248 11 7MB
German Pages XXVIII, 384 [403] Year 2020
Rainer Lasch
Strategisches und operatives Logistikmanagement: Distribution 3. Auflage
Strategisches und operatives Logistikmanagement: Distribution
Rainer Lasch
Strategisches und operatives Logistikmanagement: Distribution 3., aktualisierte und erweiterte Auflage
Rainer Lasch Technische Universität Dresden Dresden, Deutschland
ISBN 978-3-658-31868-0 ISBN 978-3-658-31869-7 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-31869-7 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detail lierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2012, 2016, 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Vorwort zur 3. Auflage
Das vorliegende Lehrbuch hat erfreulicherweise bei Lehrenden und Lernenden eine sehr gute Aufnahme gefunden. Das vielseitige sehr positive Feedback und die große Akzeptanz haben mich veranlasst, die dritte Auflage des Buches „Strategisches und operatives Logistikmanagement: Distribution“ in einer erweiterten und überarbeiteten Form vorzulegen. Dazu wurden im Kapitel 6 die Standardsoftwarepakete zur Tourenplanung aktualisiert. In Kapitel 8 wurde zusätzlich ein weiteres Unterkapitel zur Nachhaltigkeit in der Distribution aufgenommen. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass jeder Transportvorgang zur Erhöhung der CO2-Emissionen beiträgt und somit auch Kenntnisse über die Berechnung des Carbon Footprint sowie über mögliche Strategien zur Reduktion der CO2-Emissionen in der Transportlogistik notwendig sind. Des Weiteren wurde die Möglichkeit genutzt, kleinere Fehler zu beseitigen. Ein herzlicher Dank im Rahmen der Überarbeitung und Erweiterung gilt meinen Mitarbeitern. Insbesondere möchte ich mich bei meiner Assistentin Frau Christin Peschel bedanken, die wiederum alle Ergänzungen und Korrekturen des Werkes professionell und mit großer Sorgfalt übernahm. Schließlich bedanke ich mich bei Frau Susanne Kramer und dem Springer Gabler Verlag für die stets reibungslose und gute Zusammenarbeit.
Dresden, im Juli 2020
Rainer Lasch
V
Vorwort zur 2. Auflage
Das vorliegende Lehrbuch hat erfreulicherweise von Lehrenden und Lernenden eine sehr gute Aufnahme gefunden. Das vielseitige sehr positive Feedback und die große Akzeptanz haben mich veranlasst, die zweite Auflage des Buches „Strategisches und operatives Logistikmanagement: Distribution“ in einer erweiterten und überarbeiteten Form vorzulegen. Dazu wurde im Kapitel 8 zusätzlich ein weiteres Unterkapitel zum Transportrecht aufgenommen. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass jeder Transportvorgang auch Rechtsfragen bzgl. der Gestaltung des Transportvertrags, der Pflichten und der Haftung der involvierten Parteien aufwirft und jeder gute Logistiker dazu auch die entsprechenden Grundkenntnisse beherrschen sollte. Des Weiteren wurde die Möglichkeit genutzt, kleinere Fehler zu beseitigen. Ein herzlicher Dank im Rahmen der Erweiterung gilt dem Masterstudenten Herrn Christian Hein sowie Frau Christin Peschel, die trotz umfangreicher Sekretariatsaufgaben in mühevoller Kleinarbeit die Ergänzungen und Korrekturen des Werkes übernahm und dabei Änderungswünsche stets verständnisvoll hinnahm. Schließlich bedanke ich mich bei Frau Susanne Kramer und dem Springer Gabler Verlag für die stets reibungslose und gute Zusammenarbeit.
Dresden, im Juli 2015
Rainer Lasch
VII
Vorwort zur 1. Auflage
Die Logistik stellt einen der wichtigsten Erfolgsfaktoren heutiger Unternehmen dar, da eine exzellente Logistik neben der Reduzierung der Kosten und der Realisierung von Zeitvorteilen wesentlich die Kundenzufriedenheit und damit die Erlösseite der Unternehmen verbessert. Eine umfassende Entfaltung logistischer Erfolgspotenziale in der Unternehmens- und Netzwerkpraxis setzt u. a. eine exzellente Logistik- und Managementkompetenz in den phasenspezifischen Subsystemen der Logistik voraus. Das vorliegende Lehrbuch widmet sich dem strategischen und operativen Logistikmanagement im Bereich der Distribution, wobei eine problembezogene, quantitativ orientierte Darstellung verschiedener Planungsaufgaben erfolgt. Die behandelten quantitativen Planungsmethoden werden zunächst in ihrem Verfahrensablauf algorithmisch beschrieben und an logistischen Anwendungsbeispielen anschaulich verdeutlicht. Für die Bereiche der Transport-, Umlade-, Rundreise-, Touren- und Standortplanung erfolgen eine didaktisch geeignete Modellierung der Probleme sowie die Vermittlung verschiedener Lösungskonzepte. Da auch die Verständlichkeit und Anwendung der Modelle und Verfahren im Vordergrund steht, werden diese an über 70 Beispielen ausführlich dargestellt. Für weiterführende Aufgaben mit Lösungen wird in den jeweiligen Kapiteln auf das vom Autor verfasste „Übungsbuch Logistik“ verwiesen. Die behandelten Verfahren erheben nicht den Anspruch die aktuellsten Forschungsergebnisse zu präsentieren, sondern sollen dem Leser praxistaugliche Konzepte zur Lösung der vorgestellten Probleme im Bereich der Distribution aufzeigen. Praxisorientierte logistische Planungsprobleme sind i. d. R. datenintensiv und umfangreich, sodass sie ohne den Einsatz geeigneter Softwarewerkzeuge kaum gelöst werden können. Aus diesem Grund wird mit diesem Lehrbuch auch die anwendungsfreundliche Planungssoftware „Logistik-Toolbox“ zur Verfügung gestellt. In dieser Planungssoftware sind die in diesem Lehrbuch vorgestellten Planungsverfahren implementiert, sodass mit Hilfe der Software auch praxisrelevante Problemstellungen gelöst werden können. Dieses Lehrbuch ist entstanden aus meinen Vorlesungen zur Distributionslogistik, die ich für Studierende der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre, der Wirtschaftsinformatik und -mathematik sowie des Wirtschaftsingenieurwesens an der Technischen Universität Dresden, aber auch an anderen Universitäten gehalten habe. Somit richtet sich das Lehrbuch primär an Studierende der Betriebswirtschaftslehre, des Wirtschaftsingenieurwesens, der Wirtschaftsmathematik und der Ingenieurwissenschaften mit dem Schwerpunkt Logistik an Universitäten, Fachhochschulen und Akademien. Andererseits können Dozenten die Planungsmethoden dieses Lehrbuchs sowie die Planungs-
IX
Vorwort zur 1. Auflage
software Logistik-Toolbox auch im Rahmen von Vorlesungen, Seminaren und Übungen verwenden. Ein herzlicher Dank für die Gestaltung des vorliegenden Buches geht an Frau Juliane Wunderlich, Herrn Dipl.-Wirtsch.-Math. Roy Fritzsche, Herrn Dipl.-Kfm. Sven Säuberlich sowie an die studentischen Tutoren Frau Johanna Bart und Herrn Philipp Schurig. Danken möchte ich ebenso Frau Susanne Kramer und dem Verlag Springer Gabler für die wiederum sehr gute und verständnisvolle Zusammenarbeit. Ein besonderer Dank gilt meiner Ehefrau Birgit, die meine Arbeit mit großem Interesse stets motivierend und verständnisvoll unterstützt hat.
