die Abfolge der Dimensionen als Weg von der Einheit zur Vielheit gesehen, sondern es bietet (wobei dies der in den Dislogen vorherrschende Aspekt ist) auch die einzelne msthemstische Figur jenseits ihres diskursiven Ausdruckes eine einheitliche eidetische Form, diesseits eine sinnlich wahrnehmbare Erscheinung dar71. 69 Vgl. als berblick ber die Problematik Ross, Comm. in Arist. Metaph., vol. I, LI-LXXI. Auf das Aufz hlen einzelner L sungsversuche kann hier verzichtet werden; vgl. S. 39 mit Anm. 68. 70 Vgl. Gaiser, Pl. ungeschr. Lehre, 44-46, 345/346, 485/486; derselbe, Quellenkritische Probleme der indirekten Platon berlieferung, in: Idee und Zahl, 31-84, dort 49-63. 71 H. D rrie, Art.: „Platon", RGG Bd. 5,410: „Knappste Formel: Das Mathematische ist die mittlere Proportionale zwischen dem absoluten und dem bezogenen Sein." -

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b) Die vielf ltige Benennung der Prinzipien als Ausweis ihrer strukturalen Geltung (i) Es f llt auf, da die Zeugnisse, die zur Rekonstruktion von Platons Vorlesung „ ber das Gute" herangezogen werden k nnen72, die beiden Prinzipien in unterschiedlicher Weise benennen: Simplikios erl utert In Arist. phys. 247, 30 &.. D. die recht h ufige Behauptung des Aristoteles, Platon habe die ΰλη als μέγα καΐ μικρόν bezeichnet, mit einem Zitat aus der Schrift Hermodors ber seinen Lehrer Platon73, das ber Derkylides und Porphyrios auf ihn gekommen ist 74 . Daraus wird - wie Simplikios einleitend bemerkt - deutlich, „da Platon die Materie als Unbegrenztes und Unbestimmtes auffa te und sie aufgrund dieser Merkmale den Dingen zurechnete, die das Mehr und das Weniger7S Vgl. Gaiser, PL ungeschr. Lehre 66, 89-99 (besonders 91 oben); derselbe, AGPh 46, 1964, 241 ff.; derselbe, Quellenkrit. Probl. d. indirekt. Platon berliefrung, in: Idee und Zahl, 31-84, dort 39-49 (zu Arist. Metaph. N 3, 1090 b 13 -1091 a 5); ferner Theiler, Einheit und unbegrenzte Zweiheit, in: Isonomia, 89-109, dort ιοί ff. K. H. Ilting, Gnomon 37, 1965, 131-144 (besonders 133 ff.) wendet gegen Gaiser ein, die Vierzahl der Folge Zahl - Linie - Fl che - K rper k nne unm glich in Analogie zur Dreizahl von Geisteswelt - Seele - Sinnenwelt gedacht worden sein; er verkennt, da es Platon nicht um eine inhaltlich-anschauliche Identit t, sondern um die - f r ihn bedeutsamere - Gemeinsamkeit von Strukturen geht: Die Zahlen geh ren als exemplarische Form der zur Einheit gebrachten Vielheit dem Geistigen an und sind durch die Eins als ihrem Prinzip auf die Spitze des Ganzen bezogen; die Dreidimensionalit t tendiert als Form des K rperlichen zur sinnlich wahrnehmbaren Vielheit; Linie und Fl che geh ren der Seele besonders eng zu, weil sie deren Doppelgeriditetheit als vermittelnde zeigen, indem die Linie (επιστήμη) auf die Einfachheit der Eins, die Fl che (δόξα) auf die Entfaltung zur Dreidimensionalit t hinweist. 72 Vgl. die zusammenfassende Auswertung und Darstellung der hier herangezogenen drei Zeugnisse Simplic. In Arist. phys. 247, 30 ff. D., Sextus Empir. Adv. math, ίο, 263-275 und Alex. Aphrod. In Arist. metaph. 56,13-18 H. (Περί τάγαθοΰ fr. 2 Ross) durch eine Graphik bei Wilpert, Zwei aristotel. Fr hschriften, 191, und bei Kr mer, Arete, 286. 73 Hermodor ist von der sonst durch Aristoteles bestimmten Περί τάγαθοΰ-Tradition unabh ngig und sein Zeugnis deshalb besonders wertvoll. Vgl. Cherniss, Criticism, 169-171, 286/287; Wilpert, Hermes 76, 1941, 232/233; derselbe, Zwei aristotel. Fr hschriften, 183, 1920.; de Vogel, Mnemosyne IV 2, 1949, 205 ή.; Gaiser, PL ungeschr. Lehre, 495/496; derselbe, Quellenkritische Probleme der indirekten Platon berlieferung, in: Idee und Zahl, 31-84, dort 37/38, 70 mit Anm. 86. 74 Zur genauen Abgrenzung des Hermodor-Zitates im Simplikios-Text vgl. die Anm. 73 zitierten Arbeiten. Hier wird nichts pr judiziert, da bez glich des Zitat-Anfanges vorsichtig verfahren, das (noch schwieriger abzugrenzende) Zitat-Ende aber nicht benutzt wird. 75 Die Wiederholung des Artikels vor dem zweiten Gliede der Doppelausdr cke μάλλον και ήττον und μέγα και μικρόν ist bei Aristoteles (z. B. Phys. III 4,203 a 16:

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annehmen, wozu auch das Gro e und das Kleine geh rt" (δτι την ΰλην ό Πλάτων κατά το άπειρον και αόριστον υποτιθέμενος απ' εκείνων αυτήν έδήλου των το μάλλον και το ήττον επιδεχομένων, ων και το μέγα και το μικρόν εστίν, 247,34~248> J)· Zur Begr ndung dieser Behauptung f hrt Simplikios 248, 2 ff. die von Hermodor mitgeteilte platonische Gliederung des Seienden an: Platon gliedert das Seiende in An-sich-Seiendes (καθ* αυτά, z.B. Mensch, Pferd) und Im-Verh ltnis-zu-etwas-anderem-Seiendes (προς Ιτερα) und unterteilt letzteres in Gegens tzliches (προς εναντία) und Relatives (προς τι). Innerhalb dieser drei Gruppen ist alles, was in einer Relation wie das Gro e zum Kleinen steht, dem μάλλον και ήττον unterzuordnen. Demnach fallen die Relativbegriffe (z. B. breiter - enger, schwerer - leichter) ganz, von dem Gegens tzlichen (das stets als Wertgegensatz, wie z. B. gut schlecht, gleich - ungleich, bewegt - unbewegt, gedacht ist) aber jeweils das negative Glied des Gegensatzes (also z. B. die Bewegung, die schneller oder langsamer sein kann) unter das μάλλον και ήττον, w hrend das positive Glied (also z. B. die Ruhe) als Fixum dem εν zugeh rt. Sextus Empiricus Adv. math, ίο, 263-27576 bringt zun chst die Dreiteilung κατά διαφοράν, κατ' έναντίωσιν und προς τι und erkl rt dann die κατά διαφοράν als An-sich-Seiendes (καθ' έαυτά, ζ. Β. Mensch, Pferd) im Unterschied zu dem, das in einem Verh ltnis zu etwas anderem steht (κατά την προς έτερον σχέσιν) (ίο, 263). Die κατ' έναντίωσιν werden mit Wertgegens tzen (z.B. gut - schlecht, gerecht - ungerecht), die προς τι mit Relationsbegriffen (z. B. rechts - links, oben - unten) erl utert (10, 264/265). Die καθ' έαυτά sind, da ihr „An-sich-Sein" wesentlich ein „Eines-Sein" ist, dem Iv, die positiven Glieder des Gegens tzlichen als dem Mehr-und-Weniger nicht zug ngliche dem Gleichen (ίσον), die negativen Glieder als dem Mehr-und-Weniger zug ngliche dem Ungleichen (ανισον), die Relativbegriffe, die als solche komparativischen Charakter haben, dem bertreffenund-Zur ckbleiben (υπεροχή και ελλειψις) als ihren Genera untergeordnet (10,270-274). Weiterhin l t sich das ίσον der Eins als dem prim r mit sich selbst Gleichen zuweisen (το γαρ εν πρώτως αυτό έαυτω εστίν ίσον),

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Πλάτων δύο τα ίίπειρα, το μέγα καΐ το μικρόν) polemische Absicht, beeintr chtigt hier aber nicht die M glichkeit, jedes Paar als einen Ausdruck f r die Relatio nalit t anzusehen. Als Quelle f r die Lehre Platons rechtfertigt diese Stelle, die in pythagoreischer Einkleidung erscheint, zuletzt Gaiser, Quellenkritische Probleme der indirekten Platon berlieferung, in: Idee und Zahl, 31-84, dort 63-83, ist dabei aber vorsichtig darin, den ganzen fraglichen Zusammenhang (Adv. math, ίο, 248-284) als akademisch anzusehen und eine bestimmte Aussage ber den Weg der Tradition zu machen.

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die Ungleichheit dagegen findet sich in dem bertreffen-und-Zur ckbleiben wieder (ή άνισότης εν υπεροχή και ελλείψει). Das bertreffen-und-Zur ckbleiben tritt zuerst an der Zwei auf (insofern diese n mlich griechisch als Zahlenverh ltnis 2:1, also als Relation διπλάσιον : ήμισυ gedacht wird77), so da diese als αόριστος δυάς zur Bezeichnung der Relationalit t schlechthin dienen und damit zum Namen des zweiten Prinzips werden kann (ή υπεροχή καΐ ελλειψις κατά τον της αορίστου δυάδος λόγον τέτακται, έπειδήπερ ή πρώτη υπεροχή και ελλειψις εν δυσίν εστί, τφ τε ύπερέχοντι και τφ ύπερεχομένω) (10,275). Alexander von Aphrodisias benennt In Arist. metaph. 56, 13-18 H. das Gleiche und das Ungleiche als die platonischen Prinzipien alles - hier in An-sich-Seiendes und dessen Gegenteil gegliederten - Seienden (το ίσον και το ανισον αρχάς απάντων των τε καθ' αυτά όντων και των αντικειμένων) und begr ndet diese Setzung damit, Platon habe alles auf ganz einfache Urspr nge zur ckf hren wollen (πάντα γαρ έπειρατο ως εις απλούστατα ταΰτα άνάγειν); das Gleiche aber habe er der Einheit (μονάς), das Ungleiche dem bertreffen-und-Zur ckbleiben (υπεροχή και ελλειψις) zugeschrieben. Die Wiedergabe des zweiten Prinzips als δυάς erkl rt auch Alexander damit, da die Zwei mit dem in ihr sich findenden Gro en-und-Kleinen der (exemplarische) Ort der Ungleichheit und des bertreffens-und-Zur ckbleibens sei und deshalb als αόριστος δυάς das Unbestimmte und Unbegrenzte an sich bezeichne (εν δυσι γαρ ή άνισότης, μεγάλω τε και μικρω, α εστίν ύπερέχον τε και έλλειπαν, διό και αόριστον αυτήν έκάλει δυάδα, δτι μηδέτερον, μήτε το ΰπερέχον μήτε το ύπερεχόμενον, κα·θό τοιούτον, ώρισμένον, αλλ' αόριστον τε καΐ άπειρον). Die unterschiedliche sprachliche Gestalt, in der sich die Gliederung des Seienden, die Schritte seiner R ckf hrung auf die Prinzipien und die Prinzipien selbst darbieten (so da etwa das Paar ΐσον-ανισον bei Hermodor als beliebiges Beispiel f r die Gegens tzlichkeit, bei Sextus als mehrere Ausformungen dieses Gegensatzes umfassende Gattungen, bei Alexander als Bezeichnung f r die Prinzipien selbst auftritt) ist ein Ausweis daf r, da es auf die genaue inhaltliche Festlegung bei der sprachlichen Wiedergabe der Prinzipien gar nicht ankommt, da es vielmehr darum geht, die Einheit und Relationalit t als ihre Strukturen und die Gegens tzlichkeit als Form ihres Verh ltnisses zueinander deutlich werden zu lassen. Entsprechend lassen sich in der Vielf ltigkeit der Benennungen doch bestimmte (naturgem einander berschneidende) Benennungsmotive beobachten:

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1. Die gemeinte Struktur wird in dem Bereich aufgesucht, in dem sie am deutlichsten hervortritt, also z.B. im Bereich des Quantitativen als μέγα και μικρόν. 2. Der allgemeinere und umfassendere Ausdruck wird dem besonderen und nur auf einen bestimmten Seinsbereich beschr nkten vorgezogen, so z. B. das μάλλον και ήττον dem μέγα και μικρόν. 3- Die gemeinte Struktur wird nach demjenigen benannt, an dem sie sich in einer Reihe gleichartiger Formen zuerst oder am einfachsten findet, wie z. B. die υπεροχή και ελλειψις an der Zwei. (2) Die in der sprachlichen Form der platonischen Prinzipien erkennbaren Benennungsmotive sind auch in den Schriften des Aristoteles selbst, und zwar zum Teil im Referat der platonischen Lehren, zum Teil aber auch in seinen konstruktiven Aussagen sichtbar: Als Stellen, an denen f r den Prinzipiengegensatz die Unterordnung besonderer Formen unter allgemeinere sichtbar wird, sind zu nennen Phys. I 4, 187 a 16/17 (μέγα και. μικρόν als υπεροχή και ελλειψις)77; 6, 189 b 9-11 (πυκνότης και μανότης und μάλλον και ήττον als υπεροχή και ελλειψις); Metaph. Α 9,99 2 b J~7 (μέγα και μικρόν und πυκνόν και μανόν als υπεροχή και ελλειψις); Η 2,1042 b 33~35 (μάλλον και ήττον und πυκνόν και μανόν als υπεροχή και. ελλειψις)78. Ferner ist Metaph. Μ 9> 1085 a 9-12 anzuf hren, wo bei der Darstellung der platonischen Dimensionenfolge μακρόν καί βραχύ, πλατύ και στενόν und βαθύ και ταπεινόν als είδη του μεγάλου και μικρού erscheinen. Metaph. Λ ίο, 1075^32/33 werden zur Kennzeichnung des akademischen Prinzipiengegensatzes die Paare ίσον — ανισον und (wahrscheinlich auf Speusipp zutreffend79) εν — πολλά genannt: οί δε το έτερον των εναντίων υλην ποιοΰσιν, ώσπερ οί το ανισον τφ ΐσφ ή τφ ένί τα πολλά. Entsprechend hei t es Ν ι, 1087 b4-6: οί δε το έτερον των εναντίων υλην ποιοΰσιν, οί μεν τφ ένί το ανισον, ως τοΰτο την του πλήθους οΰσαν φύσιν, ό δε τφ ένί το πλήθος, dann (nach einer Parenthese ber die Wirkung der Prinzipien bei der Entstehung der Zahlen) 9-11: και γαρ ό το ανισον καί εν λέγων τα στοιχεία, το δ* ανισον εκ μεγάλου καί μικρού δυάδα, ως εν οντά το ανισον καί το μέγα καί το μικρόν λέγειΜ. Diese Stellen zeigen mit der Nennung des ΐσον - ανισον und mit der Erkl rung des ανισον (das durch das μέγα καί 77 78 79 80

Vgl. Wilpert, Zwei aristotel. Fr hschriften, 196. Vgl. zu dieser Stelle ausf hrlich S. 80. Vgl. Ross, Comm. in Arist. Metaph., vol. II 455, zu M 9, 1085 a 9. Hier erkennt also Aristoteles die Bezeichnung des einen δπειρον durch einen Doppelausdruck ausdr cklich an; vgl. S. 41, Anm. 75.

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μικρόν in seiner Struktur kenntlich gemacht wird) als δυάς jenes Benennungsmotiv, das den einfachsten oder ersten Fall einer an verschiedenen Ph nomen sich findenden Struktur als Prinzip dieser Ph nomene setzt. Es bleibt nun allerdings die Frage, wie sich diese Benennungsmotive so deuten und miteinander verbinden lassen, da von einem „Analogie-Denken" im strengen Sinne des Wortes αναλογία als Proportion die Rede sein kann. c) Die Einheit des vielf ltigen Auftretens von Einheit und Vielheit als Proportionalit t (i) In seiner Tugendlehre im „Staat" versteht Platon unter σωφροσύνη die M igkeit gegen ber Affekten, die zu einem vernunftwidrigen Verhalten antreiben, w hrend die ανδρεία Hindernisse, die einem vernunftgem en Verhalten im Wege stehen, berwindet, so da sich unter der Herrschaft der φρόνησις (σοφία) das richtige Verh ltnis aller Seelenteile beziehungsweise aller St nde als δικαιοσύνη herstellt81. Dabei ist mit δικαιοσύνη diese Ordnung wesentlich als Ordnung des Staates als der Gemeinschaft von Menschen bezeichnet, w hrend sie als angemessene Verfa theit des einzelnen Menschen ebensogut σωφροσύνη hei en, also von der Einschr nkung des Triebhaften durch die Vernunft her gesehen werden kann K. Konstitutiv f r die Ordnung im Staat und in der Seele des Einzelnen ist, da jeder Stand beziehungsweise jeder Seelenteil die ihm im Rahmen des Ganzen angemessene (das hei t: nach Ma gabe der Philosophenk nige beziehungsweise der Vernunft zugeteilte) Aufgabe erf llt. Zur wichtigsten Bestimmung der δικαιοσύνη wird deshalb das τα εαυτού πράττειν: τοΰτο ... κινδυνεύει ... ή δικαιοσύνη είναι, το τα αύτοΰ πράττειν (Resp. 4» 433 b 3/4) ω · Diese Bestimmung der Gerechigkeit verweist nicht nur auf die konkrete Gestalt des platonischen Staates als Aristokratie, sondern auch auf die Art und Weise seiner Identit t mit der Seinsordnung als Proportion. Schon im „Gorgias" bezeichnet Sokrates als Prinzip, das die Ordnung der Welt und die der Menschen bestimmt, die geometrische Gleichheit (ή Ισότης ή γεωμετρική), welche ja stets die Form der Proportion hat (507 e 6 508 a 7). Eingehender wird dann die rechte Staatsordnung als ίσότης γεωM Vgl. insgesamt Resp. 4,427 e 6 - 444 e 6. Z. B. Resp. 4,442 c 10 - d i. 83 Vgl. Resp. 4,433 d4 und 9; e 12/434 a τ'> 441 d 9/10; e 1/2; 443 b 1/2; 09-4443 i (0; 5,423 b* Tim. 72 a 82

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Platon: Der Gegensat2 von Sein und Erscheinung

μετρική (= lustitia distributiva) in den „Gesetzen" 5,744b2-di und 6,757 b i - d 5 er rtert, woran wiederum Aristoteles EN V 6, 1131 a 10 ff. bei seiner Beschreibung der verschiedenen Formen von Gerechtigkeit ankn pft84. Aristoteles definiert dort 1131 a 29 ff. das Gerechte als Gleichheit der Verh ltnisse, also als Proportion (αναλογία), und unterscheidet diese αναλογία γεωμετρική γ, 1131 b 25 ff. von der αναλογία αριθμητική (= lustitia correctiva). F r Platon ist die lustitia distributiva die Gerechtigkeit schlechthin: Sie herrscht, wenn zwischen dem „Wert" eines Menschen (a) und seinem Einflu im Staat (b) und dem (absolut m glicherweise gr eren oder geringeren) „Wert" eines zweiten Menschen (c) und seinem Einflu (d) dasselbe Verh ltnis besteht, also die Proportion a : b = c : d gilt. Wird eines der Glieder der Proportion gr er oder kleiner, als es zu deren Konstitution erforderlich ist, so bricht sie auseinander, und es herrscht Ungerechtigkeit. Entsprechend hei t es in den „Gesetzen", eine ihrem Verm gen direkt proportionale Beteiligung der B rger an mtern, Eink nften und Verteilungen sei zur Vermeidung von Zwietracht (!) erforderlich: ..., ίνα (sc. die B rger) ... τάς τιμάς τε και αρχάς ως Ισαίτατα τω άνίσφ συμμέτρφ δε απολαμβάνοντες μη διαφέρωνται (5,744 C2 ~4) und - 1070321/22; vgl. insgesamt bis 10703 30; ferner A4, 1070 b 30—34; dort 33: ύγ'ιεια γαρ πως ή ιατρική, και οΙκίας είδος ή οικοδομική). Unter dieser Voraussetzung mu aber der grundlegende Unterschied zwischen dem von Natur Seienden und den Artefakten betont werden, den Aristoteles macht und der hier wegen der parallelen Aussonderung der Bewegungsursache als einer solchen, die von au en wirkt, aus dem Blick geraten ist: ή μεν ουν τέχνη αρχή εν αλλω, ή δε φύσις αρχή εν αΰτω (Λ 3> 107037/8). Die τέχνη bringt eine Form von au en an die Materie heran und gibt so den Ansto zu ihrer Verwirklichung, die φύσις verwirklicht sich aus eigenem Antrieb in dem Seienden, dessen φύσις sie jeweils ist 7 . Vom Standpunkt der „Physik", die die φύσει οντά ausdr cklich als solches Seiende, das das Prinzip seiner Bewegung in sich selbst hat, zu ihrem Gegenstand macht und von den Artefakten unterscheidet (vgl. Phys. II i, i9ab 13 ff.), braucht von vornherein nicht mit von au en wirkenden Ursachen gerechnet zu werden, so da hier αρχή und στοιχεΐον wiederum synonym erscheinen (Phys. 11,184 a 23; b 25 u. .). 6 Das entspricht der Unterscheidung Metaph. Δ ι zwischen immanenten und von au en wirkenden άρχαί und der Zugeh rigkeit der στοιχεία zu den ersten. Vgl. 8.63. 7 Aristoteles betont, da die Formen der Artefakten nur zusammen mit der Materie, an der sie sich jeweils finden, ihre Wirklichkeit haben (Metaph. Λ 3, 1070 a 13-17), erw gt dagegen f r die είδη des von Natur Seienden eine gewisse Selbst ndigkeit und bemerkt, es sei gar nicht so unsinnig, da Platon f r das von Natur Seiende Ideen angenommen habe (1070 a 17-19). F r Aristoteles tritt nat rlich an die Stelle der Idee die Form, die in dem Seienden selbst wirkt, ein (1070327/28); es k nnte aber mit diesem Hinweis auf die platonischen Ideen ein Indiz daf r vorliegen, da der unbewegte Beweger ein Relikt des platonischen κόσμος νοητός ist. Wie das είδος (Bewegungs-) Ursache f r das einzelne Sinnending ist, so ist er (Bewegungs-) Ursache f r die Sinnenwelt als ganze. Vgl. S. 126/127 mit Anm. 118.

Die Einheit und Vielheit des einzelnen Seienden

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(5) Es zeigt sich also: Platon richtet sein Prinzipiendenken am στοιχεΐονBegriff der Mathematik aus, versteht entsprechend das Einfache als Ursache des Zusammengesetzten und denkt es als solche Ursache unabh ngig von dem, dessen Ursache es ist: αρχή und στοιχεΐον sind so als Bezeichnung f r transzendente Prinzipien synonym. - Aristoteles dagegen denkt die Ursache von dem her, dessen Ursache sie jeweils ist, und fa t deshalb die στοιχεία der Mathematik (Geometrie) anschaulich als ένυπάρχοντα auf. Es wird so dieses Wort bei Aristoteles zur vorz glichen Bezeichnung f r seine Materialursache und damit f r denjenigen Aspekt der aristotelischen ουσία, der auf jeden Fall nicht in der Transzendenz begr ndet ist. Da nun vom Standpunkt der Physik alle Ursachen in dem anzutreffen sind, dessen Ursachen sie sind, k nnen sie als άρχαί και στοιχεία angesprochen werden. Einander entgegengesetzt oder doch in ihrem Bedeutungsumfang verschieden sind αρχή und στοιχεΐον dort, wo unter theologisch-teleologischem oder epistemologischem Gesichtspunkt die Causa efficiens oder die Causa formalis in ihrem Verh ltnis zur materiegebundenen Gegebenheit des Einzelnen besonders herausgestellt werden soll. b) Summum Genus oder Infima Species als Prinzip des einzelnen Seienden (i) Die siebte Aporie im Buche B der „Metaphysik" (B 3,998 b 14999 a 23) kn pft an die Antithese der vorangehenden an und fragt unter der Voraussetzung, da die Gattungen (oder besser: die von dem einzelnen Seienden ausgesagten κοινά) Prinzipien sind, ob die oberste Gattung oder ob das vom Individuum zuletzt Ausgesagte Prinzip sei8. Das erste Argument daf r, da nicht das oberste Genus, sondern das zuletzt Ausgesagte Prinzip sei, lautet (998 b 22-28): εν und ov k nnen deshalb keine Genera sein, weil die Differenzen, mittels derer sie sich als Genera differenzieren m ten, ebenfalls eins und seiend sind und so bereits als Species den Gattungen angeh ren w rden, die sie allererst - hinzutretend - differenzieren sollen; es sei denn, man wollte Sein und Einssein der Differenzen leugnen (b 23-27). Wenn nun - was nach 998 b 9-11 platonische Lehre ist - die Genera Prinzipien sind, so folgt, da εν und ov, da sie keine Genera sind, auch keine Prinzipien sein k nnen (b 27/28). 8 Zur Interpretation dieser Aporie vgl. S. Pines, A new fragment of Xenocrates and its implications, Transactions of the American Philosophical Society 51, 1961, 3-34, bes. ίο ff.; A. C. Lloyd, Genus, species and ordered series in Aristotle, Phronesis 7, 1962, 67-90, dort 71/72.

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Audi das zweite Argument (998 b 28-99931) stellt eine Dihairesis aus dem εν/δν als Summum Genus vor und folgert, da die zwischen dem Anfang und den Endpunkten der Dihairesis erscheinenden Glieder durch Wirkung der sie konstituierenden spezifischen Differenzen (τα μεταξύ συλλαμβανόμενα μετά των διαφορών, b 28/29) ebenfalls Genera und also nach der platonischen Voraussetzung, da die Genera Prinzipien sind, Prinzipien sein m ten. - Der Zusatz, in einem solchen Falle w ren die Differenzen in h herem Grade Prinzipien als die Genera (προς δε τούτοις μάλλον αϊ διαφοραί άρχαί ή τα γένη, b 30/31), l t sich so verstehen, da das vorgeordnete Genus, das potentiell die ihm untergeordneten Genera in sich enth lt, weniger eins und seiend ist als diese untergeordneten Genera selbst, insofern sie durch die Wirkung der sie jeweils konstituierenden Differenz aktuell und damit ein εν und ov sind; διαφοραί sind also einfach die untergeordneten Genera, gesehen in ihrem Verh ltnis zu dem ihnen vorgeordneten Genus9. Diese Interpretation entspricht der Abfolge der Argumente in der These, die von dem εν und ov als obersten Genera (vorhergehendes Argument) ber das Einssein und Sein der Genera media (vorliegendes Argument) bis zum Einssein des zuletzt Ausgesagten (folgendes Argument) herabf hrt. Der Schlu satz: ει δε και αύται (sc. αϊ διαφοραί) άρχαί, άπειροι ως ειπείν άρχαί γίγνονται, άλλως τε καν τις το πρώτον γένος αρχή τίϋη (b 31 / 999a J ) bedeutet dementsprechend, da alle nur denkbaren Genera media die von Platon genannten Bedingungen des Prinzip-Seins, n mlich εν und ov zu sein, erf llen und es deshalb, tr fe Platons Lehre zu, eine unendliche Zahl von Prinzipien geben m te10. 9 Nach Ross, Comm. in Arist. Metaph., vol. I 236, geht Aristoteles hier davon aus, da jede spezifische Differenz an sich (nach Top. VI 6, 144 b 5-11, aber im Gegensatz zu der sonstigen Auffassung des Aristoteles, die das είδος und die es konstituierende Differenz identifiziert, z. B. Metaph. Z 12,1038 a 19/20) einen weiteren Bedeutungsumfang als das durch sie bestimmte είδος (hier: untergeordnete Genus) hat und wegen dieser gr eren Allgemeinheit mehr Prinzip ist. Diese Erkl rung entspricht zwar dem weiteren Zusammenhang der Aporie, nach dem die Genera wegen ihres καθόλου-Charakters als Prinzipien gelten sollen, nicht aber dem Gedanken des vorliegenden Argumentes, dessen Wirkung darauf beruht, da alle Genera - ohne R cksicht auf den Grad ihrer Allgemeinheit - ein gv und δν sind. 10 Beachtenswert ist allerdings der Zusatz: ως εΙπεΐν zu dem άπειροι; mit ihm scheint angedeutet, da nicht eigentlich mit unendlich vielen Genera zwischen dem obersten Genus und dem zuletzt Ausgesagten zu rechnen ist (die An. post. 122, besonders 83 a 36 ff., vorgetragene Pr dikationstheorie - dazu hier S. 117 ff. — mu jeweils mit einer endlichen Zahl von Schritten bis hin zu den γένη του δντος rechnen, damit Beweise m glich sind); vielmehr wird hier nur der Eindruck der Absurdit t hervorgerufen, die darin best nde, s mtliche Genera media, insofern sie eins und seiend sind, als Prinzipien dessen zu nehmen, von dem sie ausgesagt werden.

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Im dritten Argument (999 a 1-6) gesteht Aristoteles dem εν Prinzipiencharakter zu und erkl rt „Einheit" als „Unteilbarkeit". Die daraufhin vorgenommene Unterscheidung zwischen eidetischer und quantitativer Unteilbarkeit und die Vorrangigkeit des Eidetischen vor dem Quantitativen f hren, angewandt auf die Tatsache, da man bei fortlaufender Teilung der γένη schlie lich zu den είδη gelangt, zu dem Schlu , da das zuletzt Ausgesagte mehr eins ist (also mehr Prinzip ist) als alle vorangehenden Stufen (μάλλον αν εν το εσχατον εΐη κατηγορούμενον, b4/5)· Die Unterscheidung zwischen eidetischer und quantitativer Unteilbarkeit und die H herbewertung ersterer erlauben es Aristoteles, mit dem Erreichen des εΐδος „Mensch" die Forderung nach Unteilbarkeit erf llt zu sehen, so da hier das Verh ltnis des είδος „Mensch" zum individuellen Menschen, der εν κατ' αριθμόν und so bedingt auch εν κατά το ποσόν ist, nicht gekl rt zu werden braucht n. Deshalb der Schlu satz: Der Mensch ist nicht Genus (n mlich in είδη Teilbares) der individuellen Menschen (ου γαρ εστί γένος άνθρωπος των τινών ανθρώπων, 35/6). Das vierte Argument (999 a 6-13) geht davon aus, da Dinge, die im Verh ltnis des „Fr her und Sp ter" (πρότερον και ύστερον) stehen, zwar einen gemeinsam von ihnen geltenden (Gattungs-)Begriff (το επί τούτων, a 7) haben, da dieses Gemeinsame aber kein selbst ndiges Sein neben dem, von dem es gilt, (παρά ταΰτα, a 7) besitzt. Als Beispiele f hrt Aristoteles das „Fr her und Sp ter" in der Ordnung der Zahlen und geometrischen Figuren an, in der es neben der Reihe der Zahlen beziehungsweise der Abfolge der Figurenarten nicht „die Zahl an sich" oder „die Figur an sich" gebe. Es folgt: „Wenn aber bei diesen (sc. den Zahlen und Figuren) nicht die Gattungen neben den Arten bestehen, so wird solches noch weniger bei den anderen Dingen der Fall sein; denn vorz glich von diesen scheinen Gattungen zu existieren. Bei den Individuen aber findet sich kein Fr her und Sp ter" (ει δε μη τούτων, σχολή των γε άλλων εσται τα γένη παρά τα είδη· τούτων γαρ δοκεϊ μάλιστα είναι γένη· εν δε τοις άτόμοις ουκ εστί το μεν πρότερον το δ' ύστερον, a 10-13). Die Aussage bedeutet einerseits, da Individuen gleichrangig unter ihrem είδος qua εσχατον κατηγορούμενον stehen und folglich die είδη selbst ndig neben den Individuen (παρά ταΰτα) existieren, von denen sie ausgesagt werdenI2, da hingegen diese είδη selbst n Zur Unterscheidung άδιαίρετον (εν) κατ' εΐδος, άδιαίρετον (£ν) κατ' αριθμόν und άδιαίρετον (ε"ν) κατά το ποσόν vgl. S. 63, Anm. 3. 12 Die Infimae Species erscheinen in diesem Text (Metaph. B 3, 998 b 14 ff.) als τα ε*σχατα κατηγορούμενα επί των ατόμων (998 b i6; 999 a 5)> ak τα Έσχατα γένη

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in einem Verh ltnis des „Fr her und Sp ter" stehen und deshalb die von ihnen ausgesagten Genera jeden Grades von Allgemeinheit zwar επί τούτων, nicht aber παρά ταύτα sind. Wie diese Ordnung des „Fr her und Sp ter" der είδη zu denken sei, ist freilich aus dem Argument nicht ohne weiteres zu entnehmen13. Da es Aristoteles hier auf die Abwehr des εν und des δν als Genera mit Prinzipiencharakter ankommt, hat das Argument die Aufgabe zu zeigen, da zwar von allen είδη (und γένη) das εν/δν ausgesagt werden kann, εν und ov also επί τούτων sind, da daraus aber keineswegs auf ihre selbst ndige Existenz als Prinzipien geschlossen werden darf. Das f nfte Argument (999 a 13/14) betont das „Fr her und Sp ter" im Verh ltnis des Besseren zum Schlechteren und weist entsprechend darauf hin, da auch hier kein (selbst ndig existierendes14) Genus vorliegt. Es ist insofern nur eine Appendix zum vierten Argument, dabei aber bedeutsam, weil es das „Fr her und Sp ter" unter axiologischem Aspekt betrachtet. (2) Vor dem Hintergrund der platonischen Lehre ist nun die Verwendung der Zahlen- und Figurenreihe in einem Zusammenhang, der untersucht, ob εν und ov oberste Genera und damit Prinzipien sein k nnen, h chst bemerkenswert: In Verbindung mit zwei weiteren Aristotelesstellen, die die Reihe der Zahlen und die Abfolge geometrischer Figuren als Beleg daf r anf hren, da der gemeinsame Oberbegriff von Dingen, die so im Verh ltnis des „Fr her und Sp ter" stehen, nicht unabh ngig neben seinen Sonderungen bestehe und sich definieren lasse, l t sich n mlich vermuten, da das im vierten Argument (B 3, 999 a 6-13) vorausgesetzte „Fr her und Sp ter" der είδη auf die Stellung der platonischen Ideen im κόσμος νοητός als in einem Ordnungsgef ge zur ckweist. De anima II 3,414 b 20 ff. nennt Aristoteles die Abfolge der geometrischen Figuren, die das Dreieck und die aus Dreiecken zusammengesetzten komplizierteren Vielecke bilden und neben der es das „Vieleck an (E 4,999 a 31) oder als είδη, w hrend mit άτομα die Individuen bezeichnet sind. Vgl. Ross, Comm. in Arist. Metaph., vol. I 224. is Pines, a. a. O., u ert sich (wiewohl er 14 ff. ber das „Fr her und Sp ter" bei Zahlen und Figuren handelt) nicht zu den Bedingungen, die es Aristoteles erm glichen, dieses „Fr her und Sp ter" auf die είδη zu bertragen, sondern scheint einfach ein Argumentum a fortiore anzunehmen (μάλιστα, 999 an), so da das „Fr her und Sp ter" als Tertium comparationis eigentlich keine Rolle spielt. hnlich urteilt zun chst auch Alexander von Aphrodisias In Arist. metaph. 209,20-22 H., f hrt dann aber 209, 34 ff. anders fort, wozu gleich S. 72, Anm. 20. 14 Auff llig ist, da bei den Wertunterschieden nicht nur das παρά ταϋτα eines m glichen Oberbegriffes bestritten, sondern mit der Formulierung: &στ' ουδέ τούτων αν εΐη γένος (999 a !4) Jede Gemeinsamkeit geleugnet wird. Das d rfte damit zusammenh ngen, da αγαθόν und κακόν platonisch kategorial entgegengesetzt sind.

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sich" nicht gibt, als Beweis dafür, daß die „Seele an sich" unabhängig von der Abfolge der sie konstituierenden Seelenteile oder Seelenvermögen nicht existiert und daß sie ohne die Nennung der jeweils (entsprechend der Art des Lebewesens) in Frage kommenden Seelenvermögen auch nicht sinnvoll definiert werden kann. Nach De anima I 2,404 b 16-27 hat Platon die Vermögen der Seele mit den Stufen der Dimensionenfolge identifiziert1S; die Dimensionenfolge aber ist, wie gezeigt wurde16, vorbildlich für die Ordnung der Vielheit durch die Einheit in inhaltlich verschiedenen Bereichen, insofern sich unter der Wirkung der Eins mittels der Zahlen in jeder Dimension die Einheit und Ordnung in je besonderer Weise herstellt und sich so alle Dimensionen zu einem geordneten Ganzen zusammenschließen. Der in der Dimensionenfolge sichtbaren Ordnung entspricht die Abfolge der Vielecke (die im Bereich einer Dimension bleibt) grundsätzlich darin, daß mit dem Dreieck ein Einfaches als Prinzip gegeben ist, welches in der Reihe immer komplizierterer Vielecke als Grundform weiterwirkt. Es läßt sich also vermuten, daß das Beweismittel (die Abfolge der Figuren) nicht beliebig für den zu beweisenden Sachverhalt (die Seele als Abfolge ihrer Teile) gewählt ist, sondern beide in der Akademie in einem systematischen Zusammenhang gestanden haben17. EN I 4, 1096 a 17-23 (zu vergleichen ist die Parallele EE I 8,1218 a 1-15) spielt Aristoteles das in der Abfolge der Zahlen liegende „Früher und Später" und das dementsprechende Fehlen der „Zahl an sich" gegen die platonische Annahme einer Idee des Guten aus, wobei er bemerkenswerterweise das „Früher und Später" der Zahlen als von Platon selbst anerkannt bezeichnet (1096 a 17-19) und so versucht, Platon durch sich selbst zu widerlegen18. Mit dieser Abwehr der Idee des Guten sind (entsprechend is Vgl. S. 40. 16 Vgl. S. 57/58. 17 Anzumerken ist freilich, daß Aristoteles im Vergleich zu Platon die Abfolge der Figuren genau umgekehrt auf die Reihe der Seelenvermögen anwendet und sich so seine unterschiedliche Denkweise dokumentiert: Während Platon auf die Struktur der Seelenvermögen schaut und so im Abstieg vom Geist zur sinnlichen Wahrnehmung den Weg vom Einfachen zum Zusammengesetzten sieht, ist für Aristoteles der Weg vom Einfacheren zum mehr Zusammengesetzten mit dem Zuwachs gegeben, den das jeweils höhere Seelenvermögen (das alle niederen Seelenvermögen potentiell in sich enthält) gegenüber dem nächstniederen darstellt, so daß das Ernährungsvermögen hier als das Einfache am Anfang der Reihe steht; Aristoteles macht also das erfahrbare Frühervorhandensein zum Maßstabe für das „Früher und Später". - Der platonische Hintergrund des von Aristoteles gewählten Beispieles bleibt aber unverkennbar. l* Nach Metaph. M 6, 1080 b 11-14 findet sich das „Früher und Spätei" bei den Idealzahlen, nicht aber bei den mathematischen Zahlen. Ross, Comm. in Arist.

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dem Satze: τάγαθόν Ισαχώς λέγεται τω δντι, 1096 a 23/24) auch εν und δν als oberste Genera abgewehrt und der Grundsatz der Kategorienlehre: το δν λέγεται πολλαχώς gerechtfertigt, gleichzeitig freilich (entsprechend der Ordnung der Zahlen untereinander, die durch ihren Bezug auf die Eins gegeben ist) der Vorrang der ουσία vor allen anderen Seinsweisen und die Abh ngigkeit dieser Seinsweisen von ihr betont (1096 a 21; b 25-29). Nun kann - wie noch im weiteren zu zeigen sein wird19 - die aristotelische Lehre von der Beziehung der Akzidentien auf die ουσία als anschauungsorientierte Bew ltigung des Problemes des Einen und Vielen gelten, die als solche in Ankn pfung und Auseinandersetzung mit der platonischen Vorstellung von der Ordnung der Vielheit in allen Seinsbereichen mittels deren spezifischer Einheit durch die Wirkung der Eins selbst entstanden ist; damit ist aber auch in diesem Falle die Beziehung zwischen dem Beweismittel (der Zahlenordnung, welche ja als durch die Eins begrenzte Vielheit par exellence zu gelten hat) und dem zu beweisenden Sachverhalt enger als erwartet. Wegen dieses akademischen Hintergrundes darf man vermuten, da auch zwischen dem „Fr her und Sp ter" der Zahlen und Figuren und dem „Fr her und Sp ter" der είδη, die Metaph. B 3, 999 a 6-13 miteinander verglichen werden, aus platonischer Sicht eine enge Verbindung besteht; und zwar lie e sich angesichts der Analogie, die Platon zwischen mathematisch exakt bestimmbaren Ordnungsgef gen und dem Kosmos der Ideen herstellt, das „Fr her und Sp ter" der είδη als Hinweis auf die Stellung der platonischen Ideen im κόσμος νοητός als Glieder in einem Ordnungsgef ge verstehen. M glicherweise bernimmt Aristoteles das „Fr her und Sp ter" der είδη, das in seinem eigenen Denken ja berhaupt keinen Sinn hat, (hier unausgesprochen) als platonische Voraussetzung, um Platon aus seiner Sicht desto besser widerlegen zu k nnenΆ. Metaph., vol. 1237 (zu Metaph. 83,999 a 6-10) ist der Meinung, es komme Aristoteles selbst nicht auf diese Unterscheidung an; vom Standpunkt des platonischen Struktur- und Analogiedenkens, das hinter der aristotelischen Verwendung der Zahlen als eines beweisenden Beispieles sichtbar wird, weisen die Zahlen aber eben dadurch, da sie auf ihre Ordnung hin angesehen und als Vorbild f r einen anderen Sachverhalt genommen werden, ber ihren mathematischen Gebrauch hinaus (vgl. zum Begriff der „Idealzahlen" S. 39). Hierin liegt auch die Legitimation, die Eins als Prinzip der Zahlenordnung einzubeziehen, obwohl Aristoteles Metaph. B 3,999 a 8 einfach von der Zwei als der ersten Zahl ausgeht. 19 Vgl. vor allem S. 99 ff. 20 Die von den antiken Kommentatoren (Alex. In Arist. metaph. 210,6-9 H.; Syrian. In Arist. metaph. 34,26-29 K.; Asclep. In Arist. metaph. 182, 28-34 H.) im Anschlu an das f nfte Argument (Metaph. 63,999 a 13/14) zur Erkl rung des „Fr her und Sp ter" genutzte Wertverschiedenheit der Lebewesen (Gott - Mensct -

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Wenn nun Aristoteles unter diesen Umst nden den platonischen κόσμος νοητός dennoch als eine schematische Dihairesis aus dem εν/δν interpretiert (wie dies besonders die Antithese der vorangehenden Aporie und das erste und zweite Argument der These der vorliegenden Aporie zeigen) und entsprechend kritisiert, so ist dies nur daher verst ndlich, da Aristoteles demselben Sachverhalt mit einer anderen Denkweise begegnet. W hrend Platon das Moment, das jede Idee zum Glied des Ordnungsgef ges macht, ihr Sein und Einssein, als Prinzip des Ordnungsgef ges exponiert, schaut Aristoteles auf die inhaltliche Besonderheit jedes είδος, dem als diesem Besonderen Sein und Einssein zukommen, und kann so die Setzung des εν/δν als Prinzip als Hypostasierung von Allgemeinbegriffen verurteilen, so als bestimme die Pr dikation das platonische Prinzipiendenken. (3) Bemerkenswert ist, da Aristoteles in der These der vorliegenden Aporie zwar dem εν/δν und m glichen Genera media selbst ndiges Sein bestreitet, dabei aber das auf der untersten Stufe der vorgestellten Dihairesis stehende είδος qua εσχατον κατηγορούμενον eindeutig von dem Seienden unterscheidet, dessen εΐδος es ist, und ihm selbst ndiges Sein zubilligt, sich also anscheinend zu seiner blichen Lehre von der Untrennbarkeit der Form (als Entelechie des lebendigen K rpers) in Widerspruch begibt und so trotz seiner Polemik gegen ihn Platon nahesteht: Im dritten Argument (999 a i-6), welches die eidetische Unteilbarkeit als Kriterium f r den Prinzipiencharakter nimmt und so das zuletzt Ausgesagte zum Prinzip erkl rt, betont Aristoteles, der Mensch sei nicht Genus der individuellen Menschen, und bezeichnet damit den Grund, aus dem den Genera im Verh ltnis zu den εΐδη selbst ndiges Sein abgesprochen werden mu , als unzutreffend f r das Pferd) iind Farben (Wei als die beste Farbe) f hrt (ohne da hier von einer mathematischen Einordnung der Idee die Rede w re) auf die angesprochenen platonischen Zusammenh nge: Die Reihe „Gott - Mensch - Pferd" ist eine Wertstufang nach den Seelenverm gen und den diesen zugeordneten Formen der Dimensionalit t (Arist. De animal 2,404 b 16 ff.); in dem Gegeneinander von Gott und Mensch als άθάνατον und φθαρτόν (Syrian. In Arist. metaph. 34, 27 K.) findet sich das „Fr her und Sp ter" als Unterschied zwischen Geistes- und Sinnenwelt gegeben; die Spitzenstellung des Wei en unter den Farben l t sich durch den Vergleich der Stellen Plat. Tim. 67 c 4 ff., [Arist.] ProbLphys. 23,934 a 18; 41,93638 und Arist. Metaph. N 6,1093 b 21 in einen Zusammenhang mit der platonischen Prinzipienlehre bringen: In der Farbenlehre des „Timaios" 67 0 4 ff. (vgl. 8.17) ist das Durchsichtige die Mitte zwischen dem Schwarzen, das durch im Verh ltnis zum Sehstrahl gr ere, und dem Wei en, das durch im Verh ltnis zum Sehstrahl kleinere Teilchen zustande kommt; [Arist.]' Probl. phys. 23, 934 a 18 und 41,93638 aber erscheint das Durchsichtige als Wei es; Arist. Metaph. N 6, 1093 b 21 (vgl. S. 55 die Interpretation dieser Stelle im Zusammenhang der akademischen Gegensatzlehre) findet sich das Wei e in der Rolle des ?v (und αγαθόν) unter den Farben.

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Verh ltnis von είδος und Individuum, trennt also beide deutlich voneinander. - Im vierten Argument (999 a 6-13), laut dem den Genera wegen des „Fr her und Sp ter" der είδη selbst ndiges Sein nicht zukommt, erlaubt der Zusatz, da die Individuen nicht in einem solchen Verh ltnis des „Fr her und Sp ter" st nden, den Schlu , die είδη seien gegen ber den Individuen als παρά ταϋτα aufgefa t. Um nun freilich den Charakter der vorliegenden Aporie (mit deren These allein wir uns bislang befa t haben) richtig zu verstehen, darf man nicht voraussetzen, die Stellung des Prinzips παρά τα πράγματα stehe hier f r Aristoteles selbst fest und es gehe nur darum zu kl ren, ob die πρώτα oder die έσχατα κατηγορούμενα in dieser Weise Prinzipien seien21. Zwar l t Aristoteles (und dies ist als Anspruch des platonischen Prinzipiendenkens zu verstehen, dem hier versuchsweise stattgegeben wird) zu Beginn der Antithese die Regel gelten, das Prinzip m sse als solches immer selbst ndig neben den Dingen existieren, deren Prinzip es ist (την μεν γαρ αρχήν δει και την αίτίαν είναι παρά τα πράγματα ων αρχή, και δύνασθαι είναι χωριζομένην αυτών, 999 a i 7 — I 9)> aber dadurch kommt ja gerade die Aporie zustande: Denn wenn das Prinzip in den γένη qua κατηγορούμενα gesucht wird, dann kann aus aristotelischer Sicht die geforderte Unterschiedenheit des Prinzips von dem Prinzipierten nur in der Allgemeinheit des Ausgesagten gegen ber dem Individuum bestehen (999319-21); ist solche Allgemeinheit aber der Grund f r die Setzung als Prinzip, dann m ssen die obersten Allgemeinbegriife viel eher als das zuletzt Ausgesagte Prinzipien sein (999 a 21-23). Darin aber, da eben dies nach der These unm glich ist, liegt die Schwierigkeit. Damit wird aber auch die G ltigkeit des (platonischen) Satzes, da das Prinzip unabh ngig von dem Prinzipierten besteht, in Frage gestellt. Entsprechend kann sp ter das Ergebnis dieser Aporie danhingehend formuliert werden, da gezeigt worden sei, da weder die έσχατα γένη (= έσχατα κατηγορούμενα) noch die πρώτα γένη getrennt von dem Individuum zu sein vermochten (B 4, 999 a 29-32). Es wird so eine Lehre als Desiderat hingestellt, die zwar den Prinzipiencharakter und die Definierbarkeit des είδος als eines Allgemeinen bewahrt, seine Hypostasierung gegen ber dem Individuum aber vermeidet. 2l Pines, a. a. O., nimmt die hier erkennbare Sonderstellung des είδος gegen ber den κατηγορούμενα jeden h heren Grades von Allgemeinheit auf der einen, gegen ber dem Individuum auf der anderen Seite f r Xenokrates in Anspruch, bei dem dann gleichsam eine Zwischenstellung zwischen Platon und Aristoteles vorl ge; zustimmend Kr mer, Geistmetaphysik, 130, Anm. 8.

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c) Die Einheit des einzelnen Seienden als seine wi bare Form oder als seine wahrnehmbare Individualit t (i) So ergibt sich die folgende achte Aporie, wie Aristoteles einleitend (Metaph. B 4, 999 a 24-26) selbst bemerkt, mit Notwendigkeit aus der vorangehenden: Wenn aus der siebten Aporie folgte, da weder das zuletzt Ausgesagte noch die ersten Genera als selbst ndig seiend gedacht und so als Prinzipien angesehen werden konnten, so darf man doch nicht auf das Individuum als solches zur ckgehen; denn die im Bereich des Individuellen gegebene Unbegrenztheit (deren Doppelaspekt: unendliche Zahl der Individuen = unendliche Zahl der Qualit ten eines Individuums noch zu erl utern ist) macht jedes Wissen unm glich (είτε γαρ μη εστί τι παρά τα καθ' έκαστα22, τα δε καθ' έκαστα άπειρα, των δ' άπείριον πώς ενδέχεται λαβείν έπιστήμην; f) γαρ εν τι και ταύτόν, και η καθόλου τι υπάρχει, ταύτη πάντα γνωρίζομεν, 999 a 26-29) *· Damit ist das zentrale Problem der aristotelischen Metaphysik erneut bezeichnet: Die Form, in der das Seiende wi bar ist (n mlich als εσχατον κατηγορούμενον), entspricht nicht der Form, in der es begegnet (n mlich als καθ' εκαστον). Aristoteles sieht das einzelne Seiende als Verbindung von είδος und ύλη (σύνολον) an 24 und beschreibt dieses σύνολον hier wegen der Aussagbarkeit des είδος als eines Allgemeinen als Verbindung von κατηγορούμενον und ΰλη (999 a 32-34)Β. Wenn nun, so lautet das daran sich anschlie ende Argument, die Selbst ndigkeit des Ausgesagten bestritten wird, dann gibt es kein Geistiges (νοητόν), sondern nur sinnlich Wahrnehmbares (α'ισθητόν) und so auch kein Wissen (999 b 1-4). Damit aber wird der Grund kenntKch, aus dem die Unwi barkeit des Einzelnen resultiert: Individualit t ist 22 Zu τα καθ' Εκαστα als Plural von το καθ' Ικαστον vgl. Ross, Comm. in Arist. Metaph., vol. I 240. 23 Vgl. Arist. Metaph. Δ 6,ioi6b2o: αρχή οδν του γνωστού περί ?καστον το Ιν, Top. II 2,109 b 14: σκοπεΐν δε κατ' είδη και .μη εν τοις άπείροις, An. post. I 24, 86 Λ^/y. (sc. ή άπόδειξις) δσφ δν μάλλον κατά μέρος fj, είς τα απειρα εμπίπτει, ή δε καθόλου είς το άπλοΰν και το πέρας. 24 Vgl. Arist. Metaph. Ζ ιι, 1037 229/30: ή γαρ ουσία εστί το είδος το ενόν, εξ οι και της ύλης ή σύνολος λέγεται ουσία. 25 Damit ist lediglich die Protasis des Satzes Ιτι εΐ ότι μάλιστα ϊβτι τι παρά το σύνολον ({λέγω δε σύνολον) όταν κατηγορηθή τι της ΰλης) πότερον, el ίστι, παρά πάντα δει είναι τι, ή παρά μεν ενια είναι, παρά δ' Ινια μη είναι, ή παρ' ουδέν; (999 a 3 2 ~bi, Jaeger). Die Apodosis (vgl. auch sp ter 999 b 18-20) deutet m glicherweise auf eine Form der platonischen Ideenlehre hin, die zwar Ideen des von Natur Seienden, nicht aber Ideen des k nstlich Hergestellten zulie (vgl. S. 66, Anm. 7, zu Metaph. Λ 3, 1070 a 17-19).

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an Materialit t gebunden und das Individuum als solches Gegenstand der sinnlichen Wahrnehmung26. Das folgende Argument (B 4, 999 b 4-16) nimmt die sinnlich wahrnehmbare Wirklichkeit als bewegte und pl diert unter verschiedenen „Gesichtspunkten" daf r, da ein Best ndiges von dieser Bewegtheit unterschieden sei. Die Bewegung erfordert einen unbewegten Ausgangspunkt (999 b 4-6); das Werden setzt ein (erstes) Ungewordenes (n mlich die ΰλη) voraus, an dem sich das Werden vollzieht (999 b 6-8); Bewegung und Werden sind auf ein Ziel (πέρας) gerichtet (999 b 8-12); schlie lich ist die Form, zu der sich die ύλη im Werden gestaltet, ein vom Werden selbst Unterschiedenes (999 b 12-16). Denn wenn (wie Aristoteles hier a fortiore argumentiert) sogar die Materie als Zugrundeliegendes der Bewegtheit entgegenzustellen und ihr ein Sein zuzusprechen ist (έτι δ' εΐπερ ή ΰλη ε σ τ ί δια το άγένητος είναι ..., b 12/13), dann ist die Form (την μορφήν και το είδος, b 16), die die Materie erst zu ihrer Wirklichkeit als ουσία bringt, noch eher dem Werden entzogen und mu so unabh ngig von dem sein, dessen Form sie ist. - Deutlich sind hiermit die aristotelischen Prinzipien des von Natur Seienden Ώ der Bewegtheit als solcher entgegengesetzt. Die Antithese kann dann ganz kurz auf die Absurdit t dieser aus der These folgenden Getrenntheit der Form hinweisen: H tten alle Individuen ein getrennt von ihnen bestehendes είδος gemeinsam, dann w re (da die Materie durch das είδος, das sich an ihr zeigt, zu der ουσία wird, die das Individuum als Einheit ausmacht) die ουσία aller Individuen einer Species ein und dieselbe, was nat rlich unsinnig ist (999 b 20-22). Freilich k nnen die vielen Individuen, die dieselbe Form als je besondere ουσία verk rpern, auch nicht alle v llig voneinander unterschieden sein: άλλα πολλά και διάφορα (als Terminus f r die Unterschiedenheit der Art nach); άλλα και τούτο αλογον (999 b 22/23). Es bleibt also die Frage, wie denn die Materie unter der Wirkung des είδος zur ουσία des Einzelnen wird: άμα δε και πώς γίγνεται ή ΰλη τούτων εκαστον και εστί το σύνολον αμφω ταΰτα; (999° 23/24). (2) Aristoteles geht hier wie schon in der sechsten Aporie von der (platonisch-parmenideischen) Voraussetzung aus, da Sein und Wissen und also auch beider Prinzipien identisch seien. Die Aporie kann ja eben nur dadurch 26 Vgl. Arist.Phys. 15,18935-8: το μεν γαρ καθόλου κατά τον λόγον γνώριμον, το δε καθ' Ικαστον κατά την αίσθησιν ό μεν γαρ λόγος του καθόλου, ή δ* αΐσθησις του κατά μέρος, entsprechend De anima II 5,4 I ?b 22/2 3· 27 Vgl. Arist. Phys. II 3,194b 23 - 195 a 3; Metaph. A 3,983 a 26-32; Λ 3,1069 b 35 1070 a 2.

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zustande kommen, da zwar die Forderung nach der Identit t von Sein und Wissen besteht, aber nicht erf llbar scheint, weil das Seiende in einer Weise gegeben ist, die sich der Wi barkeit entzieht. Das Seiende, um dessen Verst ndnis es Aristoteles hier geht, ist das von Natur Seiende, das hei t: das bewegte und an seine Materialit t gebundene Seiende. W hrend in der sechsten Aporie die Frage nach der Wi barkeit des Seienden so gestellt war, da sich der λόγος als Definition aus Genus und spezifischer Differenz und der λόγος, der die materiellen Bestandteile eines Seienden aufz hlt, (und damit dann die πρώτα γένη und die πρώτα ένυπάρχοντα als Prinzipien) konkurrierend nebeneinanderstanden, setzt Aristoteles hier in der achten Aporie die Definition als die Ursache von Wi barkeit und Bestimmtheit der Materialit t als der Ursache von Unwi barkeit und Unbestimmtheit, die Best ndigkeit der Prinzipien des von Natur Seienden der Bewegtheit des von Natur Seienden selbst entgegen. Mit diesem Gegeneinander von εν, ταύτόν, νοητόν, άκίνητον, άΐδιον, άγένητον, πέρας auf der einen, von άπειρον, α'ισθητόν, γιγνόμενον auf der anderen Seite ist zun chst der platonische Gegensatz zwischen εν und αόριστος δυάς, zwischen Geistes- und Sinnenwelt, gegeben und anscheinend die Materialit t gar nicht als Ursache der Einheit und der Wi barkeit des einzelnen Seienden in Betracht gezogen. Doch nennt Aristoteles unter den Prinzipien, die dem άπειρον und der γένεσις als ein Bleibendes entgegenstehen, neben πρώτον κινούν, πέρας und είδος mit dem άγένητον auch die Materie (999 b 6-8). Damit aber ist entgegen dem ersten Anschein die Problematik, die sich in der sechsten Aporie darin zeigte, da man bei der Bestimmung des Seienden die πρώτα ένυπάρχοντα zu ber cksichtigen hatte, hier gleicherma en gegeben: Die These weist dadurch, da sie die Materie, insofern diese Zugrundeliegendes ist, auf die Seite der Bestimmtheit stellt, da sie sie aber, insofern sie Ursache der sinnlichen Mannigfaltigkeit ist, der Bestimmtheit entgegensetzt, auf den Doppelaspekt der aristotelischen ΰλη als positiv bestimmender Grund f r das Sein des einzelnen Seienden und als blo e M glichkeit und Ungeformtheit hin. Nun ist zwar die Ambivalenz der ΰλη nicht Gegenstand der achten Aporie; dadurch jedoch, da die Materialit t eines jeden Seienden als positiv wirkendes Prinzip in Ansatz gebracht werden mu , wenn man seine Gegebenheit als Einzelnes und Bewegtes ber cksichtigen will, kommt es zu den genannten Schwierigkeiten. (3) Das Individuum, an dem sich das είδος als μορφή dieses besonderen Seienden zeigt, kann der Materialit t nicht entraten; die Materialit t ist

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jedoch Ursache der mannigfachen Qualifiziertheit des einzelnen Seienden und entzieht es so der Wi barkeit. Die Unterschiede, durch die ein Seiendes sich von anderen Seienden unterscheidet, resultieren, wie Aristoteles Metaph. I 9,1058 b 1-8 betont, entweder (als Unterschiede der Art) aus seinem είδος oder (als Unterschiede zwischen Individuen derselben Art) aus seiner ΰλη : και επειδή εστί το μεν λόγος το δ3 ΰλη, δσαι μεν εν τφ λόγφ είσίν έναντιότητες εΐδει ποιοϋσι διαφοράν, οσαι δ' εν τφ συνειλημμένφ τη ΰλ·η ου ποιοΰσιν (b 1-3)· Die „Gegens tze im λόγος" zeigen sich bei der Feststellung der spezifischen Differenz eines είδος darin, da das nicht zutreffende Specificum als Gegenteil des zutreffenden in demselben Genus ausgeschieden wird28. Die „Gegens tze in dem mit der ΰλη zusammengefa ten λόγος", also an dem konkreten Einzelnen, wie z. B. wei und schwarz (vgl. b 3-5), bringen keine Unterschiede der Art nach hervor. Diese negative Feststellung bedeutet positiv, da die Materie des einzelnen Seienden Ursache derjenigen seiner Eigenschaften ist, die ihn von den anderen Individuen seiner Art unterscheiden, da sie demnach Principium individuationis ist29. Im Verh ltnis zu dem Artunterschied, der in der Definition erscheint und die ουσία als ein wi bares Allgemeines bezeichnet, sind die Eigenschaften des Individuums, die ihm als Individuum zukommen, Akzidentien x. Metaph. E 2 unterscheidet Aristoteles das Akzidentelle zum Zwecke seiner Bestimmung von dem, was notwendig und immer oder doch in den meisten F llen ist oder wird31; dabei ist in dem, was in den meisten F llen ist oder wird, die M glichkeit akzidentellen Seins als Abweichung von der Regel begr ndet (έπεί ου πάντα εστίν εξ ανάγκης και αεί ή οντά ή γιγνόμενα, 28

Vgl. dazu die Behandlung der Gegensatzarten S. 90 ff. Vgl. anschlie end 1058 b 8-12; dasselbe k rzer und deutlicher Metaph. Z 8,1034 a 5—8: το δ' δπαν ήδη, το τοιόνδε εΐδος εν ταϊσδε ταΐς σαρξί και όστοΐς, Καλλίας και Σωκράτης· και έτερον μεν δια την υλην (έτερα γαρ), ταύτό δε τφ είδει (δτομον γαρ το εΐδος), hnlich auch Λ ^, 1071 a 27-29. 30 Unber cksichtigt bleiben k nnen in diesem Zusammenhang solche Eigenschaften eines Seienden, die ihm aufgrund seiner ουσία zukommen, ohne in der Definition durch Genus und spezifische Differenz genannt zu sein, wie z. B. dem Dreieck zukommt, da die Summe seiner Winkel zwei rechten Winkeln gleich ist; diese Eigenschaften hei en συ,μβεβηκότα καθ' αυτά (vgl. Metaph. Δ 30,1025 a 30-34; An. post. 14,73334^24). 31 Das γίγνεσθαι bezeichnet sowohl das regelm ige Eintreten eines Ereignisses in Verbindung mit einem anderen (vgl. das Beispiel „Hundstage - Hitze", 1026 b 33-35) als auc^ das „Werden" als Bewegung der ουσία, in der sie zu sich selbst kommt, die sich als solche von den akzidentellen Bewegungen unterscheidet (vgl. die Leugnung von γένεσις und φθορά f r das Akzidentelle, 1026 b 22-24; 3> J O 2 7 a 29 ff.). 29

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αλλά τα πλείστα ως επί το πολύ, ανάγκη είναι το κατά συμβεβηκός δν, 1027 a 8-ιι). Die Bedingung f r die M glichkeit solcher Abweichung von der Regel bietet die Materie, an der das Regelm ige sich zeigt, so da sie als Ursache akzidentellen Sein anzusprechen ist (ώστε ή ύλη εσται αίτια ή ενδεχομένη παρά το ως επί το πολύ άλλως του συμβεβηκότος, 1027 a 13-1.5). Daraus aber, da die Akzidentien gegen ber der (relativen) Best ndigkeit der ουσία wechseln und so eine unendliche Anzahl von M glichkeiten akzidentellen Beschaifenseins gegeben ist, folgt die Unwi barkeit des Akzidenteilen (Vgl. besonders Metaph. E 2, 1026 b 2-12; dort b/: άπειρα, dann abschlie end E 4, 1027 b 33/34: το ως συμβεβηκός . . . αόριστον). Mit dem άπειρον des Individuellen, das Aristoteles in der These der achten Aporie geltend macht, ist deshalb sowohl die theoretisch unendliche Zahl akzidenteller Beschaffenheiten und Befindlichkeiten, in denen sich das einzelne Seiende als Individuum zeigt, als auch die theoretisch unendliche Zahl der Individuen gemeint, die zu einer Species geh ren k nnen. Beides sind lediglich verschiedene Hinsichten auf denselben Sachverhalt. Die Problematik, die der achten Aporie zugrunde liegt, l t sich nach dem Gesagten so bestimmen: Trotz des (hier aus der Perspektive der Wi barkeit gesehenen) Vorranges des Eidetischen vor dem Materiellen zeigen sich Form und Materie im einzelnen Seienden in der Weise verbunden, da seine eidetische und seine materielle Einheit, seine eidetische Geformtheit und seine sinnlich wahrnehmbare Beschaffenheit und Befindlichkeit einander bedingen. Die Materie kann nur durch die Wirkung der Form in ihr als Einheit der vielf ltigen Qualifiziertheit eines Seienden erscheinen; umgekehrt kann die Form nicht zu ihrer Wirklichkeit im Besonderen kommen, wenn sie sich nicht in der Materie sinnf llig als Qualifiziertheit, Gr e usw. ausdr ckt. Das bedeutet aber (um die Problematik vor dem Horizont der Kategorienlehre zu formulieren): Wenn von einem Seienden die Rede ist, so l t sich zwar von ihm als οιισία, als ποσόν, als ποιόν usw. reden, und es kann so die ουσία als das Best ndige und Wi bare von den Akzidentien unterschieden werden; insofern aber die ουσία dieses Seienden nicht nur das definierbare Allgemeine, sondern dieses Allgemeine in der Gestalt des Besonderen ist, gehen in die ουσία Aspekte ein, die ihrem Inhalt nach den anderen Kategorien zuzuordnen sind. Denn die ουσία des Einzelnen ist als konkret verwirklichte εν άριθμφ und χωριστή und verbindet so die eidetische Einheit mit der Quantit t; die eidetische Geformtheit u ert sich durch die spezifische Differenz als Qualit t, die als solche neben den anderen Qualit ten des Einzelnen steht.

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d) Die vielf ltige Beschaffenheit des einzelnen Seienden als Gegensatz zur Einheit schlechthin oder als anschaubarer Inhalt seiner wi baren Form (i) Wiewohl Aristoteles in seiner Platon-Interpretation das εν mit der ουσία, das μέγα και μικρόν mit der ΰλη gleicht (Metaph. A 6,987 b 20/21), will er in der Polemik gegen Platon Metaph. A 9,992 b i ff mit dem μέγα και μικρόν weniger die ΰλη selbst als vielmehr Unterschiede an der ΰλη bezeichnet sehen: έτι δε την ύποκειμένην ουσία ως ΰλην μαθηματικωτέραν αν τις ΰπολάβοι (dazu gleich), και μάλλον κατηγορεϊσθαι και διαφοράν είναι της ουσίας και της ΰλης ή ΰλην, οίον το μέγα και το μικρόν (b 1-4). Er unterstreicht seine Forderung mit dem Hinweis auf die Lehre der fr hen Naturphilosophen, die das Lockere und das Dichte (το μανόν και πυκνόν), also eine Art des bertreffens-und-Zur ckbleibens, als erste Unterschiede an dem Zugrundeliegenden angesehen h tten ^4-7). Es ist deutlich, wie hier argumentiert wird: Wenn - wie die φυσιόλογοι lehren - das Lockere und das Dichte Unterschiede an der ΰλη sind, dann kann der umfassendere Begriff, also υπεροχή και ελλειψις, auch nicht die ΰλη selbst, sondern mu (eben nur in allgemeinerer Form) Unterschiede an der ΰλη bezeichnen; folglich mu auch das μέγα και μικρόν (das nach Phys. I 4, 187 a 16/17 als eme besondere Form des bertrefiens-und-Zur ckbleibens anzusehen ist) als διαφορά der ΰλη gelten. Danebenzuhalten ist Metaph. H 2,1042 b 9 ff. Es geht dort um die Bestimmung der ουσία ως ενέργεια των αισθητών im Unterschied zur ουσία ως ΰλη, die nur δυνάμει ist (b 9-11). Die Wirklichkeit der ουσία wird nun aber nicht - wie sonst blich - als ihr είδος verstanden, sondern es werden als solche Wirklichkeit sinnlich wahrnehmbare Qualit ten in der Form von Gegensatzpaaren aufgez hlt. Und zwar werden unter dem Oberbegriff der υπεροχή και ελλειψις die Paare σκληρότης - μαλακότης, πυκνότης - μανότης, ξηρότης - ύγρότης genannt (1042 b 21—25) und dabei als πάθη των αισθητών (baa) und διαφοραί (b 12; bi5; vgl. b 20) erkl rt. Sp ter (b33-35) werden μάλλον και ήττον und πυκνόν και μανόν der υπεροχή και ελλειψις zugeordnet. Es kann kein Zweifel daran bestehen, da Aristoteles hier der in der Platonkritik implizierten Forderung entspricht und Gegensatzpaare, die die Form des μέγα και μικρόν haben, in ihrer anschaubaren Befindlichkeit a n einem Zugrundeliegenden denkt. Zu vergleichen ist ferner Metaph. A 5,987315-19: το πεπερασμένον και το άπειρον (das oberste der pythagoreischen Gegensatzpaare32) ούχ 32

Vgl. die Spitzenstellung von πέρας - άπειρον in der Reihe der pythagoreisdien Gegensatzpaare Metaph. A 5, 986 a 24-26.

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ετέρας τινάς φήθησαν είναι φύσεις, οίον πυρ ή γήν ή τι τοιούτον έτερον, αλλ" αυτό το άπειρον και αυτό το εν ούσίαν είναι τούτων ων κατηγορούνται, διό και αριθμόν είναι την οΰσίαν πάντων. Die Pythagoreer haben also Begrenztes und Unbegrenztes in ihrem Sein nicht von dem Seienden, an dem sie sich finden, als dessen Eigenschaften abh ngig gedacht, sondern diese Eigenschaften selbst (und durch sie die Zahlen als den exemplarischen Ort ihres Erscheinens) zur ουσία erkl rt. Entsprechend hei t es ber Platon Metaph. A 6, 987 b 22/23: το μέντοι γε εν ούσίαν είναι, και μη έτερον γέ τι δν λέγεσθαι εν, παραπλησίως τοις Πυθαγορείοις έλεγε. Der Unterschied zwischen den Pythagoreern und Platon besteht aus aristotelischer Perspektive darin, da jene die auf solche Weise gedachten Prinzipien beide als Grundstoff genommen haben, aus dem alles Seiende besteht, w hrend dieser das εν (= pythagoreisch πέρας) mit der ουσία, das μέγα και μικρόν (= pythagoreisch άπειρον) mit der ΰλη geglichen hat33. Gemeinsam aber ist Platon und den Pythagoreern die Art und Weise, in der Einheit und Vielheit zu Prinzipien erkl rt werden: Die Einheit und die Vielheit, die Begrenztheit und die Unbegrenztheit werden nicht als Seinsweisen des einzelnen Seienden genommen, sondern es wird mit ihnen das Sein in seiner Struktur begriffen. Aristoteles dagegen setzt die anschauliche Gegebenheit des einzelnen Seienden voraus, an dem sich Einheit und Vielheit, Begrenztheit und Unbegrenztheit zeigen. (2) Der erste Teil des zitierten Satzes Metaph. A 9, 992 b i ff.: έτι δε την ΰποκειμένην ούσίαν ως ΰλην μαθηματικωτέραν αν τις ύπολάβοι („ferner ^3 Die pythagoreische Lehre, alle Dinge seien ihrem Wesen nach Zahlen (ot δ* αριθμούς είναί φασιν αυτά τα πράγματα, Metaph. Α 6,987 b 27/28), erlaubt es Aristoteles, die Strukturelemente der Zahlen, also πέρας und άπειρον, als Materialprinzip zu verstehen (A j, 986 b 5-8). Dementsprechend reiht er die Pythagoreer unter die Philosophen, die eine σωματική αρχή annehmen, ein (A 5,98734; 313/14): Wie bei den Naturphilosophen ein Grundstoff (oder mehrere) in bestimmten Differenzierungen und Gestalten auftritt (vgl. Phys. 14,187 a 12-20), so zeigen sich die Elemente der Zahlen in den einzelnen Zahlen in je bestimmter Weise, so da (was sich aus den Bemerkungen des Aristoteles zum pythagoreischen Definitionsverfahren, A 5,987320-28 und M 4,1078 b 21-23, erweisen l t) in der Zuordnung einer bestimmten Zahl zu einem Seienden das Wesen dieses Seienden ausgesprochen ist. - Bei Platon dagegen wird der Prinzipiengegensatz Iv : μέγα καΐ μικρόν in aristotelischem Verstande zum Gegensatz von ουσία und ΰλη (Α 6,987 b 20/21), weil er sich (zumal aus der Perspektive des „Timaios") als Gegensatz von Ιδέα und τιθήνη verstehen l t. Wie jedoch die aristotelische Kritik am zweiten platonischen Prinzip selbst indirekt zeigt (Vgl. S. 37, Anm. 103), denkt Platon in ihm die Struktur der Vielheit, die als solche in allen Stufen der Seinsordnung und in allen Seinsbereichen auftritt und in dem Gegensatz von Idee und Materie nur ihre g ngigste Auspr gung findet.

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m chte man die - sc. von Platon - als Stoff zugrunde gelegte Wesenheit mehr f r eine mathematische halten") stellt neben den Vorwurf, da Platon Bestimmungen, die nur an einem Zugrundeliegenden vorstellbar seien, an sich als Prinzip gesetzt habe, diesen, da er das μάλλον και ήττον nur in seinen Erscheinungsformen im Bereich der Mathematik ber cksichtigt habe. Das kann nur darauf gehen, da das zweite platonische Prinzip sich vor allem in Gestalten zeigt, die den Stufen des Dimensionenmodells entsprechen34. Aristoteles stellt dem - wie dies wiederum aus Metaph. H 2, gut zu entnehmen ist - gleichsam die Vielfalt der Erscheinungen des μάλλον και ήττον entgegen und fordert zu einer Gliederung dieser Erscheinungen auf. Dabei schwebt als Gliederungsprinzip die Einteilung nach den Kategorien vor: Die Aufz hlung der αίσθητά πάθη in Gegensatzpaaren schlie t mit der Folgerung: ώστε δήλον ότι και το εστί τοσαυταχώς λέγεται (1042 b 25/26); sp ter (b 31-33) kommt dann die Aufforderung: ληπτέα οΰν τα γένη των διαφορών (αύται γαρ άρχαί έσονται του είναι). Im Blick auf die Rolle des Mathematischen bei Platon ist es nat rlich keineswegs zuf llig, da Platon die Formen des Mehr-und-Weniger auf den Bereich des Mathematischen „beschr nkt" und diese Formen selbst als „Zugrundeliegendes" vorstellt (wobei die Anf hrungszeichen die Interpretatio Aristotelica geben); vielmehr best tigt die Kritik des Aristoteles, da es Platon nicht darauf angekommen sein kann, alle m glichen Ausformungen des Mehr-und-Weniger aufzuz hlen, sondern da er mit den vorz glich genannten Formen des Mehr-und-Weniger aus dem Bereich des Mathematischen die Ordnung der Vielheit in verschiedenen Seinsbereichen mittels der jeweils spezifischen Form von Einheit durch das Eine selbst in ihrer Struktur zu begreifen sucht. Zu detaillierter Vielf ltigkeit bei der Aufz hlung der Formen des Mehr-und-Weniger, wie sie Metaph. H 2 zu beobachten ist, scheint es erst dann zu kommen, wenn die Formen des Mehr-undWeniger als διαφοραί (πάθη) an einem Zugrundeliegenden in der Weise vorgestellt werden, da dieses Zugrundeliegende als ουσία das Mehr-undWeniger der an ihm sich findenden διαφοραί (πάθη) zur Einheit bringt. Die aristotelischen Kategorien, deren wichtigste sich im Rahmen der Gegensatzlehre den mathematischen Formen von Einheit und Vielheit zugeordnet find, sollen nach den Andeutungen in Metaph. H. 2 dazu dienen, die detaillierte Vielf ltigkeit des Mehr-und-Weniger zu gliedern. Damit wird trotz des Unterschiedes in der Denkweise, der aus der abweichenden Beu Vgl. vor allem Metaph. M 9,1085 a 9-12, wozu S. 39 und S. 44.

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Handlung des Mehr-und-Weniger durch Platon und durdi Aristoteles spricht, die Verbindung zwischen beiden Denkern sichtbar.

2. Bewegung als Bewegtheit und als Sichbewegen des einzelnen Seienden a) Bewegung als das Ineinanderumschlagen von Gegens tzen an einem Zugrundeliegenden (i) Entscheidend ist, da Aristoteles die „διαφοραί (πάθη) an der Materie als Zugrundeliegendem" in der Form von Gegens tzen bel t. Der Ort im aristotelischen Denken, der solches rechtfertigt, ist die Bewegungslehre; sie hat die Sinnenwelt, die sich als bewegte darbietet, zu ihrem Gegenstand: ή δ' αΙσθητή ουσία μεταβλητή (Metaph. Λ ι, 1069 b 3)35. Und zwar denkt Aristoteles jede Bewegung als einen Proze zwischen Gegens tzen an einem Zugrundeliegenden, dergestalt da dieses Zugrundeliegende der Zahl nach eines bleibt, sich aber in bestimmten (n mlich dem Seinssinn der Kategorien entsprechenden) Hinsichten wandelt und im Extremfall in der jeweils betroffenen Hinsicht in sein Gegenteil umschl gt: εί δ' ή μεταβολή εκ των αντικειμένων ή των μεταξύ, αντικειμένων δε μη πάντων (ου λευκον γαρ ή φωνή) αλλ' εκ του εναντίου, ανάγκη ύπεϊναί τι το μεταβάλλον ε'ις την έναντίωσιν ου γαρ τα εναντία μεταβάλλει, έτι το μεν υπομένει, το δ5 εναντίον ούχ υπομένει· εστίν αρά τι τρίτον παρά τα εναντία, ή ΰλη (Metaph. Λ ι/2,1069 b 3-9; vgl. besonders noch Phys. Ιγ, 190 a 14-21)M. M Zur Metaph. Λ ι, 1069 a 30 -b 2 gegebenen „vertikalen" Einteilung der ούσίαι (die auf die platonische Seinsstufung und damit auf deren Modell, die Dimensionenfolge, zur ckweist) und ihrem Verh ltnis zur „horizontalen" Einteilung des (sinnlich wahrnehmbaren) Seienden durch die Kategorien (die ja in dem Bezug der sekund ren Kategorien auf die ουσία ebenfalls die Ordnung verschiedener Formen von Vielheit durch die Einheit zeigt und so auf die Ordnung der Vielheit in der Dimensionenfolge zur ckweist) vgl. oben S. 125 ff. die Bemerkungen zur aristotelischen Auffassung der Metaphysik als πρώτη φιλοσοφία und als Wissenschaft vom ov fj v. 36 Der von Aristoteles gemachte Unterschied zwischen κίνησις und μεταβολή (und die damit verbundene unterschiedliche Akzentuierung bei der Definition der Bewegung), sowie die Tatsache, da Aristoteles einerseits von einer Entsprechung zwischen den Arten der Bewegung und den Arten des Seins ausgeht (vgl. κινήσεως καΐ μεταβολής εστίν είδη τοσαϋτα δσα του δντος, Phys. Ill ι, 201 a 8/9; Metaph. Κ 9,1065 b^4), da er andererseits die zehn Kategorien in der Vierzahl der Bewegungen (κατά το τί, κατά το ποίον, κατά το πόσον, κατά το που, Metaph. Λ 2, loopbg/io) keineswegs alle eine Entsprechung finden l t, bleiben hier im Ansatz unber cksichtigt, da erst alles Folgende zu einer Erkl rung beitragen soll.

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In der Elementenlehre37 wird des Aristoteles Auffassung von der Bewegung im Sinne der gegebenen Definition als „Proze zwischen Gegens tzen an einem Zugrundeliegenden" in ihrer Grundform sichtbar. Aristoteles stellt den st ndigen Wandel der vier Elemente Feuer, Luft, Wasser, Erde als Wandel paarweise einander entgegengesetzter Grundqualit ten vor; und zwar besteht jedes Element aus dem Miteinander zweier einander nicht entgegengesetzter Qualit ten, so da das Umschlagen der einen der beiden zu einem Element vereinigten Qualit ten in ihr Gegenteil das andere Element entstehen l t: έπει δε τέτταρα τα στοιχεία (= Grundqualit ten), των δε τεττάρων εξ αί συζεύξεις, τα δ' εναντία ου πέφυκε συνδυάζεσθαι (θερμόν γαρ και ψυχρόν εΐναι το αυτό και πάλιν ξηρόν και ύγρόν αδύνατον), φανερόν ότι τέτταρες έσονται αί των στοιχείων συζεύξεις, θερμού και ξηροΰ (= Feuer), θερμού και ΰγροΰ (= Luft), και πάλιν ψυχρού και ύγροΰ (= Wasser), και ψυχρού και ξηροΰ (= Erde) (Gen. et corr. II 3, 330 a 30-b ι). Dieser Wandel vollzieht sich an der v llig unbestimmten Materie als Zugrundeliegendem; die Materie ist jedoch von den Weisen ihrer elementaren Qualifiziertheit nicht abtrennbar, da sie stets in einer der vier m glichen Verbindungen der Grundqualit ten ihre Wirklichkeit hat: ημείς δε φαμέν μεν είναί τίνα ΰλην των σωμάτων των αισθητών, άλλα ταύτην ου χωριστήν αλλ' αεί μετ' εναντιώσεως, εξ ης γίνεται τα καλούμενα στοιχεία (Gen. et corr. II ι, 329 a 24-26). (2) Die Elementenlehre zeigt Intention und Schwierigkeit der aristotelischen ουσία-Konzeption gerade deshalb, weil bei den Elementen noch nicht durch die Unterscheidung zwischen ουσία und Akzidentien das Verh ltnis von Einheit und Vielheit des einzelnen Seienden vorab gekl rt ist, sondern deutlich die Spannung hervortritt, in der die Materie zwischen formwidriger Unbestimmtheit und wirklichkeitsmitbedingender Gegebenheit, in der die Qualit t zwischen einheitstiftender Form und instabiler Vielgestaltigkeit steht. Insofern n mlich die Materie als das dem Umschlagen der Elementai·qualit ten ineinander Zugrundeliegende vorgestellt wird, besitzt sie die Anschaulichkeit des sich wandelnden „etwas"; insofern sie jedoch im Gegensatz zur Geformtheit der einzelnen Elemente als das Unbestimmte gedacht wird, gleicht sie dem platonischen μάλλον και ήττον. Insofern die Qualit ten, aus deren Paarung jedes Element besteht, statisch in ihrem Miteinander genommen werden, machen sie die Form der Elemente aus; insofern sie sich 37 Literatur: Solmsen, Aristotle's System of the Physical World (1960); Seeck, ber die Elemente in der Kosmologie des Aristoteles (1964); Moraux, ed. Arist. De caelo, Introduction, bes. p. CXXXIII if.; L. Elders, Aristotle's Cosmology. A Commentary on De caelo, Assen 1966.

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aber st ndig ineinander wandeln und so in ihrem Gegeneinander der Inbegriff des Wandels gegeben ist, geh ren sie der Vielheit und Bewegtheit zu, ja sind strukturell mit dieser identisch. Die Bewegung selbst zeigt eine entsprechende Ambivalenz. Von Platon her bietet es sich an, sie als unendlichen Proze oder (um die Struktur zu kennzeichnen) als Bewegtheit, Prozessualit t anzusehen: αίτιον δε του είς ταΰτα (sc. είς ετερότητα και ανισότητα και το μη δν ένίους την κίνησιν) τιθέναι δτι αόριστον τι δοκεΐ εΐναι ή κίνησις (Phys. Ill 2, 201 b 20; 24/25); und Bewegtheit ist in der Tat die Seinsweise der Sinnenwelt und so in hervorstechender Weise die Seinsweise der Elemente. Aristoteles kommt es jedoch darauf an zu betonen, da jede Bewegung nicht an sich, sondern stets als Bewegung von „etwas" statthat (ουκ εστί κίνησις παρά τα πράγματα, Phys. Ill ι, 200b 32/33; των ουσιών άνευ ουκ εστί τα πάθη - ! - και αί κινήσεις, Metaph. Λ $, ιο/ι a 1/2) und zu einem Ziele f hrt (ούτε γαρ άπειρος εστίν ουδεμία κίνησις αλλά πάσης εστί τέλος, Metaph. B 4» 999 b 9/10); dieses „etwas" aber kann im Falle der Elemente nur die v llig unbestimmte Materie, dieses Ziel kann hier nur eine Paarung zweier Qualit ten sein. b) Γένεσις und άλλοίωσις (i) Die Ambivalenz der Materie, einmal das anschaulich vorstellbare Zugrundeliegende, zum anderen das Unbestimmte im Unterschied zu der Bestimmtheit der an ihr sich zeigenden Form zu sein, zeigt sich auch in allen weiteren Bewegungen, das hei t solchen, die ihrerseits die Elemente oder Stoffe wie Erz, Fleisch usw. als Zugrundeliegendes voraussetzen: Das Seiende, das einem Proze als Materie zugrunde liegt, wird einerseits im Hinblick auf die Form, die sich an ihm zeigt, nicht als das Seiende, das es ist, sondern als Unbestimmtes genommen; es tr gt andererseits zur konkreten Wirklichkeit des Entstehenden positiv bei. - F r die akzidentellen Bewegungen und der aus ihnen jeweils resultierenden Geformtheit der ουσία im Sinne einer der sekund ren Kategorien ist die ουσία selbst nach Art der Materie Zugrundeliegendes und Unbestimmtes zugleich. Metaph. Λ 4, wo Aristoteles fragt, ob die ουσία und die akzidentellen Seinsweisen dieselben Prinzipien h tten oder nicht, und antwortet, die Prinzipiendreiheit von είδος, στέρησις, ΰλη gelte analog f r alle Genera (1070 a 31-33 und b 1619), macht das Beispiel λευκόν, μέλαν, επιφάνεια (b2o/2i) dies deutlich: Die Oberfl che (als ουσία) ist die M glichkeit aller ihrer Farbqualit ten und

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kann in dieser Hinsicht grunds tzlich und im Gegensatz zu der Farbqualit t, die sich an ihr jeweils wirklich zeigt, als unbestimmt gelten; das Wei e kommt aber erst an ihr und durch sie in der qualitativen Bewegung aus seinem Gegenteil, dem Schwarzen, zu seiner geformten Wirklichkeit als wei e Oberfl che38. Das Ziel jeder Bewegung ist jeweils in dem positiven Glied des Gegensatzes gegeben, zwischen dessen Gliedern sich die Bewegung vollzieht: So stellt f r das einzelne Seiende sein είδος das Ziel dar, zu dem sich die Materie gestaltet. Die akzidentellen Bewegungen setzten die ουσία als ein „dieses" voraus und finden an ihr ihre Grenze und kommen zu ihrem Ziel, da sich die akzidentelle Beschaffenheit als bestimmtes Gegenteil, zu dem hin sie sich gewandelt hat, nur an der ουσία und mittels der ουσία darbieten kann. (2) Freilich kommt es Aristoteles bei der Behandlung der Bewegungsarten in der Regel nicht so sehr auf ihre „prinzipielle" Analogie an, sondern es liegt ihm daran, den f r seine Kategorienlehre konstitutiven Unterschied zwischen akzidentellem und substantiellem Sein auch hier sichtbar zu machen. So unterscheidet er das „Werden" und „Vergehen" (γένεσις und φθορά) eines Seienden, das seine ουσία und damit es selbst als Seiendes betrifft, sorgf ltig von seiner qualitativen Ver nderung (άλλοίωσις), seiner in „Wachsen" und „Abnehmen" (αΰξησις und φθίσις) sich zeigenden quantitativen Ver nderung und seiner Ortsver nderung (κίνησις κατά τόπον) (vgl. Phys. V i, 225 a 34-b 939; Gen. et corr. I 2, 317 a 23-27) oder trennt das „Werden (und Vergehen) schlechthin" (γίγνεσθαι απλώς), das der ουσία als solcher geschieht, von ihrem „etwas Werden" (γίγνεσθαι τι), das ihr als Zugrundeliegendem im Sinne einer der sekund ren Kategorien widerf hrt (vgl. Phys. I 7, 190 a 31 - b i; Gen. et corr. I 3, 317 a 32 ff., besonders 319 a 3-14). Diese Unterscheidungen nimmt Aristoteles gerade dort besonders wichtig, wo sie problematisch sind, n mlich im Bereich der Elemente. Hier liegt es ihm daran zu zeigen, da mit dem Umschlag der entgegengesetzten Qualit ten ineinander und der dadurch bewirkten Wandlung des einen Elementes in das andere nicht blo ein Wandel der Qualit t, sondern Werden und Vergehen stattfindet. Er macht geltend, da bei qualitativer Vernderung das Zugrundeliegende als ein Sinnlich-Wahrnehmbares bestehen bleibe, dabei aber seine Eigenschaften ndere (άλλοίωσις μεν εστίν, όταν 38 Zur Analogie der Bewegungen gem den Kategorien vgl. vor allem nodi Metaph HI, 1042 332-b 3. 39 Vgl. zu dieser Stelle ausf hrlicher 8.93.

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υπομένοντος του υποκειμένου, αισθητού δντος, μεταβάλλη εν τοις αύτοΰ πάθεσιν, Gen. et corr. I 4, 319 b 10-12), da hingegen beim Werden und Vergehen - f r das er als Beispiel unter anderen die Umwandlung von Wasser in Luft anf hrt - sich das Ganze ndere, ohne da etwas SinnlichWahrnehmbares als ein mit sich selbst Identisches bestehen bleibe (όταν δ' όλον μεταβάλλη μη υπομένοντος αισθητού τινός ως υποκειμένου του αυτοί) .. . γένεσις ήδη το τοιούτον, του δε φθορά, Gen. et. rorr. I 4, 319 b 14-18). Die Problematik der aristotelischen ουσία-Konzeption zeigt sich in dieser u erung darin, da im Sinne der Unterscheidung von ουσία und Akzidentien von vornherein zwischen dem αίσθητόν als einem Bestimmten und seinen πάθη unterschieden wird, ohne zu ber cksichtigen, da das SinnlichWahrnehmbare als solches in der Summe aller seiner Qualit ten seine Wirklichkeit hat. Platon kann die wesentliche Einheit eines Seienden von seinem sinnlich wahrnehmbaren Erscheinen ohne weiteres trennen, weil er das είδος in Analogie zu den Gliedern mathematischer Ordnungsgef ge denkt und im besonderen die Elemente auf ihre mathematischen Voraussetzungen zur ckfuhrt. So werden jegliche Qualifiziertheit und Ver nderung zu typischen Merkmalen der Sinnenwelt, und es braucht hier nicht zwischen γένεσις und άλλοίωσις beziehungsweise zwischen ουσία αισθητή und ποιόν unterschieden zu werden, sondern beide Begriffe lassen sich jeweils synonym gebrauchen. Dabei sind die Wahl des Mathematischen als Vergewisserungsbereich und die Exponierung von Einheit (Bestimmtheit) und Vielheit (Unbestimmtheit) als Prinzipien ein Zeichen daf r, da Platon sich darum bem ht, die Struktur des Seienden sichtbar zu machen. - Dem anschauungsgebundenen Denken des Aristoteles hingegen gen gt die strukturale Trennung des είδος als Bestimmtheit von der ύλη als Unbestimmtheit (die es als solche durchaus bernimmt) nicht zum Erfassen der Wirklichkeit des einzelnen Seienden als eines Bewegten. Aristoteles bringt deshalb die Materie als positiv wirkendes Prinzip mit in Ansatz, denkt also - da die Materie Principium individuationis und Ursache der akzidentellen Beschaffenheit eines Seienden ist - Einheit und Vielheit, Bestimmtheit und Bewegtheit in eins und sucht die Vielf ltigkeit der Qualit ten eines Seienden als Einheit seiner Form zu erkl ren. Er mu aber so den Schnitt zwischen wesentlicher Einheit und Geformtheit und erscheinender Vielgestaltigkeit und Bewegtheit in die Bewegtheit und Gestalthaftigkeit des einzelnen Seienden selbst legen und deshalb zwischen der ουσία eines Seienden und der ihr zugeh rigen Beschaffenheit und Bewegung (n mlich der διαφορά als spezifischer Differenz und der

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γένεσις und φθορά) und seiner akzidentellen Beschaffenheit und Bewegung (πάθη, άλλοίωσις) streng unterscheidenw. (3) In der Unterscheidung zwischen ουσία und Akzidentien, zwischen den entsprechenden Arten der Bewegung und der Qualit t wird das Bestreben des Aristoteles sichtbar, einerseits zwar die konkrete Einheit von Form und Materie im einzelnen Seienden zu erfassen, anderseits aber doch auch die Spannung zwischen den in dieser Einheit aufgehobenen Gegens tzen sichtbar werden zu lassen. Die Beschreibung des Verh ltnisses der Akzidentien zur ουσία l uft freilich stets Gefahr, die ουσία als ein bestimmtes „Etwas" vorauszusetzen, dem die Akzidentien innewohnen, und so die Problematik des Unterschiedes zwischen wesentlicher und akzidenteller Beschaffenheit mit dieser anschaulichen Vorstellung zu umgehen. Bezeichnenderweise erscheinen im Hauptteil der „Kategorienschrift" (also bis n b 8) die Akzidentien einfach als εν ύποκειμένω οντά41, und die Bewegungslehre wird zum Verst ndnis der sinnlich wahrnehmbaren Wirklichkeit gar nicht herangezogen. - Die Bestimmung der ουσία als eines, das unter Bewahrung seiner Identit t Gegens tze in sich aufzunehmen vermag (μάλιστα δε ίδιον της ουσίας δοκεΐ είναι το ταύτόν και εν αριθμώ δν των εναντίων είναι δεκτικόν, Cat. 5» 4 a ιο/ιι; vgl. 29-30), und die bei der Behandlung jeder Kategorie wiederkehrende Frage, ob sie das μάλλον και ήττον zulasse (Cat. 5,3 b 33 -4 a 9; 6, 6319-25; 7, 6 b 19-27; 8, iob 26-11314), verweisen allerdings auch hier auf die Bewegungslehre und dar ber hinaus auf das zweite platonische Prinzip42. Nur bleiben diese Hinweise ohne Beziehung auf die Art und Weise, in der die Kategorienlehre hier zur Darstellung gelangt: Die ουσία selbst wird nicht als Bewegtes, sondern als ein starres Zugrundeliegendes genommen, das immer schon fertig4° Der Unterschied zwischen Platon und Aristoteles in statu nascendi scheint Cat. 14 („Postpraedicamenta"), 15 a 17-20 fa bar zu sein: επί δε της αλλοιώσεως Εχει τινά άπορίαν, μήποτε άναγκαΐον η το άλλοιούμενον κατά τίνα των λοιπών κινήσεων άλλοιοϋσθαι („Was die qualitative Bewegung anbetrifft, so ist es nicht ganz klar, ob nicht das der Qualit t nach sich Ver ndernde gem einer der brigen Bewegungen sich so verhalte."). Diese Stelle l t sich als Hinweis darauf interpretieren, da Aristoteles (?) sich mit einer Lehre auseinandersetzt, die alle qualitativen Bewegungen auf quantitative Voraussetzungen zur ckf hrt. Solche R ckf hrung wird 15 a 20 ff. ausdr cklich abgelehnt und die qualitative Bewegung als selbst ndig neben die anderen Bewegungen gestellt. 41 Arist. Cat. 2, i a 23 ff. u. b'.; ber die sprachliche Beziehung der Akzidentien zur ουσία als καθ' υποκειμένου λεγόμενα und die damit m gliche Unterscheidung zwischen „Akzidentien an sich" und ihrem je besonderen Auftreten an einem Zugrundeliegenden vgl. S. ιοί ff. 42 Auf den akademischen Ursprung dieser Frage hat Merlan, Philologus 89,1934, 35-53 hingewiesen.

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anschaulich den Akzidentien vorausgeht. Charakteristischerweise ist deshalb in der „Kategorienschrift" von der ΰλη nicht die Rede, und es wird die aristotelische Grundproblematik, wie das Verh ltnis des materiegebundenen Einzelnen zu seiner Form zu denken sei, durch die Unterscheidung zwischen ποώτη und δευτέρα ουσία schematisiert. c) Die Materie als Gegensatz zur Form und als dem Werden der Form Zugrundeliegendes (i) Die Bestimmung, da jede Bewegung sich zwischen Gegens tzen (εναντία) an einem Zugrundeliegenden vollziehe, wird Metaph. Λ ι/2, 1069 b 3-9 (wie auch sonst fter) zun chst allgemein gegeben und dann auf die Vielzahl der Kategorien angewandt (1069 b 9 ff.). Entsprechend ist Metaph. Λ 4, 1070 a 31-33/1» 16-21 ausgesprochen, da sich die γένεσις, in der ein Seiendes an dem ihm als Materie Zugrundeliegenden vom Nichtsein zum Sein kommt, und die Bewegungen κατά το ποιόν, κατά το ποσόν und κατά το πού, in denen sich an der ουσία als Zugrundeliegendem akzidentelle Beschaffenheit zu ihrem Gegenteil wandelt, analog nach denselben Prinzipien, n mlich είδος, στέρησις und ύλη, vollziehen. Entgegen dieser „prinzipiellen" Analogie zwischen substantieller und akzidenteller Bewegung und der damit verbundenen Zurechnung des Gegensatzes von στέρησις und είδος zu den εναντία legen es manche aristotelischen Formulierungen jedoch nahe, bei der Bestimmung des Gegeneinander von (Noch-)Nichtsein und Sein und des berganges des einen zum anderen in der ersten Kategorie eher an einen kontradiktorischen Gegensatz zu denken, sich hingegen bei der nderung akzidenteller Beschaffenheit eher einen kontinuierlichen Bewegungsablauf zwischen den Gegens tzen durch Zwischenstadien hindurch anschaulich vorzustellen, also einen kontr ren Gegensatz anzunehmen. Diese unterschiedliche Akzentuierung „korrigiert" Aristoteles freilich dadurch, da er im Falle der ουσία das ihr als Materie Zugrundeliegende als das Mittlere versteht, durch das hindurch jedes Entstehen (insofern es immer das Entstehen von etwas aus etwas und nicht der Umschlag von „Nicht-Form" zu „Form" schlechthin ist) hindurch mu . Diese Gleichsetzung der Materie als des Mittleren in der ersten Kategorie mit anschaulich vorgestellten „mittleren" Beschaffenheiten zwischen den Extremen in den sekund ren Kategorien ist letztlich dadurch gerechtfertigt, da akzidentelle Beschaffenheit jedweder Art und die Materialit t eines Seienden im

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Gegensatz zu seiner Form nur zwei Seiten derselben Sache sind43 und da , wie das einem Seienden als Materie Zugrundeliegende durdi dessen Form, so der Wandel der akzidentellen Beschaffenheit an dem durch die Form garantierten Bestand der ουσία seine Grenze findet. Diese Erkl rung f hrt aber wieder auf die Problematik der aristotelischen ουσία-Konzeption: Der Gegensatz zwischen Form, Einheit, Bestand auf der einen, von Qualifiziertheit und Materialit t auf der anderen Seite stimmt ja eben so nicht, weil die Form und die durch sie gegebene Einheit des einzelnen Seienden niemals getrennt von seiner Qualifiziertheit und K rperlichkeit erscheinen. Im einzelnen zeigt sich das Folgende: (2) Metaph. I 4 geht Aristoteles bei der Behandlung der έναντίωσις44 (also des das Gegensatzverh ltnis bei Bewegungen kennzeichnenden Terminus) von dem Begriff des Unterschiedes (διαφορά) aus und bemerkt, da Sich-Unterscheidendes sich mehr oder minder unterscheiden k nne, da der gr te Unterschied aber die έναντίωσις sei (1055 a 3-5). Die μεγίστη (1055 a 13 u. . τελεία) διαφορά tritt in den Gestalten der εν ταύτω γένει πλείστον διαφέροντα = εΐδει διαφέροντα (1055 a 6-10; 26-29), der έγ τΦ αυτφ δεκτικω πλείστον διαφέροντα (1055 a 29/3°) und der υπό την αυτήν δύναμιν πλείστον διαφέροντα (ιθ55&3 1 ~33) au^· Die entsprechende Aufz hlung in Metaph. Δ 10 bringt vor den drei genannten Arten an erster Stelle τα μη δυνατά άμα τφ αΰτφ παρεΐναι των διαφερόντων κατά γένος (ιοιδ a 26/27), also die „Verschiedenheit dem Genus nach", und f hrt diese Form des Gegensatzes auch in der Zusammenfassung (1018330/31) mit auf. Cat. n stellt als εναντία noch deutlicher Entgegengesetztes in demselben Genus, Entgegengesetztes, das einander entgegengesetzten Genera angeh rt, und die einander entgegengesetzten Genera selbst nebeneinander: ανάγκη δε πάντα τα εναντία ή εν τφ αύτω γένει είναι ή Ιν τοις έναντίοις γένεσιν ή αυτά γένη είναι (14 a 19/20). Demgegen ber weist Aristoteles Metaph. I 4 die „Verschiedenheit dem Genus nach" als eine Form der έναντίωσις mit dem Bemerken zur ck, das dem Genus nach Unterschiedene gestatte keinen bergang ineinander, sondern sei weiter voneinander entfernt und unvereinbar (άσύμβλητα) (105536/7; vgl. 1055326/27). Dazu pa t Metaph. I 7 die Aussage, da zwischen εναντία Mittelglieder (τα μεταξύ) m glich seien und K Zur Materie als Ursache akzidenteller Beschaffenheit vgl. S. 78. ** Aristoteles unterscheidet an einer Reihe von Stellen (vgl. Bonitz, Index AristoteL, s. v. άντικεΐσθαι, 64 a 20 ff.) unter dem Oberbegriff αντικείμενα als Gegensatzarten τα προς τι, τα εναντία, στέρησις και έξις, άαόφασις και κατάφασις (als άντίφασις, vgl. De interpr. 6,17 a 33/34: και Ιστω άντίφασις τοΰτο, κατάφασις καΐ άπόφασις αϊ αντικείμενοι).

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diese Mittelglieder demselben Genus angeh rten wie das, dessen Mittelglieder sie sind (1057 a 18-20); denn diese Aussage hat ja nur unter der Voraussetzung einen Sinn, da die εναντία selbst sich auf jeden Fall in demselben Genus befinden4S. Die anschlie end gegebene Begr ndung, Mittleres hei e das, zu dem das Sich-Wandelnde (το μεταβάλλον) zuvor (d. h. bevor es den Gegensatz seines Ausgangspunktes erreicht) wandeln m sse (1057 a 21/22), bezieht die Aussagen ber die εναντία dabei deutlich auf die Bewegungslehre; aus den Beispielen, die anschlie end zum Mittleren der εναντία gebracht werden, ergibt sich ferner, da das Mittlere anschaulich als mittlere Beschaffenheit zwischen einander entgegengesetzten Qualit ten, also im Bereich der sekund ren Kategorien, vorgestellt ist: Es werden die mittleren zwischen den hohen und den tiefen T nen, die Farben Purpur und Grau zwischen Wei und Schwarz genannt (1057 a 22-26) *. (3) Metaph. I 4, 1055333 bezeichnet Aristoteles den Gegensatz von έξις und στέρησις als erste Form der έναντίωσις, erw gt dann aber b 3/4 die Zuordnung dieses Gegensatzes zur άντίφασις, die als kontradiktorischer Gegensatz von den εναντία eben dadurch unterschieden ist, da sie anders als diese kein Mittleres zul t. Also mu zugleich auch der Unterschied zwischen έξις : στέρησις und άντίφασις in Rechnung gestellt werden: Im Unterschied zur blo en Verneinung, die in der άντίφασις ausgesprochen ist, meint στέρησις den Mangel von etwas Bestimmten, das an etwas fehlt: ώστ' εστίν ή στέρησις άντίφασίς τις ή αδυναμία διορισθεϊσα ή συνειλημμένη τφ δεκτικφ· διό αντιφάσεως μεν ουκ εστί μεταξύ, στερήσεως δε τίνος εστίν ίσον μεν γαρ ή ουκ ίσον παν, ίσον δ5 ή ανισον ου πάν, αλλ' εΐπερ, μόνον εν τφ δεκτικφ του ίσου (iO55b 7~'11)· Der Sinn dieser Unterscheidung wird 45 Ross, Comm. in Arist. Metaph., vol. I 314/315 nennt die weiteren Stellen, an denen Aristoteles die „Verschiedenheit dem Genus nach" zu den εναντία rechnet (Top. VII 3,153 a 36), und diejenigen, an denen er lediglich Gegens tze innerhalb desselben Genus als εναντία gelten l t (Cat. 6, 6 a 17; An. post. I 4,73 b 21; Gen. et corr. 17,324 a 2). Ross' Vermutung, die Stellen, die die „Verschiedenheit dem Genus nach" als έναντ'ιωσις zulie en, widerspr chen den anderen nicht eigentlich, da die entgegengesetzten Genera stets als Species eines h heren Genus angesehen werden k nnten, wenn nur - was niemals geschehe - der Rahmen einer Kategorie nicht berschritten werde (Beispiel: Der Gegensatz zwischen Gerechtigkeit, dem Genus αρετή zugeh rig, und Ungerechtigkeit, dem Genus κακία zugeh rig, stehe unter dem Begriff ?ξις in der Kategorie der Qualit t als dem obersten Genus), umgeht das grundlegende Problem: Von der platonischen Herkunft her ist der generelle Gegensatz von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit un berbr ckbar, ungeachtet der m glichen Zusammenfassung beider Begriffe unter der aristotelischen Kategorie der Qualit t. 46 Vgl. De cael. IV 5,312333 — b i : ουδέν γαρ κωλύει των εναντίων είναι μεταξύ καΐ 1ν καΐ πλείω, ωσπερ εν χρώμασιν.

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deutlich, wo sie Metaph. Γ a, 1004 a 10-16 in einem gr eren Zusammenhang erscheint. Hier ist (vgl. 1003 b 33/34) von dem gem den Kategorien vielfachen Sinn des εν/δν und dem jeweiligen Gegenteil die Rede: Wenn eine Verneinung nicht als Nichtvorhandensein schlechthin (απλώς ούχ υπάρχει, 1004 a 13, z.B. ουκ ίσον), sondern als Negierung eines gem den Kategorien verschiedenen Sinnes von Einheit ausgesprochen wird (τινί γένει, 1004a 13, also z.B. ανισον), dann ist immer schon ein Zugrundeliegendes mitbezeichnet (εν δε τη στερήσει και υποκείμενη τις φύσις γίγνεται καθ' ης λέγεται ή στέρησις, ioc>4a i^/i6). Damit ist einerseits zwar die Definition der εναντία als τα εν τφ αύτφ δεκτικφ πλείστον διαφέροντα vom Standpunkt des Aussagens wiederholt, andererseits aber durch die Bestimmung des Gegensatzes έξις : στέρησις als „eine Art άντίφασις, aber mit Mittelglied" in platonischer Akzentuierung die prinzipielle Unterschiedenheit von Form und Nicht-Form herausgestellt. (4) Phys. I 9, 191 b 35 ff. wirft Aristoteles den Platonikern vor, nicht zwischen der στέρησις als dem Gegenteil der Form und der ύλη als dem Zugrundeliegenden, das positiv zur ούσ'ια beitrage, zu unterscheiden, sondern mit ihrem μέγα - μικρόν (192 a 7; 11/12) beide in eins zu fassen. Dabei sieht er in dem zweiten platonischen Prinzip wesentlich die M glichkeit zur Form im Sinne seiner eigenen ύλη gegeben (ή μεν γαρ υπομένουσα συναιτία τη μορφή των γινομένων εστίν, ωσπερ μ ή τη ρ, 192 a 13/14)» kennzeichnet dann freilich auch die στέρησις und das εΐδος als deren Gegenteil mit Ausdr cken, die an anderer Stelle f r den platonischen Prinzipiengegensatz von Einheit und Vielheit stehen, und zeigt so, da gerade auch die στέρησις einen wesentlichen Aspekt des zweiten platonischen Prinzips wiedergibt (vgl. 192 a 14—19: ή δ' ετέρα μοίρα της εναντιώσεως πολλάκις αν φανθασθείη τφ προς το κ α κ ο π ο ι ό ν αυτής άτενίζοντι την διάνοιαν ούδ' είναι το παράπαν. δντος γαρ τίνος θείου και ά γ α θ ο ϋ και εφέτου, το μεν εναντίον αύτφ φαμεν είναι, το δε δ πέφυκεν έφίεσθαι και όρέγεσθαι αύτοϋ κατά την αύτοΰ φύσιν mit Metaph. A 6, 988 a 14/15: την του ε υ και του κ α κ ώ ς αΐτίαν τοις στοιχείοις άπέδωκεν — sc. ό Πλάτων — έκατέροις έκατέραν). - Wenn Aristoteles so den Aspekt der Privation von dem des der Form Zugrundeliegenden getrennt sehen will, so kann das seinen Grund nur darin haben, da f r ihn die im Begriff der „ύλη" gedachte Potentialit t, die durchaus auch im platonischen μέγα-μικρόν liegt, immer schon als „Potenz zu etwas Bestimmten" auftritt und so die anschaubare Materialit t mitvorgestellt wird, da andererseits das mit dem Begriff „στέρησις" bezeichnete Gegenteil zur Form, das entsprechend dem platonischen Verstand-

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nis der Idee als Einheit und Ordnung Vielheit und Unordnung ist, bei Aristoteles wegen der Anschaulichkeit der Form und der Materie zur Privation wird. (5) Eine der „prinzipiellen" Analogie der Verh ltnisse in den aristotelischen Kategorien widersprechende unterschiedliche Akzentuierung bei der Darstellung der Gegens tze zeigt sich auch bei der Bezeichnung der Bewegung selbst, die sich in allen Kategorien zwischen Form und Nicht-Form (und umgekehrt) vollzieht, κίνησις und μεταβολή k nnen zwar synonym gebraucht und so auf die Bewegungen in allen Kategorien angewandt werden (z. B. Phys. III, i, 201 a 8/9; VIII 7, 261 a 33), im Hinblick auf den Charakter der Bewegung als eines „Prozesses, der von einem Ausgangspunkt zu einem Endzustand f hrt," (Phys. V i, 225 a i) spricht Aristoteles jedoch generell nur von μεταβολή. Er unterscheidet dabei Phys. V i, 224b 3 2 ff. vier Typen von μεταβολαί danach, ob entweder (i.) am Ausgangspunkt und am Endpunkt oder (2.) wohl am Ausgangspunkt, nicht aber am Endpunkt oder (3.) nicht am Ausgangspunkt, wohl aber am Endpunkt oder (4.) weder am Ausgangspunkt noch am Endpunkt ein ύποκείμενον steht. Diese Unterscheidung versteht unter dem ύποκείμενον den positiv gesetzten und fest umgrenzten Gegenstand (λέγω δε ύποκείμενον το καταφάσει δηλούμενον, a 6/7) und sieht so (zun chst) von der Tatsache ab, da auch der γένεσις und der φθορά etwas als Materie zugrunde liegt. Entsprechend ist hier mit dem Proze , an dessen Endpunkt allein ein ύποκείμενον steht, die γένεσις, mit dem Proze , an dessen Ausgangspunkt allein ein ύποκείμενον steht, die φθορά gemeint, und beide Typen k nnen, da jeweils ein Glied negativ ist, als άντίφασις bezeichnet werden, welches Gegensatzverh ltnis an sich kein Mittleres zul t. Im Unterschied zu γένεσις und φθορά gilt hier als κίνησις nur der Proze , an dessen beiden Grenzpunkten ein ύποκείμενον (n mlich die bereits als „fertig" vorausgesetzte ουσία) steht. Der vierte Typ, der weder an seinem Anfang noch an seinem Ende ein ύποκείμενον aufweist, kommt in der Wirklichkeit nicht vor (vgl. 225 a 34 - b 3: έπεί δε πασά κίνησις μεταβολή τις, μεταβολαί δε τρεις αϊ είρημέναι, τούτων δε αϊ κατά γένεσιν και φθοράν ου κινήσεις, αύται δ' είσίν κατ' άντ'ιφασιν, ανάγκη την εξ υποκειμένου εις ύποκείμενον μεταβολήν κίνησιν είναι μόνην). - Die Termini γένεσις/φθορά und κίνησις w ren eigentlich auch noch im Rahmen der getroffenen Unterscheidung auf alle Kategorien anwendbar, insofern einerseits γένεσις und φθορά nicht aus bzw. zum absoluten Nichts erfolgen, insofern andererseits - wie hier 225312-17 die Unterscheidung zwischen γένεσις απλή und γένεσίς τις zeigt - auch in den sekund ren Kate-

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gorien von dem Zugrundeliegenden gewisserma en abgesehen und nur an das Entstehen bzw. Vergehen einer Bestimmtheit in irgendeinem m glichen Sinne von „Sein" gedacht werden kann. Hier geht es Aristoteles jedoch darum, das Werden und Vergehen von den akzidentellen Bewegungen του ποιον, του πόσου und κατά τόπον abzugrenzen (22^ b7-11); wichtig f r unseren Zusammenhang ist dabei, da damit gleichzeitig die έναντίωσις auf die genannten sekund ren Kategorien beschr nkt wird: κατ3 ούσίαν δ' ουκ εστίν κίνησις δια το μηδέν είναι ούσίο; των όντων εναντίον (Phys. V 2, 225 b ιο/ιι). (6) Von der Bestimmung der εναντία als τα εν ταύτφ γένει πλείστον διαφέροντα und τα εν τω αιίτφ δεκτικω πλείστον διαφέροντα aus Metaph. I 4 l t sich - zumal wenn man beachtet, da Aristoteles einleitend von m e h r und m i n d e r gro en Unterschieden spricht (1055 a3/4) - eine Beziehung zu der Platonkritik Metaph. A 9, 992 b i ff. und deren sachlicher Erg nzung in Metaph. H 2, 1042 b 9 ff. herstellen, wo Aristoteles forderte, das μέγα - μικρόν nicht als ΰλη, sondern als Unterschiede (διαφοραί) an der ύλη bzw. ουσία anzusehen und es nicht nur in seiner mathematischen Auspr gung, sondern in seiner ganzen Vielgestaltigkeit zu ber cksichtigen47. Die Interpretation dieser Stellen konnte zeigen, wie die im platonischen zweiten Prinzip gedachte Struktur der Vielheit zur vielgestaltigen qualitativen Unterschiedenheit eines Zugrundeliegenden umgedeutet und eine Einteilung dieser Unterschiede im Sinne der Kategorien intendiert wird. Es ergibt sich jetzt im weiteren Rahmen der Gegensatz- und Bewegungslehre, da anstelle des die Struktur der Vielheit repr sentierenden und als solches mit der Bewegtheit, der Materialit t und der Qualifiziertheit geglichenen und der ουσία und ihrer Einheit kategorial entgegengesetzten „Mehr und Weniger" bei Aristoteles die anschauliche Vorstellung von dem Wandel der Qualit ten an einem Zugrundeliegenden zwischen den Gegens tzen tritt. Der platonische kategoriale Gegensatz bleibt einerseits in dem aristotelischen Gegensatz von ουσία und Akzidentien erhalten: Wenn die Akzidentien zusammenfassend als πάθη (Metaph. Z 3, 1029312/13; 13, 1038 b 6), ποιότης (An. post. I 22, 83 a 36), ποιότητες και κινήσεις (Metaph. Λ ι, 1069319-22; vgl. Metaph. Z 4, 1029 b 25), προς τι (Metaph. A 9, 990 b 16; Λ 4, 1070 a 36; EN I 4, 1096 a 21) bezeichnet werden und es z. B. hei t: φαίνεται γαρ το συμβεβηκός εγγύς τι του μη οντος (Metaph. E 2, io26b2i), so sind das daf r klare terminologische Indizien. Andererseits wird dieser kategoriale Gegensatz eben durch die aristotelische Einteilunp 47 Vgl.

S. 80.

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des Seins in Kategorien durchkreuzt, da in die Seinsweise der Akzidentien immer sdion die Bestimmtheit der ουσία eingeht, an der sie in den Extremen ihrer Bewegtheit fixiert sind (so da sie aktuell niemals ein μάλλον και ήττον sind); da umgekehrt die ουσία immer schon, insofern sie nur als die ουσία des einzelnen Seienden erscheinen kann, dessen K rperlichkeit und Qualifiziertheit an sich hat, so da der kategoriale Gegensatz von Einheit und Vielheit gleichsam in jeder Kategorie wiederkehrt. Es darf nun vermutet werden, da das Schwanken des Aristoteles in der Frage, ob eine Unterschiedenheit dem Genus nach, ja der Gegensatz zweier Genera zu den εναντία zu rechnen sei, sowie die unterschiedliche Akzentuierung bei der Behandlung von έξις und στέρησις im Vergleich zu anderen Formen der έναντίωσις ihren Grund in diesem Sichdurchkreuzen des platonischen und des aristotelischen Kategoriensystems hat: Der Gegensatz von Nicht-Sein und Sein, von Nicht-Form und Form der ουσία ist platonisch eine Unterschiedenheit dem Genus nach, der Gegensatz von στέρησις und έξις an der ύλη aber ist aristotelisch in der ersten Kategorie (wie in allen anderen neun) der Unterschied in einem Genus, da die Kategorien ja als γένη του οντος auftreten. Bezieht nun Aristoteles die Unterschiedenheit dem Genus nach in die Bestimmung der εναντία mit ein, so scheint damit (wenn denn die formalen Aufz hlungen und Unterscheidungen der B cher Metaph. Δ und I auf die Ontologie bezogen werden d rfen48) die kategoriale Unterschiedenheit der ουσία und ihres Gegenteils im Blick zu bleiben, schlie t er dagegen die Unterschiedenheit dem Genus nach aus der Reihe der εναντία aus, so d rfte damit das Zusammenwirken der Prinzipiendreiheit στέρησις, είδος, ΰλη in der ουσία als einem Genus des Seienden gesehen werden49. Nach den Zeugnissen ber Περί τάγαθοΰ sind εν und πλήθος (also der platonische kategoriale Gegensatz in seiner prinzipiellen Form) εναντία, w hrend das πλήθος selbst als αόριστος δυάς die Form des μάλλον και ήττον und damit des προς τι hat x . Indem nun Aristoteles den kategorialen Gegensatz von Sein und Nicht-Sein als Gegensatz in dem einen Genus „ουσία" begreift, andererseits das μάλλον και ήττον der Vielheit an der ουσία in seinen Extremen fixiert51, setzt sich augenscheinlich f r den Terminus εναντία die 48

Vgl. S. 49, Anm. 91. 49 Vgl. Metaph. Δ 28, 1024 b 9-13, wo Aristoteles zur Erl uterung der Unterschieden· heit dem Genus nach sowohl („platonisch") die Unterschiedenheit von 6λη und είδος als auch („aristotelisch") die Unterschiedenheit seiner Kategorien als Genera des Seienden nennt. so Vgl. S. 49 ff. 5l Diese Fixierung, die dadurch zustande kommt, da das einzelne Seiende als ουσία

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Bedeutung „Extreme in demselben Genus" mehr und mehr als die wichtigste durch. Die Tatsache, da vom Standpunkt der aristotelischen Kategorien- und Bewegungslehre solche Gegens tze als Angeh rige desselben Genus erscheinen, die vom platonischen Standpunkte als Angeh rige verschiedener Genera anzusehen sind, gilt nicht nur f r den Gegensatz von στέρησις und είδος (έξις) in der ersten aristotelischen Kategorie, sondern auch f r solche Gegens tze, die der Kategorie der Qualit t oder der Quantit t zuzurechnen sind: Wiewohl z.B. „platonisch" Cat. n, 14324 es αγαθόν δε και κακόν ουκ εστίν εν γένει, αλλ' αυτά τυγχάνει γένη τινών οντά hei t und zuvor 14 a 1-4 das αγαθόν als Mitte zwischen υπερβολή und ελλειψις als dem κακόν auftritt, ist Cat. ίο, 12 a 17-20 eine „unplatonische" Nivellierung des Wertgegensatzes sichtbar, da hier das Mittlere von Farbe und Wert so bestimmt wird: του μεν λευκού και του μέλανος το φαιόν και ώχρόν καΐ δσα αλλά χρώματα, του δε φαύλου και του σπουδαίου το ούτε φαΰλον ούτε σπουΟαϊον. Niemals zwar geht Aristoteles so weit, αγαθόν und κακόν selbst als Beispiele f r Extreme in demselben Genus zu nehmen. F r alle Paare der Form αγαθόν — κακόν, ευθύ — καμπύλον (dazu Cat. 8, ίο a 11—16 zusammen mit Metaph. N 6, 1093 b 19) bleibt aber die Spannung zwischen der wertentsprechenden Zuordnung zu den beiden platonischen Prinzipien als verschiedenen, einander entgegengesetzten Genera und der Zuordnung zu demselben Genus (also etwa dem der Qualit t) in der aristotelischen Kategorienlehre bestehen. Bezeichnend ist daf r etwa Cat. 8, i o b 3 O - n a 2 die Schwierigkeit, das f r jedes ποιόν geltende μάλλον και ήττον bei der δικαιοσύνη ausfindig zu machen, wiewohl sie aristotelisch als Qualit t gilt und als solche mit der ihr entgegengesetzten αδικία in demselben Genus steht (vgl. ίο b 20/21). Diese Schwierigkeit tritt nat rlich deshalb auf, weil die Gerechtigkeit platonisch als αγαθόν ein dem μάλλον και ήττον entgegengesetztes εν, die Ungerechtigkeit aber als κακόν eben ein μάλλον και ήττον ist und so beide entgegengesetzten Genera angeh ren. Davon geht Aristoteles Cat. ii, 14 a 22-25 aus> wo er bei der Aufz hlung der Arten der εναντία Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit als Beispiele f r die Angeh rigen entgegengesetzter Genera, n mlich αρετή und κακία, bringt und schlie lich αγαθόν und κακόν als solche einander entgegengesetzten Genera nennt.

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d) Die Einheit der ουσία als Grenze und Ziel jeder Bewegung (i) Bei der Behandlung des platonischen Analogie-Denkens war auf Stellen hinzuweisen, an denen Aristoteles einerseits Paare von Einheit und Vielheit nebeneinanderstellte und auf die Eins bezogen sein lie , andererseits nach dem Seinssinn seiner Kategorien inhaltlich ordnete und so nicht mehr die Beziehung der Paare auf die Eins, sondern ihre inhaltliche Unterschiedenheit hervortreten lie 52. Neben solchen Stellen, die sich im Rahmen von „BegrLffskatalogen" und „Begriffsbestimmungen" finden (Metaph I 3, 1054 a 29-32; Δ 6, ioi6 b 31-35; 15, 1021 a 9-14) und als Reste akademischer Diskussion besondere Platon-N he versprechen, steht Metaph. Γ 2, ioo3 b33 —1004 a 2 in einem bedeutsamen Zusammenhang, der oben nicht beachtet worden ist: Aristoteles geht es im weiteren Zusammenhang der Stelle darum, den Gegenstand der Wissenschaft zu bestimmen, die sich mit dem Sein als solchem (το δν fj 8v, Metaph. Γ ι, 1003 321) und dessen Prinzipien befa t, und die Einheit dieser Wissenschaft zu begr nden. Vorausgesetzt wird dabei, da der Terminus „Sein" („seiend") auf vielfache Weise verwendet wird (το δν λέγεται πολλαχώς, Γ 2, 1003 a 33; b 5), da freilich alle diese Verwendungsweisen auf eine „Grundform" bezogen sind, ohne da hier blo e HomonymieS3 vorl ge (.. . άλλα προς εν και μίαν φύσιν και ούχ όμωνύμως, 1003 a 33/34; · · · αλλ' άπαν προς μίαν αρχήν, b 5/6. Nat rlich ist - vorab exemplifiziert an den vielen Bedeutungen von „gesund" und „ rztlich", die sich jeweils alle durch ihre Beziehung auf den Begriff der „Gesundheit" bzw. der „ rztlichen Kunst" verstehen lassen (1003334b 4) M - das Sein der ουσία die prim re Form von Sein, auf die alle anderen Formen bezogen sind (i 003 b 5-1 o): Seiend hei en n mlich einmal die ούσίαι selbst (τα μεν γαρ ότι ούσίαι, οντά λέγεται), zum anderen ihre akzidentellen Beschaffenheiten (τα δ1 δτι πάθη ουσίας), ferner die m glichen Momente des Prozesses, in dem sich die ούσίαι selbst und ihre akzidentellen Beschafdie Grenze f r die akzidentellen Bewegungen bildet, erm glicht es, die προς τι κοΛ* αυτά, seien sie nun begrenzt (διπλάσιον-ημισυ) oder unbegrenzt (μαλλον-ήττον), als εναντία zusammenzufassen (Metaph. 16,1056 b 36). Wenn umgekehrt die εναντία der platonischen Prinzipienlehre gv und χλήθος als προς τι erscheinen (Metaph. I 6,1056 b 33/34), so ist damit ausgedr ckt, da die Vielheit als μετρητόν zur Einheit als μέτρον in Beziehung tritt. Vgl. S. 50. 52 Vgl. S. 52 ff. 53 Vgl. S. 104 ff. 54

Vgl. S. 38, Anm. 66, vor allem die dort genannten weiteren Stellen, an denen Aristoteles diese Beispiele bringt, dann vor allem unten S. 112 ff.

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fenheiten fortw hrend befinden (τα 5' ότι οδός εις ούσίαν55 ή φθοραί η στερήσεις ή ποιότητες η ποιητικά ή γεννητικά ουσίας ή των προς την ούσίαν λεγομένων); schlie lich m ssen auch die Verneinungen der akzidentellen Seinsweisen und der ούσίαι selbst als „seiend" gelten (ή τούτων τινός αποφάσεις ή ουσίας), so da vom Sein des „Nicht-Seins" die Rede sein kann (διό και το μη ον είναι μη δν φαμεν). Die Aussage ber die Negation der Seinsweisen ist nach dem ber den Unterschied zwischen άπόφασις und στέρησις Gesagten verst ndlich : Da die Verneinung von „Sein" immer nur in bestimmten, n mlich dem Seinssinn der Kategorien entsprechenden Hinsichten erfolgen kann und so stets ein Zugrundeliegendes vorausgesetzt ist, an dem das Fehlen sich zeigt, gibt es das abolute „Nicht-Sein" nicht. (2) Wenn Aristoteles hier mit dem το δν λέγεται πολλαχώς ausdr cklich auch die Vielf ltigkeit des μη δν zur Sprache bringt und damit sowohl die Existenz eines „Seins an sich" als auch die eines „Nicht-Seins an sich" leugnet, so erinnert das zun chst an seine Frontstellung gegen die platonische Prinzipienlehre, deren Prinzipien εν/δν und πλήθος (αόριστος δυάς)/ μη δν er als oberste Genera versteht und als solche zur ckweist57. In diesem konstruktiven Zusammenhang jedoch, in dem es darum geht, die Einheit der Wissenschaft vom Sein als solchem trotz der Vielf ltigkeit seiner Bedeutung nachzuweisen, greift Aristoteles auf die Gegensatzlehre zur ck, um die dort sichtbare Einheit der verschiedenen Auspr gungen von Einheit (= Sein) und Vielheit (= Nicht-Sein) unter der Eins (dem Einen) selbst als Argument f r die Einheit der von ihm unterschiedenen Seinsweisen zu benutzen; und nur von diesem Argument - das als solches den historischen Zusammenhang der aristotelischen Kategorienlehre mit der akademischen Gegensatzlehre verr t und deshalb oben zur Rekonstruktion der akademischen Lehre herangezogen werden konnte - wird erkl rlich, warum Aristoteles gleich zu Anfang auch die Vielf ltigkeit der Bedeutung des μη δν betont. Der R ckgriff auf den akademischen Hintergrund erfolgt hier gleichsam so, als gen ge es nicht, die Beziehung der verschiedenen Formen von „Sein" auf die ουσία vom λέγεσθαι προς εν her zu erkl ren M und durch die Einheit der verschiedenen Bedeutungen von „gesund" und „ rztlich" zu er55 Vgl. Phys. II i, 193 b 12/13. 56 Vgl. S. 92, wo aus diesem Zusammenhang Metaph. Γ 2, 1004 a 10-16 bereits verwendet ist. 57 Vgl. die Behandlung der einschl gigen Aporien des Buches Metaph. B. S. 60 ff. 58 Zur Beziehung der Akzidentien auf die ουσία im λέγεσθαι προς ϊν, ferner zum 1003 b 12-15 angesprochenen Unterschied zwischen καθ' εν λέγεσθαι und προς iv λέγεσθαι vgl. den ganzen folgenden Teil 3 a) des Aristoteles-Kapitels „Die ουσία als Bezugspunkt des in vielfachem Sinne ausgesagten &v/ V.

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l utern, sondern als m sse Aristoteles seine Lehre mit Argumenten rechtfertigen, die auch seinen philosophischen Gegnern ohne weiteres einleuchten m ssen59. Vom „aristotelischen" Standpunkt ist das Auffallende an der Stelle Metaph. Γ 2, 1003 b 33 -1004 a 2 *, da zwar das πάντα ανάγεται τάναντία εις την αρχήν ταύτην gem dem Kontext als Beziehung auf die ουσία gedeutet werden mu , da dennoch das Gegensatzpaar ταύτόν - έτερον einfach neben den anderen Gegensatzpaaren stehenbleibt, da die von der ουσία aus gesehen akzidentellen Modi von Einheit (το ομοιον και τα αλλά) nicht einfach auf ihren Inhalt hin angesehen werden, der als μάλλον και ήττον an der ουσία zu seiner Bestimmtheit kommt, sondern hier das Mehrund-Weniger (als άνόμοιον usw.) zun chst der jeweiligen Form von Einheit gegen bergestellt und so zun chst die Begrenzung der Vielheit durch die Einheit in ihrer Struktur ins Licht ger ckt wird61. Die Tatsache, da von den Ausformungen des εν/δν als είδη und so indirekt von dem εν/δν selbst als γένος die Rede ist (1003 b 33/34)62, l t das εν/δν noch platonisch exponiert erscheinen und erinnert daran, da sich vom Standpunkte des platonischen Prinzipien-Denkens Einheit (Wert) und Vielheit (Unwert) als Genera gegen berstehen. Nun erkennt freilich Aristoteles, wie der Leitsatz πολλαχώς λέγεται το δν zeigt, den Zusammenschlu der verschiedenen Formen des Gegensatzes von Einheit und Vielheit unter dem Einen, damit aber auch die Analogie als solche, die selbst durch ihre Form die Einheit stiftet, nicht an, sondern setzt mit seiner ουσία eine neue Einheit der verschiedenen Formen von Vielheit, da Mehr-und-Weniger, Formlosigkeit und Bewegtheit am einzelnen Seienden zu ihrer Bestimmtheit kommen. Prim r kommt an dem ihr als Materie (ΰλη) Zugrundeliegenden die ουσία aus dem Nicht-Sein ihrer Form (στέρησις) zu ihrem Sein und zu ihrer Geformtheit (είδος), sekund r findet das Mehr-und-Weniger der akzidentellen Seinsweisen an der ουσία zu seiner Grenze und Bestimmtheit. Indem so die verschiedenen Formen von Einheit und Vielheit auf die ουσία als das prim re Sein bezogen und als jeweilige Beschaffenheit der ουσία zu ihrer Einheit und zu ihrem Sein gebracht werden, ist dann nat rlich der Weg er ffnet, die verschiedenen Ausformungen von 59

Vgl. den ausdr cklichen Bezug auf die Vorg nger 1004 b 27 ff. 60 Die Stelle ist ausgeschrieben und „platonisch" interpretiert S. 52 f. 61 Vgl. weiter unten in demselben Kapitel Metaph. Γ 2, 1004 a 25—30 und Metaph. Δ IJ, IO2Ia 10-12.

62 Vgl. Metaph. M 9,1085 a 9-12 die Bezeichnung der Formen des zweiten platonischen Prinzips als dessen είδη.

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Einheit und Vielheit vor allem auf ihre inhaltliche Unterschiedenheit hin anzusehen und entsprechend als Genera des Seienden zu unterscheiden63. Da die Bewegung eines Seienden gem einer seiner akzidentellen Beschaffenkeiten als bergang dieser Beschaffenheit von ihrem Nicht-Sein zu ihrem Sein an der ουσία als Zugrundeliegendem verstanden und so in Analogie zu der Bewegung in der ersten Kategorie gesehen werden kann, l t sich weiterhin von einer analogen Geltung der Prinzipien sprechen. Indem die Qualit t, die Quantit t und die anderen akzidentellen Befindlichkeiten an der ουσία als Zugrundeliegendem sich in je besonderer Weise zeigen, d. h. indem sie an der ουσία, die in dem jeweiligen Sinne von Sein die M glichkeit 63

Gegen ber anderen Erkl rungen (z. B. v. Fritz, AGPh 40, 1931, 449-496; Kapp, Foundations of Logic, 36-42) setzt sich das Bestreben durch, die Entstehung der aristotelischen Kategorien - zumal im Blick auf Xenokrates, fr. 12 Heinze, wo die Vielzahl der aristotelischen Kategorien den beiden akademischen Kategorien καθ* αυτό und προς τι gegen bergestellt wird - in der Akademie zu vermuten (Merlan, Philologus 89,1934,35-53; Wilpert, Zwei aristotel. Fr hschriften, 107—109; Kr mer, Philologus no, 1966, 49, Anm. i; Gaiser, Materialien). Zweifelhaft bleibt jedoch, ob die Gliederung der aristotelischen Akzidentien (wie die Formulierungen αϊ κατηγορίαι διήρηνται, An. prior. I 37,49 a 7/8; Phys. V ι, 225 b 5; Metaph. K 12,1068 a 8; των διαιρεθεισών κατηγοριών, De anima I i, 402 a 25; 5,410315 nahezulegen scheinen) auf einer systematischen Dih rese des akademischen προς τι beruht (eine solche Dih rese versucht Gaiser, Materialien, und kommt dabei zu demselben Ergebnis wie - anscheinend ohne lteres Vorbild - Elias In Arist. cat., GAG XVIII, 159, 9 ff. B.). Vielmehr sprechen die Stellen, die die Akzidentien der ουσία als πάθη, κινήσεις oder ποιότητες gegen berstellen, und die daraus und auch sonst ersichtliche Tatsache, da es nicht so sehr auf die vollst ndige Aufz hlung der Akzidentien, sondern auf die Bestimmung ihrer Seinsweise im Gegensatz zu und in Abh ngigkeit von der Seinsweise der ουσία ankommt, f r eine nicht-systematische Einteilung des προς τι-Bereiches durch Aristoteles. Unbestritten mag dabei sein, da die intendierte Zehnzahl selbst von der Bedeutung der Dekade im pythagoreisch-platonischen Denken beeinflu t ist; au erdem sind nat rlich die zur Bezeichnung der Akzidentien von Aristoteles gew hlten Termini nicht beliebig, sondern verweisen auch in ihrem nicht-systematischen Nebeneinander auf die Herkunft und Problematik der Philosophie, in der sie als Kategorien auftreten: Die Phys. III i, 20138/9 und Metaph. K 9, 1065 b 13/14 ausgesprochene und auch sonst systematisch vorauszusetzende Identit t der Kategorien und Bewegungsarten (vgl. S. 83, Anm. 36) weist auf Platons Einteilung der Bewegung Leg. 10,893 b i ff. (vgl. S. 20 ff.) zur ck; w hrend jedoch dort die qualitativen Bewegungen von den quantitativen abgeleitet werden, stehen bei Aristoteles ποσόν und ποιόν und die ihnen zugeordneten Bewegungen gleichrangig nebeneinander (Vgl. Metaph. Z 3,1029 a 15 die Betonung der Tatsache, da ποσότητες keine οΰσίαι sind, eine deutliche Polemik gegen Platons dimensionale Ableitung). Das ποιεΐν καΐ πάσχειν und das προς τι weisen (wiewohl durch ihr Auftreten neben den anderen Kategorien ihre Bedeutung eingeschr nkt ist und ihnen gerade keine Bewegung zugeordnet werden kann, vgl. Phys. V 1/2,225 b 5 ff., Metaph. K 12,1068 a 8 ff.) ganz allgemein auf die Bewegtheit (vgl. Plat. Theaet. 182 a 3 — b 7, dazu hier S. 19 ff.) und Relationalit t als Charakteristika des zweiten platonischen Prinzips hin.

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zu einer unendlichen Vielzahl bietet, zur Einheit und damit zur Wirklichkeit und Form kommen, setzen sie in ihrem Sein und in ihrer Einheit stets die Einheit des einzelnen Seienden, an dem sie sich zeigen, und damit dessen wesentliche Form voraus und sind auf diese bezogen. So bleibt auch bei Aristoteles in der analogen Geltung der Prinzipien f r den verschiedenen Sinn von „Sein" das προς εν - Verh ltnis gewahrt.

3. Der Bezug des Logos auf die bewegte Wirklichkeit a) Die ουσία als Bezugspunkt des in vielfachem Sinne ausgesagten εν/δν (i) Die Antwort des Aristoteles auf die platonische Setzung des εν/ον als Prinzip, die er als Hypostasierung der von jedem einzelnen geltenden Pr dikate „eines" und „seiend" kritisiert, ist das το δε δν λέγεται μεν πολλαχώς der Kategorienlehre, das die Vielf ltigkeit der Erscheinung des Seienden ber cksichtigt, diese Vielf ltigkeit aber durch den Zusatz ..., άλλα προς εν και μίαν τινά φύσιν και ούχ όμωνύμως auf die Einheit der ουσία des einzelnen Seienden bezieht (z. B. Metaph. Γ 2,1003 333/34). Vom Standpunkt der Bewegungslehre erweist sich diese Beziehung des Seins der anderen Kategorien auf das Sein der ουσία ohne R cksicht auf den genauen sprachlichen Ausdruck dieser Beziehung als unabdingbar, da das Mehr und Weniger von Bewegtheit und Qualifiziertheit nur an der ουσία seine Grenze finden und so als Bewegung zwischen den Gegens tzen an einem Zugrundeliegenden im Sinne einer der Kategorien verstanden werden kann. Diese Betrachtung vom Standpunkt der Bewegungslehre l t nun freilich au er acht, da den aristotelischen Kategorien ihr Ausgesagtwerden von dem, auf das sie zutreffen, ihren Namen „κατηγορίαι" gibt und da auch der parallel gebrauchte Ausdruck γένη του οντος sie in aristotelischem Verstande sowohl als Einteilung des Seienden selbst als auch als Klassen von auf das Seiende zutreffenden Pr dikaten erscheinen l t. Demnach ist f r das Wesen der Kategorien die sprachliche Form ihrer Anwendung konstitutiv, und ihre Geltung beruht auf der Voraussetzung, da sich in den 64 Da bei Aristoteles sich das Sein in der Sprache zeige, ist, letztlich im Anschlu an Heidegger (vgl. z. B. Holzwege, Frankfurt/Main 1950, 324; „Aristoteles vernahm das Seiende als das f r das Aussagen schon Vorliegende, d. h. als das unverborgen jeweils schon Anwesende"), z.B. von Tugendhat, ΤΙ ΚΑΤΑ ΤΙΝΟΣ, "«d Vollrath, Studien zur Kategorienlehre des Aristoteles, herausgearbeitet worden (vgL hier S. 120 ff.).

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Formen der Aussage das Sein selbst vernehmen und aussprechen lasse64. Es gen gt also nicht, das πολλαχώς, aber προς εν vom Sein des Seienden als eines Bewegten her zu erkl ren, sondern es mu bedacht (und kritisch gew rdigt) werden, in welcher Weise im Aussagen selbst einerseits die Vielf ltigkeit und Bewegtheit des Seienden, andererseits die Einheit und Identit t dieser Vielf ltigkeit und Bewegtheit durch die ουσία und an ihr gegeben ist. Auf der aristotelischen berzeugung, da sich in der Sprache das Sein in seinen Formen zeige, beruht die heute bliche allgemeinere Verwendung des Terminus „Kategorie": Als Bezeichnung f r nicht auf andere zur ckf hrbare und deshalb grundlegende Bestimmungen des Seins selbst l t sich der Terminus „Kategorie" n mlich ohne R cksicht auf das Verh ltnis von Sein und Sprache, das urspr nglich in ihm ausgedr ckt ist, auch auf solche Seins-Konzeptionen anwenden, die von der aristotelischen verschieden sind. Entsprechend k nnen die stoischen Kategorien als solche bezeichnet werden und kann bereits von den platonischen Prinzipien εν und αόριστος δυάς als Kategorien und von ihrem Gegensatz als kategorialem Gegensatz die Rede sein . (2) Die „Kategorienschrift" bedient sich zur Unterscheidung des einzelnen Seienden (als πρώτη ουσία, Cat. 5,2311-14) von seiner Species und seinem Genus (als δεύτεραι ούσίαι, 2 a 14-19) und zur Abgrenzung beider von den sekund ren Kategorien der Kriterien (μη) καθ' υποκειμένου τινός λέγεσθαι und (μη) εν ΰποκειμένω τινί, είναι (Cat. 2, ι a2off.): Das einzelne Seiende (z.B. άνθρωπος τις) ist weder an einem Zugrundeliegenden noch wird es von einem Zugrundeliegenden ausgesagt (Cat. 2, i b 3—6; 5, 2 a n65 Dieser Versuch, in einfacher Form zu definieren, was unter „Kategorien" zu verstehen sei, gilt unabh ngig von der Wendung, die das Kategorienproblem bei Kant durch dessen transzendentale Fragestellung nimmt. Kant bezeichnet als Kategorien die apriorischen Verstandesbegriffe, durch deren Anwendung auf konkrete Erscheinungen die nur subjektiv g ltigen „Wahrnehmungsurteile", die ich ber diese Erscheinungen habe, zu objektiv g ltigen „Erfahrungsurteilen" werden; die hier erreichte Objektivit t f hrt jedoch nicht auf die „Dinge an sich" (griech. τα δντα, die sowohl Platon als auch Aristoteles als auch Plotin so oder so zu erkennen suchen), sondern meint die notwendige Allgemeing ltigkeit im Hinblick auf die Verkn pfung von Vorstellungen, die uns durch unsere Sinnlichkeit gegeben sind. Die Kategorien sind, insofern sie erst Erfahrung erm glichen, zwar von der Erfahrung unabh ngig, ihre Geltung ist aber auch auf die Erfahrung beschr nkt (vgl. Kritik der reinen Vernunft, B 102 ff., B 116 f.). 66 F r die folgende Darstellung der Kategorienlehre in der „Kategorienschrift" vgl. von der im Lit.-Verz. genannten Literatur vor allem: Chung-Hwan Chen, Phronesis 2,1957,148-159; Tugendhat, ΤΙ ΚΑΤΑ ΤΙΝΟΣ, 38-44; B rthlein, AGPhilos^o, 1968,196-253, bes. 238 ff.

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14); Species und Genus dagegen (z. B. ανθρωπος/ζώον) werden von dem einzelnen Seienden als Zugrundeliegendem ausgesagt, sind aber (um die negative Bestimmung des εν ύποκειμένω τινί είναι als δ εν τινι μη ως μέρος υπάρχον αδύνατον χωρίς είναι του εν φ εστίν, Cat. 2, ι a 24/25 positiv zu wenden67) als „notwendige Bestandteile" des einzelnen Seienden nicht an ihm als Zugrundeliegendem (Cat. 2, i a 20-22). Es besteht demnach innerhalb des Genus ουσία zwischen Allgemeinem und Besonderem eine λέγεσθαι κατά-Beziehung, die eine Dih rese des Genus ουσία bis hin zu den πρώται οΰσ'ιαι vor Augen treten l t. - F r die Akzidentien - die bezeichnenderweise als solche, d. h. als συμβεβηκότα, in der „Kategorienschrift" gar nicht erscheinen ω - gilt hier gemeinhin das εν υποκείμενα) τινί είναι, in ihrer einleitenden Behandlung Cat. 2, i 323-b 3 wird dabei jedoch zwischen der „Qualit t an sich" und ihrem je besonderen Auftreten an einem Zugrundeliegenden unterschieden. Denn es hei t einerseits, die individuelle Grammatikkenntnis und das individuelle Wei bef nden sich zwar an einem Zugrundeliegenden, w rden jedoch nicht von ihm ausgesagt (ή τις γραμματική εν ύποκειμένω μεν εστί τη ψυχή, καθ' υποκειμένου δε ούδενός λέγεται, και το τι λευκόν εν ύποκειμένω μεν εστί τω σώματι, — άπαν γαρ χρώμα εν σώματι, — καθ3 υποκειμένου δε ούδενός λέγεται, ι a 25-29); es wird andererseits zwischen dem Vorkommen der Wissenschaft in der Seele als Zugrundeliegendem (also ihrem individuellen Auftreten) und der M glichkeit ihrer Aussage von der Grammatikkenntnis unterschieden ( ή επιστήμη εν ύποκειμένω μεν εστί τη ψυχή, καθ' υποκειμένου δε λέγεται της γραμματικής, i b 1—3)» so da hier beide Kriterien anwendbar sind. Diesen S tzen ist zu entnehmen, da die επιστήμη (als eine Qualit t der Seele69) und das χρώμα (als eine 67 Vgl. Cat. 5,3 a 29-32. 68 Als συμβεβηκότα werden Cat. 7, 7 a 25 ff. bei der Behandlung der Relation (προς τι) diejenigen Eigenschaften der Relata bezeichnet, die f r das Zustandekommen der Relation nicht konstitutiv und deshalb f r sie nur akzidentell sind (wie z. B. in der Relation „Sklave - Herr" das Menschsein des Herren); entsprechend wird zuvor Cat. 6,5 a 38 - b ίο zwischen ποσά κυρίως κοί καθ' αυτά und solchen κατά συμβεβηκός unterschieden. 69 Die Wissenschaft geh rt, insofern sie Wissenschaft von etwas ist (τινός επιστήμη), unter die Kategorie προς τι (Cat. 7,6 b 2/3; Top. IV ι, 121 a i), ihre Species γραμματική, μουσική usw. aber unter die Kategorie ποιόν. Da somit in diesem Falle Genus und Species verschiedenen Kategorien angeh ren (also gegen die aus der Definition der Synonymic Cat. ι, ι a 6-12 folgende und Top. IV i, 120 b 36-121 39; 3,123828/29; 6,127 b 6/7 ausgesprochene Regel versto en wird, wonach Genus und Species stets derselben Kategorie angeh ren), konstatiert Aristoteles selbst Cat. 8, ii 320-38 und Top. IV4,124 b 18/19. Den Grund daf r, solchen Widerspruch gelten zu lassen, mag man darin sehen, da (entgegen dem ersten Anschein, den „Kategorienschrift'' und „Topik" bieten) die Vorstellung von den

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Qualit t des K rpers) ber ihre Species γραμματική bzw. λευκόν an dem ihnen jeweils Zugrundeliegenden als γραμματική τις bzw. λευκόν τι vorkommen. Damit aber ist gleichfalls eine λέγεσθαι κατά-Beziehung des ποιόν als eines Allgemeinen zum ποιόν τι als seinem jeweils besonderen Vorkommen bezeichnet und so anscheinend bei den sekund ren Kategorien genauso wie bei der ersten mit einer Dih rese aus ihnen als obersten Genera gerechnet. An dieser Stelle wird bereits deutlich, da das Verh ltnis der sekund ren Kategorien zur ουσία h chst problematisch ist, weil n mlich nicht nur eine anschauliche Vorstellung von der Seinsweise dieser Kategorien als εν ΰποκειμένω τινί οντά gegeben, sondern auch - getreu der berzeugung, da das Sein und die Art und Weise, wie von ihm die Rede ist, sich entsprechen m ten - ein dieser Seinsweise ad quater sprachlicher Ausdruck gesucht wird: Das λέγεσθαι κατά als Ausweis f r die Beziehung des Allgemeinen zum Besonderen innerhalb desselben Genus kann nicht von vornherein als die angemessene sprachliche Form der Beziehung angesehen werden, die etwa das Wei aus der Kategorie der Qualit t mit einer πρώτη ουσία tats chlich eingeht. Die eingangs der „Kategorienschrift" (Cat. ι, ι a 1-15) getroffene Unterscheidung zwischen Homonymie, Synonymie und Paronymie, deren Sinn an dieser Stelle nicht immer verstanden worden ist, steht anscheinend in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Problematik: Homonyma haben zwar einen gemeinsamen Namen, ihre diesem Namen entsprechende Definition ist jedoch verschieden (ομώνυμα λέγεται ων όνομα μόνον κοινόν, ό δε κατά τοΰνομα λόγος της ουσίας έτερος, ι a 1-3). Synonyma sind nicht nur gleich benannt, sondern ihr gemeinsamer Name l t auch dieselbe Definition zu (συνώνυμα δε λέγεται ων το τε όνομα κοινόν και δ κατά τοΰνομα λόγος της ουσίας ό αυτός, ι a 6/7). So gilt der Name „Lebewesen", mit dem sich sowohl der lebendige Mensch als auch sein gemaltes Abbild bezeichnen lassen, von beiden nicht in demselben Sinn, so da eine diesem Namen entsprechende gemeinsame Definition beider unm glich ist; es besteht somit Homonymie (i a 2/3)70. Dagegen hat bei dem (lebendigen) Menschen und sekund ren Kategorien als Spitzen von Dih resen weniger ma geblich ist als die Beschreibung ihrer tats chlichen Abh ngigkeit von der ουσία und die genaue Einordnung der vorgefundenen Ph nomene. Entsprechend schlie t Aristoteles Cat. 8,11337/38: ει τυγχάνει το αυτό ποιόν καΐ προς τι δν, ουδέν δτοπον §ν άμφοτέροις τοις γένεσιν αυτό καταριθμεϊσθαι. 70 Aristoteles' vom heutigen Sprachgebrauch her auff llige Erl uterung der Homonymie durch das Vorbild-Abbild-Beispiel hat wahrscheinlich einen platonischen Hintergrund (so Gaiser, Materialien): Platon bezeichnet die Sinnendinge als ομώνυμα der

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dem (lebendigen) Rinde der beiden gemeinsam zukommende Name „Lebewesen" denselben Sinn und f gt sich so derselben Definition; erst die Definition zeigt also, da die Gemeinsamkeit des Namens als Gemeinsamkeit des Genus und somit als Synonymic verstanden werden darf (i a 8-12). Als Paronyma gelten Ableitungen von einem als Grundwort fungierenden Begriff durch Ver nderung der Endung (παρώνυμα δε λέγεται όσα από τίνος διαφέροντα τη πτώσει την κατά τοΰνομα προσηγορίαν έχει, ι a 12/13); m dieser Weise ist z. B. der γραμματικός als paronym zur γραμματική anzusehen (i a 14/15). Die Kriterien f r die Unterscheidung zwischen Homonymie und Synonymie finden sich Cat. 5,2319-34 (also im Rahmen der Behandlung der ουσία) auf das Verh ltnis der Angeh rigen derselben Kategorie zueinander und auf das Verh ltnis der anderen Kategorien zu der ersten angewendet: Bei den καθ1 υποκειμένου λεγόμενα w rden, so hei t es, notwendigerweise der Name und die Definition von dem Zugrundeliegenden ausgesagt, so etwa „Mensch" und dessen Definition von dem einzelnen Menschen (2 a 19-27; vgl. 3 a 17-21); daraus folgt gem der einleitend gegebenen Definition der Synonymic nicht nur, da alle Angeh rigen der Species „Mensch", sondern dar ber hinaus, da alle ούσίαι als Angeh rige des Genus ουσία synonym sind. - Bei den εν ύποκειμένω οντά dagegen lasse sich, so hei t es weiter, in einigen F llen zwar der Name vom Zugrundeliegenden aussagen, niemals aber die Definition; so werde zwar der K rper nach dem Wei (λευκόν), das an ihm vorkommt, ein wei er K rper genannt (λευκόν γαρ σώμα λέγεται), die Definition des Wei en lasse sich jedoch niemals von ihm aussagen (2327-34; vgl. 3315-17). Da aber nichtsdestoweniger mit dem λόγος τον λευκού (d. h. allgemein: του ποιου) auch in der Kategorie der Qualit t ein definierbares Allgemeines angenommen wird, scheint hier wie bereits Cat. 2, i a 23 ff. - unbeschadet dessen, da die Besonderungen der sekund ren Kategorien sich an der ουσία als Zugrundeliegendem befinden auch in den sekund ren Kategorien zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen unterschieden zu werden, so da sie jeweils das Bild einer Dih rese aus einem obersten Genus mit in ihrem Verh ltnis zueinander synonymen Untergliederungen darbieten. - F r das Verh ltnis der Kategorien untereinander scheint aus der Angabe, da die Aussage einer sekund ren Ideen und kennzeidmet mit diesem Ausdruck so deren Abbild-Charakter (Phaedr. 26637; Parm. 133 d 3; Sophist. 234 b 7; Phileb. 57 b 9 / d 7; Tim. 4106; 5235); Aristoteles dagegen kritisiert mit diesem Ausdruck die platonischen Ideen als blo namensgleiche Verdopplung der Wirklichkeit (Metaph. A 6,987 b 9/10; 9, 990 b 6; 991 a 5-8).

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Kategorie von der ersten dieser nur ihren Namen mitteile, die Definition einer sekund ren Kategorie aber niemals von der ersten gelten k nne, zu folgen, sie seien ομώνυμα. Nun hei t es freilich an unserer Stelle, der Name des λευκόν sei nur in einigen F llen (έπ' ένίων) von dem Zugrundeliegenden aussagbar; das kann nicht meinen, das an einem Zugrundeliegenden befindliche Wei komme nur selten in irgendeiner Form (etwas als άνθρωπος λευκός, μορφή λευκή usw.) zur Sprache, sondern kann unter den gegebenen Umst nden zun chst nur bedeuten, da die Rede vom σώμα λευκόν (ποιόν), bei der das λευκόν (ποιόν) als Neutrum singularis dieselbe Form wie die Species λευκόν (das Genus ποιόν) hat, nicht glauben machen darf, das ποιόν als Allgemeines und Definierbares sei von dem Zugrundeliegenden ausgesagt. Die der Definition der Homonymie entsprechende Beschreibung des Verh ltnisses der Angeh rigen zwei verschiedener Kategorien wird hier also zun chst negativ benutzt, um zu sagen, da dieses Verh ltnis auf keinen Fall synonym sei. Als ein Versuch, das Verh ltnis von ουσία und sekund ren Kategorien positiv zu bestimmen, l t sich die Paronymie ansehen. Die Paronymie, bereits bei ihrer Einf hrung (Cat. ι, ι 312-15) anhand eines Beispiels aus der Kategorie der Qualit t erl utert, wird dann bei der Behandlung der Qualit t Cat. 8,10327 ff. als die bliche Form hingestellt, in der sich das Allgemeine als Besonderes an einem Zugrundeliegenden zeigt: ποιότητες μεν οΰν είσιν αϊ είρημέναι, ποια δε τα κατά ταύτας παρωνύμως λεγόμενα ή δπωσοΰν άλλως απ' αυτών, έπι μεν οΰν των πλείστων και σχεδόν επί πάντων παρωνΰμως λέγεται, οίον από της λευκότητας 6 λευκός κτλ. (ίο a 27-30). Wichtig ist dabei einmal im Hinblick auf Cat. 5,2 327-34 (ποιόν als λόγος τον ποιου oder als σώμα ποιόν), da die Wahl des Terminus ποιότης statt des Terminus ποιόν zur Bezeichnung des Genus eine m gliche Verwechslung zwischen Allgemeinem und Besonderem ausschaltet (wobei bemerkenswerterweise das vom Standpunkt der Wortbildungslehre als abgeleitet anzusehende Substantiv auf -της hier als „Grundwort" der Paronymie erscheint), zum anderen in Hinblick auf Cat. 2, i a 23-b 3 (τα τι λευκόν), da die Form, die die Qualit t annimmt, hier augenscheinlich als Funktion des jeweils Zugrundeliegenden und damit als sprachliches quivalent des εν ΰποκειμένω είναι angesehen wird71. (3) Entsprechend der Synonymic-Definition Cat. r, i a6-i2 betont Aristoteles Top. II 2, 109 b 6/7; IV 3, 123 a 28; 6, 127 b 6/7, da das Genus 71 Mit Tugendhat, ΤΙ ΚΑΤΑ ΤΙΝΟΣ, 40-42, ist also von der ontologischen Relevanz auch der Paronymie auszugehen.

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synonymerweise von seinen Species ausgesagt werde, da sowohl sein Name als auch seine Definition von diesen g lten; Top. IV i, 120 \> $6 - 121 a 9 werden Genus und Species als Angeh rige derselben Dih rese bezeichnet und die Kategorien als Spitzen dieser Dih resen herausgestellt (υπό την αυτήν διαίρεσιν δει το γένος τφ εΐδει είναι· εΐ γαρ το είδος ουσία, και το γένος, και. ει ποιόν τι το είδος, και το γένος ποιόν τι, 121 a 6-8), wobei die Beispiele aus dem Bereich der ουσία, des ποιόν und (zuvor 121 a 1-5) des προς τι in ihrem Nebeneinander die Kategorien als gleichrangig auszuweisen scheinen. - Dasselbe Bild ergibt sich Top. 19, 103 b 20-39 daraus, da es hei t, die (zuvor eingef hrten) Praedicabilia Ώ ορός, ίδιον, γένος und συμβεβηκός k men in allen Kategorien vor: Zwar wird zun chst bei der Aufz hlung der Kategorien die erste als τί εστί von den anderen als ποσόν, ποιόν usw. unterschieden (b 22/2 3), dann aber (b2/ff.) eine jede Kategorie als je besondere Form des τί εστί hingestellt, insofern n mlich nicht nur dann, wenn der Mensch als solcher vor Augen stehtn und „Mensch" und „Lebewesen" von ihm ausgesagt werden, sondern auch dann, wenn etwa die wei e Farbe als solche vor Augen steht und „Wei " und „Farbe" von ihr ausgesagt werden, eine Aussage der definierbaren Species bzw. des Genus und damit eine synonyme Pr dikation im Rahmen der betreffenden Kategorie vorliegt (εκαστον γαρ των τοιούτων, εάν τε αυτό περί αύτοΰ λέγηται εάν τε το γένος περί τούτου, τί εστί σημαίνει, b 35~37)· Wenn in der „Topik" das Bild von den Kategorien als Spitzen von zehn gleichberechtigt nebeneinanderstehenden Dih resen deutlicher als in der „Kategorienschrift" vor Augen tritt und au erdem das tats chliche Vorkommen der sekund ren Kategorien an der ουσία hier nicht mit der Vorstellung von den zehn Dih resen konkurriert, so deutet das nicht auf eine gewandelte Sicht des Verh ltnisses von Sein und Sprache, sondern resultiert aus dem Charakter der „Topik" als einer Schrift, die mit ihrem Vorhaben, das Verh ltnis der Praedicabilia zum Behufe richtigen Schlie ens zu kl ren, notwendig im Allgemeinen bleibt. Auf diese Weise wird das είδος als Definierbares nicht nur deutlich von dem Einzelnen, dessen είδος es ist, unterschieden (was der Unterscheidung zwischen δευτέρα ουσία qua Species 72 In diesem Zusammenhang wird bei den Zitaten aus der „Topik" davon abgesehen, da ihre Aussagen als Vorschriften f r die richtige Verwendung von δρος (= ορισμός), ίδιον, γένος (mit διαφορά) und συμβεβηκός als Praedicabilia im Rahmen einer allgemeinen Methodik f r dialektische Beweisf hrung formuliert sind (vgl. Top. 14, ι οι b 11-3 6). Zur Verwendung der „Topik" als Quelle f r ontologische Aussagen vgl. oben S. 49, Anm. 91. 73 Mit „vor Augen stehen" ist έκκεΐσϋαι, n mlich έκκειμένου ανθρώπου und χρώματος λευκοϋ έκκειμένου, wiedergegeben.

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und πρώτη ουσία in der „Kategorienschrift" entspricht), sondern es l t sich so analog von allen Kategorien als Formen des τί εστί und von den jeweils in einer Kategorie anzutreffenden Infimae Species als είδη sprechen, ohne da die Individuation dieser Species an der ουσία 2um Problem w rde. Das Praedicabile συμβεβηκός - positiv als Merkmal der Individualit t eines Seienden zu bewerten - wird deshalb im Unterschied zu den Praedicabilia ορός, γένος (mit διαφορά) und ίδιον negativ als dasjenige gesehen, das weder das Wesen (το τί fjv είναι) dessen, von dem es ausgesagt wird, wiedergibt (wie ορός), noch dieses Wesen sonst betrifft (wie γένος und διαφορά), noch sich mit dem, von dem es ausgesagt wird, in der Aussage vertauschen l t (wie ορός und ίδιον) und deshalb gleichsam aus dem stringenten Zusammenhang synonymer Pr dikation herausf llt (vgl. Top. I 5, 102 b 4-9; 8, 103 b 7-19)74. Aussagen ber das Verh ltnis der ουσία zu den anderen Kategorien sind in der „Topik" dementsprechend nur am Rande oder indirekt gemacht. Top. I 9,103 b 29 ff., wo die Kategorien als zehnfache Form des τί εστί erscheinen, f hrt Aristoteles unterscheidend fort: ... όταν δε περί ετέρου (sc. εκάστη των κατηγοριών λέγηται) ου τί εστί σημαίνει άλλα ποσόν ή ποιόν η τίνα των άλλων κατηγοριών (b37~39)· Di£ Aussage des Angeh rigen einer Kategorie von dem Angeh rigen einer anderen Kategorie l t also gleichsam das Ausgesagte aus seiner Dih rese heraustreten und im Verh ltnis zu dem Angeh rigen der anderen Dih rese, von dem es ausgesagt wird, als Akzidens erscheinen. Best tigen l t sich diese Deutung im Blick auf Top. II 2, 109 a 34 — b 12, wobei hier deutlich wird, da eben dieses περί ετέρου λέγεσθαι als Paronymie anzusehen ist: Unrichtigerweise wird oft, so f hrt Aristoteles aus, das Genus als Akzidens seiner Species betrachtet (οίον ει τις τω λευκώ φαίη συμβεβηκέναι χρώματι είναι, a 36/37) unc^ dabei sprachlich bisweilen so verfahren, da das Genus auf dem Wege der Paronymie als Attribut der Species erscheint (οίον ει τις την λευκότητα κεχρώσθαι φησείεν ή την βάδισιν κινεϊσθαι. απ' ούδενός γαρ γένους παρωνύμως ή κατηγορία κατά του είδους λέγεται, άλλα πάντα συνωνύμως τα γένη των ειδών κατηγορείται, b3~6). Aus dieser Zur ckweisung des falschen Falles von Paronymie und der Betonung der Synonymic von Genus und Species folgt 74

Zur Rolle der Merkmale „das Wesen dessen betreffend, von dem es ausgesagt wird" (εν τφ τί εστί κατηγορούμενον, Top. 15,102 a 32; εν τφ όρισμφ τοΟ υποκειμένου λεγόμενον, 8,103 b 13) und „in der Aussage vertauschbar mit dem, von dem es ausgesagt wird" (άντικατηγορεΐσθαι, Top. 15,102 a 19; 8,103 b 8) bei der Definition der Praedicabilia vgl. Brunsdhvig, ed. Topica, Introd. p. LXXVILXXXIII, zur Bedeutung des συμβεβηκός in der „Topik" dort 123.

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indirekt, da die Form, in der das Vorkommen „echter" Akzidentien zur Sprache kommt, die Paronymie ist. (4) G. E. L. Owen geht in seinem Aufsatz „Logic and metaphysics in some earlier works of Aristotle" 75, der die m gliche Entwicklung der aristotelischen Wissenschaft vom Sein zum Gegenstand hat76, davon aus, da laut „Eudemischer Ethik", „Topik" und „Kategorienschrift" die verschiedenen Weisen, in denen von „Sein" die Rede ist, homonym seien und deshalb eine umgreifende Wissenschaft vom Sein als Sein nicht m glich sei; entsprechend ist f r ihn die Paronymie eine „blo grammatische" Beobachtung ohne ontologische Relevanz77. Auch aus der analogen Geltung der Prinzipien in allen Kategorien und der dadurch gegebenen Einheit der verschiedenen Weisen von „Sein" durch Analogie, wie sie in Metaph. Λ (4, 10703327 b 26) 78 und (in Form der analogen Geltung des Guten) in der „Nikomachischen Ethik" (I 4, 1096 b 27/28) TO begegnet, resultiere an sich noch nicht der Vorrang einer bestimmten Seinsweise (also der ουσία) vor den anderen. Erst sp ter (Metaph. Γ 80 , E, Z) w rden die anderen Seinsweisen als προς FV (αφ5 ενός) λεγόμενα in ihrer Abh ngigkeit von der prim ren Seinsweise der ουσία gesehen („focal meaning"), so da eine umgreifende Wissenschaft vom Sein als Sein (ov Ύ\ δν) m glich werde. - Aristoteles sei zwar von Anfang an von einer „nat rlichen" Priorit t der ουσία entsprechend dem akademischen Vorrang des καθ' αυτό vor dem προς tt ausgegangen, habe aber das προς εν als den Ausdruck f r die „logische" Priorit t, das dann Metaph. Γ, Ε, Ζ auftritt, nicht sogleich gefunden und habe deshalb zun chst mit der „logischen" Gleichrangigkeit des vielf ltigen Sinnes von „Sein" als Homonymie („ambiguity") gerechnet; das beweise in der EE das Auftreten des (akademischen) πρότερον-ΰστερον-Argumentes (I 8, 1218 a 1-15) neben der These, da vom Guten in vielfacher, und zwar der Vielfalt des Seins entsprechender Weise die Rede sei und es somit auch keine umgreifende Wissenschaft vom Sein und vom Guten gebe (I 8, 1217 b 25-35). Als Voraussetzung geht in Owens Argumentation ein, da das πολλαχώς λέγεσθαι, welches sich in der EE findet, tats chlich ein homonymes Verh ltnis der verschiedenen Seins weisen bezeichnen will; ausdr cklich gesagt ist es n mlich nicht. Zum Beweis f r die Richtigkeit seiner Voraussetzung 75 76 77 78 79 so

Owen, Arist. and Plato in the mid-fourth century, 163-190. Zu diesem umgreifenden Rahmen der Untersuchung vgl. unten S. 125 ff. Owen, a.a.O., 175. Vgl. oben S. 89. Vgl. oben S. 54 f. Vgl. oben S. 97 ff.