Dresden, im Juli 2012
X
Rainer Lasch
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ..................................................................................................................................... V Abbildungsverzeichnis ...................................................................................................... XVII Tabellenverzeichnis ............................................................................................................. XIX Symbolverzeichnis ............................................................................................................... XXI Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................................... XXV 1
2
Grundlagen ...................................................................................................................... 1 1.1
Definition der Logistik .......................................................................................... 1
1.2
Phasenspezifische Subsysteme der Logistik....................................................... 3 1.2.1
Beschaffungslogistik ................................................................................. 3
1.2.2
Produktionslogistik ................................................................................... 4
1.2.3
Distributionslogistik.................................................................................. 5
1.2.4
Ersatzteillogistik ........................................................................................ 7
1.2.5
Entsorgungslogistik .................................................................................. 8
1.3
Aufbau des Buches .............................................................................................. 10
1.4
Literaturhinweise ................................................................................................. 12
Grundlagen der Graphentheorie ................................................................................. 13 2.1
Grundlegende Begriffe der Graphentheorie .................................................... 13 2.1.1
Graph und Digraph ................................................................................. 14
2.1.2
Adjazenz- und Inzidenzmatrix .............................................................. 16
2.1.3
Vollständigkeit von Graphen, Teil- und Untergraph .......................... 18
2.1.4
Knotengrad ............................................................................................... 20
2.1.5
Zusammenhänge in Netzen ................................................................... 21
2.1.6
Zyklen- bzw. Kreisfreiheit und topologische Sortierung ................... 23
2.1.7
Bäume und Gerüste ................................................................................. 26
2.1.8
Weiterführende Aufgaben ...................................................................... 30
XI
Inhaltsverzeichnis
2.2
2.3 3
3.2
3.3
Bewertungs- und Entfernungsmatrix ................................................... 31
2.2.2
Ermittlung von Minimalgerüsten .......................................................... 32
2.2.3
Kürzeste Wege in Digraphen ................................................................. 35
2.2.4
Matchings in Graphen ............................................................................ 45
2.2.5
Weiterführende Aufgaben ...................................................................... 46
Literaturhinweise ................................................................................................. 47
Das klassische Transportproblem ...................................................................... 50 3.1.1
Eröffnungsverfahren ............................................................................... 55
3.1.2
Optimierungsverfahren .......................................................................... 60
3.1.3
Weiterführende Aufgaben ...................................................................... 66
Umladeplanung ................................................................................................... 67 3.2.1
Zweistufige Umladeprobleme ............................................................... 67
3.2.2
Allgemeine Umladeprobleme ................................................................ 71
3.2.3
Weiterführende Aufgaben ...................................................................... 75
Literaturhinweise ................................................................................................. 76
Flüsse in Netzwerken ................................................................................................... 77 4.1
4.2
4.3
XII
2.2.1
Transport- und Umladeplanung ................................................................................. 49 3.1
4
Kürzeste-Wege-Probleme in Netzen ................................................................. 30
Flüsse und Schnitte in Flussgraphen ................................................................. 77 4.1.1
Flussgraph ................................................................................................ 78
4.1.2
Anwendungsgebiete der Netzwerkflussprobleme ............................. 80
4.1.3
Schnitte im Flussgraph ........................................................................... 83
Kostenminimale maximale Flüsse ..................................................................... 84 4.2.1
Inkrementgraph ....................................................................................... 85
4.2.2
Bestimmung maximaler Flüsse mit minimalen Kosten ...................... 87
4.2.3
Verfahren zur Bestimmung eines zulässigen kostenminimalen Anfangsflusses ......................................................................................... 91
4.2.4
Weiterführende Aufgaben ...................................................................... 96
Literaturhinweise ................................................................................................. 97
Inhaltsverzeichnis
5
Rundreiseplanung ......................................................................................................... 99 5.1
5.2
5.3 6
Briefträgerprobleme............................................................................................. 99 5.1.1
Chinese-Postman-Probleme in Graphen bzw. Digraphen ............... 100
5.1.2
Euler-Graph bzw. Euler-Digraph ........................................................ 101
5.1.3
Verfahren zur Ermittlung einer Euler-Tour in einem Euler-(Di-) Graphen .............................................................................. 102
5.1.4
Kostenminimale Erweiterung eines Digraphen zu einem Euler-Digraphen ........................................................................ 103
5.1.5
Kostenminimale Erweiterung eines Graphen zu einem Euler-Graphen ............................................................................ 106
Handlungsreisendenproblem........................................................................... 109 5.2.1
Traveling Salesman-Problem in Graphen bzw. Digraphen .............. 109
5.2.2
Hamilton-Graph bzw. Hamilton-Digraph.......................................... 110
5.2.3
Mathematische Formulierung des TSP als binäres Optimierungsproblem .......................................................................... 114
5.2.4
Heuristische Lösungsverfahren für das TSP ...................................... 116
5.2.5
Weiterführende Aufgaben .................................................................... 133
Literaturhinweise ............................................................................................... 134
Tourenplanung ............................................................................................................ 137 6.1
6.2
6.3
Das Standardproblem der Tourenplanung..................................................... 138 6.1.1
Graphentheoretische Darstellung des CVRP ..................................... 139
6.1.2
Mathematische Formulierung des CVRP als binäres Optimierungsproblem .......................................................................... 141
6.1.3
Erweiterungen des Standardproblems ............................................... 143
Lösungsverfahren zur Tourenplanung ........................................................... 146 6.2.1
Einstufige Eröffnungsverfahren für Tourenplanungsprobleme...... 148
6.2.2
Zweistufige Eröffnungsverfahren für Tourenplanungsprobleme... 160
6.2.3
Lokale Verbesserungsverfahren für Tourenplanungsprobleme ...... 166
6.2.4
Rechnergestützte Tourenplanung ....................................................... 169
6.2.5
Weiterführende Aufgaben .................................................................... 173
Literaturhinweise ............................................................................................... 173
XIII
Inhaltsverzeichnis
7
Standortmanagement.................................................................................................. 179 7.1
Räumliche Struktur logistischer Netzwerke................................................... 180
7.2
Standortpolitische Strategien und Faktoren ................................................... 189
7.3
Standortmanagementprozess ........................................................................... 194
7.4
Standortplanung in der Ebene ......................................................................... 195
7.5
7.6
7.7 8
7.4.1
Das Steiner-Weber-Problem ................................................................. 198
7.4.2
Das Multi-Weber-Problem.................................................................... 201
7.4.3
Zentren-Probleme in der Ebene ........................................................... 203
Standortplanung im Netzwerk ........................................................................ 206 7.5.1
p-Median-Probleme ............................................................................... 208
7.5.2
p-Zentren-Probleme .............................................................................. 210
Diskrete Standortplanung................................................................................. 222 7.6.1
Einstufiges, unkapazitiertes Warehouse Location Problem ............. 223
7.6.2
Einstufiges, kapazitiertes Warehouse Location Problem ................. 225
7.6.3
Heuristiken für einstufige Warehouse Location Probleme .............. 226
7.6.4
Weiterführende Aufgaben .................................................................... 236
Literaturhinweise ............................................................................................... 236
Physische Distribution ................................................................................................ 241 8.1
Transportaufgabe und Transportketten .......................................................... 242
8.2
Informationsflüsse in Transportketten ............................................................ 247
8.3
Außerbetrieblicher Transport ........................................................................... 250
8.4
8.3.1
Straßengüterverkehr ............................................................................. 254
8.3.2
Schienenverkehr .................................................................................... 256
8.3.3
Binnen- und Seegüterverkehr .............................................................. 259
8.3.4
Luftfrachtverkehr .................................................................................. 260
8.3.5
Rohrleitungstransport ........................................................................... 260
8.3.6
Kombinierter und gebrochener Verkehr ............................................ 261
Integration von Logistikdienstleistern ............................................................ 264 8.4.1
XIV
Klassifikation der Logistikdienstleister .............................................. 265
Inhaltsverzeichnis
8.4.2 8.5
8.6
8.7
8.8 9
Kontraktlogistik ..................................................................................... 270
Kooperation und Bündelungsstrategien ......................................................... 275 8.5.1
Kooperationen........................................................................................ 275
8.5.2
Bündelungsstrategien ........................................................................... 285
8.5.3
Weiterführende Aufgaben .................................................................... 291
Transportrecht .................................................................................................... 292 8.6.1
Rechtliche Grundlagen und Regelungen ........................................... 292
8.6.2
Der Kaufvertrag als Grundlage eines Transports .............................. 293
8.6.3
Transportverträge .................................................................................. 300
Nachhaltigkeit in der physischen Distribution .............................................. 309 8.7.1
Nachhaltigkeitsstrategien und Nachhaltigkeitsberichterstattung .. 313
8.7.2
Carbon Footprint ................................................................................... 315
8.7.3
Verbesserung der Klimabilanz in der Transportlogistik .................. 321
Literaturhinweise ............................................................................................... 324
Telematik im Straßengüterverkehr ........................................................................... 329 9.1
9.2
9.3
Verkehrstelematik .............................................................................................. 330 9.1.1
Aufgabenfelder der Verkehrstelematik .............................................. 330
9.1.2
Informationstechnische Komponenten der Verkehrstelematik ....... 331
Einsatzmöglichkeiten und Nutzen der Verkehrstelematik .......................... 349 9.2.1
Messaging ............................................................................................... 349
9.2.2
Sendungsverfolgung und -überwachung........................................... 350
9.2.3
Flottenmanagement............................................................................... 352
9.2.4
Umschlagdisposition ............................................................................ 354
9.2.5
Gesellschaftlicher Nutzen..................................................................... 355
9.2.6
Probleme und Risiken verkehrstelematischer Anwendungen ........ 356
Literaturhinweise ............................................................................................... 357
XV
Inhaltsverzeichnis
10
Planungssoftware Logistik-Toolbox ......................................................................... 359 10.1 Einführung .......................................................................................................... 359 10.2 Einsatzmöglichkeiten der Logistik-Toolbox ................................................... 363 10.2.1 Einsatzmöglichkeiten für Studierende ............................................... 363 10.2.2 Einsatzmöglichkeiten für Lehrende .................................................... 364 10.3 Allgemeine Funktionen ..................................................................................... 365 10.3.1 Menüstruktur und Seitenmanagement............................................... 365 10.3.2 Hilfetexte (Menü „Hilfe“) ..................................................................... 365 10.3.3 Daten speichern und laden (Menü „Daten“/„Graph“) ..................... 366 10.3.4 Die Tauschmatrix - externer und interner Datenaustausch ............. 366 10.4 Anwendung der Logistik-Toolbox................................................................... 370 10.4.1 Beispiel Distributionslogistik ............................................................... 370 10.4.2 Beispiel Beschaffungs- und Produktionslogistik ............................... 373 10.5 Download der Logistik-Toolbox ...................................................................... 378 10.6 Literaturhinweise ............................................................................................... 378
Stichwortverzeichnis ............................................................................................................ 379
XVI