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weist Owen auf Top. IX (Soph, clench.) 33, iSzb 13-31 hin, wo leicht durchschaubare F lle von Homonymie von solchen, die sogar sehr erfahrenen Leuten nicht einsichtig seien, unterschieden werden und als Beispiel f r letztere der Streit darum angef hrt wird, ob εν und 8v stets dasselbe bezeichneten oder ob von ihnen in vielfacher Weise die Rede sei. Um dieser Stelle ihre Wirksamkeit zu geben, mu Owen freilich Top. II 3, no b 16-11137, wo ausdr cklich von nicht-homonymen F llen des πολλαχώς λέγεσθαι die Rede ist, mit dem Argument beiseite schieben, diese Stelle meine ambivalente S tze, treffe also auf das εν/δν nicht zu 81. - Da es aber in der „Topik" so oder so um das Bilden von S tzen zum Zwecke dialektischen Schlie ens und um das Durchschauen der Bildeweise solcher S tze geht, sollte man doch beide Stellen gleichrangig behandeln und so das Top. IX (Soph, elench.) 33 gew hlte Beispiel vom εν/δν mit den Top. II 3 angef hrten Beispielen vergleichen d rfen: Bedeutungsvielfalt, die nicht blo Homonymie ist, sieht Aristoteles gegeben, wenn unter dem Titel einer einzigen Wissenschaft sowohl von dem Zweck als auch den Mitteln zu dessen Erreichen (so stehen - um das hier Relevante zu nennen - Gesundheit als Zweck und Di t als Mittel unter der rztlichen Kunst) oder von entgegengesetzten Zwecken oder vom Gegenstand der Wissenschaft an sich (καθ5 αυτό) oder in akzidenteller Weise ( κατά συμβεβηκός) die Rede ist. Die genannten Formen vielfacher, aber nicht blo homonymer Bedeutung erinnern an die Art und Weise, wie Metaph. Γ das Verh ltnis von ουσία und Akzidentien gekennzeichnet wird, wobei es ja dort eben darum geht, mit solcher Kennzeichnung die Einheit der Wissenschaft vom Sein trotz der Vielfalt seiner Bedeutung nachzuweisen 82: Der vielfache Sinn von „ rztlich" dient zur Untermauerung des προς εν beim vielfachen Sinn des εν/δν; die Gegens tze εν und πλήθος werden dadurch zum Gegenstand derselben Wissenschaft, da die Vielgestaltigkeit der Erscheinung des einzelnen Seienden durch Bezug auf seine ουσία zur Einheit gelangt und in den Kategorien zur Sprache kommt; die Termini καθ' αυτό und συμβεβηκός erscheinen zwar Metaph. Γ nicht ausdr cklich, doch mit ihnen kann blicherweise sonst die Selbst ndigkeit der ουσία auf der einen, die Abh ngigkeit der Akzidentien von der ουσία auf der anderen Seite gekennzeichnet werden M. Wenn so diese Beispiele auf die Art und Weise hindeuten, wie (sp ter?) anderswo das Verh ltnis der brigen Kategorien zur ουσία gesehen wird, 81 Owen, a. a. O., 166, Anm. i. 82 Vgl. oben S. 97 ff. 83 Vgl. Bonitz, Index Aristotel., s. v. έαυτοϋ, 2iz a 3 ff.

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wenn Top. IX (Soph, elench.) 33 die Homonymie f r die Geltung des εν/ον nicht so sehr behauptet, als vielmehr als Streitpunkt hingestellt wird, wenn in der „Kategorienschrift" nirgends das Verh ltnis der Kategorien ausdr cklich als homonym bezeichnet, dabei aber doch die Homonymie einleitend definiert und dann Cat. 5, 2327-34 diese Definition dazu benutzt wird, den Eindruck abzuwehren, eine der brigen Kategorien werde von der ουσία synonymerweise ausgesagt, wenn schlie lich mit der Paronymie der Versuch unternommen wird, die tats chlichen Seinsverh ltnisse auch sprachlich befriedigend zu erfassen, dann wird man darin ein Indiz daf r sehen d rfen, da Aristoteles zwar die platonische Einheit des ov als Genus mit dem Hinweis auf die Vielfalt des Seins abwehren zu m ssen glaubt, da er aber um der Einheit der Wissenschaft vom Sein willen eine Form finden mu , in der dennoch die Einheit dieser Vielfalt (die im brigen in der Gegebenheit des einzelnen Seienden wahrgenommen wird) auch sprachlich in befriedigender Weise zum Ausdruck kommt, und ihm deshalb die prima facie sich anbietende Homonymie als nicht recht geeignet erscheint. Selbst wenn man mit Owen der Meinung ist, da Aristoteles das Verh ltnis der brigen Kategorien zur ουσία als eindeutig homonym angesehen habe, ist zu fragen, was das unter den gegebenen Voraussetzungen bedeutet haben kann. Cat. 5 , 2 3 27-34 ist J a doch, da das „Wei e an sich" (d. h. der λόγος του λευκού) und das am K rper befindliche Wei e als namensgleich bestimmt werden, nicht von einem homonymen Gebrauche des ov, sondern einem homonymen Gebrauche des λευκόν die Rede; es wird also vom Standpunkt des „Wei en an sich" die ουσία als ein blo homonymerweise Wei es bezeichnet, sie stellt gleichsam — um das bei der Definition der Homonymie gegebene Beispiel im Hinblick auf seinen platonischen Hintergrund auszusch pfen84 — ein Abbild des „Wei en an sich" dar. Erst umgekehrt w rde dann vom Standpunkt der οα>σία, insofern diese das eigentliche Sein ist, gelten, da das Wei , das an der ουσία vorkommt, homonymerweise im Sinne eines Abbildes des eigentlichen Seins seiend ist. Diese Umkehrung ist nat rlich hypothetisch, der in ihr zutage tretende m gliche Sinn einer Homonymie des Seins bliebe aber dem platonischen Hintergrund der aristotelischen Lehre verpflichtet. Nur so n mlich w rde dem oben gef hrten Nachweis entsprochen, da das platonische εν/ον als Prinzip alles Seienden zwar von dem des einzelnen Seienden als εν/ον abgel st worden sei, da dabei aber niemals die Verbindung des Iv/ov mit der ουσία und damit deren exponierte Stellung dort gegen ber der Sinnenwelt, hier gegen ber den Akzi8+ Vgl. S. 104, Anm. 70.

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dentien au er acht gelassen worden sei. - Owens Ansicht, Aristoteles sei zwar immer von der „nat rlichen" Priorit t der ουσία entsprechend dem akademischen Vorrang des καθ5 αυτό vor dem προς τι ausgegangen, habe aber das προς εν als den Ausdruck f r die „logische" Priorit t der ουσία zun chst noch nicht gefunden und habe deshalb mit der „logischen" Gleichrangigkeit des vielfachen Sinnes von „Sein" als Homonymie gerechnet85, d rfte deshalb nur in dem Sinne richtig sein, da durch das λεγέσθαι κατά sich die Vorstellung von den Kategorien als zehn gleichberechtigt nebeneinanderstehenden obersten Genera bildet und da solche Vorstellung nur „logisch" m glich ist86; verfehlt ist aber doch wohl der Eindruck, Aristoteles habe jemals eine „logische" Gleichrangigkeit der verschiedenen Seinsweisen neben dem „nat rlichen" Vorrang der ουσία so akzeptiert, als sei diese Unterscheidung das Gewollte gewesen und als l ge nicht vielmehr darin das Problem, da der λόγος der Wirklichkeit, die er wiedergeben soll, nicht zu entsprechen scheint, so da eine umfassende Wissenschaft vom Sein gef hrdet ist. - Wenn Aristoteles also Metaph. Γ 2, 1003 a 34 und Z 4, 1030 b i ausdr cklich betont, das Verh ltnis der Seinsweisen sei nicht homonym, so d rfte er damit nicht eine ehedem unter dem Titel der Homonymie akzeptierte „logische" Gleichrangigkeit der Kategorien zur ckweisen wollen, sondern nur entschiedener als vielleicht zu Anfang darauf hinweisen, da aus dem πολλαχώς λέγεσθαι nicht ohne weiteres Homonymie folge; mit der Homonymie aber w rde dann m glicherweise nicht einfach oder nicht nur „ambiguity" des Seins zur ckgewiesen, sondern auch gesagt, da Vorbild-Abbild- und Teilhabe-Vorstellungen platonischer Provenienz bei der Kennzeichnung des Verh ltnisses der anderen Kategorien zur ersten nicht zutreffend seien. (5) Metaph. Z 4 87, wo Aristoteles als eine m gliche Bestimmung der ουσία (αισθητή) ihr τί ην είναι (ihr „Wesenswas") behandelt, wird klar, inwiefern sich zwar von den verschiedenen Weisen von „Sein" als verschiedenen Formen des τί εστί reden l t (inwiefern also die Vorstellung von den Kategorien als den Spitzen entsprechender Dih resen m glich ist), inwiefern aber doch erst der Bezug der anderen Seinsweisen auf die ουσία ihr „Was"-Sein ausmacht, so da damit der Gegebenheit der ουσία als des 85

Owen, a. a. O., 170-172. 86 Dazu, was „logisch" bei Aristoteles hei en kann, vgl. unten S. 113 ff. zum „λογικώς" in Metaph. Z 4. 87 Die Interpretation dieses Kapitels geht von der Textgestalt aus, die Jaeger in seiner Oxford-Ausgabe der „Metaphysik" vorlegt.

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Bezugspunktes und der Grenze aller Bewegtheit und Qualifiziertheit entsprochen wird. Nach der Ansicht des Aristoteles hat - wenn man davon ausgeht, wie die Dinge zur Sprache kommen (πρώτον εΐπωμεν ενια περί αυτού λογικώς, loapb 13)Μ - das als das „Wesenswas" eines jeden zu gelten, als was es an sich angesprochen (εστί το τι ην είναι έκάστψ δ λέγεται καθ' αυτό, b i3/ 14) und als was es in der Weise definiert werden kann, da es selbst in der ihm entsprechenden Definition nicht vorkommt (εν φ αρά μη ένέσται λόγω αυτό, λέγοντι αυτό, ούτος ό λόγος του τί ην είναι έκάστω, b 19/20). Unter dieser Voraussetzung sind Verbindungen der ersten mit den anderen Kategorien nicht definierbar, damit aber die definitorische Erkl rung der bewegten Wirklichkeit, die als solche aus diesen Verbindungen (σύνθετα, b 23)" besteht, nicht m glich: Selbst wenn eine solche Verbindung als Einheit angesetzt (z. B. λευκός άνθρωπος als ίμάτιον, b 27/28) und dann nach dem „Wesenswas" dieser Einheit gefragt wird (τί εστί το ίματίω είναι; b 28), sind die Bedingungen des καθ' αυτό λέγεσθαι nicht zu erf llen; das Wei n mlich, das in dem Definiendum „wei er Mensch" auftritt, kann als solches nur unter Nennung dessen, dem es zukommt (προσκεΐσθαι), definiert werden (b 31-33); umgekehrt l t sich der Mensch, dem das Wei zukommt, nicht dadurch definieren, da das „Wesenswas" des Wei en (τί ην λευκώ είναι) angegeben wird (b 33-1030 a 2). Gerade an diesem Punkte, an dem seine von der Sprache geleiteten berlegungen ihn dazu f hren, von einem „Wesenswas" des Wei en zu sprechen (dessen Relevanz f r die Definition des „wei en Menschen" er freilich negieren mu ), h lt Aristoteles gleichsam inne und betont, da allein demjenigen, das an sich den Charakter eines „Dieses" (όπερ τόδε τι, 1030 a 3) n hat, also der durch Genus und spezifische Differenz definierbaren ουσία, nicht aber dem Angeh rigen einer Kategorie, die von dem Angeh rigen einer anderen Kategorie ausgesagt wird (όταν άλλο κατ' αλλού λέγηται, 33/4; vgl. aio/ii) ein „Wesenswas" zuzuerkennen sei. - Damit aber wird hier die Gegebenheit des einzelnen Seienden zur Grundlage der Entscheidung dar ber gemacht, wann von einem „Wesenswas" die Rede 88 Zu den m glichen Bedeutungen von λογικώς bei Aristoteles vgl. Ross, Comm. in Arist. Metaph., vol. II168. 89 Zur Identit t des σύνΦετον der Aussage mit dem σύνολον aus Form und Materie vgl. oben S. 121, Anm. ιοί, das Referat von Vollrath, Studien zur Kategorienlehre des Aristoteles. Ό Zur Bedeutung des Terminus „τόδε τι" vgl. van Aubel, RPhL 61, 1963, 371: τόδε τι met l'accent sur le caractere de fini en soi, d'autosuffisant, de subsistant par soi, de la substance".

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sein kann und wann nicht. Die M glichkeit, von einem „Wesenswas" des „wei en Menschen" oder des Wei en zu sprechen, ist irrelevant angesichts der Tatsache, da das Wei e immer nur an einer ουσία als Zugrundeliegendem auftritt. Zwar wird gem der Ank ndigung, die Frage nach dem „Wesenswas" solle zun chst λογικώς behandelt werden, vom καθ3 αυτό λ έ γ ε σ θ α ι ausgegangen, zwar wird die Abh ngigkeit der anderen Kategorien von der ουσία anhand des άλλο κατ5 αλλού λ έ γ ε σ θ α ι konstatiert, es gehen aber stillschweigend nicht-sprachliche Voraussetzungen in die Argumentation ein: Die Undefinierbarkeit des „wei en Menschen" entscheidet sich am προσκεϊσθαι des Wei en; das zum λέγεσθαι κατά gesetzte άλλο .. . αλλού schlie t aus, da man an eine Aussage des Allgemeinen vom Besonderen in derselben Kategorie denkt, und legt so das an sich f r die synonyme Pr dikation geltende λέγεσθαι κατά auf die Abh ngigkeit der Kategorien voneinander fest, und zwar so, da von vornherein an die Abh ngigkeit der anderen Kategorien von der ersten Kategorie gedacht ist, da also Aussagen, in denen von einem Angeh rigen der anderen Kategorien ein Angeh riger der ersten Kategorie ausgesagt wird („Das Wei e ist ein Mensch"), oder Aussagen, in denen Angeh rige der sekund ren Kategorien voneinander ausgesagt werden („Das Gebildete ist wei "), ausgeschlossen sind91. Nun scheint freilich die rigorose Unterscheidung zwischen der ουσία, der allein das „Wesenswas" zuzusprechen und die allein durch Genus und spezifische Differenz zu definieren ist, und den Akzidentien, die ohne eigenes „Wesenswas" in Abh ngigkeit von der ουσία bestehen und sich nicht selbst ndig definieren lassen, vom Standpunkt des λέγεσθαι, den einzunehmen Aristoteles sich vorgenommen hat, ihm selbst unbefriedigend: Er konzediert deshalb in einer Art Neuansatz, da von ορισμός und τί εστί in vielfacher, n mlich der Zahl der Kategorien entsprechender Weise die Rede sei (1030 a 17-20); doch l t er sich damit keineswegs auf die Vorstellung von den zehn Kategorien als Spitzen selbst ndig nebeneinanderstehender Dih resen ein, sondern die vielfache Bedeutung des „Was" wird hier sogleich im Sinne des πολλαχώς λέγεται το δν, άλλα προς εν και μίαν τινά φύσιν και ούχ όμωνΰμως (Metaph. Γ 2, 1003 a 33/34) erkl rt. Genauso 9l Vgl. An. post. I 4, 73 b 5-10: die ουσία als 8 μη καθ' υποκειμένου λέγεται δλλου τινός; 22,83225-28: όσα δε μη οϋσίαν σημαίνει, άλλα κατ' αλλού υποκειμένου λέγεται δ μη 'εστί μήτε όπερ εκείνο μήτε όπερ εκείνο τι, συμβεβηκότα, οίον κατά του ανθρώπου το λευκόν; Metaph. Ζ 3, 1029 a 8/9: die ουσία als το μη καθ* υποκειμένου, άλλα καθ' οϊ τα δλλα. - Diese Festlegung der Pr dikation auf Aussagen von der οΰσ'ια als Zugrundeliegendem rechtfertigt Aristoteles ausf hrlich An. post. I 22; vgl. dazu unten S. 117 f.

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wie das „Ist" prim r (πρώτως) nur einer Kategorie, den anderen aber mitfolgend (επομένως) zukommt, so gilt auch das „Was" einfachhin (απλώς) nur von der ουσία, von den anderen Kategorien aber nur in gewisser Weise (πώς) (a 21-25); es l t sich - um den Sachverhalt, den Aristoteles mit dem Satz και γαρ το ποιόν έροίμεθ' αν τί εστίν, ώστε και το ποιόν των τι εστίν, αλλ' ούχ απλώς (a 2 3-25) anspricht, anhand eines Beispieles auszuf hren - zwar mit der Frage: „Was ist das Wei e da?" nach der Qualit t als nach einem „Etwas" fragen, das Wei e ist aber nur deshalb ein so erfragbares „Etwas", weil es einem „Etwas", das an sich ein solches ist und als ein solches erfragt werden kann, also einer ουσία, zukommt. Aristoteles bringt dazu einen „Vergleich": Wie man von dem „Nicht-Sein" sagen kann, da es sei, solche Redeweise aber nicht das „Nicht-Sein" an sich bezeichnet, sondern besagt, da in irgendeinem (n mlich dem Seinssinn der Kategorien entsprechenden) Sinne ein „Nicht-Sein" vorliege92, so meint die Aussage „etwas Wei es" nicht, da das so angesprochene Wei e an sich ein „Etwas" sei, sondern nur, da einem „Etwas" Wei zukomme (αλλ1 ώσπερ επί του μη δντος λογικώς φασί τίνες είναι το μη δν, ούχ απλώς άλλα μη δν, ούτω και το ποιόν, a 25-27). Hat denn nun Aristoteles die Untersuchung wenigstens von dem Punkte an, an dem zur Bestimmung des „Wesenswas" die vielfache Bedeutung des „Was" in Betracht gezogen wurde, nach Ma gabe der Art und Weise, wie von den Dingen die Rede ist, gef hrt? Der Satz: δει μεν οΰν σκοπεΐν και το πώς δει λέγειν περί εκαστον, ου μην μάλλον γε ή το πώς έχει, mit dem er 1030 a 27 die ber das „Was" angestellte Betrachtung abbricht, zeigt zusammen mit dem Folgenden einerseits, da sich die Art und Weise, wie von den Dingen die Rede ist, und die Art und Weise, wie sie sind, nach der Meinung des Aristoteles entsprechen: Aristoteles bertr gt die nach Ma gabe der Sprache gewonnene Erkenntnis, da vom „Was" vielfach, aber stets in Bezug auf das „Was" der ουσία die Rede ist, ohne weiteres auf die Geltungsweise des τί ην είναι (a 2 8-3 2). Andererseits aber mu angesichts der betonten Pr valenz des πώς έχει die Formulierung πώς δ ε ι λέγειν (statt: πώς λέγεται) als Hinweis darauf verstanden werden, da nicht alles sprachlich M gliche die Wirklichkeit angemessen wiedergibt. Wenn Aristoteles schlie lich a 32 ff. betont, da das Verh ltnis der verschiedenen Formen des τί ην είναι weder ein homonymes noch ein synonymes sei (μήτε όμωνύμως . .. μήτε ωσαύτως, a 34/355 °^τε όμωνύμως ούτε καθ5 εν, b3/4)> sondern hier eine προς εν-Beziehung im Sinne der verschiedenen Bedeutung 92 Vgl. oben S. 91 und S. 98.

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von „ rztlich" vorliege, so l t sich das im Blick auf die „Kategorienschrift" und die „Topik" dahingehend auslegen, da ein vielfach ausgesagtes εν/ δν/τί rein sprachlich sowohl als Pr dikation eines obersten Genus von seinen Species wie auch als Anwendung desselben Pr dikats auf mehrere Dinge, zwischen denen keine sachliche Beziehung besteht, verstanden werden k nnte, da beide Vorstellungen aber abzuwehren und durch die tats chlich gegebene προς εν-Beziehung zu ersetzen seien. Im Blick auf Metaph. Γ 2, wo die vielfache Bedeutung des εν/δν ebenfalls anhand der vielfachen Bedeutung von „ rztlich" als προς εν-Beziehung erl utert wird, f llt auf, da dort 1003 b 12-15 das καθ' εν zur Bezeichnung der gemeinten Beziehung der Akzidentien auf die ουσία zugelassen, da es hier Z 4, 1030 b 3 aber als Terminus zur Kennzeichnung der Synonymic verwendet und damit zur Bezeichnung des gemeinten Verh ltnisses zwischen der ersten und den anderen Kategorien als ungeeignet hingestellt wird. Die Diskrepanz als solche l t sich zun chst aus der Intention erkl ren, die Aristoteles Metaph. Γ 2 verfolgt9i: Es geht darum zu zeigen, da die Wissenschaft vom Sein trotz der vielfachen Bedeutung ihres Gegenstandes eine ist; da zweifelsohne diejenige Wissenschaft, die ein einziges Genus zu ihrem Gegentand hat, eine ist, ist Aristoteles bereit, den Terminus καθ5 εν, der eigentlich die Pr dikation innerhalb eines Genus bezeichnet (darum wohl: και γαρ ταύτα τ ρ ό π ο ν τ ι ν ά λέγεται καθ' εν, 1003b 14/15)? auch f r die Aussage der anderen Kategorien von der ουσία zuzulassen **. Metaph. Γ 4, ioo6 b 14-18, wo es Aristoteles darum geht, die eidetische Einheit der ουσία als εν von der Einheit, die die ουσία mit ihrem Akzidentien eingeht, zu unterscheiden, beschr nkt er in Umkehrung der urspr nglichen Verh ltnisse das καθ' εν λέγεσθαι sogar auf die Aussage der Akzidentien von der ουσία. - Metaph. Z 4 dagegen kommt es ihm darauf an, die vielfache Aussage des εν/δν nach beiden Seiten m glichen Mi verst ndnisses, also sowohl gegen ber der Synonymie (der seiner Meinung nach platonischen Geltungsweise des εν/δν) als auch gegen ber der Homonymie (die sich als Gegensatz zur Synonymie sprachlich zun chst anbietet), abzugrenzen, so da hier der Terminus καθ5 εν auf seine urspr ngliche Geltung beschr nkt bleibt. Im brigen gesteht sich Aristoteles Diskrepanzen bei der Formulierung der Abh ngigkeit der anderen Kategorien von der ουσία selbst zu, wenn er 93 Vgl. oben S. 97 und unten S. 127/128. 94 Vgl. oben S. 114, Anm. 91, die Beispiele daf r, wie die bertragung des λέγεσθαι κατά auf die Pr dikation der Akzidentien von der ουσία durch die Hinzusetzung des δλλο abgesichert wird.

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Z 4, 1030 b 3/4 die Bemerkung anschlie t, wie man sich in diesem Falle ausdr cke, mache keinen Unterschied. Dies meint nicht etwa, da es auf den Ausdruck des Seins in der Sprache berhaupt nicht ankomme, sondern zeigt vielmehr, da der Wert einer sprachlichen Formulierung des Verh ltnisses von ουσία und Akzidentien an den Gegebenheiten gemessen wird. (6) Ausdruck der aristotelischen berzeugung, da sich die Rede ber das Sein nach dessen Gegebenheiten zu richten habe, da nach Ma gabe derselben dann aber auch gesichertes Wissen vom Sein m glich sei, ist seine Unterscheidung zwischen der Praedicatio per se (κατηγορεΐν καν" αυτό, κατηγορεΐν απλώς) und der Praedicatio per accidens (κατηγορεΐν κατά συμβεβηκός), die er An. post. I 22 im Rahmen des Nachweises, da jeder Beweisgang begrenzt und nur als ein solcher m glich sei, vortr gt 95 : i. Aussagen, in denen das Ausgesagte einer anderen Kategorie angeh rt als das, von dem es ausgesagt wird, sind in eine Form zu bringen, die die ουσία als Zugrundeliegendes erscheinen l t und so die unbeschr nkte M glichkeit der Aussage des einen vom anderen einschr nkt (Praedicatio per se); unzul ssig sind demnach Aussagen der Akzidentien voneinander („Das Gebildete ist wei ") oder der ουσία von einem ihrer Akzidentien („Das Wei e ist ein Mensch"), da hier die ουσία als Zugrundeliegendes (das sie tats chlich in jedem Fall ist) berhaupt nicht oder nicht als solches zur Sprache kommt (An. post. I 22, 8331-23). 2. Da die Angeh rigen der anderen Kategorien nur insofern, als sie von der ουσία als Zugrundeliegendem ausgesagt werden, angemessen zur Sprache kommen (wobei hier unter ουσία augenscheinlich sowohl das einzelne Seiende -όπερ εκείνο τι - als auch seine Species - όπερ εκείνο - zu verstehen sind, 83 a 27), sind Aussagen, in denen von einem Angeh rigen der anderen Kategorien seine Species oder einer der „h heren" AllgemeinbegrifTe ausgesagt wird (also ein όπερ λευκόν τι und ein όπερ λευκόν vorausgesetzt werden, 83 a 29), im Hinblick auf das Beweisverfahren ohne Wert (83 a 24-35) %. 3. Aussagen, in denen das Ausgesagte derselben Kategorie angeh rt wie das, von dem es ausgesagt wird, sind nach „unten" durch die Infima Species, nach „oben" durch die jeweilige Kategorie als Summum Genus begrenzt (Mensch - Lebewesen ουσία; Wei - Farbe - ποιόν); entsprechend finden die Aussagen „h herer" AllgemeinbegrifTe aus den anderen Kategorien von der ουσία („Der Mensch 95 Ausf hrlich behandelt und im Hinblick auf das Verh ltnis von Sprache und (bewegter) Wirklichkeit gedeutet ist diese Unterscheidung von Vollrath, Studien zur Kategorienlehre des Aristoteles, 35-64; vgl. zu Vollrath auch hier oben S. ιοί, Anm. 64, und unten S. 121, Anm. ιοί. 96 Vgl. die Zitate aus diesem Abschnitt oben S. 114, Anm. 91.

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ist irgendwie beschaffen") nach „oben" ihre Grenze in der jeweiligen Kategorie (83 a 36-b 17)97. An den zweiten der genannten Punkte, der vom Standpunkt der ουσία als Zugrundeliegendem, an dem sich die anderen Kategorien als Akzidentien finden, die Vorstellung eines όπερ λευκόν τι oder όπερ λευκόν zur ckweist, schlie t Aristoteles eine Platon-Kritik an, in der er sich scharf gegen die Annahme von Ideen im Bereich der sekund ren Kategorien wendet (83 a 32-34). Die Seinsweise der sekund ren Kategorien schlie t es aus, von ihnen so zu reden, als seien sie ούσίαι, was ja die platonischen Ideen zu sein vorgeben9S. Wenn Aristoteles so die sprachlich m gliche, aber vom Standpunkt der Untersuchung sinnlose Vorstellung von der Selbst ndigkeit der sekund ren Kategorien im Rahmen ihres jeweiligen Genus sogleich mit diesem Angriff gegen den Wirklichkeitsanspruch der platonischen Ideen verbindet, zeigt das, da Aristoteles die Aussageweisen, die er f r sinnvoll h lt, als Wiedergabe der Wirklichkeit ansieht. (7) Insofern die ουσία als τόδε τι gefa t ist, macht es schlie lich keinen Unterschied, ob von ihr ihr Genus oder irgendeine akzidentelle Beschaffenheit ausgesagt wird; im Verh ltnis zur ουσία qua τόδε τι sind n mlich beide Gruppen m glicher Pr dikate Allgemeinbegriffe (τα καθόλου), die als solche ihr Sein in der ουσία des einzelnen Seienden haben, von dem sie ausgesagt werden. Aristoteles spricht das Metaph. Z 13 aus, indem er sagt, alle All97 Diese Darstellung des Inhalts des genannten Abschnitts bezieht einen bestimmten Standpunkt im Hinblick auf die Probleme, die die Interpretation des Abschnitts aufgibt, kann aber die Problematik selbst hier nicht entfalten; vgl. deshalb Ross, Comm. in Arist. Prior and Posterior Analytics, 578. '· Die entschiedene Zur ckweisung der Ideen dessen, was unter die sekund ren Kategorien f llt, l t sich zusammensehen mit Metaph. A 9, 990 b 15 — 991 a 8, wo Aristoteles im Rahmen seiner Kritik der platonischen Ideenlehre Ideen des Relativen (προς τι) mit dem Argument zur ckweist (vgl. bes. 990 b 27 - 991 a i), Gegenstand der Teilhabe k nnten nur Substanzen, nicht aber das, was selbst den Charakter eines Akzidens habe, sein (vgl. Wilpert, Zwei aristotel. Fr hschriften, 73 ff., bes. 79). Wenn Aristoteles dabei die Akademiker durch sich selbst zu widerlegen sucht, indem er behauptet, aus der Ideenlehre folgten Ideen des Relativen, dem sie doch selbst keine Selbst ndigkeit (die ja ein Merkmal der Idee als Substanz ist) zuerkennten (990 b 16/17), dann wirft das m. E. (dies gegen Wilpert) nicht so sehr die Frage auf, ob Platon wirklich Ideen des Relativen zugelassen habe, sondern zeigt eine f r Aristoteles in seiner Platon-Kritik typische Verquidcung von „platonischer" und „aristotelischer" Denkweise: Einerseits ber cksichtigt Aristoteles, da das platonische προς τι als solches f r die Relationalst der Sinnenwelt steht und deshalb gar nicht ουσία sein kann, andererseits setzt er f r den προς τι-Bereich bereits seine Kategorieneinteilung voraus und denkt sich die Ideen, die gem der Ideenlehre von den Angeh rigen dieses Bereichs existieren m ten, als hypostasierte Allgemeinbegriffe in dem jeweiligen Genus.

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gemeinbegriffe bezeichneten nicht ein „Dieses" (τόδε τι), sondern ein „Sobeschaffenes" (τοιόνδε τι) (1038 b 23 -1039 a 3): Allgemeinbegriffe haben keine selbst ndige Existenz, sondern sind nach Art einer Qualit t nur durch das Sein des Seienden, von dem sie ausgesagt werden, machen also dieses Seiende zu einem sobeschaffenen Seienden. Aus dieser Kennzeichnung der Allgemeinbegriffe ist jedoch das είδος des einzelnen Seienden, das als Infirma Species an sich in die Reihe der Allgemeinbegriffe geh rt, bezeichnenderweise ausgenommen, weil es als Form des einzelnen Seienden dessen ουσία konstituiert. Dadurch ergibt sich dann freilich das Problem, wie denn die Definition der ουσία durch Genus und spezifische Differenz, die ein Allgemeines bezeichnet, die ουσία des einzelnen Seienden angemessen wiederzugeben vermag; denn als σύνολον aus είδος und ΰλη erweist sich das einzelne Seiende als undefinierbar (vgl. Z 13, 1039314-23; 15 ganz; An. post. I 31, 87 b 28-39)". Wichtig ist es zu bemerken, da die Argumentationsweise, aus der Metaph. Z 13 der Qualit tscharakter der Allgemeinbegriffe folgt, als Polemik gegen die platonische Ideenlehre vorgetragen wird: Die platonischen Ideen m ten als ούσίαι, die sie sein wollen, nach aristotelischer Voraussetzung den Charakter eines τόδε τι haben; als Allgemeinbegriffe, die sie sind, bezeichnen sie jedoch nur eine Qualit t des einzelnen Seienden, von dem sie ausgesagt werden. G be es Ideen, dann w ren die ούσίαι entweder - insofern die Ideen als καθόλου gesehen werden-von Qualit ten abh ngig (1038 b 23—29) oder aber — insofern die Ideen als ούσίαι qua τόδε τι ernstgenommen werden - es k me zu einer Verdopplung der Wirklichkeit (1038 b 29/30; vgl. Z 15, 1040 a 8/9). - An anderen Stellen ist die Kritik an der platonischen Ideenlehre dergestalt formuliert, da Platon seine Untersuchungen λογικώς (λογικώς και κενώς, εν τοις λόγοις) betrieben habe 10°. Da ja nun Aristoteles selbst danach fragt, wie von den Dingen die Rede ist, dabei freilich die M glichkeiten sprachlichen Ausdrucks nach Ma gabe der Wirklichkeit einsetzt, bedeutet diese Kritik, da Platon diesen Bezug 99 Auch Cat. 5,3 b 15-18 und Top. IX (Soph, elench.) 22, 178 b 37-39 werden die Allgemeinbegriffe als ποια bezeichnet; entsprechend der in der „Kategorienschrift" und der „Topik" deutlich vorgenommenen Trennung von einzelnem Seienden und seiner Infima Species (vgl. oben S. 107) wird jedoch dort auch das είδος als ποιόν gewertet, dabei freilich Cat. 5, 3 b 18-21, gleich bemerkt, es handle sich um eine besondere, n mlich die ουσία betreffende Art des ποιόν. So bleibt hier auf jeden Fall die Vorstellung eines sich dih retisch bis zu den Infimae Species gliedernden Genus „ουσία" m glich. 100 Vgl. Gen. et corr. 12, 316 a u; Metaph. A 6, 987 b 31/32; Λ ι, 1069 a 26-28; H i, 1042312-16 (!); Θ 8, 1050 b 35/36; EE I 8, 1217 b 21.

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auf die Wirklichkeit au er acht gelassen und so die in der Sprache sich zeigenden Allgemeinbegriffe f lschlicherweise als ούσίαι hypostasiert habe, ein Vorgehen, das sich hier Metaph. Z 13, wo die ουσία als τόδε τι gedacht wird, als v llig absurd erweist. b) Das Sein des Bewegten in den Formen der Aussage (i) Zusammenfassend kann die aristotelische Kategorienlehre als Versuch gewertet werden, dem Sein in den Formen des λόγος, also mittels des diskursiven Denkens, gerecht zu werden. Die vielfache Weise, in der von einem Seienden die Rede ist (n mlich als einem bestimmten „Dieses", als einem „Sobeschaffenen", als einem „Sogro en" usw.) gibt das Sein des einzelnen Seienden unter einer Vielzahl von Aspekten wieder und bew ltigt so die Vielf ltigkeit seiner Erscheinung. Das vielfache Reden von „Sein" findet aber darin seine Grenze und Bestimmtheit, da sich alle Formen, in denen von „Sein" die Rede ist, auf die ουσία als Zugrundeliegendes zur ckf hren lassen. Dabei spielt augenscheinlich der Gedanke eine Rolle, da die Sprachform, in der die vielen Aussagen, die von einem Seienden gemacht werden k nnen, erscheinen (ποιότης als ποιόν τι, ποσότης als ποσόν τι usw.), das tats chliche Abh ngigkeitsverh ltnis ausweisen, wonach die ausgesagten Allgemeinbegriffe eben nur in dieser Form, als dieses Sobeschaffene, dieses Sogro e usw. ihre Einheit und ihr Sein haben und sich umgekehrt die Einheit und Bestimmtheit der ουσία als des Zugrundeliegenden im Unterschied zu den durch die Form ihrer Abh ngigkeit sich als συμβεβηκότα erweisenden Seinsweisen best tigt. Das Seiende, das in den Kategorien zur Sprache kommt, ist das von Natur Seiende und damit das bewegte: Entsprechend den Kategorien unterscheidet Aristoteles als Arten der Bewegung die, in der das Seiende zu sich selbst kommt oder vergeht (γένεσις/φθορά), von der der Qualit t (κατά το ποιόν), der der Quantit t (κατά το ποσόν) und der Ortsbewegung (κατά τον τόπον); und zwar hat die Bewegung in allen ihren Arten die Form, da etwas an dem ihm Zugrundeliegenden als seiner M glichkeit aus seinem Gegenteil zu seiner Wirklichkeit kommt, so da die Akzidentien an der ουσία als Zugrundeliegendem aus ihrem jeweiligen Gegenteil entstehen, da die ουσία selbst dadurch, da das ihr als Materie Zugrundeliegende ihre Gestalt annimmt, aus dem Nicht-Sein (στέρησις) zur Wirklichkeit (είδος, ενέργεια) kommt. - Die Vielf ltigkeit der Erscheinung des einzelnen Seienden und seine Bewegtheit haben beide in der Materie als dem Principium indi-

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viduationis ihren Grund und sind somit nur zwei verschiedene Aspekte desselben Sachverhalts; die Vielheit m glicher Aussagen ber die ουσία und die Vielheit m glicher Bewegungen der ουσία sind beide auf die Einheit der ουσία bezogen und finden an ihr ihre Grenze. In den Kategorien kommt also, insofern sie die Vielfalt der Erscheinung des einzelnen Seienden zur Sprache bringen, das Sein als bewegtes zur Sprache101. (2) Die aristotelische Unterscheidung der Akzidentien von der ουσία und die vom Standpunkte der ουσία als Abh ngigkeit zu interpretierende Beziehung der Akzidentien auf die ουσία entsprechen, insofern die ουσία das Seiende als bestimmtes Wi bares meint, das Seiende in den anderen Kategorien jedoch auf seine nicht wi bare Au enseite hin angesprochen wird, dem platonischen Verh ltnis von Sein und Erscheinung (ουσία und ποιόν, καθ' αυτό und προς τι). W hrend Platon jedoch die ουσία in ihrer Best ndigkeit und Bestimmtheit in Analogie zu mathematisch verifizierbaren Bestimmtheiten denkt und sie so unabh ngig von ihrem sinnlichen Erscheinen als gesichert ansieht, so da die ουσία sowohl von ihrer Erscheinung als auch von ihrem Ausdruck im λόγος unterschieden werden kann, f llt bei Aristoteles der Unterschied zwischen dem selbst ndigen und vorrangigen und dem unselbst ndigen und abgeleiteten Sein gleichsam in die Formen des λόγος und die Formen der Sinnlichkeit selbst: Dies zeigt sich darin, da Aristoteles innerhalb der Bewegung und der Qualit t, die vom platonischen Standpunkt als typische Erscheinungsweisen der Sinnenwelt zu gelten haben, jeweils zwischen einer wesentlichen und einer akzidentellen Form unterscheidet. - Auch bei Platon gibt es zwar die Definition mit der spezifischen Differenz und daneben die Qualit t als Erscheinungsweise sinnlich wahrnehmbaren Seins, Platon verlangt jedoch dem λόγος nicht voraussetzungslos die Darstellung des Seins ab, sondern sieht von vornherein alle Aussagen ber ein Seiendes als Entfaltung der noetischen Gewi heit ber sein Wesen an und unterscheidet au erdem die Definition als sprachlichen Ausdruck des 101

Diesen Tatbestand, da „die Gestalten des Logos vorg ngig im Bezug auf die Sachen in ihrem Vorliegen stehen", hat Vollrath, Studien zur Kategorienlehre des Aristoteles, aus der Strukturgleichheit des λόγος und des von Natur Seienden als eines jeweils Zusammengesetzten (n mlich σύνϋετον aus ουσία und Akzidentien bzw. σύνολον aus Form und Materie) vertieft erkl rt: Das Zukommen des einen zum anderen, das der λόγος aufweist, ist stets ein Zusammenkommen und damit eine Weise der Bewegung; der λόγος, der aussagt, da etwas einem anderen zukomme, ist die Aussage eines Zusammengesetzten, d. h. aber des von Natur Seienden, er h lt die Bewegung, in der etwas in einer bestimmten (n mlich einer der Kategorien entsprechenden) Hinsicht „wird", in ihrem Ergebnis fest (das einleitende Zitat a. a. O., 4; zur Paraphrase der These des Autors, die sich seiner Terminologie bedient, vgl. vor allem a. a. O., 41-51).

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eidetisdien Ordnungsgef ges prinzipiell von der Qualifiziertheit der Sinnenwelt als πάθη und κίνησις, so da von einer Kategorie der Qualit t als einem γένος του δντος, das sowohl das Wesen als auch die Erscheinung eines Seienden betrifft, bei ihm nicht die Rede ist. Der die Kategorie der Qualit t durchkreuzende prinzipielle Unterschied zwischen der Qualit t als spezifischer Differenz und der Qualit t als akzidenteller Beschaffenheit wird bei Aristoteles selbst deutlich: Es macht Schwierigkeiten, die spezifische Differenz der richtigen Kategorie zuzuordnen, weil sie einerseits die ουσία wesentlich mitbestimmt (κατηγορείται δ' εν τφ τί εστί τα γένη και αϊ διαφοραί, Top. VII 3>I 53 ai 7/ I 8), andererseits aber ihrem Inhalte nach der Qualit t zugeh rt (ουδεμία γαρ διαφορά σημαίνει τί εστίν άλλα μάλλον ποιόν τι, Top. IV 2, 122 b ι6/ι7) 102 . Von einem vergleichsweise noch platonisch zu nennenden Standpunkt grenzt Aristoteles Metaph. Δ 14, io2ob 13-18 die διαφορά als unterscheidende Beschaffenheit des Unbewegten klar gegen die als πάθη verstandene Beschaffenheit des Bewegten ab. In diesem Sinne platonisch ist auch die summarische Kennzeichnung der Akzidentien als κινήσεις und πάθη της ουσίας (της ύλης) 103. Jedoch ist bei Aristoteles das Verh ltnis von διαφορά und πάθη immer schon so gefa t, da die ουσία (oder auch die ί'ιλη) bereits als ein Bestimmtes vorausgesetzt wird, so da an ihr dann die πάθη anschaulich vorgestellt werden k nnen, w hrend Platon mit der Unterscheidung zwischen ουσία und ποιόν/κίνησις die Geistesbzw. Sinnenwelt in ihrer Struktur begreift. Es fragt sich so, wie die durch die spezifische Differenz bezeichnete Bestimmtheit der Definition, die ein Allgemeines ausspricht, so zu der Bestimmtheit des einzelnen Seienden beizutragen vermag, da dieses in der Aussage bereits als ein vorg ngig Gesichertes gegen ber den Akzidentien auftreten kann, obwohl es doch als Individuum erst durch die Summe aller seiner Beschaffenheiten konstituiert ist. Anders gesagt: Es stellt sich die Frage nach dem Grunde, aus dem heraus die spezifische Differenz als solche von der Vielzahl der Qualit ten, die das Individuum ausmachen, unterschieden werden kann. Bei der Suche nach einer Antwort zeigt es sich, da auch bei Aristoteles das Kriterium f r die Unterscheidung zwischen der wesentlichen und der akzidentellen Form von Qualifiziertheit au erhalb des λόγος und damit au erhalb der Ratio discursiva liegt104: 102 Vgl. ferner Top. IV 6, 128320—29; VI 6, 144 a 15—22; Metaph. Δ 14, 1020333b ι; Κ 12, 1068 b 15-20. 103 Vgl. oben S. 94. IM Vgl. Moreau, Ar. et la probfeme de la methode, 21-33; Hess, Phronesis 15, 1970, 48-82. - In den Umkreis der im folgenden anzusprechenden Fragen f hrt auch

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Zwar weist der λόγος darin, da er die Definition der ουσία als Verbindung von Genus und spezifischer Differenz ausspricht, und darin, da er die anderen Kategorien an die ουσία bindet, nicht ber sich hinaus; das Wesenswissen aber, das der λόγος ausspricht und das als solches die Bedingung f r die M glichkeit der Verkn pfung aller anderen λόγοι zur Einheit darstellt, mu seine Sicherheit au erhalb des Bereiches suchen, in dem es ausgesprochen wird. Die apodeiktisch verfahrende Wissenschaft kommt n mlich zu den Allgemeinbegriffen (τα καθόλου), mit denen sie im Bereich des λόγος operiert, durch die Verbindung von Induktion (επαγωγή) und Intuition (νους). Das mehrfache sinnliche Wahrnehmen eines Individuellen (αΐσθησις) f hrt ber Ged chtnis und Erfahrung zum Begriff eines Allgemeinen (An. post. I 18, 81 a 38 - b 9; II 19, 100 a 3 - b 5; Top. I 18, io8b7~33; EN VI 3, 1139 b 27-31); das induktiv angebahnte Allgemeine wird aber erst durch die Intuition als der Anfang erfa t und gesetzt, von dem dann das apodeiktisch verfahrende Wissen seinen Ausgang nehmen kann (An. post. I 2, 72 a 25 - b 4; II 19, 100 b 5-17; EN VI 6, 1140 b 31-1141 a8)105. Unter dem Allgemeinen, das sich im Zusammenwirken von Induktion und Intuition als Prinzip apodeiktisch verfahrender Wissenschaft zeigt, lie en sich im Blick auf An. post. I 22 1C6 die Kategorien verstehen, da sie das Allgemeinste sind, zu dem man auf dem Wege fortschreitender Verallgemeinerung gelangen kann107; bei genauem Zusehen zeigt sich aber, da unter dem so gewonnenen Allgemeinen vor allem die Definition des einzelnen Seienden zu verstehen ist: Die Definition wird - selbst nicht beweisbar 108 - als Pr misse zum Ausgangspunkt von Beweisen. Die Frage nach dem Anteil der sinnlichen Wahrnehmung bei der Erfassung eines Allge-

los

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Tugendhat, ΤΙ ΚΑΤΑ ΤΙΝΟΣ, Schlu kapitel „Begr ndung und Definition bei der ουσία; Grenze der aristotelischen Fragestellung und letzte Voistb' e" (144—154). Vgl. R. A. Gauthier / J. Y. Jolif, Aristote, L'Ethique Nicomaque. Introduction, traduction et commentaire, 2 Bde., Paris/Louvain 1958/1959, zu EN VI 6, 1141 a 7/8: „En realite, pour Aristote, l'induction, c'est- -dire le rassemblement des cas particuliers, ne fait que preparer la voie l'intelligence, c'est- -dire l'intuition immeVIiate de l'universel contenu dans ces cas particuliers; la connaissance des principes peut done etre attribuee indifferemment l'induction (achevie par l'intuition) ou l'intuition (preparee par l'induction)". Vgl. oben S. 117 f. So Ross, Comm. in Arist. Prior and Posterior Analytics, 678, zu II 19, loobi: ..., ?ως δν τα ά μ ε ρ ή στη και τα καθόλου, ... Neben der syllogistischen Nichtbeweisbarkeit der Definition (An. post. II 3-7) steht bei Aristoteles die Bestimmung des Wesenswas einer Sache durch Angabe der Ursache ihrer Existenz (An. post. II 8); vgl. dazu A. Mansion, Arist. et les problem« de la me*thode, 72/73.

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meinen f hrt auf die schon mehrfach gestellte Frage nach dem Verh ltnis des σύνολον aus είδος und ΰλη als eines Besonderen zu der Definition dieses σύνολον als eines Allgemeinen und damit zu der Frage nach dem Anteil der Materie eines Seienden bei der Konstitution seiner ουσία; denn die sinnliche Wahrnehmung erfa t die Vielfalt der Erscheinung des einzelnen Seienden und bringt so die Materie, die als Principium individuationis gleicherma en Ursache f r die vielf ltige Qualifiziertheit des einzelnen Seienden wie f r die Vielheit artgleicher Individuen ist109, in den Blickno. Die Intuition richtet sich nach Metaph. Θ ίο, 1051 b 17 ff. auf die nicht zusammengesetzten, also aktuell als ein Sein schlechthin bestehenden Substanzen (αί μη σιτνΦεταί ουσίαι, b 27; όσα δη εστίν όπερ είναι τι ν.αί ενεργεία . .., b 30/31)111, die als ουσίαι Individuen112, als nicht zusammengesetzte aber 109 Vgl. oben S. 78/79. HO Die Frage, welche Rolle die Materie bei der Konstitution und somit die sinnliche Wahrnehmung bei der Erkenntnis der ουσία des einzelnen Seienden spielt, versch rft sich, wenn - wie Aristoteles dies Metaph. Z 10, 1035 b 14 ff., tut - nach der ουσία des beseelten Seienden gefragt wird (vgl. De anima II i und ΕΝ Ι 6, 1097 b 22-1098 a 20 zu der folgenden Paraphrase): Die ουσία eines beseelten Seienden, und zwar im Sinne des definierbaren Wesenswas, ist seine Seele; gem dem Wesen der Seele als Entelechie des potentiell lebendigen K rpers erf llt sich das Wesenswas eines beseelten Seienden darin, sich gem seinem h chsten Seelenverm gen zu bet tigen, so da hier die Wesensbestimmung jedenfalls nicht getrennt von dem K rper angegeben werden kann, dessen Wesensbestimmung sie ist. Das f hrt aber zu der berlegung, ob die Definition, die von der lebendigen Wirklichkeit eines Seienden absieht, berhaupt sein Sein wiedergibt, ob nicht vielmehr sinnliche Wahrnehmung und Intuition als Erkenntnisweisen des Individuellen angemessener seien (1035 b 34 -1036 a 8). in Oehler, Die Lehre vom noetischen und dianoetischen Denken, unterscheidet 182 ff. die ασύνδετα (1051 b 17) als die „Gegenst nde beziehungsweise isolierten Begriffe m glicher Urteile" (215), als welche die Kategorien und ihre jeweiligen Angeh rigen je f r sich betrachtet werden k nnen, von den μη συνθεταΐ ουσίαι (1051 b 27) als den „reinen είδη, die sich mit der ί5λη zum Ganzen der Einzeldinge verbinden, f r sich betrachtet aber frei von jeglicher δλη sind" (183/184). Diese Unterscheidung besteht zwar vom Text her zu Recht, legt aber einen zu scharfen Schnitt zwischen beide Begriffe: Es ist ja gerade die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Kategorien als άσύνθετα angesehen werden k nnen und so vor allem die ουσία als vorg ngig Gesichertes in den Blick genommen werden kann, da die Kategorien doch in der Synthesis auftreten, die das konkrete Einzelne darstellt; und es zeigt sich dann, da die ουσία αίσφητή die Berechtigung, in der Aussage als άσύνθετον (definierbar durch Genus und spezifische Differenz) zugrunde gelegt zu werden, daher nimmt, da sich ihr Wesenswas nach Art der nicht zusammengesetzten Substanzen intuitiv erfassen l t. 112 Die Individualit t des intuitiv (noetisch) Erfa ten folgt klar aus Metaph. Z10, 1036 a 3/4, wo das Erfassen der individuellen geometrischen Figur als νόησις erscheint.

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ohne Materie sind113. Angewandt auf die Rolle der Intuition bei der Erkenntnis des Allgemeinen bedeutet das: Die Intuition erfa t den durch mehrfache sinnliche Wahrnehmung sich anbahnenden Allgemeinbegriff in der Aktualit t des Besonderen als dessen individuelle Form und verleiht dem AHgemeinbegriff so die Geltung, die er als Prinzip des Beweises haben mu , unbeschadet dessen, da er als Definiendum im Rahmen des Beweisverfahrens Allgemeinbegriif bleibt. Solches zeigt sich besonders deutlich Metaph.Mio: Dort begegnet Aristoteles der Schwierigkeit (und da sie als solche empfunden wird, resultiert aus der intendierten Identit t von Sein und Wissen), da allein das Allgemeine wi bar ist, aber nur das Besondere als ουσία χωριστή die Bedingung substantiellen Seins erf llt (1086 b 16-1087 a I 3)> dadurch, da er zwischen potentieller und aktueller Wissenschaft unterscheidet: Die Wissenschaft geht zwar potentiell auf das Allgemeine, richtet sich aber aktuell jeweils auf das Besondere, durch dessen Erfassen das Allgemeine mit in den Blick kommt (1087 a 15-25). (3)1M Die Betrachtung der bewegten Wirklichkeit (der ουσία αισθητή/ μεταβλητή, Metaph. Λ ι, 1069 b 3) ist Aufgabe der Physik, steht also gem der Stufenfolge der ούσίαι und der sie betreffenden theoretischen Wissenschaften nicht an erster Stelle (Metaph. E i , 102^18-1026332; A I , io69a3o-b2); diesen Platz nimmt nach Metaph. E i vielmehr die Wissenschaft ein, deren Gegenstand im Unterschied zu den Wissenschaften, die auf Teilbereiche der Wirklichkeit gehen (περί δν τι και γένος τι), das Sein 113 F r die durch Intuition erfa baren mathematischen Individuen (vgl. die vorangehende Anm.) ist nach Metaph. Z ιο/ιι, 103639-12; 1036 b 32 -1037 a 5 als Bedingung der M glichkeit ihrer Individuation eine ΰλη νοητή anzusetzen (m glicherweise kn pft Aristoteles bei dieser Verwendung des Materie-Begriffes an die strukturale Geltung des platonischen zweiten Prinzips an; vgl. dazu oben S. 57, Anm. 103). Insofern aber den nicht sinnlich wahrnehmbaren Individuen die νόησις als einfacher Erkenntnisakt zugeordnet ist, beeinflu t die singul re Annahme einer ύλη νοητή nicht die Beantwortung der Frage, welche Rolle die νόησις bei der Erkenntnis des σύνολον aus είδος und ΰλη (αίσφητή) spielt. 114 Die folgenden u erungen zum aristotelischen „Metaphysikbegriff" setzen den von Merlan, From Platonism to NeoplatonismZ, i6off.; JHS 77, 1957, 87-92 und PhilosRdschau 7, 1959, 148-153, gef hrten und bekr ftigten Nachweis voraus, da sowohl die aristotelische πρώτη φιλοσοφία als auch die Wissenschaft vom δν fj 8v ihrer Intention nach die proze freie Seinssph re als diejenige, von der alles andere Sein abh ngig ist, zu ihrem Gegenstand haben und gehen mit Merlan davon aus, da die Stufenfolge der ούσίαι, der die Abfolge der theoretischen Wissenschaften korrespondiert, auf der akademischen Stufenlehre (vgl. oben S. 39/40), der im δν fj v gedachte Seinsbegriff auf der akademischen Gegensatzlehre (vgl. oben S. 52 und 97 ff.) fu t. - Eine bersicht ber den Stand der Diskussion ber den aristotelischen „Metaphysikbegriff" bieten u. a. Wagner, PhilosRdschau 7, 1959, 129-148; During, Aristoteles, 594-596.

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(das Seiende)115 einfachhin und als solches (περί δντος άπλώς/fj v) mitsamt seinen Prinzipien (1025 b 3-18), im Unterschied zur Physik, die auf das getrennt Existierende und Bewegte, und zur Mathematik, die auf das Unbewegte, aber nicht getrennt Existierende geht, das getrennt Existierende und Unbewegte (περί χωριστά και ακίνητα) ist (1025 b 18 —1026 a 16). Als Gegenstand dieser „ersten Philosophie" erweist sich Metaph. Λ der erste, selbt unbewegte Beweger (vgl. vor allem die „Gelenkstelle" Λ 6, 1071 b 3-5); er ist f r die bewegte Wirklichkeit Ursache ihrer Bewegung. Im brigen aber tr gt die bewegte Wirklichkeit ihre Prinzipien in sich selbst, weil das Sein des einzelnen Seienden als Proze verstanden wird, in dem dieses Seiende seine Natur verwirklicht („φύσις οδός εις φύσιν"), und weil die Erhaltung der Species durch die Erzeugung artgleicher Individuen gew hrleistet ist („άνθρωπος ανθρωπον γεννφ")116. Indem aber Aristoteles so die bewegte Wirklichkeit weitgehend aus sich selbst erkl rt und sich als getrennt Existierendes und zugleich Unbewegtes allein der erste Beweger zeigt, ist der Geltungsanspruch der „ersten Philosophie" zwar hinsichtlich des Charakters ihres Gegenstandes erf llt, es bestehen aber offensichtlich Zweifel an der gleichfalls zu fordernden Universalit t dieses Gegenstandes. Das zeigt sich in der Frage (E i, 1026 a 23-25), ob die „erste Philosophie" allgemein Geltung habe (πότερον ... καθόλου εστίν), was von ihr als Wissenschaft vom ov ov zu fordern ist, oder ob sie auf eine einzelne Gattung und Wesenheit sich richte (ή περί τι γένος και φύσιν τινά μίαν), zu welcher Vermutung anscheinend die hier unausgesprochene Annahme des ersten Bewegers f hrt. Die Universalit t, die mit der Wissenschaft vom ov fj ov gemeint ist, ist freilich nicht die eines h chsten begrifflich Allgemeinen (dann m te Aristoteles dem ersten Beweger von vornherein die im ov fj ov angesprochene Universalit t aberkennen), sondern die eines (noch) platonisch konzipierten Prinzips, dessen Prinzipiencharakter auf der Einfachheit und Voraussetzungslosigkeit gegen ber dem Prinzipierten beruht117. Entsprechend wird der „ersten Philosophie" E i, 1026330/31 Universalit t zugestanden, insofern sie die Spitzenstellung (die nat rlich auf der Spitzen115

Da die vorliegende Untersuchung von Platon ausgeht und auf Plotin zielt, wird vo 3v entsprechend der dortigen Erfordernisse als „das Sein" (nicht: „das Seiende") auch hier wiedergegeben; da das Sein bei Aristoteles nur als das einzelne Seiende gedacht wird, ist eben die besondere Form der aristotelischen Wissenschaft vom Sein. 116 Vgl. die Belege aus Metaph. Λ oben S. 65/66. 117 Vgl. zum Charakter der platonischen Prinzipien oben S. 63-65 zum Prinzipiencharakter des δν f| v Merlan, JHS 77, 1957, 92: „Das δν fj 8v ist das Seiende, von dem alles andere Seiende sein Sein hat".

Der Be2ug des Logos auf die bewegte Wirklichkeit

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Stellung ihres Gegenstandes beruht) einnimmt (και καθόλου ούτως δτι πρώτη). Wenn dennoch eine gewisse Unsicherheit ber die Universalit t dieser Wissenschaft erkennbar wird, so mu das daran liegen, da ihr Gegenstand die von ihm erwartete Prinzipienrolle f r alle anderen Formen von Sein nicht eindeutig erf llt, weil er vom Standpunkt der bewegten Wirklichkeit durch die in ihr immanent wirkenden Prinzipien als Prinzip eine Randstellung erh lt118. Metaph. Γ τ/2 zeigt den Versuch des Aristoteles, der „ersten Philosophie" ihre Universalit t als Wissenschaft vom ov f| ov unter Beachtung des Umstandes, da das Sein als bewegtes auftritt, zu sichern: Den Zusammenschlu des Gegensatzes der verschiedenen Formen von Einheit und Vielheit durch das Eine selbst, als welcher platonisch die Struktur des Seins begriffen wird, ersetzt Aristoteles durch den Zusammenschlu der vielf ltigen Qualifiziertheit und Bewegtheit eines Seienden durch seine ουσία als Einheit 119. Die sekund ren Kategorien, in denen sich die vielf ltige Qualifiziertheit und Bewegtheit des einzelnen Seienden ausspricht, werden als Bestimmungen verstanden, die dem Sein als solchem an sich zukommen und deshalb ebenfalls Gegenstand der Wissenschaft vom ov fj ov sind: έπεί οΰν του ενός η εν και του δντος fj δν ταύτα καθ' αυτά εστί πάθη, αλλ' ούχ η αριθμοί ή γραμμαί ή πυρ, δήλον ως εκείνης της επιστήμης και τί εστί γνωρίσαι και τα συμβεβηκοτ3 αύτοΐς (1004 b 5-8). Aristoteles will also offensichtlich seine ουσία (sie erscheint 1003 b 5/6 und 1003 b 36/1004 a i als αρχή) als prim res Sein im Sinne der dem 8v fj ov zukommenden Prinzipiengeltung verstanden wissen. Dabei besteht, wenn es richtig ist, was oben ber das platonische Dimensionenmodell referiert und ber die Entstehung der aristotelischen Kategorienlehre vermutet wurde, zwischen der Reihe der ούσίαι, die auf den ersten Beweger als πρώτη ουσία ausgerichtet sind, und den im Sinne der Kategorien verschiedenen Seinsweisen, die auf die ουσία des einzelnen Seienden bezogen sind, ein innerer Zusammenhang, der es besser verst ndlich macht, wieso dort Metaph. E i der erste Beweger, hier Metaph. Γ 1/2 die ουσία des einzelnen Seienden Anspruch darauf erhebt, Prinzip der u« Kr mer, Geistmetaphysik, 121-191, macht im Anschlu an Merlan, From Platonism to Neoplatonism, wahrscheinlich, da der aristotelische unbewegte Beweger (und die Pluralit t der Beweger, Metaph. Λ 8) nicht als logisch erschlossene Spitze des physikalischen Systems, sondern als Relikt der platonischen Transzendenz zu erkl ren ist. Dadurch erh lt die systematisch ohnehin legitime Frage, in welcher Weise die platonische Ideenwelt als Prinzip der Sinnenwelt von den aristotelischen Prinzipien abgel st werde, ihren historischen Hintergrund (vgl. oben S. 66, Anm. 7). 119 Vgl. oben 8.97-101.

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Aristoteles: Die Theorie der bewegten Wirklichkeit

jeweils anderen Formen von Sein zu sein und so als Gegenstand einer Wissenschaft vom 8v r\ ov gelten k nnen: Die Stufenfolge der ούσίαι entspricht der platonischen Stufung von Geisteswelt, Seele/μαθηματικά, Sinnenwelt und f hrt so auf das platonische Dimensionenmodell zur ck, das als solches die exemplarische Form der Vermittlung von Einheit und Vielheit in verschiedenen, aber hierarchisch einander zugeordneten Seinsbereichen fort von der Vielheit an sich hin zu der Einheit an sich darstellt120. Eben diese Vermittlung von Einheit und Vielheit in der Dimensionenfolge k nnte zum Ausgangspunkt f r die aristotelische Bewegungs- und Kategorienlehre geworden sein121: Die Vielheit tritt in der Dimensionenfolge in dimensions-spezifischen und deshalb inhaltlich verschiedenen Formen des Mehr-und-Weniger auf, die sich unter der Wirkung der Eins selbst zur jeweils spezifischen Form von Einheit gestalten und sich insgesamt zur Ordnung der Dimensionen zusammenschlie en; vom Standpunkt der aristotelischen ουσία zeigt sich dieses Mehr-und-Weniger, in dem Platon die Struktur der Vielheit/Bewegung/Qualit t begreift, als Bewegtheit und Qualifiziertheit des einzelnen Seienden, entsprechend werden die durch die Dimensionen gegebenen Aspekte des Mehr-und-Weniger als zu speziell verworfen und durch eine mehr empirisch-praktische Einteilung der Bewegung und Qualit t ersetzt, die Wirkung der Eins auf das Mehr-und-Weniger wird abgel st durch die Einheit der ουσία, an der die Bewegtheit als Bewegung zwischen den Gegens tzen an einem Zugrundeliegenden, die Qualifiziertheit als Akzidens ihre Grenze findet. Wenn also die aristotelische ουσία als prim res Sein im Sinne der dem ov fj ov zukommenden Prinzipiengeltung verstanden wird, stellt sich die Frage (die Aristoteles selbst in Γ i/a vermeidet), wie in diesem Falle der nach E i gleichfalls zu fordernde Charakter des getrennt Existierenden und zugleich Unbewegten gewahrt werde. Bei dem Versuch einer Antwort st t man auf den Kern der aristotelischen ουσία-Problematik: Die getrennte Existenz ist f r die ουσία insofern gegeben, als sie aufgrund ihrer K rperlichkeit ein bestimmtes einzelnes Seiendes ist; die Unbeweglichkeit ist f r die ουσία insofern gegeben, als ihre individuelle Form losgel st von der Materie, an der sie sich findet, intuitiv erfa t wird. Gleichsam zwischen diesen polar entgegengesetzten Formen von Einfachheit existiert die ουσία als bewegte und ist die Art und Weise dieser Existenz im λόγος diskursiv aussprechbar; und zwar so, da aus der Prinzipienreihe είδος, στέρησις, ΰλη, 120 Vgl. S. 39/40 und 57. 121 Vgl. S. 97-101.

Der Bezug des Logos auf die bewegte Wirklichkeit

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mittels der das Sein als bewegtes begriffen wird, das είδος, aus der Zahl m glicher λόγοι ber das bewegte Seiende die Definition ber ihren Bereich hinaus auf die reine, intuitiv erfa bare Form bezogen sind, da umgekehrt die Materie bzw. die Vielzahl akzidenteller Aussagen auf die sinnlich wahrnehmbare Gegebenheit des einzelnen Seienden zur ckweisen. Da das Sein als solches nur in Gestalt der ουσία αισθητή gegeben ist, diese aber als getrennt existierende nicht unbewegt ist, als unbewegte hingegen nicht getrennt existiert, wird das ov fj ov - ungeachtet seiner urspr nglichen Identit t mit der platonischen Transzendenz - zu einem Grenzbegriff, der im Sinne eines regulativen Prinzips die Bedingung der M glichkeit des Seins und der Erkenntnis des einzelnen Seienden bezeichnet. (4) Die Kategorienlehre des Aristoteles l t sich als Versuch verstehen, das Sein des Bewegten, das als Bewegtes ein άπειρον ist, zu begreifen, dabei aber — anders als es nach der Meinung des Aristoteles die platonische Ideenlehre tut - sowohl der Vielheit der Erscheinungswelt gerecht zu werden (το δν λέγεται πολλαχώς) als auch in der ersten Kategorie die Einheit dieser Vielheit zu fassen (die verschiedenen Seinsweisen als προς εν λεγόμενα). Da so einerseits dem λόγος als dem Vermittler von Seinswissen universelle Bedeutsamkeit zuerkannt und seine Formen sorgf ltiger denn je vorher beobachtet und analysiert werden, andererseits das Seiende doch nicht voraussetzungslos in den Formen diskursiven Denkens erfa t werden kann, ist in der aristotelischen Philosophie trotz des Postulates der Identit t von Sein und Denken die Trennung zwischen dem sich des λόγος bedienenden Denken und dem au erdiskursiv (sei es empirisch, sei es intuitiv) erfa ten Sein latent vorhanden. Aristoteles selbst verf llt dieser Trennung nicht, da er die Spannung zwischen Sein und Denken zum Begriff bringt; doch legt er den Grund daf r, da in der Folge die von ihm gefundenen Formen des λόγος rein formal zur Anwendung gelangen.

Zweiter Teil Substanz und Qualität bei Plotin

Kapitel III Die kategoriale Unterschiedenheit von geistigem und sinnlich wahrnehmbarem Sein als Ausgangspunkt der plotinischen Aristoteles-Kritik i. Plotin als Platoniker a) Der „gegenständliche" und der „aktuale" Aspekt in der Philosophie Plotins (i) Es hat sich eingebürgert, zwischen dem „gegenständlichen" und dem „aktualen" Aspekt in der Philosophie Plotins zu unterscheiden * und dabei im Anschluß an Brehier auf die „aktuale" Seite den Akzent zu setzen2. Statt 1 Die Terminologie für den gemeinten Unterschied stammt von Kristeller, Der Begriff der Seele in der Ethik Plotins, 5; der Sachverhalt ist natürlich schon länger als gegeben angesehen worden. Vgl. Schwyzer, MH i, 1944, 87-99; ders., RE Bd. 41, Sp. 549, 28 ff. 2 Brehier, La Philosophie de Plotin: „Opposons nettement les deux points de vue: le rationalisme platonicien, c'est l'affirmation de la transcendence de l'Un, mesure universelle des choses, et qui, par consequent, leur est heterogene; la theorie de l'extase, c'est l'affirmation de l'immanence de l'äme de l'intelligence dans l'Un" (163/164). „II est clair que, entre une conception purement rationnelle de l'ordre des formes, teile que serait la ge"ne*ration des hypostases prise de l'ext^rieur, et cette penetration intime ou union que Plotin exige pour lui donner son plein sens, toute la difference est dans l'attitude du moi, dans son rapport aux objets qu'il contemple" (168). „Le caractere original de cet idealisme, qui en fait quelque chose de nouveau et de fecond, c'est qu'il a £gard, non pas, comme 1'idealisme hellenique, aux objets, mais aux rapports du sujet et de l'objet" (181). - Eine Aufzählung der an Brehier anknüpfenden Arbeiten bei Krämer, Geistmetaphysik, 423, Anm. 174; vgl. z. B. Bekker, Plot. Probl. d. geist. Aneignung, 2: „... das bekannte platonische Bild für die Scheidung des Sinnlichen und des Geistigen, hier bei Plotin als Gleichnis für zwei Seinsweisen der Seele ...". Volkmann-Schluck, Plot, als Interpret d. Ontologie Platons, 120: „... daß vielmehr Plotins Grundgedanke von der Trennung und Einung der Seele in seinen verschiedenen Formen verkürzt wird, wenn man die geradlinige Erzeugung der Stufen auseinander zum Problemhorizont macht und sie für die endgültige Gestalt der Philosophie Plotins nimmt".

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Plotins platonischer Ansatz der Aristoteleskritik

um die Lösung ontologisdier Probleme in metaphysischer Spekulation geht es Plotin danach in erster Linie um das Schicksal der Seele; entsprechend dieser Ansicht wird das aus der philosophischen Tradition überkommene Lehrgut im Strom einer für die Antike neuartigen Subjektivität (OrientThese!) umgestaltet und dient gleichsam nur als Mittel zur Formulierung inneren Erlebens. Kutten3 madit sich bei seiner Interpretation der plotinischen Traktate VI 1-3 „Über die Genera des Seienden" die Sichtweise Br6hiers zu eigen: Nach seiner Überzeugung vermischt Plotin durchgängig die ontologische und die gnoseologische Fragestellung, indem er seine innere, subjektive Erfahrung nach außen zur scheinbaren Realität des Hypostasensystems projiziert, derart, daß das Eine und die verschiedenen Stufen der Vielheitlichkeit verschiedene Stufen des Bewußtseins repräsentieren4. So drücken Identität und Diversität im Geiste nicht die objektiv gegebene Pluralität der geistigen Welt als Summe der Ideen aus, sondern kennzeichnen den geistigen Akt, durch den das Eine zur Vielheit und die Vielheit zur Einheit vermittelt werden. Den Mundus sensiblis charakterisiert Kutten als Stufe der Erkenntnis, auf der die Erkenntnisobjekte aus der Seele herausträten und sich dieser und sich selbst gegenüberstellten; die sinnliche Wahrnehmung sei desto weniger im Besitze ihres Objektes, je vielfältiger dieses sei. Die Seele kann nach einer solchen Auffassung nicht mehr (wie bei Platon) Mittlerin zwischen der objektiv gegebenen geistigen Welt und der Sinnenwelt sein, sondern sie ist selbst diskursive Denkbewegung, die die Einheit des Intelligiblen zersplittert und die Vielheit des Sinnlichen unter gemeinsamen Namen zusammenfaßt. So seien die Kategorien der Sinnenwelt für Plotin nichts anderes als Schablonen, die das diskursive Denken den Erscheinungen anträgt; Plotin sei demnach Nominalist, wobei sein Nominalismus notwendig aus seiner Auffassung der Hypostasen als Erkenntnisstufen von unterschiedlicher Einheit folge. 3 4

Kutten, Les categories du monde sensible dans les „Enn^ades" de Plotin (1961). »La confusion de ,id quod* et du »modus quo'", a.a.O., 19 u.ö.; „Depuis l'Un jusqu'aux phe"nomenes, chacune des hypostases plotiniennes est une ,connaissance' e*rige*e en re*alite". Le Premier est extase, intellection l'intelligible et illusion le sensible. Quant ä l'hypostase discursive sa re'alite' coincide avec la distance qui la se*pare de ses objets. Seule une interpretation nominaliste du discours pennet d'assigner ä l'äme logique un rang dans la Hierarchie des hypostases", a. a. O., 40. Vgl. auch Kutten, RPhL 58, 1960, 433: „La hierarchic des hypostases se presente comme une hie"rarchie des niveaux noe*tiques, dont chacun s'oppose ä celui qui pr£cede comme la multiplicity ä l'unite".

„Gegenständliche" und „aktuale" Plotininterpretation

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(2) Nun hat Krämer - ausgehend von den Forschungen zu Platons Vorlesung „Über das Gute" - den Nachweis zu führen versucht, daß die Denkformen der älteren Akademie in einem bisher nicht beachteten Maße in Plotins Denken wirksam sind5. Ein solcher Ansatz schwächt die Sichtweise Breliiers und der an ihn anknüpfenden Plotin-Forschung weitgehend ab und stellt das „Gegenständliche" in Plotins Denken, also die in der Tradition begründete ontologisch-metaphysische Fragestellung, als für es konstitutiv heraus. Die Annahme des sich selbst denkenden Geistes ist danach nicht die Beschreibung einer subjektiven Setzung seiner Inhalte im Vollzug des Denkens, sondern der Ausdruck der lebendigen Beziehung dieser immer schon vorhandenen und damit objektiv gegebenen Inhalte aufeinander. Ebenso sind die anderen Hypostasen nicht in erster Linie Stufen des Bewußtseins, sondern Stufen einer Wirklichkeit, die sich in der Richtung ihrer Entfaltung, Dimensionierung und Materialisierung immer mehr abschwächt und abgewertet wird. Daß dabei das Verhältnis der Hypostasen zueinander dynamischer als das der Seinsstufen in den altakademischen Systemen gesehen und die „aufsteigende" Beschreibung des Hypostasengebäudes oft als Schilderung des Weges der Seele durchgeführt wird, hindert nicht, Plotins Denken als spekulative Metaphysik im Sinne der griechischen Tradition zu verstehen und seine Modifikationen gegenüber den Denkformen der älteren Akademie aus der innergriechischen philosophischen Tradition zu erklären. b) Die „gegenständliche" als die den plotinischen Traktaten „Über die Genera des Seienden" angemessene Betrachtungsweise (i) Die Auseinandersetzung mit der aristotelischen Kategorienlehre, ausgehend von der Plotin seine eigene Kategorienlehre entwickelt, läßt sich 5

Krämer, Der Ursprung der Geistmetaphysik (1964), geht von den Ergebnissen seiner Arbeit „Arete bei Platon und Aristoteles" (1959) und von Gaiser, Platons ungesdir. Lehre (1963), aus, die ihrerseits an die von Robin, Stenzel, Merlan, Wilpert u. a. inaugurierte -Forschung anknüpfen (vgl. oben S. 36, Anm. 64). Danach steht hinter Platons Dialogen als philosophisches System die Ableitung alles Seienden aus den Prinzipien £v und und damit eine Stufenordnung, die den Ausgangspunkt für alle folgenden Stufenordnungen im Platonismus bildet. Krämer verfolgt die beiden Ausformungen, die diese Stufenordnung bei Speusipp und Xenokrates erfahren hat, bis hin zu Plotin und versucht zu zeigen, daß einerseits wichtige Merkmale des plotinischen Denkens wie das überseiende Eine und das Sichselbstdenken des Geistes in den Systemen der älteren Akademie vorgebildet sind, daß andererseits Züge dieser Systeme wie etwa die paradigmatische Deutung der Seinsstruktur anhand der Mathematik („Idealzahlenlehre") bei Plotin wenigstens rudimentär noch nachwirken.

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Plotins platonischer Ansatz der Aristoteleskritik

bis in den „Mittelplatonismus", ja bis ins i. Jahrhundert vor Christi Geburt zu Eudoros von Alexandreia zurückverfolgen6. Sowohl dort wie auch bei Plotin stützt sich die Polemik gegen Aristoteles auf das Argument, daß die sinnlich wahrnehmbare und die intelligible Substanz nicht unter ein gemeinsames Genus „ " geordnet werden könnten, daß also die aristotelischen Kategorien notgedrungen in ihrer Geltung auf die Sinnenwelt beschränkt und deshalb als unzureichend seien. Dieses Argument, das die kategoriale Verschiedenheit von Sinnen- und Geisteswelt voraussetzt und deshalb eine formale Dihairesis des ov in und ablehnt, macht einen originären Platonismus zur Grundlage der Kategorienkritik7. Da die Thematik der plotinischen Traktate „Über die Genera des Seienden" sowie die grundsätzliche Form der Behandlung dieser Thematik aus der Tradition stammen, ist es von vornherein geboten, Plotins Aussagen zum Thema „gegenständlich" zu interpretieren. Gegenüber einer Position wie der Ruttens kommt es dabei nicht so sehr darauf an, in historiographischer Absicht die von Krämer vertretene weitgehende Abhängigkeit Plotins von altakademischem Gedankengut und dessen mögliche Überlieferungswege nun im Hinblick auf die Kategorienfrage zu verifizieren oder zu falsifizieren8, sondern es genügt, in eher systematischer Absicht Plotin bei seiner Ausein6 Auf Lukios und Nikostratos, deren Kritik an der aristotelischen Kategorienlehre bei Simplikios In Arist. cat. zu finden ist, hat Praechter, Hermes 57, 1922, 481-517, aufmerksam gemacht. Zu Eudoros vgl. Theiler, Festschr. Hirschberger, 204 f. 7 Allerdings stehen bei Lukios/Nikostratos neben dem Hinweis auf den beschränkten Geltungsbereich der aristotelischen Kategorien und anderen von den Ansprüchen der platonischen Metaphysik her verständlichen Einwänden auch solche, die die Kategorien vom Gesichtspunkt grammatischer Systematik betrachten (vgl. Simpl. In Arist. cat. 64, 13 ff. K.). Solche Kritik stammt wohl aus stoischen Bereich; denn wie Simpl. In Arist. cat. 18, 27 ff. K. zeigt, betrachteten auch die Stoiker Athenodoros und Kornutos die Kategorien unter dem Gesichtspunkt sprachlich-grammatischer Systematik. Vgl. dazu Praechter, Hermes 57, 1922, 508/509 mit Anm. i. 8 Nicht unwidersprochen geblieben ist Krämers an Burkert, Wissenschaft und Weisheit, 74-85, anknüpfende These, das altakademische Gedankengut habe während der skeptischen Periode der Akademie unter des Pythagoras Namen weitergelebt (MH 2i, 1964, 157, aufgenommen und ausgebaut in „Geistmetaphysik", 45-62, bes. 53-56; vgl. Gaiser, AGPh 46, 1964, 250). Theiler, Festschr. Hirschberger, 208/209 und 210, Anm. 13, vermutet, daß es Eudoros gewesen sei, der die bei Sextus Empiricus Adv. math, , 263-275, überlieferten Berichte über Platons Vorlesung „Über das Gute" den Pythagoreern zugewiesen habe. - Daß die speusippeische Ausformung des altakademischen Systems - also mit überseiender Spitze - in der Gnosis weitergelebt habe, stellt Krämer, Geistmetaphysik, 223-264, selbst nur als Hypothese dar. - Im übrigen beschäftigt er sich nicht mit Plotins Auseinandersetzung mit der aristotelischen Kategorienlehre. Die im Sachindex s. v. „Kategorien" angeführten Stellen handeln über die beiden akademischen Prinzipien.

„Gegenständliche" und „aktuale" Plotininterpretation

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andersetzung mit der aristotelischen Kategorienlehre in dem Sinne als Platoniker zu verstehen, daß die Deutung seines Denkens als einer Spielart des „absoluten Idealismus" abgewehrt und die objektive Gegebenheit des geistigen und seine Unterschiedenheit vom sinnlich wahrnehmbaren Sein vorausgesetzt wird9. Es braucht deshalb im Ansatz nicht gefragt zu werden, ob Plotins Platonismus von selbst oder von einem seiner unmittelbaren Nachfolger stamme und wann welche Veränderungen und Ergänzungen im einzelnen eingetreten seien. Unter diesem Gesichtspunkt ist es auch gerechtfertigt, die in den neuplatonischen Kategorien-Kommentaren fragmentarisch überlieferte Kategorienkritik der Mittelplatoniker nicht eigens zu behandeln, sondern die Auseinandersetzung der Platoniker mit Aristoteles in der Philosophie Plotins aufzusuchen, wo sie im Rahmen einer umfassenden philosophischen Konzeption sichtbar und so genauer verständlich wird. (2) Die Forschungen zu Form und Nachwirkung des altakademischen Systems führen, wie oben bei der Aristoteles-Interpretation deutlich zu ma9 Vgl. die Stimmen der Rezensenten Ruttens: V. Cilento, Gnomon 35, 1963, 346355, der gewiß nicht zu den extremen Anhängern einer historischen Erklärung der Philosophie Plotins aus dem vorangehenden Platonismus gehört, hält Rutten entgegen, daß Plotin nicht in moderne Denkschemata gepreßt werden dürfe und daß vor allem der wiederholt ausgesprochene Vorwurf, Plotin verwechsle „id quod" und „modus quo" der Erkenntnis, ungerechtfertigt sei, weil hier keine Verwechslung, sondern die parmenideisch-platonische Identität von Sein und Denken vorliege. Ganz ähnlich äußert sich R. Joly, AG 31, 1962, 497. C. de Vogel, Mnemosyne 17, 1964, 314-316, hält Ruttens Deutung der plotinischen Philosophie, die er zum Fundament seiner Interpretation der Traktate VI 1-3 macht, ebenfalls für falsch, weil sie die objektive Gegebenheit der geistigen Welt als gegliederte Vielheit und ihres Prinzipes leugne. „L'auteur n'a pu construire ici une espece d'abime entrc Platon et Plotin qu' en de*niant le caractere d' propre aux choses phe*nom£ nales chez Plotin" (316). E. Elorduy, Emerita 31, 1963, 177/178, greift ebenfalls Ruttens Grundkonzeption an, nach der das Hypostasen-Gebäude eine Projektion dei Erkenntnisarten darstellt; außerdem weist er auf die Problematik des neuscholastischen Aristoteles-Verständnisses hin, von dem Rutten ausgeht. Ähnlich wehrt sich J. Trouillard, REG 75, 1962, 304-306, dagegen, einen Neuaristotelismus zum Ausgangspunkt der Plotin-Interpretation zu machen, freilich mit der Begründung, daß dieser in seinem Rationalismus dem religiösen Grunde des Neuplatonismus nicht gerecht werde; aber auch er als Vertreter der „aktualen" Plotin-Interpretation vermag die der Sinnenwelt nicht als Projektion der Subjektivität zu sehen, sondern wertet die Sinnbezüge der Sinnenwelt als abgeschwächten Ausdruck intelli· gibler Gesetzmäßigkeit (305). W. Theiler, MH 20, 1963, 246, äußert sich zur von Rutten geleisteten philologischen Arbeit positiv, gibt aber gleichfalls zu bedenken, ob nicht „das philosophische Anliegen, bei Plotin die Anfänge des Nominalismus zo finden (und nicht etwa beim Schüler Porphyries)," übersteigert erscheine und ob es „der von Plotin lebendig erfahrenen Identität von Seiendem und Erkanntem" ganz gerecht werde. - Zustimmend äußern sich dagegen R. Henry, RBPh 40, 1962, 1024/1025; A. N. M. Rieh, AGPhilos 46, 1964, 127/128; E. Vogt, AAHG 17, 1964, 15-18.

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Plotins platonischer Ansatz der Aristoteleskritik

dien versucht wurde, auch zu einem genaueren Verständnis der aristotelischen Philosophie. Das ist für die Frage, ob Plotins Traktate „Über die Genera des Seienden" eher „gegenständlich" oder eher „aktual" zu interpretieren seien, insofern entscheidend, als die Einschätzung der plotinischen Haltung in der Kategorienfrage in starkem Maße von dem Bild bestimmt ist, das sich der Interpret von dem Anspruch und der Leistung der aristotelischen Kategorien macht. Ruttens Aristoteles-Auffassung, die er seiner Interpretation der plotinischen Philosophie zugrunde legt, läßt sich als neuscholastisch bzw. neuaristotelisch einstufen10: Sie nimmt die Unterscheidung von Sein und Denken/Erkennen und den Vorrang des ersteren vor dem letzteren für Aristoteles als selbstverständlich gegeben an n und projiziert diese Annahme auf Platon negativ in der Weise zurück, daß dessen Ideenlehre als Hypostasierung des Logischen erscheint12. Nur eine Aristoteles-Auffassung, die in der Trennung von Sein und Denken das a priori gegebene und unangefochtene Fundament der aristotelischen Philosophie und nicht auch (und vor allem) das problematische Ergebnis der Auseinandersetzung mit Platon erblickt, wird - wie Kutten - den Platoniker Plotin darum tadeln, daß er bei seiner Beurteilung der aristotelischen Kategorien nicht die Scheidung von Seins- und Erkenntnisordnung zugrunde legt, wird Plotins Identifizierung von Sein und Denken als „confusion" des „id quod" und des „modus quo" der Erkenntnis bezeichnen und wird die Einheit der Sinnendinge nicht in ihrem Bezug auf die Ideen gegeben, sondern als von dem diskursiven Denken nominalistisch gesetzt ansehen. c) Plotins platonischer Standpunkt gegenüber der aristotelischen Kategorienlehre (i) Die Gliederung, in der uns Porphyries die Aussagen seines Lehrers über die „Genera des Seienden" vorlegt, scheint auf den ersten Blick wie 10 Ruttens Aristoteles-Verständnis geht auf das von de Corte zurück; vgl. dessen „Vrais et faux dilemmes aristoteliciens", in: Aristote et Plotin, 11-106. n De Corte, a. a. O., 12/13, bemerkt, der Philosophiehistoriker, der dem Thomismus anhänge, habe bei der Aristoteles-Interpretation einen bevorzugten Platz, weil beiden Denkriditungen gemeinsam sei „la souveraine intuition de la valeur ontologique des choses et du primat de l'etre sur le connaitre". 12 „Le conflit entire Aristote et Platon qu'on resume commodiment par l'antithese: immanence-transcendance n'est ainsi que . L'opposition est beaucoup plus profonde: eile est entre la metaphysique pur et la logique qui pretend obtenir droit de cite" dans la me'taphysique", de Corte, a. a. O., ^8.