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1-1 Unternehmenslogistik.................................................................................. 2 Abbildung 1-2 Strategische und operative Planungsprobleme der Distribution ......... 11 Abbildung 3-1 Zweistufiges Umladeproblem .................................................................. 68 Abbildung 4-1 Kapazitiertes Transportproblem............................................................... 81 Abbildung 4-2 Kapazitiertes Umladeproblem .................................................................. 82 Abbildung 5-1 Nachbarschaftssuche einer Metaheuristik ............................................ 125 Abbildung 5-2 Durchführung eines 2-opt-Tauschs ........................................................ 127 Abbildung 5-3 Durchführung eines 3-opt-Tauschs ........................................................ 127 Abbildung 5-4 Tauschmöglichkeiten beim 3-opt-Verfahren ......................................... 128 Abbildung 5-5 Or-opt-Verfahren ...................................................................................... 130 Abbildung 5-6 Stringing-Schritt mit 3-opt-Tausch ......................................................... 131 Abbildung 6-1 Heuristiken für das CVRP ....................................................................... 147 Abbildung 6-2 Tourenkombination .................................................................................. 149 Abbildung 6-3 Strukturen von Tourenplänen................................................................. 153 Abbildung 6-4 2-Cyclic-Austauschverfahren (m=1)....................................................... 167 Abbildung 7-1 Netzwerkstruktur eines Distributionssystems ..................................... 181 Abbildung 7-2 Ein- und Mehrstufige Distributionsstrukturen .................................... 183 Abbildung 7-3 Kostenzusammenhang in Abhängigkeit der Lageranzahl .................. 185 Abbildung 7-4 Gesamtkosten für Fremd- bzw. Eigenlager ........................................... 188 Abbildung 7-5 Unterteilung der Standortstrategien ...................................................... 190 Abbildung 7-6 Standortmanagementprozess ................................................................. 195 Abbildung 7-7 Geometrisches und Physikalisches Modell ........................................... 196 Abbildung 7-8 Euklidische Entfernung und City-Block-Entfernung .......................... 198 Abbildung 7-9 Entfernungsmessung ............................................................................... 207
XVII
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 8-1
Informationsflüsse in mehrgliedrigen Transportketten ..................... 248
Abbildung 8-2
Modal Split in der BRD nach Tonnenkilometern ................................ 252
Abbildung 8-3 Aufbau von Transportketten .................................................................. 262 Abbildung 8-4
JiT-Lager ................................................................................................... 276
Abbildung 8-5 Gebietsspediteurkonzept........................................................................ 278 Abbildung 8-6 Güterverteilzentrum ............................................................................... 279 Abbildung 8-7 City-Logistik ............................................................................................ 281 Abbildung 8-8 GVZ-Standorte in Deutschland ............................................................. 283 Abbildung 8-9
Sendungsverdichtung ............................................................................. 287
Abbildung 8-10 Tourenverdichtung .................................................................................. 287 Abbildung 8-11 Knotenpunktsysteme .............................................................................. 288 Abbildung 8-12 Ringsystem ............................................................................................... 290 Abbildung 8-13 Übersicht INCOTERMS 2010 ................................................................. 297 Abbildung 8-14 Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit ............................................... 311 Abbildung 9-1
Beispiele für 1D-Barcodes ...................................................................... 332
Abbildung 9-2
Beispiele für 2D-Barcodes ...................................................................... 333
Abbildung 9-3 Komponenten eines RFID-Systems ....................................................... 335 Abbildung 9-4
Transponder ............................................................................................. 335
Abbildung 9-5
Zusammenspiel technischer Telematik-Komponenten ...................... 346
Abbildung 10-1 Logistik-Toolbox: Eingangsbildschirm ................................................. 360 Abbildung 10-2 Importdialog ............................................................................................ 367 Abbildung 10-3 Datenübertragung aus der Tabellenkalkulation .................................. 369 Abbildung 10-4 Kundengebiet ........................................................................................... 371 Abbildung 10-5 Gozintograph ........................................................................................... 374
XVIII
Tabellenverzeichnis
Tabelle 6-1
Vergleich ausgewählter Standardsoftware zur Tourenplanung .............. 171
Tabelle 7-1
Einflussfaktoren auf eine zentrale bzw. dezentrale Lagerstruktur .......... 186
Tabelle 8-1
Verkehrswertigkeit verschiedener Verkehrsträger .................................... 261
Tabelle 8-2
Leistungsspektrum von Logistikdienstleistern .......................................... 266
Tabelle 8-3
Vor- und Nachteile von Bündelungsstrategien .......................................... 291
Tabelle 8-4
Zusammenfassung INCOTERMS ............................................................... 298
Tabelle 8-5
Pflichten des Absenders ................................................................................ 302
Tabelle 8-6
Pflichten des Frachtführers ........................................................................... 303
Tabelle 8-7
Pflichten des Spediteurs ................................................................................ 305
Tabelle 8-8
Vorgabewerte pro tkm differenziert nach Verkehrsmittel und Fahrzeugtyp .................................................................................................... 317
Tabelle 8-9
Verteilung Last- und Leerkilometer nach Einsatzbereichen..................... 318
Tabelle 8-10 Emissionsfaktoren zum Umrechnen von Energieverbrauchsdaten in THG-Emissionen für Kraftstoffe gemäß DIN EN 16258 ........................... 318 Tabelle 8-11 Verbrauchsorientierte und entfernungsbasierte Methode im Vergleich .................................................................................................... 320 Tabelle 8-12 Vergleich der THG-Emissionen im Güterverkehr ..................................... 323 Tabelle 9-1
Vor- und Nachteile der Barcodetechnologie ............................................... 334
Tabelle 9-2
Bauformen und Anwendungen von Transpondern .................................. 336
Tabelle 9-3
Eigenschaften unterschiedlicher Sendefrequenzen ................................... 338
Tabelle 9-4
Wichtige Datenformatstandards .................................................................. 348
Tabelle 10-1 Verfahren der Logistik-Toolbox ................................................................... 361 Tabelle 10-2 Bedarfsdaten EP1 ........................................................................................... 373 Tabelle 10-3 Disponible Bestände ...................................................................................... 374
XIX
Symbolverzeichnis A G , AG
Adjazenzmatrix von G bzw. G
ai
Angebot im Knoten i
a T
Früheste Ankunftszeit beim 1. Kunden der Tour T
bj
Bedarf im Knoten j
b T
Späteste Ankunftszeit beim 1. Kunden der Tour T
C G , C G
Bewertungsmatrix von G bzw. G
cij
Bewertung zwischen Knoten i und j
D G , DG
Entfernungsmatrix von G bzw. G
dij
Entfernung zwischen Knoten i und j
E E
Kantenmenge
ek
Kante, Pfeil
f
Fahrzeug
f ek
Inzidenzabbildung
F
Fuhrpark
gi
Grad des Knotens i
g
Pfeilmenge
i
Ausgangsgrad des Knotens i
i
Eingangsgrad des Knotens i
g GK
Gesamtkosten
G V , E
Graph
GE G V,E GE
Eulerscher Graph
Digraph Eulerscher Digraph
G V , E , c G V , E, c G V , E , c, ,
Bewerteter Graph
Bewerteter Digraph Flussgraph
XXI
Symbolverzeichnis
G V , E , c, , H (G ) , H G
Flussgraph
Inzidenzmatrix von G bzw. G
hf
Hofzeit des Fahrzeugs f
i
Knoten
Kf k T
Fixe Kosten
MT
Tourenplan
IN
Menge der natürlichen Zahlen
NB i
Menge der Nachbarn von Knoten i
N (i )
Menge der Nachfolgeknoten von i
qi
Fahrzeugbedarf im Knoten i
Q
Fahrzeugkapazität
IR
Menge der reellen Zahlen
S
Menge potentieller Standorte
si
Servicezeit beim Kunden i
sij
Savingswert zwischen Kunden i und j
T
Tour
tij
Fahrzeiten zwischen Knoten i und j
t max
Maximale Fahrzeit einer Route
ui , v j
Dualvariablen
V
Knotenmenge
V (i )
Menge der Vorgängerknoten von i
W G , W G
Kernzeit der Tour T
Wegematrix von G bzw. G
Wi
Nachfragegewicht im Knoten i
xij
Transportmenge zwischen Knoten i zu j bzw. binäre Variable
Yhh
Umschlagmenge im Umschlagort h
Z (G )
Zugeordneter Graph
Residualkapazität
Fluss
Minimale Kapazität
Maximale Kapazität
XXII
Symbolverzeichnis
Leere Menge
1I
Einsmatrix
XXIII
Abkürzungsverzeichnis
ACTS
Abroll-Container-Transportsystem
ADR
Europäische Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße
ADSp
Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen
AGB
Allgemeine Geschäftsbedingungen
ATSP
Asymmetrisches Traveling Salesman Problem
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
bspw.
beispielsweise
bzgl.
bezüglich
bzw.
beziehungsweise
CCF
Corporate Carbon Footprinting
CIM
Convention internationale concernant le transport des marchandises par chemins de fer – Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern
CISG
United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods
CMNI
Convention de Budapest relative au contract de transport de marchandises en navigation intérieure – Budapester Übereinkommen über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt
CMR
Convention relative au contrat de transport international de marchandises par route – Internationale Vereinbarung über Beförderungsverträge auf Straßen
COTIF
Convention relative aux transports internationaux ferroviaires – Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr
CO2
Kohlenstoffdioxid
CO2-e
Kohlenstoffdioxid-Äquivalent
CVRP
Capacitated Vehicle Routing Problem
DAB
Digital Audio Broadcasting
XXV
Abkürzungsverzeichnis
d. h.
das heisst
DTP
Duales Transportproblem
EAN
European Article Number
ECAC
European Civil Aviation Conference
EPC
Electronic Product Code
EU
Europäische Union
EV
Energieverbrauch
etc.
et cetera
evtl.
eventuell
FSMVRP
Fleet Size and Mix Vehicle Routing Problem
ggf.
gegebenfalls
GMS
Großmotorschiff
GRI
Global Reporting Initiative
GSM
Global System for Mobile Communication
GTIN
Global Trade Item Number
GVZ
Güterverkehrszentrum
HGB
Handelsgesetzbuch
HHR
Hamburger Regeln
HR
Haager-Regeln
HVR
Haag-Visby-Regeln
i. A.
im Allgemeinen
ICAO
International Civil Aviation Organisation
ICC
Chambre de commerce internationale
i. d. R.
in der Regel
INCOTERMS
International Commercial Terms
IPCC
Intergovernmental Panel on Climate Change, Weltklimarat
IuK
Information und Kommunikation
IWF
Internationaler Währungsfonds
i. w. S.
im weiteren Sinn
XXVI
Abkürzungsverzeichnis
k. A.
keine Angabe
KV
Kombinierter Verkehr
LB
Lower Bound
MDVRP
Multi Depot Vehicle Routing Problem
MODI
Modifiziertes Distributionsverfahren
MTVRP
Multi Trip Vehicle Routing Problem
MÜ
Montrealer Übereinkommen
NL
Nutzlast
OVRP
Open Vehicle Routing Problem
PCF
Product Carbon Footprinting
PVRP
Periodic Vehicle Routing Problem
RDS
Radio Data System
RFID
Radio Frequency Identification
ROM
Read Only Memory
RSS
Reduced Space Symbology
SDVRP
Site Dependent Vehicle Routing Problem
STSP
Symmetrisches Traveling Salesman Problem
SZR
Sonderziehungsrecht
TCF
Transport Carbon Footprinting
TETRA
Terrestrial Trunked Radio
THG
Treibhausgasemissionen
tkm
Tonnenkilometer
TMC
Traffic Message Channel
TP
Transportproblem
TSP
Traveling Salesman Problem
TtW
Tank-to-Wheel
u. a.
unter anderem
UB
Upper Bound
UCC
Uniform Code Council
XXVII
Abkürzungsverzeichnis
UMTS
Universal Mobile Telecommunication System
UPC
Universal Product Code
u. U.
unter Umständen
VRPB
Vehicle Routing Problem with Backhauls
VRPHE
Vehicle Routing Problem with Heterogeneous Vehicles
VRPPD
Vehicle Routing Problem with Pickup and Delivery
VRPSD
Vehicle Routing Problem with Split Deliveries
VRPTW
Vehicle Routing Problem with Time Windows
WA
Warschauer Abkommen
WtT
Well-to-Tank
WtW
Well-to-Wheel
z. B.
zum Beispiel
ZE
Zeiteinheiten
XXVIII
1
Grundlagen
In diesem einführenden Kapitel erfolgen zunächst eine Begriffsbestimmung sowie eine Einordnung der verschiedenen logistischen Subsysteme in die Unternehmenslogistik. Anschließend werden verschiedene operative und strategische Aufgaben der Ver- und Entsorgungslogistik dargestellt. Abschließend wird auf den Aufbau des Buches eingegangen.
Lernziele:
Definition der Logistik Subsysteme der Logistik Strategische und operative Aufgaben der logistischen Subsysteme
1.1
Definition der Logistik
Die betriebswirtschaftliche Logistik hat im Verlauf ihrer Entwicklung verschiedene Ausprägungen erfahren. Von der funktionalen Spezialisierung auf die klassischen Transport-, Umschlag-, Lager- und Komissioniertätigkeiten reicht das Aufgabenspektrum der Logistik von funktions- und unternehmensübergreifenden Prozessketten bis hin zu flussorientierten Wertschöpfungsketten von globalen Unternehmensnetzwerken. Dem aktuellen Begriffsverständnis folgend werden der Logistik sowohl operative als auch strategische Aufgaben zugeordnet. Somit wird unter Logistik die nachhaltige Planung, Steuerung, Koordination, Abwicklung und Kontrolle aller vorwärts- und rückwärtsgerichteten Material-, Waren- und Informationsflüsse von den Lieferanten (bzw. Kunden) in das Unternehmen, durch das Unternehmen sowie zu den Kunden (bzw. Lieferanten) verstanden. Die Unternehmenslogistik lässt sich in die Teilsysteme Versorgungs- und Entsorgungslogistik unterteilen. Diese beiden Teilsysteme umfassen
den physischen Güterfluss von den Lieferanten bis zum Unternehmen, innerhalb des Unternehmens und vom Unternehmen zum Kunden einschließlich der umgekehrt verlaufenden Flüsse zur kreislauforientierten Rückführung von Konsumtionsrückständen sowie
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 R. Lasch, Strategisches und operatives Logistikmanagement:Distribution, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31869-7_1
1
Grundlagen
den komplementären Informationsfluss, der den Güterfluss zeitlich vorauseilend plant und auslöst, begleitend regelt sowie zeitlich nachgelagert bestätigt und kontrolliert.