„Gegenst ndliche" und „aktuale" Plotininterpretation

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selten sonst eine Gliederung des plotinischen Werkes von der Sache selbst her gerechtfertigt. Denn Plotins Auseinandersetzung mit der aristotelischen und der stoischen Kategorienlehre nimmt den ersten der drei Traktate ein (VI i), w hrend die beiden folgenden Schriften (VI 2 und VI 3) des Philosophen eigene Kategorienlehre vortragen. Die Zweiteilung der „konstruktiven" u erungen Plotins zur Kategorienfrage hat darin ihren Sinn, da Plotin das Nebeneinander von Mundus sensibilis und Mundus intellegibilis zum Ausgangspunkt seiner Er rterungen macht und so zwischen den Kategorien der Geisteswelt und denen der Sinnenwelt unterscheidet (vgl. VI i, i, 19-22; VI 2, i, 30-33; VI 3, i, 2/3), wobei er sich ausdr cklich aul Platon beruft (VI 2, i, 3-5; VI 3, i, 1/2)13. u Plotins u erungen zur Kategorienfrage sind von Porphyries in drei Teile geteilt und an den Anfang der sechsten Enneade ger ckt worden. Die drei Traktate stehen nach Porphyrios' Angaben Vita Plotini 5,51-56 chronologisch an der 42., 43. und 44. Stelle des 54 Traktate umfassenden Gesamtwerkes, sind jeweils mit Περί τα« γενών του δντος berschrieben und als der erste, zweite und dritte Traktat dieses Titels gez hlt. Die berschriften der plotinischen Traktate stammen, wie Porphyrios Vita Plotini 4,17 erkennen l t, nicht von Plotin, sind aber f r VI i, 2 und 3 aus dem Anfang der Abhandlung (VI i, i, 15-18) zu entnehmen (vgl. zur Einteilung* t tigkeit des Porphyrios und zur berlieferung der berschriften Schwyzer, RE Bd. 41, Sp. 486, 26 £E.). — Zitiert werden im folgenden Enneaden I—V nach del gro en Plotin-Ausgabe von Henry-Schwyzer, Enneade VI nach der Ausgabe von Brihier; doch ist darauf hinzuweisen, da Theiler-Beutler f r den Lesetext des 4. Bandes der Neuausgabe der Plotin- bersetzung von Harder bereits die vorl ufigen Kollationen von Henry-Schwyzer zu VI 1-3 und einen Probeabdruck von VI 8 vergleichen konnten (vgl. dort Bd. IV a, Vorwort). Entsprechend der im August 1957 in Vandoeuvres bei Genf getroffenen bereinkunft (vgl. [Plotin], Sources de Plotin, im Lit.-Verz.) wird hinter die enneadische Ordnungszahl jedes Traktates seine chronologische in eckige Klammern gesetzt und nur bei den im folgenden oft zu zitierenden Traktaten VI 1-3 [42-44] darauf verzichtet. - Als wichtige Literatur sind zu nennen (chronologisch, vgl. die regelrechte Zitation im Lit.-Verz.): Nebel, Plotins Kategorien der intellegiblen Welt (1929); ders., Terminologische Untersuchungen zu ουσία und ov bei Plotin, Hermes 65, 1930, 422—445; Solinas, La dottrina delle categoric nella filosofia di Plotino (1950); Lloyd, Neoplatonic logic and Aristotelian logic, Phronesis i, 1955/56, 58-72 und 146-160; Kutten, Les categories du monde sensible dans les „Enne"adese de Plotin (1961); Hoppe, Die Gene in Plotins Enn. VI 2. Interpretation zur Quelle, Tradition und Bedeutung dei prota gene bei Plotin (1965). Heranzuziehen sind nat rlich immer auch die „Notice" von Bre"hier in seiner Ausgabe (vgl. auch jene zu II 6 [17]* Περί ουσίας ή ποιότητος) und die Anmerkungen von Theiler-Beutler zu der Neuausgabe der Plotin- bei»· setzung von Harder, Bd. IV b, 415-511 (zu II 6 [17] Bd. I b, 549-555). Dar ber hinaus gehen nat rlich alle Arbeiten, die die Metaphysik Plotins zum Gegenstand haben, auf die Struktur des νους ein, dessen Momente der Philosoph als Kategorien der geistigen Welt in VI 2 mit den f nf Genera des platonischen „Sophistes* gleicht. Gesondert hinzuweisen ist auf folgende u erungen zu den plotinischen Kategorien im Rahmen umfassenderer Handb cher und Monographien: Steinhart, Quaestiones de dialectica Plotini ratione (1829); ders., Meletemata Plotiniana

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Plotins platonischer Ansatz der Aristoteleskritik

Nun l t sich aber, wie gezeigt worden ist, das Verh ltnis von geistigem und sinnlich wahrnehmbarem Sein weder bei Platon als unreflektiertes Nebeneinander zweier Welten interpretieren, noch darf der Unterschied zwischen Geistigem und Sinnlichem f r Aristoteles geleugnet werden, weil er den χωρισμός ablehnt; vielmehr mu die Unterscheidung zwischen Geistes „weit" und Sinnen „weit" auf der einen, die Ablehnung solcher Zweiweltenlehre auf der anderen Seite als vereinfachender Ausdruck f r die Art und Weise angesehen werden, in der die Frage nach dem Verh ltnis von sinnlich wahrnehmbarer Erscheinung und ihrer geistigen Bew ltigung gel st wird. Beiden, Platon und Aristoteles, ist die berzeugung, da Sein und Denken identisch seien und also das, was ist, im λόγος zur Sprache komme, gemeinsam. W hrend Platon jedoch die G ltigkeit des λόγος unabh ngig von der Form, die der λόγος selbst hat, und losgel st von dem sinnlichen Erscheinen des im λόγος Bezeichneten zu sichern und im R ckgriff auf das Mathematische als Vergewisserungsbereich die Eigengesetzlichkeit und Selbst ndigkeit des Geistigen herauszustellen sucht, geht Aristoteles von dem sinnlich erfahrbaren Sein als bewegtem aus und nimmt die Formen des λόγος als quivalent f r die bewegte Wirklichkeit. Τα οντά sind also f r Aristoteles die Sinnendinge (das von Natur Seiende), deren Sein in den Formen der Aussage seinen angemessenen geistigen Ausdruck findet; f r Platon dagegen sind τα οντά die Ideen als dasjenige, was an den Dingen im Unterschied zu ihrem sinnlichen Erscheinen wi bar und damit sicher und wahr ist. Wenn also Plotins Frage, ob die aristotelischen Kategorien der Sinnenwelt oder der Geisteswelt angeh ren, und die darauf gegebene Antwort, sie seien nur f r die Sinnenwelt g ltig14, einen Sinn haben soll, darf sie nicht blo eine Frage nach der „Verteilung" der Kategorien auf beide „Bereiche" (1840); Trendelenburg, Gesch. d. Kat.-Lehre (1846), 232 ff.; Prantel, Gesch. d. Logik i. Abend!., Bd. I (1855), 613/614; Bouillet, Enne"ades, Bd. III (1861), 588 £; Richter, Plotins Lehre v. Sein (1867); Rosmini, Saggio storico-critico sulle categoric e la dialettica (1883), 76-116; v. Hartmann, Gesch. d. Metaphysik, Bd. i (1899), 106-186; Zeller, Philos. d. Griechen, Bd. III 2 (1903*), 573-578, bes. 578, Anm. i; Lask, Die Logik d. Philos. u. d. Kategorien-Lehre (1911), 2365.; Dreas, Usia bei Plotin (1912), 55-80; Heinemann, Plotin (1921), 259 ff.; Inge, The philosophy of Plotinus (19293), Bd. I, 191 ff., Bd. II, 57 ff.; Carbonara, La filosofia di Plotino, Bd. I (1938), 650., Bd. II (1939), 277 ff.; Rist, Plotinus (1967), 103-111 (im Sinne der hier verfolgten Linie der Interpretation, die freilich vor Erscheinen dieser Arbeit bereits gezogen war). l* VI i, i, 28-30 ( ber die Peripatetiker): αλλά περί των νοητών κατά την διαίρεσιν ου λέγουσιν ου πάντα δρα τα δντα διαιρεΐσθαι έβουλήθησαν, αλλά τα μάλιστα 8ντα παραλελοίπασιν.

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und darf Plotins Antwort nicht eine unreflektierte Zuordnung meinen, derart, da einerseits („platonisch") ουσία νοητή und ουσία αισθητή voneinander unterschieden und durch eine (wie auch immer geartete) Teilhabevorstellung aufeinander bezogen werden, andererseits aber („aristotelisch") mit der ουσία αισθητή als dem Zugrundeliegenden der Akzidentien gerechnet und hier (ohne R cksicht auf den Modus der Beziehung von geistigem und sinnlich wahrnehmbarem Sein) die Regeln der aristotelischen Kategorienlehre in Geltung gelassen werden oder die Kategorien doch nur so kritisiert werden, da sich zwar die inhaltliche Gliederung des akzidentellen Seins und die Zuordnung einzelner Ph nomene zu bestimmten Kategorien angegriffen findet, da hingegen die Leistung der Kategorien als Formen der Seinserkenntnis grunds tzlich nicht in Zweifel gezogen wird. (2) Eine solche unvereinbare Verbindung zweier Bestrebungen, also sowohl die Unterschiedlichkeit von ουσία αισθητή und ουσία νοητή im Anschlu an Platon herauszustellen als auch das in der aristotelischen Kategorienlehre gegebene Verh ltnis von ουσία und Akzidentien aufrechtzuerhalten und diese Lehre gleichsam blo systemimmanent zu kritisieren, scheint aber auf den ersten Blick bei Plotin vorzuliegen. Bezogen auf die aristotelischen Kategorien hei t es VI i, i, 18/19: ότι γαρ ου συνώνυμον το δν εν απασι, λέγουσι και ορθώς λέγουσι, womit entsprechend den Unterscheidungen von Arist. Cat. i das Verh ltnis der Kategorien als den verschiedenen Formen von „Sein" zueinander, zumal das der ουσία zu den Akzidentien bezeichnet ist15. Wenig sp ter VI i, 3 ergibt sich anscheinend dasselbe: Zwar wird das Verh ltnis zwischen ουσία νοητή und der ουσία αίσθητή als ein solches zwischen Vorgeordnetem und Nachgeordnetem gesehen (3,4/5), gleichzeitig aber mit den Akzidentien als από της ουσίας τα λεγόμενα und πάθη gerechnet (3,7/8)· hnliches Vorgehen l t sich an weiteren Stellen, auch in VI 3, beobachten. Zwar kennzeichnet Plotin die aristotelische ουσία als αισθητή und nach seiner Aristoteles-Kritik VI i und der Behandlung der ουσία νοητή VI 2 dann VI 3 als λεγομένη ουσία (2, i u. .), indem er sie aber zum ΰποκείμενον der Akzidentien macht, erkennt er sie dennoch diesen gegen ber als prim res Sein an16. 15 16

Vgl. zur Interpretation des ganzen Satzes S. 149 fi. VI 3,3, 25-27: και τα μεν τρία (sc. ΰλη, είδος, συναμφότερον) είς Ιν εΰρομεν κοινόν τι, την ένταΰθα όμώνυμον ούσίαν είτα τα αλλά εφεξής, προς τι, ποσόν, ποιόν, εν χρόνφ, εν τόπφ, κίνησις, ... 4> 4~7: το τε σύνθετον αλλοις υπόβαθρα και Ιδρα, ώστε καΐ το είδος μετά της ϋλης ύποβεβλήσεται τοις συνθέτοις ή πδσΐ γε τοις μετά το σύνθετον, οίον ποσφ, ποιφ, κινήσει; 4,32~35: αλλ* αμφω δμοΰ υποκείμενα αλλω, οίον άνθρωπος και τις άνθρωπος υπόκεινται τοις πάθεσι και προϋπάρχουσι των ενεργειών και των παρακολουθούντων, ...; 6, ιο/ιι: το μεν

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Plotins platonischer Ansatz der Aristoteleskritik

Umgekehrt scheint Plotin mit der Kennzeichnung der Kategorien der Geisteswelt als γένη άμα και άρχα'ι (VI2, 2,11) sowohl im Sinne des platonischen „Sophistes" die Strukturmomente des Geistigen wiedergegeben als auch im Sinne der aristotelischen Kategorienlehre alles Seiende inhaltlich gliedern zu wollen; denn augenscheinlich stellt er mit γένος untergliederbare Allgemeinbegriffe vor (VI2,2,6-8: ... εκαστον (sc. των γενών) περιεκτικόν των νπ αυτό, είτε και αυτών γενών ελαττόνων όντων ή ειδών και υπό τούτοις ατόμων, ...), w hrend er mit αρχή die Konstitution der Geisteswelt als einer solchen denkt (VI, 2, 2, 8-n: ...συντελεϊν απαντά εις μίαν φύσιν καΐ εκ πάντων τφ νοητώ κοσμώ, δν δη λέγομεν το δν, την σύστασιν είναι, ει δη τοΰτο, ου μόνον γένη ταΰτα είναι, αλλά και αρχάς του δντος άμα ύπαρχε ιν). Beide Ziele sind aber letztlich unvereinbar, da die platonische Geisteswelt ja keineswegs als hypostasierte Ordnung derjenigen Allgemeinbegriffe zu gelten hat, die von der ουσία aristotelischen Verstandes ausgesagt werden, noch auch die Allgemeinbegriffe aller zehn (oder beliebiger mehrerer) Kategorien nebeneinander als Geisteswelt angesehen werden d rfen, da vielmehr in der platonischen Geisteswelt eine Ordnung vorliegt, deren Glieder (die Ideen) zwar als allgemeine Pr dikate von Sinnendingen zur Sprache kommen, die aber anderweitig gesichert ist, wobei mit den f nf Genera des „Sophistes" diese Sicherheit in ihrer Struktur begriffen und dadurch allererst begr ndet ist. Wenn also die platonische Zweiweltenlehre und die aristotelische Kategorienlehre, insofern sie beide beanspruchen, das Verh ltnis von sinnlich wahrnehmbarer Erscheinung und ihrer geistigen Bew ltigung angemessen zu begreifen, in ihrer Geltung einander ausschlie en und wenn deshalb weder die aristotelische ουσία als ουσία αισθητή einfach durch die ουσία νοητή begr ndet werden kann, noch auch der platonische κόσμος νοητός als Ordnung hypostasierter Pr dikatsklassen angesehen werden darf, dann sind in der Tat die Antwort Plotins, die aristotelischen Kategorien g lten lediglich f r die Sinnenwelt, und seine Kennzeichnung der Kategorien der Geisteswelt als γένη άμα και άρχαί noch einmal auf ihren Sinn zu berpr fen, soll sich nicht der Vorwurf, in Plotins Kategorientraktaten zeige sich „der Mangel eines ontologischen Blickes", als zutreffend erweisen ".

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απλώς είναι λέγεται και απλώς δν, το δε λευκόν είναι; VI 6 [34]' *3> 32/33 (nach der wertenden Unterscheidung von ουσία νοητή und ουσία αίσθητή): «αϊ το δν μάλλον εν ουσία κ α ι (sogar!) αΙσθητη ή εν τοις άλλοις γένεσιν. Dieses ist die Grundansicht von Nebel, Hermes 65, 1930, 422-445 (das Zitat dort 437) und auch in der Zusammenfassung seiner Arbeit „Plotins Kategorien der intellegiblen Welt". Am zuletzt genannten Orte im 3. Kapitel „Die Kategorien als oberste Gattungen der noetischen Welt und als formale Konstitutiva der Idee als

Die Frage nach dem Charakter des Seienden

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(3) Gegen ber diesem ersten Anschein kann nun gezeigt werden, da Plotin in seinen Traktaten „ ber die Genera des Seienden" die Trennung von Geistes- und Sinnenwelt nicht unreflektiert vorausgesetzt hat, sondern da er mit dieser Unterscheidung und der Zuordnung der aristotelischen Kategorien zur Sinnenwelt, der Kennzeichnung der Kategorien der Geisteswelt als γένη άμα και άρχαί die ihm angemessen erscheinende Form des wahren Seins und dessen Verh ltnis zum Sinnlich-Wahrnehmbaren ausgesprochen und begr ndet hat. Im Grunde ist das Ergebnis des Ganzen, also Plotins Ansicht ber die Form des wahren Seins und dessen Verh ltnis zur Erscheinung, bereits in der Gliederung und der Terminologie des ersten Kapitels von VI i, zumal im Einleitungsabschnitt i, 1-14, vorausgesetzt. Wenn M. Ficino den Inhalt von VI ι, ι mit dem Satze zusammenfa t, Plotin ber hre zwar in diesem Kapitel mit den Kategorien zusammenh ngende Fragen, scheine aber keine bestimmte Antwort zu gebenI8, so ist das nur insofern richtig, als die hier vorgetragenen Bestimmungen und Unterscheidungen in ihrer Tragweite erst sp ter einsichtig werden. F r die Methode der Interpretation ergibt sich daraus, da hier bereits mit Einsichten gearbeitet werden mu , die sich erst im weiteren voll erschlie en und als richtig erweisen k nnen.

2. Die Kategorienfrage als Frage nach „der Anzahl und dem Charakter des Seienden1* a) Plotins Doxographie zur Kategorienfrage: Platon und Aristoteles als berwinder des monistischen und pluralistischen Materialismus ihrer Vorg nger (i) Der Einleitungssatz VI 1,1,1/2: περί των όντων πόσα και τίνα έζήτησαν μεν και οί πάνυ παλαιοί ... bezeichnet exponiert das Thema der folgenden Untersuchung und hebt mit dem Hinweis auf die Alten ihre BeNus" (34-41) Einw nde gegen die Bestimmungen des Geistigen als γένη δμα καΐ άρχαί. ι» Multas de remm generibus quaestiones tangit, nihil vero in hoc capita definire videtur. 19 Nat rlich ist l ngst gesehen (vgl. Brehier, ed. Plotin VI i, p. 59, Anm. i), da Plotin sich hier auf Platon Sophist. 242 c 5/6: κρίσιν ... του τα οντά διορίσασθαι πόσα τε και ποία εστίν und Aristoteles Phys. I 2, 184 b 22/23: ομοίως δε ζητοΰσι και οί τα οντά ζητοΰντες πόσα und die im Umkreis dieser Stellen gegebenen Doxographien bezieht. Zur Bezeichnung der Vorsokratiker als l πάνυ παλαιοί vgl. Arist.

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Plotins platonischer Ansatz der Aristoteleskritik

deutung hervor19. Wichtig ist dabei, da die Doppelform der Frage nicht nur nach der Anzahl (πόσα), sondern auch nach dem Charakter des gesuchten Seienden (τίνα) in die Gliederung der nun bei Plotin folgenden Doxographie eingeht und durchgehalten wird20. Entsprechend diesem Doppelaspekt werden im ersten Teil des Satzes (... οί μεν εν, οι δε ώρισμένα, οι δε άπειρα εΐποντες, 1,2/3) zun chst die drei m glichen Auffassungen ber die Anzahl der οντά genannt, w hrend Plotin im zweiten Teil des Satzes (και τούτων κτλ., ι, 3/4) in Beantwortung des τίνα andeutet, da auch innerhalb der drei Gruppen unterschiedliche Konzeptionen vorgelegen h tten21. Platon und Aristoteles ( l μετ' αυτούς ..., 1,4/5) erscheinen gegen ber den „Vorsokratikern" zun chst zusammen als diejenigen, die die Ausgangsfrage dahingehend beantwortet haben, da das Sein auf eine begrenzte Anzahl von γένη zur ckzuf hren sei (εν γένεσιν ώρισμένοις, ι, 6/7), und die damit sowohl den Monismus des Parmenides als auch die Atomisten widerlegt haben (οί ούτε §ν δεμένοι . . . ούτε άπειρα, ι, 8/9). Wiederum ist dieser Abschnitt (όσα ... είρήκασιν, i, 6-ii) so gegliedert, da zun chst die Entscheidung der „Nachsokratiker" f r die begrenzte Anzahl begr ndet (γένοιτο, ι, 9), dann zu dem Charakter des der Zahl nach begrenzten Seienden Stellung genommen, n mlich gesagt wird, da es sich um γένη handele. Dieser letzte, auf die „Nachsokratiker" bezogene Teil lautet in der bersetzung: „Was aber diese Sp teren ihrerseits bei der Pr fung ihrer Vorg nger an Genera von begrenzter Anzahl aufgestellt haben, das gilt es n her zu untersuchen; sie haben (n mlich) das Seiende weder als Eines angesetzt, denn sie beobachteten auch in der Geistes weit eine Vielheit; noch als unendlich Vieles, denn das ist ja ganz untunlich, w rde auch jede Wissenschaft unm glich machen; und das der Zahl nach Begrenzte haben sie, weil es Metaph. Λ ι, 1069 a 28/29: ot πάλαι, als παμπάλαιοι bezeichnet Aristoteles Metaph. A 3, 983 b 28, Λ 8, 1074 b i die vorphilosophischen Welterkl rer. 20 Brehier bersetzt: „La question du nombre des etres", leitet dann aber richtig den mit και τούτων beginnenden Satzteil ein: „Quant la nature des etres" und paraphrasiert auch in der „Notice" p. 7: „la question du nombre et de la nature". Richtig auch Ficino: „quotnam et quae sint, quae esse dicuntur"; Harder1: „ ber das Seiende, seine Anzahl und sein Wesen"; Cilento: „S ll' essere, nel suo numero et nella sua natura". Abweichend dagegen Harder-TH-B: „ ber das Seiende, seine Anzahl und seinen Bestand". 21 Die Streichung des εΐποντες Zeile 4 und die Deutung des αυτά als αδ τα durch ΊΉ-Β beeinflu t nicht die Auffassung, da ab Zeile 3 καΐ τούτων eine Qualifizierung der δντα angedeutet wird, da man zu τα πεπερασμένα αυτών και αδ τα δπειρα aus der vorhergehenden Zeile ot μεν αλλά, ot δε δίλλα zu erg nzen hat. (entsprechend alle bers.)·

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unrichtig ist, die Grundlagen des Seienden als eine Art Elemente anzusehen, als irgendwelche Klassen des Seienden angesetzt". Der sprachliche Befund n zeigt eine Parallelit t der Glieder οίον στοιχεία und γένη τινά als Praedicativa zu τα υποκείμενα, so da auch οίον und τινά in ihrer Funktion gewisserma en parallel sind: Mit οίον στοιχεία werden alle Philosopheme, die die Grundlagen des Seienden im K rperlichen sehen, nach der vorangegangenen Differenzierung zusammengefa t, mit γένη τινά werden alle Philosopheme, die jene Sicht berwunden haben, vorl ufig mit einem Aus22 Diese bersetzung in Anlehnung an Harderi unter Beibehaltung der berlieferten Textgestalt. Zur Konstruktion: Entsprechend der Gliederung des ganzen Abschnittes leitet - nach einer Art Anakoluth, da zu dem οι οΰτε εν δεμένοι ... das Verbum finitum fehlt, welches aber aus Zeile 6 εθεντο εν γένεσιν ώρισμένοις leicht erg nzt werden kann - das τα τε πεπερασμένα αυτών den zweiten Teil der Periode ein, in dem etwas ber den Charakter der („proleptisch" bereits 1,6 als γένη bezeichneten) ώρισμένα gesagt wird. Das, als was die πεπερασμένα είς αριθμόν - wollen sie die Grundlagen des Seienden (ι,ιο τα υποκείμενα) richtig bezeichnen - sich nicht erweisen d rfen (n mlich als στοιχεία) und das, als was sie sich erweisen m ssen (n mlich als γένη), steht pr dikativ jeweils ohne Artikel. Das δε hinter γένη lie e sich als Ausdruck des Gegensatzes zwischen ουκ ορθώς οίον στοιχεία, γένη δε erkl ren, wobei auf die Hypotaxe des δτι-Satzes keine R cksicht genommen wird; bei solch enger Verbindung l t vielleicht auch aus dem είρήκασιν ein λέγεται f r den δτι-Satz mith ren, ohne da an einen Ausfall des Verbums gedacht werden m te. - TH-B verbessern: τα [τε]' πεπερασμένα ε'ις αριθμόν αυτών 8τι τα υποκείμενα ουκ ορθώς οίον στοιχεία (λέγεται), γένη δ ή (f r δε mit Volkmann) τίνα οϋτοι είρήκασιν und bersetzen: „.. nannten diese das der Zahl nach begrenzte Seiende, weil, was ihm zugrunde Hegt, nicht richtig Element hei t, eben eine Art von Klasse, ...". Das entspricht, soweit ich sehe, dem Gedanken der unverbesserten Textgestalt, insofern auch hier τα υποκείμενα allgemein als Grundlagen des Seienden genommen und „Elemente" und „Genera" als m gliche Bestimmungen dieser Grundlagen gegeneinandergesetzt werden. - Nun erl utern allerdings TH-B IV b, 429, im Blick auf das οίον: „Bei dieser Fassung k nnte Plotin ausdr cken, da das an sich passende Wort στοιχεία schon f r anderes in Gebrauch war, eben f r die υποκείμενα των όντων (die άρχαί)", meinen also offensichtlich, Plotin habe στοιχεΐον durch das olov von der Bedeutung αρχή zur Bedeutung „(k rperliches) Element" erst bertragen m ssen, um es hier zu verwenden. Da nun aber nachweislich (dazu unten S. 225 ff.) στοιχεΐον f r Plotin die Grundbedeutung „Element" hat (auch TH-B bezeichnen das Wort als „an sich passend"), kann das olov m. E. nur die Aufgabe haben, das στοιχεΐον in dem oben im Text gleich zu nennenden Sinne zu modifizieren. Im Falle einer wirklichen Bedeutungs bertragung w re eher (entsprechend den S. 227 behandelten Beispielen, die zeigen, da Plotin bewu t von der Bedeutung „[k rperliches] Element" zur Bedeutung „Prinzip" bertr gt) das olov als bertragung zur Bedeutung αρχή aufzufassen. Dann aber kehrte sich die Aussage so um: „Weil τα υποκείμενα (jetzt in der Bedeutung: die vier Elemente) nicht zu Recht als Prinzipien angesehen werden." Die Deutung der υποκείμενα als Materie ist nat rlich gut m glich, auch der sachliche Gehalt der Aussage (Ablehnung des Materialismus) bliebe erhalten, zerst rt w rde jedoch der Parallelismus im Satzbau, der στοιχεία und γένη als Praedicativa nimmt.

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Plotins platonischer Ansatz der Aristoteleskritik

druck bezeichnet: Das οίον a schw cht die pr zise Bedeutung von στοιχεΐον „Element" m glicherweise in Richtung auf das aristotelische τάς εν ύλης εΐδει αρχάς (Metaph. A 3, 983 b 7) ab, weil ja die Vorsokratiker nicht durchgehend d i e vier Elemente, sondern teilweise nur ein bestimmtes (Thaies, Anaximenes) als Grundlage genommen, teilweise den Grund alles Seienden in anderen, nicht im strengen Sinne als Elemente anzusehenden Formen der Materialit t (Anaximander: άπειρον; Anaxagoras: Homoiomerien; Leukipp/Demokrit: Atome) gedacht haben. Ebenso steht hinter der Bestimmung des Grundes als γένη die anschlie end gegebene Differenzierung, so da von hieraus der Zusatz τινά verst ndlich wird. Die in der Untergliederung der Doxographie zun chst herausgestellte Gemeinsamkeit der „Nachsokratiker" (τα τε πεπερασμένα εις αριθμόν αυτών ότι τα υποκείμενα ουκ ορθώς οίον στοιχεία, γένη δε τίνα ούτοι είρήκασιν, 1,9-11) lie e sich im Anschlu an die im ersten Teil der Arbeit vorgetragenen berlegungen zu Platon und Aristoteles so begr nden und erl utern: Platon widerlegt im „Sophistes" die eleatische Lehre, da das Sein schlechthin eins sei, dadurch, da er das Sein und das Seinswissen als Vermittlung von Einheit und Vielheit begreift und die Art und Weise dieser Vermittlung durch die f nf „Genera" bestimmt. Von dieser Bestimmtheit des Seins nimmt auch das diskursive Denken und Reden ber das Sein seine Bestimmtheit und Wahrheit her und erh lt schlie lich die zum άπειρον tendierende Bewegtheit der Sinnenwelt ihre Bestimmtheit dadurch, da sich die sinnliche Wahrnehmung mit dem λόγος zur δόξα verbindet und so die „Teilhabe" der Sinnenwelt am Sein erfahren wird. - Bei Aristoteles schlie t der Blick auf die Wirklichkeit als eine bewegte jeden Monismus aus; seine Grenze findet das άπειρον der Bewegung jedoch darin, da die ουσία des einzelnen Seienden das Ziel jeder Bewegung und den Bezugspunkt aller m glichen Seinsaussagen bildet. Die von Plotin mit dem Satze VI ι, ι, ιο/ιι: δτι τα υποκείμενα ουκ ορθώς οίον στοιχεία zusammenfassend wiedergegebenen Einw nde der „Nachsokratiker" gegen die Art und Weise der vorsokratischen Seinsbestimmung lassen f r Platon an den „Sophistes" 246 a 7 - 248 a 3 denken, wo die Philosophen zur ckgewiesen werden, die das Sein mit dem K rper identifizieren (ταύτόν σώμα και ούσίαν οριζόμενοι, 246 b ι). — Aristoteles 23

Otov in der Bedeutung „eine Art von ..." findet sich bei Leukipp 67 A i D.-K. (Diog. Laert. 9,32): οίον υμένα, Platon Theaet. 199 b 5: οίον φάτταν, Arist. De anima II n, 423 &y. οίον υμένα. Vgl. J. Kersdiensteiner, Zu Leukippos A x, Hermes 87, 1959, 446, Anm. 3.

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kann den πρώτοι φιλοφήσαντες deshalb nicht zustimmen, weil diese von den Prinzipien, die er im Rahmen der Physik als Wissenschaft von der bewegten Wirklichkeit unterscheidet, n u r das Materialprinzip ber cksichtigt haben (των δη πρώτων φιλοφησάντων oi πλείστοι τάς εν ύλης εΐδει μονάς ώή-θησαν αρχάς είναι πάντων, Metaph. A 3, 9^3 b6-8). (2) Innerhalb derer, die γένη ώρισμένα annehmen, also innerhalb der „Nachsokratiker", wird nun ebenfalls ein Unterschied nach Zahl und Art des Seienden gemacht und damit vor allem das τίνα genauer beantwortet: (sc. γένη ... είρήκασιν), l μεν δέκα, οί δε έλάττω· είεν δ' αν τίνες οί πλείω τούτων (als Antwort auf die Frage: πόσα;), εστί δε και εν τοις γένεσι διαφορά· οί μεν γαρ τα γένη αρχάς, οί δε αυτά τα οντά τω γένει τοσαΰτα (als Antwort auf die Frage: τίνα;) (VI ι, ι, 11-14). Die Interpreten gehen gew hnlich davon aus24, da οί μεν γαρ τα γένη αρχάς die Stoiker meine und also mit der in der Frage des τίνα getroffenen Unterscheidung lediglich die Gliederung des Traktates VI i (Kap. i, 1524, 12: Aristoteles-Kritik; Kap. 25, 1-30, 27: Stoa-Kritik) wiedergegeben sei. Sie k nnen sich zur St tzung ihrer Annahme auf VI i, 25, 23/24: έπειτα το ύποκείμενον εν άριθμοϋντες (gemeint ist die stoische Materie) ου τα οντά έξαριθμοϋνται, αλλ' αρχάς των όντων ζητοΰσι berufen. Wie sich ergeben wird25, argumentiert Plotin dort gegen die Stoa peripatetisch: So gr ndet der Einwand, da die Stoiker mit ihrer Materie ein Prinzip nennten, nicht aber das Seiende selbst aufz hlten, auf der Voraussetzung, da es um eine Gliederung der Sinnenwelt gehe und da diese durch die aristotelischen Kategorien befriedigend geleistet sei. Es wird sich VI 3 zeigen, da Plotin selbst die aristotelischen Kategorien als Einteilung der Sinnenwelt zun chst in Geltung zu lassen sucht. Da aber hier VI ι, ι die Frage nach den Genera des Seienden grunds tzlich gestellt ist, so da von Anfang an die intelligible Sph re mit im Blick ist (vgl. 1,8: ότι πολλά και εν τοις νοητοΐς έώρων), da sich gleich anschlie end vor dem Richtstuhl der ουσία νοητή die aristotelischen Kategorien, insofern sie eben blo eine Einteilung der Sinnenwelt geben, als ungen gend im Sinne des Anspruches erweisen, der an Genera des Seienden zu stellen ist, wird man sich fragen m ssen, ob nicht hier bereits die Form der platonisch-plotinischen Geisteswelt im Sinne der VI 2 gegebenen Kennzeichnung ihrer Kategorien als γένη άμα και άρχαί angesprochen und der aristotelischen Einteilung der Sinnenwelt entgegengesetzt sei. Dabei ist freilich zu bemerken, da die in VI 2 aufgestellten 24 Bonier, ed. Plotin, Bd. VI i, p. 7; TH-B IV b, 430. 25 Vgl. unten S. 163 ff.

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Kategorien der geistigen Welt nicht einfach άρχαί sind, sondern eine rational nicht fa bare Verquickung des Genus- und des Prinzipiencharakters vorliegt. b) Plotins Stellungnahme zur aristotelischen Kategorienlehre: Die Brauchbarkeit der aristotelischen Kategorien als Einteilung der Sinnenwelt — Ihre Unzureichendheit f r die Erkl rung der Sinnenwelt aus ihrem geistigen Ursprung (i) Zu Beginn seiner Auseinandersetzung mit Aristoteles f hrt Plotin dessen Kategorien als Einteilung des Seienden ein (την διαιρουμένην εις δέκα τα οντά - sc. α'ίρεσιν -, VI 1,1,15) und kn pft damit an den unmittelbar vorhergehenden Punkt der Doxographie: οι δε αυτά τα οντά τω γένει, τοσαΰτα (ι, 14) an. Jetzt verzichtet Plotin allerdings auf einen die Zehnzahl charakterisierenden Zusatz; er will vielmehr erst zusehen, ob es sich um zehn γένη oder um zehn κατηγορίαι handelt, ohne da er dabei das Verh ltnis der zehn aristotelischen Kategorien untereinander zun chst in Frage stellen wollte26: ... άνασκοποΰντας πότερα δέκα γένη δει νομίζειν αυτούς λέγειν κοινού ονόματος τυχόντα του δντος, ή κατηγορίας δέκα. ότι γαρ ου συνώνυμον το δν εν απασι, λέγουσι και ορθώς λέγουσι (ι, 16—19). Der Gedanke ist - mit einer Art Ellipse vor γαρ -: Wir m ssen pr fen, ob es sich um „h chste Gattungen" handelt, welche unter die gemeinsame Bezeichnung „seiend" fallen, oder um zehn „blo e Aussageweisen", f r die solches zutrifft; (das Verh ltnis der zehn untereinander brauchen wir nicht zu pr fen,) denn da die Bezeichnung „seiend" nicht synonymerweise auf alle zutrifft, sagen sie selbst mit Recht. Mit der Frage, ob die peripatetische Zehnteilung κατηγορίαι oder γένη nenne, st t Plotin im Grunde schon zum Kern seiner Aristoteles-Kritik vor. Die Unterscheidung zwischen κατηγορίαι und γένη zieht n mlich von vornherein die aristotelische berzeugung in Zweifel, da das Sein in den verschiedenen Formen der Aussage selbst erscheine und so die γένη του δντος im λόγος ansprechbar seien, da umgekehrt die κατηγορίαι als Formen des Ansprechens das Sein selbst in seiner Vielgestaltigkeit vernehmen lie en: F r Plotin wird sich die diskursive Form der Aussage zur Wiedergabe des Seins als unzureichend erweisen, weil seiner Meinung nach die Diskursivit t im Nacheinanderdurchgehen der Positionen das raum-zeitliche Neben- und Nacheinander der Sinnenwelt nachgebildet und so die 26

Vgl. oben S. 141, Anm. 16.

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Form des wahren Seins, das einen anderen und h heren Grad von Einheit aufweist, verfehlt. Die Termini γένος und κατηγορία werden deshalb zu Kennworten f r die unterschiedliche Struktur von geistigem und sinnlich wahrnehmbarem Sein. (2) Die sich anschlie ende und als noch wichtiger bezeichnete Frage nach der Verteilung der Kategorien auf beide Seinsbereiche (i, 19/20: μάλλον δε εκείνο πρώτον έρωτητέον, πότερα ομοίως εν τε τοις νοητοϊς εν τε τοις αίσθητοΐς τα δέκα), die vor allen anderen Fragen die aristotelischen Kategorien von einem ihnen nicht angemessenen Standort zu beurteilen scheint, weist doch mit der Angabe, da im Geistigen auf keinen Fall mehr Kategorien als im Sinnlichen zu erwarten seien (i, 21/22: ή εν μεν τοις αισθητοΐς απαντά, εν δε τοις νοητοϊς τα μεν είναι, τα δε μη είναι· ου γαρ δη άνάπαλιν), auf die besondere, einheitlichere Form des Geistigen hin. Angedeutet findet sich solches schon im ersten Abschnitt des Kapitels, als Plotin zwar noch generell nach τα οντά fragt, beim Hinweis darauf, da eine Pluralit t vorausgesetzt werden m sse, jedoch als Begr ndung einflie en l t, da s o gar in der Geistes weit mit einer Pluralit t zu rechnen sei. (VI i, i, 8: ότι πολλά κ α ί εν τοις νοητοϊς έώρων). Da mit der geringeren Anzahl nicht eine Auswahl aus den zehn und damit eine blo numerische Beschr nkung gemeint sei, wird dann VI 2, i, 16, also in der Einleitung ber die Genera des wahren Seins, aus der Formulierung: ... εις μέσον θέντας, τίνα αριθμόν λέγομεν και π ώ ς deutlich. Hier VI 1,1,20 lie e sich das πότερα ο μ ο ί ω ς als Hindeutung darauf verstehen, da mit den Kategorien der Geisteswelt gleichzeitig auch die Form des Geistigen im Unterschied zum Sinnlich-Wahrnehmbaren in Frage stehe. (3) Die Frage, „ob die dort droben vorhandenen mit den hiesigen unter dieselbe Gattung fallen oder ob Seinsheit dort oben mit der hiesigen lediglich namensgleich ist" (VI i, i, 23-25: .. . και ει τα εκεί οντά ύφ' εν γένος ύπακτέον τοις ενταύθα, ή όμωνύμως η τε εκεί ουσία ή τε ένταΰθα) ", hat darin ihren Sinn, da die aristotelischen Kategorien als γένη του δντος in 27 In diesem Zusammenhang ist der Wechsel zwischen τα δντα (ι. Teil des Satzes) und ουσία (ζ. Teil des Satzes) bemerkenswert. Vielleicht begn gt sich Plotin in dem zweiten - im Grunde doch zutreffenden - Teile deshalb damit, die Frage nach dem Geltungsbereich als Frage nach dem Verh ltnis der beiden ούσίαι zu stellen, weil das Geistige insgesamt sich als eigentliche, das Sinnlich-Wahrnehmbare als dessen όμώνυμον και εικών und damit als uneigentliche ουσία herausstellen wird, so da die zwischen ουσία und συμβεβηκότα unterscheidende und mit einer Vielzahl von Kategorien rechnende Kategorienlehre des Aristoteles dann vollst ndig eingeordnet ist, wenn das Verh ltnis von Geistigem und Sinnlich-Wahrnehmbarem recht begriffen wurde.

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Plotins Augen mit dem Anspruch auftreten, alles Seiende (und zwar im Sinne der mit γένη άμα και άρχαί ausgedr ckten und noch n her zu erl uternden Art und Weise) unter sich zu begreifen und damit auch zu begr nden. Die Antwort - in ihren beiden Teilen chiastisch gestellt zu den beiden in der Frage genannten M glichkeiten - zeigt, da die aristotelischen Kategorien vor diesem Anspruch scheitern m ssen: Der Einwand, da sich aus der Namensgleichheit von ουσία αίσθητή und ουσία νοητή (sowie m glicher anderer Kategorien) eine gr ere Anzahl von Genera als zehn ergebe, st tzt sich auf die Arist. Cat. ι, ι a 1-6 gegebene Bestimmung der Homonymie als eines Verh ltnisses, in dem zwar der Name, nicht aber die wesensbestimmende Definition (ό κατά τουνομα λόγος της ουσίας, ι a a) gemeinsam ist und auf Cat. 5, 2 a 29-34, wo es hei t, da zwar der Name einer der anderen Kategorien von der ersten ausgesagt werden k nne, nicht aber deren Definition, wo also die Bestimmung der Homonymie doch wohl auf das Verh ltnis der Kategorien untereinander angewandt ist, so da danach γένη του δντος grunds tzlich im Verh ltnis der Homonymie stehen a. Die Schwierigkeit in Plotins Argumentation (und damit die Gefahr, sein Reflexionsniveau zu untersch tzen) besteht darin, da Plotin mit dieser Homonymiedefinition prima facie eine blo numerische Unvollst ndigkeit der aristotelischen Kategorien nachzuweisen scheint, so als ob neben der ουσία αισθητή usw. mit einer ουσία νοητή usw. und also mit einer „zus tzlichen" Anzahl von γένη του οντος gerechnet werden m sse. - Nun deutet allerdings schon die sprachliche Form, in der diese Konsequenz vorgetragen wird: αλλ' ει τοϋτο (sc. ει όμωνύμως ή τε έκεϊ ουσία η τε ενταύθα), πλείω τα γένη, darauf hin, da hier (entsprechend dem bei der Synonymic i, 26 erscheinenden άτοπον) prinzipiell Unm gliches folgen w rde, wenn man in dieser Weise die aristotelischen Kategorien als γένη neben die Formen des Geistigen stellte. - Plotin l t an anderen Stellen die Kennzeichnung des Verh ltnisses von geistigem und sinnlich wahrnehmbarem Sein als homonym durchaus zu; so hei t es VI 3, i, 20/21, auf beide Formen von Sein bezogen: έτερον τοΰτο εκείνου και ου συνώνυμον, δμώνυμον δε και εικών χ. 28 Vgl. oben S. 104 ff. 29 Vgl. ferner VI 3,1,6/7 αναλογία και ομωνυμία; 5,3 κατ' άναλογίαν και όμωνύμως. - Bei Plotin wird also der Terminus ομώνυμος in der Weise verwendet, die Platons Dialoge darbieten (vgl. Phaedr. 266 a 7, Parm. 133 d 3; Tim. 41 c 6; Sophist. 234 b 6/7) und die sich in den aristotelischen Vorbild-Abbild-Beispielen f r die Homonymie (Cat. ι, ι a 3/4; Metaph. A 9, 991 35-8) erkennen l t. (Ein Hinweis auf den vom aristotelischen unterschiedenen Gebrauch des Terminus ομώνυμος bei Plotin bereits bei Steinhart, Plot. Dial., 24, Anm. 86). - Demgegen ber steht bei

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Entscheidend ist aber, da mit Homonymie nicht eine nur numerische und darum in einer additiven Vermehrung der γένη ausdr ckbare Verschiedenheit von ουσία αισθητή und ουσία νοητή, sondern eine Art von Beziehung angesprochen ist, die der n heren Erkl rung bedarf: Die Unterscheidung zwischen γένη του οντος und κατηγορίαι ist eine solche Erkl rung; sie besagt ( hnlich der Vorbild-Abbild-Metaphorik, jetzt aber genau auf den Problemhorizont der aristotelischen Kategorien eingestellt) eben dies, da die diskursive Form der Aussage niemals in der Lage sei, das wahre Sein zu erfassen. So steht offensichtlich hinter der ausgesprochenen numerischen „Unvollst ndigkeit" der aristotelischen Kategorien ihre essentielle, die sie berhaupt zu γένη του οντος untauglich macht; und die Bestimmung des Verh ltnisses von geistigem und sinnlich wahrnehmbarem Sein als homonym ist nur dann untauglich, wenn dieser essentielle Mangel des Sinnlichen nicht bedacht, sondern es in seiner Untergliederung einfach neben die Gliederung des Geistigen gestellt wird. Bei seiner Ablehnung der Synonymic von ουσία αισθητή und ουσία νοητή (1,25—28. ει δε συνώνυμους, άτοπον το αυτό σημαίνειν την ούσίαν επί τε των πρώτως όντων και των υστέρων ουκ οντος γένους κοινού, εν οίς το πρότερον και ύστερον) spielt Plotin das πρότερον-ΰστερον-Verh ltnis von geistigem und sinnlich wahrnehmbarem Sein gegen die aus der aristotelischen Synonymiedefinition folgende Regel aus, da die Angeh rigen desselben Genus als seine Differenzierung gleichrangig nebeneinanderstehen **. Um das άτοπον eines synonymen Verh ltnisses beider ούσίαι zu erweisen, wird VI 1,2,4-8 auf die Konsequenzen einer solchen Annahme hingeden Aristoteles-Kommentatoren eine philologisch gegliederte Aufz hlung der Bedeutungen von ομώνυμος; z.B. bei Simplikios In Arist. cat. 31, 22 ff.; K.: Zu unterscheiden ist zun chst zwischen άμώνυμα από τύχης und ομώνυμα από διανοίας, letztere werden unterteilt in (ι) καθ' ομοιότητα, (2) κατά άναλογ'ιαν, (3) το από τίνος κοινήν εν πολλοίς και διαφόροις πράγμασι γενέσθαι κατηγορίαν, (4) δταν διάφορα προς Ιν αναφέρεται τέλος, απ' εκείνου της προσηγορίας τυγχάνοντα. Diese F lle lassen sich zwar alle bei Aristoteles selbst nachweisen (vgl. Bonitz, Index Aristotel. s.v. ομώνυμος, 514325^9), die von den Neuplatonikern vorgelegte Systematisierung verbirgt jedoch die ontologische Problematik, die die mit den Punkten 1-4 bezeichneten Verh ltnisse bei Aristoteles selbst haben. - Da bei Plotin der Begriff der Analogie hnlich wie der der Homonymie zur Bezeichnung des Verh ltnisses des Sinnlich-Wahrnehmbaren als eines abgeschw chten zum Geistigen als dem wahren Sein dient, zeigen die eingangs der Anm. zitierten Stellen VI 3, i, 6/7J 5.3· Vgl. ferner I 3 [20] 1,29/30; III 3 [48] 5,3; VI 9 [9] 5,45, wo das Verh ltnis zwischen verschiedenwertigen Bereichen als analog bezeichnet wird. 30 Vgl. die Bestimmung der Synonymic Arist. Cat. ι, ι a 6-12; dazu Cat. 13,14 b 33; Top. VI6,143 a 36; Metaph. Δ 6, ioi6 a 24. Zu dem an den letztgenannten Stellen erscheinenden Begriff der άντιδιαίρεσις der είδη aus dem γένος vgl. unten S. 155 ff.

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wiesen: Da ein Genus f r den Platoniker etwas real Seiendes und das ihm Untergeordnete Prinzipierendes ist, m te eine ουσία der ουσία αισθητή und der ουσία νοητή vorgeordnet und d rfte als solche weder k rperlich noch unk rperlich sein. Denn die werthaft gef llte Vorstellung vom κόσμος νοητός und κόσμος αισθητός l t kein anderes als diese beiden in ihrem Gegeneinander zu; ein Genus ber K rperlichem und Unk rperlichem ist nur als K rper oder als Unk rperliches denkbar, es h tte also das Genus den Charakter eines der Glieder der aus ihm entspringenden Teilung und m te von dem anderen Gliede, obwohl dieses sein Gegenteil ist, ausgesagt werden k nnen. Das h tte die paradoxe Konsequenz: ε'σται γαρ ή το σώμα άσώματον, ή το άσώματον σώμα (VI 1,2,7/8). Wiederum erweckt Plotins Argumentation auf den ersten Blick den Anschein, als pr judiziere er einerseits unreflektiert die werthafte Unterschiedenheit von geistigem und sinnlich wahrnehmbarem Sein und verlange danach von Aristoteles zu Unrecht eine Aussage ber den einen „Bereich", als bewege er sich andererseits im Regelgef ge der aristotelischen Pr dikationstheorie, aber so, da das gemeinsam von zwei Dingen Ausgesagte „platonisch" hypostasiert und so im Falle von ουσία νοητή und ουσία αισθητή dann gegen Aristoteles gewandt w rde. Da auch diesem Argument entsprechend denen, die die Homonymie und die Unterscheidung zwischen γένος und κατηγορία betreffen, in Wirklichkeit ein hohes Bewu tsein des eigenen Standortes (au erdiskursive Form der Seinsgewi heit) und des abgelehnten aristotelischen (Seinsgewi heit in den Formen diskursiven Denkens) zugrunde liegt, l t sich zeigen, wenn man die anschlie end VI i, 2,8-3,23 vorgetragene Kritik der ουσία αισθητή hinzunimmt: ου μην άλλα επ' αυτών των τηδε ουσιών ζητητέον, τί κοινόν επί της ύλης και του είδους και του εξ άμφοΐν. πάντα γαρ ταΰτα ουσίας λέγουσιν είναι, ... (2, 8-ιο). Auch hier ist Gefahr, Plotin so mi zuverstehen, als begebe er sich zwar endlich auf das Niveau der aristotelischen ουσία, verfehle aber v llig den Sinn der aristotelischen Unterscheidungen zwischen είδος, ύλη und συναμφότερον. Denn die Belobigung der Tatsache, da die drei Termini, wiewohl in ihnen ουσία gedacht wird, von den Peripatetikern selbst in ein πρότερον-υστερον-Verh ltnis gesetzt sind (και ου το Τσον είς ούσίαν εχειν (sc. λέγουσιν), όταν μάλλον λέγηται το εΐδος ουσία ή ή υ"λη· και ορθώς, VI ι, 2,10-12), impliziert doch die Kritik, da der Anspruch der ουσία als γένος eigentlich nicht aufrechtzuerhalten sei; dabei hat das Ganze dann den Anschein, als h nge die G ltigkeit der ουσία als γένος

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von der (unm glichen) Auffassung von είδος, ΰλη, συναμφότερον als Species eines Genus ab. Das Mi verst ndnis sowohl dieser Kritik als auch der vorangehenden Ablehnung der Synonymic als eines m glichen Verh ltnisses von geistigem und sinnlich wahrnehmbarem Sein ist aber ausgeschlossen, wenn man die Frage nach dem Verh ltnis von ουσία νοητή und ουσία αισθητή und nach der Art der Gemeinschaft von είδος, ΰλη und συναμφότερον zusammen als Bem hen darum auffa t, der sich den Sinnen darbietenden, dem Sinnlichen qua Bewegtem jedoch als bleibend enthobenen Gestalt (είδος ενυλον) einmal in ihrer reinen M glichkeit (είδος χωριστόν = ουσία νοητή), zum anderen gem den Bedingungen ihrer konkreten Verwirklichung (συναμφότερον = ουσία αισθητή) gerecht zu werden31. (4) Die Einleitung der Abhandlung ist folgerichtig aufgebaut: Zun chst wird die Frage nach dem Sein in seiner reinen Form gestellt (πόσα και τίνα τα οντά) und an der Antwort (γένη άμα και άρχαί) die Unzureichendheit der aristotelischen Seinsbestimmung ausgesprochen (κατηγορίαι — τα μάλιστα οντά παραλελοίπασιν), dann der Grund der Unzureichendheit genauer bestimmt: Die Unzureichendheit besteht nicht darin, da die Frage nach dem Geistigen bewu t beiseite gestellt w rde (solches wird Plotin ja VI 3 selbst versuchen), sondern darin, da die Bestimmung eines sinnlich wahrnehmbaren Seienden als συναμφότερον aus εΐδος und ΰλη die Besinnung auf die Bedingungen dieses Zusammenschlusses vermissen l t. Da ohne diese Besinnung die H herbewertung des είδος nicht gen gt, zeigt der Einwand VI 1,2, 12: οί δ' αν εΐποιεν την ΰλην μάλλον (sc. ούσίαν λέγεσθαι). Er besagt, da man auch andere Priorit ten setzen, also die wesentliche Bedingung sinnlich wahrnehmbaren Seins auch im K rperlichen sehen k nnte, wenn man nicht den Grund f r die Priorit t des είδος angibt. Der anschlie ende (2,12-15) kritische Hinweis, da die Gemeinsamkeit von πρώτη und δευτέρα ουσία (dies die Terminologie der „Kategorienschrift" einmal f r das Einzelne als das den Akzidentien Zugrundeliegende, zum anderen f r είδος und γένος) nur eine Benennung der einen ουσία nach 3l Eine Kritik von der Art, wie sie Nebel, Hermes 65,1930,430, anl lich VI3,3, 12-15 vorbringt, ist deshalb nicht gerechtfertigt: Nebel beurteilt Plotins Bemerkung, da sich das Eidetische nicht im εΐδος ενυλον ersch pfe, wie folgt: „Diesem „Argument" merkt man deutlich an, da es gebraucht ist, um irgendetwas zu „beweisen* [Anm. 4: Diese leerlaufende Aporetik, die nicht aus den Sachen kommt, eine schlechte Nachahmung des Aristoteles, findet sich oft bei ihm]. Das zu erwartende Beweisthema hat er verfehlt. Da das aristotelische είδος die platonische Idee nicht erfa t, ist ebenso selbstverst ndlich, wie da diese nicht mit der wahrnehmbaren ουσία identisch ist."

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der anderen sei, ist mit den 3, i-io folgenden Erw gungen Plotins zusammenzusehen. Hier wird die M glichkeit erwogen, ουσία νοητή, ΰλη, είδος und συναμφότερον unter der gemeinsamen Bezeichnung (μίαν τινά κατηγορίαν, 3, ι) „ουσία" zusammenzufassen, dabei aber als den Grund der Gemeinsamkeit den Ursprung der letzten drei Bestimmungen in der ersten anzusehen: ..., οΰχ ως κοινόν κατά πάντων, αλλ' ως άφ'ένός- πρώτως γαρ ή ουσία εκείνη - sc. die ουσία νοητή -, δευτέρως δε και ήττον τα αλλά - sc. ΰλη, είδος, συναμφότερον -, 3, 3~5· Gegen solches Vorgehen hat Plotin jedoch einzuwenden, da auch die Akzidentien im Verh ltnis zur ουσία αισθητή als abgeleitetes Sein anzusprechen sind, so da aus dieser Perspektive die von der ουσία νοητή her benannte ουσία αισθητή und die von der ουσία αισθητή her als seiend benannten Akzidentien insgesamt unter eine κατηγορία fallen m ten: αλλά τι κωλύει μίαν κατηγορίαν τα πάντα είναι; και γαρ τα αλλά (sc. die Akzidentien) πάντα από της ουσίας τα λεγόμενα είναι, 3,5~7· Dem sind die realen Verh ltnisse entgegenzusetzen, die einen verschiedenen Modus der Beziehung von ουσία νοητή, είδος, ΰλη, συναμφότερον auf der einen, von ουσία αισθητή und Akzidentien auf der anderen Seite zeigen: ή εκείνα μεν πάθη, αί δ5 οΰσίαι έ^ρεξής άλλως, 3>6-8. Diese Ablehnung der gemeinsamen Pr dikation als genuskonstituierender Gemeinsamkeit liegt auch VI 1,2,14 vor, wo die Benennung der zweiten nach der ersten ουσία als unzureichend empfunden wird. (5) Es zeigt sich also, da nach Plotins Ansicht der sprachliche Ausdruck von Seinsverh ltnissen entweder nicht in der Lage ist, die tats chlichen Beziehungen hinreichend zu kl ren (αφ* ενός-Verh ltnis alles Seienden), oder gar die tats chliche Situation verf lscht (ουσία αισθητή und νοητή sprachlich als Species eine Genus), da also die Art und Weise, in der das wahre Sein und sein Erscheinen in der Sinnenwelt zu denken ist, jenseits der sprachlichen Ausdrucksm glichkeiten liegt. Die Ausspielung der „Realit t" der Seinsverh ltnisse gegen ihren sprachlichen Ausdruck bleibt allerdings unbefriedigend, da sie auf die oben formulierte Grundfrage zur ckverweist, wie die sich den Sinnen darbietende Gestalt rein begr ndet sei. Nichts anderes besagen die S tze VI i, 3, 8-10: αλλά γάο και οΰτακ ofwico cyoiiFv έπερείσασθαι τη ουσία, ουδέ το κυριώτατον λαβείν, tv' από τούτου και τάς αλλάς und zuvor 2,15-18: όλως δε τί εστίν ή ουσία ειπείν ουκ ?στιν· ουδέ γαρ, εΐ το ϊδιόν τις άποδοίη, ήδη έχει το τί εστί, και ίσως ουδέ το εν και ταΰτόν άριθμφ δεκτικόν των εναντίων επί πάντων αρμόσει, die zwar den Unterschied zwischen der bleibenden Gestalt und den sich

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wandelnden Eigenschaften als richtig voraussetzen, jedoch leugnen, da mit dieser Unterscheidung das Sein wirklich begriffen sei. Die entscheidenden Schritte zur L sung der hier anstehenden Probleme d rfen wir erst im Traktat VI 3 erwarten, wo Plotin von der Warte seiner Einsicht in die Form des wahren Seins (VI 2) seine eigene Kategorienlehre der Sinnenwelt vortr gt. Diese Kategorienlehre ist nicht, wie man zun chst meinen m chte, eine Neuauflage der zuvor kritisierten aristotelischen, so da diese zwar in unbedeudenden Details ge ndert, in ihren Grundz gen jedoch bernommen worden w re, da Plotin nicht ganz auf sie verzichten konnte; zwar wird in VI 3 die Behandlung der ουσία αισθητή mit denselben Fragen wie in VI i angegangen (und das ist ja nur folgerichtig, da es sich ja eben um das sinnlich wahrnehmbare Sein handelt), hinzu tritt aber ausgesprochenerma en das Bewu tsein f r die Spannung, in der das sinnlich wahrnehmbare Sein zwischen der Einheit des Geistigen als eines solchen und der Diversit t des Sinnlichen als eines solchen steht.

$. "Realit t und sprachliche Form des kategorialen Unterschiedes von geistigem und sinnlich wahrnehmbarem Sein a) Abwehr eines gemeinsamen Genus „ουσία" des geistigen und des sinnlich wahrnehmbaren Seins (i) Als Dihairesis im terminologisch fixierten Sinne des Wortes gilt die Gliederung eines Genus in diejenigen beiden seiner Species, die durch ihre spezifischen Differenzen im kontr ren Gegensatz zueinander stehen, durch die Gemeinsamkeit des Genus aber synonym sind. Hier sagt Plotin: κατά ταύτα ή διαίρεσις (VI 3» 2,17), oder er nimmt den aristotelischen Terminus άντιδιαίρεσις, άντιδιαιρεΐσθαι auf (IV 4 [28] 28, 68 bzw. I 4 [46] 3,i6) 32 . Von den beiden zuletzt genannten Stellen lehnt die erste 32 Vgl. besonders Arist. Cat. 13,14 b 33 - 15 a i; Top. VI 4,142 b 8: δμα γαρ τ\\ φύσει τα εκ του αύτοϋ γένους άντιδιηρημένα; Metaph. Δ 6, ιοι6 a 24. Nur scheinbar anders Diog. Laert. 7,61: άντιδιαίρεσις δε εστί γένους είς είδος τομή κατά τουναντίον, ώ ς δ ν κ α τ ' ά π ό φ α σ ι ν οίον Των δντων τα μεν εστίν αγαθά, τα Ο' ουκ αγαθά. Mit Rieth, Grundbegriffe, 4? *·> ist vor ως δν κατ" άπόφασιν eine L cke anzunehmen, da nach Simpl. In Arist. cat. 405,25-406,5 K. die Stoiker ebenso wie die Peripatetiker den kontr ren (κατά τουναντίον) von dem kontradiktorischen Gegensatz (κατ* άπόφασιν) unterschieden haben. Im brigen vgl. insgesamt Diog. Laert. 7,61 und 62 die Unterscheidung zwischen διαίρεσις, άντιδιαίρεσις, ύποδιαίρεσις, μερισμός.

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IV 4 [28] 28, 64-69 es ab, von den Verm gen der Seele, die in einem πρότερον-ΰστερον-Verh ltnis st nden, in Form einer άντιδιαίρεσις aus der Gesamtseele zu sprechen. Die zweite Stelle I 4 [46] 3,15-24 zeigt, da ευδαιμονία den verschiedenen Stufen des Lebens in verschiedener Weise zuteil wird: Die Formen der ευδαιμονία stehen wie die Formen des Lebens nicht in einer άντιδιαίρεσις nebeneinander, sondern hintereinander (εφεξής, Zeile 20) und sind durch zunehmende Unklarheit unterschieden (και τρανότητι και άμυδρότητι την διαφοράν εχόντων, (3, 21/22)33. - Da die άντιδιαίρεσις als Einteilung „auf gleicher Ebene" und die Unterscheidung von Entit ten verschiedenen Wertes auseinanderzuhalten sind, wird auch VI 3, ίο deutlich, wo Plotin sich um Einteilungsregeln f r die ούσίαι α'ισθηταί bem ht M und u. a. (Zeilen 20-27) eme Einteilung in einfache und zusammengesetzte K rper erw gt: Die antidihairetische Einteilung in άπλα und σύνθετα wird abgelehnt, die Unterscheidung der vier Elemente untereinander x ist der Einteilung der durch Mischung aus den Elementen zusammengesetzten K rper vorgeordnet, εστί δ5 ουκ άντιδιαίρεσις το σύνθετον προς το άπλοΰν είναι, άλλα κατά πρώτην διαίρεσιν τα άπλα των σωμάτων θέντα (VI 3, ίο, 23-25) *. (2) Es liegt nun Plotin alles daran zu zeigen, da die Unterscheidung von Geistes- und Sinnenwelt nicht die Form einer άντιδιαίρεσις haben kann, weil ουσία νοητή und ουσία αισθητή als solche (d. h. von ihrem Charakter und ihrer Struktur, die durch die Abh ngigkeit letzterer von der ersten bestimmt sind) in einem πρότερον-ΰστερον-Verh ltnis stehen, wenngleich die sprachliche Form, in der dieses Verh ltnis sich ausdr ckt, einer άντιδιαίρεσις gleicht, in der νοητός und αισθητός (bzw. ασώματος und σώμα = ουσία σωματική) als spezifische Differenzen des Genus „ουσία" aufgefa t werden k nnen. - Διαίρεσις mu demnach, angewandt auf das Verh ltnis von Geistes- und Sinnenwelt, eine Abgrenzung und Trennung bedeuten. 33 Vgl. auch VI 3,7,26-28: ου κοινόν τι το άμυδρόν, ώσπερ επί, της ζωής ουκ αν είη κοινόν τι επί θρεπτικής και αΙσθητικής και νοερός. Diese Stelle steht als „Beispiel" (vgl. dazu S. 71 mit Anm. 17), um den unterschiedlichen Grad von Sein bei 8λη, είδος und σύνολον zu erl utern. 34 Vgl. unten S. 254, Anm. 47. 35 Τα απλά als die vier Elemente vgl. Bonitz, Index Aristotel., s.v. άπλοΰς, 76 b 15-19. 36 Das Verh ltnis άπλοΰς - σύνθετος stellt - gut platonisch - f r Plotin generell eine Wertfolge dar: το τε συγκείμενον εκ πολλών άπλοΰ ουκ δντος οΟδ' αυτό ?σται, V6 [24] 3> Ι 4/ Ι 55 vgl· au£h VI2, ίο, 20-23: Das Einfache ist αρχή des NichtEinfachen: έτι ωσπερ το άπλοΰν αρχή μεν αν εΐη του ούχ άπλοΰ, ου μην τούτου και γένος (άπλοΰν γαρ αν εΐη το μη άπλοΰν) οΪ5τω και επί του ενός, εί το £ν αρχή, ουκ Ισται των μετ' αυτό γένος.

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Deutlich ist die Stelle VI 2, i, 2^/26 eine Anspielung darauf, da das bei der Unterscheidung von Geistes- und Sinnenwelt n tige διαιρεϊσθαι nicht mit dem (terminologisch festgelegten) άντιδιαιρεϊσθαι verwechselt werden darf: το γαρ διελέσθαι ενταύθα εστί το άφορίσαι και χωρίς θεΐναι. Sprachlich kann dann dieses „Trennen" die Form eines kontradiktorischen Gegensatzes annehmen und so das m gliche Mi verst ndnis umgehen: γελοΐον γαρ ύφ3 εν θέσθαι το δν τω μη δντι (VI 2, ι, 23/24). Entsprechend lassen sich aus Plotins Werk eine Vielzahl von Formulierungen aufz hlen, die sich dieses Mittels bedienen, um geistiges und sinnlich wahrnehmbares Sein gegeneinander abzugrenzen37. - Als Gegensatz zu ov und ουσία tritt auch der Begriff „γένεσις" ein, der f r Plotin in solchem Zusammenhang dann nicht die Entstehung aus dem Nichts zu einem bestimmten Zeitpunkt, noch auch (wie manchmal sonst) aristotelisch das Werden im Unterschied zu den anderen Modalit ten der Bewegung bezeichnet, sondern - platonisch die Grundverfa theit des Sinnlichen insgesamt ausdr ckt; z.B. VI 5 [23] 2,9—13: έπεί γαρ το μεν εστί πεφορημένον και παντοίας δεχόμενον μεταβολάς και. εϊ,ς πάντα τόπον διειλημμένον, δ δη γ έ ν ε σ ι ν προσήκοι όνομάζειν, αλλ' ουκ ούσίαν, το δε δν αεί, ου διειλημμένον, ωσαύτως κατά ταύτα έχον, κτλ. Entsprechend auch VI 3» 2, 2—4: ... την περί τα σώματα φύσιν όμωνύμως η ουδέ όλως ούσίαν .. ., άλλα γένεσιν ... Wichtig ist unter den wiederum zahlreichen Belegen f r diesen Gebrauch von γένεσιςΜ vor allem II 9 [33] 3> I I ~ I 4> wo Plotin sich gegen die dramatische Kosmologie der Gnostiker wendet39: ανάγκη τοίνυν εφεξής είναι πάντα άλλήλοις και αεί, γενητά δε τα ετέρα τφ παρ5 άλλων είναι, ου τοίνυν έγένετο, αλλ' έγίνετο και 37 Vgl. Ill 6 [26] 6, wo das Geistige in seiner Selbstgen gsamkeit als τελέως δν (Zeile 12) allem Bed rftigen und Unvollkommenen als μη δν (Zeile 21) gegen bergestellt wird; pointiert hei t es (Zeilen 31/32): ... αλλ' είναι τούτοις (sc. τοις σώμασι) το είναι το μη ουσιν είναι; VI 4 [22] ζ, 16-22 wird die Abh ngigkeit der Sinnenwelt als μη δν von der Geisteswelt als ov betont; ganz entsprechend auch I 8 [5l] 3,

I-I2.

38 Vgl. 18 [51] 4,3/4: δτακτος φορά der K rper; II 9 [33] 6,41: εκ γενέσεως φεύγειν είς ούσίαν; Ill ι [)] }, 1-4: ή εκ τούτων (sc. των στοιχείων) ατάκτως φορά; III 6 [26] 6,7/77 : ή γένεσις αυτών (sc. των σωμάτων) καΐ ή φοή καΐ ή φϋορά ου της του δντος φύσεως οΰσα; schlie lich in VI 2,4,12-15: ..., επειδή περί της ουσίας νοητής και των εκεί γενών και άρχων ό λόγος εστίν, άφελόντας χρή την εν τοις σώμασι γένεσιν ... 39 Im Hintergrund d rfte die an Plat. Tim. 28 b 6 - c 2 sich entz ndende Diskussion dar ber stehen, ob die dort angesprochene Sch pfung der Welt(seele) w rtlich oder bildlich zu verstehen sei. Spuren dieser Diskussion, die sich vornehmlich um die m glichen Bedeutungen von γεν(ν!)ητός dreht, bei Plutarch De an. procr. in Plat. Tim. 3, 1013 a f.; Proklos In Plat. Tim. ad loc. I 280 Diehl; loannes Philoponos De aeternitate mundi 6, 8 ff. Rabe.

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γενήσεται, δσα γενητά λέγεται. Die Sinnenwelt (τα γενητά) wird hier nicht als Ergebnis eines einmaligen Sch pfungsaktes genommen (Aor. ουκ έγένετο), sondern als immer schon und notwendig so verfa tes Explikat des Geistigen verstanden (Impf, έγίνετο και γενήσεται). Das γενητός vermag dabei sowohl die Relation der Sinnenwelt zum wahren Sein (εφεξής είναι πάντα άλλήλοις) als auch die eigene Verfa theit zu bezeichnen, weil im undramatischen Ordnungsdenken vertikal vorstellbare Degradation und die gleichsam in der Horizontale vorstellbare Niederwertigkeit der abgeleiteten Seinsstufe in eins gehen. Zu nennen sind ferner f r das Bem hen Plotins, die verschiedenen Formen von Sein auch sprachlich voneinander zu trennen, solche Stellen, die zwar den Terminus ουσία f r das Sinnliche beibehalten, aber ausdr cklich ihren nachgeordneten Rang betonen; so VI 3, 16,36-38: ουσία δε αίσθητήν το εκ πάντων των είρημένων θέμενοι (Anspielung auf die Konstitution der sinnlichen Substanz als συμφόρησις ποιοτήτων) ουδαμώς άσώματον ούσίαν εν αύτη τάξομεν *. - Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch u erungen, in denen Plotin die Bezeichnung des Sinnlichen als ουσία als irref hrend bertragung dieses Terminus hinstellt, der dann seinerseits einen (an sich berfl ssigen) Zusatz verlangt, wenn man mit ihm das wahre Sein bezeichnen will, so III 7 [45] 6,26-29 (es 8ent um den Begriff der Ewigkeit, der mit dem des Seins zusammenf llt und mehr besagt als ein zugesetztes „immer", das doch nur eine Vermehrung an Zeit ausdr cken kann.): το δε ΐσο)ς βέλτιον ην μόνον το „ων" λέγειν, άλλα ωσπερ το δν άρκοΰν όνομα τη ουσία επειδή καί την γένεσιν ούσίαν ένόμιζον, έδεήθησαν προς το μαθεΐν και προσθήκης του αεί41. b) Abwehr eines gemeinsamen Genus „τι" des geistigen und des sinnlich wahrnehmbaren Seins im Rahmen der Kritik der stoischen Kategorienlehre (i) Wenn Plotin jede Bezeichnung des κόσμος αισθητός, die ein Sein ausdr ckt, entschieden ablehnt und sich gegen die wendet, die von der 40

VI 1,9,6/7: εί δε καί άσωμάτοις δίδομεν την κυρίαν χωράν και τοις λόγοις . . . ; VI6 [34]' i3> 27~32 (das folgende ist im Vergleich gesprochen, um verschiedene Grade von Einheitlichkeit klarzumachen): ου γαρ οίον τε εν τοις μη οδσι το μάλλον είναι, αλλ' ωσπερ την ούσίαν κατηγοροϋντες καθ' εκάστου των αίσθητών, κατηγοροΰντες δε καί κατά των νοητών, κυριώτερον κατά των νοητών την κατηγορίαν ποιούμεθα εν τοις οδσι το μάλλον και κυριώτερον τιθέντες, ... 41 Vgl. V ι [ίο] 5> ιο/ιι: ου γαρ δγκοι τα πρώτα ουδέ μεγέθη· τα γαρ παχέα ταΟτα υστέρα, δ οντά ή αϊσθησις οϊεται.

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Sinnenwelt als ov sprechen, so weist er auf die Uneigentlichkeit der ουσία αισθητή und damit auf die Unm glichkeit hin, ber das πρότερον-ΰστερον der beiden ούσίαι ein gemeinsames Genus zu setzen. Der Satz VI 2, 1,2123: δει δε νοεϊν ταΰτα απ' αλλήλων δι/ηρημένα ούχ ως γένους τον τι εις ταΰτα διηρημένου, ούδ5 ούτως οΐεσθαι τον Πλάτωνα πεποιηκέναι, der anundf rsich mit allen eben genannten Stellen zusammengeh rt, zeigt jedoch, da die Einstufung der Sinnenwelt als μη δν (bzw. γιγνόμενον), der Geisteswelt als ov und damit die Formulierung ihres Verh ltnisses als kontradiktorischer Gegensatz nicht gen gt, um ein falsches Verst ndnis dieses Verh ltnisses abzuwehren und es nicht als άντιδιαίρεσις eines obersten γένος erscheinen zu lassen. Offensichtlich bietet das τι die M glichkeit, den Gegensatz von Geistes- und Sinnenwelt auch dann zu bergipfeln, wenn dieser die Form δν - μη ο ν hat. Aus einer Notiz bei Proklos In Plat. Tim. I 227,3-18 Diehl (zu Tim. 27 a) l t sich schlie en, da Plotin hier vielleicht gegen den Platoniker Severus polemisiert: Dieser hatte die Frage Tim. 27 d 6-28 a ι τι το δν αεί, γένεσιν δε ουκ έχον, και τι το γιγνόμενον μεν αεί, δν δε ουδέποτε; auf die Plotin hier deutlich anspielt (Platon leitet die Stelle mit πρώτον δ ι α ι ρ ε τ έ ο ν τάδε ein!), als Aussage verstanden und gemeint, Platon habe ber το δν αεί und το γιγνόμενον das τι als Genus gesetzt, und hatte dieses als παν erkl rt. (2) Welche Einw nde Plotin gegen die Setzung eines obersten Genus τι vorzubringen hat, wird aus seiner Widerlegung der stoischen Kategorienlehre deutlich, in der wir das Vorbild f r des Severus Verfahrensweise vermuten d rfen: Plotin nennt bei seiner Widerlegung der stoischen Kategorienlehre''2 VI 1,25,1-10 das τι das oberste Genus ber den stoischen Kategorien ΰποκείμενον, ποιόν, πώς έχον und προς τί πως έχον, argumentiert gegen diese Unterordnung jedoch so, da er von den Paaren ασώματα : σώματα (25, 7) und δν . μη δν (25, ίο) ausgeht: i. Das τι kann kein gemeinsames Genus ber σώματα und ασώματα sein; 2. Die Setzung nur eines obersten Genus macht dessen Differenzierung unm glich; 3. Das τι m te entweder δν oder μη δν sein. W hrend das zweite Argument sich der aristotelischen Regel bedient, 42

Als Zeugnis f r die stoische Kategorienlehre werden die Plotin-Stellen bei Rieth, Grundbegriffe, 70-84, bes. 79 f., auch Exkurs 10, 190/191; Elorduy, Sozialphilosophie, 78-97, bes. 92-95, ausgewertet; vgl. vor allem auch Goldschmidt, Le Systeme stoicien, 13-25. Hier soll zun chst jedoch nicht nach dem m glichen Sinn der stoischen Kategorien, sondern nach dem Sinn der plotiniscfaen Kritik gefragt werden.

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da ein einziges Summum Genus zu setzen unm glich sei, weil seine Differenzen nicht aus ihm selbst kommen k nnten, sondern von au en hinzutreten m ten43, liegen dem ersten und dem dritten Argument dieselben berlegungen zugrunde wie VI i, 2,4-8, wo Plotin die Unterordnung von ουσία αισθητή (σώματα) und ουσία νοητή (ασώματα) unter ein Genus zur ckweist. Ausgef hrt ist das hier VI i, 25 aber nur f r das Paar ov - μη δν: es hei t 25, 8-10: „Dieses Etwas ist ferner entweder seiend oder nichtseiend, und ist es seiend, so ist es eine seiner Gattungen, ist es nichtseiend, so ist das Seiende nichtseiend". Solche Argumentation hat zu ihrer Voraussetzung, da alles Seiende (im weiteren Sinne des Wortes) entweder dem einen oder dem anderen der beiden Seinsbereiche angeh rt, da also auch das τι entweder ein ov oder ein μη δν ist. Es m te deshalb mit einem der Glieder der aus ihm hervorgehenden Teilung identisch sein. Plotin dr ckt das hier nicht ganz parallel aus: Er sagt zwar: „Ist das τι seiend, so ist es eine seiner Species", sagt aber nicht: „Ist das τι nichtseiend, so ist es gleichfalls eine seiner Species", sondern (wohl um die f r ihn absurde Konsequenz deutlich zu machen): „Ist das τι nichtseiend, so ist das Seiende nichtseiend. " Solches folgt daraus, da ein Genus τι = μη δν auch von seiner Species δν gelten und dieses deshalb zu einem Nichtseienden machen w rde. Des Proklos Bemerkung a.a.O.: ούτως γαρ και το γιγνόμενον ειη πάν και το αεί δν, mit der er Severus zu widerlegen sucht, geht von denselben Voraussetzungen wie Plotin aus. So ist Plotins Auffassung vom stoischen τι von vornherein von der Form bestimmt, in der es beim Platoniker Severus begegnet. Das stoische τι wird aus dieser Perspektive mit denselben Argumenten widerlegbar, die Plotin bereits VI i, 2 gegen ein gemeinsames Genus ουσία ber ουσία νοητή und ουσία αίστ'ϊητή ins Feld gef hrt hatte: Die besondere Weise der Unterschiedenheit von Geistes- und Sinnenwelt erlaubt kein gemeinsames Genus, auch wenn dieses, wie bei Severus, die Form des τι hat **. (3) Seine detaillierte Polemik gegen die stoische Kategorienlehre be43 44

Vgl. noch einmal Arist. Metaph. B 3,998 b 23-27, dazu oben S. 67, und Arist. Top. IV 2,122 b 15; Metaph. I 8,1058 a 6-8. Anders, m. E. zu spekulativ, Martano, Due precursor!, 9-21. Der Verf. sieht in Severus einen Vorl ufer Plotins, der mit der Setzung des τι ber δν und γιγνάμενον den metaphysischen Aspekt dieser stoischen Lehre zur Geltung bringe. Er wertet das τι (da es als παν auftritt) als „indifferenzata identit di essere e divenire" und sieht in seiner Setzung den ersten Schritt zum plotinischen Monismus des Einen; er mu freilich als Unterschied bekennen, da das Eine Plotins „non e concepito panteisticamente come absorbente in se il moltiplice, ma dinamicamente producente, e trascendente il prodotto pur rimanendo in esso." (a. a. O., 12).

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ginnt Plotin VI 1,25, 12-14 nut dem Satze: υποκείμενα μεν γαρ πρώτα τάξαντες και την ΰλην ενταύθα των άλλων προτάξαντες την πρώτην αύτοϊς δοκοΰσαν αρχήν συντάττουσι τοις μετά την αρχήν αυτών. („Die zugrundeliegenden Dinge r cken sie an die erste Stelle und stellen hierher, vor die anderen Dinge, die Materie; und damit stellen sie das, was sie f r das oberste Prinzip halten, in den gleichen Rang wie das, was diesem ihrem Prinzip nachfolgt."). Obwohl nach II 4 [12] 1,6-11 allein die Materie als ύποκείμενον in der stoischen Philosophie ausgewiesen ist45, zeigt Dexippos In Arist. cat. 23, 25 fi. Busse (SVF II 374), da bei der Stoa (wenigstens vom aristotelischen Standpunkte) von einem zweifachen ύποκείμενον geredet werden kann, weil das stoische ποιόν die sinnlich wahrnehmbare Substanz in ihrer wesentlichen Beschaffenheit und somit das den Akzidentien Zugrundeliegende bezeichnet **. Entsprechend meint υποκείμενα μεν πρώτον τάξαντες, da die Stoiker die Materie und die sinnlich wahrnehmbaren Substanzen als vorrangiges Sein angesehen h tten; και την ΰλην ενταύθα των άλλων (sc. υποκειμένων) προτάξαντες zeigt, da sie das als Materie Zugrundeliegende den vielen υποκείμενα, die als sinnlich wahrnehmbare Substanzen den Akzidentien zugrunde liegen, vorgeordnet und also, wie II 4 [12] 1,6-11 bereits betont, der Materie die erste Stelle gegeben h tten. Da das so konstituierte πρότερον-υστερον- Verh ltnis im Widerspruch steht zu der VI i, 25, 1-5 behaupteten Ordnung der vier Kategorien unter 45 II 4 [12] 1,6-11 : και l μεν σώματα μόνον τα δντα είναι Φέμενοι καΐ την ούσίαν εν τούτοις μίαν τε την ΰλην λένουσι καί τοις στοιχείοις ύποβεβλήσθαι και αυτήν είναι την ούσίαν, τα δ'&λλα πάντα οίον πάθη ταύτης καΐ πως ίχουσαν αυτήν και τα στοιχεία είναι. („Diejenigen, welche die Dinge nur als K rper und die Substanz nur in die K rper setzen, behaupten, da die Materie eine sei und unter den Elementen liege; sie sei die Substanz, die anderen Dinge aber seien alle nur gewisserma en ihre Affektionen, und auch die Elemente seien nur eine bestimmte Befindlichkeit von ihr."). 46 Dexippos In Arist. cat. 23,25-30 B.: „Ιστι το ύποκείμενον διττόν καΐ κατά τους από της Στοας καί κατά τους πρεσβυτέρους· Εν μεν το λεγόμενον πρώτον ύποκεΐμενον ως ή αποιος ΰλη, ην δυνάμει Αριστοτέλης φησ'ι, δεύτερον δε ύποκείμενον το ποιόν, 8 κοινώς ή Ιδίως υφίσταται· ύποκείμενον γαρ καί 6 χαλκός καί 6 Σωκράτης τοις έγγινομένοις ή κατηγορουμένοις κατ* αυτών. Bei solcher Gleichsetzung des stoischen ποιόν mit der ουσία qua ύποκείμενον der Akzidentien stellt sich nat rlich vom peripatetisch-platonischen Standpunkte die Frage, wie sich die wesensbestimmenden Qualit ten zu den akzidentellen verhalten, die bei Dexippos a. a. O., 24, 2 ff. angeschnitten wird, indem er (24, 2-4) sagt: δύο τοίνυν υποκειμένων όντων πολλά των έγνινομένων ως προς το πρώτον ύποκείμενον εν ύποκειμένφ δντα ως προς το δεύτερον ουκ ην εν ύποκειμένφ, αλλά μέρη αύτοϋ (n mlich eben dann, wenn es sich um Qualit ten handelt, die das Wesen des stoischen ποιόν = der aristotelischen ουσία ausmachen). Zur Breite des stoischen ποιόν vgl. Rieth, Grundbegriffe, 55—69; Pohlenz, Stoa, II 39 f. zu I 69, Zeile 9.

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ein Genus τι als dessen είδη, wird die stoische Lehre von dorther angegriffen (711,25,15-23). Das anschlie ende Argument (VI i, 25,23-25) wirft den Stoikern vor, nicht eine Einteilung des Seienden selbst gegeben, sondern dessen Prinzipien genannt zu haben. Unter der Voraussetzung, da die Materie das vorrangige Sein ist (vgl. noch VI i, 25, 21-23: έπεί και αυτοί φήσουσι παρά της ύλης, οΐμαι, τοις άλλοις το είναι ύπάρχειν) und da τα οντά die Sinnendinge sind, verh lt sich die Materie als das undifferenziert allem Zugrundeliegende (το ύποκείμενον εν άριθμοΰντες, Zeile 23) zur Pluralit t der οντά wie das Prinzip des Seienden zu dem Seienden selbst. - Auff llig ist dabei freilich, da in der Folgerung αλλ' α ρ χ ά ς των όντων ζητοΰσι die αρχή im Plural erscheint; denn Plotins Argument scheint ja gerade vorauszusetzen, da sich die erste stoische Kategorie ύποκείμενον zur zweiten ποιόν wie die eine αρχή zu den οντά verhalte. Dies kl rt sich im Blick auf Plotins Ausf hrungen ber das stoische ποιόν VI 1,29: Hier geht Plotin ebenfalls von dem Widerspruch zwischen dem πρότερον-υστερον-Verh ltnis der stoischen Kategorien und ihrer gleichrangigen Stellung unter dem Genus τι aus: Insofern das ποιόν als Kategorie neben dem ύποκείμενον und unabh ngig von ihm genannt wird, mu es ein Einfaches sein und darf nichts von der Materie an sich haben, darf also auch nicht f r das σύνθετον aus ΰλη und εΐδος stehen (Zeilen 1-4). Ist das ποιόν jedoch (weil es ja doch das irgendwie beschaffene Seiende meint) ein σύνθετον, dann kann es unm glich als Kategorie n e b e n das ύποκείμενον = ΰλη treten (Zeilen 6-10); und selbstverst ndlich ist auch eine Erkl rung des stoischen ποιόν als πάθη της ουσίας (i. e. της ύλης), wie Plotin sie VI i, 25,25-27 und II 4 [12] i, 6-ii versucht, unzureichend, da bei einer solchen Beziehung die Unterordnung unter ein Genus v llig absurd erscheint47. Wenn aber die ποια (f) ποια, VI 1,29,4) von der ΰλη unabh ngig sein sollen und also mit dem σύνθετον nicht identisch sein d rfen, dann sind sie ασώματα και δραστήρια (29, 5) und nehmen als solche den Platz von είδη ein. Aus dieser platonisch-peripatetischen Sicht vermag nicht nur das stoische ύποκείμενον, sondern auch das stoische ποιόν als αρχή zu gelten; dies wird hier nicht expressis verbis ausgesprochen, l t sich aber aus der Verwendung *7 „Wenn sie nun lediglich die Materie als Seiendes gelten lassen wollen und alle anderen Dinge als Erleidung der Materie bestimmen, dann d rfen sie dem Seienden und den anderen Dingen nicht eine gemeinsame Klasse (γένος) vorordnen, sondern ihre Lehre w re sinnvoller, wenn sie zwischen der Seinsheit (ουσία) und deren Erleidungen (πάθη) unterschieden und diese dann eingeteilt h tten." (VI 1,25, 25-27). - II 4 [12] i, 6-ii ist zitiert oben S. 161, Anm. 45.

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des Terminus δραστήριον erschlie en, da dieser das wirkende der stoischen Prinzipien und damit platonisch-perlpatetisch das είδος bezeichnet *. VI i, 26, i-n greift Plotin die stoische Lehre, die ϋλη sei πρώτη αρχή oder berhaupt αρχή, in der Weise an, da er das Verh ltnis von Materie und qualifiziertem K rper aristotelisch als δυνάμει - ενεργεία-Beziehung hinstellt, die Priorit t des Aktualen vor dem Potentiellen betont und von dort her die Setzung der Materie als πρώτη αρχή widerlegt sieht. - Wegen ihres Prinzipiencharakters darf die Materie ferner nicht, wie die Stoiker es tun, als unqualifizierter K rper erkl rt werden49, da ein K rper (das ist Plotins Argument VI i, 26,17-26) stets aus ύλη und εΐδος zusammengesetzt, ein Prinzip dagegen per definitionem einfach ist. Es mu also die Materie als Einfaches unterschieden sein von der Vielheit der Bestimmungen, die einen K rper ausmachen. Nicht nur die Dreidimensionalit t (als solche ohnehin blo Bestimmung des mathematischen K rpers), sondern auch die Festigkeit (άντιτυπία, Widerst ndigkeit50), damit aber eine qualitative Bestimmtheit, machen den K rper aus und entheben ihn der f r ein Prinzip unabdingbaren Einfachheit. (4) Bezeichnend f r Plotins Polemik gegen die Stoa ist es, wie er sich peripatetischer Argumente bedient und so den ersten Schritt mit dem Peripatos zusammen tut, schlie lich aber die in diesen Argumenten auftauchenden Begriffe platonisch bewertet: So ist der Vorwurf: ου τα οντά έξαριθμοΰνται, αλλ' αρχάς των όντων ζητοΰσι (VI 1,25,23/24) als solcher nur sinnvoll, wenn es als Ziel der Kategorienlehre angesehen wird, eine blo e Einteilung des Seienden nach Klassen zu geben, die Frage nach den Prinzipien des Seienden aber von der Frage nach der Art und Weise seiner Einteilung zu trennen. Dieses Argument steht au erhalb des Horizontes, der mit der Bestimmung der Form des wahren Seins als γένη άμα και άρχαί, mit der pointierten Wertung jeder diskursiven Klassifizierung als κατηγορίαι und endlich mit der Einsch tzung des Sinnendinges als συμφόρησις ποιοτήτων και ύλης gegeben ist. Als peripatetisch sind zun chst auch die erw hnte Abwertung des ύποκείμενον als ΰλη, die Aufwertung des ποιόν als είδος mit Hilfe der δυνάμει-ένεργείαRelation (VI 1,26, i-n) und die Argumente anzusehen, die von der notwendigen Einfachheit dieser vermeintlichen Prinzipien ausgehen. « Vgl. Philon De op. mund. 8; I 2,18 Wendland = SVF II 302. 49 Vgl. Alex. Aphrod. De mixt. 224,32 f. Bruns = SVF II 310; Aetius Plac. 1,9, 7 = SVF II 325: l Στωΐκοί σώμα την ί$λην αποφαίνονται, so [Galen]1 De qu l, incorp. 10; XIX 483 K hn = SVF II 381: του σώματος τοΰτον δρον elval φασιν, το τριχη διαστατόν μετ* άντιτυπίας.

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Aber Plotin bringt die Dinge dann doch, wo m glich, mit platonischer Akzentuierung: Da Gr e, Qualit t und berhaupt alle positiven Bestimmungen von der Materie zu unterscheiden sind (dazu war eben VI 1,26, 17-26 zitiert worden), mu die Materie als ein αμορφον, παθητόν, ζωής αμορον, άνόητον, σκοτεινόν, αόριστον beschrieben, also mit Attributen belegt werden, die nicht nur den ουσία-Charakter, sondern auch den αρχήCharakter ausschlie en und sie so als platonisches μη δν erweisen (VI i, 27, 2/3)51. - Umgekehrt wird das stoische ποιόν, einmal als είδος verstanden, dann auch ganz entschieden als sichtbare Form transzendenter Wirksamkeit gewertet; d.h. von ihm das Verhalten eines platonischen είδος gefordert und angesichts der Nichterf llung dieser Forderung gegen die Stoa argumentiert: Das zeigt sich in den Formulierungen VI i, 29,10-14, die das oben zitierte Argument erweitern, als ein Einfaches k nne das ποιόν kein σύνθετον, sondern m sse das είδος bezeichnen: „Und sehen sie in den Wiebeschaffenen eine wiebeschaffene Materie" (nehmen also die ποια nicht fj ποια), „dann sind erstlich die Formkr fte f r sie in die Materie gebunden (οι λόγοι ... ενυλοι), sie verursachen nicht erst bei ihrem Eintritt in die Materie ein Zusammengesetztes" (wie es die plotinischen λόγοι tun), „sondern sie m ssen schon vor dem Zuammengesetzten, das sie verursachen, aus Materie und Gestalt zusammengesetzt sein; dann k nnen sie folglich nicht Gestalten (είδη) und formende Kr fte (λόγοι) sein", (was die ποια aber und das ist das Platonische im aristotelischen Argument - nach Plotins Meinung sind). Diese Identifizierung des υποκείμενον mit der ύλη, des ποιόν mit dem εΐδος und ihre platonische Bewertung machen deutlich, warum Plotin VI i, 25, i-io ohne weiteres von der Vierzahl der Kategorien zu den Paaren ασώματα — σώματα (Zeile 7) und δν-μή δν (Zeilen 9/10) bergehen und von dorther polemisieren kann52. 51

52

Vgl. Hermodor bei Simplikios In Arist. phys. 248,13-15 D.: δστε δστατον καΐ δμορφον και απειρον και ουκ δν το τοιούτον (sc. την ΰλην) λέγεσθαι χατά άπόφασιν του οντος. τφ τοιούτφ δε ου προσήκειν οίτε αρχής οΰτε ουσίας, αλλ* εν ακρισία τινί φέρεσθαι. Diese Parallele zeigt, da die platonisdie Zweiprinzipienlehre axiologisch zum Monismus tendiert. Vgl. oben 8.41. Πώς Ιχον und προς τί πως ε*χον machen vom Standpunkte dieser Polemik den Bereich der aristotelischen Akzidentien aus, sind dann aber in der Weise kritisierbar, da einmal das Verh ltnis von ποιόν und πώς Ι"χον und damit der Untersdiied zwischen wesentlicher und akzidenteller Beschaffenheit nicht pr zise festgelegt scheint (vgl. Plotin VI 1,30,1-9 und oben S. 161, Anm. 46 zu Dexippos In Arist. cat. 24,2 f. B.), da zum anderen die mit πώς ε*χον angesprochenen Seinsverhaltnisse allzu undifferenziert wiedergegeben scheinen (Plotin VI i, 30,9-21). - Da andererseits die stoische Kategorieneinteilung auf die Darbietung der aristotelischen

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(5) Anzumerken bleibt dieses: Das Verst ndnis plotinischer Stoa-Polemik wird nicht nur dadurch erschwert, da man durch ihre peripatetischplatonische Form hindurch nach dem Sinn der stoischen Kategorienlehre zu fragen hat, sondern bereits schon dadurch, da Plotin die Ankn pfung an das aristotelische είδος-υλη-συναμφότερον-Schema und die platonische Bewertung dieser Denkformen hier ohne Schwierigkeiten gelingt, wiewohl doch die vorhergehende Aristoteles-Kritik und die in VI 3 anschlie ende eigene Kategorienlehre des Sinnh'di-Wahrnehmbaren auf eine Destruktion der als συναμφότερον aus είδος und ΰλη verstandenen ουσία αισθητή ausgehen. Dieses Nebeneinander von Aristoteles-Rezeption und Aristoteles-Kritik ist - wie sich noch deutlicher erweisen soll - die Grundform der plotinischen Aristoteles-Begegnung. Die im Mittelplatonismus sichtbare Trennung von είδος ενυλον und είδος χωριστόν, die Rede von der „Teilhabe" des einen am anderen, erm glichen es Plotin genauso wie den aristotelesfreundlichen Neuplatonikern, mit den aristotelischen Begriffen εΐδος-ΰλη-σύνολον, ούσίασυμβεβηκότα, δύναμις-ένέργεια zu operieren. Immer auch verm gen die Platoniker zusammen mit den Peripatetikern gegen die stoische Pr valenz des Materiellen zu argumentieren, da die von den Peripatetikern ins Spiel gebrachte Vorrangigkeit des Unk rperlichen (die in ihrem Ursprung bei Aristoteles ohnehin platonisch ist) von den Platonikern bernommen und noch konsequenter ausgewertet werden kann. Vor diesem Hintergrund ist der Hauptteil der plotinischen Polemik gegen die Stoa (also VI r, 25,12 fi.) zu sehen. Dieser Teil bleibt also, da die aristotelischen Begriffe zwar platonisch gewertet, ansonsten aber aus der platonischen Akzentuierung von ΰλη und είδος keine Konsequenzen f r das Verst ndnis dieser Begriffe selbst gezogen werden, auf einem anderen Reflexionsniveau als die Aristoteles-Kritik in Kategorien so gewirkt hat, da zwischen tats chlich a m Seienden Befindlichem und blo bezeichenbaren Relationen z w i s c h e n Seienden unterschieden wird (vgl. Dexippos In Arist. cat. 23,30 B.: έγγινόμενα und κατηγορούμενα; entsprechend Plotin VI 3, 3, 3/4: τα μεν κατηγορούμενα μόνον, τα δε καΐ συμβεβηκότα mit weiterer Unterteilung der συμβεβηκότα, dazu TH-B IV b, 483 f.), ist eine andere Frage: Die Ansicht des Aristoteles selbst, da im Ausgesagtsein der Akzidentien von der ουσία deren Seinsweise sich zeige, weicht hier einem mehr ph nomenologischen Verfahren, die Form akzidentellen Seins grunds tzlich zu bestimmen. Dies gilt sowohl f r Dexippos (als aristotelesfreundlichen Kommentator) als auch f r Plotin. Aber: F r Plotin ist diese Einteilung nur ein Durchgang zu den wahren Verh ltnissen, zu der ουσία αίσφητή als οημφόρησις ποιοτήτων, deren Aufdeckung sich bewu t mit einer Zur ckweisung des Diskursiv-Sprachlichen (also des Seinsvergewisserungs-Bereiches des Aristoteles) verbindet.

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Plotins platonischer Ansatz der Aristoteleskritik

den vorangehenden Kapiteln und die eigene Kategorienlehre des SinnlichWahrnehmbaren: W hrend Plotin Aristoteles gegen ber und sidi selbst nach den Bedingungen fragt, die es erm glichen, da trotz des transitorisdien Charakters der Sinnenwelt den Sinnen Gestalthaftes erscheint, und er damit das Verh ltnis von είδος und ΰλη als „Teilen" der ουσία αισθητή und so deren Gesamtkonstitution, insofern sich diese in der Unterscheidung zwischen wesentlicher und akzidenteller Beschaffenheit ausdr ckt, in Frage stellt, wird hier gegen die Stoa vom ΰλη-εΐδος-Schema aus polemisiert, ohne hinter es mit letzter platonischer Konsequenz zur ckzutragen. Die einleitende Ablehnung des τι als eines obersten Genus (VI 1,25, 6-i o) hat dagegen einen etwas anderen Charakter, da hier die platonische Wertung entscheidend f r das Argument selbst ist. Zwar mu auch vom Standpunkt des Peripatos das τι als Genus abgelehnt werden: Alex. Aphrod. In Arist. top. 301, 19-25 W. (= SVF II 329) weist das τι als Genus ber δν und μη ον zur ck, weil aristotelisch ov und τι zusammenfallen; er erl utert, die Stoiker seien deshalb abweichend verfahren, weil f r sie Sein und K rper, d. h. aber auch Nichtsein und Unk rperliches, identisch seien, und zeigt so unausgesprochen, da f r ihn K rperliches und Unk rperliches gleicherma en als Sein und als „Etwas" gelten. Er setzt aber, wie sich zeigen wird H, rein formal das Sein (die ουσία) als Genus f r K rperliches und Unk rperliches an, macht diese beiden Formen von Sein also zu Gliedern einer Antidihairesis und begeht dadurch den Fehler, den Plotin gerade bek mpft.

53 Vgl. unten S. 188 ff.

Kapitel IV Die Trennung von Seinsaussage und Seinsbegr ndung als Voraussetzung f r die Annerkennung der aristotelischen Kategorien durch die Platoniker j. Die stoischen Kategorien als Hinsichten auf das K rperliche a) Die ουσία als K rper (i) Wenn man, wie eben gesdiehen, Plotins Einw nde gegen das Verst ndnis der ουσία αισθητή und der ουσία νοητή als Species eines Genus, seinen Vorwurf, die Peripatetiker handelten nur ber die ουσία αισθητή, und sdilie lich seine Aporetik hinsiditlidi der Art der Gemeinsamkeit von είδος, ύλη und συναμφότερον dahingehend interpretiert, da Plotin sich der Begr ndungsproblematik der ουσία αισθητή bewu t gewesen sei, so l uft man nat rlich Gefahr, Plotin ein Bewu tsein f r die Schwierigkeiten der aristotelischen ουσία-Konzeption zuzuschreiben, wie sie sich uns bei der Aristoteles-Interpretation gezeigt haben, und so vom Extrem der Abwertung Plotins als Ontologen ins andere Extrem zu verfallen, n mlich seine M glichkeiten des Aristoteles-Verst ndnisses berzubewerten. Die Schwierigkeit der aristotelischen ουσία-Konzeption liegt unserer Auffassung nach darin, da Aristoteles in Gestalt der Kategorienlehre dem diskursiven Denken die Begr ndung des Seins abverlangt, dabei jedoch nicht umhin kann, auf au erdiskursive Formen der Seinsbegr ndung, sei es auf das einzelne Seiende in seiner konkreten Gegebenheit, sei es auf das noetische Innewerden der ουσία, zu rekurrieren. Genausowenig l t sich der Grundgedanke der aristotelischen Bewegungslehre, nach dem jedes von Natur Seiende in der Bewegung seine ihm eigent mliche Form und damit sich selbst verwirklicht (φύσις οδός εις φύσιν), und die damit wesentlich verbundene Akt-Potenz-Lehre auf diskursiv nachvollziehbare Voraussetzungen reduzieren.

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Die Trennung von Seinsaussage und Seinsbegr ndung

Der Rahmen der M glichkeit plotinischen Aristoteles-Verst ndnisses ist mit dem Namen des Alexander von Aphrodisias bezeichnet: Da in einigen (allerdings zentralen) Lehrst cken die Aristoteles-Interpretation Alexanders als wesentlich f r das Aristoteles-Verst ndnis der Neuplatoniker erwiesen werden konntel, darf gefragt werden, ob auch die Kritik der aristotelischen Kategorienlehre durch Plotin und umgekehrt ihre Anerkennung und Verteidigung durch Porphyries und seine Nachfolger von der Form bestimmt sein k nnte, in der sich die aristotelische Lehre bei Alexander darbietet. Die Frage kann so mit „ja" beantwortet werden, da Alexander der in der aristotelischen ουσία-Konzeption liegenden Spannung zwischen eidetischer und k rperlicher Sicherung zugunsten des K rperlichen nachgibt und ihm dabei unter der Hand das Begriffssystem der aristotelischen Metaphysik sich zu einem Ger st von Termini formalisiert, die das k rperliche Seiende nachtr glich unter verschiedenen Aspekten ansprechen, es aber nicht begr nden wollen. Diese Form des Aristotelismus ist vom Standpunkte der platonischen Metaphysik leichter zu widerlegen, wenn seine Aussagen dennoch als solche der Metaphysik ernst genommen werden, ist hingegen leichter zu akzeptieren, wenn die aristotelischen Begriffe unabh ngig von ihrer metaphysischen Relevanz als philosophisches Instrumentarium benutzt werden. (2) Die Art und Weise, in der in der aristotelischen ουσία einerseits die Identit t von Sein und Denken im Anschlu an Platon angestrebt, in der andererseits auf die sinnliche Gegebenheit des Einzelnen eingegangen wird, l t sich mit dem Versuch vergleichen, das Gleichgewicht zwischen zwei Waagschalen zu erreichen, deren eine die ουσία als νοητόν, deren andere die ουσία als αίσθητόν zu tragen bestimmt ist: Dieses Gleichgewicht erweist sich jedoch als labil, da jeweils, wenn das volle Gewicht auf die eine Waagschale niedergesetzt wird, die andere im Hochschnellen ihr Gewicht v llig abzuwerfen droht. Da Aristoteles das platonische ουσία-Denken abwehrt, schl gt die Waage (nachdem sie - jedenfalls gem der aristotelischen Platon-Deutung — den entgegengesetzten Ausschlag gl cklich verlassen hat) zur anderen Seite um. Die in der aristotelischen ουσία liegende Spannung zwischen dem im λόγος sich zeigenden Allgemeinen und dem den Sinnen sichtbaren Besonderen l st sich so auf, da prim r das einzelne Seiende in seiner K rperlichkeit als ουσία angesehen wird. In der Stoa zeigt sich die u erste Konsequenz dieses Ausschiagens zur l Vgl. Henry, Entretiens V: Plotin, 427-444; Hager, AGPh 46, 1964, 174-187; Rist, AGPh 48, 1966, 82-90; Blumenthal, AGPh 50, 1968, 254-261.

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Seite der K rperlichkeit: ουσία und K rper werden identifiziert2 und sogar die Form ihres sinnlich wahrnehmbaren Erscheinens, die Qualit ten, als k rperlich angesehen3. Im folgenden soll nun dieser auf den ersten Blick grobe Materialismus der Stoa von der Kategorienlehre dieser Schule her angesehen und so versucht werden, zu einer richtigen Einsch tzung letzterer zu gelangen: Die stoischen Kategorien lassen sich als Anschauungsweisen des K rperlichen verstehen, so da ύποκείμενον, ποιόν, πώς έχον, προς τί πως έχον nur verschiedene Hinsichten auf dasselbe sind4. Die Lehre von der K rperlichkeit der Qualit ten besagt dann - unabh ngig von der physikalischen Erkl rung der Qualit ten als πνεύματα und τόνοι άερώδεις5 - dieses (und dies nachzuweisen ist das Ziel der folgenden Ausf hrungen ber die Stoa)6, da der K rper unter dem Aspekt seiner Qualifiziertheit angesehen wird und so das Sein der Qualit ten als k rperlich zu gelten hat. Insofern diese selben Qualit ten jedoch vom K rper ausgesagt (als λεκτά) oder als Allgemeinbegriffe (als έννοήματα), unabh ngig von der Art und Weise ihres Seins als K rper, genommen werden, sind sie unk rperlich und nichtseiend. - Λεκτά und έννοήματα sind dadurch unterschieden, da erstere als Ausgesagte immer auf ein bestimmtes Seiendes bezogen und so selbst bestimmt (d.h. ein „Etwas" = τι) sind w hrend letztere als nicht auf Einzelnes gehende Allgemeinbegriffe als οΰτινα („Nicht-Etwas") zu gelten haben. Da nun λεκτά (ferner κενόν, χρόνος, τόπος als die weiteren stoischen ασώματα) und das k rperliche Seiende, von dem sie ausgesagt werden, durch ihr „Etwas"2

Plotin VI 1,28,6/7 (SVF II 319): τα γαρ σώματα νομίσαντες είναι τα οντά; II 4 [Ι21 ι>7 (SVF II 32Ο): οΐ σώματα μόνον τα οντά είναι θέμενοι; Plut. De comm. not. 30,1073 e (SVF II 525): οντά γαρ μόνα τα σώματα καλοϋσιν; Clem. Alex. Strom. 2, ι^, ι (SVF II 359): ταύτόν σώμα καΐ ούσίαν οριζόμενοι (= Plat. Sophist. 246 b ι); Alex. Aphrod. In Arist. top. 301, 22 W. (SVF II 329): το δν κατά σωμάτων μόνων λέγεσθαι. 3 Simpl. In Arist. cat. 271, 20-22 K. (SVF II 383): αλλ* ουδέ ή των Στωΐκών δόξα λεγόντων σώματα είναι και τα σχήματα, ωσπερ καΐ τα αλλά ποια, συμφωνεί τη Αριστοτέλους δόξη περί σχημάτων. 4 Am weitesten geht de Lacy, TAPhA 76, 1945, mit der Deutung der stoischen Kategorien als „principles of procedure of the systematic investigation or analysis of various philosophical problems" (247), n mlich in allen Teilgebieten der Philosophie: Physik, Ethik, Logik. Sie sind deshalb „methodological principles" (263). Vgl. auch Goldschmidt, Le Systeme stoicien, 19 f.: „La theorie stoicienne, bien qu'elle rentre, non pas dans la logique, mais dans la physique, n'entreprend pas une genese ontologique, mais une analyse de plus en plus precise des propriltes qui constituent et qui manifestent l'etre concret." Zur Problematik der richtigen Einsch tzung der stoischen Kategorien Rieth, Grundbegriffe, 190/191. 5 Plut. Stoic, repugn. 43, 1054 a (SVF II 449), dazu unten S. 180. 6 Die Belege f r den folgenden Umri am Orte der Durchf hrung.

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Die Trennung von Seinsaussage und Seinsbegr ndung

Sein zusammengeh ren (Leeres, Zeit und Raum k nnen als τινά angesehen werden, insofern sie sich nur in Relation zu Seiendem qua K rperlichem begreifen lassen7), da jedoch das Ausgesagte, Leeres, Zeit und Raum im Unterschied zum K rperlichen, durch das sie sich bestimmt finden, unk rperlich sind, stellt sich hier das τι als umfassende Kategorie ber K rperlichem und Unk rperlichem vor und kann dann vom platonisch-peripatetischen Standpunkt (ohne R cksicht auf den unterschiedlichen Umfang und die andere Bedeutung des Unk rperlichen) als oberstes Genus ber K rperlichem und Unk rperlichem verstanden und kritisiert werden. (3) Die dihairetische Darstellung von ουσία νοητή (ασώματα) und ουσία αισθητή (σώματα) ist jedoch nicht in dem stoischen, sondern in einem Denken wie dem des Alexander von Aphrodisias angelegt, der de facto das Sein mit dem K rper identifiziert, weiterhin aber mit Aristoteles (ohne eigentlich den philosophischen Gedanken der δυνάμει-ένεργεία-Relation oder die seinsentdeckende Kraft des Sprachlichen nachzuvollziehen) das Seiende sowohl in seiner K rperlichkeit als auch in seiner Gestalthaftigkeit als ουσία nimmt und so ουσία gleichsam als Genus ber K rperliches und Unk rperliches zu setzen vermag, ohne da dieses Genus irgendeine metaphysische Realit t darstellt. Dabei m gen (was gerade an den Abweichungen in den uns erhaltenen Darstellungen der stoischen Seinseinteilung gezeigt werden kann) die Geltung des stoischen τι ber σώματα und ασώματα und die Interpretation der verschiedenen ούσίαι als Species eines Genus sich gegenseitig dahingehend beeinflu t haben, da einerseits durch das Medium der platonisch-peripatetischen berlieferung das stoische τι rein formal wie das Genus einer Dihairesis in die Species σώματα und ασώματα erscheint (ein solches Bild der stoischen Kategorien setzt Plotin bei seiner Kritik voraus), da andererseits durch den Bezug auf das stoische τι die Setzung eines Genus ber σώματα und ασώματα gegen ber Einw nden verteidigt werden konnte, die 7

Dies ist, wenn wir richtig sehen, der Grundgedanke der Anm. 4 zitierten Arbeit von Goldschmidt, dessen Beurteilung der stoischen Kategorienlehre im allgemeinen mit der hier vorgelegten bereinstimmt, ohne da die Arbeit im besonderen ausgewertet worden w re (so ist von den ασώματα im folgenden immer nur das λεκτόν in den Blick genommen). „Prises en soi, les manieres d' £tre manquent de toute rlalite* corporelle; rattachees a l'agent (zum stoischen δραστήριον vgl. oben S. 163 mit Anm. 48 und unten S. 180/181) et replace"es dans le courant qui e*mane de s rlalite* profonde, elles prennent corps et deviennent corps. - Semblable mouvement de prise d'existence, peut-on radmettre Igalement en faveur des iacorporels et, en particulier, du temps?" (a. a. O., 25). G.'s Antwort ist „ja".

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mit dem Hinweis auf das πρότερον-ΰστερον-Verh ltnis von ουσία νοητή und ουσία αισθητή die Annahme eines gemeinsamen Genus ablehnten (Severus). Das Verh ltnis von K rperlichem und Unk rperlichem kann nur solange ohne Schwierigkeiten als Dihairesis aus dem Genus ουσία gedacht werden, als die in solcher Dihairesis stehenden ασώματα nicht in einen Begr ndungszusammenhang mit der sinnlichen Erscheinung der σώματα gebracht werden, sei es, da die ασώματα nur als έπίνοια zum K rper als der eigentlichen ουσία genommen werden (Alexander von Aphrodisias), sei es, da die SeinsBegr ndung f r die ουσία αίσθητή von einer ουσία νοητή (einem άσώματον) ausgeht, die von einem άσώματον unterschieden ist, das als στέρησις rein formal dem σώμα als είδος ενυλον entgegengesetzt ist (Porphyries und der aristotelesfreundliche Neuplatonismus). Sobald entweder aus konsequent platonischer Position die Erscheinung von der geistigen Form als abh ngig gedacht und dieses Verh ltnis zuende reflektiert wird (Plotin) oder - umgekehrt - aus einer materialistischen Position die Abh ngigkeit des Sprach- und Denkinhaltes vom k rperlichen Sein konsequent ber cksichtigt wird (Stoa), dann hat das Verst ndnis von ουσία νοητή und ουσία αισθητή als Gliedern einer Dihairesis keinen Raum. b) Der K rper als Seinsgrund m glicher Aussagen ber ihn (i) Die stoischen Lehrmeinungen οποίον σώμα ή ύλη (Plot. II 4 [*2] ι, 13/14 = SVF II 32°) und σώματα είναι τα σχήματα, ώσπερ και τα αλλά ποια (Simpl. In Arist. cat. 271, 21 Κ. = SVF II 383) enthalten vom platonisch-peripatetischen Standpunkt (in dessen Terminologie sie gebracht sind) jeweils eine Contradictio in adiecto und scheinen zudem noch einander zu widersprechen, da einmal K rper und Qualit tslosigkeit zusammengestellt, zum anderen die Qualit ten als K rper erkl rt werden. Vom platonisch-peripatetischen Standpunkte schlie en K rperlichkeit und Unqualifiziertheit einander aus, da jeder K rper immer schon eine qualifizierte Bestimmtheit besitzt, Unqualifiziertheit hingegen in der nicht auf einen k rperlichen Umri festgelegten Potentialit t (aristotelisch) oder in dem nach Geformtheit strebenden Nichtsein (platonisch) gegeben ist (vgl. Plot. VI, i, 26,17-20). Umgekehrt sind aber deshalb, weil sie stets zusammen auftreten, K rperlichkeit und Qualifiziertheit f r den Platoniker und f r den Peripatetiker nicht identisch, da ja die Beschaffenheit des K rpers immer nur der sinnliche Ausdruck seines είδος ist und die Qualifiziertheit selbst (wie verschieden das beim Peripatos, bei den aristotelesfreundlichen Pla-

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tonikern und bei Plotin auch bewertet und dar ber reflektiert werden mag) als unk rperlich angesehen wird. Nun findet sich neben der Kategorienreihe υποκείμενα, ποια, πώς έχοντα, προς τί πως έχοντα (Plot. VI ι, 2^, 2/3 = SVF II 371 und Simpl. In Arist. cat. 67, i/2 = SVF II 369) die Reihe καθ3 αυτά, κατά διαφοράν, προς τι, προς τί πως έχοντα (Simpl. In Arist. cat. 165, 32 ff. = SVF II 403), die deutlich macht, da mit der ersten Kategorie das Seiende im Hinblick auf es selbst, da mit der zweiten Kategorie das Seiende im Hinblick auf seine Beschaffenheit und damit Unterschiedenheit von den anderen Seienden gemeint ist. Das Zeugnis f hrt 166, 3-5 fort: . . . τοις μεν γαρ καθ' αυτά συνυπάρχει τα κατά διαφοράν και γαρ καθ' αυτά οντά διαφοράς έχει τινάς, ... Damit ist nichts anderes als die auch f r Platoniker und Peripatetiker geltende Einsicht ausgesprochen, das K rperliches nur als Qualifiziertes sein kann. Wenn die Stoiker dennoch in ihrer Kategorienlehre das blo K rperliche und das blo e Gegebensein von dem Qualifiziertsein trennen, so bedeutet das nichts anderes, als da die Kategorien nur Aspekte bezeichnen, unter denen das Sein, d. h. der K rper, angeschaut wird: Das stoische ύποκείμενον bezeichnet so den K rper als einen solchen gesehen, das ποιόν den K rper in seiner bestimmten Gestalthaftigkeit usw., ohne da „Sein" f r etwas anderes als f r den K rper in Anspruch genommen werden m te. Demgegen ber weist die kritische Interpretation der stoischen ersten Kategorie als „unqualifizierter K rper", der Qualit ten als „K rper" darauf hin, da vom platonisch-peripatetischen Standpunkt an die Kategorien ein (de facto wie auch immer verw sserter) Seinsanspruch gestellt wird. (2) Man wird nun den Terminus καθ' αυτά zun chst im Bereiche der platonischen und aristotelischen Philosophie suchen8 und mit ihm die ουσία bezeichnet finden, und zwar in dem von dem einzelnen Philosophen jeweils vertretenen Sinne. Entsprechend meint das αυτό καθ' αυτό bei Platon eindeutig die Idee, w hrend bei Aristoteles in das καθ' αυτό die Ambivalenz des ουσία-Begriffes eingeht, wobei jedoch der eidetische Aspekt den Vorrang hat9. F r den Gang der Entwicklung ist es bezeichnend, da eben der Ausdruck, der vormals die Idee ansprach, jetzt das einzelne Seiende in seiner blo en Gegebenheit (d. h. aber in seiner K rperlichkeit) bezeichnet10. 8

Vgl. Plat. Phaed. 78 d 5/6 ...: Ικαστον δ Ιστι, μονοειδές δν αυτό κα&* αυτό, ωσαύτως κατά ταύτα έχει. Arist. Metaph. K 8, 1065 b 2: ούθέν κατά συμβεβηκός πρότερον των καθ' αυτό. 9 Arist. Metaph. Δ ι8, 1022 a 17-20: το μεν οίν πρώτως λεγόμενον καθ* 8 το είδος εστί, δευτέρως δε ως ή ίίλη εκάστου καΐ το ύποκείμενον έκάστφ πρώτον. ίο Theiler, Isonomia, 90. vermutet, da die zuerst von Wilpert, Hermes 76, 1941,

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Nodi auf ein weiteres ist in diesem Zusammenhang hinzuweisen: Die Unterscheidung zwischen den stoischen Kategorien καθ' αυτά (υποκείμενα) und κατά διαφοράν (ποια), in einer fr heren Form τι und ποιόν (Stobaios Eel. I 136, 2i ff. W. und Diog. Laert. 7, 61 = SVF I 6^ Zenon) u, entspricht vielleicht genetisch der aristotelischen Unterscheidung zwischen καθ' αυτό (= τι als τί ην εϊναι) und ποιόν, ist aber im Gegensatze zu dieser unproblematisch, weil in der Stoa das Sein eindeutig als K rper definiert ist und die Auffassung des Seins „an sich" oder „als qualifiziertes" nur Hinsichten bilden, die als solche rein m glich sind, wie vielf ltig qualifiziert sich auch der einzelne K rper zeigt. Bei Aristoteles dagegen besteht eben das Problem darin, da in dem „an sich" die Seinswirklichkeit des einzelnen Seienden samt seiner wesentlichen Beschaffenheit angesprochen ist, w hrend mit dem ποιόν (und den anderen Kategorien) die akzidentellen Beschaffenheiten ausgegrenzt werden, so da nach dem Seinsgrund f r diese Unterscheidung innerhalb der Beschaffenheiten gefragt werden mu . Die Entwicklung ist augenscheinlich den Weg von den platonischen Prinzipien ε'ν(δν) - αόριστος δυάς (τιθήνη) (die sich als „Struktur-Prinzipien" verstehen lassen) ber die aristotelische Prinzipienspannung im Einzelnen als ουσία (wo die Prinzipien είδος und ΰλη teils strukturelle Allgemeinheit - als Einheitlichkeit des Eidetischen, als Potentialit t -, teils anschauliche Bestimmtheit - als diese Form, dieses Zugrundeliegende - beinhalten) dahin gegangen, da είδος und ύλη zu blo en έπ'ινοιαι zu der Gegebenheit des einzelnen Seienden wurden; das hinderte dann nicht, weiterhin (jetzt aber in v llig spannungsloser Erstarrung) im εΐδος die besondere Beschaffenheit, in der ΰλη die undifferenzierte Materialit t bezeichnet zu sehen. Eine solche Position finden wir Areius Did. Fr. phys. 20 (Dox. Gr. 458, 8-i i Diels) f r Poseidonios bezeugt: εφησε δε ή Ποσειδώνιος την των όλων ούσίαν και ΰλην αποιον και αμορφον είναι, καθ' όσον ουδέν άποτεταγμένου ίδιον έχει σχήμα ουδέ ποιότητα καθ' αυτήν αεί δ' εν τινι σχήματι και ποιότητι είναι, διαφέρειν δε την ούσίαν της ύλης την ουσαν κατά την ύπό-

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22$£Ε. f r Platons (Alters-)Vorlesung „ ber das Gute" in Ansprudi genommene Stelle Sextus Empiricus Adv. math. 10,263: των γαρ δντων, φασί, τα μεν κατά διαφοράν νοείται, τα δε κατ' έναντίωσιν, τα δε προς τι. κατά διαφοράν μεν οδν είναι τα καθ' έαυτά καΐ κατ' Ιδίαν περινραφήν υποκείμενα, οίον ανθρωπος, ίππος ... die platonische Lehre (vgl. Simpl. In Arist. phys. 247,30 ff. D. und Alex. Aphrod. In Arist. metaph. ^6,13-18 H.) durch stoische Terminologie „modernisiere" . Wie dem auch sei (Theilers Interpretation der Terminologie als stoisch kommt uns entgegen) - es ist der unterschiedliche ontologische Rang des καθ' αυτό bei Platon und in der Stoa zu beachten. Zu dieser Stelle vgl. unten S. 179.

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Die Trennung von Seinsaussage und Seinsbegr ndung

στασιν έ π ι ν ο ί α μόνον. Auch Alexander von Aphrodisias gelangt, wie wir sehen werden, dazu, Form und Materie nur als gedankliche Abstraktion vom einzelnen Seienden anzusehen. An. mant. 121, 32/33 B. hei t es: ουδέ ή ΰλη ποτέ αύτη καθ5 αυτήν ουδέ το είδος οντά ίδιο; συνελθόντα σώμα ποιεί, άλλα ε π ι ν ο ί g ... ταΰτα χωρίζεται. Dies folgt ganz nat rlich aus einer solchen Interpretation aristotelischen Denkens, welche nicht mehr die Spannung zwischen ΰλη und είδος am Einzelnen im Rahmen der Bewegungslehre ber cksichtigt, das aristotelische λόγω ζητεΐν isoliert und so zum blo en Nach-Denken des Gegebenen macht. W hrend bei solcher Formalisierung des aristotelischen Denkens die Form weiterhin als ουσία eingestuft und entsprechend auch die Unkb'rperlichkeit der Qualit ten gelehrt wird, geht die Stoa den Schritt zum K rper als alleiniger ουσία zuende, indem sie die Kategorien eindeutig als verschiedene Weisen, den K rper anzuschauen, hinstellt. (3) Die Annahme von ασώματοι ποιότητες, die wir Simpl. In Arist. cat. 209, 2/3 (SVF II 388) und eben dort 217, 32/33 (SVF II 389) f r die Stoa bezeugt finden, spricht nicht gegen die vorgetragene Deutung des Verh ltnisses der Kategorien zu den K rpern, sondern best tigt sie und fuhrt weiter. Die zweite Stelle (217,32-36) lautet in der bersetzung: „Die Stoiker behaupten, die Qualit ten der K rper seien k rperlich, die des Unk rperlichen unk rperlich. Sie kommen aber zu diesem Irrtum, (i.) weil sie meinen, die Ursachen seien wesensgleich mit dem, was von ihnen her (d. h. durch die Wirkung dieser Ursachen) zur Vollendung komme, und (2.) weil sie einen gemeinsamen Begriff von Ursache f r das K rperliche und das Unk rperliche zugrunde legen" u. W hrend Simplikios vom peripatetisch-platonisdhen Standpunkt f r das Verh ltnis von Qualit t und qualifiziertem K rper die ontologische Unterschiedenheit von Grund und Begr ndetem voraussetzen mu , k nnen die Stoiker, da die Qualit ten kein selbst ndiges Sein haben, sondern der Ausdruck des Soseins dessen sind, an dem sie sich finden (also nur als K rper s i n d ) , analog auch von Qualit ten von ασώματα reden; sie setzen ja keine neuen Enth ten, sondern bilden nur neue W rter, die als AllgemeinbegrifEe aus der am Besonderen vorgefundenen Eigenschaft hergeleitet werden. Welche Gedankenschritte zu solcher L sung fuhren, vermag vielleicht 12 Simpl. In Arist. cat. 217,32-36 K.: οί δε Στωϊκοί των μεν σωμάτων σωματνκάς, των δε ασωμάτων ασωμάτους είναι λέγουσιν τάς ποιότητας, σφάλλονται δε από του ήγεΐσθαι τα αίτια τοις άποτελουμένοις αφ' εαυτών ομοούσια είναι καΐ από του κοινόν λόγον της αΙτίας επί τε των σωμάτων καΐ επί των ασωμάτων ύποτίθεσθαι.

Stoa Simpl. In Arist. cat. 216,12-24 K. zu erhellen: Dort wird zun chst ber Dikaiarch von Messene, Theopomp und die Anh nger der Schule von Eretria berichtet, sie h tten die Qualit ten qua Allgemeinbegriffe der Eigenschaften, die sich an dem Qualifizierten finden (also die Wei heit des Wei en usw.), weder als k rperlich noch als unk rperlich angesehen, sondern sie als ψιλαί εννοιαι (216, 18) gewertet. 216,19-24 hei t es dann: „ja nicht einmal, wenn welche die Lehre einf hren, da die Qualit ten von der blichen Form der Aussage her gleicherma en bei Seiendem und Nichtseiendem und den gemeinsamen Eigenschaften von K rperlichem und Unk rperlichem entsprechend ihren Namen erhalten (wie zum Beispiel vom „Mit Dachziegeln-Versehen-Sein" die „Bedachtheit" und vom „AngeglichenSein" die „Gleichheit" und vom „Vorhandensein des K rpers" die „K rperlichkeit"), stellen sie die Qualit ten in rechter Weise dar" 13. Die in dem Zitat Gemeinten werden nun nicht ausdr cklich als Stoiker bezeichnet; doch gelten auch den Stoikern die Allgemeinbegriffe (wie dies f r die im Zitat genannten Philosophen aus den vorangehenden Angaben ber Dikaiarch und Theopomp folgt) als blo e Vorstellungen (έννοήματα)14, au erdem verbindet sich das hier Vorgetragene mit dem, was in der oben zitierten Stelle Simpl. In Arist. cat. 217,32-36 K. (SVF II 389) ber die stoische Lehre mitgeteilt ist: Unter dem „gemeinsamen Begriff von Ursache (κοινός λόγος της αιτίας) f r das K rperliche und das Unk rperliche", den die Stoiker laut Simplikios gehabt haben, l t sich dieses verstehen, da der Allgemeinbegriff der Qualit t sowohl beim K rperlichen (beim „Mit-Dachziegeln-Versehen-Sein") als auch beim Unk rperlichen (beim „Angeglichen-Sein") durch Abstraktion aus der Faktizit t des gegebenen Falles gewonnen wird. Simplikios spricht mit umgekehrter Blickrichtung von den Allgemeinbegriffen als Ursache, weil sie nat rlich vom platonischen Standpunkte den Vorrang haben. F r die Stoiker schafft aber diese Wortbildung (weil ja die Allge13 Simpl. In Arist. cat. 216, 19-24 K.: ου μην ουδέ εί τίνες από των εΐωθότων λέγεσθαι κατηγορημάτων ομοίως μεν επί των υπαρχόντων < ομοίως οέ επί των μη υπαρχόντων) κατά τε τα κοινά συμπτώματα σωμάτων καΐ ασωμάτων παράνουσι τάς ποιότητας, οίον από του δεδοκώσθαι δόκωσιν καΐ από του ΙσώσΦαι Ισότητα καΐ από του σώμα ύπάρχειν σωματότητα, ουδέ οίτοι ορθώς αποφαίνονται. Die Erg nzung nach Rieth, Grundbegriffe, 57, Anm. 2. i« Aetius Plac. i, 10,5 (Dox. Gr. 309, 9/10 Diels = SVF II 360) ot από Ζήνωνος Στωΐκοί έννοήματα ημέτερα τάς Ιδέας Ιφασαν; entspr. Stob. Ed. I 136, 24 W. (SVF I 65). Vgl. auch f r den hier behandelten Zusammenhang Simpl. In Arist. cat. 222,30-32 (SVF II378): ot δε Στωΐκοί το κοινόν της ποιότητος το Ιπί των σωμάτων λέγουσιν διαφοράν είναι ουσίας, ουκ άποδιαληπτήν καθ* έαυτήν („an sich nicht trennbar"), αλλ' είς έννόημα καΐ Ιδιότητα άπολήγουσαν. („jedoch auf einen Gedankeninhalt und eine eigent mliche Beschaffenheit hinauslaufend").

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meinbegriffe έννοήματα und damit οΰτινα sind15) kein neues Sein. Die von Simplikios f r die Stoiker behauptete „Wesensgleichheit" zwischen Ursache und Verursachtem (also ποιότης und ποιόν, wiederum aus platonischer Perspektive) kann f r die Stoa nur darin bestehen, da der Allgemeinbegriff seinem Inhalte nach mit den unter ihm begriffenen Einzelf llen bereinstimmt. Die ebenfalls gegen die Hypostasierung von Allgemeinbegriffen gerichtete Lehre des Dikaiarch und Theopomp, die Allgemeinbegriffe seien ψιλαί εννοιαι und d e s h a l b weder k rperlich noch unk rperlich (die anscheinend im Widerspruch zu der stoischen „Wesengleichheit" von ποιότης und ποιόν steht) ist im Grunde kaum verschieden; nur nimmt sie K rperlichkeit und Unk rperlichkeit zusammen und stellt sie gegen die Allgemeinbegriffe, um pointiert deren Irrealit t auszudr cken, w hrend die stoische Position eher die Abh ngigkeit der Begrifflichkeit von der Gegebenheit bezeichnet. So wird m. E. rein von der Denkform her, die der Lehre von der Unk rperlichkeit der Qualit ten des Unk rperlichen, der K rperlichkeit der Qualit ten des K rperlichen zugrunde liegt, die Deutung best tigt, die wir der stoischen Lehre von der K rperlichkeit der Qualit ten geben: Die Qualit ten haben ihr Sein als das k rperliche Einzelne, an dem sie sich zeigen; und die Stoiker sprechen dieses dadurch aus, da sie die Qualit ten als k rperlich erkl ren. Da freilich ein Unk rperliches, das seinerseits Qualit ten besitzt, keinen Platz im stoischen Denken hat ( ber die ασώματα der stoischen Philosophie wird im n chsten Abschnitt zu reden sein) und so die Lehre von den ασώματοι ποιότητες als nachtr gliche, vielleicht durch platonische Polemik erzwungene Konsequenz erscheinen mag16, ist eine andere Frage. Da solche Konsequenz im stoischen Denken berhaupt m glich ist, zeigt, da die blo e sprachliche M glichkeit einer Bezeichnung keine seinsstiftende bzw. seinsaufweisende Kraft hat. c) Seiendes (πράγμα), Ausgesagtes (λεκτόν), Gedachtes (έννόημα) (ϊ) Die Zeugnisse, die das stoische τι als oberstes Genus ber σώματα und ασώματα bzw. οντά und ουκ οντά deuten ", zeigen untereinander Unis Simpl. In Arise, cat. 105,11 (SVF II 278) οΰτινα τα κοινά παρ* αΰτοΐς λέγεται; vgl. den ganzen folgenden Abschnitt. 16

So Pohlenz, Stoa, II 40. 17 Plocins Zeugnis VI i, 25, i-io bleibt hier au er Betracht, da er einfach (wie gezeigt) die Paare ασώματα - σώματα und οντά - ουκ δντα (bereits in dieser platoni-

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stimmigkeiten darin, wie sich die Teilung des τι in σώματα und ασώματα zu der Unterscheidung zwischen οντά und ουκ οντά verhalte und wie hier die οΰτινα (έννοήματα) einzustufen seien, als welche die Stoiker die Allgemeinbegriffe bezeichnen. 1. Sextus Empiricus Adv. math, ι, ιγ (SVF II 33°) tti t vorg ngig eine Unterscheidung zwischen τινά und οΰτινα und bemerkt Adv. math, ίο, 2i8 (SVF II 331), da die Stoiker die τινά in σώματα und ασώματα geteilt und zu den letzteren lediglich λεκτόν, κενόν, τόπος und χρόνος gerechnet h tten, wobei sich nach Alex. Aphrod. In Arist. top. 359,15 W. (SVF II 329) die οΰτινα als έννοήματα erweisen. Dies scheint zun chst darauf zu f hren, da das τι als v, unterteilt in σώματα und ασώματα, den οΰτινα als ουκ οντά gegen bersteht. 2. Andererseits erscheinen jedoch Plut. Comm. not. 30, 1074 d (SVF II 335) unter anderem χρόνος und κατηγόρημα (= λεκτόν nach Clem. Alex. Strom. 8, 26,4 = SVF I 488) unter den ουκ οντά. Auch die von Alex. Aphrod. In Arist. top. 301,190. W. (SVF II 329) vorgetragene Kritik, da bei den Stoikern ov und τι nicht identisch seien, weil bei ihnen „Sein" nur f r die K rper gelte, w hrend „Etwas" auch vom Unk rperlichen ausgesagt werde, f hrt darauf, da λεκτόν, κενόν, τόπος und χρόνος als ουκ οντά zu gelten haben, 3. Seneca Ep. 58, 11/12 (SVF II 332) bringt zun chst (als platonisch) eine Einteilung des „quod est" in „corporalia" und „incorporalia", um dann 58,15 (nach der hinweisenden Bemerkung 58,13 „Stoici volunt superponere huic etiamnunc aliud genus magis principale") eine Unterteilung des „quid" in „quaedam sunt" und „quaedam non sunt" vorzunehmen. Hieraus scheint sich eine Gliederung des τι in οντά und ουκ οντά (= οΰτινα) mit einer weiteren Untergliederung der οντά in σώματα und ασώματα zu ergeben18. sehen Zuordnung der Glieder) platonisch-peripatetisch wertet und aus der stoischen Kategorienlehre das ύποκείμενον als ΰλη dem μη ov, das ποιόν als είδος dem 5v zuordnet. Demgegen ber lassen die gleich zu nennenden Stellen (die die stoische Kategorienlehre aus dem Spiel lassen) eher den stoischen Ansatz erkennen, i* Eine schematische Darstellung der genannten drei Positionen h tte so auszusehen: ι. τινά — οΰτινα 2. τι — [οΰτινα] (οντά) (ουκ δντα) σώματα ασώματα 3-

τι

δντα

ουκ δντα

σώματα ασώματα

σώματα ασώματα (δντα) (ουκ δντα)

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Die „L sung" sieht man gemeinhin darin, da das τι ber σώματα und ασώματα gesetzt und diese beiden (da σώματα = οντά) als οντά bzw. als ουκ οντά gewertet werden konnten, da aber von diesen τινά die έννοήματα als οΰτινα unterschieden wurden. Die Teilung des Seneca l t sich nach Rieth auf jene des Sextus in der Weise zur ckf hren, da man vermutet, Seneca habe die Unterscheidung zwischen τινά und οΰτινα als „quaedam sunt" und „quaedam non sunt" dem τι = „quid" untergeordnet und dann die „quaedam sunt" weiterhin in „corporalia" und „incorporalia" geteilt19. Eine Entscheidung ber den Sinn und die Art und Weise der stoischen Seins-Gliederung und den Inhalt der in der Gliederung auftretenden Begriffe soll nun hier zun chst unabh ngig von der dihairetischen Form ihrer Darstellung versucht werden. (2) Von den ασώματα und οΰτινα wird man, da die K rper das alleinige Sein sind, aussagen m ssen, da sie nichtseiend sind. Beide sind jedoch dadurch unterschieden, da mit den ασώματα etwas Bestimmtes (τι bzw. τινά) bezeichnet ist, w hrend mit den οΰτινα (eben deshalb dieser Name) ein Allgemeines angesprochen wird. Bei solcher Wertung des Allgemeinen ist klar, da die mit dem τι gemeinte Bestimmtheit, auch wenn sie von den ασώματα gilt, von der Besonderheit des einzelnen k rperlichen Seienden herkommt und also die ασώματα als τινά, aber ουκ οντά in der „Mitte" zwischen dem K rperlichen und den Allgemeinbegriffen stehen. ber das λεκτόν, das zu der Gruppe der stoischen ασώματα geh rt, hei t es Ammonios In Arist. interpr. 17, 27/28 Busse (= SVF II 168). „. . . (das in der Stimme Bezeichnete ist) μ έ σ ο ν του τε νοήματος και του πράγματος, όπερ οι από Στοας υποτιθέμενοι λ ε κ τ ό ν ήξίουν όνομάζειν. Diese Mittelstellung des λεκτόν l t sich n her so bestimmen, da das νόημα (als solches ein Unbestimmtes) durch den Akt, in dem es von einem bestimmten Seienden ausgesagt wird, zu einem Bestimmten wird. Sext. Emp. Adv. math. 8,80 (SVF II 167): παν τε λεκτόν λέγεσθαι δει, όθεν και ταύτης έτυχε της προσηγορίας ... λέγειν γαρ εστί, καθώς αυτοί φασιν οι από της Στοας, το την του νοουμένου πράγματος σημαντικήν προφέρεσθαι φωνήν. Dabei bleibt jedoch das Ausgesagte als solches oder besser (um von der K rperlichkeit der Stimme, insofern sie ein Schlagen der Luft ist, sch rfer abzugrenzen): das Seiende, insofern es bezeichnet wird (also nicht, insofern es ist), unk rperlich. Sext. Emp. Adv. math. 8, 12 (SVF II 166): τούτων 6έ (sc. von den drei Faktoren der Aussage, der Stimme als Bezeichnendem, dem Ausgesagten als Bezeichnetem - d. h. im Sprechen als Bedeutung und l' Rieth, Grundbegriffe, 90/91.

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Sinn Hervorgebrachtem -, dem Gegenstande als Vorliegendem) δύο μεν είναι σώματα, καθάπερ την φωνήν και το τυγχάνον, εν δε άσώματον, ώσπερ το σημαινόμενον πράγμα, και λεκτόν, ... Nach den berlegungen zu dem Verh ltnis der Qualit t als seiender zu ihrem Allgemeinbegriffe l t sich nun die Folge πράγμα - λεκτόν - κοινόν auf das Verh ltnis der stoischen Kategorien zu dem Seienden, von dem sie gelten, bertragen: οΰτινα (έννοήματα) κοινά ποιότητες Gedachtes ίλεκτά ποια Ausgesagtes l πράγματα ποια Seiendes Die Qualit ten haben als έννοήματα (= κοινά) den Charakter von οΰτινα; sie sind, insofern sie als ποια ausgesagt werden, τινά (wobei sie im Gegensatz zu den Allgemeinbegriffen eine Art Realit t besitzen, aber doch nicht eigentlich seiend sind); sie m ssen schlie lich, insofern sie s i n d , als k rperlich gelten. Dabei m te prinzipiell diese berlegung (die nat rlich auch f r das ποιόν in dieser Strenge hypohetisch bleibt) f r alle vier stoischen Kategorien durchf hrbar sein: Der K rper, der als ein solcher angesprochen wird, mu ein λεκτόν sein, sein Allgemeinbegriff wird (vgl. die σωματότης Simpl. In Arist. cat. 216, 23/24 K.) zu den έννοήματα und damit zu den οΰτινα geh ren. Entsprechendes gilt f r die in den Kategorien πώς Ιχον und προς τί πως έχον bezeichneten Seinsverh ltnisse. Da das Sein alles dessen, was vom K rper ausgesagt wird, und berhaupt das Gegebensein aller m glichen Verh ltnisse und Beziehungen von dem Sein des K rpers als eines solchen, das hei t aber von einem „Etwas" abh ngt, haben das Ausgesagte und berhaupt alle Seinsmodalit ten nur als „Etwas" ihre Wirklichkeit, auch wenn sie f r sich als unk rperlich anzusehen sind, so da in dieser Weise das τι zum „Grund"-Begriff des stoischen Systems wird. Wenn bei den τινά auf ihre mit diesem Terminus bezeichnete Bestimmtheit geschaut wird, ist die Einstufung der Allgemeinbegriffe als οΰτινα die systemlogische Konsequenz M. Andere (gegen die Platoniker polemisierende) Stellen zeigen, da die Stoiker die Allgemeinbegriffe mehr im Blick auf ihre Irrealit t als im Bezug auf die Allgemeinheit des in ihnen Gedachten dem K rperlichen entgegengesetzt haben. Stob. Ed. I 136, 21 ff. W. (SVF I 65): τα έννοήματα φασι μήτε τινά είναι μήτε ποια, ώσανεί δε τίνα και ώσανεί ποια, φαντάσματα ψυχής* ταΰτα δε υπό των αρχαίων ιδέας προσαγορεύεσθαι. Augenscheinlich bezeichnen hier die τινά das Seiende in sei20 Vgl. Pohlenz, Stoa, I 65; I 295; II 37.

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ner k rperlichen Gegebenheit, die ποια das Seiende in seiner qualitativen Bestimmtheit, ohne da die zweite Kategorie in die Hinsichten πώς έχοντα und προς τί πως έχοντα differenziert w rde. Der Realit t, die unter den Aspekten der Kategorien angeschaut wird, finden sich die Allgemeinbegriffe dieser Aspekte als Quasi-Seiende entgegengestellt. Die spiegelbildliche Wiederkehr der Begriffe auf der Seite des Seienden und des Nichtseienden (τινά - ώσανεί τίνα; ποια - ώσανεί ποια l t nun zun chst die Mittelstellung der ασώματα, also die λεκτά unber cksichtigt; der Schlu des Zeugnisses ist dann aber gerade geeignet, unsere Interpretation der Reihe πράγματα λεκτά — κοινά zu best tigen: ταύτας (sc. τάς ιδέας) δε οί Στωϊκοί φιλόσοφοι φασιν ανύπαρκτους είναι, και των μεν έννοημάτων μετέχειν ημάς, των δε πτώσεων, ας δη προσηγορίας καλοϋσι, τυγχάνειν. Die Aussage (προσηγορία), in der der Begriff auf ein bestimmtes Seiendes bezogen wird (πτώσις, die ποιότης wird zum ποιόν21), bringt einen mit dem K rperlichen selbst zusammen (τυγχάνειν22). Im Akt des Sagens vollzieht sich die Konkretion des Gedankens am K rper. W hrend mit dem ώσανεί τίνα der Gedanke (έννόημα) ohne Sonderung des allgemeinen Inhaltes und der besonderen Form nur als irreal genommen ist, wird mit der Ausgliederung der besonderen Form (λεκτόν) gezeigt, da der Gedanke nur als Gedanke von etwas seine Wirklichkeit hat. Die Unsicherheit in den peripatetisch-platonischen Stoa-Zeugnissen darber, ob nun die ασώματα als οντά oder als ουκ οντά einzustufen seien, hat vielleicht hier ihren systematischen Grund: Die ασώματα sind, da das K rperliche das Sein ist, nat rlich nichtseiend; sie sind jedoch gegen ber der Allgemeinheit des blo en Gedankens als stets mit dem K rper gegebene Modalit ten eine Realit t. (3) Neben dieser Deutung der stoischen Kategorien kann die rein physikalische Deutung des Weltzusammenhanges problemlos bestehen. Danach steht das ύποκείμενον qua αποιος ΰλη als πάσχον dem θεός (λόγος) als ποιών gegen ber (z.B. Diog. Laert. 7, 134 = SVF I 85); die Qualit ten werden als πνεύματα und τόνοι άερώδεις, die die ΰλη gestalten, erkl rt (Plut. Stoic, repugn. 43,1054 a = SVF II 449). Bezeichnend ist n mlich, da beide stoischen Prinzipien k rperlich ge21 Vgl. Arist. Cat. i, i a 12/13 παρώνυμα δε λέγεται δσα από τίνος διαφέροντα -cfl π τ ώ σ ε ι την κατά τοΰνομα π ρ ο σ η γ ο ρ ί α ν έχει zusammen mit Cat. 8, ίο a 27/28 ποιότητες μεν ουν είσιν αί είρημέναι, ποια δε τα κατά ταύτας παρωνυμως λεγόμενα ... Nur ist der Unterschied eben dieser, da bei Aristoteles dem Sprachlichen selbst Seinswirklichkeit abverlangt wird. 22 Das τυγχάνον als K rper bei Sext. Emp. Adv. math. 8,12 = SVF II 166.

Alexander von Aphrodisias

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dacht werden und so das Unk rperlidhe in keiner Weise (so da sie Ontologie w rde) in die Physik mit einbezogen wird. Solches folgt jedenfalls (gegen Diog. Laert. 7, 134 = SVF II 299: ασωμάτους είναι τάς αρχάς) aus Sext. Emp. Adv. math. 8, 263 (SVF II 363): το άσώματον κατ' αυτούς (sc. τους Στωΐκούς) ούτε ποιεΐν τι πέφυκεν ούτε πάσχειν und Aristokles bei Eusebios Praep. ev. 15, 14, i Dindorf (SVF I 98). στοιχεΐον είναι φασι των όντων το πυρ, καθάπερ Ηράκλειτος, τούτου δ' αρχάς ΰλην και -θεόν, ως Πλάτων, αλλ' ούτος (n mlich Zenon) αμφω σώματα φησιν είναι, και το ποιούν και το πάσχον, εκείνου (n mlich Platon) το πρώτον ποιούν αίτιον άσώματον είναι λέγοντος; ferner Diog. Laert. 7» 56 (SVF II 140): παν γαρ το ποιούν σώμα εστίν. Diese K rperlichkeit der Gegenst nde, von denen die Physik handelt, schlie t nat rlich nicht aus, da die Beziehungen zwischen den K rpern, insofern sie angesprochen werden, unk rperlich sind. Sext. Emp. Adv. math. 9, 211 (SVF II 341): εΐγε Στωϊκοί μεν παν αίτιον σώμα φασιν σώματι ασωμάτου τινός αίτιον γίνεσθαι, οίον σώμα μεν το σμιλίον (Messer), σώματι δε τη σαρκί, ασωμάτου δε του τέμνεσθαι κατηγορήματος. An der Analyse des physikalischen Vorganges zeigt sich, da alle am K rper auftretenden und anzusprechenden Sachverhalte von der K rperlichkeit abh ngig sind und die Form eines κατηγόρημα haben, so da sich hier in allgemeiner Form unsere Interpretation des Verh ltnisses von πραγμα und λεκτόν best tigt findet.

2. Die Formalisierung des aristotelischen Denkens bei Alexander von Aphrodisias a) Die Form des K rpers als von ihm nur gedanklich zu trennende ουσία (i) Alexander von Aphrodisias bezeichnet in An. mant. entgegen der stoischen Lehre, da die Seele und die Qualit ten k rperlich seien a, die Seele als είδος und damit als immateriell und unk rperlich. Nicht der K rper als K rper, sondern die Seele mache als Form des K rpers den Unterschied des einen K rpers vom anderen aus: έτι εΐ σώμα σώματος fj σώμα ουδέν διαφέρει, τω δε ψυχήν εχειν διαφέρει, ουκ εστίν ή ψυχή σώμα (ιι6, ι8-2θ). 23 Die Belegstellen f r die K rperlichkeit der Qualit ten oben 8.169, Anm. 3; zur K rperlichkeit der Seele vgl. Alex. Aphrod. An. mant. 117, 21-23 B. (SVF II 792): οΰχ υγιής δε λόγος ουδέ ό λέγων μηδέν άσώματον σώματος χωρίζεσθαι, την δε ψυχήν του σώματος χωρίζεσϋαι, ώστε μη είναι άσώματον.

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Bei dieser Argumentation werden also der K rper als Materialit t, das είδος als Form entsprechend der aristotelischen Lehre, da das Seiende aus Form und Materie bestehe, einander entgegengesetzt. Die einfache Antithese l t jedoch au er acht, da der K rper ohne sein είδος gar nicht sein kann, sondern blo e Potentialit t ist. Zwar scheint Alexander mit dem Einwand, da der einzelne K rper als solcher bereits geformt sei, zu rechnen, wenn es 116,27-31 hei t: „Falls jemand sagen sollte, da sich der K rper vom K rper im allgemeinen (κατά το κοινόν σώμα) nicht unterscheide, wohl aber als bestimmter K rper (fj τι σώμα) der eine vom anderen unterschieden sei, so ist darauf zu sagen, da die Individualit t der einzelnen K rper (το ένί έκαστα) των σωμάτων είναι) von ihren eigent mlichen Unterschieden und ihren eigent mlichen Formen (παρά τάς οικείας διαφοράς και τα οϊκεΐα είδη), die voneinander unterschieden sind, herstammt, da diese aber unk rperlich sind; folglich sind das, wodurch sich die einzelnen K rper voneinander unterscheiden, keine K rper." Doch zeigt seine Argumentations weise, da die Probleme, die bei der Bestimmung des Verh ltnisses des K rpers zu der ihm eigent mlichen Form auftreten, bergangen werden: Alexander abstrahiert einfach die GesamtbeschafEenheit des K rpers von seiner blo en Gegebenheit und ber cksichtigt nicht, da die Materialit t als solche zur individuellen Form des Seienden beitr gt24. (2) Freilich ist daran zu erinnern, da diese Antithese zwischen K rperlichkeit und Geformtheit auch bei Aristoteles selbst dort besteht, wo das είδος als ψυχή des einzelnen Seienden gefa t wird. Doch denkt Aristoteles die Seele in solchen Zusammenh ngen nicht als ein starres άσώματον, sondern als Entelechie des lebendigen K rpers s. Zwar entzieht sich das Verst ndnis der Entelechie dem diskursiven Denken, aber gerade dadurch ist jede Gefahr einer Schematisierung vermieden. 24 Zwar l t sich die Individualit t eines Seienden, insofern sie lediglich auf ihre zahlenm ige Einheit hin angesehen wird, als allein von der Materie bestimmt denken (Arist. Metaph. Δ 6, ioi6b 32/33: άριθμφ μεν (sc. &v εστίν) ων ή ίλη μία, εΐδει δ' ων δ λόγος είς), doch treten k rperliche Einheit und individuelle Form stets zusammen auf, wenn es sich um ein von Natur Seiendes handelt; Metaph. 13, 1054332-35: λεγομένου δε του ταύτοΰ πολλαχώς, Ινα μεν τρόπον κατ' αριθμόν λέγομεν ενίοτε αυτό, το δ' εάν καΐ λόγφ και άριθμφ iv fi, οίον συ σαυτφ καΐ τφ είδει καΐ τη 6λη £ν. 25 Arist. De anima II ι, 412 a 19-21: άναγκαΐον Αρά την ψυχήν ούσίαν είναι ως είδος σώματος φυσικού δυνάμει ζωήν ϊχοντος. ή δ* ουσία εντελέχεια; Metaph. Ζ ίο, 1035 b 14-16: ή των ζώων ψυχή ... ή κατά τον λόγον ουσία καΐ το είδος καΐ το τί ην είναι τφ τοιφδε σώματι; Gen. animal. II4,73^ b 26: ή γαρ ψυχή ουσία σώματος τινός εστίν.

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Demgegen ber zeigt sich bei Alexander, da die dem aristotelischen Entelechie-Begriff zugrunde liegende Betrachtung des Seienden als Bewegten (φύσις-Lehre) und die damit verbundene Akt-Potenz-Lehre bei der Erkl rung der Unk rperlichkeit der Seele nicht in voller Konsequenz ber cksichtigt werden, so da der Entelechie-Gedanke zur blo en Formel zu erstarren droht: Die Stoiker hatten augenscheinlich als Argument f r die K rperlichkeit der Seele angef hrt, da sie nur als K rper mit dem K rper mitzuleiden verm chte. An. mant. 117,9-21 B. unternimmt es Alexander, gegen die Stoa zu beweisen, da die Seele auch und gerade als unk rperliche mit dem K rper mitzuleiden vermag. Unter anderem bringt er dabei das Argument, da zwar der K rper ohne Seele eine Existenz habe, die Seele aber nicht ohne K rper sein k nne, da sie Entelechie des K rpers sei; nur so sei es m glich zu erkl ren, da sich der K rper zwar erw rme und zerteilen lasse, ohne da die Seele affiziert werde, da umgekehrt aber Schmerz und andere Empfindungen der Gesamtheit von K rper und Seele bed rften (117,18-21). Es wird hier also der K rper vorg ngig als ein „Etwas" mit eigenen Verhaltens- und Befindens weisen vorgestellt, zu dem dann die Seele additiv hinzutritt. Bezeichnend f r die Art und Weise, wie Alexander die Seele an dem K rper wie an einem vorg ngigen „Etwas" sich befinden l t, ist auch der folgende Punkt: Die Stoiker hatten die Seele nicht mit dem K rper, dessen Seele sie ist, zugrunde gehen lassen, sondern gelehrt, da sie als πολυχρόνιον πνεύμα auch nach der Trennung vom K rper eine gewisse Zeit Bestand habe; auch diese Behauptung schlie t nat rlich die K rperlichkeit der Seele ein26. Alexander wendet sich gegen diese Vorstellung: ούχ υγιής δε λόγος ουδέ ό λέγων μηδέν άσώματον σώματος χωρίζεσθαι, την δε ψυχήν του σώματος χωρίζεσθαι, ώστε μη είναι άσώματον. το γαρ χωρίζεσθαι διττόν, το μεν ύποστάσει, όταν έκάτερον χωρισθέν μένη, το δε τη θατέρου φθορφ, ως το λευκόν χωρίζεται του σώματος μέλανος γενομένου, κατά το δεύτερον σημαινόμενον και άσώματον σώματος χωρίζεται, ούτω και ή -ψυχή του σώματος, εστί τινά και λόγω χωριστά ασώματα σωμάτων, ως της ύλης το είδος, ως του τόπου το σώμα (117,21-28). Wenn Alexander so die Trennung der Seele 26 Vgl. Epiphanios De fide 9,40 (SW I 146); Areios Did. Fr. phys. 39,6/7 Diels (SVF II 809). Angesichts der vorgetragenen Deutung der „K rperlichkeit der Qualit ten" als „Hinblick auf den K rper als qualifizierten" k nnte man freilich erwarten, da „Seele" entsprechend den Hinblick auf den K rper in seiner Geformtheit bezeichne. Offensichtlich steht in der Stoa die Seele jedoch au erhalb des epistemologischen Zusammenhanges, und es verbinden sich in der Vorstellung ihres Weiterlebens physikalische Erkl rung und religi se Motivation.

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vom K rper mit dem Wechsel des Wei en zum Schwarzen an einem Zugrundeliegenden vergleicht, so wird der K rper wiederum als ein unqualifiziertes und ungestaltetes „Etwas" vorausgesetzt. Zwar kommt bei dieser Gelegenheit auch heraus, da ασώματα nicht realiter (ύποστάσει, 117, 24) vom K rper abtrennbar sind, bezeichnend ist aber, da Alexander hier von der Art, wie sich die Seele vom K rper trennt, als dritte noch das λόγο,) χωρίζεσθαι von ΰλη und είδος unterscheidet: Wiewohl ja είδος und "ψυχή im Entelechie-Denken identisch sind und solche Gleichsetzung auch dort, wo es opportun ist, vorgenommen wird (Vgl. gleich unter (3) zu An. mant. 120,2 ff. B.), unterscheidet hier Alexander beide Weisen der Trennung; und dies anscheinend doch wohl, um trotz seiner Polemik gegen die K rperlichkeit der Seele die Anschaulichkeit zu bewahren, die bei dem Verst ndnis der Seele als K rper ohne weiteres gegeben ist. (3) In seinen Ausf hrungen dar ber, „da die Seele nicht in einem Zugrundeliegenden ist" (insgesamt An. mant. 119,21-122,156.) versteht Alexander das είδος im Anschlu an Aristoteles als die Wirklichkeit des organischen, d. h. des lebendigen K rpers: αλλ' εστίν ΰποκείμενον αύτψ και ΰλη το όργανικόν σώμα, ο ούτε προ του την ψυχήν εχειν οίον τε όργανικόν είναι, οΰτε απόβαλαν την ψυχήν όργανικόν έτι (120,13-15)· w*i το ζφον δε φυσική ουσία και εστίν είδος αυτού και εντελέχεια, καθό ζώον, ή ψυχή. (ΐ2ΐ,2θ/2ΐ). Damit ist zun chst eine Interpretation des είδος (der ψυχή) ganz im Sinne der aristotelischen Entelechie-Lehre gegeben. Ja, Alexander warnt sogar vor der Gefahr, den aristotelischen Text De anima II i, 412 a 17/18: ου γαρ εστί των καθ' υποκειμένου το σώμα f r die Seele dahingehend mi zuverstehen (da καθ' υποκειμένου = εν ΰποκειμένω), da sie sich im Gegensatz zum K rper an einem Zugrundeliegenden finde: λέγων δε το μεν σώμα μη είναι τοιούτον, την δε ψυχήν, ή δύναται καθ' υποκειμένου ου το εν ΰποκειμένφ λέγειν νυν, αλλ' δ δεΐται προς το είναι υποκειμένου τινός (ΐ2ΐ, 4-6)*. Mit dem Nachweis, da die Seele bzw. das είδος ουσία sei, findet Alexander die Regel εξ ουσιών αϊ ούσίαι best tigt (121, 20/21). Mit Aristoteles scheint er dabei zun chst dieses zu meinen, da das Werden eines von Natur 27 Die Identit t von καθ' υποκειμένου λέγεσΦαι und εν ΰποκειμένφ είναι ist problemlos nur bei den Akzidentien gegeben, w hrend die Tatsache, da sich das είδος zwar von dem Einzelnen aussagen, jedoch nicht als am Einzelnen als Zugrundeliegendem Befindliches vorstellen l t, sondern selbst zu dessen Verwirklichung beitr gt, die Schwierigkeit der aristotelischen Kategorienlehre ausmacht, insofern in ihr Identit t von Sein und Ausgesagtsein beansprucht wird. Vgl. neben den Ausf hrungen ber Aristoteles gleich unten S. 186 f.

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Seienden stets von einem von Natur Seienden (als der formgebenden Bewegungsursache) seinen Ausgang nehme und da dieses Werden sich auch an einem von Natur Seienden (als dem in der Weise der ύλη Zugrundeliegenden) vollziehe und so ein von Natur Seiendes entstehe28. Die Folgerung, da damit είδος, ΰλη und συναμφότερον ούσίαι seien (121,21—27), die nat rlich auch Aristoteles zieht y , wird dann aber im weiteren eher formal als „Addition" von είδος und ΰλη zum συναμφότερον verstanden und so die spannungsreiche Diskussion der aristotelischen Metaphysik-B cher Z H Θ und das dynamische Verst ndnis der ουσία als φύσις Phys. II i, als ψυχή und εντελέχεια De anima II i in der Anwendung nicht ber cksichtigt: Alexander versteht dem συναμφότερον gegen ber, das σώμα ist, είδος und ΰλη als ασώματα und mu nun diesen Gegensatz gegen ber der Tatsache, da alle drei οΰσίαι sind, rechtfertigen: πώς ουν εκ μεν μη ουσιών αδύνατον ούσίαν γενέσθαι, εκ δε ασωμάτων σώμα γίνεται; (121,27 ff.) Zur Erkl rung f hrt er den aristotelischen Satz an, da alles Entstehende aus seinem Gegenteil entsteht (121,3ο)30. W hrend Aristoteles mit diesem Satz entweder das Werden des von Natur Seienden als bergang von der στέρησις zum είδος oder das Wechseln der Beschaffenheit an einem Zugrundeliegenden bezeichnet, benutzt Alexander ihn (hier jedenfalls), um rein formal είδος und 28 Die Regel εξ ουσιών αϊ ούσίαι ist zu entnehmen aus Arist. Metaph. Z 9, 1034 b 16-19: αλλ' ίδιον της ουσίας εκ τούτων λαβείν Ιστιν 8η άναγκαΐον προϋπάρχειν έτέραν ούσίαν εντελέχεια οίσαν ή ποιεί, οίον ζωον εΐ γίγνεται ζφον ποιόν δ* ή ποσόν ουκ ανάγκη αλλ' ή δυνάμει μόνον. Hierher geh ren auch die Stellen Metaph. Λ 3, 1070 a 27/28: δνθρωπος γαρ ανθρωπον γεννςί, ό καθ δκαστον τον τινά und (entsprechend) Phys. II ι, 193 b 12 mit ihrem Kontext: Der erzeugende Mensch ist formgebende Bewegungsursache f r den erzeugten Menschen, der die mitgeteilte Form neu verwirklicht (vgl. Λ 3, 1070 a 21). Bei Alexander wird diese Regel (sie wird dadurch eigentlich erst zu einer solchen) in der oben genannten Weise formalisiert. Plotin setzt VI 3, 8,30/31 pointiert dagegen: καΐ ου δυσχεραντέον, εΐ την ούσίαν την αίσθητήν εξ ουκ ουσιών ποιοϋμεν, da er die Rede von είδος, ύλη und συναμφότερον als ούσίαι auf ihren Sinn befragt, damit freilich die ουσία nicht im Sinne der aristotelischen Kategorien- und δυνάμει-ένεργεία-Lehre zu verstehen sucht, sondern sie von dem platonischen Wissen der noetischen Form aus als συμφόρησις ποιοτήτων entlarvt, so aber indirekt auf die Begr ndungsschwierigkeit der aristotelischen ουσία hinweist. 29 Vgl. Arist. De anima II i, 412 a 6-9 und Metaph. Z 10,1035 a 2. 30 Vgl. Arist. Phys. III 5, 205 a 6: πάντα γαρ μεταβάλλει εξ εναντίου είς εναντίον; Phys. Ι 7, ΐ9ΐΜ~8: καΐ δήλόν εστίν ότι δει ύποκεΐσθαί τι τοις έναντίοις και τάναντία δύο είναι (das ist der Fall, wo die ουσία als ein Bestimmtes dem Wandel der akzidentellen Beschaffenheit zugrunde liegt), τρόπον δε τίνα δλλον ουκ άναγκαΐον ίκανόν γαρ ϊσται το έτερον των εναντίων ποιεΐν τη απουσία και παρουσία την μεταβολήν (das ist der Fall bei φθορά und γένεσις), ή δε υποκείμενη φύσις έπιστητή κατ* άναλογίαν. (beim Entstehen und Vergehen kann die Materie - d. h. das, was als Materie zugrunde liegt -, bei den akzidentellen Bewegungen die ουσία als υποκείμενη φύσις gewertet werden).

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ύλη als ασώματα zusammen zu dem K rper in Gegensatz zu stellen und so das συναμφότερον aus ihnen „entstehen" zu lassen. Eine weitere Begr ndung f r die Unk rperlichkeit der „Bestandteile" des K rpers (122,4 ff.) l uft darauf hinaus, da Materie und Form nicht als Teile des K rpers Teile seien (ως σώματος); denn Teile des K rpers seien das, was den K rper ausmache (τα συμπληρωτικά του σώματος); εΐδος und ύλη machten den K rper nicht aus, sondern seien seine Teile als Teile der ουσία (ως ουσίας) (122,7-9). Da zwischen den Teilen des K rpers in seiner materiellen Gegebenheit und den Teilen der ουσία qua εΐδος zu unterscheiden sei, finden wir bei Aristoteles Metaph. Z 10, 1034 b 32 ff., wo als Teile der ουσία qua είδος die Bestandteile des sie definierenden λόγος, als Teile des K rpers seine individuelle Materialit t verstanden werden. Alexander begreift jedoch mit seiner Unterscheidung nicht das eine Mal den K rper von seiner Gestalthaftigkeit, das andere Mal von seiner K rperlichkeit her, sondern ordnet wiederum ύλη und είδος als ασώματα zusammen und stellt sie dem konkreten Einzelnen als σώμα gegen ber. Die Bedingung f r die M glichkeit einer solch formalen Unterscheidung zwischen σώματα und ασώματα ist letztlich, da Alexander de facto den K rper als die einzige Form von Sein betrachtet, ΰλη und είδος aber als gedankliche Abstraktion ansieht: ουδέ ή ΰλη ποτέ αύτη καθ' αυτήν ουδέ το εΐδος οντά Ιδία συνελθόντα σώμα ποιεί, άλλα έπινοία μεν ταΰτα χωρίζεται (ΐ2ΐ, 32/33)· Zu wiederholen ist hier ferner das Zitat: εστί τινά και λόγω χωριστά ασώματα σωμάτων, ως της ύλης το εΐδος, ως του τόπου το σώμα (117,27/28). (4) Im Abschnitt, der dar ber handelt, „da die Qualit ten keine K rper sind" (insgesamt An. mant. 122,16-125,4 -)> w ^ die Qualit t als das definiert, „wodurch sich der wiebeschaffene K rper vom K rper unterscheidet"; daraus folgt, „da durch Anwesenheit und "Zusatz von Qualit t der K rper ein wiebeschaffener K rper wurde." φ δη διαφέρει το ποιόν σώμα τοί5 σώματος, τοΰτ5 εστίν ποιότης, ώστε το σώμα ποιότητος παρουσία και προσθήκη ποιόν σώμα έγένετο (124,25-27)31Um den Unterschied zwischen dem K rper auf der einen, dem qualifizierten K rper auf der anderen Seite zu untermauern, f hrt Alexander (mit Aristoteles) an, da „seinem Wesen nach ein K rper sein" (σώματι είναι) 3l Bezeichnend ist der hier wohl praeterital zu fassende Aorist έγένετο: Die mit παρουσία und προσθήκη (124, 27-29 μεταλαμβάνειν) benutzte Raum-Metaphorik f r die Beschreibung des Verh ltnisses von K rper und Qualit t mu dadurdi abgeschw cht werden, da das „Zusetzen" als vergangen formuliert wird, da ja der K rper realiter nicht getrennt von seinen Qualit ten besteht.

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und „seinem Wesen nach ein wiebeschaffener K rper sein", (ποιφ σώματι είναι) nicht dasselbe seien, da zwar der K rper als das, was den Qualit ten zugrunde liege, beharre, da sich jedoch die Qualit ten an dem Zugrundeliegenden zu ihrem Gegenteil wandelten (124,38-125,4). Dieses Argument schlie t, da in ihm der K rper als ein bestimmter (und damit als ein bereits durch ein είδος geformter) vorausgesetzt wird, aus der Perspektive der Kategorienlehre den Unterschied zwischen der wesentlichen Beschaffenheit als der untrennbaren Form des den Qualit ten zugrundeliegenden bestimmten Seienden und den an diesem Zugrundeliegenden sich wandelnden akzidentellen Beschaffenheiten ein32. Bezeichnenderweise umgeht Alexander diese Schwierigkeit, indem er nicht sagt, da beim Wechsel der Qualit t die ουσία erhalten bleibe, sondern betont, da bei einem solchen Wechsel die zahlenm ige Identit t des Zugrundeliegenden bestehen bleibe: ΰπομένον γαρ τοΰτο το τέως λευκόν ταύτόν τφ αριθμώ δέχεται τα εναντία (125, 3/4)· Diese Art und Weise, die ουσία als das den Qualit ten Zugrundeliegende zu bestimmen, ist zwar aristotelisch33, wird bei Aristoteles aber wegen seiner Einsicht in die Interdependenz von Materialit t und individueller Beschaffenheit bei weitem nicht so problemlos gehandhabt wie hier, wo im Grunde mit dem K rper als zwar qualit tslosem, aber doch fertig vorliegendem „Etwas" gerechnet und f r die Qualit ten ein einfaches Innewohnen vorausgesetzt wird. Der Kunstgriff Alexanders besteht darin, einerseits den „K rper an sich" (σώματι είναι) zu evozieren (was nur λογικώς m glich ist), andererseits vom Innewohnen der Qualit ten zu sprechen (welche Vorstellung durch die Anschauung gegeben ist). b) K rperliches und Unk rperliches als Species des Genus „ουσία" (i) Wenn Alexander so problemlos einerseits den K rper als einen immer schon bestimmten, aber doch unqualifizierten voraussetzt, anderseits 32

Vgl. insgesamt Arist. Metaph. Z 4: Es ist λογικώς (1029 b 13) nicht nur zu unterscheiden zwischen άνθρώπφ είναι und λευκφ είναι, sondern auch zwischen άνθρώπφ είναι und λευκφ άνθρώπφ είναι, so da hier drei verschiedene τΐ ην είναι („Mensch an sich", „Wei an sich", „wei er Mensch an sich") nebeneinanderstehen (insgesamt 1029 b 13 -1030 a 2). Aber: Im Blick auf die Seinswirklichkeit (vgl. 1030 a 28 πώς ε"χει) ist hinzuzuf gen (insgesamt 1030 a 2 —1030 b 13), da das τί ην είναι eigentlich nur f r die ουσία = τόδε τι (also άνθρώπφ είναι) gilt, w hrend die anderen λογικώς m glichen Formen (λευκφ είναι, λευκφ άνθρώπφ είναι) ίο ihrem Sein von dem τόδε τι abh ngig und deshalb auf es bezogen (προς ϊν, 1030 b 3) sind. Damit ist aber immer auch schon wesentliche Beschaffenheit mitvorausgesetzt. 33 Vgl. oben S. 182, Anm. 24; dazu Arist. Cat. 5, 4 a 10; b 3; Metaph. B 4,999 b 34.