Abbildung 1-1 Unternehmenslogistik Unternehmenslogistik
Beseitigung
Distributionslogistik
Fertigwarenlager
Versorgungslogistik
Retouren Distributionslogistik
Ersatzteillager Ersatzteillogistik
Auslieferungslager
Recyclingprozesse Zwischenlager
Sammellager Inspektion
Wiedereinsatzlogistik
Aufbereitungslogistik
Redistributionslogistik
Absatzmarkt, Händler und Kunden
Produktionslogistik
Produktionsprozesse Zwischenlager
Zulieferungslager Beschaffungslager
Beschaffungslogistik
Markt der Primär- und Sekundärrohstoffe
1
Beseitigung
Entsorgungslogistik Informationsfluss (auslösend) Informationsfluss (begleitend) Güter-/Materialfluss
Obwohl eine Abgrenzung dieser beiden Teilsysteme dem Gedanken der Querschnittsfunktion und funktionsübergreifenden Koordinationsfunktion widerspricht, hilft sie jedoch bei einer thematischen Zuordnung von einzelnen Problemstellungen und Problemlösungsansätzen zu Aufgabenfeldern im Rahmen der Unternehmenslogistik (vgl. Abbildung 1-1). Bei einer funktionsorientierten Betrachtung lässt sich die Versorgungslogistik, die für die raum-zeitliche Gütertransformation vom Beschaffungsmarkt zum Absatzmarkt zuständig ist, in die logistischen Subsysteme Beschaffungs-, Produktions-, Distributions- und Ersatzteillogistik unterteilen. Durch einen umweltschonenden Umgang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen wird das Ziel verfolgt, die bei der Beschaffung, Produktion, Distribution und Ersatzteilversorgung entstehenden Rückstände im Wirtschaftskreislauf zu berücksichtigen. Aufgabe der Entsorgungslogistik, die sich in die Subsysteme Redistributions-, Aufbereitungs- und Wiedereinsatzlogistik unterteilen lässt, ist die effektive und effiziente Gestaltung des logistischen Rückstandflusses von den verschiedenen Rückstandquellen. Falls ein Recycling unter Berücksichtigung ökonomischer, ökologischer und technischer Faktoren
2
Phasenspezifische Subsysteme der Logistik
umsetzbar ist, dann bilden die Versorgungs- und Entsorgungslogistik im Idealfall einen geschlossenen Materialkreislauf1.
1.2
Phasenspezifische Subsysteme der Logistik
1.2.1
Beschaffungslogistik
Zur Beschaffungslogistik gehören die Planung, Steuerung, Koordination, Kontrolle und physische Behandlung des Material- und Kaufteileflusses von den Lieferanten bis zur Bereitstellung für die Produktion einschließlich des dazu erforderlichen Informationsflusses zur zielgerechten Versorgung der Produktion. Der Zuständigkeitsbereich der Beschaffungslogistik erstreckt sich vom Warenausgang der Lieferanten am Beschaffungsmarkt bis zum Eingangslager oder aber auch bis zur Bereitstellung für die Produktion des abnehmenden Unternehmens, wobei das richtige Material zur Aufrechterhaltung der Produktion zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, in der richtigen Menge bereitzustellen ist. Die Beschaffungslogistik bildet somit die Schnittstelle zwischen den Beschaffungsmärkten und dem Unternehmen und hat strategische und operative Aufgaben zu erfüllen. In Abhängigkeit von der Teilestruktur, der Leistungsfähigkeit der Lieferanten bezüglich qualitätsgerechter und zeitpunktgenauer Liefermöglichkeiten sowie den informations-, kommunikations- und verkehrstechnischen Anbindungen der Lieferanten werden geeignete Organisationsformen der Beschaffung und Warenwege gewählt. Nur durch die kombinierte Anwendung verschiedener Lieferorganisationsformen können geeignete Lösungen unter Berücksichtigung gegenläufiger Tendenzen wie beispielsweise zwischen kostenminimaler Material- und Teilebereitstellung und einer Materialbestandshaltung ermöglicht werden. Als strategische Aufgaben der Beschaffungslogistik sind unter anderem Make-or-Buy Entscheidungen, die Auswahl geeigneter Versorgungskonzepte (z. B. fallweise Beschaffung, Vorratsbeschaffung, produktionssynchrone Beschaffung), die Festlegung beschaffungsseitiger Transport- und Lagerkonzepte (z. B. Warenwege, Verkehrsträger, Transporttechnologien), Bestellstrategien (z. B. Bestellrhythmus-, Bestellpunktverfahren), die organisatorische Gliederung der Beschaffungslogistik (z. B. nach der geografischen Lage der Lieferanten oder eine produktbezogene Aufteilung) sowie die Auswahl von geeigneten Lieferanten zu nennen. Zu den operativen Aufgaben zählen beispielsweise die Ermittlung des Materialbedarfs für die Produktion, die Planung der optimalen Bestelllosgrößen sowie Entscheidungen über Transportkapazitäten (z. B.
1 Vgl. WILDEMANN (2005, S. 57).
3
1.2
1
Grundlagen
Direktanlieferung, Speditionskonzepte). Des Weiteren gehören zu den täglich durchzuführenden Aufgaben die Warenannahme und -eingangsprüfung, die Lagerhaltung und -verwaltung sowie der innerbetriebliche Transport2. Die Gestaltung einer effizienten Beschaffungslogistik, die sich durch kurze Wiederbeschaffungszeiten und hohe Flexibilität auszeichnet, erfordert neben der sinnvollen Gestaltung des Materialflusses auch ein breites Spektrum an informationsaustauschenden Tätigkeiten. Informationsflussaktivitäten können grundsätzlich in operativverwaltende und strategisch-gestaltende Aufgaben differenziert werden. Zu den operativ-verwaltenden Funktionen gehören alle Tätigkeiten, die der Aufrechterhaltung des Materialflusses zwischen Lieferant und Abnehmer dienen, z. B. die Aufgaben der Bestellentscheidung und der Bestellüberwachung. Die Variation von Stellgrößen, die eine strukturelle Veränderung innerhalb der materiellen und informatorischen Verbindung zwischen Lieferant und Abnehmer zur Folge hat, ist Gegenstand der strategisch gestaltenden Aufgaben3.