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είδος und ποιότης als verschiedene Formen von Unk rperlichkeit nebeneinanderstellt und ihr Verh ltnis zum K rper je nach Opportunit t als gedankliche Abstraktion oder als ein Innewohnen bestimmt (so da das Verh ltnis von Materie und Form, von wesentlicher und akzidenteller Beschaffenheit keine Fragen aufwirft), dann ist es nur konsequent, wenn er die aristotelischen Kategorien einfach als Untergliederung des Unk rperlichen ansieht. An das oben zitierte Argument, da sich die K rper als solche in nichts voneinander unterschieden, schlie t Alexander die Bemerkung an: τα μέντοι ασώματα ουκ εστί τφ γένει τα αυτά. ώστε ουδέ αδιάφορα καθό ασώματα, δμώνυμον γαρ το άσώματον. εστί γαρ των ασωμάτων τα μεν εν ουσία, τα δε εν ποσότητι, τα δε εν ταΐς αλλαις κατηγορίαις (An. mant. 116, 24-27)34· Es verselbst ndigen sich also είδος, ποιότης, ποσότης usw. formal zu einem „Bereich" von Unk rperlichem, der dem K rper gegen bersteht, sein Sein aber am und durch den K rper hat. Der Versuch einer schematischen Darstellung f hrt zu folgendem Bild: ασώματα:

σώμα:

εΐί)ος

l είδος

ποιότης

ποσότης

κτλ.

έπινο'ια χωριστά

ποσόν

ποιόν

κτλ.

αποστάσει εν σώματι οντά

(2) Alexander kritisiert In Arist. top. 301,19-25 W. (SVF II 329) die stoische Setzung des τι ber σώματα und ασώματα so: Aus der Tatsache, da von den Species zwar die Bestimmungen der Genera, nicht aber umgekehrt auch von den Genera die Bestimmungen der Species ausgesagt werden k nnen (dies Alexanders Interpretation von Arist. Top. IV i, 121 a 10), folgt, da das τι kein Genus sein kann, das noch ber das „Sein" gesetzt wird, da „Etwas" immer auch „seiend" ist und also (wider die aufgestellte Regel) eines seiner vermeintlichen Species von ihm ausgesagt werden k nnte. Da die Stoiker dennoch das τι ber das Sein als Genus setzen konnten, ohne gegen die Regel zu versto en, ist nach Alexanders Ansicht nur dadurch m glich, da sie das Sein einseitig mit dem K rperlichen identifizierten und so dem „Etwas", ber K rperliches und Unk rperliches gesetzt, eine mit „Sein" nicht vertauschbare Bestimmung gaben35. Bemerkenswert an dieser 34 Auf diese Stelle verweist D rrie, Porphyries, 181, als einen Beleg f r die „Gleichstellung der ουσία mit den brigen Aussageformen und Verzicht auf das χωρίζειν, d. h. auf die transzendente Betrachtungsweise" im Peripatos. 35 Alex. Aphrod. In Arist. top. 301,19-25 W. (SVF II 329): οοτω δεικνύοις flv δτι

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Polemik (die f r die Stoiker den Schlu zulie , da ihnen das Unk rperliche als Nichtseiendes gelte) ist f r Alexander selbst, da er nicht prinzipiell ein oberstes Genus ber σώματα und ασώματα ablehnt, sondern nur dessen Unterscheidung vom 8v verwirft: Angesichts der Tatsache, da Alexander einfach ΰλη und είδος als ασώματοι ούσίαι vom συναμφότερον als ουσία σωματική unterscheidet, wird so ein oberstes Genus ουσία (δν) ber σώματα und ασώματα m glich. Nach der aristotelischen Kategorienlehre sind in der Tat δν und τι, also „Sein" und „Etwas-Sein", wie Alexander es voraussetzt, identisch, insofern von jedem Seienden, von dem als Seiendem die Rede ist, auch als von einem „Etwas" die Rede sein kann. Nur spricht Aristoteles nicht vom k rperlichen und unk rperlichen „Etwas" bzw. k rperlichen und unk rperlichen „Sein" so, da εΐδος, ποιότης usw. als ασώματα dem K rper gegen bergestellt w rden36; vielmehr gibt es ja nur ein Sein, das auf seine Prinzipien befragt und dessen Weisen des Sich-Zeigens erkl rt werden m ssen37: F r die erste aristotelische Kategorie bedeutet die Einheit von „Sein" und „Etwas-Sein" die Identit t von ουσία und τί ην είναι, wobei dieses „Sein" und „BestimmtSein" in der Aussage der Definition seine Sicherheit und seinen Ausdruck zu finden beansprucht. F r die anderen Kategorien zeigt sich die Einheit von „Sein" und „Etwas-Sein" darin, da die Qualit t, Quantit t usw. (ποιότης, ποσότης usw.) von einem „Etwas" ausgesagt werden und so (als ποιόν τι, ποσόν τι usw.) ihr Sein und ihre Bestimmtheit haben. Damit steht nach der Meinung des Aristoteles die Aussage selbst f r die Seinsweise des in ihr zur Sprache Kommenden, so da in der Aussage der Definition das Sein des Seienden selbst, in der Aussage der ποιότης als ποιόν usw. das Sein der Qualit t usw. als gekl rt zu betrachten ist. - Weil aber so der λόγος als μη καλώς το τί l από της Στοας γένος του δντος τίθενται· εΐ γαρ τί, δήλον δτι καΐ ον ει δε ον, τον του οντος άναδέχοιτο αν λόγον. αλλ' εκείνοι νομοθετήσαντες αύτοϊς το δν κατά σωμάτων μόνων λέγεσθαι διαφεύγοιεν δν το ήπορημένον δια τοΰτο γαρ το τι γενικώτερον αύτοΰ φασιν είναι, κατηγορούμενον ου κατά σωμάτων μόνον αλλά και κατά ασωμάτων. 36 Die Mehrzahl der Stellen, an denen Aristoteles ασώματος gebraucht (vgl. Bonitz, Index Aristotel., s.v. ασώματος, 118352-04) bezeichnen die Luft im Gegensatz zu den anderen Elementen als (beinahe) unk rperlich (z.B. Phys. IV4, 212 a 12; 8,215 b y, De anima I 2, 405 a 7). Ansonsten ist in den „doxograpischen" Abschnitten von σωματικοί und ασώματοι άρχα'ι die Rede (z.B. De anima I 2, 404b 31), womit auf der einen Seite die als Prinzipien gesetzten Elemente, auf der anderen Seite die Prinzipien der Bewegung und der Form bezeichnet werden; so auch ber die Seele De anima I 2, 405 b ιι: ορίζονται την ψυχήν τφ άσωμάτω. Die als Antwort auf die vorangehenden Seelenlehre entwickelte Lehre von der Seele als Entelechie des lebendigen K rpers gebraucht dann aber ασώματος nicht mehr.

37 Vgl. Arist. Metaph. Z 4,1030 a 17-27; dazu oben S. 112 ff.

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Definition das εΐδος, die λόγοι als Aussagen akzidenteller Bestimmungen die sinnlich wahrnehmbare Au enseite des Seienden wiedergeben, f llt f r Aristoteles der Unterschied zwischen K rperlichkeit und Unkb'rperlichkeit gleichsam in die Formen des λόγος selbst. Da freilich (eben wegen ihres Bezuges auf die den Sinnen gegebene Au enseite eines Seienden) die akzidentellen Bestimmungen eines Seienden der Zahl nach unendlich sind (und so die λόγοι, in denen sie ausgesagt werden, nicht zur Wi barkeit des Seienden beizutragen verm gen), da andererseits der λόγος der Definition (der allein Wissen zu vermitteln vermag) die Realit t des einzelnen Seienden nicht wiedergeben kann, l uft der Unterschied zwischen dem definierbaren είδος und dem als ουσία χωριστή gegebenen σύνολον auf eine Entgegensetzung des λόγος und der den Sinnen sich bietenden Wirklichkeit hinaus. Der Weg zu einem blo nominalistischen Verh ltnis zwischen dem Sein und seiner Wiedergabe in der Sprache derart, da das Sein blo sinnlich erfahrbar, das Sprechen und Denken aber aus der Gegebenheit des Einzelnen abstrahiert sei, tut sich jedoch f r Aristoteles selbst nicht auf. Vielmehr scheint gerade seine berzeugung, da Sein und Denken identisch seien (dabei aber Sein keineswegs so wie bei Platon gefa t werden d rfe), die Schwierigkeit seiner L sungen zu bewirken. Wenn bei Alexander die blo gedankliche Trennung der ασώματα von ihren K rpern und die Vorstellung des „Innewohnens" der ασώματα in den K rpern nebeneinanderstehen, so ist diese Konsequenz in der aristotelischen Lehre zwar angelegt; sie wird jedoch erst in dem Augenblick zuende verfolgt, da der λόγος als Konstituens des Seins nicht mehr in Anspruch genommen, sondern dessen Begr ndung in der Gegebenheit des K rperlichen gesehen wird. Da Alexander aber die blo gedanklich abtrennbaren Formen des Unk rperlichen terminologisch in ihrer urspr nglichen Geltung bel t (das είδος bleibt ουσία, ποιότης, ποσότης werden — wiewohl sie keine Entit ten sind - nicht als ψιλαί εννοιαι entlarvt38), k nnen hier (systematisch gesehen) solche Positionen als vorbereitet gelten, die - wenn auch mit anderer Bewertung des άσώματον - ein Genus ουσία ber σώματα und ασώματα setzen oder die Reihe der Kategorien einfach als Einteilung des Seienden nehmen 38 H ufig erscheint ποιότης nur in der „Kategorienschrift" (vgl. Bonitz, Index Aristotel.; s. v., 611 a 30-46). Ansonsten bestimmt das ontologische Verh ltnis (ποιότης immer nur als ποιόν τι) auch das Reden von der Qualit t; grunds tzlich gilt Arist. An. post. I 22, 83 330-33: δσα δε μη ούσίαν σημαίνει, δει κατά τίνος υποκειμένου κατηγορεΐσθαι, καΐ μη εΐναί τι λευκόν 8 οΰχ Έτερον τι δν λευκόν εστίν, τα γαρ είδη χαιρετώ. - Die Unbefangenheit, mit der Alexander von ποιότης redet, wiewohl diese f r ihn an sich keinerlei Realit t hat, best tigt die Mi achtung des Sprachlichen als eines Seinsoffenbarenden.

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so, da nicht mehr die Aussage selbst die Form des Seins aufweist, sondern so, da die gem den Kategorien verschiedenen Aspekte des K rperlichen (ουσία, ποιόν, ποσόν) jeweils von einem zugeh rigen άσώματον abh ngig gedacht werden. c) Konsequenzen aus der Aristoteles-Interpretation Alexanders (i) Im weiteren hat die bei Alexander angetroffene Form der aristotelischen Philosophie f r deren eigenes Verst ndnis folgende Konsequenzen: 1. Von ihrer Aufgabe, im Sprechen das Sein zu begr nden, freigesetzt, k nnen die aristotelischen Kategorien problemlos als Klassen genommen werden, die das Seiende gliedernd einteilen. Zwar gibt sich auch bei Aristoteles (zumal in der „Kategorienschrift") die Reihe der Kategorien als Einteilung des Seienden; dadurch jedoch, da die Zuordnung des ποιόν einmal zur Aussage des wesentlichen, das andere Mal zur Aussage des akzidentellen Seins erfolgt, zeigt sich - um die oben gebrauchte Formulierung zu wiederholen -, da der Unterschied zwischen dem K rperlichen und dem Unk rperlichen bei Aristoteles gleichsam in die Formen der Aussage selbst f llt39. 2. Unabh ngig von der Art und Weise ihrer ontologischen Bedeutsamkeit und Problematik k nnen die verschiedenen Aussageformen der Kategorienlehre weiterbenutzt und die in ihr g ltigen Regeln erkl rt werden. Weder wird dann nach dem Verh ltnis von εϊδος als Definiendum und είδος 39 Von der Einsicht her, da die aristotelische Kategorienlehre als die Form des Geistes, in der das Seiende sich zeigt, ihre Geltung nicht aus der mehr oder minder „vollst ndigen" Zahl der Kategorien nimmt, sondern aus der in der Sprache selbst gegebenen Beziehung der Kategorien aufeinander, erscheint die Auffassung der aristotelischen Kategorien als blo er „Einteilung" des Seienden verfehlt. - Von der Einsicht, da die stoischen Kategorien nur das K rperliche in seiner Verfa theit unter bestimmten Aspekten bezeichnen, d rfen auch sie nicht prim r als „Einteilung" des Seienden gelten. - Nur wenn beide Kategoriensysteme als blo e Einteilungen des Seienden genommen werden und nicht auf die Weise der Kategorienfindung und Kategoriengeltung, sondern lediglich auf den Inhalt der Kategorien geachtet wird, sind sie darauf zu befragen, ob durch sie das Seiende vollst ndig erfa t sei, und sind dann aus dieser Sicht miteinander vergleichbar. So aber verfahren die neuplatonischen Aristoteles-Kommentatoren, wenn sie im Blick auf die aristotelische Kategorienreihe der stoischen Unvollst ndigkeit vorwerfen. Vgl. dazu Dexippos In Arist. cat. 34,19 ff. B.: εΐ δε τις είς το πώς έχον συντάττοι τάς πλείστος κατηγορίας, ώσπερ οΐ Στωϊκοι ποιοΰσιν, έπιδεικτέον αύτοϊς, δτι πλείστα παραλείπουσι των δντων τα τε εν τόπφ και τα εν χρόνψ και κατ* αριθμόν ποσά και κατά πηλίκον καΐ το ύποδεδέσθαι καΐ αλλά τοιαύτα, ουδέν γαρ δτι των τουούτων περιέχεται εν τφ πώς ίχοντι. (SVF II 399)·

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als der Gestalt des Besonderen, noch auch - was die andere Seite desselben Problems ist - nach der Begr ndung des Unterschiedes zwischen der Qualit t als spezifischer Differenz und der Qualit t als Akzidens gefragt. 3. Andererseits kann in dem Augenblick, da sich der Umgang mit den Allgemeinbegriffen, ihrer Definition usw., also insgesamt das λογικώς ζητεΐν, zur Logik verselbst ndigt, das Verh ltnis des einzelnen Seienden zu seiner Form frei von jeder epistemologischen Problematik als Verh ltnis von K rper und Seele beschrieben werden. Zwar f hrt Aristoteles selbst dahin, das Verh ltnis von σύνολον und εΐδος als Gegensatz von σώμα und ψυχή zu begreifen; dadurch jedoch, da er die Seele als Entelechie des lebendigen K rpers versteht, wird die Konstitution des Seins in der Sprache nicht durch einen begrifflichen Formalismus ersetzt, sondern vom philosophischen Gedanken der Bewegung eine L sung des Materie-Form-Problems angestrebt. (2) Da bei Aristoteles selbst die Formalisierung seiner Metaphysik angelegt ist und da diese Metaphysik in ihrer Begrifflichkeit bei Alexander von Aphrodisias vollst ndig erhalten bleibt, wird man den wesentlichen Unterschied zwischen Aristoteles und Alexander im Verlust des philosophischen Grundgedankens des Aristoteles sehen m ssen, des Gedankens also, da die in der Sprache sich zeigenden Formen von Sein und die Gestalten des Seins, das sich als bewegtes darbietet, identisch seien. Ein Gedanke, der freilich als widerspruchsfreies System schwerlich zu bernehmen war, da sich bei dem Versuch seiner Durchf hrung bei Aristoteles selbst die Vielf ltigkeit und Schwierigkeit der L sungen einstellt *°. W hrend Aristoteles so in der Intention seines Philosophierens seine Herkunft von Platon erkennen l t und letztlich noch den parmenideischen Grund-Satz des νοεΐν = είναι zu verwirklichen sucht, ist der Aristotelismus des Alexander, insofern er den K rper zum vorrangigen Sein macht, dem Platonismus st rker entgegengesetzt und steht der Sache nach dem stoischen Materialismus n her; aber dadurch, da Alexander nicht die Konsequenzen der Stoa zieht und die Kategorien zu Anschauungsformen des K rpers macht, sondern da er είδος, ποιότης usw. rein formal als ασώματα exponiert und von hieraus gegen die K rperlichkeit der Seele und der Qualit ten bei der 4° Berechtigt ist das Urteil von Ph. Merlan, Lex. d. Alten Welt, Stuttgart/Zuriet 1965, 109/110 s.v., ber Alexander von Aphrodisias: „Seine Interpretation ist streng aristotelisch-orthodox, was ihn nicht selten u n w i l l k r l i c h (von mir gesperrt) vom aristotelischen Standpunkt abweichen l t. A. h lt, wie vor ihm Boethos von Sidon, der Perip., das Einzelne f r das von Natur aus Prim re." Vgl. f r die faktischen Abweichungen in der Seelenlehre Moraux, Alexandre d'Aphrodise, bes.. 37-43: „Valeur des Theories d'Alexandre au Point de vue aristote-licien."

Der aristotelesfreundliche Neuplatonismus

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Stoa polemisiert, bietet er paradoxerweise gerade dem Platonismus Ankn pfungspunkte. Einmal k nnen die Argumente gegen die K rperlichkeit der Seele vom Peripatos und den Platonikern gemeinsam benutzt werden, zum anderen bietet sich den Platonikern die M glichkeit, die Geltung ihrer Metaphysik mit der der aristotelischen Kategorienlehre zu vereinbaren.

3. Das Nebeneinander von platonischer Metaphysik und aristotelischer Kategorienlehre im aristotelesfreundlichen Platonismus a) Ουσία als oberstes Genus in der Dihairesis und als πρώτη ουσία der Platoniker (i) Theiler hat im Zusammenhang seiner Behandlung des „philosophischen Abschnittes" von Seneca Ep. 58 (also 8 ff.) darauf aufmerksam gemacht, da die Dihairesis des v in σώματα und ασώματα die Voraussetzung f r die Anerkennung der aristotelischen Kategorienlehre sei, und hat auf das Auftreten dieser Dihairesis bei den Vertretern der mittelplatonischen Gaios-Schule hingewiesen, die nach den Arbeiten Praechters als aristotelesfreundlich zu gelten hat41. Bei Seneca finden wir die Einteilung des „quod est" in „corporalia" und „incorporalia" als Einleitung (8-15) zu einer Aufz hlung (16-22), die vorgibt, die sechs Weisen zu nennen, in denen bei Platon von το δν die Rede sei; es werden dann diese Weisen mit „quod est" (= „cogitabile"), „per excellentiam esse", „quae proprie sunt" (= „ideas"), „idos", „quae communiter sunt" und „quae quasi sunt" aufgez hlt und erkl rt. Die 8—15 gegebene Einteilung des „quod est" in „corporalia" und „incorporalia" wird weiter so durchgef hrt, da die „corporalia" in „animantia" und „inanima" und das erste der beiden Glieder weiter bis „homo" hin unterteilt wird (vgl. 9-11 und 14), so da hier eine Dihairesis des Seienden, also eine Gliederung der gesamten Realit t vorzuliegen scheint. Die von Theiler gebrachten Parallelen Max. Tyr. Or. n, 138, 8 ff. Hobein und Philon 41

Vgl. Praechter, Hermes 51, 1916, 510-529, und Hermes 57, 1922, 481-517; Theiler, Vorbereit, d. Neuplat., 3-15. - Zudem sei vorab genannt der Aufsatz von Lloyd, Phronesis i, 1955/1956, 58-72 u. 146-160; diese Arbeit lehrt, die Kategorienverteidigung der Neuplatoniker einerseits, die Kategorienkritik Plotins andererseits im Rahmen der neuplatonischen Metaphysik zu sehen und die Bedingungen f r die M glichkeit dieser unterschiedlichen Haltungen in den der aristotelischen Kategorienlehre immanenten Schwierigkeiten zu suchen.

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Alex. Agric. 139, II 122, 18 ff. Wendl., die von τα οντά (also dem Plural!) ausgehen und aus der klareren Durchf hrung ihrer entsprechenden διαιρέσεις die Herkunft der Einteilung bei Seneca erkennen lassen, sind geeignet, diese Feststellung zu best tigen. Albinos, der Didasc. Kap. _j ber die διαίρεσις im Rahmen seiner Ausf hrungen zur Dialektik handelt, bringt als Beispiel f r die Teilung des Genus in Species (ή μεν γένους είς είδη τομή, 156, 29/30 Hermann) die Untergliederung von ζφον durch die Differenzen λογικόν und αλογον und (durch Philon und Maximos als weitere Untergliederung von λογικόν erkennbar) θνητόν und άθάνατον (157,4-9 H.) und weist damit ebenfalls eine διαίρεσις των όντων aus. Theiler glaubt nun eine Verwirrung von der Art im Seneca-Text zu erkennen, da i. eine διαίρεσις mit einer Untersuchung ber die Prinzipien, 2. verschiedene Prinzipienreihen selbst durcheinandergeraten seien. Der erste der beiden Vorw rfe (er allein ist in diesem Zusammenhang von Interesse) richtet sich, wenn wir Theiler richtig verstehen, dagegen, da Seneca 16 das „quod est" (= „cogitabile est") augenscheinlich f r die πρώτη ουσία, also eines der drei mittelplatonischen Prinzipien42 eintreten l t, da er es aber mit dem „quod est" n (ggf. nach 15 = „quaedam sunt") der vorher gebrachten διαίρεσις των όντων verwechselt, indem er 16 den Unterschied zwischen „animal" und seinen Species „equus" und „canis" als Beispiele f r Denkbares und Sichtbares anf hrt43. Das Motiv f r eine solche Verwechselung sieht Theiler darin, da Seneca eine Form der platonischen Lehre vorgelegen habe, in der einmal το ov (nicht τα οντά) zum Ausgangspunkt der διαίρεσις gew hlt worden sei, in der zum anderen sich το δν = πρώτη ουσία und das ov als Spitze der διαίρεσις sehr nahegestanden h tten **. Zur M glichkeit der Verbindung des ov als des obersten Ge*2 Die aus der Interpretation des platonischen „Timaios" erwachsene Dreiprinzipienlehre deutlich bei Albinos: i. ber die ΰλη Kap. 8, 162,21-163,91!.; 2. ber das παράδειγμα Kap. 9,163,10-164,5 H.; 3. ber den θεός Kap. 10, 164,6-166, 13 H. - Vgl. dazu Aetius Plac. i, n, 2 (Dox. Gr. 309,14-17 Diels). « Theiler, Vorbereitung, 8: „Da Seneca das ,quod est' (erstes Glied) vor die als berragend geschilderte Gottheit (zweites Glied) stellt, kann nur den Sinn haben, wenn er an die oberste, alles (,also auch die Gottheit') umfassende Kategorie, das γενικώτατον v, denkt ... N mlich der erste Punkt hat fatale hnlichkeit mit der αρχή, der πρώτη ούσία( also nicht mit dem γένος, der Kategorie) des Ideellen." Da die Idee einfachhin als ουσία erscheinen kann, zeigt (von Theiler angef hrt) Albinos Didasc. Kap. 9,163,12-16 H.: Εστί δε [καΐ] ή Ιδέα ως μεν προς θεόν νόησις αύτοϋ, ως δε προς ήμας νοητόν πρώτον, ως δε προς την ΰλην μέτρον, ως δε προς τον αίσθητόν κόσμον παράδειγμα, ως δε προς αυτήν εξεταζόμενη ουσία. *4 Theiler, Vorbereitung, 7· »Wenn Seneca eine gr ere Darstellung der platonischen Lehre vorlag, die auch auf die Kategorien mit der ουσία, dem δν an der Spitze ein-

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nus der διαίρεσις und der πρώτη ουσία aus der Drei-Prinzipien-Reihe verweist Theiler auf Simpl. In Arist. cat. 77, 15 ff. K., wo die Stellung der πρώτη ουσία nicht blo als αρχή aller ihr nachgeordneten ούσίαι, sondern auch als Genus ber ουσία αισθητή und ουσία νοητή gerechtfertigt wird. (2) Wiewohl Theiler mit seinen Hinweisen auf die mittelplatonische Tradition und deren Nachwirkung bei Simplikios (= Porphyrios) den historischen Rahmen ausspannt, in den die Seneca-Stelle und damit die Frage nach dem Verh ltnis von der ουσία (dem ov) in der διαίρεσις των όντων und der ουσία als πρώτη ουσία (= ουσία νοητή) eingeordnet werden mu , ist es geboten, die hinter dieser Frage stehende Problematik, die bei Theiler wegen der Knappheit der Hinweise kaum kenntlich wird, noch einmal ausdr cklich zu bezeichnen: Es ist n mlich zu fragen, wie die διαίρεσις των όντων, die darin erfolgende Zergliederung des Genus ουσία (δν) in σώματα und ασώματα und die angeblich so erm glichte Geltung der aristotelischen Kategorienlehre auf der einen, die Geltung der platonischen Prinzipienlehre (samt der hier erscheinenden πρώτη ουσία) auf der anderen Seite nebeneinander berhaupt m glich sind; denn nach unserem Verst ndnis sind ja die διαίρεσις in der platonischen Dialektik und die Kategorienlehre in der aristotelischen Metaphysik die Formen, in denen sich das Sein selbst zeigt und in seinen Prinzipien einsichtig wird, so da die οι^σία in der διαίρεσις und die ουσία als Prinzip des Sinnendinges nicht blo „nahe zusammenliegen", sondern eine Trennung beider berhaupt nicht denkbar ist. - Die Antwort mu aus dem Verst ndnis der Phase des berganges von der platonischen zu der aristotelischen Metaphysik, ja im Verst ndnis der Eigenart der platonischen Dialektik selbst gewonnen werden. Sie mu an alles ber Platon, Aristoteles, die Stoa und Alexander Ausgef hrte ankn pfen und gleichzeitig auf die f r Albinos und die Neuplatoniker zu erwartenden Ergebnisse verweisen. Da dabei manche der behaupteten Entwicklungslinien sowie einzelne Positionen im Rahmen dieser Arbeit nicht detailliert verifiziert werden k nnen, wird um der angestrebten Herausarbeitung der systematischen Grundfragen in Kauf genommen. Wiewohl sich in den platonischen Dialogen die διαίρεσις immer so zeigt, da sich ein Allgemeines dichtomisch in seine durch spezifische Differenzen unterschiedenen Untergliederungen zerlegt, darf doch die Ordnung des plaging, wenn γένη (Kategorien) und άρχαί f r ihn nahe zusammenlagen, die letzteren auch unter dem Namen πρώται ούσίαι ..., dann l t sich halbwegs der Mischmasch von $ 16 ff. verstehen."

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tonischen Ideenkosmos nicht so verstanden werden, als liege hier eine jeweils in Teilen sichtbar gemachte Untergliederung eines obersten Genus „ov" vor, so als sei (induktiv gesehen) das Bildungsgesetz dieses Kosmos die Pr dikation immer allgemeinerer Glieder, bis da schlie lich als oberste Gliederung der Gegensatz σώματα-άσώματα und das ov als deren Genus resultiere. Vielmehr mu die platonische Ideenwelt wesentlich als Ordnungsgef ge verstanden werden, das als solches - durch Analogie zu mathematischen Einteilungen gesichert und mit den f nf Genera des „Sophistes" in seiner Struktur begriffen - die ουσία im Gegensatz zur Bewegtheit und Ungeordnetheit der Sinnenwelt darstellt. Die verschiedenen bei Platon sich findenden Beispiele f r eine διαίρεσις sind so jeweils nur das diskursive Explikat der geistigen Ordnung, bedeuten aber nicht, da man mit der Einordnung aller m glichen Begriffe in eine διαίρεσις, mit der Pr dikation als Bildungsgesetz und der ουσία als oberstem Genus je zu einem Gesamtaspekt des Geistigen kommen w rde; dieses mu vielmehr in seiner Struktur eingesehen werden und ist dann insgesamt und zugleich erkannt und in διαιρέσεις darstellbar. Aristoteles vollzieht dagegen den Gedanken, da der platonische Ideenkosmos lediglich mit der prinzipiellen Einsicht in die Struktur seiner Ordnung verstanden wird, nicht nach, sondern interpretiert den Ideenkosmos als διαίρεσις aus dem Genus ov; er sieht also in der Pr dikation von immer umfassenderen Allgemeinbegriffen das Bildungsgesetz der Ideenordnung. Von dieser Vorstellung der platonischen Dihairesis-Dialektik geht seine Kritik aus: Er wirft Platon einmal (da ja alle Glieder der διαίρεσις als Ideen und damit als ούσίαι gelten m ssen) eine Hypostasierung von Allgemeinbegriffen vor und setzt dem das ατομον είδος als ουσία entgegen; er weist zum anderen darauf hin, da sich ein einzelnes Summum Genus nicht differenzieren l t, und stellt gegen das vermeintliche Genus δν/έ'ν Platons sein πολλαχώς λέγεται το ov, also die Kategorienlehre mit den (zehn) γένη του δντος. So aber sind die Bedingungen daf r geschaffen, da die διαίρεσις aus dem Zentrum der Metaphysik r ckt und als blo es Einteilungsschema genommen wird, so da sie selbst nicht mehr f r die Sicherung und den ontologischen Rang der in ihr genannten οντά verantwortlich ist, sondern nur die (wie auch immer gesicherte) Realit t in ihrer Gliederung darstellt. Dabei ist zu bedenken, da eben die Form, in der sich die διαίρεσις bei Platon darbietet, (und wohl auch die schulm ige Verwendung der dihairetischen Methode in der Akademie) diese Vereinfachung nahelegt. Zudem verwendet

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der „Timaios", der f r den Mittelplatonismus wohl wichtigste platonische Dialog, die Dihairesis-Dialektik nicht als Form metaphysischer Vergewisserung, so da die hier im Rahmen der Dreiprinzipienlehre gegebene Ideenwelt (παράδειγμα) nicht auf die dihairetische Form ihrer Gliederung befragt wird45. Die Freisetzung der διαίρεσις bietet die Voraussetzung daf r, da in ihr auch Gegens tze als Glieder eines Genus angesehen werden k nnen, deren „spezifische Differenzen" vom Standpunkte der platonischen Metaphysik in einem πρότερον-ΰστερον-Verh ltnis stehen. So l t sich von einer Gliederung der ζώα in λογικά und αλόγα, der λογικά in θνητά und αθάνατα sprechen, obwohl die genannten Eigenschaften im Rahmen der Seelenlehre (die als άνάλογον zur Seinsstufung gelten kann) in einer Stufenordnung stehen. Schlie lich k nnen so auch σώματα und ασώματα als Glieder eines Genus „ov" verstanden werden, ohne da etwa in einem Denken wie dem Alexanders, das de facto den K rper als alleinige Realit t ansieht, dennoch gleichsam mit einem „Bereich" von ασώματα rechnet, gefragt werden d rfte, ob hier eine „Begriffsteilung" oder „Realteilung" vorliege. Die M glichkeit, σώματα und ασώματα unter ein gemeinsames Genus ουσία (δν) zu ordnen, wird - und damit nehmen wir Theilers eingangs des Abschnittes zitierte Behauptung auf - dann zur systematischen Notwendigkeit, wenn die aristotelische Kategorienlehre und mit ihr die ουσία als Summum Genus - aber in einer ganz bestimmten (formalen) Weise ihres Verst ndnisses — in Geltung gelassen werden soll: Im Rahmen seiner Pr dikationstheorie versucht Aristoteles zu zeigen, da die Zahl aller m glichen Aussagen nicht unendlich sei, da die Aussage immer allgemeinerer Pr dikate in jeder Kategorie jeweils zu dem Summum Genus (eben der ουσία, der ποιότης, der ποσότης) gelange, da aber die Aussagen der Kategorien 2—10 jeweils an der ουσία, von der sie ausgesagt werden, zu ihrer Begrenztheit k men46. Aristoteles scheint hier also das Bild einer διαίρεσις aus einem « Im „Timaios" weist die „Elementenphysik" (Reduktion der sichtbaren Elemente auf ihre wi baren Strukturen und deren Prinzipien) auf die Art und Weise platonischer Ideensicherung: Zwischen Ideenordnung und den Strukturen der Elementenphysik herrscht Analogie, insofern in beiden F llen wi bare Bestimmtheit und Ordnung dem Sichtbaren entgegengesetzt wird. Dieser Aspekt geht jedoch nicht in die „Timaios"-Interpretation des Mittelplatonismus ein, zumal die mathematische Erkl rung des „Timaios" getrennt bei den sogenannten „Neupythagoreern" weiterzugehen scheint (z. B. Theon von Smyrna). 46 Vgl. insgesamt Arist. An. post. I 19-22; besonders (zur „praedicatio per se", die fordert, das alle Aussagen auf den Typ zur ckgef hrt werden, der einen Angeh rigen der ersten Kategorie als Subjekt hat) 22, 83 a i ff.; (als Zusammenfassung) 83 b 17 ff. Dazu hier oben S. 117 ff.

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Summum Genus von der Art, wie er sie Platon vorh lt, zu entwerfen, aber eben mit dem Unterschied, da er einmal zehn διαιρέσεις nebeneinanderstellt, da er zum anderen die in den διαιρέσεις auftretenden Allgemeinbegriffe nicht als ούσίαι betrachtet. W hrend aber bei Aristoteles die Pr dikationstheorie das Ziel verfolgt, prinzipiell die M glichkeit von Wissen (die eben in der Begrenztheit der Zahl m glicher Aussagen gegeben ist) festzulegen, und niemals ansteht, σώματα und ασώματα als oberste Differenzen des Genus ουσία zu benennen, es ihm im Rahmen der Physik und Metaphysik vielmehr darauf ankommt, da sich das Sein jeweils in Aussagen und in der Bewegung gem den Kategorien zugleich konstituiert und zeigt, gewinnt im aristotelesfreundlichen Platonismus die Vorstellung von den zehn Kategorien als zehn διαιρέσεις Raum, und es mu dann in der Kategorie der ουσία das Gegeneinander ihrer n chsten Differenzen, σωματική und ασώματος, m glich sein47. (3) Solange nun die ασώματα wie in Alexanders Aristotelismus - seien sie als Abstraktion aus dem K rperlichen, seien sie als am K rper befindlich vorgestellt - keine seins- (d. h. aber k rper-) begr ndende Funktion haben, kann ohne Schwierigkeit an dem ov als γένος ber σώματα und ασώματα festgehalten werden. Schwierig wird es erst f r die Platoniker, bei denen die Geltung des ov ber σώματα und ασώματα der Lehre begegnet, da die ασώματα als πρώτη ουσία die σώματα prinzipierten. Der folgende Abschnitt b) soll nun zun chst zeigen, wie bei Albinos die διαίρεσις und die Kategorienlehre zwar nebeneinander gebraucht und traditionell als Formen der Seinserkenntnis angesehen werden, wie in ihnen aber doch nicht eigentlich (wie in der διαίρεσις in der platonischen Dialektik, wie in den Kategorien in der aristotelischen Metaphysik) die Form des wahren Seins als gegeben angesehen wird (in diesem Falle w re ihr Nebeneinander gar nicht m glich), sondern wie daneben eine Erkenntnistheorie auftritt, die das Seinswissen unabh ngig von Dihairesis und Kategorienlehre erkl rt. Der Abschnitt c) versucht dann zu verdeutlichen, wie im Anschlu an diese Erkenntnistheorie im Neuplatonismus eine Bew ltigung der άσώματα-Pro47

Vgl. Porph. Isag. 4, 25-27 B.: ή μ έ ν ο ύ σ ί α τ ό γ ε ν ι κ ώ τ α τ ο ν και δ μόνον γένος, δ δε δνθρωπος το είδικώτατον καΐ δ μόνον είδος, το δε σ ώ μ α ε ί δ ο ς μεν της ο υ σ ί α ς , γένος δε του εμψύχου σώματος. 5>9~ 12 Β·: το τε Y^Q γενικώτατον την μεν ως προς τα ύφ' εαυτό Ι"χει σχέσιν, γένος δν πάντων το άνωτάτω, την 0έ ως προς τα προ έαυτοΰ ούκέτι 8χει, άνωτάτω δν καΐ ώ ς π ρ ώ τ η α ρ χ ή . Dies gilt dann entsprechend f r alle Kategorien; 6,5-7 B.: "§ γαρ εστί κοινόν Εν γένος πάντων το δν ουδέ πάντα ομογενή καθ' Ιν το άνωτάτω γένος, ως φησιν ό Αριστοτέλης, αλλά κείσθω, ωσπερ εν ταΐς Κατηγορίαις, τα πρώτα δέκα γένη οίον άρχαΐ δέκα πρώτοι . . .

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blematik so m glich wird, da zwischen dem άσώματον als χωριστόν und πρώτη ουσία und dem άσώματον άχώριστον, das in Antidihairesis zum K rper stehend gedacht wird und als εΐδος ενυλον gilt, unterschieden wird, so da in dem Bereich des εΐδος ενυλον und des K rperlichen die Geltung der aristotelischen Kategorienlehre widerspruchsfrei aufrechterhalten werden kann; freilich um den Preis, da einerseits die Begr ndung des είδος ενυλον durch das εΐδος χωριστόν bei der Teilhabe-Metaphorik stehenbleibt, da andererseits - wenigstens de facto - die Kategorienlehre zu einem formalen Regelgef ge herabsinkt. - Schlie lich soll der Abschnitt d) deutlich machen, da zwar auch Plotin gemeinhin von der Trennung von εΐδος χωριστόν und εΐδος ενυλον ausgeht, wenn es das Verh ltnis von wahrem und k rperlich sich zeigendem Sein zu bezeichnen gilt; da aber seine Abkehr von dieser Unterscheidung dann, wenn es sich mit der aristotelischen Kategorienlehre auseinanderzusetzen gilt, auf eine weitergehende Reflexion weist. b) Das Verh ltnis von Dihairesis, Kategorienlehre und Seinserkenntnis bei Albinos (1) Albinos erl utert die διαίρεσις im Rahmen des Dialektik-Kapitels (Didasc. Kap. 5). Dabei wird die Dialektik als ή περί τον λόγον γνώσις (Kap. 3,153,25 Η.) unabh ngig von den Ausf hrungen zur Prinzipienlehre abgehandelt, die Albinos Kap. 8,162,21 ff. H. im Rahmen der theoretischen Wissenschaften, und zwar als θεολογική, bringt48. Als Aufgabe der Dialektik wird Kap. 5,156,21-23 H. genannt: της διαλεκτικής δε στοιχειωδέστατον ηγείται πρώτον μεν το την ούσίαν έπιβλέπειν παντός ότουοΰν, έπειτα περί των συμβεβηκότων. Aus dem Folgenden geht dann hervor, da sich die Disziplinen der Dialektik (nach Kap. 3, 153,25-27 H. το διαιρετικόν, το όριστικόν, το έπαγωγικόν και το συλλογιστικόν)49 so verteilen, da die διαίρεσις, der ορισμός und die άνάλυσις zur Bestimmung der ουσία, der συλλογισμός und die επαγωγή zur Bestimmung der Akzidentien dienen. Die Unterscheidung zwischen der Dialektik als ή περί τον λόγον γνώσις 48 Nach Didasc. Kap. 3, 1^3, 24/2^ H. sind die Zweige der Philosophie ή των δντων γνώσις: θεωρητική, ή περί τα πρακτέα: πρακτική, ή περί τον λόγον: διαλεκτική (vgl. dazu Witt, Albinos, ίο/11). Die Dialektik wird Kap. 4-6 so behandelt, da noch zwischen Erkenntnistheorie (Kap. 4) und Dialektik als „formaler Logik" (dazu Witt, Albinos, 60/61) unterschieden werden mu . Kap. 7 bringt die Untergliederung der theoretischen Wissenschaft in θεολογικόν, φυσικόν und μαθηματικόν. 49 Dazu erg nzt Theiler, Vorbereitung, 4, Anm. 2, nach Didasc. 156, 28 H.: τδ όριστικόν και (το άναλυτικόν καΐ) το έπαγωγικόν.

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und der Lehre von den Prinzipien l t nach dem Verh ltnis der ουσία als Gegenstand des definierenden Denkens und syllogistischen Schlie ens und der ουσία als αρχή und παράδειγμα fragen. Zwar wird das Dihairesis-Verfahren gem dem platonischen Vorbild als Erkenntnisweg zur ουσία bezeichnet (157, 1-3 H.: τη τοίνυν του γένους πρώτον εις είδη τομή χρήσθαι δει υπέρ του διαγιγνώσκειν αυτό εκαστον δ εστί κατά την ούσίαν) und die erste Art des anschlie end behandelten Analysis-Verfahrens ausdr cklich als die επί τα πρώτα νοητά άνοδος bestimmt; zwar betont Albinos dann sp ter gut platonisch im Anschlu an die Behandlung der mathematischen Wissenschaften30, da diese dem Bereich der διάνοια angeh rten, da als επιστήμη allein die Dialektik zu gelten habe, da τα πρώτα ihr Gegenstand seien (162,14/15 H.); indes bleiben diese Ausf hrungen unabh ngig von der Behandlung der ουσία als Formprinzip im Rahmen der theoretischen Wissenschaften. Insofern des Albinos Ausf hrungen zur Dialektik zwischen ουσία und συμβεβηκότα unterscheiden und den συλλογισμός als Teil der Dialektik neben die anderen, platonischen Weisen der Erkenntnis stellen, setzen sie die Geltung und Anwendung der aristotelischen Kategorienlehre de facto voraus, ungeachtet dessen, da Albinos als Platoniker auch rein aristotelische Philosopheme f r Platon in Anspruch nimmt51. Doch bedeutet die Aner50 Die Mathematik wird bei Albinos zwar mit der Seele in Verbindung gebracht und als Zugang zu der Erkenntnis des Seienden gewertet (161, ιο/ιι Η.: θήγουσα την ψυχήν και προς έπίσκεψιν των δντων άκρίβειαν παρεχομένη, vgl. 162,1-3 Η.), die Bedeutung der einzelnen mathematischen Disziplinen f r die Erkenntnis des Seienden wird aber nicht nach dem Grad ihrer Abstraktion eingesch tzt, die sie vom Sinnlichen vornehmen (άφαίρεσις), sondern h her als Arithmetik und Geometrie wird (161, 20/21 H.) die Stereometrie gewertet, es folgen in der Rangordnung Astronomie und Musik, die durch das sinnliche Erscheinen ihrer Gegenst nde auf die αόρατος και νοητή ουσία verweisen. Zwar mu der Musik (und der Astronomie) bei Platon ebenfalls eine besondere Rolle zuerkannt werden, weil sich an ihr der bergang von der sinnlichen Wahrnehmung zum exakt verifizierbaren Wissen exemplarisch begreifen l t, in einer hierarchisch angeordneten Folge der mathematischen Wissenschaften steht jedoch die Musik als den Sinnen am meisten verhaftete auf der untersten Stufe der Skala. - Die άφαίρεσις findet sich aber bezeichnenderweise dann im theologischen Kontext Kap. 10,165,14-17 H. als eine der Erkenntnisformen des H chsten (vgl. Kr mer, Geistmetaphysik, 105—108; D rrie, Porphyrios, 180, Anm. 3). Diese Trennung der άφαίρεσις als Methode zur Erkenntnis des H chsten von dem Ort ihrer Herkunft, der Mathematik, zeigt, das die Rolle der Mathematik als Vehiculum metaphysischer Erkenntnis tats chlich ausgespielt ist. 51 Da Albinos die Kategorienlehre anerkennt, sie aber als bereits platonisch ansieht, zeigt Didasc. Kap. 6, 159,34/35 H.: καΐ μην τάς δέκα κατηγορίας ϊν τε τφ Παρμενίδη καΐ εν ίίλλοις υπέδειξε. Gedacht ist hier (vgl. dazu Witt, Albinos, 66, Anm. 8) an Platons Ausf hrungen im „Parmenides", da von dem Einen weder ουσία (Parm. 141 67), noch Quantit t (150 b 8), Qualit t (137 d 8 f.), Relation (146 b

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kennung der Kategorienlehre keinesfalls, da sie ihre f r Aristoteles vorauszusetzende Geltung bewahrt, nach der das Sein in der Aussage in seinen verschiedenen Formen hervortritt. Es entsprechen also bei Albinos die in den Dialektik-Kapiteln geschilderten Weisen der Erkenntnis des Seins nicht, wie wir es f r Platon bei der Dihairesis-Dialektik, f r Aristoteles bei der Kategorienlehre glauben behaupten zu k nnen, so selbstverst ndlich der Form des Seins selbst, da die Einsicht in die Prinzipien des Seins mit der Einsicht in die Prinzipien seiner Erkenntnis identisch ist. Es ist so von vornherein wahrscheinlich, da die benannten Weisen der Erkenntnis, seien sie platonischer, seien sie spezifisch aristotelischer Provenienz, zu blo en Verfahrensweisen erstarren, so da die sowohl in der platonischen Dialektik als auch in der aristotelischen Kategorienlehre intendierte Identit t von Sein und Denken gar nicht erst versucht wird. (2) Das entscheidende Argument daf r, da die in den Dialektik-Kapiteln genannten Weisen der Erkenntnis zu logischen Verfahrensweisen herabsinken, wird dadurch geliefert, da sich zwischen der im 3. Kapitel gegebenen Gliederung der Philosophie und der im S.Kapitel beginnenden Darstellung der Dialektik ein Kapitel findet, das v llig unabh ngig von den Verfahrensweisen der Dialektik eine Erkenntnistheorie liefert52. Albinos unterscheidet als Formen menschlicher Erkenntnis den λόγος δοξαστικός und den λόγος επιστημονικός so, da dieser die νοητά, da jener die αισθητά zu seinem Gegenstand hat (Kap. 4, 154, 22-29; τ55> 3Ι-33 H.). Die Explikation dieser Unterscheidung geht dann so vor sich, da die δόξα ganz klar zur αΐσθησις geordnet und allein von dieser abgeleitet wird (154, 2/3), Ort (13832/3), Zeit (14135), Lage (1493), Zustand (139 b), Aktivit t und Passivit t (139 b) ausgesagt werden k nnen. Zu και εν δλλοις vgl. Plut. An. procr. 23,1023 e/f, der die zehn Kategorien bei Platon im „Timaios" 37 a 7 ff. entdeckt. 52 Witt, Albinos, unterscheidet entsprechend der Gliederung des Traktates bei seiner Interpretation zwischen „Epistemology" (47-60) und „Logic" (60-67), arbeitet also klar heraus, da die Didasc. Kap. 3, 153,23-25 H. als διαλεκτική gekennzeichnete θεωρία του λόγου bzw. περί τον λόγον γνώσις nun in der Ausf hrung geteilt und die Dialektik auf die „formale Logik" festgelegt wird. Auf Witts Untersuchungsziel, Albinos als Kompilatoren zu erweisen (vgl. die folgende Anm.; vor dem Verdacht, er sei ein Kompilator, versucht Loenen, Mnemosyne IV 9,1956, 296-319, u. ίο, 1957, 35-56, gegen Witt, Albinos 120, 128, 133-135, den Albinos zu bewahren, wobei es allerdings um die Fragen der theologisch-physikalischen Kapitel geht), kommt es hier allerdings nicht an; es sollen vielmehr an dem Platonismus des Albinos die Bedingungen abgelesen werden, denen sich die platonische Philosophie unterwerfen mu , um die aristotelischen Kategorien anerkennen zu k nnen.

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29-155,17), da umgekehrt die επιστήμη von der Ideensdiau her begr ndet wird (155,17-31)H. Im einzelnen ergibt sich, da es durch das Bewahren der sinnlichen Wahrnehmung in der Seele - die Wahrnehmung wird als πάθος ψυχής bestimmt (154,30 H.) - zur μνήμη kommt (154,31-35 H.); da sich beim Zustandekommen von δόξα (definiert 154, 35 H. als συμπλοκή μνήμης και αίσθήσεως) der einst im Ged chtnis festgehaltene Sinneseindruck von einen Gegenstande und die erneute Wahrnehmung desselben verbinden, wobei es bei richtiger Verbindung beider zur wahren, bei falscher Verbindung zur falschen Meinung kommt (154,35-155,121!.). Φαντασία entsteht, wenn die Seele die durch Wahrnehmung und Ged chtnis entstandene Meinung (τα δοξασθέντα) mittels der διάνοια wieder vornimmt (155, 12-15 H). Διάνοια wird dann (das ist platonisch, vgl. Sophist. 2636 7/8 und 26439) als Gespr ch der Seele mit sich selbst und der λόγος als mit Lautgebung verbundener Ausflu aus dem Munde definiert (155,15-17 H.). Unabh ngig von diesem Aufstieg bis zur δόξα und φαντασία, der als sensualistische Erkenntnistheorie zu werten ist, wird dann 155, 17 ff. H. die νόησις als Ursprung des λόγος επιστημονικός erkl rt: Bevor die Seele inkorporiert wird, schaut sie die πρώτα νοητά = είδη χωριστά; als inkorporierte hat sie dann von dem vormals Geschauten φυσικαί εννοιαι, die die Grundlage des επιστημονικός λόγος bilden, dessen eigentlicher Gegenstand die δεύτερα νοητά = είδη ενυλα sind (i55> I7~3I Η.). 53 Nach Witt gehen in das Kap. 4 zwei verschiedene Theorien ber das Zustandekommen von Wissen ein, derart, da sich eine Theorie, die das Wissen von der sinnlichen Wahrnehmung herleitet, und eine solche, die das Wissen in der Ideenschau begr ndet sieht, miteinander verbinden. - Witt verkn pft die sensualistische Theorie mit dem Namen des Antiochos von Askalon (dabei ist nat rlich an eine ursprunglich stoische Theorie zu denken, wie Witt, Albinos, 52-60, zeigt; vgl. zum stoischen Sensualismus ferner Pohlenz, Stoa, I 55-57; II 32/33; besonders anschaulich beschreibt den Weg von der durch αΐσθησις entstehenden φαντασία ber συγκατάθεσις und κατάληψις zur επιστήμη Cic. Acad. prior. 47, 145; vgl. auch Aetius Plac. 4, n ganz = SVF II 83), w hrend er die transzendente Begr ndung des Wissens auf eine andere Vorlage des Autors des Didaskalikos zur ckf hrt (aber auch das transzendent begr ndete Ideenwissen wird in stoischer F rbung bezeichnet: Lloyd, Phronesis i, 1955/56, weist auf die Beziehung der φυσικαί εΎνοιαι zu den κοινοί Εννοιαι der Stoiker. Die Vorstellung vom Innewohnen der λόγος-Inhalte in der Seele hat dar ber hinaus nat rlich platonisch-aristotelischen Ursprung: Vgl. Plat. Phaedr. 276 a 5/6; Arist. De interpr. i, 16 a 3/4). - Theiler, Gnomon 15,1939,105, (entsprechend seinen Ausf hrungen in Vorbereitung, 15 ff.) betont gegen Witt, es sei keineswegs sicher, da dem Antiochos die Annahme eines τόπος νοητός abgesprochen werden mu , wie Witt, Albinos, 57 und 72 f., glaubt. Hier geht es nicht um eine Entscheidung dar ber, wer die Kompilation zweier Erkenntnistheorien vollzogen hat, sondern was diese philosophisch bei der Bestimmung des Verh ltnisses von Sein und Erscheinung bedeutet.

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Entsprechend der Unterscheidung zwischen πρώτα und δεύτερα νοητά wird anschlie end (155,37H.fi.) zwischen πρώτα αισθητά = ποιότητες und den δεύτερα αισθητά = τα κατά συμβεβηκός, also etwa το λευκόν το κεχρωσμένον, unterschieden; als ein Drittes ist το άθροισμα genannt, durch die Beispiele πυρ, μέλι als das konkrete Ding ausgewiesen, insofern es den Sinnen als Ansammlung von Qualit ten erscheint. (3) Mit der Unterscheidung von νοητά und αισθητά und deren jeweiligei Aufgliederung in πρώτα und δεύτερα, sowie der zus tzlichen Rede vom Sinnending als einem άθροισμα lassen sich problemfrei alle die Fragen beantworten, die auftreten, wenn es das Verh ltnis zwischen der geistigen Form und dem sinnlichen Erscheinen eines Seienden zu bestimmen gilt, und es k nnen, wenn man sie ihrerseits schematisch verwendet, platonische Ideenlehre und aristotelische Kategorienlehre nebeneinander in Geltung bleiben. Die Unterscheidung zwischen (δεύτερα) νοητά und (δεύτερα) αισθητά erm glicht es, im Sinne der aristotelischen Kategorienlehre zwischen der wesentlichen Form eines Sinnendinges und seinen akzidentellen Beschaffenheiten zu unterscheiden, ohne da die Rolle der Qualit t als spezifischer Differenz und damit die Interdependenz von sichtbarer Gestalt und Substantialit t diskutiert werden m te. Die Unterscheidung von πρώτα und δεύτερα bietet mit platonischer Akzentuierung54 das Verh ltnis des Allgemeinen zum Besonderen (άνθρωπος - άνθρωπος τις, ποιότης — ποιόν τι) dar, ohne zu fragen, ob nicht (insofern man in der Allgemeinheit Geistiges gegeben sieht) auch die ποιότης ein Geistiges sei oder (anders und ohne Beachtung der Universalienproblematik ausgedr ckt) ob nicht das ποιόν, das sich den Sinnen zeigt, die geistige Form zu seiner Voraussetzung habe. Schlie lich erlaubt das Nebeneinander des δεύτερον αισθητόν (ποιόν τι) und des άθροισμα es, jedes einzelne Seiende einmal platonisch als B ndel von Qualit ten anzusehen (blo ein ποιόν, keine ουσία), es dann aber doch wieder als Substanz zu fassen, an der sich die akzidentelle Beschaffenheit als an einem bereits Bestimmten zeigen kann (ποιότης als ποιόν τι durch das τι ην είναι des Zugrundeliegenden). Das Verh ltnis des είδος ενυλον zum άθροισμα bleibt im Nebeneinander dieser Unterscheidung unreflektiert. Nat rlich ist darauf hingewiesen worden, da die „Kategorienschrift" selbst den Ansatzpunkt zu den hier vorgenommenen Unterscheidungen bietet, indem sie nicht nur zwischen πρώτη ουσία und δεύτεραι ούσίαι (die dann nat rlich bei Albinos in platonischer Umwertung erscheinen) unter5* Vgl. Plotin VI 3, 9,24-26: ου γαρ ή γραμματική δστερον της τινός γραμματικής.

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scheidet (Arist. Cat. 5,2 a 11-19), sondern mit der Bemerkung, das λευκόν τι (z. Β.) befinde sich zwar an einem Zugrundeliegenden, werde jedoch nicht als dieses Besondere von dem ihm Zugrundeliegenden ausgesagt (Cat. 2, i a 23-29), und mit der Erkl rung der ποια als Paronyma der ποιότης (Cat. 8, ίο a 27/28) auch zwischen der Qualit t an sich und ihrem je besonderen Auftreten an einem Zugrundeliegenden zu unterscheiden scheint55. Wenn sich aber auf diese Weise entsprechend der vielfachen Bedeutung von „Sein" mehrere in ihrem Seinssinn homonyme Dih resen aus den Kategorien als obersten Genera ergeben, innerhalb derer jeweils das Allgemeine zu dem Besonderen in einer λέγεσθαι κατά-Beziehung steht, und wenn so die realen Verh ltnisse, die sich in dem εν ύποκειμένω εϊναι der anderen Seinsweisen in der ουσία zeigen, gleichsam unabh ngig neben der in der Aussage gegebenen Beziehung ποιότης-ποιόν zu bestehen scheinen, dann darf das im Rahmen des gesamten aristotelischen Nachdenkens ber die ουσία nicht als schematisch fixierbares Ergebnis genommen werden, sondern mu als Ausdruck des problematischen Nebeneinanders von sinnlich wahrnehmbarer Wirklichkeit und ihres Ausdrucks in der Sprache verstanden werden. F r die Auffassung des Sinnendinges als άθροισμα (sc. ποιοτήτων και ύλης) ist selbstverst ndlich Platon Theaet. i5/b9 Vorbild56; w hrend jedoch dort mit solcher Einstufung des Sinnendinges der kategoriale Gegensatz zwischen ihm und der ουσία als dem wahren Sein ausgesprochen und mit dieser Unterscheidung das Problem zu l sen aufgegeben ist, wie sich dennoch in der Bewegtheit der Sinnenwelt „etwas" zeige, klammert das blo e Nebeneinander von είδος ενυλον und άθροισμα bei Albinos dieses Problem gerade aus oder macht die Erkenntnis des είδος ενυλον im άθροισμα zur Frage eines „Vorwissens" des είδος χωριστόν, ohne dieses Wissen anders als durch die Pr existenz der Seele oder mit Hilfe der Teilhabe-Metaphorik zu erkl ren. Zwar werden wir dem Nebeneinander von είδος ενυλον und άθροισμα auch bei Plotin begegnen, doch mit dem entscheidenden Unterschied zu Albinos (und den an ihn ankn pfenden Neuplatonikern), da er das Verh ltnis von είδος ενυλον und άθροισμα (bei ihm VI 3,8,20: συμφόρησις) ποιοτήτων και ύλης reflektiert und infolgedessen die ουσία αισθητή als υποκείμενον der Akzidentien und damit den Anspruch der aristotelischen 55 Vgl. Witt, Albinos, 59, mit dem Hinweis auf Arist. Cat. 8,10327/28; Lloyd, Phronesis i, 1955/56, 62 mit dem Hinweis auf Cat. 2, i a 23 ff.; zur Sache oben S. 102 ff. 56 Vgl. oben S. 19, Anm. 31.

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Kategorien, da sich in ihnen das Sein ausspreche, berhaupt in Zweifel zieht57. (4) Dem nebeneinandergestellten (und in ihrem Verh ltnis nicht reflektierten) νοητόν und αίσθητόν entspricht in des Albinos Erkenntnistheorie die Doppelheit von λόγος επιστημονικός und λόγος δοξαστικός. Zwar ist in dem Bem hen, die beiden λόγοι nicht scharf gegeneinanderzustellen, sondern den ersten gleichsam von der Geistesschau ins Diskursive ausgreifen zu lassen, den zweiten nicht ohne die sinnliche Wahrnehmung als wirksam zu denken (so da schlie lich innerhalb des νοητόν eine Stufung entsprechend der Unterscheidung von πρώτα und δεύτερα, innerhalb des αίσθητόν eine Stufung entsprechend der Unterscheidung des άθροισμα von πρώτα und δεύτερα sichtbar wird)58, die Stellung des λόγος als Mittler zwischen Geistigem und Sinnlich-Wahrnehmbarem erkennbar, wird aber weder im Sinne der platonischen Dialektik noch auch im Sinne der aristotelischen Kategorienlehre nachvollzogen. Es mag nat rlich imbillig scheinen, die jeweils bei Platon und Aristoteles angestrebte Verh ltnism igkeit des λόγος zum Sein hier bei Albinos in 57 Die Parallelen Albinos Didasc. n, 166, 3. H.: παν σώμα συνδυασμό τι είναι εκ τε ύλης και του συν αύτη είδους (von Witt, Albinos, 59» angef hrt) und Max. Tyr. Or. 40,467,13-15 Hobein: τον του άνθρωπου βίον als διαγωγήν ζφής συγκεκραμένην εκ ψυχής και σώματος και τύχης (467,17 Η.: als το άθροισμα τοΰτο wiederaufgenommen) lassen keinen Ansatz erkennen, in dem wie bei Plotin ber das Verh ltnis von ποιόν und είδος reflektiert w rde. - Die Lehre von dem Sinnending als Ansammlung von Qualit ten ist in der Form, da die Qualit ten als Wirkkr fte, die in die Materie eindringen, die ποια hervorbringen, bei Cicero Acad. post. 7, 28 (zitiert von Witt, a. a. O.) sichtbar: „Et cum ita moveatur ilia vis, quam qualitatem esse diximus, et cum sic ultro citroque versetur, et materiam ipsam totam penitus commutari putant et ilia effici, quae appellant qualia." Dies kommt Plotins Lehre am n chsten, nur zieht er die Konsequenz, da die die ποια bewirkenden Kr fte selbst Entfaltung von ουσία, also nicht mehr Qualit t seien (z.B. II 6 [17] i, 40-42: αλλ' άρα τους μεν λόγους τους ποιήσαντας αυτά ουσιώδεις δλους, τα δε αποτελέσματα εχειν ήδη τα εκεί τι ενταύθα ποια, ου τί; III 6 [26] 17,22-24: και το χρώμα το εξ ου χρώματος και ή ποιότης ή ενταύθα ή εξ ου ποιότητος Ισχε την όμωνυμίαν την απ' εκείνων, ...) und stellt so den kategorialen Gegensatz ουσία : ποιόν konsequent her, wenn auch die Art und Weise der „Vermittlung" (Logos-Lehre) unplatonisch ist. - Zu nennen ist auch noch Porph. Isag. 7,21-23 B.: άτομα ουν λέγεται τα τοιαύτα, ότι εξ Ιδιοτήτων συνέστηκεν εκαστον, ων το δθροισμα ουκ δν έπ' αλλού ποτέ το αυτό γένοιτο. Nur wird daraus nicht die plotinische Konsequenz gezogen. 58 Albinos Didasc. 4,156,4-9 H.: τα μεν δη πρώτα νοητά νόησις κρίνει ουκ δνευ του επιστημονικού λόγου, περιλήψει τινί και ου διεξόδω, τα Οέ δεύτερα δ επιστημονικός λόγος ουκ δνευ νοήσεως· τα δε πρώτα αίσθητά και τα δεύτερα ή αίσθησις κρίνει ουκ δνευ του δοξαστικού λόγου, το δε δθροισμα δ δοξαστικός λόγος ουκ δνευ της αίσθήσεως.

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einem Handbuch erwarten zu wollen; aber auch zwei der drei f r die Unterscheidung zwischen den beiden λόγοι anzuf hrenden Parallelstellen, deren eine f r Xenokrates, deren andere f r Speusipp beansprucht wird59, sowie eine Timaios-Interpretation bei Sextus Empiricus zeigen, da in der Darstellung des Albinos eine Vereinfachung und Schematisierung vorliegt. Diese Vereinfachung aber ist es, die die Unterscheidung zwischen νοητά und αισθητά und deren Gliederung in πρώτα und δεύτερα erm glicht und so die Bedingungen f r die Geltung der aristotelischen Kategorien im platonischen Kontext schafft. Sext. Emp. Adv. math. 7,147-149 (Xenokrates fr. 5 Heinze)M unterscheidet die αισθητή, die νοητή und die δοξαστή ουσία und siedelt die erste „innerhalb des Himmels", die zweite „au erhalb des Himmels" an, setzt die dritte jedoch mit dem Himmel selbst gleich. Diese Mittelstellung der δοξαστή ουσία wird dahingehend erl utert, da sich in ihrer (d. h. der Gestirne Erkenntnis) αΐσθησις und αστρολογία verbinden (ορατή γαρ εστί τη αίσθήσει, νοητή δε δι5 αστρολογίας). Auf diese Weise wird die δόξα deutlich und entsprechend der Lehre, die aus den platonischen Dialogen zu entnehmen ist61, als die Form von Gewi heit bestimmt, die zwischen der επιστήμη und der αΐσθησις ihren Platz hat. Wenn es dann 7,148 hei t: και τούτων (der drei Erkenntnisweisen αΐσθησις, επιστήμη, δόξα) κοινώς το μεν δια του επιστημονικού λόγου κριτήριον βέβαιον τε ΰπάρχειν και αληθές, το δε δια αίσθήσεως αληθές μεν, ούχ ούτω δε ως το δια του επιστημονικού λόγου62, το δε σύνθετον αληθούς τε και ψεύδους ΰπάρχειν της γαρ δόξης την μεν τίνα αληθή είναι, την δε -ψευδή, dann zeigt sich, da der λόγος zwar 59

Auf die gleich zu nennenden Stellen sowie auf Sext. Emp. Adv. math. 7, no (hier allein die Antithese λόγος δοξαττικός: λόγος επιστημονικός, aber ohne Erl uterung) verweist Theiler, Vorbereitung, 55, Anm. i, als antiochisch; sie werden auch von Witt, Albinos, 50 ff., bei seiner Didaskalikos-Interpretation herangezogen. 60 Zur Bedeutung dieses Xenokrates-Fragmentes im Rahmen der altakademischen Lehre vgl. Kr mer, Geistmetaphysik, 30,40 f., 145. 61 Heinze, Xenokrates, 3, Anm. 3, und D rrie, Art. „Xenokrates", RE, 2. Reihe, 18. Hlb.-Bd. 1520,59-1521,20 lehnen es ab, die xenokratische Trias αΐσθησις, δόξα, επιστήμη bei Platon zu finden, und sehen dort antithetisch die δόξα mit der αΐσθησις, die επιστήμη mit der δόξα verbunden. - Zu bedenken bleibt jedoch ungeachtet des der Περί τάγαθοϋ-Forschung zu entnehmenden Anhaltes f r eine Stufungslehre bei Platon selbst -, da erst mit der Vermittlung von αΐσθησις und νόησις in der δόξα αληθής auch in der Erkenntnis die Vermittlung von Geisteswelt und Sinnenwelt geleistet ist, die die sp ten Dialoge Platons anstreben. Vgl. oben S. 3362 Hier scheint auf die unmittelbare Evidenz des Wahrnehmungsaktes angespielt, die vorher Adv. math. 7,141 f. als ή δια της αίσθήσεως ενάργεια erscheint. Sie bedarf des λόγος als κριτήριον des Wahrgenommenen. Vgl. den folgenden Text.

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von der Gewi heit des Noetischen seine Sicherheit hernimmt, da seine eigentliche Dom ne jedoch (mit der M glichkeit zu „wahr" und „falsch") der Bereich der δόξα ist; denn es war ja auch f r Platon selbst der λόγος, in dem sich das „wahr" und „falsch" abspielte. - Hier sind die Akzente nur so verschoben, da der λόγος nicht mehr in der Spannung zwischen seiner noetischen Begr ndung und seiner diskursiven Entfaltung gesehen, sondern zugunsten seiner Funktion als κριτήριον auf die Seite des Noetischen verschoben wird . Wichtig ist f r uns jedoch, da ihm kein δοξαστικός λόγος gegen bersteht. Noch deutlicher zeigt sich die Stellung des λόγος im Spannungsfeld zwischen noetischer Gewi heit und sinnlicher Wahrnehmung zuvor Sext. Emp. Adv. math. 7, 145/146 (Speusipp fr. 29 Lang), wo als κριτήριον der νοητά der επιστημονικός λόγος, als κριτήριον der αίσθητά die επιστημονική αΐσθησις erscheint (7,145). Zwar scheint es zun chst so, als sei hier der Mittelbereich, in dem sich geistiges und sinnliches Erkennen verbinden, ausgespart; die Beispiele, die die επιστημονική αΐσθησις erl utern, weisen jedoch auf diesen Mittelbereich. Unter anderem f hrt Speusipp (7,146) an, da sich bei der Wahrnehmung des Harmonischen und des Disharmonischen Wahrnehmung und λογισμός verbinden. Wiederum wird hier kein λόγος δοξαστικός entgegengestellt. In der diesen beiden Zeugnissen Sext. Emp. Adv. math. 7,141-144 vorangehenden Interpretation von Plat.Tim. 2 7 d 6 - 2 8 a 3 (το μεν - sc. το δν — δη νοήσει μετά λόγου περιληπτόν, αεί κατά ταύτα δν, το δ' αΰ — sc. το γιγνόμενον-δόξη μετ' αίσθήσεως αλόγου δοξαστόν, ...) wird zwar auch zun chst die Antithese gesehen: περιληπτά μεν λόγφ εΐναι τα νοητά, δοξαστά δε τυγχάνειν τα αισθητά (γ, Ι41); die Rolle des λόγος wird dann aber deutlich als die eines Vermittlers gekennzeichnet, wenn es hei t: περιληπτικόν δε καλεΐσθαί φασι λόγον παρ' αύτφ (sc. Πλάτωνι) οί Πλατωνικοί τον κοινόν της ενάργειας και της αληθείας.

6J

Wiewohl κριτήριον seit Platon in der Bedeutung „Erkenntnis- und Wertma stab" belegt ist (Plat. Resp. 9, 582 a 6; Theaet. 178 b 6), wird man die hier bei Sextus vorliegende und ausdr cklich Περί κριτηρίου berschriebene Doxographie (Adv. math. 7,29; vgl. f r Epikur diesen Titel bei Diog. Laert. 10,27) nicht - ganz gleich welche L sung angeboten wird - ohne den Vorgang der stoischen κριτήριον-Diskussion sehen d rfen (dazu Pohlenz, Stoa, I 60-63 °^ Anm.).

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c) Das Nebeneinander von transzendenter und immanenter Form bei den aristotelesfreundlidien Neuplatonikern (i) Aus den neuplatonischen Kategorien-Kommentaren wird deutlich, da die Unterscheidung zwischen ε'ίδη χωριστά und είδη ενυλα und den φυσικαί εννοιαι als den Bildern der είδη ενυλα in der Seele, die wir bei Albinos antreffen, die Grundlage auch f r die mittelplatonische Anerkennung der Kategorienlehre gebildet haben mu . Die Neuplatoniker fassen die Kategorien als φωναί σημαντικά!, των πραγμάτων und damit als sinnerf llte Ausdr cke f r das auf, was in ihnen bezeichnet wird64. Dabei werden die φωναί σημαντικαί prim r (προηγουμένως) als die sprachliche Wiedergabe der νοήματα (φυσικαί εννοιαι) verstanden und bezeichnen, insofern die φυσικαί εννοιαι die είδη ενυλα zu ihrem Gegenstand haben, so indirekt die Dinge selbst, wobei durch den Bezug der εϊδη ενυλα auf die ε'ίδη χωριστά problemlos die Beziehung zu den Dingen in ihrer reinen Form hergestellt ist65. F r die Interpretation der aristotelischen Kategorien hat dies zur Konsequenz, da die ουσία αισθητή mit dem in ihr sichtbaren είδος ε'νυλον als die in der „Kategorienschrift" des Aristoteles gemeinte ουσία angesehen wird. Zitiert sei (da der dieser Stelle folgende Zusammenhang Περί ουσίας - also Arist. Cat. 5,2 a n - weiter zu betrachten sein wird) Simpl. In Arist. cat. 76,17-19 K.: Auf den Einwand des Nikostratos und des Plotin (genannt 76,13/14), wie es denn ein Genus ουσία ber ουσία αισθητή und ουσία νοητή geben k nne, antwortet Simplikios: προς δη ταΰτα δυνατόν μεν και 64 Porph. In Arist. cat. 58, 5 Β.: εστίν γαρ περί φωνών σημαντικών απλών, καθό σημαντικαί είσι των πραγμάτων (sc. ή πρόθεσις του βιβλίου, d. h. der Kategorienschrift). Vgl, insgesamt 57, 19-58, 29 B.: Die Worte gleichen Boten, die ihre Botschaft von den durch sie bezeichneten Dingen selbst hernehmen. Deshalb, so f hrt Porphyrios a.a.O. 58,21-296. aus, komme Aristoteles trotz seines Zieles, die φωναί σημαντικαί zu behandeln, unversehens dazu, ber die Unterschiede des Seienden selbst zu sprechen. Vgl. ferner Simpl. In Arist. cat. 12,5/6 K. und Dexippos In Arist. cat. 7,1/2 B. 65 Vgl. Simpl. In Arist. cat. 69, 3 f. K.: Zugrunde liegt die Dreiteilung νόημα (έννοια) σημαίνον - σημαινόμενον, wobei letzteres (mit leichter Verschiebung gegen ber der stoischen Unterscheidung νόημα — σημαίνον = φωνή — σημαινόμενον = Bedeutung - τυγχάνον = K rper, der begegnet) den bezeichneten Gegenstand meint. Dabei gilt 69, 11/12: ήρτηνται από μεν των πραγμάτων τα νοήματα, από δε των νοημάτων αί φωναί. Als eigentliches σημαινόμενον και νοούμενον (69, 19) erweist sich dabei das κοινόν έξ^ρημένον, also das dem Besonderen, als das es sichtbar wird, enthobene Allgemeine; das κοινόν κατατεταγμένον, also das dem Besonderen zugeordnete Allgemeine, stammt von ihm her. Diese Unterscheidung zwischen κοινόν έξηρημένον und κοινόν κατατεταγμένον erm glicht die platonische Wendung des Ganzen.

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τα πρότερον είρημένα λέγειν (es handelt sich also hier, wie gesagt, um die Grundvoraussetzung der neuplatonischen Kategorieninterpretation), oti περί της αισθητής και φυσικής ουσίας ό λόγος και της εν ταύτη διανοητής, ... „Εν ταύτη διανοητής" zeigt, da die im einzelnen Sinnending sich zeigende Form als gegeben vorausgesetzt und nicht eigentlich auf die Art und Weise ihres Begr ndetseins durch die ουσία νοητή (dazu noch sp ter) befragt wird: Simpl. In Arist. cat. 78,40. bringt die Auseinandersetzung mit dem Einwand des Boethos, da zwar ύλη und σύνθετον der Bestimmung, nicht an einem Zugrundeliegenden zu sein, gen gten, da aber das είδος doch eher als Qualit t anzusehen sei oder einer der anderen sekund ren Kategorien zugeordnet werden m sse (insgesamt 78,10-20). Wiewohl dieser Einwand eher von der stoischen Position her bestimmt scheint, wonach zwischen dem K rper als solchem (ύποκείμενον) und dem K rper als qualifiziertem (ποιόν) zu unterscheiden sei (hier also wohl nicht in platonischer Konsequenz das Sinnending wie bei Plotin als συμφόρησις ποιοτήτων entlarvt werden soll), l t er sich doch in der Absicht, die gegenteilige porphyrianische Position zu vergleichen, mit den Einw nden Plotins gegen die aristotelische ουσία zusammenstellen: Einmal ist die Grundfrage, von der Plotin ausgeht, n mlich wie sich die „drei" aristotelischen ούσίαι: είδος, ΰλη und σύνθετον zueinander verhalten, dieselbe (in diesem Sinne wird Plotin sp ter 79,6 von Simplikios zitiert), zum anderen wird mit der Ordnung der sichtbaren Form eines Seienden unter das ποιόν oder eine andere der sekund ren Kategorien die Problematik der Unterscheidung zwischen wesentlicher und akzidenteller Beschaffenheit sichtbar. Porphyrios (den Simplikios hier zitiert) antwortet dagegen: ταύτα δε λέγοντα τον Βόηθον σφάλλεσθαί φησιν ό Πορφύριος, δτι το άντιδιαιρεθέν τη ΰλη είδος και ουσία (gemeint ist die άντιδιαίρεσις der ουσία in άσώματον = είδος und σώμα = ΰλη, ber die noch zu reden sein wird) ρηθέν υπό Αριστοτέλους, τοΰτο ποιότητα και άλλο τι των συμβεβηκότων φησίν. το γαρ π ο ι ω τ ι κ ό ν ο υ σ ί α ς ο υ σ ι ώ δ ε ς και δια τοΰτο ουσία* και γαρ το σύνθετον κατά το εΐδος μάλιστα ουσία (Simpl. In Arist. cat. 78,20-24 K.). Dieser Satz geht zwar einen Schritt in die Richtung Plotins, indem er mit dem ποιωτικόν zugesteht, da sich auch die wesentliche Form nur als Qualit t zeige, setzt aber als Wirkgrund dieser Beschaffenheit ein ουσιώδες voraus und hebt so nicht die Grenze zu den akzidentellen Beschaffenheiten auf, so da problemlos mit dem εΐδος ενυλον als ουσία weitergearbeitet werden kanna. 66 In gewisser Weise kommt diese Position der Plotins in II 6 [17] nahe, wo er (allerdings nach sorgf ltiger Abw gung der Probleme) unterscheidet zwischen der

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(2) Die Bestimmung der ουσία αισθητή und des ihr innewohnenden είδος zum Gegenstande der aristotelischen Kategorien trennt die Frage nach der Begr ndung des sinnlich wahrnehmbaren Seienden ab von seiner Gliederung durch die Kategorien. Das Verh ltnis von ουσία νοητή und ουσία αισθητή, das Plotin bei der Kategorienbehandlung, insofern die Kategorien wirkliche γένη του δντος sein wollen, gekl rt sehen m chte, spielt hier keine Rolle: ουκ ην οΰν του παρόντος Ιόγου περί της κοινής ουσίας των τε νοητών και των αισθητών άπορεΐν (Simpl. In Arist. cat. 76, 22/23). Da Simplikios solches feststellen kann, ist selbst eine metaphysische Aussage ersten Ranges: Da die aristotelesfreundlichen Platoniker die sinnliche Wirklichkeit durch das είδος χωριστόν (die ουσία νοητή) begr ndet finden, brauchen sie dem ενυλον είδος, insofern es in der Aussage definiert wird und dort als Zugrundeliegendes der Akzidentien erscheint (kurz: dem ganzen Regelgef ge der Kategorienlehre) nicht - wie Aristoteles - die Begr ndung der sinnlichen Wirklichkeit abzuverlangen und sind deshalb in den Stand gesetzt, die Kategorienlehre im Rahmen der aristotelischen Philosophie zu interpretieren. Sie stellen also an die Kategorienlehre nur den Anspruch, als ein Instrument die Sinnendinge dem diskursiven Denken verf gbar zu machen. So wird die Allgemeinheit der Kategorien unter der Hand zur Allgemeinheit von Pr dikatsklassen. Die besonderen Beziehungen, die die aristotelischen Kategorien aufgrund ihres unterschiedlichen Seinsranges haben, k nnen damit gleichsam als Beschreibung von Klassenmerkmalen genommen und so ohne Widerspr che gedeutet werden. Solche de facto formale Auffassung der Kategorien werden wir dennoch nicht als bewu ten Nominalismus bewerten d rfen 67 , da dieser dem Allgemeinen jede Wirklichkeit abspricht, w hrend ja f r Porphyrios das Allgemeine in Gestalt des platonischen κόσμος νοητός als h chste Wirklichkeit besteht und er auch den Bezug auf diese Wirklichkeit zu wahren sucht. So gibt sich denn auch die Ank ndigung des Porphyrios in der Εισαγωγή, er wesentlichen Beschaffenheit, die als ενέργεια und λόγος der ουσία χωριστή verstanden wird, und der akzidentellen Beschaffenheit; vgl. am Schlu des Traktates 3, 25/26: το άπηρημωμένον ουσίας (das was sich in Isolation von der ουσία befindet) ποιόν, το δε συν ταύτη ούσίαν fj εΐδος ή ένέργειαν. Diese Position wird aber in den Kategorientraktaten ausdr cklich korrigiert (VI 2,14,14-22) und von dem der ουσία αίσθητή angemessenen Standpunkt als συμφόρησις ποιοτήτων καΐ ύλης entlarvt (VI 3, 8, 20). Vgl. unten S. 254. 67 Zurecht betont deshalb Lloyd, Phronesis i, 1955/56,155 f. (auf dessen Ausf hrungen wir hier aufbauen), da der oft zitierte Nominalismus des Porphyrios gemessen am Nominalismus des Mittelalters diesen Namen nicht verdiene.

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wolle darstellen, was von den Peripatetikern λογικώτερον zu den anstehenden Fragen gesagt worden sei, ausdr cklich als Beschr nkung M. Es ist nur eben dies zu fragen, ob eine solche Beschr nkung der aristotelischen Kategorienlehre berhaupt voll gerecht zu werden vermag. Die M glichkeit, etwas blo „logisch" zu betrachten, geht zwar auf Aristoteles zur ck: Er tadelt die Platoniker wegen ihrer Annahme von Ideen als λογικώς σκοποΰντες und hebt sie gegen die φυσικώς ζητοΰντες ab69. Da er aber andererseits das Wesen eines Dinges in seinem λόγος fassen zu k nnen glaubt70, steht bei ihm der λόγος dauernd in der Spannnung zwischen dem Anspruch, der an ihn gestellt ist, und seiner tats chlichen Leistung. Erst wenn dem λόγος nicht mehr die Begr ndung der Wirklichkeit abverlangt wird, wenn also, wie es bei den Neuplatonikern der Fall ist, die Begr ndung der Sinnenwelt mit anderen Kategorien als denen erfolgt, in denen sich diese Wirklichkeit dem diskursiven Denken darbietet, wird das λογικώς ζητεϊν zur „Logik". (3) Wenn wir die aristotelischen Kategorien als Formen, in denen sich die Seinsverh ltnisse darstellen und zugleich konstituieren, auffassen, diese Auffassung als die eigentliche Intention des Aristoteles ansehen und sie der de facto formalen Verwendung der Kategorien bei den Neuplatonikern entgegenhalten, so bleibt doch zu bedenken, da bei Aristoteles selbst das Sprachliche die ihm zugedachte Autonomie seiner Geltung und seine Kompatibilit t mit den Seinsverh ltnissen nicht uneingeschr nkt und ohne Schwierigkeit zu erf llen vermag: Zur Begr ndung seiner ουσία mu Aristoteles teils auf die ουσία χωριστή qua Individuum (damit aber auf die der Wi barkeit sich entziehende Diversit t des Sinnlich-Wahrnehmbaren), teils auf die noetische Wesensgewi heit (damit aber auf eine der Geltung der platonischen Ideen entsprechende Einsicht) zur ckgreifen. Die zweite Art der beiden „Ausgriffe" aus dem Bereich des SprachlichDiskursiven erm glicht es den Neuplatonikern, dort, wo sie am deutlichsten auftritt, die Unterscheidung zwischen der ουσία νοητή und der ουσία αίσθητή bei Aristoteles selbst gegeben zu finden: Aristoteles unterscheidet Metaph. Λ ι, 1069 a 30 -b 2 zwischen der ουσία αισθητή (geteilt in die ουσία αισθητή φθαρτή, also die Sinnenwelt, und die ουσία αίσθητή άΐδιος, also die Gestirne) und der ουσία ακίνητος und ordnet letzterer die platonischen Ideen 6* Porph. Isag. i, 9-148., die ber hmte Formulierung des Universalienproblems. 69 Arist. Gen. et corr. I 2, 316311; vgl. Metaph. Λ ι, 1069 a 28; vgl. 8.119, Anm. loo. 70 Vgl. Metaph. Z 4, bes. 1029 b 19/20; 1030 a 6/7; Z 6, 1031 b 18-22; vgl. dazu oben S. 112 ff.

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zu (Λ i, 1069335), identifiziert sie selbst allerdings nur - da er ja die Ideen ablehnt - mit dem unbewegten Beweger der bewegten Wirklichkeit (insgesamt Λ 6, 1071 b 3 ff.)· An diese Unterscheidung kn pfen die Neuplatoniker an: και Αριστοτέλης δη εν τη Μετά τα φυσικά δύο ουσίας ειπών, την τε νοητήν και την αισθητήν, και τρίτην την μαθηματικήν ή την ψυχικήν, κοινήν του λόγου θεωρίαν δια πασών χωρούσαν άπέδειξεν. και Αρχύτας δε την πασαν ούσίαν φυσικήν τε και αίσθητήν και κινητικήν αποκαλεί, φυσικήν μεν την κατά την ΰλην και το είδος λέγων, αισθητήν δε την σύνθετον, κινητικήν δε την νοεράν και άσώματον, ως α'ιτίαν ουσαν κινήσεως της κατά ζωήν είδοποιουμένης· και δήλον δτι και αυτός τάς πολλάς ουσίας εις μίαν σύνταξιν περιέλαβεν (Simpl. In Arist. cat. 77, 4-1 1 K.). Dexippos bringt In Arist. cat. 41, 8 ff. B. die bei Simplikios f r Archytas gegebenen Unterscheidungen f r Aristoteles selbst. Die Neuplatoniker sehen also in dieser ουσία ακίνητος des Lambda ihre πρώτη ουσία und damit die Ideenwelt sowohl in ihrer gegliederten Vielheit als auch in ihrer Wirkung als Prinzip der Sinnenwelt gegeben. Noch vor der Nennung des Aristoteles hei t es bei Simplikios von der ουσία νοητή γ6, 2j — 77, ι Κ.: ίστέον ότι ή πρώτη και νοητή ουσία πάσας τάς ουσίας τάς τε νοητάς ΰφίστησιν και τάς α'ισθητάς, τάς μεν προσεχείς εαυτή, τάς 6έ πορρωτέρω; entsprechend Dexippos 41 > ϊ^-τ.6 Β.: και τούτω συνείληφε τάς πολλάς ουσίας εις την δλην ούσίαν. ΰπέθηκε δε αύτάς όμοΰ προς μίαν σύνταξιν και. προς μίαν αρχήν ανήγαγε. Die Neuplatoniker bauen damit auf einer Form der aristotelischen Lehre auf, die selbst noch von ihrer platonischen Herkunft bestimmt ist71 und deshalb zu dem Anspruch der Kategorien, die Formen des Seins an sich (also ohne einen transzendenten berbau) zu fassen, in Widerspruch steht. Bei Aristoteles bleibt der Widerspruch zwischen der Geltung der Kategorien als Lehre vom Sein schlechthin und der Annahme einer Stufenfolge verschiedener ούσίαι jedoch verborgen, weil die οίισία ακίνητος (= νοητή) die Bewegung nur im ganzen anst t, w hrend die formgebende Bewegtheit des Einzelnen als γένεσις vom artgleichen Einzelnen ausgeht: ... τα κινούν εν μεν τοις φυσικοΐς άνθρώπφ άνθρωπος . . . . Λ 4, 1070 b 30/31· Im Bereich der ουσία μεταβλητή kann dann entsprechend den Kategorien neben dieser wesentlichen Bewegung die Zahl der akziden teilen Bewegungen gestellt werden. Vgl. Λ ι, 1069 b 3: ή δ' αισθητή ουσία μεταβλητή, dann - nach der Darlegung der Grundbegriffe der Bewegungslehre — Λ 2, io 9b9: ει δη αί μεταβολαί τέτταρες, ή κατά το τί ή 71

Vgl. den Versuch Kr mers, Geistmetaphysik, 127-191, den aristotelischen unbewegten Beweger als Relikt der platonischen Transzendenz zu verstehen. Dazu hier S. 125 ff.

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χατά το ποίον η πόσον ή που, ... Die eigentlich seinskonstituierende Rolle des Sprachlichen spielt allerdings im Lambda der aristotelischen Metaphysik bezeichnenderweise keine Rolle. Bemerkenswert ist, da die Neuplatoniker bei ihrer Interpretation der aristotelischen ουσία ακίνητος als πρώτη ουσία der platonischen Ideenordnung dieses ausnutzen, da das πρώτον κινούν, insofern es die formgebende Bewegung im einzelnen Seienden anst t, (noch?) die Funktion des platonischen Gesamtseins in seiner Lebendigkeit aus bt. Der Schlu der zitierten Simplikios-Stelle sei wiederholt: κινητικήν δε (sc. ούσίαν) την νοεράν και άσώματον, ως αίτίαν οΰσαν κινήσεως της κατά ζωήν ε ι δ ο π ο ι ο ύ με ν η ς. Entsprechend hei t es bei Dexippos 41,10-12 B.: ή δε (sc. ουσία) τούτων ανωτέρω ή νοερά και ασώματος, ην άκίνητον μεν κινητικήν δε καλεί πολλάκις ως της ε ί δ ο π ο ι ο υ μ έ ν η ς κατά την ζωήν κινήσεως αίτίαν οΰσαν. (4) Nun ist allerdings das Verh ltnis der ουσία νοητή zu den ihr untergeordneten ούσίαι, wie es sich in der neuplatonischen Interpretation von Arist. Metaph. Λ zeigt, ein αφ5 ενός-Verh ltnis und erkl rt so keineswegs, wie ουσία νοητή und ουσία αισθητή einem Genus ουσία anzugeh ren verm gen. Wiewohl Simplikios betont, da die Frage nach dem Verh ltnis von ουσία νοητή und ουσία αισθητή f r die Geltung der aristotelischen Kategorien ohne Belang sei, da diese sich allein auf die ουσία αισθητή bez gen, ist es doch auff llig, da diese Frage nicht nur vorgenommen wird (... και καθ' αυτό γνώσεως άξιον, ήτις εΐη κοινή ουσία της τε νοητής και της αισθητής, Simpl. In Arist. cat. 76, 23/24 K.), sondern auch bei dem Bezug auf Arist. Metaph. Λ, das an sich ganz entschieden gegen ein gemeinsames Genus ber den verschiedenen ούσίαι spricht72, auf diese Vorstellung nicht v llig verzichtet werden kann. Zwar wird den Aristoteles-Kritikern vorgehalten, die von ihnen gemachte Voraussetzung eines gemeinsamen Genus treffe nicht zu, doch hei t es dabei nur, es sei falsch, die πρώτη ουσία ausschlie lich (μόνον) oder prim r (κυρίως) als Genus anzusehen: και δήλον ότι ου γένος μόνον αλλά και αρχή των μεθ' έαυτήν εστίν ουσιών, και ουδέ επίσης απαντά της αρχής ταύτης μεθέξει, ώστε ούτε γένος κυρίως ή τοιαύτη ουσία, όπερ ως όμολογούμενον δ άπορων προελάμβανεν (γγ,ι—^Κ.). Es zeigt sich also, da von der Vorstellung her, da die Kategorien oberste Genera seien, die Neuplatoniker im Falle der ουσία nicht umhin k nnen, sie als oberstes Genus ber σώματα und ασώματα zu setzen. 72 Vgl. hierzu die fr he Aristoteles-Stelle Metaph. I 10, 1058 b 28/29: ανάγκη έτερον είναι τφ γένει το φθαρτόν καΐ το δφθαρτον.

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Die L sung, die dann Simpl, In Arist. cat. 77,15 ff. K. gegeben wird, ist berraschend einfach: Es wird zwischen zwei Arten von ασώματα unterschieden derart, da das eine als die dem Einzelnen innewohnende Gestalt der K rperlichkeit dieses Einzelnen gegen bersteht (το μεν ως φύσις ώρισμένη και αντικείμενη τη σωματική, 77» 28/29 Κ.; vgl. jetzt noch einmal 78,2i K.: το άντιδιαιρεθέν τη ύλη είδος), da das andere άσώματον die ουσία νοητή, die die ουσία αισθητή prinzipiert, meint (το δε ως άπόφασις αίτία και της σωματικής και της ασωμάτου της αντικείμενης αύτη, 77>29/ 30 Κ.). Diese Unterscheidung zwischen den beiden Arten des άσώματον begegnet durchgehend bei den neuplatonischen Autoren und bildet die Grundvoraussetzung ihres Denkens, das einerseits der platonischen Transzendenz, andererseits der aristotelischen Kategorienlehre gerecht zu werden sucht73. Es finden sich entsprechend der Doppelheit des άσώματον die Paare έξηρημένον - ένυπάρχον (z.B. Simpl. In Arist. cat. 82, 35-83,8 K.), κατατεταγμένον - άκατάτακτον (z. B. Simpl. In Arist. cat. 79,25 K.), καθ1" αυτό ύφεστηκός - παρυφιστάμενον (z.B. Porph. Sent. 19; 7, 12 u. 15 Mommert). Dazu tritt als Drittes nach Bedarf — d. h. wenn vom είδος epistemologisch als κοινόν gehandelt wird - das Abbild des είδος in der Seele (also die genannte φυσική έννοια), die als Abstraktion aus dem Individuum dargestellt wird: τρίτον δε το εν ήμετέραις έννοίαις εξ αφαιρέσεως ΰφιστάμενον (Simpl. In Arist. cat. 83,8-10 K.). Bei Porphyrios finden sich zwei Stellen, Sent. 19 und 42, an denen die Doppelheit des άσώματον ausf hrlich er rtert und begr ndet wird; sie sind besonders wichtig, weil sie zeigen, da die exakte philologische Unterscheidung zweier Bedeutungen von άσώματον als hinreichende Kl rung eines ontologischen Problems angesehen wird74. W hrend Porphyrios an der ersten Stelle mit der (u. a. gegebenen) Kennzeichnung der ασώματα χωριστά als ένέργειαι und ζφαί αυτοκίνητοι (7,13/14 M.), der ασώματα αχώριστα als ζφαί παρυφιστάμεναι ταΐς ποιαΐς ένεργείαις („Leben, das in Verbindung 73 Vgl. zu dieser Unterscheidung neben der Arbeit von Lloyd, Phronesis i, 1955/56, 58-72 u. 146-160, noch D rrie, Porphyrios, 183-187, (besonders zu den zu nennenden Porphyrios-Stellen) und Hadot, Entretiens XII : Porphyre, 152/153. 74 Zum Habitus des porphyrischen Philosophierens vgl. D rrie, Entretiens XII : Porphyre, 3-25, und m ndlich: Porphyrios ist der Ansicht, da die Geschichte der Philosophie ein bisweilen mehr, bisweilen weniger deutliches Hervortreten der einen, unverwechselbaren Wahrheit sei. Der daraus folgenden These, da es im Grunde keine unl sbaren Widerspr che zwischen den philosophischen Schulen gebe, wird Porphyrios oft in der Weise gerecht, da er eine ontologische Problematik als blo sprachliches Mi verst ndnis hinstellt oder umgekehrt durch eine treffendere Bezeichnung einen sachlichen Widerspruch zu gl tten sucht.

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mit qualitativen Wirkungen besteht", d.h. das sich am K rper als Qualit t zeigt) um eine metaphysische Kennzeichnung und Unterscheidung beider ασώματα bem ht scheint, geht er an der zweiten Stelle von rein philologischen Kategorien aus. Wiewohl den ασώματα αχώριστα hier berhaupt kein Sein zugesprochen wird (ασώματα κατά στέρησιν σώματος, 40» 9 Μ.; allerdings auch schon Sent. 19; 7, ίο Μ., ... τα δε ουκ οντά) und sie als gedankliche Abstraktion vom K rper erscheinen (... ή ΰλη ... και το είδος το επί ύλης, όταν έπινοήται άποληφθέν από της ύλης, 40, ιο/ιιΜ.), handelt es sich hierbei doch um die eigentliche Bedeutung (κυρίως) des Wortes άσώματον, w hrend die auf die νοητά zutreffende (40,20 M. als νους und νοερός λόγος) als bertragung des Wortsinnes (καταχρηστικώς, 40, 14 M.) zu werten ist. (5) Das Bild des neuplatonischen Formalismus, der Platonismus und Aristotelismus nebeneinander m glich macht, wird vollst ndig, wenn sich der Nachweis f hren l t, da die Unterscheidung zwischen πρώτα und δεύτερα αισθητά, die das problemlose Nebeneinander der akzidentellen und der wesentlichen Beschaffenheit erm glicht, der Sache nach in den neuplatonischen Kategorien-Kommentaren ebenfalls vorliegt. Als Hauptmerkmal der neuplatonischen Behandlung der aristotelischen Kategorie der Qualit t, die wir in ihren Grundz gen am Text des Simplikios (In Arist. cat. 206, i ff. K.) zu verdeutlichen suchen, tritt dieses hervor: Einerseits kann auf die Vorstellung von der ποιότης als von einem Unk rperlichen, das Ursache des ποιόν am K rper ist, nicht verzichtet werden; andererseits wei der Platoniker immer, da die Unk rperlichkeit der Qualit ten nicht ein άσώματον καθ' αυτό ist, also kein im Sinne des είδος χωριστόν bewirkendes Prinzip vorliegt, sondern die Qualit ten in ihrem Sein wesentlich mit der K rperlichkeit, an der sie sich finden, verbunden sind. Es ist charakteristisch f r diesen Zwiespalt, da einerseits die Qualit ten an sich mit Termini gekennzeichnet werden, die auf die Ideen zutreffen (ασώματα, απλούστατα, πρώτα, αίτια, 209,3°~"325 2Ι °>· 2Ι ~ 2 3)> da andererseits das Innewohnen der Qualit ten im K rper als wesentliches Merkmal hervorgehoben wird (die Qualit ten als έκτα, 209, i o ff.; ταΰτα ουκ έξωθεν, αλλ' εν τοις εχουσιν εμπεριέχονται πάντα. 209, 33 '·> είδος γαρ εστίν ή ποιότης του έχοντος, 213,35)· Dieser Zwiespalt in der Wertigkeit des Terminus ασώματος mu notwendig zu einem schematischen Gebrauch seiner selbst sowie aller jener Termini f hren, die im Rahmen der μέθεξιςLehre die Verbindung von σώματα und ασώματα bezeichnen und gleicherma en f r das Verh ltnis des εΐδος χωριστόν zum εΐδος ενυλον wie f r das

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Verh ltnis der ποιότης zum ποιόν angewendet werden: Simplikios stellt 210,13 ff. K. zwar den Unterschied zwischen der Art und Weise der Teilhabe des είδος ενυλον am είδος χωριστόν und der Teilhabe des ποιόν an der ποιότης fest ( α μ έ σ ω ς δε ή του είδους φύσις αιτία εστίν μηδενός μεταξύ παρεμπίπτοντος του τε μετεχομένου και του μετέχοντος· παρούσα γαρ εν τω είναι ευθύς ειδοποιεί το μετέχον, 2ΐο, 13-15; dagegen bei den Akzidentien: μ ε σ ο ν δε αεί το σ ώ μ α τάττεται, οίον ό φρόνιμος, της τε πρώτης αίτιας, οίον του είδους της φρονήσεως, και του εσχάτου απ' αυτής αποτελουμένου κατηγορήματος, οίον του φρονεΐν, 21 ο, 17-19); aber gerade daran, da trotz dieses Unterschiedes der Begriff des άσώματον beibehalten und auch die Teilhabe-Metaphorik verwandt wird, zeigt sich, da - entsprechend der Unterscheidung von δεύτερον νοητόν und δεύτερον αίσθητόν bei Albinos der Unterschied zwischen der wesentlichen Beschaffenheit eines Seienden und seiner akzidentellen Beschaffenheit vorausgesetzt und unretlektiert die Beziehung zu jeweils einem πρώτον angenommen wird. Ans tze, die - wie bei Plotin - zur Durchbrechung dieses Schemas f hren k nnten, werden nicht konsequent zuende verfolgt: Die 210,3 ff. K. berichtete Theorie, die die λόγοι als Pendant zur ύλη sieht und aus ihnen - die beide selbst ewig sind - die sich wandelnden Qualit ten der Sinnenwelt entstehen l t, hnelt der plotinischen Erkl rung der Qualit t als Wirkung von λόγοι, die von der noetischen Form ausgehen und sich in der ύλη als Qualit t zeigen, au erordentlich75. Wichtig ist jedoch dieses: Es kommt jedenfalls in der Darstellung des Simplikios, die unmerklich (ganz sicher wieder von 210, 13 ff. an) vom Referat zur selbstvertretenen Lehre bergeht und die eben zitierte Unterscheidung zwischen der wesentlichen und der akzidentellen Art und Weise der Teilhabe bringt - nicht zu dieser Konsequenz, da mit der Deutung der Sinnenwelt als ποιόν, der Geisteswelt als ουσία die aristotelische Kategorieneinteilung berhaupt in Frage gestellt wird. Es gilt f r die aristotelesfreundlichen Neuplatoniker der eingangs der Behandlung der Qualit t durch Simplikios formulierte Grundsatz: ει δε τις διαφέρειν λέγοι την ποιότητα και το ποιόν, καθ' όσον ή μεν επί του άπλοΰ είδους, το δε μετά του υποκειμένου θεωρείται, και ούτως ουδέν ήττον μία εΌται κατηγορία ή του ποιου και της ποιότητος. (Simpl. In Arist. cat. 208, 14-17), in dem man vielleicht eine Abwehr solcher Behandlung der Kategorienlehre sehen kann, wie wir sie bei Plotin finden. 75 Vgl. Plotin VI 3,16,36-40: ούσίαν δε αίσθητήν το εκ πάντων των είρημένων θέμενοι ουδαμώς άσώματον ούσίαν εν αύτη τάξομεν. ποιότητας δε ασωμάτους άπάσας λέγοντες εν αύτη πάθη δντα νενευκότα τηδε ένηριθμήσαμεν καΐ λόγους ψυχής τίνος.

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Die von Aristoteles Cat. 8, 8 b 25 gegebene Definition der Qualit t: ποιότητα δε λέγω, καθ' ην ποιοι τίνες λέγονται ist f r die Neuplatoniker erkl rungsbed rftig, weil sie die ποιότης von dem ποιόν her und nicht umgekehrt das ποιόν von der ποιότης her zu bestimmen scheint. Diese von der Anschauung des ποιόν am Einzelnen ausgehende Bestimmung der ποιότης nennt Simplikios mit Porphyrios den λόγος έννοηματικός, der sich von der Definition, dem λόγος ουσιώδης, unterscheidet: δ περί της ποιότητος λόγος έννοηματικός εστίν, αλλ' ουκ ουσιώδης, εστίν δε έννοηματικός ό από των γνωρίμων τοις πασιν ε'ιλημμένος και κοινή παρά πασιν όμολογούμενος (Simpl. In Arist. cat. 213,11-13 K.). Mit dieser Herleitung der ποιότης aus dem ποιόν wird also die ποιότης keineswegs als das an sich Sp tere angesehen, sondern die aristotelische Art der Erkl rung nur als didaktischer Kunstgriff genommen76. Eine vage Platonizit t bleibt also mit der H herbewertung der ποιότης erhalten. Beachtenswert ist dann allerdings die Bemerkung, die Simplikios 213,281!. K. erg nzend zu Porphyrios macht, mit der er ganz entschieden die Qualit t in ihrer Abh ngigkeit von der K rperlichkeit herausstellt und so der Auffassung des ποιόν als universaler Kategorie der Sinnenwelt nahekommt: και λέγεται μεν και ταΰτα καλώς, έτι δε καλλίων απολογισμός δ λέγων ως ει μεν καθ' Ιαυτήν ην ή ποιότης, έδει ζητεΐν, τίς ούσα μετέχεται* ει δε εν ήμϊν εστίν και ουκ εκτός των ποιών ΰφέστηκεν, δήλον ως ουκ άλλο μεν αύτη το είναι, άλλο δε το μετέχεσθαι, ουδέ καθ' έτερον μεν τρόπον εστί καθ' έαυτήν, κατ' άλλον δε τφ ποιφ παρέχει το εΤναί τε και λέγεσθαι, αλλ' εν τω αΰτφ το τε εχεσθαι και το είναι και το ποιόν παρέχεσθαι επί της ποιότητος θεωρείται· είδος γαρ εστίν ή ποιότης του έχοντος (213,28-35)· Nur wird auc^ hier die Konsequenz, nach dem Verh ltnis von είδος ενυλον und ποιόν am Einzelnen zu fragen, nicht gezogen. Zwar hei t es wenig sp ter 214,9/10: α ί σ θ η τ ό ν γαρ το π ο ι ό ν και γνώριμον τοις εχουσιν αΐσθησιν, πάντες δε σχεδόν εχομεν ν ο η τ ό ν δε ή π ο ι ό τ η ς και μόνοις τοις νουν εχουσι γνώριμος, νου δε ολίγοις μέτεστιν άνθρώποις; doch zeigen die Zus tze ber die Erkenntnisf higkeit des Menschen, da es hier nicht - wie bei Plotin - darum geht, die Qualifiziertheit eines Seienden insgesamt als k rperlichen Ausdruck seiner geistigen Form darzustellen, sondern es findet sich lediglich die These von dem ποιόν als 76 Simpl. In Arist. cat. 211, 32-34 K.: οικείος δε, φασίν, ό από του λέγεσθαι της διδασκαλίας τρόπος τη των Κατηγοριών εστίν προθέσει· από γαρ τοβ λέγεσθαι κατά την ποιότητα το ποιόν ένδείκνυσθαι αυτήν πειράται. Hinter allem steht der Gedanke, das Corpus Aristotelicum sei die Darlegung eines philosophischen Systems, zu der die „Kategorienschrift'' die Einf hrung darstellt. Vgl. Simpl. In Arist. cat. 13,26-29 K.

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dem f r die Erkenntnis N herliegenden wiederaufgenommen. Was die ποιότης als νοητόν im Unterschied zu der platonischen Idee (dem άσώματον καθ' αυτό) eigentlich sei, bleibt offen; dieses νοητόν r ckt in gro e N he zum stoischen νόμηα, wie schon umgekehrt bei der Erkl rung des Verh ltnisses von ποιότης und ποιόν als μέθεξις der stoische Ausdruck κατηγόρημα zugelassen (210,19) und so indirekt die ποιότης (trotz ihrer Einstufung als πρώτη usw.) in die N he eines Allgemeinbegriffes ohne Realit t ger ckt wurde. Doch verm gen die aristotelesfreundlichen Platoniker weder die eine noch die andere Konsequenz zu ziehen: Als Platoniker k nnen sie nicht (wie die Stoiker) in den Qualit ten als solchen eine blo e Abstraktion aus der k rperlichen Beschaffenheit sehen, als Aristoteliker k nnen sie nicht (wie Plotin) in der Qualit t die Seinsform des Sinnlichen schlechthin sehen, der die Seinsform des Geistigen als ουσία gegen bersteht, da sie sonst die aristotelische Einteilung nach Kategorien in Frage stellen m ten. d) Das Nebeneinander von transzendenter und immanenter Form bei Plotin (i) Die im Mittelplatonismus und aristotelesfreundlichen Neuplatonismus anzutreffende Unterscheidung zwischen είδος ενυλον und είδος χωριστό ν und die Beschreibung ihres Verh ltnisses als μίμησις, μετάληψις usw. geht an solchen Stellen, die kein n heres Bedenken erfordern, auch bei Plotin in die Diskussion ein, wobei das είδος einfachhin als Beharrendes in den Flu der Materie gesetzt wird: τοις μεν γαρ των σωμάτων τη φύσει του καθέκαστον ρέοντος ατέ έπακτοΰ του είδους δντος το είναι κατ' είδος αεί υπάρχει μιμήσει των όντων (IV 3 [27] 8,24-27)". Insbesondere ist die Seele, insofern sie inkorporiert ist, als είδος ενυλον des betreffenden K rpers anzusprechen, wobei sie selbst sich aber als wirkende Ursache wie das είδος χωριστόν von dem είδος ενυλον von ihrer k rperlichen Manifestation unterscheidet: αλλ' ουδέ ως είδος εν ύλη (sc. ή ψυχή εστίν εν τφ σώματι)· άχώριστον γαρ το εν ύλη είδος, και ήδη ύλης ούσης ύστερον το είδος- ή δε ψυχή το είδος ποιεί εν τη ύλη άλλη του είδους ούσα (IV 3 [27] 2ο, 36-39)78· 77

Vgl. noch II ι [40]' ι, $16: των στοιχείων ή μεταβολή καΐ των ζφων των περί γήν ή φθορά το είδος σφζουσα ...; ι, 24/25 ... φεούσης αεί της φύσεως του υποκειμένου, το είδος αλλού δίδοντος; Ι 6 [ι]' 3> 8/9: ... το Ινδον είδος μερισθέν τφ Ιξω ΰλης δγκω, άμερές δν Ιν πολλοίς φανταζόμενον ... 7 « Es wird auch von dem „oberen" und dem „unteren" Teil der Seele gesprochen, z. B. Ι τ [53] 3« I 2 ff·! 4> J9 f· und ln der Mischungsterminologie (ibid.) das Verh ltnis von der Seele an sich, der inkorporierten Seele und dem K rper zu kl ren gesucht. -

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Ferner wird bei der Erkl rung der aristotelischen δυνάμει-ένεργεία-Relation die Aktualit t des Sinnendinges als είδος interpretiert und von diesem als ενέργεια απλώς die Kraft unterschieden, die das είδος ενυλον und damit die Aktualit t bewirkt: και γαρ αυτό το ενεργεία; δν το συναμφότερον, ούχ ή ΰλη, το δε είδος το έπ° αύτη (II ^ [25] 2,10-12); ή ουκ άτοπον την ένέργειαν, καθ' ην ενεργέ ίςι εστί καί ου μόνον δυνάμει, την μορφήν και το είδος λέγειν, ούχ απλώς ένέργειαν, άλλα τοΰδε ένέργειαν έπει καί αλλην ένέργειαν τάχα κυριώτερον αν λέγοιμεν, την άντίθετον τη δυνάμει τη έπαγούση ένέργειαν (Π ^ [25] 2,28-32). (2) In allen diesen (exempli gratia angef hrten und beliebig zu vermehrenden) F llen setzt Plotin die Unterscheidung von εΐδος χωριστόν und είδος ενυλον voraus und verzichtet genauso wie die aristotelesfreundlichen Mittel- und Neuplatoniker darauf, das Verh ltnis von Sein und Erscheinung anders als durch den Hinweis auf die Teilhabe des einen am anderen zu bestimmen. Innerhalb dieses Verst ndnishorizontes stehen zun chst auch die Stellen aus den plotinichen Traktaten Περί των γενών του δντος (VI 1—3)» die die ουσία αισθητή mitsamt ihrem εϊδος zum Zugrundeliegenden der Akzidentien machen79 und die Akzidentien nach stoischem Vorbild gleichsam ph nomenologisch in συμβεβηκότα und κατηγορούρενα einteilen M oder sonst auf eine Weise zu gliedern suchen. Solches Nebeneinander von Teilhaberelation und Kategorienlehre kann weder der platonischen DihairesisDialektik, insofern diese selbst als Antwort auf das Teilhabe-Problem verstanden werden mu , gerecht werden; noch entspricht es der Intention der aristotelischen Kategorienlehre, insofern diese die Bewegung im λόγος zu fassen und so das Sein des Bewegten hervortreten zu lassen sucht (so da es einer ουσία νοητή gar nicht bedarf). Plotin unterscheidet sich nun aber - und das soll als Ziel dieser Arbeit gezeigt werden - von den Aristoteles-Verteidigern darin, da er schlie lich doch bei der Behandlung der Kategorien-Frage ber das unreflektierte oder blo formal erkl rte Nebeneinander der Beziehungen είδος χωριστόν - είδος ενυλον und είδος ενυλον-Akzidentien hinausgeht und platonisch die SinnenStellen, die von einer Depravation der inkorporierten Seele sprechen (II 3 [52] 9, 22: ή σώματος φύσις ψυχής τι ίχνος λαβοϋσα; Ι 8 [51] 8, 15 ... άλλα λόγοι Ινυλοι φθαρέντες ίν ΰλη) bringen vor das Problem, wie sich das Wesen (είδος χωριστόν = ψυχή) zu der Erscheinung verhalte und fuhren schlie lich zur Analyse des εΎυλον είδος. So ist bei Plotin auch dort, wo er sich traditionsgem der Unterscheidung zwischen είδος χωριστόν und εΐδος ΙΎυλον bedient, meist gr ere Problemoffenheit als in den Aristoteles-Kommentaren der Neuplatoniker gegeben. 79 Vgl. S. 141, Anm. 16. so Vgl. S. 164, Anm. 52.

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weit als ποιόν, die Geisteswelt als ουσία kategorial voneinander unterscheidet. Die wesentlichen Merkmale einer solchen Haltung sind die Bestimmung der Form des Geistigen als γένη δμα και άρχαί (Kap. V i.); die b e w u te Abwertung der Ratio discursiva - deren Formen sich ja die aristotelische Kategorienlehre bedient - als Mittel origin rer Erkenntnis (2.) und das Verst ndnis der Sinnenwelt als συμφόρησις ποιοτήτων και ύλης, das die Unterscheidung zwischen spezifischer Differenz und akzidenteller Beschaffenheit (auf der die Kategorienlehre des Aristoteles gr ndet) hinf llig werden l t (3.). Dieses Vorgehen ist zun chst konsequenter Platonismus, weil Plotin sich auf die noetischen Voraussetzungen und die durch den Bezug auf die Sinnendinge gegebene Beschr nktheit der Ratio discursiva besinnt. Plotin weicht freilich darin von Platon ab, da er die vieleinheitliche Form des Geistigen nicht mehr in der Spannung zwischen noetischer Einsicht und der diskursiven Form ihrer Darstellung gegeben sieht (so da die Diskursivit t selbst der „Ort" ist, an dem die noetische Einheit die sinnliche Vielheit zur Bestimmtheit bringt und so die „Teilhabe-Frage" gel st wird), sondern da er die Form des Geistigen in Antithese zur Diskursivit t erkl rt und so die Teilhabe durch die Lehre von den λόγοι als den Wirkkr ften sichern mu .

Kapitel V Plotins Frage nach der Leistung des diskursiven Denkens bei der Seinserkenntnis als Grundlage seiner Aussagen zum Katgorienproblem j. Die Form des wahren Seins: γένη άμα και άρχαί a) Γένη άμα και άρχαί? - Die Frage nadi der Vereinbarkeit des Unvereinbaren (i) Nadi der Zur ckweisung der aristotelischen und der stoisdien Kategorienlehre will Plotin in VI 2 seine eigene Lehre bringen, er will „darlegen, was meine eigene Meinung in dieser Frage ist, und versuchen, meine Meinung auf die Lehre Platons zur ckzuf hren" (... άκόλουθον αν ειη είπεΐν, τί ποτέ ήμϊν περί τούτων φαίνεται τα δοκοΰντα ήμΐν πειρωμένοις εις την Πλάτωνος άνάγειν δόξαν, VI 2, ι, 3-5) 1· Ausgehend von der VI ι, ι, 8 gemachten und begr ndeten Voraussetzung, da Pluralit t auch in der Geisteswelt unabdingbar sei (VI 2,1, 5/6), diskutiert Plotin VI 2, i, 5-16 und 2, i ff. verschiedene Formen, die die geforderte Pluralit t haben k nnte; auf jeden Fall handelt es sich um „ein vielf ltiges Eines, das das Viele zur Einheit hin vermittelt in sich fa t" (ή εν άμα και πολλά λέγομεν, καί τι ποικίλον εν τα πολλά εις εν έχον, 2, 3)· Die dann 2,4/5 genannten beiden Formen τφ γένει εν εΐναι, είδη αύτοΰ τα οντά und πλείω ενός γένη, ύφ' εν δε τα πάντα haben nicht die geforderte Form von Einheit, also die des Geistigen; die 2, 6 ff. behandelte und am ausf hrlichsten dargestellte M glichkeit (γένη άμα καί άρχαί, 2, 11) wird im Nachhinein als die richtige best tigt: νυν δ' έπεί συγκεχωρήκαμεν καί γένη είναι καί προσέτι καί της ουσίας αρχάς καί τρόπον Ιτερον αρχάς καί συνθέσεις, ... (VI 2, 2, 27-29). l Vgl. dann die berleitung VI 3,1,1/2: περί μεν της ουσίας οπή δοκεΐ, καί ως συμφώνως δν £χοι προς την του Πλάτωνος δόξαν, είρηται.

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Alles Folgende hat so nur die Aufgabe, diese besondere Form von Einheit und Vielheit darzulegen. (2) Nun scheint freilich die Erkl rung der Kategorien des wahren Seins als άρχαί „weil das in diesem Sinne Seiende aus dem Vielen ersteht und weil aus ihnen das Gesamtsein besteht", als γένη „weil unter ihnen andere, niedere Klassen stehen, weiterhin Arten und Individuen" 2 Unvereinbares vereinbaren zu wollen, da mit dieser Doppelkennzeichnung des Geistigen sowohl die Strukturmomente des Geistigen im Sinne des platonischen „Sophistes" bezeichnet als auch im Sinne der aristotelischen Kategorienlehre alles Seiende inhaltlich gegliedert werden soll; dies beides aber so, da Plotins Kategorien des Geistigen als γένη platonisch hypostasiert gegen ber den είδη und den Individuen gedacht werden, da sie als άρχαί sich einfach additiv zum Ganzen des Geistigen zusammenf gen, ohne die im „Sophistes" mit ihnen gemeinte Dialektik wirklich nachzuvollziehen3. Diese Schwierigkeit, auf die eingangs der Plotin-Interpretation bereits mit dem Bemerken hingewiesen wurde, da durch sie das Bild des Ontologen Plotin eine empfindliche Verdunklung erfahren m sse, wird prima facie durch mehrere Stellen unterstrichen: Als Plotin VI 3,3,6-12 er rtert, ob die ΰλη ein γένος sei, geht er davon aus, da die Materie sich zwar als Gemeinsames (κοινόν) in allen sinnlich wahrnehmbaren ούσίαι finde, deshalb aber keineswegs als γένος anzusehen sei; denn (und damit gewinnen wir zwei positive Bestimmungen f r Plotins Begriff von einem γένος): (ι.) Das Genus mu sich differenzieren (ου μην γένος, ότι μηδέ διαφοράς έχει - sc. ή ΰλη -, VI 3,3> 7/8)4; (2.) Das Genus ist ein Gemeinsames, das sich au erhalb dessen findet, dessen Genus es ist. Das Genus ist nicht wie die Materie etwas, das sich blo an allen findet, die an ihm teilhaben, ist auch nicht als Ganzes die Summe dessen, das unter es f llt; das g be eine falsche Vorstellung (ει δε τις άρκοΐτο τω κοινφ τφ εν πασιν οΐς εστίν ΰλην είναι, ή ως όλον προς μέρη, άλλως γένος 2

VI 2, 2,12-14: γένη μεν, ότι υπ' αυτά αλλά γένη έλάττω καΐ είδη μετά τοϋτο κοί ατομα· αρχάς δε, εΐ το δν ούτως εκ πολλών καΐ εκ τούτων το δλον υπάρχει. Vgl. die vorangehenden S tze 2,6-11, zitiert oben S. 142. * Vgl. bereits S. 141-143. * Es sei denn, f gt Plotin Zeilen 8/9 hinzu, man nimmt als Unterschied der Materie, da sie sich teils als Luft, teils als Feuer usw. zeigt. Diese Bemerkung beugt allen Mi verst ndnissen vor, der geforderten Differenzierung die Form sinnlich wahrnehmbarer Unterschiedenheit zuzuschreiben. Der Sache nach entspricht das der platonischen Lehre, wonach die Unterschiede zwischen den Elementen qua Feuer, Wasser usw. als Unterschiede der Sinnenwelt zu gelten haben, w hrend ihre wi bare Form jenseits des Sinnlichen (bei Platon im Mathematischen) zu suchen ist. Vgl. S. 14 ff.

Die Form des wahren Seins: γένη &μα και άρχου

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αν εΐη, VI 3, 3, 9"11)· Lie e man einen solchen „γένος" -Begriff gelten, dann w re die Einheitlichkeit, die das Genus repr sentiert, mit der der Elemente identisch, und es k nnte umgekehrt auch jedes Element als γένος auftreten (και στοιχεΐον δε εν τοΰτο δυναμένου και του στοιχείου γένους είναι, VI 3, Mit Aristoteles sind wir gehalten, zwischen einem κοινόν εν πασι (also einem den Dingen gemeinsamen Bestandteil) und einem κοινόν κατά πάντα (also einem gemeinsam von den Dingen Ausgesagten) zu unterscheiden, so da danach die Ablehnung des κοινόν εν πασι als Bestimmung des γένος noch nicht ein platonisches κοινόν παρά πάντα bedeuten m te 6. Doch gerade dieses (und damit eine Hypostasierung der Allgemeinbegriffe) scheint gemeint. Als Plotin VI 2, 19 die Ableitung der είδη aus den γένη bespricht, betont er: „Man mu auch davor auf der Hut sein, da das einzelne γένος nicht in seinen είδη verschwindet" (έπεί κάκεΐνο δει παραφυλάττειν, όπως μη άφανίζοιτο εκαστον (sc. γένος) εν τοις εΐδεσι, VI 2, 19, 12/13). VI 3, 9, ictfi., wo Plotin die aristotelische Einstufung der Individuen als πρώται, der είδη und γένη als δεύτεραι ούσίαι (Cat. 5, 2 a 1 1 ff.) zur ckweist, bringt er u. a. das Argument (VI 3, 9, 36—38): έτι πρότερον τη φύσει το γενικώτερον, ώστε και το είδος του ατόμου* το δε πρότερον τη φύσει και απλώς πρότερον. Die Gleichsetzung von φύσει πρότερον und απλώς πρότερον ist nat rlich aristotelisch7, der Einwand aber, den Plotin (gleichfalls in aristotelischer Sprache) sich anschlie end (Zeilen 38/39) selbst macht, und s Zu konstruieren ist m. E. der Satz: „Iv τοϋτο (das Genus, d. h. die vom Genus verk rperte Einheit, Subj.) w re auch στοιχεΐον (w re mit dem beim στοιχεΐον sich findenden Modus der Einheitlichkeit identisch, Praed.), wenn auch das στοιχεΐον ein γένος zu sein verm chte.1' Die Irrealit t (sprachlich nicht ausgedr ckt, weil ein allgemeiner Schlu b = a, wenn a = b vorliegt) ergibt sich aus dem Kontext und der VI i, i, 10 und VI 2, 2, 16 (dort αρχή f r στοιχεΐον, dar ber gleich im Abschnitt b) dieses Paragraphen S. 225 f.) deutlich ausgesprochenen Trennung von γένος und στοιχεΐον. Es soll mit diesem Satz auf das Paradox aufmerksam gemacht werden, das folgt, wenn man die Einheit des Genus wie die des Elementes erkl rt: Dann m ten alle γένη στοιχεία sein. 6 berwiegend erscheinen bei Aristoteles die Genera als κοινά κατά πάντων (πολλών) (vgl. Bonitz, Index Aristotel., 399bi8ff.): φανερόν δτι ουδέν των καθόλου υπαρχόντων ουσία εστί, και δτι ουδέν σημαίνει των κοινή κατηγορουμένων τόδε τι, άλλα τοιόνδε (Arist. Metaph. Ζ 13, 1038 b 35 -1039 a 2); κοινόν f r die Elemente steht Arist. Metaph. Λ ι, 1069328-30: ot δε πάλαι τα καθ' Εκαστα, οίον πυρ και νήν, αλλ* ου το κοινόν σώμα (. . . το κοινόν, σώμα . . . also σώμα als Apposition, Ross); vgl. auch Meteor. IV 8, 384 b 30. - Das platonische παρά τα πολλά findet sich Arist. fr. 187 Rose3 (Alex. In Arist. melaph. 79, 3 ff. H. aus Περί Ιδεών), allerdings bereits kritisch, da Ar. es ablehnt, das f r das Wissen notwendige παρά τα καθ* Ικαστα als Idee anzusehen. 7 Arist. Phys. 1 1, 184 a 18-23.

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dessen Widerlegung zeigen, da die Priorit t „φύσει" als Priorit t der platonischen Ideen verstanden wird8. Auf den Satz αλλά το καθέκαστον προς ημάς γνωριμώτερον δν πρότερον (sc. εστί) antwortet er: τοΰτο δ'ούκ εν τοις πράγμασι την διαφοράν έχει. („Das macht aber in der Wirklichkeit keinen Unterschied aus")9. Das hei t: Das Sein der Dinge ist in einer Weise begr ndet und gesichert, die unabh ngig von der M glichkeit, den Dingen mit der sinnlichen Wahrnehmung zu begegnen, besteht. Mit anderen Worten: πράγματα sind letztlich die Dinge, insofern sie durch ihre geistig erfa bare Form (d. h. die Ideen) begr ndet sind. Den Ideen aber kann ihr Seinsvorrang nicht dadurch genommen werden, da wir den Dingen vordergr ndig mit der sinnlichen Wahrnehmung begegnen. Folglich haben die geistig erfa baren Formen (είδη, γένη) den Vorrang vor den Individuen. Neben diesen Stellen, die die Genera als hypostasierte und dihairetisch gegliederte Allgemeinbegriffe herauszustellen scheinen, stehen dann die Stellen mit der Angabe, da sich der κόσμος νοητός aus den Genera wie aus άρχαί (στοιχεία) zusammensetze. Da sind zun chst die bereits genannten Formulierungen des in Frage stehenden Kapitels VI 2, 2: συντελεΐν απαντά εϊς μίαν φύσιν και εκ πάντων τω νοητω κόσμφ, δν δη λέγομεν το δν, την σύστασιν είναι* ει δη τοΰτο, ου μόνον γένη ταΰτα είναι, άλλα και αρχάς του δντος άμα ΰπάρχειν (2, 8-ιι); ... αρχάς δε, εΐ το δν ούτως εκ πολλών και εκ τούτων το όλον υπάρχει (2,13/14)· - Π 6 [17] ι, 3 wird von κίνησις, οτάσις, ταύτόν, έτερον als den στοιχεία der ουσία gesprochen; VI 2, 18, 12-15 hei t es ber den νους: ό δε νους ον νοοϋν και σύν&ετον εκ πάντων οΰχ εν τι των γενών και εστίν ό αληθινός νους δν μετά πάντων και ήδη 8

Da hier mit einiger Leichtigkeit Aristoteles durch Aristoteles widerlegt werden kann, beruht darauf, da bei Aristoteles einerseits mit der eindeutigen Unterscheidung von φύσει und προς ήμας πρότερον noch die platonische Bewertung und Trennung von Nicht-Sinnlichem und Sinnlich-Wahrnehmbarem nachklingt, da andererseits die Unterscheidung der „Kategorienschrif t" zwischen πρώτη und δευτέρα ουσία eindeutiger als sonst im Corpus Aristotelicum dem Individuum als solchem die Priorit t zuschreibt, so da indirekt bei Aristoteles selbst zwei verschiedene Positionen vorliegen. Wenn man gegen ber den beiden Extremen die „aristotelische" Position zu bezeichnen sucht, wird man auf die Komplexit t des aristotelischen φύσις-Begriffes verwiesen: Die φύσις l t sich (wiewohl sie eher den eidetischen als den hyletischen Aspekt des von Natur Seienden bezeichnet, vgl. Phys. II i, 193 b 3-8) nicht von dem Individuum, dessen φύσις sie ist, und darum auch nicht von ihrem sinnlichen Erscheinen trennen, so da von hieraus πρότερον προς ημάς und πρότερον απλώς nicht eindeutig geschieden werden k nnen. 9 Dies die bersetzung von Harderi, die richtig ist, wenn man nicht quasi adverbiell „in Wirklichkeit", sondern „in der Wirklichkeit", d.h. im κόσμος νοητός versteht. Ficino: „Hoc autem nullam in rebus differentiam efficit." Br£hier: „Mais cela ne fait pas de difference dans la realite mSme." Cilento: „Ma questo fatto non comporta nessuna vera differenza nelle cose."

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πάντα τα οντά, το δε δν μόνον ψιλόν εις γένος λαμβανόμενον σ τ ο ι χ ε ΐ ο ν αύτοΰ. (3) Gegen ber diesem ersten Anschein l t sich nun jedoch zeigen, da die mit dem Ausdruck γένη άμα και άρχαί intendierte Form geistigen Seins in der Art ihrer Zusammensetzung ber die δλον-μέρη-Vorstellung, in der Art ihrer Gliederung ber die von Pr dikatsklassen hinausgeht. Dieses Ergebnis, das oben bei der Unterscheidung von γένος und κατηγορία bereits apodiktisch ausgesprochen war, soll nun im folgenden so erreicht werden: Zun chst ist zu zeigen, da στοιχεΐον zwar entsprechend der nacharistotelischen Tradition auch bei Plotin wesentlich das materielle Element im Sinne der δλον-μέρη-Vorstellung bedeutet, da diese Vorstellung aber nicht in Plotins Bild vom Geistigen eingeht; denn wenn Plotin, um den Aspekt der Konstitution gegen ber dem der Gliederung zu betonen, von den στοιχεία des Geistigen spricht, so verwendet er diesen Terminus in bewu ter bertragung (Abschnitt b). Mit „αρχή" ist zwar das Konstitutivum des Geistigen gedacht; es l t sich aber an der Wirkung des Einen als der αρχή par exellence zeigen, da αρχή als wirkende Ursache nicht nur einen „Teil" des Prinzipierten ausmacht, sondern dieses insgesamt zusammenh lt, ohne in ihm aufzugehen (Abschnitt c). Das γένος bezieht seinen Vorrang vor dem Besonderen nicht aus seiner ausgesagten Allgemeinheit, sondern ist als ein Wirkendes genommen (Abschnitt d). Die sich abzeichnende Form des Geistigen entzieht sich jedem diskursiv-gliedernden Verst ndnis, da das Geistige selbst dem diskursiven Gegliedertsein enthoben ist (Abschnitt e). b) Die Kategorien des Geistigen als f r sich bestehende Bestandteile des Ganzen (i) Anhand aristotelischer Texte lie sich deutlich machen, wieso στοιχεΐον von seinem platonischen Gebrauche als nicht weiter ableitbarer Seinsgrund zu der vorwiegenden Bedeutung „Element" im anschaulich-sinnlichen Verstande gelangen konnte, unter der es in die anschlie ende philosophische Terminologie eingeht: Die Aporie in Metaph. B 3, ob die ersten immanenten Bestandteile (also die Materie) oder aber das gemeinsam Ausgesagte (also είδος und γένος) als άρχαί και στοιχεία anzusehen seien, l st Aristoteles dahingehend, da das gemeinsam Ausgesagte als αρχή και στοιχεΐον ausscheidet. Dennoch kann er anderen Ortes das είδος als στοιχεΐον και αρχή bezeichnen, da es als μορφή dem Seienden, dessen είδος es ist, untrennbar innewohnt. In diesem

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Sinne werden Phys. Ι είδος, στέρησις und ύλη als Prinzipien des sich bewegenden Seienden verstanden. Im theologisch-teleologischen Zusammenhang unterscheidet Aristoteles zwischen dem von au en wirkenden ersten Beweger als αρχή und den innewohnenden Ursachen des Bewegten (είδος, στέρησις, ΰλη entsprechend Phys. I) als άρχαί και στοιχεία (bes. Metaph. Λ 4, ίο/ο b 22 ff.). Metaph. Z 17, 1041 b 28-32 wird das Formprinzip als αρχή und ουσία dem Materialprinzip als στοιχεία entgegengesetzt. Daneben gibt es dann die vielen Belege, die στοιχεΐον eindeutig auf die vier Elemente festlegen. Dieser Befund durfte so gedeutet werden: Platon orientiert sein Prinzipiendenken am στοιχεΐον-Begrifi der Mathematik, nimmt die dort sich bietenden Strukturen in den Blick, stuft das Einfache als vorrangig gegenber dem Zusammengesetzten ein und denkt so die Ursache unabh ngig von dem, dessen Ursache sie ist: αρχή und στοιχεΐον sind als Bezeichnung f r transzendente Prinzipien synonym. - Aristoteles dagegen denkt die Ursache von dem her, dessen Ursache sie ist, und fa t so die στοιχεία der Mathematik (Geometrie!) anschaulich als ένυπάρχοντα. So wird dieses Wort bei Aristoteles zur vorz glichen Bezeichnung f r seine Materialursache und damit f r denjenigen Aspekt der aristotelischen ουσία, den Platon zuvor mit seinem στοιχεϊον-Denken zu berwinden suchte. Da aber f r Aristoteles vom Standpunkte der Physik, die vom bewegten Einzelnen ausgeht, a l l e Ursachen in dem anzutreffen sind, dessen Ursachen sie sind, k nnen αρχή und στοιχεΐον auch synonym a l l e Ursachen eines Seienden bezeichnen. Gegeneinander stehen αρχή und στοιχεΐον dort, wo aus theologisch-teleologischen oder epistemologischen Gesichtspunkten die Causa efficiens oder die Causa formalis als αρχή der Causa materialis als στοιχεΐον entgegengesetzt wird. (2) Bei Plotin ist στοιχεΐον in eigentlicher Bedeutung auf die vier Elemente oder doch auf eine αρχή ένυπάρχουσα festgelegt, damit aber von der platonisch-plotinischen αρχή-Vorstellung, die den Unterschied des Grundes vom Begr ndeten beinhaltet, unterschieden. So lassen sich die Stellen, die στοιχεΐον synonym mit αρχή zu gebrauchen scheinen, entweder als eine als solche deutlich kenntliche bertragung der Bedeutung „Element" auf den Sinn „Prinzip" verstehen (wobei eine nur f r den Historiker kenntliche R ck bertragung vorliegt), oder es wird eine αρχή ένυπάρχουσα, damit aber keine wirkliche αρχή im Sinne Plotins bezeichnet. Niemals l t sich hinter der Verwendung von στοιχεΐον bei Plotin ein Strukturdenken sehen, das sich an der Mathematik orientiert und so (wie Platon) die άρχα'ι des Seien-

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den analog zu den voraussetzungslosen Anfangsgr nden mathematischer Systeme, eben den στοιχεία, denkt; die Transzendenz der plotinischen Prinzipien, an sich platonisch, erf hrt eine andere Begr ndung. Als Bezeichnung der vier Elemente begegnet στοιχεΐον mehrfach im kosmologischen Zusammenhang Περί ουρανού (II i), besonders um die unbelebte im Unterschied zur belebten Natur zu bezeichnen. So II i [40] 1,5: των στοιχείων ή μεταβολή και των ζφων των περί γήν ή φθορά το είδος σώζουσα. 5, τ: τα δ'ένταϋθα στοιχειά τε και ζφα. H ufig steht f r die vier Elemente auch σώμα, z. B. II 4 [12] i, 6-n hei t es ber die Stoiker (SVFII 320): και οι μεν σώματα μόνον τα οντά είναι θέμενοι και την ούσίαν εν τούτοις μίαν τε την ΰλην λέγουσι και τοις στοιχείοις ύποβεβλήσθαι και αυτήν είναι την ούσίαν, τα δ'αλλα πάντα οίον πάθη ταύτης καί πως εχουσαν αυτήν καί τα στοιχεία είναι. (3) Die scheinbar widersprechenden Stellen l sen sich so auf: VI 3, 8, i werden είδος ενυλον und ΰλη als στοιχεία der ουσία αίσθητή bezeichnet und entsprechen damit zun chst den aristotelischen άρχαί ένυπάρχουσαι, auf die gleichfalls der Terminus στοιχεία angewendet werden kann. Es geht jedoch im Zusammenhang des Kapitels VI 3,8 darum, die nach Form und Materie sondernde Betrachtungsweise der ουσία αίσθητή qua αισθητή als unzureichend zu erweisen (το μεν διαιρεΐν εις στοιχεία εάν δει, καί μάλιστα περί της αισθητής ουσίας λέγοντα, 8,1/2). F r Plotin sind είδος ενυλον und die bestimmte ΰλη eines Sinnendinges zwei seiner Momente, deren Rolle und Relevanz bei der Konstitution der ουσία αισθητή der weiteren Kl rung bedarf. Wenn es 8,4 von den στοιχεία der ουσία αίσθητή hei t: „Denn jene sind nicht Seinsheiten, oder doch keine sinnliche Seinsheiten", so wird damit vom Standpunkte der sinnlichen Wahrnehmung darauf verwiesen, da das Wahrgenommene auf au erhalb der Wahrnehmung liegenden Voraussetzungen gr ndet. Die Bezeichnung von ΰλη und είδος als στοιχεία setzt deshalb nicht αρχή und στοιχεΐον in ihrer vollen Bedeutung gleich, sondern stellt nur vorl ufig είδος ενυλον und ΰλη als „Teile" eines Ganzen vor, dessen wahre αρχή seine geistig begr ndete Einheit ist; wohl nur deshalb kann auch der eigentlich auf ein materielles ολον-μέρηVerh ltnis gehende Ausdruck εξ ων (n mlich aus είδος und ΰλη) σύγκειται (sc. ή ουσία αίσθητή) stehen (8,3). Der Satz VI2,2,14-18: ει μέντοι πλείω μεν ην εξ ων, συνελθόντα δε τα δλα έποίει το παν, αλλ' ουκ έχοντα νπ αυτά, άρχαί μεν αν ήσαν, γένη δε ουκ αν οίον ει τις εκ των τεσσάρων έποίει το αίσθητόν, πυρός καί των τοιούτων ταϋτα γαρ άρχαί αν ήσαν, γένη δε ου, der die Unangemessenheit der στοιχεί-

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ov-Vorstellung f r die Konstitution des Geistigen ausspricht, zeigt deutlich, da Plotin die Gefahr einer am Sinnlichen orientierten Einheits- und Gliederungsvorstellung erkennt und damit jedes Mi verst ndnis der zuvor zitierten S tze abwehrt, die von einer σύστασις (ζ, 10) des Geistigen sprachen. Allerdings - und das ist wichtig - bleiben αρχή und στοιχεΐον hier zusammen, und der Grund f r die nicht den Elementen entsprechende Form von Einheit wird in den γένη gesucht. Das bedeutet nun aber nicht, da die nichtsinnliche Form der Geisteskonstitution einfach vom γένος-Charakter der Bestandteile des Geistes herr hrt und so αρχή auf die Bedeutung „Element" reduziert wird (die γένη „alleine" leisten ja als κατηγορίαι eine blo e Klassifizierung: „γένει τοσαΰτα"); vielmehr steht hinter allem der Gedanke, da die Form des Geistes nur in der Interdependenz seiner im Doppelausdruck γένη άμα και άρχαί genannten Aspekte gegeben ist, und zwar so, da die additive Verkn pfung der Termini γένος und αρχή eigentlich selbst unzureichend ist, da sie doch eine einheitliche Vorstellung reihend-diskursiv wiedergibt. In diesem Sinne ist dann auch der VI 2,2,20 beginnende Neuansatz zu verstehen: „Mischen wir nun alle die Klassen, eine jede zusammen mit den ihr untergeordneten Arten, und bringen so das All (το όλον, nicht το παν) hervor, und machen eine Gemenge (σύγκρασις) aller Dinge? Nein, denn dann w ren sie jeweils nur potentiell und nicht aktuell, die einzelne Klasse bliebe dann nicht rein in ihrem Eigensein. Lassen wir also die Klassen f r sich und vermischen nur die Einzeldinge? Und was wird dann aus diesen auf sich gestellten? Sowohl werden sie f r sich auf sich selbst gestellt existieren, als auch werden die vermischten Dinge sie nicht zerst ren." Eine σύγκρασις-Vorstellung f r das Einheitsverh ltnis der Genera ist von vornherein abzulehnen, da das sich so Verbindende v llig in der Mischung aufgeht und also die gemischten Bestandteile vom Ganzen her nur als dessen Potentialit t gedacht werden k nnen; kurz - es l gen Verh ltnisse vor, die auf die vier Elemente und damit auf die Sinnenwelt zutreffen. Denn die vier Elemente sind als ΰλη dessen, das aus ihnen besteht, δυνάμει dieses Ganze10. 1° Σύγκρασις bezeichnet diejenige Verbindung zweier oder mehrerer Dinge, bei der aus dem sich Verbindenden ein Neues entsteht. Vgl. III 3 [48] 4,48/49: Im Rahmen der Metempsychose-Lehre mu die Frage beantwortet werden, wie (etwa) die Seele eines Menschen zu der eines Rindes werden k nne. Antwort: Die Verbindung mit einer neuen K rperlichkeit ver ndert das so Verbundene selbst: καΐ ή συμπλοκή δε ή προς άλλο οίλλου ώσπερ τις σύγκρασις εστίν, έτερου έ| άμφοΐν γενομένου, ... Ferner VI 3» 25> wo bei der Bestimmung der σύγκρ ι σις, die dabei m gliche Ortsbewegung der Teile aufeinander zu, von der eigentlichen Verbindung

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Solches trifft aber f r die Kategorien der Geisteswelt nicht zu, sondern sie bestehen rein und unvermischt, ohne dabei ihre Rolle als Konstitutiva des Ganzen aufzugeben: άλλα τα μεν γένη έάσομεν (sc. καθαρά), τα δε καθ' Ικαστον μίξομεν, VI 2, 2, 23/24; ή εσται κάκεϊνα (sc. τα γένη) έφ'αύτών καί καθαρά, και τα μιχθέντα ουκ άπολεΐ αυτά, 2, 25/26. Die in diesen S tzen gegebene Bestimmung des Geistigen sieht also das Ganze als Zusammenschlu von geistigen Individualit ten dergestalt, da die γένη in jedem Einzelnen zusammen wirksam sind, dieses Einzelne konstituieren und so den Zusammenhalt des Ganzen bewirken, ohne selbst in der Mischung aufzugehen. - Wenn die hier genannte Mischung der Einzelinhalte des Geistes und die Selbst ndigkeit der γένη nicht materiell-r umlich so gedeutet werden darf, als existiere eine Schicht der f nf γένη und eine, in der sich die Untergliederungen dieser γένη zusammengefa t finden, dann lassen sich diese S tze nur so interpretieren: Die vieleinheitliche Gestalt des Geistes, die in gleichzeitiger Beziehung und Sonderung aller Inhalte besteht, wird dadurch erm glicht, da das Sein des Geistigen in dem Zusammenwirken der f nf Genera beschlossen liegt, so da einerseits jeder Einzelinhalt des Geistes in seiner Bez glichkeit und Besonderheit alle Genera als Momente seines Seins in sich vereinigt, da andererseits das Geistige als Ganzes nur bestehen bleibt, wenn die Genera in ihrer Unterschiedenheit wirksam sind. Da diese Bestimmungen der „Reinheit" und „Mischung" der γένη in dieser Form schwer verst ndlich sind, wei Plotin selbst: Er verschiebt die Frage, wie denn ein solches Verh ltnis von Selbst ndigkeit und Mischung denkbar sei, „auf sp ter" (VI 2, 2, 26/27). hnlich jedoch wie VI i, i, 19, wo die Frage „Sind die aristotelischen Kategorien γένη oder κατηγορίαι?" zugunsten der Frage „Welchem Seinsbereiche geh ren die aristotelischen Kategorien an?" zur ckgestellt wird, der Sache nach die Antwort auf beide Fragen zugleich aber in allem Folgenden zu finden ist, so erschlie t sich hier der Sinn des ungel st zur ckgelassenen Problems in der Darstellung alles Folgenden. Die nochmalige Abwehr falscher Einheits vor Stellungen (Kap. 2, 27 dieser Teile (Zeilen 9/10: σύγκρασ'ιν τίνα καί μΐξιν ... καί κρδσιν καί είς iv εξ ενός σύστασιν ...) unterschieden wird. Zur Mischungslehre vgl. noch Stob. Ecl. I 154, 8 ff. W. (SVF II 471), wo (in der Reihenfolge immer gr erer Durchdringung) παράθεσις, μΐξις (bei feuchten K rpern κράσις) und (als Form der Mischung, die ein Drittes, Neues schafft) σύγχυσις genannt sind. Davon unterschieden wird die besondere Art und Weise der Verbindung der Seele mit dem K rper (also v llig vereinigt, aber doch nicht ihrer Eigenart beraubt), die κρασις δι' δλων. Vgl. dazu Plotin II 7 [37] Περί της δι* δλων κράσεως und Pohlenz, Stoa, II 41 (Anm. zu I 72, Zeile 27) und 42.

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Kap. 5), der Einf hrung und Erl uterung der Genera 8v, κίνησις, στάσις, ταΰτόν und έτερον (Kap. 6-8), die Zur ckweisung nicht zutreffender Kategorien des Geistigen (Kap. 9-18) m nden in ein Gesamtbild des Geistigen (Kap. 19-21), das dann als solches die Antwort Plotins auch auf das hier noch Unverst ndliche enth lt, soweit die diskursive Form der Darstellung eine Antwort berhaupt zul t11. c) Die Bestandteile des Geistigen als seine Prinzipien (ι) Αρχή ist f r Plotin vorz glich das Eine. Die Stellen, an denen von ihm die Rede ist, zeigen, da αρχή einerseits in dem, dessen αρχή sie ist, innewohnt und als dessen „Element" begriffen werden kann, da andererseits das Prinzip unabh ngig von dem Prinzipierten besteht. Der κόσμος νοητός, der als erste Vielheit dem Einen unmittelbar nachgeordnet und von ihm prinzipiert ist, ist Eines und Vieles zugleich12. So n hert sich die im Seienden gegebene Einheitlichkeit einerseits dem schlechthin Einen (όλως γαρ εοικε το εν εν τφ δντι πλησιάζον τω ένί και οίον συνεκπΐπτον τφ δντι, VI 2,9> 39/4°)> andererseits mu das Eine jedoch auch vom Sein (Geist) unterschieden werden (ή Ιστι μεν μηδέν τούτων ων εστίν αρχή (sc. το εν), III 8 [30] ίο, 28/29) und l t sich entsprechend durch Negierung von Pr dikaten, die dem Sein zukommen, (so III 8 [30] 10, 30/31 ουσία und ζωή) beschreibenl3. 11 Die von TH-B IV b, 461, vertretene Ansicht, die Kapitel 19-21 seien ein „Anhang", in dessen Rahmen (vgl. mit 19,13 ff. die entsprechenden Formulierungen 2, 20-27) die Wer 2,27 offen gelassene Frage beantwortet wird, wie Mischung und Reinheit im Geistigen sich zueinander verhalten, trifft also m. E. so nicht zu. Wenn kurz vorher Kap. 18, 12-15 (zitiert oben S. 224), wo die γένη in ihrer Rolle als άρχαΐ des κόσμος νοητός additiv zur Einheit des Ganzen gefugt erscheinen, von von στοιχεία des Geistes die Rede ist, so bewahrt doch das folgende Gesamtbild des Geistigen vor einem Mi verst ndnis dieser Terminologie. 12 Der κόσμος νοητός wird von Plotin entsprechend der zweiten Hypothese des platonischen „Parmenides" (142 b i ff.) als Iv 8v verstanden (VI 4 [22] 11,20; VI 2, 9,8); ansonsten gilt f r das Verh ltnis der verschiedenen Formen von Einheit: δσφ γαρ προς Iv ή άπόστασις, τόσφ καΐ προς δν (VI 2, ·>, 6/γ); πάντα τα δντα τφ ένί εστίν δντα, δσα τε πρώτως εστίν δντα και δσα δπωσοϋν λέγεται εν τοις οίσιν είναι (VI 9 [9]' *> Τ )· Als ^ v gut der νους, insofern er als ein Ganzes von seinen einzelnen Inhalten unterschieden gedacht wird: VI 2, 19, 18-21; V 9 [5] 8, 16/17; V i [toj 8, 8/9; V 4 [7] 2, 42-50; dazu Nebel, Hermes 65, 1930, 444, und TH-B IV b, 476/477. - Unterschieden zwischen ουσία = Gesamtgeist und 8v als der Kategorie, die das Seinsmoment jedes Seienden bezeichnet, wird dagegen etwa II 6 [17] 1,4/5. 13 Im Platonismus (vgl. Albinos Didasc. Kap. 10) besteht zwischen der Einfachheit und der Negativit t des ersten Prinzipes auf der einen, seiner Bestimmung als

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Das Verh ltnis des Einen zum Seienden, das zugleich Eines und Vieles ist, erl utert Plotin VI 2,10,10-19 (in dem Zusammenhang, der zeigen will, da das Eine nicht γένος sein kann) am Eines-Sein der Zahlen. Wenn Plotin dabei das Innewohnen des Einen in den Zahlen herausstellt (το εν ούχ ως γένος κατ' αυτών, αλλ' έν\ιπάρχειν . .. λέγεται), so tut er das nicht, um die Selbst ndigkeit des γένος gegen ber einer blo en „Bestandteil-Funktion" der αρχή zu betonen, sondern nur, um die besondere Form hervorzuheben, in der ein Prinzip in dem von ihm Prinzipierten wirksam ist. Hier also, wo mit dem Einen von einem eindeutig Transzendenten als αρχή die Rede ist, wird klar, da auch der αρχή-Charakter der Kategorien des Geistes nicht in einer additiven Komplettierung bestehen kann. Mit dem αρχή-Charakter des Einen den αρχή-Charakter der Kategorien des Geistigen erl utern zu wollen, ist methodisch zul ssig, wiewohl Plotin hier VI2,10 gerade mit dem αρχή-Charakter des Einen gegen seine Setzung als γένος του δντος argumentiert: In den Kategorien des Geistigen als γένη άμα και άρχαί verbindet sich eben in schwer zu beschreibender Weise die mit αρχή gemeinte Prinzipierung mit der durch γένος ausgedr ckten Gliederung. (2) Der Traktat VI 6 [34] „ ber die Zahlen" M zeigt, da in dem Verh ltnis des Einen zur Zahl das Verh ltnis des Einen zum Geiste und in der Zahl die Struktur des Geistigen berhaupt begriffen wird.

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Geist auf der anderen Seite eine Spannung. Da nach Proklos Theol. Plat. 2,4 mit Plotin und Origenes zwei Ammonios-Sch ler anscheinend zu einer je verschiedenen Bestimmung des Verh ltnisses von Seinsgrund und Geist kommen, mag uns eine Warnung davor sein, Platon mit seinem έπέκεινα της ουσίας (Resp. 6,509 b 9, zitiert von Plotin III 8 [30] 9,2) genau festlegen zu wollen, zumal er sp ter (Resp. 7,532 c 5/6) die Idee des Guten το δριστον έ ν τοις οίσι nennt. Kr mer, Geistmetaphysik, 191, sucht diese Ambivalenz des ersten Prinzipes so zu beschreiben: „Der Seinsgrund legt sich zwar als Denkzusammenhang der Wirklichkeit aus, zieht sich aber - als Umgreifendes - seinem reinen Wesen nach doch zugleich dar ber hinaus ins Abstrakte der negativen Theologie zur ck." Mit solcher Kennzeichnung wird freilich Kr mers Unterscheidung zwischen einer speusippeischen Richtung des vorplotinischen Platonismus, die den Seinsgrund ber den Nus gestellt habe, und einer xenokratischen, die ihn mit diesem identifiziert habe, in dieser Strenge problematisch. — Vgl. zuletzt zum Problem der Seiendheit bzw. berseiendheit des platonischen Grundes Theiler, Entretiens XII : Porphyre, 93-95 mit Anm. Der Versuch einer Interpretation der plotinischen Zahlenspekulation und einer Zuordnung zur platonisch-pythagoreischen Tradition bei Kr mer, Geistmetaphysik, 298—311; dort 298, Anm. 413, weitere Literatur. — TH-B III b, 440/441, u ern sich skeptisch TU der M glichkeit, da die hier vertretenen Lehren aus Platons Περί τάγαθοϋ stammen, und glauben, da die platonischen Dialoge zusammen mit den aristotelischen Schriften das N tige geliefert haben.

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Jede Zahl ist nicht eine additive Verkn pfung von Einheiten, sondern eine vor der Teiligkeit der in ihr bezeichneten Vielheit liegende Einheit, die das in ihr Gez hlte erst erm glicht. Entsprechend folgt die Vielheit der Bestimmungen, die ein Seiendes ausmachen, aus der jeweils zu dem Seienden geh renden Form von Einheit; seine Einheit kann so als Ursache dieses Seienden und damit als etwas, was ihm vorangeht, gesehen werden1S. Wie das einzelne Seiende in seiner vielheitlichen Einheit als Zahl verstanden werden kann, so l t sich das Gesamtsein, insofern es Geist ist, als einheitliche Vielheit schlechthin und damit als Zahl schlechthin auffassen. Dabei ist das einzelne Seiende, insofern es ein Seiendes (also eine einheitliche Vielheit) ist, immer auf das Gesamtsein, insofern es eines ist, immer durch das Gesamtsein hindurch auf dessen Ursprung bezogen. Deshalb l t sich das Eine als Ursache der Zahl und damit des Geistes und so der Geist insgesamt als Zahl verstehen16. Da das Eine, das als solches nicht mehr Zahl ist, der Zahl und damit dem Geiste als deren αρχή vorangehe, ist bliche plotinische Auffassung. Hier im Traktat VI 6 [34] Περί αριθμών wird zudem der Vorrang der Zahlen selbst vor dem Seienden behauptet: „Die seienden Dinge wurden wirklich nicht in dem Augenblick, als sie entstanden waren, gez hlt, sondern wieviel ihrer an Zahl entstehen sollten, das stand fest, als die entstanden. Es war also ihre gesamte Zahl vor den seienden Dingen selber da." (9,21-24) Damit setzt aber Plotin nicht eine neue Hypostase zwischen das Eine und das Seiende, sondern er findet 15 VI6 [34] 5,29 ff. zeigt Plotin, da f r jedes Seiende seine Einheit vorgegeben ist, damit es berhaupt sein kann (5, 32-34: ... πρότερον δν είη το Ιν του ανθρώπου και εκάστου των δλλων, ίνα καΐ 6 ονθρωπος καΐ Ικαστον των δλλων τύχη [Ικαστον] του §ν είναι); dabei betont Plotin ausdr cklich, da es sich um die eidetische Einheit des einzelnen Geistesinhaltes handelt (5,36-38: λέγω δε ου το Ιν εκείνο, δ δη έπέκεινα του 8 ντο ς φάμε ν, άλλα [και] τούτο το Ιν, δ κατηγορείται των ειδών εκάστου). Wegen dieser Einheitlichkeit werden dann 9, 33 die είδη als ένάδες und αριθμοί bezeichnet. l* VI 6 [34] 9, 31-34: έπει και από του ενός γενόμενον το δν, ως ην δν εκείνο, δει αυτό οΰτως αριθμόν είναι· διό καΐ τα είδη ε'λεγον καΐ ένάδες καΐ αριθμούς, καΐ οίτός εστίν ό ουσιώδης αριθμός- — (zu den ουσιώδεις αριθμοί vgl. unten S. ; n). - Ill 8 [30] 9,3-5: πλήθος ενός ΰστερον καΐ αριθμός δε οίτος, άριθμοϋ δε αρχή και του τοιούτου το δντως £ν. και οίτος νους καΐ νοητόν δμα, ώστε δύο &μα. VI 9 [9] 2,25-28 (von der Lebendigkeit des Geistigen ausgehend): εΐ δε νους τοϋτο (sc. το δν als Vielheit) εϊη, καί ούτω πολλά ανάγκη είναι, καΐ Ιτι μάλλον, εΐ τα είδη περιέχοι· ουδέ γαρ ή Ιδέα Εν, αλλ' αριθμός μάλλον και εκάστη και ή σύμπασα. Das Eine erzeugt die Zahl und damit den Geist; V i [10] 5,4-9: ..., ό άπλοΰς καί ό προ τοιούτου πλήθους, ό αίτιος του και είναι καί πολύν είναι τούτον (sc. τον νουν), ό τον αριθμόν ποιών, ό γαρ αριθμός ου πρώτος· καί γαρ προ δυάδος το £ν, δεύτερον Οέ δυάς και παρά του ενός γεγενημένη εκείνο όριστήν Ιχει, αυτή δε αόριστον παρ' αυτής.

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in der Zahl, insofern diese wesentlich einheitliche Vielheit ist, den Inbegriff des Seins als wirksame M glichkeit noch vor der Zerlegung des Seins in seine Einzelinhalte gegeben. Der Einwand: „Indessen, war sie (sc. die Zahl) vor den seienden Dingen da, so war sie nichts Seiendes" (9,24), wird deshalb so beantwortet: „Nun, sie war im Seienden, nicht als Zahl des Seienden, denn das Seiende war ja noch Einheit, sondern die Kraft der Zahl, indem sie in die Existenz trat, zerteilte das Seiende, gab ihm gleichsam den Drang zur Erzeugung der Vielheit ein" (9,24-27)". F r die Art und Weise des plotinischen Prinzipiendenkens gewinnen wir hier dieses: Das Prinzipierte, angesehen unter dem Aspekt, unter dem sein Prinzip in ihm wirksam ist, l t diesen Aspekt sowohl als konstituierendes Moment wie auch als selbst ndige Wirkkraft hervortreten. d) Die Gliederung des Geistigen als Wirkung seiner Ganzheit (i) VI 2,20 wird die Beziehung des Gesamtgeistes zu seinen als νόες gefa ten Einzelinhalten, also den Ideen, so erkl rt: Der Gesamtgeist ist potentiell jeder einzelne seiner Inhalte, aktuell die Gesamtheit seiner Inhalte (20,20-22: και εν έκείνω μεν πάντας εφ' έαυτοΰ δντι δυνάμει, ενεργεί«? δντι τα πάντα άμα, δυνάμει δε Ικαστον χωρίς, . ..); jeder Einzelgeist ist aktuell er selbst, potentiell das Ganze (20,22/23: τους δ'αΰ ενεργεία μεν δ είσί, δυνάμει δε το όλον). Die aristotelische Deutung des Verh ltnisses von Allgemeinem und Besonderem durch die δυνάμει-ένεργεία-Relation ist f r Plotin nur ein Mittel, die Verflechtung des Gesamtgeistes mit seinen Inhalten und damit dieser Inhalte untereinander auszudr cken. Bei Aristoteles hat das Allgemeine nur in dem Besonderen seine Wirklichkeit; Plotin liegt darum besonders daran, die Selbst ndigkeit des Gesamtgeistes herauszustellen. Er enth lt alle seine besonderen Inhalte zugleich in sich (ενεργεία τα πάντα άμα) und zwar so, da er als χωρηγός τοις καθ' έκαστα (20,13), das hei t aber als dasjenige, welches das ihm Nachgeordnete mit allem Notwendigen ausstattet, aufgefa t wird. Die Kennzeichnung des Gesamtgeistes als δύναμις πάντων (20,5; 20,13; 20,25) darf deshalb nicht nur als δυνάμει εκαστον, sondern mu auch als die Kraft verstanden werden, die durch ihre F lle und M chtigkeit die Einzelgeiste hervorbringt. 17

Der griechische Text VI 6 [34] 9,21-27: καΐ μην ουδέ τα δντα, δτε έγένετο, ήριθμήθη, αλλ' δσα δει γενέσθαι δήλον ην, δτε έδει. πας δρα ό αριθμός ην προ αυτών των δντων. αλλ' εΐ προ των δντων. ουκ ην δντα. ή ην εν τφ δντι, ουκ αριθμός ων του δντος· ?ν γαρ ην έτι το δν, αλλ* ή του άριθμοΰ δύναμις ύποστασα έμέρισε το δν καί οίον ώδίνειν έποίησεν αυτό το πλήθος· ...

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Die Deutung des νους als δύναμις πάντων verbindet sich bei Plotin mit einer organisch-vitalen Verbildlichung der Beziehung von Gesamtgeist und είδη, die sich jedem rationalen Verst ndnis entzieht. So wird etwa V 9 [5] 6, 10-13 die Entfaltung des Samens zu den einzelnen K rperteilen als Bild genommen: και αί των σπερμάτων δε δυνάμεις εικόνα φέρουσι του λεγομένου· εν γαρ τω δλω αδιάκριτα πάντα, και οΐ λόγοι ωσπερ εν ένί κέντρφ· και ως 18 εστίν άλλος οφθαλμού, άλλος δε χειρών λόγος κτλ. .. ,19. (a) Plotin vergleicht das Verh ltnis von Gesamtgeist und seinen Einzelinhalten mit dem Verh ltnis der Gesamtwissenschaft zu den Einzelwissenschaften (20,3-10). Dieser auch an anderen Stellen bei Plotin gebrauchte „Vergleich" findet sich zwar in derselben Funktion, also um das Verh ltnis eines Allgemeinen zum Besonderen zu kennzeichnen, auch bei Aristoteles (Metaph. M 10, bes. 1087 a 15-25)x: Das Wissen ist immer auf ein Allgemeines gerichtet, hat aber stets nur im Wissen eines Bestimmten seine Wirklichkeit; in der am Einzelnen orientierten Philosophie des Aristoteles droht jedoch die δύναμις des Allgemeinen zu einer nachtr glichen Setzung vom Besonderen her zu werden21. Zwar l t sich im Rahmen der Bewegungslehre, die das Einzelne auf seinem Wege zu sich selbst begreift, die δύναμις als αρχή μεταβολής und damit als eine Weise erkl ren, in der sich Allgemeinheit und Wirkung vereinigen n, diese Form von M glichkeit und 18

καΐ ως f r και δσπερ konjizieren H-S, mit dem bersetzungs-Vorschlag: nihilominus. 19 Zum Samenbild vgl. gleich oben S. 235, Anm. 24. Faust, M glichkeitsgedanke, I 338, und passim, spricht hier vom „mystischen" M glichkeitsgedanken: „Die F higkeit, sich hinzugeben an vieles und doch in urspr nglicher Einheit bestehen zu bleiben, bildet das wesentliche Merkmal dieser neuen Art von M glichkeit." Dabei d rfte hier, wie Theiler, Entretiens V : Plotin, 72-74, mit zahlreichen Plotinstellen und stoischen Parallelen zeigen kann, die dynamische Deutung des Weltzusammenhanges in der Stoa im Hintergrunde stehen. 20 Es handelt sich nat rlich weder bei Aristoteles noch bei Plotin um einen eigentlichen Vergleich: Aristoteles „l st" mit der Unterscheidung zwischen επιστήμη δυνάμει (ως ΰλη) 1087 a 16 und επιστήμη ενεργεί«? (ώρισμένη) 1087 a 18 die Schwierigkeit, da zwar allein das Allgemeine (im Sinne des definierenden Denkens) wi bar, nur aber das Besondere (τόδε τι) eine ουσία κεχωρισμένη und darum allein wirklich ist. — Plotin bringt die Beziehung von Gesamtwissenschaft und Einzelwissenschaft zwar in der Form eines Vergleiches, macht damit aber - hnlich wie mit der Bestimmung des Geistes als Zahl - insofern eine direkte Aussage ber das Geistige, als ja die Inhalte des Geistes Gewu tes, und die Art und Weise, in der diese Inhalte gehabt werden, Wissen ist. 21 Vgl. hier S. 181-193 zu Alexander von Aphrodisias. 22 Arist. Metaph. Δ 12, 1020 a 4—6: ώστε ό κύριος δρος της πρώτος δυνάμεως δν εΐη αρχή μεταβλητική εν δλλφ ή fj δλλο. Ι*ν δλλφ : .μεταβολή als γένεσις; in diesem Falle nimmt die Bewegung in einem anderen, das der entstehenden μορφή als ΰλη zugrunde liegt, ihren Anfang, fj δλλο : μεταβολή als κίνησις κατά το ποιόν usw.; die ουσία, an der sich die Ver nderung gem den sekund ren Kate-

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die in der δυνάμει-ένεργεί^-ΚεΙαίίοη ausgedr ckte Vermittlung mischen dem Allgemeinen und dem Besonderen k nnen jedoch in der disjunktiven Unterscheidung verschiedener „Bestandteile" an einem Seienden (ΰλη, είδος, διαφορά, γένος) und in der Bestimmung des Seienden durch die Formen der Aussage nicht ad quat erfa t werdenB. Das hat bei Aristoteles und bei Plotin entgegengesetzte Konsequenzen: W hrend bei Aristoteles die δυνάμει-ένεργείςι-Relation in ihrer Verbindung mit dem dissoziierenden und diskursiven Denken zur Formalit t zu erstarren droht, wird in ihr von Plotin die Lebendigkeit des Geistigen gedacht, damit aber auch die Diskursivit t als eine Form, in der sich Geistiges darzustellen verm chte, verworfen24. So bezeichnen γένος und εϊδος (VI2,2o, 25/26) und όλον und μέρος (VI z, 20, i ff.) schlie lich b e i d e die Be-

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gorien vollzieht, liegt den Akzidentien a l s ein anderes zugrunde. Da die ΰλη die M glichkeit zu dieser oder jener Form, die ουσία die M glichkeit zu dieser oder jener akzidentellen Beschaffenheit bietet, ist die δύναμις als αρχή μεταβλητική gleichzeitig δυνάμει das, was in dieser Ver nderung zustande kommt. - Plotin unterscheidet das aristotelische δυνάμει von der δύναμις II 5 [25] i, 21-34 und V 3 [49] 15,27-37. Dabei erh lt an der ersten Stelle das δυνάμει δν = ύλη =ύποκείμενόν τι πάθεσι και μορφαϊς και εϊδεσιν, α μέλλει δέχεσθαι και πέφυκεν durch den Zusatz: ή και σ π ε ύ δ ε ι έλθεϊν, και τα μεν ως προς το βέλτιστον, τα δε προς τα χείρω κτλ. ... eine Art von nicht-rationaler Vorgeformtheit. Solche eignet dem aristotelischen δυνάμει δν in der Tat, solange die δυνάμει - ενεργεία-Relation nicht zu einer nachtr glichen Unterscheidung am Einzelnen erstarrt ist. Vgl. dazu gleich unten S. 243-247. Die Ambivalenz des δύναμις-Begriffes, die Plotin die Gesamtwissenschaft in ihrem Verh ltnis zu den Einzelwissenschaften als δύναμις πάντων und δυνάμει πάντα zugleich zu verstehen erlaubt, erm glicht den aristotelesfreundlichen Neuplatonikern eine platonische Deutung des Verh ltnisses Genus : Species in peripatetischem Gew nde: Porphyries Isag. 10,22 ff. B. beantwortet die Frage, wie einander entgegengesetzte Differenzen in demselben Genus enthalten sein k nnten, damit, da die Gattung alle unter sie fallenden Differenzen potentiell enthalte. Ammonios In Porph. Isag. 104,27 ff. B. betont, da Porphyrios hier im Anschlu an die Peripatetiker von den γένη τα εν τοις πολλοίς und nicht als Platoniker von den γένη τα προ των πολλών spreche. Er erl utert die peripatetisdie Auffassung durch die Ansichten der rzte ber die Entfaltung des Samens im Mutterleibe, wonach der K rper als schlechthin Fleischliches zun chst nur potentiell ein Beseeltes, der beseelte K rper (wenn er durch Ern hrung und Wachstum zur Aktualit t gekommen ist) nur potentiell ein Lebewesen sei, und so fort. - Bei Aristoteles ist dem Genus durch die in seiner Potentialit t begr ndeten Allgemeinheit ein Vorrang an Wi barkeit gegeben (vgl. Metaph. M 10, 1086 b 33; 1087316/17); die in der spezifischen Differenz liegende Aktualit t des είδος gibt diesem dagegen einen Vorrang an Sein (Metaph. M 10, 1087 a 18; Θ 8, 1049 b 5). Des Ammonios Erl uterung des Verh ltnisses γένος : είδος an der Entfaltung des Samens l t aber das Allgemeine aktuell vor dem unter es fallenden Besonderen bestehen und macht so unversehens die Potentialit t des Genus zu seiner Potenz. So wird von der Anschaulichkeit des Bildes her der Platonismus erm glicht.