1.2.2
Produktionslogistik
Im Fertigungs- bzw. Produktionsbereich werden die von den Beschaffungsmärkten bezogenen materiellen Produktionsgüter (z. B. Rohstoffe, Halbfertigprodukte, Zukaufteile) durch Montage- und Gütermanipulationsprozesse zu Absatzprodukten umgewandelt. Entsprechend der Gliederung der Unternehmenslogistik nach den Phasen des Güterflusses ist die Produktionslogistik zwischen der Beschaffungs- und Distributionslogistik angeordnet. Die Schnittstelle zur Beschaffungslogistik wird durch die Warenannahme mit oder ohne Eingangslager bzw. durch die Bereitstellung der Einsatzgüter an der ersten Produktionsstufe unmittelbar durch den Lieferanten gebildet4. Die entsprechende Schnittstelle zur Distributionslogistik ist durch die Übergabe der Fertigerzeugnisse an das Absatzlager bzw. den Versand gegeben. Der Aufgabenbereich der Produktionslogistik befasst sich mit allen Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Material- und Informationsfluss von Einsatzgütern (Roh-, Hilfs-, Betriebsstoffe) vom Rohmateriallager zur Produktion sowie von Halbfabrikaten und Zukaufteilen durch die Stufen des Produktionsprozesses, einschließlich aller Zwischenlagerungen, über die Montage bis zum Fertigproduktelager5. Zu den strategischen Aufgaben der Produktionslogistik gehören die Bestimmung der Organisationsformen der Fertigung (z. B. Werkstatt-, Fließ-, Zentrenfertigung) und die strategische Produktionsprogrammplanung. Darüber hinaus umfasst das strategische Produktionsmanagement die effiziente und flussorientierte Gestaltung des Materialund Informationsflusses. Der operative Aufgabenbereich umfasst neben den Trans2 Vgl. BONSELS (1991, S. 72ff), SCHULTE (2005, S. 263f), RUPPER (1991, S. 11). 3 Vgl. BONSELS (1991, S. 81ff). 4 Vgl. IHDE (1991, S. 215). 5 Vgl. RUPPER (1991, S. 11).
4
Phasenspezifische Subsysteme der Logistik
port-, Umschlag- und Lagerleistungen die Produktionsplanung und -steuerung (PPS). Unter PPS werden rechnergestützte Systeme zur organisatorischen Planung, Steuerung und Überwachung der betriebswirtschaftlichen Abläufe von der Absatzplanung bis hin zum Versand unter Mengen-, Termin- und Kapazitätsaspekten verstanden. Zu den Hauptaufgaben der PPS gehören die Produktionsprogrammerstellung, die Mengen-, Termin- und Kapazitätsplanung sowie die Auftragsveranlassung und –überwachung.
1.2.3
Distributionslogistik
Die Distributionslogistik gehört zum außenmarktorientierten Bereich der Logistik, sodass sich ihr Zuständigkeitsbereich in zeitlicher Hinsicht von der Fertigstellung der Endprodukte bis zur Bereitstellung beim Kunden und räumlich gesehen entsprechend vom Fertigproduktelager respektive der Produktion bis zum Abnahmeort erstreckt. Das Ziel der Distributionslogistik ist die marktgerechte Erfüllung der geforderten Logistikleistungen. Somit muss die Distributionslogistik Strategien entwickeln, die ein optimales Verhältnis zwischen Lieferservice und Logistikkosten ermöglichen. Dazu gehören die Planung, Steuerung, Ausführung und Überwachung des physischen Warenflusses sowie des damit verbundenen Informationsflusses zwischen Produktionsund Handelsunternehmen und den jeweiligen Abnehmern. Die strategischen Aufgaben umfassen unter anderem die Ausgestaltung des Vertriebsnetzes durch die Festlegung der horizontalen und vertikalen Distributionsstruktur und geeigneter Lieferstrategien (z. B. Direktlieferung, mehrgliedrige Transportkette). Damit verbunden sind weitere Entscheidungen über die geographischen Lagerstandorte der verschiedenen Lagerarten (z. B. Werks,- Zentral-, Regional-, Auslieferungslager, bestandslose Umschlagpunkte) sowie die Auswahl entsprechender Verkehrsträger (wie z. B. Straße, Schiene, Wasser- und Luftweg). Zu den operativen Aufgaben im Bereich der Distributionslogistik sind alle Transport-, Umschlag- und Lageraktivitäten zu zählen, die zur Warenverteilung und Belieferung der Kunden notwendig sind. Um die anfallenden Transportkosten zu reduzieren, kommen intelligente Informations- und Kommunikationssysteme (z. B. Verkehrstelematik) sowie Kooperationen und Bündelungsstrategien zum Einsatz, die eine effiziente Transport-, Rundreise- und Tourenplanung mit kürzesten oder schnellsten Wegen der Güter zum Kunden ermöglichen. Die Anforderungen an die Distributionslogistik hängen ganz wesentlich davon ab, ob eine Auftrags- oder eine Lagerfertigung vorliegt. Bei der Auftragsfertigung, die typisch für Investitionsgüter ist, ergeben sich für die Distributionslogistik aufgrund der ausgehandelten bzw. planbaren Daten wenige Probleme. Von hervorgehobener Bedeutung ist dabei die Zusage und Einhaltung von Lieferzeiten. Wird dagegen bei der Lagerfertigung für den anonymen Markt gefertigt, dann entsteht für die Distributionslogistik ein hohes Maß an Unsicherheit. Durch die unbestimmten Bedarfe hat die Distributionslogistik hier eine Ausgleichsfunktion bezüglich art- und mengenmäßiger,
5
1.2
1
Grundlagen
räumlicher und zeitlicher Disparitäten zu erfüllen. Gerade für die Wettbewerbssituation von Anbietern substituierbarer Güter ist eine hohe Lieferbereitschaft von zentraler Bedeutung6. Für die Durchführung der distributionslogistischen Aufgaben lassen sich die Funktionen Auftragsabwicklung, Lagerhaltung, Transport und Point-of-use-Serviceleistungen unterscheiden7. Zu den Aufgaben der Auftragsabwicklung gehören die Annahme, Aufbereitung, Umsetzung, Weitergabe und Dokumentation von Auftragsdaten sowie die Kommunikation mit Kunden und betriebsinternen Stellen8. Somit werden durch die Auftragsabwicklung wichtige Informationen für die Distributionslogistik bereitgestellt. Die Aufgabe der Lagerhaltung besteht vor allem bei der Produktion für unbestimmte Marktbedarfe in einem Mengen-, Zeit- und Sortimentsausgleich. Im Rahmen der Lagerhaltungsfunktion hat das Bestandsmanagement die Verfügbarkeit der Produkte im Lager sicherzustellen und leistet dadurch einen wesentlichen Beitrag zur Aufrechterhaltung eines bestimmten Lieferbereitschaftsgrades. Zusätzlich sollen die beeinflussbaren Kosten, die im Wesentlichen Kapitalbindungskosten darstellen, so niedrig wie möglich gehalten werden. Zur Lagerhaltung gehört neben der eigentlichen Lagerfunktion auch eine interne Bewegungsfunktion, wobei die relative Bedeutung dieser beiden Funktionen von der Lagerart abhängt9. Aufgabe der Funktion Transport ist die räumliche Transformation der Güter mit Hilfe von Transportmitteln. Die Zielsetzung bei der Transportdurchführung besteht darin, die Waren schnell und zuverlässig bei möglichst geringen Kosten zum Abnehmer zu transportieren. Wesentliche Teilaufgaben stellen in diesem Zusammenhang die Disposition und Tourenplanung dar. Aufgabe der Tourenplanung ist die kostenminimale Erfüllung der Transportaufträge mit den vorhandenen Ressourcen (Personal, Fahrzeuge). Dabei zu beachtende Daten umfassen Entfernungen und Fahrzeiten, Auftragsdaten sowie Fuhrparkdaten. Zur Tourenplanung existiert eine Vielzahl von heuristischen Verfahren, die in Eröffnungs- und Verbesserungsverfahren unterschieden werden. Für kleinere und einfache Tourenplanungsprobleme werden in jüngster Zeit auch exakt optimierende Verfahren angeboten10. Bei Point-of-use-Serviceleistungen handelt es sich um Serviceleistungen wie z. B. Preisauszeichnungen, Aufbringen von EAN-Strichcodes, Einräumen von Regalen, aber auch um die Unterweisung in die Bedienung von Geräten. Werden die Point-of-useServiceleistungen nicht an einen spezialisierten Dienstleister vergeben, dann müssen qualifiziertes Personal und entsprechende Betriebsmittel zur Verfügung stehen.