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Ziehung von Allgemeinem und Besonderem nur uneigentlich, da nicht nur die den Sinnen verhaftete Ganzes-Teile-Vorstellung, sondern auch die Klassifizierung des definierenden Denkens die Form des Geistigen nicht trifft a . e) Die Form des wahren Seins - Ein Paradoxon f r das diskursive Denken (i) Nach allem Vorangehenden kann die Bestimmung der Kategorien des Geistes als γένη άμα και άρχαί so erkl rt werden: Die Form, in der das Eine als Prinzip zugleich es selbst, dann aber doch in seiner Wirkung am einzelnen Seienden immer auch ein besonderes Eines ist, macht seinen αρχή-Charakter aus. So wie das Eine zu dem durch es Einheitlichen verhalten sich offensichtlich nach der Meinung Plotins auch die Kategorien des Seienden, insofern sie άρχαί sind, zu ihren είδη : το ov, κίνησις, στάσις, θάτερον und ταύτόν finden sich insgesamt an jedem Einzelnen als die sein Sein qua geistiges Seiendes bestimmenden Momente (τα καθ' εκαστον μίξομεν, VI 2,2,24); andererseits stehen sie, wie der Geist schlechthin seinen geistigen Inhalten, so als Momente des Geistigen schlechthin den einzelnen geistigen Inhalten, an denen sie vereinigt zur Wirkung kommen, selbst ndig gegen ber (τα μεν γένη έάσομεν - sc. καθαρά -, VI 2,2,23). Nun werden die Bestimmungen f r das Eine und seine Wirkung auf das ihm Nachgeordnete VI2,9-12 gerade dadurch gewonnen, da der γένοςCharakter des Einen geleugnet wird. Wenn hier bei der Bestimmung der Form des Geistes beide Bestimmungen nebeneinandergestellt sind (ου μόνον γένη ταύτα είναι, άλλα καΐ αρχάς του δντος δ μ α ύπάρχειν VI 2, 2, ιο/ιι), so ist mit diesem Paradox gerade ein Spezifikum des Geistigen bezeichnet. Die Kategorien des Geistes, in denen seine Konstitution als eines Lebendigen begriffen wird, sind, insofern in ihnen Lebendigkeit begriffen wird, gleichzeitig γένη, weil der Geist nicht anders als sich geordnet entfalten kann. 25 Vgl. auch VI 2,19,19: προ δε πάντων, ώ ς εΙδών καΐ μερον, το 8ν καΐ την ούσίαν τιθέμενα, wo das ως die uneigentlidie Verwendung andeutet; deutlicher noch V 9 [5] 6, 9/10: ό δε πάς νους περιέχει ωσπερ γένος είδη καΐ δσπερ δλον μέρη. Unterminologisch ist auch (um den Unterschied zu dem Einen selbst zu bezeichnen, von dem es VI 2, 9, 27 hei t: εκείνο, δ ούδενός κατηγορείται) κατηγορεΐσθαι gebraucht, wenn mit ihm Verh ltnisse im Geistigen ausgedr ckt werden. Von dem Bezug des Einen auf das einzelne Seiende hei t es VI 6 [34] j, 37: τοδτο το Iv, δ κατηγορείται των ειδών εκάστου, dabei ist doch gerade die Form, in der das Eine auf das Einheitliche bezogen ist, eine andere.

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Nur eine solche Erkl rung l t verstehen, da jenes, was von dem Einen im Verh ltnis zu dem gilt, welches durch es je ein Eines (εν τι) ist, sich hnlich auch von den Kategorien des Geistes im Verh ltnis zu seinen einzelnen Inhalten sagen l t: ή εσται κάκεΐνα (sc. τα γένη) εφ' αυτών και καθαρά, και τα μιχθέντα ουκ άπολεΐ αυτά (VI 2, 2, 25/26). Entsprechend kann die Stelle VI 2,19,13-15, an der Plotin mit μηδ' αΰ το γένος κατηγορούμενον fj μόνον, ως εν έκείνοις θεωρούμενον, αλλ' fj (εν) έκείνοις (sc. τοις εΐδεσι) άμα και εν αύτω das Verh ltnis des γένος zu den είδη zu charakterisieren sucht und die prima facie als Hypostasierung des Allgemeinen gedeutet werden mu te, jetzt anders verstanden werden. Plotin f hrt fort: και μιγνύμενον αυ καθαρόν, και μη μιγνύμενον ύπάρχη, μηδ' άλλοις συντελούν είς ούσίαν αυτό άπολλΰη (19, i5~I7)26· Dies smd dieselben Termini, mit denen VI 2,2,24-26 versucht wird, das Verh ltnis der γένη zu dem zu bestimmen, was unter sie f llt. Diese Verbindung und der Zusammenhang von VI2,19 mit dem bereits erl uterten Kapitel VI2,20 zeigen, da hier an eine besondere Form geistiger Prinzipierung und Gliederung und nicht an eine Hypostasierung von Allgemeinbegriffen gedacht ist. Die Emphase, mit der Plotin VI 3, 9,19 ff. den Vorrang der bei Aristoteles in der „Kategorienschrift" als δεύτεραι ούσίαι eingestuften είδη und γένη vor den Individuen betont, zielt nicht, wie es angesichts der bek mpften aristotelischen Lehre zun chst scheint, auf den Vorrang des Allgemeinen vor dem Besonderen, sondern des geistigen vor dem sinnlich wahrnehmbaren Sein. Da wir aus Plotins Schriften keine Sicherheit dar ber gewinnen k nnen, ob er Ideen von Individuen gelehrt habe27, l t sich indirekt als Beweis 26 Die Konjunktive nach der Syntax des Satzes ... δει παραφυλάττειν, δπως μη ... 27 Eine zusammenfassende Behandlung aller in Frage stehenden Stellen und der bisherigen Literatur hat Blumenthal, Phronesis u, 1966, 61-80, gegeben und dabei gezeigt, da eine sichere Entscheidung nicht m glich ist. Hier seien allein zitiert V i [io]; 4, 19-21 und VI 4 [22] 4, 34-40. An der ersten Stelle ist vom Unterschied zwischen Geist und Seele die Rede, und zwar im Hinblick auf den Modus der Pr senz ihrer Inhalte, die n mlich einmal komplexiv, das andere Mal diskursiv zugegen sind. Die Inhalte als solche sind in Geist und Seele gleich. Da hier f r die Seele (mit Sokrates deutlich, mit Ιππος verschwommen) Individualinhalte angesetzt werden, darf man auf dieselben Inhalte f r den Geist schlie en: ... xal αλλά και αλλά αΰ περί ψυχήν, ποτέ γαρ Σωκράτης, ποτέ δε ίππος, ε*ν τι αεί των δντων 6 δε νους πάντα· ... - An der zweiten Stelle spricht Plotin dar ber, wie der Geist sowohl als auch die Seele zugleich Vieles und Eines zu sein verm gen, und betont bei dieser Gelegenheit, da die Vielheit der Seelen unabh ngig von der Inkorporation besteht: οΰτ' οίν το μίαν είναι τάς πολλάς αναιρεί, ώσπερ ουδέ το 8ν τα δντα, οΰτε μάχεται το πλήθος εκεί τφ ένί, οΰτε τφ πλήϋει συμπληροΰν δει ζωής τα σώματα, οΰτε δια το μέγεθος του σώματος δει νομίζειν το πλήθος των ψυχών γίνεσθαι, άλλα προ των σωμάτων είναι και πολλάς και μίαν. Die Materie ist also nicht mehr Principium individuationis, sondern nur Bedingung f r die M g-

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f r diese Behauptung ansehen: Die Art und Weise der noetischen Gewi heit macht die diskursive Unterscheidung zwischen Allgemeinem und Besonderem und ihre Beziehung aufeinander im definierenden Denken unwichtig; oder anders ausgedr ckt: Der Unterschied zwischen geistigem und sinnlich wahrnehmbarem Sein deckt sich nicht mit dem Unterschied zwischen Allgemeinem und Besonderem, sondern in beiden Bereichen sind Allgemeines und Besonderes in je verschiedener Form von Einheit gegeben; einmal geistig, das andere Mal diskursiv zerlegt. (2) Wenn also Plotins Geisteswelt nicht oder doch nicht wesentlich die hierarchische Ordnung hypostasierter Allgemeinbegriffe ist und die γένη του δντος nicht die obersten dieser Allgemeinbegriffe sind, dann mu auch die Art und Weise, wie sich das Geistige differenziert, au erhalb des diskursiven Verst ndnishorizontes liegen, innerhalb dessen sich die Differenzierung durch die Pr dikation der spezifischen Differenz vom Genus vollzieht. Zwar erkennt Plotin auch f r die Differenzierung des Geistigen den Satz έξωθεν του γένους λαβείν δει τάς διαφοράς (VI2,19,3/4) als g ltig an und betont, das ov als solches k nne sich nicht ohne die anderen γένη differenzieren. Doch der aristotelische Satz erh lt bei Plotin hier im Rahmen des Geistigen einen andeien Sinn: Bei Aristoteles setzt die Geltung der Regel das πολλαχώς λέγεται το δν und damit die Geltung der Kategorienlehre voraus und besagt im besonderen, da die spezifische Differenz, mit der sich das γένος (das der Kategorie der ουσία angeh rt) differenziert, aus der Kategorie der Qualit t zu kommen habe, da sonst eine Differenzierung unm glich sei. Hier dagegen antwortet Plotin auf die Frage, woher denn das ov seine Differenzen nehme: ου γαρ δη εκ των ουκ όντων und setzt damit eine den Regeln der Aussage enthobene und damit au erdiskursive Form der Differenzierung voraus. Diese Differenzierung ist in dem Beieinander und Miteinander der f nf Genera gegeben, in denen insgesamt die Lebendigkeit und Best ndigkeit des Geistes, das ist aber: der ουσία begriffen wird: ει δη εξ όντων (sc. ε'ξει το δν τάς διαφοράς), ην δε τα γένη τα τρία τα λοιπά28, δηλονότι εκ τούτιον lidikeit sinnlichen Erscheinens von Geistigem; dabei ist klar, da hier die schon bei Aristoteles sichtbare Tendenz voll zum Tragen kommt, dann vom Wi barkeitscharakter (der Allgemeinheit) des Eidetischen abzusehen, wenn von diesem Eidetischen als Seele die Rede ist. Vgl. zu der Frage, ob Plotin Ideen von Individuen angenommen habe, zuletzt P. S. Mamo, Forms of individuals in the Enneads, Phronesis 14,1969,77-96. 28 Plotin spricht einleitend 19, i von τέτταρα, obwohl (anders als 15, ι) κίνησις, στάσις, ταυτότης, έτερότης plus δν gemeint sind. Da hier 19,7 abz glich des δν

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και μετά τούτων προστιθεμένων και συνδυαζόμενων και άμα γινομένων, άλλα άμα γινόμενα τοϋτο δη έποίει το εκ πάντων (VI 2, 19, 6-9). Beachtenswert ist schon der sprachliche Ausdruck, in dem das προστίθεσθαι durch Termini erg nzt wird, die eine engere Verkn pfung als dieses bezeichnen. (3) Mit der Doppelform γένη άμα και άρχαί teilt uns Plotin so selbst diskursiv einen Sinn mit, der sich eigentlich der diskursiven Darstellung entzieht. So f hrt sein Bem hen, die Form des Geistes zur Sprache zu bringen, entweder zur paradoxen K rze (εν πολλά) oder zu einer noch gr eren Beredtheit und Ausf hrlichkeit als die Diskursivit t aufwenden mu , wenn sie sich auf die ihr angemessenen Gegenst nde bezieht. Deshalb teilt Plotin VI2,2,27-29 (jetzt erst verst ndlich) so ein: νυν δ'έπεί συνκεχωρήκαμεν και γένη είναι (als sich gegliedert Entfaltende) και προσέτι και της ουσίας αρχάς (als Momente, die das Sein als Geist erm glichen) και τρόπον έτερον αρχάς καΐ συνθέσεις (als „Bestandteile", die das Gesamtsein ausmachen). hnlich wird bereits — zuvor von uns nicht beachtet - 2, 12 unterschieden (γένη ....), αρχάς δε, εΐ (ι.) το δν ούτως29 εκ πολλών και (2.) εκ τούτων το όλον υπάρχει. Im ούτως scheint die besondere Modalit t der geistigen Vielheit bezeichnet, im εκ τούτων το όλον werden (ohne R cksicht darauf, da mit dem ολον-μέρος-Verh ltnis eine sinnliche Vorstellung hervorgerufen wird) die Kategorien als Konstituentien des Gesamtgeistes genommen. Die Gestalt des Geistigen wird mit den Doppelausdr cken γένη άμα και άρχα'ι bzw. εν πολλά (die ja je in dem Nebeneinander ihrer Termini ein Paradoxon bezeichnen) so gesichert, da die Vorstellung vom Geiste weder die eines diskursiv Gegliederten, noch die eines materiell Zusammengesetzten ist, da sie weder in das πολλά der Sinnenwelt noch in das εν des obersten Prinzipes abirrt: Die Einheit des Gegliederten darf weder blo eine Zusammenordnung der γένη meinen (ούχ ύφ' εν αγομεν, ώσπερ εκ dann von τρία die Rede ist, l t diese Reduzierung eher an eine bewu te Zusammenfassung zweier γένη als an ein Versehen Plotins denken. In diesem Falle dann mit TH-B IV b, 475 Dasselbe und das Andere als zusammengefa t anzusehen, daf r spricht diese berlegung: Plotin kommt es wahrscheinlich nicht (wie Platon) so sehr darauf an, innerhalb des prinzipiellen Gegensatzes zwischen einem (aus unserer Sicht) mehr ontologischen Aspekt (also κίνησις - στάσις) und einem mehr formallogischen Gesichtspunkt (also θάτερον - τούτον) zu unterscheiden, sondern sein anschaulich-bildhaftes Denken stellt eher in der κίνησις die Lebendigkeit des Geistigen vor. 29 Man wird deshalb nicht mit H-TH-B „weil das in diesem Sinne Seiende aus Vielen ersteht" (also ούτως als Attribut zu το δν), sondern „weil das Seiende in solcher Weise aus Vielen besteht" (also das ούτως als adverbiale Bestimmung) bersetzen m ssen, zumal das einfache το δν εκ πολλών ja VI 2, 2, 31 ff· abgewehrt wird: Nicht, weil das wahre Sein aus Vielen besteht, ist es solches, sondern weil es in einer ganz besonderen Form Vielheit ist, ist es wahres Sein, also Geist.

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τύχης σχινελθόντα και εν τι πεποιηκότα. VI2,2,30), solche Ordnung (weiter unten 2,43 mit der Formulierung εκαστον ότιοΰν ληφθέν angesprochen) ist diejenige der Einheit der Sinnenwelt und der auf sie bezogenen Ratio discursiva; die Forderung nach Einheit (2,32: ... καίτοι πολλφ εύλογώτερον ύφ' εν) darf aber auch nicht zu einer Einheitlichkeit f hren, die die Vielheit der γένη und das durch sie erm glichte Sein als Geist aufhebt (2,35/36: ή τοιαύτη θέσις άναίρεσίς εστίν αύτοϊς - ουδέ γαρ τα είδη είδη εσται, ούδ' όλως πολλά ύφ' εν, άλλα πάντα εν, ...), dann kommt es zu einer undifferenzierten Einheitlichkeit, deren Vervielheitlichung dann nur noch auf g nzlich unangemessene Weise als Zerst ckelung denkbar ist (2,39: ου γαρ αυτό πολλά, ει μη τις ως μέγεθος κερματιεϊ ...).

2. Die \Jnzureichendkeit und Unverzichtbarkeit des diskursiven Denkens a) Das Neben- und Nacheinander als gemeinsame Struktur des diskursiven Denkens und der Sinnenwelt (i) VI2,4, i ff., wo die Einheit des Geistigen in ihrer besonderen Form von Vielheitlichkeit bestimmt werden soll, fordert Plotin dazu auf, alle Bestimmungen des K rperlichen fernzuhalten: ..., άφελόντας χρή την εν τοις σώμασι γένεσιν και την δι' αίσθήσεως κατανόησιν και τα μεγέθη (ούτω γαρ και το χωρίς και το διεστηκότα απ' αλλήλων είναι) λαβείν τίνα νοητήν ύπόστασιν και ως αληθώς ον και μάλλον εν (VI2,4, i4~I7)· Da es sich bei dem zu Verwerfenden insgesamt um Formen handelt, wie sie in der aristotelischen Kategorienlehre gegeben sind, wird bereits 4,4 deutlich, wo als solche Bestimmungen des K rperlichen το ύποκείμενον, το όπόσον, το όποιον, wenig sp ter noch einmal ουσία, ποσόν, ποιόν genannt werden. Plotin setzt bei diesen Aufz hlungen ein ως vor das ύποκείμενον (το μεν ως ύποκείμενον αυτού - sc. του σώματος -, 4» 4) un?)· Damit ist angedeutet, da die hier bei der Analyse des K rperlichen sogenannte ουσία von der eigentlichen ουσία zu unterscheiden sei. Mit der Negation der Bestimmungen des K rperlichen will Plotin in erster Linie davor bewahren, sich das geistige in der Weise des sinnlich wahrnehmbaren Seins zu denken; gleichzeitig ist aber damit auch die Anwendbarkeit der Ratio discursiva auf das wahre Sein abgewehrt. Denn nach Plotins berzeugung hat das diskursive Denken als solches, das eine Posi-

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tion nach der anderen vornimmt und nicht intuitiv das Ganze erfa t, genau die Form, in der sich die Sinnenwelt darbietet. VI 5 [23] 2,1-4 erkl rt Plotin die Unf higkeit des diskursiven Denkens, die Form des geistigen Seins zu begreifen, eben durch den Bezug auf die K rperwelt: λόγος δε έπιχειρήσας έξέτασιν ποιεΐσθαι του λεγουμένου (n mlich der These, da das Seiende berall sei) ούχ εν τι ων, αλλά τι μ ε μ ε ρ ι σ μ έ ν ο ν , π α ρ α λ α μ β ά ν ω ν τε είς την ζήτησιν την τ ω ν σ ω μ ά τ ω ν φ ύ σ ι ν και εντεύθεν τάς αρχάς λαμβάνων ε μ έ ρ ι σ έ τε την ούσίαν ... Zu vergleichen sind ferner folgende Stellen: IV 4 [28] 6 ist von der Ewigkeit der Gestirng tter die Rede; sie haben kein Ged chtnis, da dieses und berhaupt das diskursive Denken ein Kennzeichen des Irdischen ist. 6,10-13 hei t es deshalb von ihnen: ει οΰν μήτε ζητοΰσι μήτε άποροΰσιν - ούδενός γαρ δέονται, ουδέ μανθάνουσιν, α πρότερον ουκ ην αύτοΐς εν γνώσει - τίνες αν λογισμοί ή τίνες συλλογισμοί αΰτοϊς γίνοιντο ή διανοήσεις; VI9 [9] 5> 9/ισ werden mit διάστασις und κίνησις dem diskursiven Denken zwei typische Merkmale der Sinnenwelt zugeschrieben: τους λογισμούς ήδη οίον εν διαστάσει και κινήσει ... Um die Ganzheitlichkeit des noetischen Erfassens im Unterschied zu der Teiligkeit des diskursiven Denkens geht e s V 8 [31] 5, 19—22: ο υ τοίνυν δει νομί,ζειν έκεϊ α ξ ι ώ μ α τ α όραν τους θεούς ουδέ τους έκεϊ ύπερευδαίμονας, αλλ' έκαστα των λεγομένων έκεϊ καλά α γ ά λ ματα. Plotin spricht vom νους und kennzeichnet mit αγάλματα die Intuition. Das folgende 6. Kapitel macht dann die Art und Weise geistiger Erkenntnis an den gyptischen Hieroglyphen klar; wie ^, 20 die αξιώματα werden jetzt abgelehnt λόγοι, προτάσεις (6,4), διέξοδος (6,7), διανόησις, βούλευσις (6,9), ζήτησις, λογισμός (6,17); anschlie end 7>4 Ι- 44 hei t es dann u.a.: ου γαρ εξ ακολουθίας ούδ' εξ έπινοίας, αλλά προ ακολουθίας και προ έπινοίας· υστέρα γαρ πάντα ταύτα, και λόγος και άπόδειξις και πίστις. V 9 [5] 8, 16-22 wird zwischen dem ungeteilten νους und dem teilenden νους (also der Ratio discursiva) unterschieden: μία μεν ουν φύσις το τε δν δ τε νους· διό και τα οντά και ή του οντος ενέργεια και ό νους ό τοιούτος* και αϊ ούτω νοήσεις το είδος και ή μορφή του δντος και ή ενέργεια, επινοείται γε μην μεριζομένων ύφ' ημών θάτερα προ των ετέρων, έτερος γαρ ό μερίζων νους, ό δε αμέριστος και μη μερίζων το δν και τα πάντα. (2) Der Unterschied, der sich zwischen der εν πολλά-Form des Geistigen und dem raum-zeitlichen Nach- und Nebeneinander der Diskursivit t auftut, findet auch in der Zahlenlehre Plotins seinen Ausdruck. Plotin unterscheidet von dem ουσιώδης αριθμός den μοναδικός αριθμός, der als Abbild des ersten nicht mehr die einheitliche Vielheit des Geistigen als ουσία konstituiert,

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sondern sich in z hlbare Einheiten auseinanderlegt: και ούτος εστίν ό ουσιώδης αριθμός· άλλος δε ό μοναδικός λεγόμενος εΐδωλον τούτου (VI 6 [34] 9> 34/35)· Der μοναδικός αριθμός ist die sich beim Z hlen zeigende mathematische Zahl, sie ist noch von den durch sie gez hlten Sinnendingen unterschieden: όταν τοίνυν άλλον μετ' αλλού λαβών εΐπης δύο, οίον κύνα και ανθροοπον ή και ανθρώπους δύο ή πλείους, δέκα ειπών καί ανθρώπων δεκάδα, ό αριθμός ούτος ουκ ουσία ούδ1 ως εν αίσθητοϊς, άλλα καθαρώς ποσόν (16,14-ιδ)30. Die wesenhafte Zahl als die geistige Form eines Seienden darf nicht mit den Bestandteilen seiner Definition verwechselt werden: VI 6 [34] 16, 20—23 lesen wir όταν δε τον ανθρωπον αυτόν εφ' έαυτοϋ λέγης αριθμόν τίνα, οίον δυάδα, ζφον καί λογικόν, ούχ εις έτι ό τρόπος ενταύθα, αλλ' Ύ\ μεν δ ι ε ξ ο δ ε ύ ε ι ς κ α ί α ρ ι θ μ ε ί ς , ποσόν τι ποιείς, ... Die diskursive Gestalt der Definition, in der eine Bestimmung an die andere gereiht wird, darf nicht mit der wesentlichen Einheit der in der Definition genannten Bestandteile verwechselt werden, die als Idee ihren Platz im Ideengef ge hat und in diesem Sinne Zahl ist. ..., f) δε τα υποκείμενα εστί δύο καί έκάτερον εν, ει το εν έκάτερον συμπληροΰν την ούσίαν καί ή ένότης εν έκατέρφ, αριθμόν άλλον καί ουσιώδη λέγεις· καί ή δυάς αυτή ούχ ύστερον (ι6, 23-20) 3Ι.

VI6 [34] ι.5> 34 Ο·32 unterscheidet Plotin den Geist als αριθμός πρώτος καί αληθής und seine zahlenhafte Entfaltung (ούτοι μεν πρώτοι αριθμοί, ως αριθμητοί, ι^, 3^) von den Zahlen οί εν τοις άλλοις. Von diesen Zahlen kann, insofern sie aus dem Bereich der ουσία stammen, als αριθμητοί, insofern sie ihrerseits die z hlbaren Dinge messen, als άριθμοϋντες die Rede sein, wobei dann schlie lich die gez hlten Dinge selbst αριθμητά sind. Die vielfache Verwendung des Terminus αριθμητός l t sich unter Zuhilfenahme von i6,38-41 erkl ren: „ό δ' (die mathematische Zahl) εκ του φανήναι 30 Vgl. V 5 [32] 4,18-20: ουσιώδης μεν 6 το είναι αεί παρέχων, του δε πόσου ό το ποσόν μετ' αλλων (gez hltes Einzelnes) ή δτι (έτι ΤΗ) μη μετ' δλλων, είπερ αριθμός τοΰτο (arithmetische Zahl). 31 In welcher Weise die δυάς, insofern ζφον und λογικόν als υποκείμενα jeweils in ihrer Einheit begriffen werden, der αριθμός ουσιώδης des Menschen sei, ist schwer verst ndlich und - da das Problem der Zuordnung der Idealzahlen zu den Ideen bei Platon im Hintergrunde steht - mit zahlreichen Imponderabilien belastet. Eine weitergehende Deutung dieser Stelle wird unten S. 246 versucht. 32 Wir folgen in der Darstellung im wesentlichen Amado, RPhilos 143,1953,423-425. Vgl. ferner Concetta, AFLN 2, 1952,163: „II numero aritmetico, in quanto deriva dal numero ideale o primo, έ „numerate", in quanto impone le sue determinazioni quantitative alle cose e „numerante."; Carbonara, Plotino, II 294; Kutten, Les categories 90/91; Kr mer, Geistmetaphysik, 300, Anm. 414.

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έξωθεν προσιών (von den sinnlich wahrgenommenen Quanta evoziert) εν σοι ενέργεια ή εκείνων ή κατ' εκείνους (T tigkeit der intelligiblen Zahlen oder gem den intelligiblen Zahlen), άριθμοϋντος άμα και αριθμόν γεννώντος και εν rfj ενεργεία ύπόστασιν ποιοΰντος πόσου, ..." Die ersten Zahlen sind αριθμητοί, weil sie als Einzelinhalte des Geistes von der Zahlenhaftigkeit des Gesamtgeistes gepr gt und deshalb immer schon „gez hlt" sind (das „Z hlende", hier nicht genannt, w re in diesem Falle also der Gesamtgeist). Die Zahl „in dir" (d.h. im Bereich des Seelischen) ist einerseits den wesenhaften Zahlen gleich (also auch so strukturiert und damit αριθμητός), zum anderen kommt im Z hlen, das nach dem Vorbild der intelligiblen Zahlen in der Seele mit den Sinnendingen geschieht, das eigentliche Quantum zustande. Die beiden letzten Stellen, die die mathematischen Zahlen in ihrer Mittelstellung zwischen der Einheitlichkeit des Geistigen und der Vielheitlichkeit der gez hlten Dinge darstellen, f hren weiter auf die Frage nach der Mittlerrolle des Seelischen, damit aber auch auf das Problem, wieweit auch f r Plotin die Diskursivit t doch nicht blo auf die Seite der sinnlichen Zersplitterung geh rt. Hier kommt es uns jedoch zun chst allein auf den Unterschied an, der in der unterschiedlichen Form von Einheitlichkeit gegeben ist, in der sich die αριθμοί ουσιώδεις auf der einen, die αριθμοί μοναδικοί und die in ihnen als ποσά genommenen Sinnendinge auf der anderen Seite darbieten. Entsprechend der allgemein blichen Terminologie, in der die Beziehung von Geistes- und Sinnenwelt sonst ausgedr ckt wird, wird die Beziehung zwischen αριθμός ουσιώδης und αριθμός μοναδικός bzw. ποσόν als Teilhabe bezeichnet und dabei ausdr cklich betont, da hier ein „Sonderfall" der Ideenteilhabe vorliegt: ως οΰν μέγα μεγέθους παρουσία, ούτω και εν ενός και δύο δυάδος και τα αλλά ωσαύτως, το δε ζητεΐν πώς μεταλαμβάνει κοινόν προς πάντων των είδών την ζητουμένην μετάληψιν (VI6 [34] *4> 40-44) Β· b) Die Unzureichendheit der Definition durch Genus und spezifische Differenz zur Wesenserkenntnis (i) VI 5 [23] 2,19-23 fordert Plotin, da man, so man ber den Geist reden will, von diesem selbst seinen Ausgang nehme und nicht auf eine « Vgl. VI 6 [34] 9,35: ... μοναδικός αριθμός είδωλον τούτου ...; ferner 14,27-29= εν μεν είναι του §ν παρουσία, δύο δε, δυάδος, ώσπερ καΐ λευκόν λευκού καΐ καλόν κάλου καΐ δικαίου δίκαιον.

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andere Wesenheit ausweiche: όταν δ'αυ τους περί των νοητών λόγους τις ποιήται, λαμβάνων την της ουσίας φύσιν περί ης πραγματεύεται τάς αρχάς των λόγων δικαίως αν ποιοΐτο μη παρεκβαίνων ώσπερ έπιλελησμένος έπ° αλλην φύσιν, αλλ' απ' αυτής εκείνης περί αυτής την κατανόησιν ποιούμενος, ... IV 4 [28] 5, 5/6: (sc. τον νοητόν κόσμον) ου γαρ εικασία δει χρώμενον άποφαίνεσθαι ουδέ συλλογισμω τάς αρχάς αλλοθεν εϊληφότι entspricht diesem Gedanken und zeigt, da die unangemessene „Ver u erlichung" ein R ckfall in die Diskursivit t und die dieser der Form nach entsprechende Sinnenwelt ist. Mit άλλη φύσις (VI $ [23] 2,22) ist also die Sinnenwelt gemeint, in Wendung zu der hin der νους diskursiv wird und sich selbst entfremdet - zersplittert. Nun scheint allerdings bei solcher Ablehnung des Diskursiven Plotins Begr ndung daf r, da man bei der Erkenntnis des Geistigen von diesem selbst auszugehen habe, zun chst verwunderlich: ..., επειδή πανταχού το τί εστί αρχή, και τοις καλώς όρισαμένοις λέγεται και των συμβεβηκότων τα πολλά γινώσκεσθαι (VI 5 [23] 2,24/25); denn dieser Satz spielt auf die aristotelische Lehre an, nach der - ausgehend von der Definition (eben dem τ'ι εστίν) als Vordersatz - die ίδια eines Seienden im Schlu verfahren gewonnen werden k nnenM, er bezieht sich also auf ein f r die geistige Erkenntnis unzureichendes, diskursives Verfahren. Erst das Folgende zeigt dann, da Plotin den Hinweis auf den Vorrang des τί εστίν im Bereich des Diskursiven lediglich gibt, um in einem Argumentum a fortiore den Vorrang des an sich Wesentlichen herauszustellen: οϊς δε και πάντα εν τψ τί εστίν (also dem Geistigen, das insgesamt ουσία ist) υπάρχει, πολλώ μάλλον εν τούτοις εχεσθαι δει τούτου, και εις τοΰτο βλεπτέον και προς τούτο πάντα άνενεκτέον (2, 26-28). Hier verf hrt Plotin also so wie in den F llen, in denen er zwar einen Vorrang der ουσία νοητή vor der ουσία αισθητή betont, dabei letztere aber doch als Zugrundeliegendes den Akzidentien vorgeordnet sein l t 35 . Genau wie dort die ουσία αισθητή im Grunde als συμφόρησις ποιοτήτων, mu hier das τί, das der Ratio discursiva als Ausgangspunkt dient, als unzureichend angesehen werden, da die Definition selbst eben den Charakter der „Ver u erlichung" an sich tr gt, die dem Geistigen zuwiderl uft. 3* Es handelt sich um die ίδια oder συμβεβηκότα καθ' αυτά. Vgl. Arist. Metaph. Δ 30, 1025 a 30: λέγεται δε και αλλως συμβεβηκός, οίον δσα υπάρχει έκάστφ καθ' αυτό μη εν τη ουσία δντα, οίον τφ τριγώνφ το δύο όρθάς Ιχειν. De anima Ι ι, 402 a 15 ... των κατά συμβεβηκός Ιδίων άπόδειξις. 35 Vgl. die S. 141, Anm. 16 zitierten Stellen, bes. noch einmal VI 6 [34] 13, 32/33: και το δν μάλλον εν ουσία και (sogar!) αίσθητη ή εν τοις δλλοις νένεσιν.

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(2) Nadi der Meinung Plotins wird in der Definition des Menschen als ζφον λογικόν die ουσία des so Bestimmten nicht sichtbar; so hei t es VI 7 [38] 4,10—12: αλλ' ει μεν ζφον λογικόν ό άνθρωπος, ζφον δε το εκ ψυχής και σώματος, ουκ αν εΐη δ λόγος ούτος τη ψυχή (und damit τη ουσία) ό αυτός. Die Begr ndung, mit der Plotin die Definition des Menschen als ζφον λογικόν ablehnt, sie gebe Seele und K rper, nicht die Seele allein wieder, darf dabei keineswegs dahingehend mi verstanden werden, als habe der so Definierende die K rperlichkeit f lschlich ber cksichtigt und als suche nun Plotin diese K rperlichkeit vollst ndig auszuschalten. Vielmehr scheint der hinter dem Tadel stehende Gedanke ein anderer zu sein: Das diskursive Denken sucht, und zwar eben mit der Definition, der Zuf lligkeit des Individuellen oder (unepistemologisch ausgedr ckt) der materiellen Bedingtheit des Sinnlichen zu entrinnen, dabei aber doch das Seiende in seiner k rperlich verwirklichten Totalit t zu erfassen und so die ουσία sichtbar zu machen. Das gelingt ihm aber (im Gegensatz zur noetischen Wesensgewi heit) nach der Meinung Plotins nicht, da es einfach zwei Begriffe, ζφον und λογικός, additiv nebeneinanderstellt, ohne da die wesentliche Einheit der in der Definition auftretenden Bestimmungen sichtbar w rde. Wie wenig mit dem Nebeneinander zweier Begriffe f r das Verst ndnis der ουσία gewonnen wird, zeigt VI2,4,21 ff.: Die Erkl rung des Lebewesens als eines aus K rper und Seele Zusammengesetzten f hrt dazu, die Seele im Gegensatz zum vielheitlichen K rper einfach als ungegliederte Einheit zu nehmen (ψυχήν μίαν, . . ., άπλούστατον, ως δόξει τη πρώτη της διανοίας επιβολή, 4> 22/23, · · · 0ωμα μεν πολυειδές και σύνθετον και ποικίλον ..., 4> 20) und so ihre und damit des Geistigen Form zu bersehen. Stellt man in entsprechender Weise in der Definition die Bestimmungen ζφον und λογικόν (wobei im Falle des Menschen das im Begriff des ζφον enthaltene Seelische durch λογικός herausgehoben wird) nebeneinander, so gibt man nur eine Beschreibung des k rperlichen Seienden (erkennt also etwa an, da hier im Sinnlichen eine Form wirke), begreift aber nicht das Wesen des hier Sichtbaren: εσται γαρ ό λόγος ούτος δηλωτικός του έσομένου, ούχ οίος ον φαμεν αύτοάνθρωπος, άλλα μάλλον έοικώς ορώ, και τοιούτω οϊφ μηδέ δηλωτικφ του τί ην είναι (VI 7 [3 8] 4> ι6-ι8)χ. ·*6 Bei Aristoteles bezeichnet δρος zumeist, im Bedeutungsumfang ορισμός entsprechend, die Definition durch Genus und spezifische Differenz (so besonders in der Topik, vgl. Top. I 5, ιοί b 37), im weiteren Sinne eine jede Bestimmung eines Seienden (vgl. den Gebrauch in der „Politik", z.B. Polit. VII 15, 1334 a 12-14, auch Metaph. Z 13, 1039 a 19-21 und H 2, 1043 a 22 lassen diesen Gebrauch erkennen).

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Die entscheidende berzeugung Plotins ist diese: Die Definition des Menschen als ζφον λογικόν ist nicht in dem Sinne falsch oder auch nur unzureichend, da eines ihrer Glieder ersetzt und ein anderes erg nzt werden m te; sie ist vielmehr in dem Sinne unzureichend und so falsch, weil sie wegen ihrer diskurvisen Form prinzipiell Wesenseinsicht nicht vermitteln kann. Ganz deutlich wird das an der bereits oben bei der Behandlung der Zahlen-Geist-Struktur angef hrten Stelle VI 6 [34] 16, 20-26. Es zeigt sich dort, da die Zahlenhaftigkeit eines Seienden nicht in dem Nebeneinander der Termini seiner Definition bestehen konnte; gefordert war vielmehr, die wesentliche Einheit der in der Definition genannten Begriffe zu erkennen, hinter der Bestimmung des Menschen als ζφον λογικόν also die Idee des Menschen zu sehen und ihren Platz in der Ideenordnung zu begreifen. „...; sofern dagegen die Substrate zwei sind und jedes von ihnen ein Eines, und falls das Eine f r jedes von ihnen ein wesensnotwendiger Bestandteil ist und in jedem die Einheit vorhanden ist, dann sprichst du eine andere, eine wesenhafte Zahl aus" w. Es geht hier nicht darum, die K rperlichkeit des Definierten, insofern sie wesentlich zu seinem Sein als Lebewesen hinzugeh rt, auszuscheiden, sie mu vielmehr an sich bei dem Wissen darum, was der Mensch sei, ber cksichtigt werden: Mit den δύο υποκείμενα sind K rperlichkeit und Seelisches als bei der Konstitution des Menschen miteinander wirksam angesprochen. Da es Plotin wirklich um die noetische Gewi heit ber das Seiende geht und die verworfene „K rperlichkeit" letztlich in der diskursiven Form ihres Verst ndnisses besteht, zeigen die Stellen, die auch die K rperlichkeit als eidetische Wirkkraft (im Traktat VI 6 Περί αριθμών also als αριθμός ουσιώδης) auffassen: ό μεν δη του σώματος αριθμός ουσία, ως σώμα, οί δε της -ψυχής ούσίαι, ως ψυχαί (VI 6 [34] 16,45/46)· έπισκεπτέον πότερα ή σωματότης (!) εστί το εκ πάντων συγκείμενον ή είδος τι και λόγος τις, δς έγγενόμενος τη ύλη σώμα ποιεί (II 7 [37] 3> Ι-4)· Diese Erkl rung der K rperlichkeit aus dem είδος eines Seienden unterstreicht die Negativit t der plotinischen ύλη, zeigt, wie sehr Plotin die Materie als Principium individuationis und damit die Uni Versalienproblematik vernachl ssigen kann, und liefert auch einen Beitrag zu Plotins Lehre von den λόγοι als den Wirkkr ften des EidetischenM. In diesem Zusammenhang ist allein wichtig, da Plotin die Gesamtverfa theit eines Seienden als noetisch begr ndet ansieht. 37

Vgl. das griechische Zitat oben S. 242. 38 II 7 [37] 3,7 f. unterscheidet Plotin den λόγος δηλωτικός του τί Ιστι το πράγμα (hier das τί εστί im Sinne der ουσία αίσθητή bzw. ihres ενυλον είδος) von dem

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(3) VI 2,5, 22-26 wendet sich Plotin mit den Fragen δρ' oxiv άλλο το είναι, άλλο δε το λοιπόν, δ συμπληροΐ την της ψυχής ούσίαν; και το μεν δν, διαφορά δε ποιεί την ψυχήν; und der Antwort ή τι δν μεν ή "ψυχή, ου μέντοι ούτως, ως άνθρωπος λευκός, αλλ' ως τις ουσία μόνον, τοϋτο δε ταύτόν τψ μη έξωθεν της ουσίας εχειν δ έχει dagegen, da man die Bestimmung der Seele (etwa als „lebendes Wesen") so versteht, als handele es sich um das Genus ov plus einer von au en hinzutretenden spezifischen Differenz. Vielmehr ist die Seele eine in ihrer Vielheitlichkeit ungeteilte Form der ουσία, die auf jeden Fall im Gegensatz zur K rperwelt reine ουσία ohne irgendeinen Zusatz ist. Entsprechend mu dies f r alle οΰσίαι als den Inhalten des Geistes gelten; sie sind als λόγοι Wirkungen der umfassenden ουσία39. Die Antwort, die Plotin auf die rhetorisch gestellten Fragen gibt, zeigt, da er mit der Nennung des συμπληροϋν und der διαφορά nicht nur die Definition als Erkenntnisform der ουσία zur ckweisen will, sondern insgesamt alle Formen der Aussage und damit die Diskursivit t als Form der Seinserkenntnis verwirft. Das Hinzukommen von Bestimmungen „von au en" ist das Kennzeichen f r eine Pluralit t, die gegen ber der εν πολλάStruktur des Geistigen sich ins άπειρον zu verlieren droht w . Dieses Hinzukommen von au en ist das aristotelische συμβεβηκέναι; es bezeichnet eine Form von Sein, die das eigentliche, das geistige Sein verfehlt41. c) Die Unverzichtbarkeit des diskursiven Denkens bei der Erkenntnis der Sinnenwelt i. Wenn Plotin das Sinnliche gegen ber dem Geistigen als γιγνόμενον und als μη δν einstuft, so ist diese Unterscheidung nicht problematisch, inλόγος ποιων πράνιια als dem wahren λόγος (der Ausflu des wahren τί εστί ist, um das es hier geht). 39 Vgl. VI 2,5,12-14: ή καΐ αυτή (sc. ή ψυχή) λόγος καΐ κεφάλαιον των λόγων καΐ ένέρνρια αύτήσ κατ' ούσίαν ενεργούσης οι λόγοι· ή δε ουσία δύναιιις των λόγων. 40 Vgl. VI 2,4,18-21: ... το θαΰμα, πώς πολλά και Ιν το οΰτως 2ν επί μεν γαρ των σωμάτων συγκεχώρηται το αυτό Εν και πολλά είναι· καΐ γαρ είς δπειρον το αυτό και Ιτερον το χρώμα και το σχήμα ?τερον ... 41 Vgl. VI 2, 2,43-46' ούχ οίον τε Εκαστον ότιοΰν ληφθέν ή δν ή οΰσίαν λέγειν, εΐ δε τις λέγοι δν, τφ συμβεβηκέναι φήσει, οΐον εΐ λευκόν λέγοι την οΰσίαν ου γαρ δπερ λευκόν λέγει (das eigentliche Sein des Wei en). Entsprechend wird - ohne da dabei besonders betont w rde, da es auch f r den Geist diese Form von Vielheit nicht gibt - f r das Eine das συμβεβηκέναι abgelehnt. VI 8 [39] 8, 21-24: ή ουδέ το συνέβη λεκτέον οΰτε γαρ αύτφ οΰτε προς δλλο (das Eine hat also auch an dem, das durch es eins ist, — und nicht nur f r sich selbst — eine andere als blo akzidenteile Seinsform)· εν γ α ρ π ο λ λ ο ί ς το σ υ ν έ β η , δταν τα μεν η, το δε ίπι τούτοις συμβη.

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sofern sich in ihr eine wertbestimmte Trennung beider ausdr ckt. Die Schwierigkeit liegt jedoch darin, da die Negation jeder der Erkenntnis Halt bietenden St ndigkeit und damit jedes Seins f r die Sinnenwelt nicht zutrifft, diese vielmehr am Sein „teilhat". Unter den Belegen, die daf r anzuf hren waren, da es Plotin darum geht, die Vorstellung von ουσία νοητή und ουσία αισθητή als είδη eines Genus ουσία abzuwehren und die kategoriale Unterschiedenheit von Geistigem und Sinnlich-Wahrnehmbarem herauszustellen, lassen solche Stellen, die nicht direkt Sein und Nichtsein gegeneinandersetzen, sondern dem Sinnlich-Wahrnehmbaren nur einen niederen Seinsrang zuweisen, erkennen, da die blo e Kontradiktion nicht v llig durchgehalten werden kann. Andere Stellen sprechen die Polarit t zwischen der Unterschiedenheit des Sinnlich-Wahrnehmbaren vom Geistigen und der Teilhabe an ihm deutlich aus: Zwar sollte man, so sagt Plotin IV 7 [2] 85, 47-51, alles K rperliche nicht ουσία, sondern γένεσις nennen, da es wird und vergeht, niemals aber tats chlich ist (το μεν γαρ γένεσις, αλλ' ουκ ουσία, παν το σωματικόν είναι λέγοιτ' αν, γινόμενον και άπολλύμενον, όντως δε ουδέποτε δν), f gt aber hinzu, da das K rperliche durch Teilhabe am Sein bewahrt werde, soweit es an ihm teilhabe (μεταλήψει δε του δντος σφζόμενον, καθόσον δν αΰτοϋ μεταλαμβάνη). V 6 [24] 6,13-18 geht es darum, den Unterschied zwischen Geistigem und Sinnlich-Wahrnehmbarem nicht so sehr als Unterschied zwischen Beharren und Flie en zu sehen (das sind ja beides im Grunde Vorstellungen, die dem Sinnlichen entstammen), sondern das wahre Sein als das aus sich selbst Vollkommene zu begreifen. Bei dieser Gelegenheit bemerkt Plotin in begr ndender Parenthese, da jenes Kriterium f r das Geistige, die Unbewegtheit, auch wohl im Sinnlichen anzutreffen sei: τάχα γαρ και εν τοις αίσθητοϊς Ιστι τα μένοντα. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang vor allem V 5 [32] i, 12-15: έπεί και τα επί της αίσθήσεως, α δη δοκεΐ πίστιν εχειν έναργεστάτην, άπιστεΐται, μη ποτέ ουκ εν τοις ΰποκειμένοις, αλλ' εν τοις πάθεσιν έχει την δοκοΰσαν ΰπόστασιν και νου δει ή διανοίας των κρινούντων. Der Ausdruck δοκοϋσα ΰπόστασις (vgl. VI 2, ι, 26 το δόξαν ον) ist eine Art Oxymoron, da mit ihm die Ambivalenz der Sinnenwelt, zwar nicht das wahre Sein (δοκοϋσα), aber doch nicht nichts (ύπόστασις) zu sein, eingefangen wird. Der Zusatz και νου δει ή διανοίας των κρινούντων verweist auf die M glichkeit, in der unendlich vielf ltigen Qualifiziertheit, mit der das Sinnlich-Wahrnehmbare als solches begegnet (εν τ ο ι ς π ά θ ε σ ι ν έχει την δοκοΰσαν ΰπόστασιν = ουσία αίσθητή

Die Unzureichendheit des diskursiven Denkens

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als συμφόρησις ποιοτήτων και ύλης), Geistiges wirksam zu sehen und so eine feste Gestalt im Werden auszumachen. (2) Hier er ffnet sich also der „epistemologische" Aspekt der Teilhabefrage. Das diskursive Denken (διάνοια, hier auch νους, wozu gleich) geh rt zwar als zergliederndes seiner Form nach der Sinnenwelt an, und man darf von ihm als solchem nicht die Erkenntnis des Seins verlangen; es ist aber doch das Mittel, mit dem wir uns im R ckgriff auf das Geistige die im Flie en der Sinnenwelt bleibende Form vor Augen fuhren. V 9 [5] 7, i ff. werden zwei Arten von έπιστήμαι unterschieden, die sich in der ψυχή λογική finden: Die einen gehen auf die νοητά und sind αί όντως έπιστήμαι (7,4-6); die anderen gehen auf die αισθητά, und von ihnen hei t es, man m sse sie eigentlich δόξα nennen, da sie sp ter als die Dinge und lediglich deren Abbilder seien (ΰστεραι των πραγμάτων οΰσαι εικόνες είσί, τούτων, γ, 3/4)· Damit will Plotin sagen, da das diskursive Denken im Blick auf die Idee42 nachtr glich die den Sinnen sichtbare Form uns klarmacht. — I i [53] 7, 9—16 hei t es, da die δύναμις αντιληπτική der Seele, die von der αΐσθησις angesprochen wird, sich bereits auf die νοητά (είδη) richte, deren Abbilder die Sinnendinge sind; von diesen είδη nehmen dann (im Sinne der Beziehung α'ισθητόν - νοητόν nachtr glich) die διάνοιαι, δόξαι, νοήσεις ihren Ausgang. Zu vergleichen ist ferner III i [3] 2,22-24: ου μόνον τα αλλά, όσα γίνεται, άλλα και τάς ημετέρας διανοήσεις εκ των εκείνης (sc. της αρχής του παντός) ίέναι κινημάτων. Insofern die Menschen aber mit dem diskursiven Denken so die Verbindung zwischen Geistigem und Sinnlich-Wahrnehmbaren herstellen und so auch zwischen ihrem Sein als Geistwesen und als Sinnenwesen vermitteln, kann Plotin die Diskursivit t als das eigentlich Menschliche betrachten und mit dem Seelischen als dem Vermittelnden schlechthin identifizieren. Die zitierte Stelle I i [53] 7,9-16 f hrt Zeilen 16-18 fort: διάνοιαι δη και δόξαι και νοήσεις· ένθα δη ημείς μάλιστα, τα δε προ τούτων ημέτερα, ημείς δη το εντεύθεν άνω εφεστηκότες τφ ζφω. Entsprechend und noch deutlicher V 3 [49] 3,34-39: ή αυτοί μεν οί λογιζόμενοι καΐ νοοΰμεν τα εν τη διανοίο: νοήματα αυτοί* τοΰτο γαρ ημείς, τα δε του νου ενεργήματα άνωθεν ούτως, ως τα εκ της αισθήσεως κάτωθεν, τοΰτο δντες το κύριον της "ψυχής, μέσον δυνάμεως διττής, χείρονος και βελτίονος, χείρονος μεν της αίσθήσε(ος, βελτίονος δε του νου. Insofern die Seele die Inhalte, die im νους komplex als Einheit beieinanderliegen, einzeln vornimmt, es aber doch die Inhalte des Geistes sind, die im diskursiven Denken hervortreten, kann sogar von dem *2 Zu πράγμα als dem Wesen der Sache vgl. oben S. 224.

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Seinserkenntnis und diskursives Denken

diskursiven Denken als dem menschlichen νους gesprochen werden (18 [51] 2, 9-15; IV 7 [2] 8, 17-19). Von diesem νους hei t es I i [53] 8, 1/2: νουν ην ή ψυχή έχει εξιν οΰσαν των παρά του νου.

5- Die Sinnenwelt als Konglomerat aus Qualit ten und Materie a) Scheitern des Versuches, die ουσία αισθητή als συναμφότερον aus είδος und ΰλη zu verstehen (1) Die Einsicht in die Unterschiedenheit der Form des Geistigen und der des Sinnlich-Wahrnehmbaren f hrt Plotin zur scharfen Abgrenzung beider: δει δε και περί της ε τ έ ρ α ς φύσεως έπισκέψασθαι, ... (VI 3,1,2/3). . . . και τώδε τω παντί ε τ έ ρ α (sc. γένη δει ζητεΐν) εκείνων, επειδή και έ τ ε ρ ο ν τούτο εκείνου και ου συνώνυμον, ό μ ώ ν υ μ ο ν δε και ε ί κ ώ ν (ι, ΐ9-2ΐ) 43 · Gegenstand der Untersuchung ist der κόσμος αισθητός, und es ist die ihm gem e Weise der Betrachtung zu finden (ι,8-ιι):έπειδή π ε ρ ί των α ι σ θ η τ ώ ν ό λόγος ήμΐν, παν δε το αΐσθητόν τωδε τω κοσμώ περιείληπται, περί του κόσμου άναγκαΐον αν εΐη ζητεΐν [διαιροΰντας] την φύσιν αΰτοΰ και εξ ων εστί δ ι α ι ρ ο ΰ ν τ α ς κ α τ ά γ έ ν η θεϊναι. Das Problem liegt aber nun darin, die Bedingungen der M glichkeit sinnlich wahrnehmbaren Seins zu begreifen, insofern es sich doch nicht v llig im Werden aufl st. Bereits das κατά γένη διαιρεΐν (das mitsamt dem es erl uternden Beispiel noch gesondert vorgenommen werden mu ) fordert ja dazu auf, sich dem άπειρον, das die Sinnenwelt als solche darstellt, zu entziehen. Entsprechend wird gleich am Anfang VI 3,1,21-26 gegen die anstehende Aufgabe, jetzt die Sinnenwelt f r sich betrachten zu m ssen, der Einwand gesetzt, da in den Sinnendingen ein συναμφότερον aus Seele und K rper vorliege und es deshalb schwer sei, die Seele, die ihrem Wesen nach ins Geistige geh re, aus einer Untersuchung ber das Sinnliche herauszuhalten. (2) Angesichts dieser Forderung geht nun Plotin so vor, da er einerseits eine Einteilung der Sinnenwelt in der Art versucht, wie sie die Kategorienlehre des Aristoteles darstellt, deren Hauptmerkmale das Verst ndnis 43

Vgl. allgemein zur Antithese von Geistigem und Sinnlich-Wahrnehmbarem S. 138143, im besonderen zu εΐκών, ομώνυμος, αναλογία (dieses hier VI 3, i, 6 in Verbindung mit ομωνυμία) S. 150 f.

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der ουσία als συναμφότερον aus είδος und ΰλη und die Abh ngigkeit der Akzidentien von diesem συναμφότερον sind, da er andererseits stets auf das νοητόν als den Grund der Best ndigkeit im Sinnlichen weist, so dann freilich aber auch die aristotelische Einteilung selbst mehr und mehr in Frage zu stellen gen tigt ist. Mit aristotelischem Ansatz wird VI3,3,1-6 zwischen ΰλη, είδος, το μικτόν εξ άμφοϊν und (als Akzidentien) τα περί ταΰτα unterschieden, dabei dann auch eine weitere Gliederung letzterer vorgeschlagen44. Sofort anschlie end mu jedoch auf die Unzureichendheit einer einfachen Unterscheidung zwischev ΰλη und είδος als Teilen des συναμφότερον hingewiesen werden. F r die Materie formuliert Plotin das so, da sie als undifferenziert allem zugrundeliegende kein γένος sei; will sagen, da sie, deren Einheitlichkeit in der blo en M glichkeit, Unterschiede aufzunehmen, besteht, keine dem άπειρον enthebende Einheitsvorstellung zu bieten vermag (3, 6-ia)45. Das είδος andererseits (3,12-19) konstituiert zwar, insofern es sich k rperlich verwirklicht findet, das Einzelne im Unterschied zu den anderen Einzelnen (το δε είδος προσκειμένου του περί την ΰλην ή εν ΰλη των μεν άλλων ειδών χωρίζει, ...), bietet aber die durch es gegebene Form keineswegs rein dar (ου μην περιλαμβάνει παν είδος ουσιώδες). Der mit der Einsicht in die Unzureichendheit des είδος ενυλον verbundene Hinweis auf die reine Form hilft freilich noch nicht, die Bedingungen ihrer Inkorporation zu verstehen (ει δε είδος λέγομεν το ποιητικόν ουσίας και λόγον τον ουσιώδη κατά το είδος, οΰπω την ούσίαν — n mlich die durch den λόγος ποιητικός bewirkte ουσία αισθητή — εΐπομεν πώς δει λαμβάνειν). Die M glichkeit schlie lich nur das συναμφότερον als ουσία zu erkl ren, είδος und ΰλη aber nicht, l t die je besondere Rolle von ΰλη und είδος in der Wirklichkeit des Ganzen au er acht (το δε εξ άμφοϊν ει τοϋτο μόνον ούσίαν, εκείνα ουκ ουσίας). Die im Anschlu an diese berlegungen gegebene Neueinteilung der Akzidentien (3, 19-32) in προς τι, ποσόν, ποιόν, κίνησις (3, 3°) ist ~ wiU man nicht in der anschlie enden Zusammenfassung aller Akzidentien als προς τι den Platoniker sprechen sehen - an sich von untergeordneter Bedeutung, solange das Verh ltnis der Akzidentien als Seienden zu der ουσία αισθητή als Seiendem ungekl rt ist. Die Formulierung ει δε μη είς εν τα τρία, εσται ΰλη, είδος, συναμφότερον, προς τι, ποσόν, ποιόν, κίνησις (3, 30/31) spiegelt in ihrer scheinbar simplifizierenden Nebeneinanderreihung 44 Vgl. dazu oben S. 164, Anm. 52. 45 Vgl. die Behandlung dieser Stelle S. 222/223.

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von είδος, ΰλη und συναμφότερον genau wieder, um was es hier geht: Alle genannten Termini beanspruchen, „irgendwie" ein Sein zu bezeichnen; die Art und Weise ihrer Geltung als Seiendes ist aber nicht gekl rt. VI3,4,1-29 wird die Bestimmung der aristotelischen ουσία, da sie nicht von einem anderen ausgesagt wird, zun chst akzeptiert und zus tzlich noch betont, da die Aussage des είδος vom Individuum dem nicht widerspreche, da das είδος von dem Individuum nicht als von einem anderen ausgesagt werde, sondern dessen notwendigen Bestandteil darstelle. Die aus der G ltigkeit dieser Regel ableitbare Auffassung von είδος, ΰλη und συναμφότερον als ύποκείμενον mu sich freilich den Hinweis gefallen lassen: άλλα άλλως μεν ή ύλη τφ εΐδει, άλλως δε το είδος τοις πά&εσι και το συναμφότερον (sc. υπόκειται) (4, 28/29), so da die Frage nach dem Verh ltnis aller als seiend bezeichneten „Bestandteile" der ουσία αισθητή wiederkehrt. Schlie lich mu die ύποκείμενον-Vorstellung f r die ΰλη berhaupt abgelehnt werden: τελείωσις γαρ το είδος αυτής (sc. της ύλης) καθ' όσον ΰλη και καθ' όσον δυνάμει (4,3O/31)· Wiewohl die Terminologie des Einwandes aristotelisch ist, wird hier doch auf den platonischen Horizont verwiesen, vor dem die Unterscheidung zwischen ΰλη, είδος und συναμφότερον so einfach nicht bestehen kann. VI 3,5,7-23 wird die Bestimmung der ουσία, nicht an einem Zugrundeliegenden zu sein, zun chst angenommen und wiederum mit der Erkl rung gest tzt, da das είδος in dem Individuum nicht als in einem anderen sich befinde wie die Akzidentien an der ουσία. Gegen diese Definition der ουσία, nicht an einem Zugrundeliegenden zu sein, l t sich nun freilich einwenden (5, 23-29), da auch die spezifische Differenz, wiewohl sie Qualit t ist, nicht an einem Zugrundeliegenden sei, da sie die Substanz allererst konstituiert. Plotin begegnet dieser Schwierigkeit mit der Erw gung, da „das Zweif ige", wenn man es nicht als dieses so von anderen unterschiedene Seiende, sondern als „Zweif igkeit" nimmt, durchaus als ein εν ύποκειμένω δν gewertet werden kann. Plotin spricht dabei auch von dieser „Zweif igkeit" als Qualit t; angesichts der Gedankenentwicklung in den folgenden Kapiteln darf hier aber schon ein Hinweis auf die Lehre vermutet werden, die jegliche Qualifiziertheit als Ausdruck einer geistigen Form versteht und darum darauf verzichtet, in der Sinnenwelt zwischen spezifischer Differenz und akzidenteller Beschaffenheit zu unterscheiden. VI3,6 folgt Plotin bei der Er rterung der Frage, wie die von Aristoteles mit εν ύποκειμένω είναι beschriebene Seinsweise der Akzidentien im Unterschied zu der der Substanzen zu denken sei, zun chst Aristoteles und

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stellt fest, da das Seiende der ersten Kategorie sein Sein aus sich selbst, die Akzidentien aber ihr Sein aus diesem Seienden haben. Dann aber (6,2832) wird in einer platonischen Wendung auch dem Seienden der ersten Kategorie das Sein aus sich selbst abgesprochen und auf seinen Bezug auf die Idee verwiesen (αλλ1 έπεί και τοΰτο το ον το εν τφ αίσθητφ ου παρ' αύτοΰ δν, λεκτέον, δτι παρά του όντως δντος έχει το δν ...). Entsprechend kann jetzt das Sein der akzidentellen Beschaffenheit neu bestimmt werden. Wie das Seiende vom όντως v sein Sein, so hat es vom όντως λευκόν sein Wei sein durch Teilhabe an diesem (..., παρά δε του όντως λευκοί; έχει το λευκόν είναι, κάκεινου το λευκόν έχοντος κατά μετάληψιν του εκεί δντος Ιχοντος το είναι). Zu vergleichen ist dazu vor allem VI 6 [34] 5, 26-29: το συμβεβηκός δει τι εΐναι προ του συμβεβηκέναι, καν άχώριστον η, όμως είναι τι εφ' εαυτού φύσιν τινά, ως το λευκόν, και κατηγορεΐσθαι κατ' αλλού ήδη δν δ κατηγορηθήσεται. Plotin stellt also die Gesamtverfa theit eines Seienden, die sich den Sinnen darbietet (und in der nat rlich die Qualit ten nicht abtrennbar sind), als Ausdruck seiner geistigen Form hin. VI 3,7 setzt sich Plotin mit dem Versuch auseinander, die ύλη als bestimmend f r das Sein der αισθητά anzusehen, da diese doch die Bedingung f r die M glichkeit ihres Seins darstelle (δτι δε μη πρώτον ή ύλη - also das Prim re an sich —, εΐρηται εν άλλοις· ει δε, δτι τα αλλά ουκ αν συσταίη μη επί, της ύλης, τα αισθητά φήσομεν, 7>3~5)· Gegen diese Ansicht, die das Verh ltnis der ύλη zu den αισθητά so fa t wie das der ουσία gegen ber den Akzidentien (ihr also einen positiven Beitrag zur Konstitution des Sinnendinges zuschreibt) setzt Plotin die Negativit t der ύλη: Es ist die unterschiedliche Rangordnung von εΐδος und ύλη zu ber cksichtigen (7, 5—17). Der sich zur Erl uterung dieser Rangordnung anbietende „Vergleich", da das είδος gleichsam eine vollere, die ύλη eine abgeschw chte Stufe von Leben darstelle, mu mit der Kautel versehen werden, man d rfe nicht den geringeren Grad von Lebendigkeit (der bei einer Art quantifizierender Betrachtung als im h heren Grade von Lebendigkeit enthalten zu denken w re) als Gemeinsamkeit von είδος und ΰλη nehmen (7,21-34). Ja selbst dieser Vergleich (der im Grunde eine abgestufte Eideierung der Seinsordnung voraussetzt) mu aufgegeben und schlie lich die Antithese von είδος und ύλη betont werden (7,34/35) *. 46 Als Erl uterung zu diesem negativen Verst ndnis der ΰλη ist insgesamt auf II 4 [12] Kap. 14-16 zu verweisen, wo Plotin die aristotelische Trennung von δλη und είδος, die das Verst ndnis der ΰλη als eines positiv wirkenden Faktors bei der Konstitution der ουσία αίσθητή erm glicht, abwehrt. Freilich bleibt die Materie Bedingung f r M glichkeit der Sinnenwelt (vgl. II 4 [12] 11,1-3; "> 20-23), was vom Stand-

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(3) Am Ende seiner Bem hungen, die ουσία αίθητή zu bestimmen, verzichtet Plotin ausdr cklich darauf, sich au erhalb des durch die Wahrnehmung abgesteckten Horizontes zu begeben: ... περί της αισθητής ουσίας λέγοντα, ην δει αίσθήσει μάλλον ή λόγφ λαμβάνειν, και το εξ ων σύγκειται μη προσποιεΐσθαι (VI3,8,2/3) 47 . Die von Aristoteles gegebenen Bestimmungen der ουσία sondern zwar ΰλη, είδος und συναμφότερον gemeinsam von den Akzidentien ab (και το κοινόν πασι τούτοις - sc. den aus εϊδος und ΰλη bestehenden σύνθετα -, fj των άλλων - sc. der Akzidentien - κεχώρισται· υποκείμενα γαρ ταΰτα τοις άλλοις και ουκ εν ύποκειμένω ουδέ αλλού 8,9~ιι), die ουσία αισθητή qua αισθητή ist aber ohne die Qualifiziertheit, in der sie sich zeigt, nicht denkbar: αλλ' ει ή αίσθητή ουσία ουκ άνευ μεγέθους ούδ' άνευ ποιότητος, πώς έτι τα συμβεβηκότα χωριοΰμεν; χωρίζοντες γαρ ταΰτα, το μέγεθος, το σχήμα, το χρώμα, ξηρότητα, ύγρότητα, τί την ούσίαν αυτήν θησόμεθα; ποιαί γαρ ούσίαι αύται (8, ΐ2-ι6). Die Bedingung daf r, da sich das reine Sein (το μόνον ούσίαν εΐναι, 8, 17) solcherma en in der Form von Qualit ten den Sinnen darbietet, ist die ΰλη (8,16-19), und es folgt so als Bestimmung der ουσία αίσθητή eben dies, da sie ein Konglomerat aus Materie und Qualit ten sei: άλλα δρα γε ή αίσθητή ουσία συμφόρησίς τις ποιοτήτων και ύλης, και όμοϋ μεν πάντα ταΰτα συμπαγέντα επί ύλης μιας ουσία, χωρίς δε εκαστον λαμβανόμενον το μεν ποιόν, το δε ποσόν Ισται, ή ποια πολλά· ... (8,19-23)η. Diese Einsicht l uft auf eine kategoriale Entgegensetzung von ουσία und ποιόν im Sinne Platons hinaus und f hrt - konsequent zuende gedacht - dazu, die aristotelische Kategorienlehre berhaupt in Frage zu stellen. Im Gegensatz zu den aristotelesfreundlichen Platonikern, die neben ihrem Platonismus die Kategorienlehre in Geltung lassen, und nat rlich auch im Gegensatz zu den Peripatetikern selbst ist sich Plotin dieser Konsequenz bewu t.

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punkte des Wertdenkens keinen Widerspruch darstellt, da das reine Sein eben beim Eingehen in die Materie depraviert wird und so στέρησις erf hrt. Vgl. sp ter VI 3,10,12/13 die Einteilung der ούσίαι αίσθηταί betreffend: έπεί γαρ περί αισθητής ουσίας ό λόγος, ουκ άτοπος αν εΐη, διαφοραΐς εΐ λαμβάνοιτο ταϊς προς την αϊσθησιν ... Vgl. die entsprechenden Formulierungen VI 3, ίο, 15: την δοκοΰσαν ύπόστασιν αυτής (sc. της αισθητής ουσίας) σύνοδον των προς αίσθησιν Ιφαμεν είναι; 15, 25/26: κινδυνεύει ή λεγομένη αυτή ουσία είναι τοΰτο το εκ πολλών; ι6, 3^/37: ... ούσίαν δε αίσθητήν το εκ πάντων των είρημένων θέμενοι ...; indirekt auch VI 2,14, 3/4 bei der Verneinung der Frage, ob die ουσία νοητή „Qualit t" als Genus haben k nne: ... μη εκ τούτων (sc. των ποιοτήτων) δε την σύστασιν εχειν; II 4 [ΐ2] ιι,ι/2: δει τίνος δλλου (n mlich der ί5λη) προς σύστασιν σωμάτων μετά μέγεθος και ποιότητας άπάσας.

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b) Die Irrelevanz der Unterscheidung zwischen spezifischer Differenz und akzidenteller Qualifiziertheit vom Standpunkt der ουσία αισθητή (i) In seinem Traktat Περί ποιότητος II 6 [17] fragt Plotin nach dem Rechtsgrund der Unterscheidung zwischen spezifischer Differenz und akzidenteller Beschaffenheit in der Sinnenwelt (II 6 [17], i, 16-21). Hier wird bereits ausgesprochen, da die rationale Form (λόγος) in der Sinnenwelt als Qualit t auftritt: αλλ3 αρά τους μεν λόγους τους ποιήσαντας αυτά ουσιώδεις όλους, τα δε αποτελέσματα εχειν ήδη τα έκεϊ τι ενταύθα ποια, ου τί. ... (ι, 40-42); die Antwort auf die Ausgangsfrage lautet jedoch dahingehend, da zwischen der wesentlichen Beschaffenheit der ουσία als der Wirkung ihrer Idee und den akzidentellen Befindlichkeiten, die von der ουσία abtrennbar sind, zu unterscheiden sei: το άπηρημωμένον ουσίας ποιόν, το δε συν ταύτη ούσίαν ή είδος ή ένέργειαν (3,25/26). Diese Unterscheidung wird nun in VI 2,14 ausdr cklich korrigiert, als Plotin die Qualit t als Genus des Geistigen in Erw gung zieht und verwirft. „Freilich haben wir an anderer Stelle gelehrt, da Wiebeschaffenheiten, die zur Seinserf llung der Seinsheit geh ren (τα της ουσίας συμπληρωτικά, 14,15)? 145/146, 225228 έννοια : φυσική ε. 2Ο2, 208, 214; ψιλή 2. 175/176; 190 Entelechie: -v Seele έξις: 20-23, 33, 9*> 95 κτάνοια: 171, 173/174, 186, 215, Form (είδος): F.-Privation 65, 85, 89, 91, 95; F.-Materie 62/63, 65, 75/7^, 79» 84-90, 99, 124, 152-154, 162-166, 173/174, 182-186, 192, 209, 215, 2i8/ 219, 227, 251-254, 256, 261; F.-Qualit ten 22/23, 77-83, 171/172, 203, 209, 217, 252/253; F. als Definiendum Individuum: 69, 73-79, 119, 191/192, 252; δτοιιον είδος 7/8, 64/65, 196; F. als Seele 124 A. HO, 181-185, 245; είδος Ινυλον — είδος χωριστόν 153, 105, 171, 199, 202-204, 208-210, 215, 220,

227, 25 1 , 201

Fr her und Sp ter (πρότερον και ΰστερον): 69-72, 74, 109, H2, 151-153, 156, 161/162, 171, 197, 217/218, 223/ 224

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Ganzes - Teile: 222, 225, 227 Gegensatz, Gegens tzliches: 37, 42—44, 52/53, 56, 61, 80/81, 83-85, 88, 8996, 98/99, 102, 128, 155, 157, 192, 196-198, 204, 262 Geist(iges): 12-14, 23-35, 75, 134/135» 140, 142, 144-148, 149, 158, 196, 210, 215, 221-250, 257-262; geistiges Erfassen (Intuition/noetische Gewi heit) 27/28, 33-35, i2i, 123-125, 152, 161, 205-207, 211, 220, 238, 241, 245/246,

259, 262; πρώτα — δεύτερα νοητά 2O2-2o6, 2i6; ουσία νοητή -*· Substanz; -> Idee, -+ Sein, -»· Wissen Genus: 8/9, 28, 60-62, 67-70, 73/74, 90/91, 102-108, 112—114, II( >> 142, 144-148, 151/152, 155/156, 160, 194, 197, 222/223, 238, 251, 257-259; Genera geistigen Seins 24—28, 142, 146150,163, 196, 220, 221-240, 257/258; G. des Seienden - Kategorie 101/102, 117/118, 136, 148—152, 163, 204, 210, 225, 229, 257/258, 261/262; τα δντα γένει τοσαΰτα — γένη του δντος 250, 257-259, 261; G. — Element ->· Element; G. - Prinzip-»· Prinzip; Summum G. -»· Eins, -v Sein, -> Substanz, -*· τι Gerechtigkeit: 45~49, 55, 96 Gro es und Kleines (μέγα και. μικρόν): 41-45, 57 A. 103, 62-65, 80/81, 92, 94 Gute, das: 47/48, 54/55, 57, 109; Idee des G.n -»- Idee Harmonie: 9, 47/48, 51 Homonymie: 97, 104—106, 109—112, 114116, 149-153, 204, 250 Hypostase: 134/135, 232 Idee: 12-14, 16, 24-27, 30, 57 A. 103, 64/65, 66 A. 7, 70-73, 118/119, 128, 134, 138, 140, 142, 172, 196/197, 202/

203, 210-213, 218, 224, 233, 242, 246, 249, 253, 257; I.n-Zahlen 39/40, 242 A. 31; I. des Guten 54, 57 A. 102, 71; I.n von Individuen 237; I.n von Relativem 118 A.98 Individuum: 32, 62, 69, 74-79, IO2/ 103, 122—125, 168, 182, 190, 203/204, 211-213, 217, 223/224, 237

Sachverzeichnis

292

Induktion:

123, 196, 199

Kategorie: platon. „K.n" 34, 94-96, 100 A. 63, 102, 254, 257—262; aristotel. K.n ίο A. ii, 28, 37/38, 52-59, 72, 79, 82/83, 86-129, 135-155, 167/168, 185 A. 28, 187, 190-201, 203-206, 208—220, 222, 238, 240, 250-262; stoische K.n 102, 139, 159—166, 169— 180, 209; plotin. K.n 134—143; der Sinnenwelt 139, 141, 250-262; der Geisteswelt 139, 142, 147—150, 221— 240, 258; K. - Genus des Seienden -»Genus Konglomerat (άθροισμα / συμφόρησις) aus Qualit ten und Materie: 19 A. 31,158, 163, 185 A. 28, 203-205, 209, 220, 244, 254-257, 261 K rper(lidhes): 15, 17, 21, 24, 124 A. no, 146, 156, 172-174, 218, 240/241, 245248; K. - Unk rperliches 24, 136, 152, 158—166; 168-171, 174—199, 209, 213; K. - Qualit ten 171/172, 182, i86/ 187, 209, 215, 217; άσώματον χωριστόν — άχώριστον 199, 214—216 Leben(digkeit): 21, 24, 156, 213, 2ΐ4/ 2ΐ5, 230, 236, 238, 253, 26ο Logos: 3 I /3 2 , Ι Ι 2 > 120-123, 128/129, 140, 146, 148, 168, 2ΐι, 260/261; λόγος ·άληθής - ψευδής 27/28, 207; λόγος-όνομα 3Ο, 33/34; L. als Vermittler zwischen Geistigem und SinnlichWahrnehmbarem 23-35,205—207,26o/ 261; λόγω (λογικώς) ζητεΐν 113-115, ii9, J74, I92, 2iι; λόγος επιστημονικός—δοξαστικός 20I/2O2, 205—207; L. als Zahlenverh ltnis 35—37, 49—52; als stoisches Prinzip 180; als Formkraft 164, 216, 220, 246, 255, 260 Ma (μέτρον): 50-52, 55/56 Materie: als Aufnehmendes (platon. τιθήνη) ι6, 57 A. 103, 92, 173; als Unbestimmtes, ggf. Wertwidriges (platon. zweites Prinzip) 41/42, 52, 57 A. 103, 65, 77, 80-85, 92/93, 173, 218, 246, 253, 256; als M glichkeit und Grundlage der Form des einzelnen Seienden (aristotel. ΰλη) 57 A. 103, 65/66, 7585, 87-89, 92-94, 99, 124, 146/147, 161-166, 173/174, 180/181, 182—186,

204, 209, 222, 225—228, 251—254, 2 i;

als Principium individuationis und Ursache akzidenteller Beschaffenheit 62, 75-79> 87, 124, 128/129, 237 A. 27, 246; ΰλη νοητή 125 A. 113; Interdependenz von Form und M. beim einzelnen Seienden Form, -> συναμφότερον Mathematik: ιο/ιι, 14 A. 23, 35-40, 55, 57-59, 64, 81/82, 87, i2i, 126, 128, 140, 196, 200, 226, 242/243, 262 Mehr und Weniger (μάλλον και ήττον): 36/37, 41-45, 47, 56, 62/63, 65, 8ο83, 84, 88, 95/96, 99, 128 Meinung (δόξα): ι6, 29-35, 40, 146, 201/202, 206/207 Mitte, Mittleres: 37, 39, 46-48, 89-91, 96 μορφή: 76/77, 225 Musik: 8-14, 200 A. 50 Natur (φύσις): 15, 66, 126, 183, 185, 260; von N. Seiendes 62, 66, 77, 140, 167, 185; Prinzipien des von N. Seienden ->· Prinzip Nominalismus: 134, 138, 190, 210 Ordnung(sgef ge): 12, 45, 48/49, 55/56, 64/65, 70-73, 196, 262 Paronymie: 104-106, 108/109, i:tl > 204 Potenz (δύναμις): 233-236; als Potentialit t: 92, 171, 173, 182; Aktualit t Potentialit t ->· Akt Pr dikation: ->- Aussage Praedicabilia: 107/108 Prinzip: platon. P.ienlehre 7, 14/15, 2g/ 30, 35/36, 39-59, 63, 77, 80/81, 95/ 96, 98/99, 126/127, 173, 201; mittelplaton. Dreip.ienlehre 194/195, 197200, 212/213; aristotel. P.ien des von Natur Seienden 62, 65/66, 76/77, 85, 89, 109, 126-129, !73, 226, ->- Form, -> Materie; stoische P.ien 180/181; aristotel. Prinzipien - stoische Kategorien 161-164, 173; P. - Allgemeinbegriff (Genus) 60-62, 67—70, 142, 147/148, 152, 222-225, 228, 230-233, 236-240; P. - Element -v Element Privation (στέρησις): 65, 85, 89, 91-93, 95, 99, i7i, 185 Proportion: -> Analogie Proprium (ίδιον): 107/108, 244

Sachverzeichnis πώς έχον (stoische Kategorie): 172, 179/180

159, 169,

Qualit t: Q.en als Merkmal der Sinnenwelt 15-18, 34, 87, 90, i2i, 124, 128, 216-218, 248, 252-254; Q.en als Unterschiede der Materie: 78, 80-85; Wandel der Q.en 19-23, 86-88, 91, -»· Bewegung; spezifische Differenz — akzidentelle Q. 32, 78/79, 87/88, i2i/ 122, 166, 173, 187, 191/192, 203, 209, 215/216, 220, 252, 255/256; Allgemeinbegriffe von Q.en - Qualifiziertes 103—106, in, 174—176, 179/180, i88/ 189, 203/204, 215-218, 253, 256/257; Q.scharakter der Allgemeinbegriffe 118/119; Q. als stoische Kategorie 159, 162-165, 169, 171—176, 179/180, 209, 218; K rperlichkeit von Q.en 169, 172, 174-176, 181, 192 Relation, Relatives (προς τι): platon. i8/ 19, 24, 42/43, 47, 49-52, 95, ίσο A. 63, 109, ii2, i2i, 251; aristotel. 100 A. 63, 103 A. 69, 107, 118 A. 98; stoisch προς τί πως έχον 159, 169, i/ 2 » 179/180 Seele: 134/135. 204, 2°8, 214; dieselbe Struktur wie das Mathematische 40, 128; Abfolge der S.nteile/S.nverm gen 45, 47, 71, 156, 197; S. als zwischen Geistigem und Sinnlich-Wahrnehmbarem Vermittelndes 40, 128, 202, 243, 249/250, 260/261; S. — K rper 15, 21, 24, 181-185, 192/193, 218, 237 A. 27, 245—247, 250, 257; S. als Entelechie des lebendigen K rpers i24A.no, 181 -185 Sein, Seiendes (ov): Struktur des wahren Seins: 13, 26-28, 139^13, 142, 149, 163, 198, 221—240; Identit t von Sein und Denken (Wissen) 7, 27, 76/77, 125, 137 A. 9, 138, 140, 168, 190, 192, 201 -»· Geist(iges); Wissenschaft vom Seienden als Seienden 52, 97/98, 109ii2, 125-129; vielfacher Sinn von „seiend" 37/38, 53/54, 58, 72, 92, 97~ I 77> I93~I99, -*· Substanz; Sein ιοί, 109-112, 114—116, 129, 196, 204, 238, 259; „seiend" als Summum Genus 61, 64/65, 67-73, ιοί, i", "6, 136,

293

Nichtsein 25-27, 89, 91/92, 98-100, 115, 157, 159/160, 164, 171, 176-180, 247—249; Sein - Werden 19/20, 1577 158, 247-249, -»· Bewegung, -»· Werden und Vergehen; von Natur Seiendes -»· Natur Sinnenwelt, Sinnlich-Wahrnehmbares: 137 14, 16, 33,40, 66 A. 7, 75/76,127/128, 134, 136-160, 203—205, 2IO-2I2, 2l8,

240-257, 261/262; sinnliche Wahrnehmung 7, 13-23, 32-35, 76, 123/124, 134, 201—207, 224; πρώτα - δεύτερα αισθητά 202—206, 215/216; ούσ'ια αίσ&ητή -*· Substanz Sprachlaut (φωνή): 10-14, 2o8, 257-259 Subjektivit t: 134, *37 Α. 9 Substanz (ουσία): 4, 128/129; Substantialit t - Materialit t/Qualifiziertheit/ Bewegtheit 34, 65, 76, 90, 99, ιΐ2/ 113, i2i, 124, 127/128, 146, 157/158, 196, 204, 216, 220; Stufenfolge der S.en 83 A. 35, 125, 127/128, 211/212; S. als Summum Genus 103, 136, 152— 154, 156-158,160, 167, 170/171, 188190, 195—197, 208, 213, 248; πρώτη ουσία (mittelplaton.) 194/195, 198, 212/213; ουσία νοητή - αίσθητή 136, 141/142, I5°~I7I, J95, 208-214, 240, 244, 248, 261; πρώτη - δευτέρα ουσία (aristotel.) 89, 102, 107/108, 153/154, 203/204, 223, 237; ουσία αίσθητή/ μεταβλητή 83, 87, H2, 125, 129, 156, 184-186, 212, 219, 227, 250-254; ουσία χωριστή 125—129, 190, 2ii; S. als Bezugspunkt der Gegens tze 56, 8ο, 88/89, 93, 187; S. - Akzidentien-»· Akzidens Syllogismus: 8 A. 5, 29 A. 51, 123, I99/ 200, 244, 259 συναμφότερον / σύνθετον / σύνολον: 62, 75/76, 113, 119, 124, 141 A. 16, 152154, 156, 162—167, 185/186, 190, 192, 209, 219, 250-254, 261 Synonymic: 104-108, 115/116, 141, 148153, 155 Teilhabe (μέθεξις/μετάληψις): 14, H2, 141, 146, 199, 204, 215-220, 248, 253 Telos: 85 τι: τι—ποιόν (platon.) 34; τ>ι — τ'1 ήν είναι ιο8, ιΐ2-ιι6,173, 189, 203, 244, 259; ™ εστί in jeder Kategorie IO7/

294

Sachverzeichnis

τοδ, ιΐ2-ιι6, 166, 189; τι als stoische Kategorie (in platon.-aristotel. Interpretation als Summum Genus) 158160, 166, 169-171, 173, 176-180, i88/ 189; τινά - οΰτινα 169, 176—180 τόδε τι: 113, Ii8-i2o

Trennung (χωρισμός): 14, 140; λόγφ (έπινοία) - ύποστάσει χωριστόν 174, 183/184, ι86, 190; ουσία χωριστή -»· Substanz Tugend: 45, 47, 96 bertreffen und Zur ckbleiben (υπεροχή και ε"λλειψις): 36, 42~45, 5°~52> 8°> 96 Unbegrenztes (άπειρον): 13/14, 5°, 75, 79, 8ο/8ι, 129, 144, 14^, 247, 250, 257, 26ΐ

Unterschied (διαφορά): 9°, Ι22 ; U. der Art (spezifische Differenz) 28/29, 67/ 68, 77/78, 87/88, io8, 113/114, 121123, 155/156, 195-198, 238, 247; U.e. zwischen Individuen (durch die Materie) 31/32, 78, 80-82, 94, 182; τα κατά διαφοράν 42, 172/173

Vielheit: -v Eins Wahrheit: 27, 146 Werden und Vergehen (γένεσις καΐ φθορά): als Seinsweise der Sinnenwelt 18-20, 24, 157/158, 247-249; als Bewegung der Substanz 22, 66, 86/87, 93/94, 184/185, 212 Wissen(schaft): 7, 13/14, 18, 24, 29—35, 40, 75-79, 123-125, 144, 198, 200206, 249; W. vom Seienden als Seienden ->· Sein Zahl: 9, 35-37, 49~52, 56, 69-72, 23*233, 241-243, 246 Zugrundeliegendes (ΰποκείμενον): 76/77, 80-89, 92~94, 99/100, 102-106, 114, 117/118, 141, 145-147, 153, 184/185, 187, 203/204, 209/210, 244, 252; als stoische Kategorie 159, 161-164, 169, 172, 180, 209 Zweiheit, unbegrenzte (αόριστος δυάς): 35/36, 43-45, 47, 63, 95, 98, IO2, 173, ->· Eins