6 Vgl. IHDE (1991, S. 225ff). 7 Vgl. FILZ (1993, S. 68). 8 Vgl. PFOHL (2004, S. 78ff). 9 Vgl. PFOHL (2004, S. 98ff). 10 Vgl. FLEISCHMANN (1998, S. 287ff).
6
Phasenspezifische Subsysteme der Logistik
1.2.4
Ersatzteillogistik
Ersatzteile stellen Teile, Bauelemente, Teilsysteme, Funktionseinheiten oder Systeme zum Ersatz einer entsprechenden Einheit dar, um die ursprünglich geforderte Funktion der Einheit zu erhalten. Ersatzteile lassen sich in Verschleiß- und Reserveteile untergliedern. Verschleißteile unterliegen einer betriebsbedingten Abnutzung, sodass deren Ausfall annähernd zeit- und mengenmäßig planbar und somit prognostizierbar ist. Im Gegensatz dazu sind Reserveteile durch einen zufallsbedingten Ausfall gekennzeichnet und weisen einen sporadischen, schlecht prognostizierbaren Verlauf auf. Aufgabe der Ersatzteillogistik ist die zeitgerechte Planung, Steuerung, Kontrolle und effiziente Abwicklung der für die Instandhaltung benötigten Ersatzteile in der erforderlichen Menge und Art beim entsprechenden Instandhaltungsobjekt. Zu den Aufgaben der Ersatzteillogistik gehören die Auftragsabwicklung, das Bestandsmanagement, die Ersatzteilbeschaffung und die Ersatzteildistribution11. Aufgrund der Dringlichkeit eines Ersatzteilbedarfs ist eine schnelle und unverzügliche Auftragsabwicklung notwendig. Die Auftragsabwicklung umfasst die Teilprozesse Auftragsübermittlung, Auftragsaufbereitung, Auftragsumsetzung, Auftragszusammenstellung, Versand und Fakturierung12. Das Ziel besteht in der Realisierung eines durchgängigen und standardisierten Auftragsdurchlaufs. Allerdings behindert oftmals die Notwendigkeit einer fachkundigen Beratung oder Sonderabwicklungen die schnelle Umsetzung einer Ersatzteilbestellung. Das Bestandsmanagement hat die Aufgabe der Planung, Steuerung und Kontrolle der für die Ersatzteilversorgung notwendigen Lagerbestände. Dazu gehören die Prognose des Nachfrageverlaufs nach Ersatzteilen, die Bestimmung der Bestandshöhe und der Bestandsergänzungspolitik sowie die Aufteilung der Ersatzteilbestände auf die verschiedenen Lager in Abhängigkeit der Distributionsstruktur13. Die Nachfrageprognose nach Ersatzteilen wird durch das Primärprodukt (z. B. Bestand, Planverkauf, Altersstruktur und Nutzungsintensität), durch das Ersatzteil selbst (z. B. Verschleißverhalten, Einsatzbedingungen), durch die Instandhaltung (z. B. Instandhaltungsstrategie) und durch externe Faktoren (z. B. gesetzliche Vorgaben, neue Technologien) beeinflusst14. Bei der Ersatzteilbeschaffung wird zwischen einer Beschaffung von selbstgefertigten Eigenteilen und extern bezogenen Fremdteilen unterschieden. Die Bereitstellung von Eigenteilen erfolgt durch interne Abwicklungen, wobei eine Konkurrenzsituation zwischen der Herstellung von Primärprodukten und Ersatzteilen auf den gemeinsamen Fertigungskapazitäten zu berücksichtigen ist. Die Beschaffung von Fremdteilen erfordert langfristige Verträge mit zuverlässigen Lieferanten, um kleine Beschaffungslosgrößen in kurzen Lieferzeiten mit hoher Lieferzuverlässigkeit beziehen zu kön11 Vgl. KOCH (2004, S. 35ff). 12 Vgl. ESTER ( 1997, S. 152ff). 13 Vgl. PFOHL (2004, S. 230). 14 Vgl. LOUKMIDIS/LUCZAK (2006, S. 255ff).
7
1.2
1
Grundlagen
nen15. Als Beschaffungsmethode kommt vor allem die Vorratsbeschaffung zur Anwendung, bei der eine Lagerauffüllung ohne Zeitdruck erfolgt. Die Aufgabe der Ersatzteildistribution ist die zeitlich, mengenmäßig und räumlich abgestimmte Zusammenführung der Ersatzteile mit den instand zuhaltenden Primärprodukten. Dazu muss im Rahmen der Standortwahl die horizontale und vertikale Distributionsstruktur festgelegt werden. Aufgrund des hohen Teilesortiments und der Heterogenität der Kundenaufträge kommt der Wegeoptimierung im Rahmen der Kommissionierung eine besondere Bedeutung zu. Außerdem sind spezifische Anforderungen (z. B. Schutz vor mechanischen und chemisch-physikalischen Einflüssen, Informationsfunktion) an die Verpackung zu beachten16. Beim Transport der Ersatzteile wird zwischen einer Regelabwicklung bei geplanten Kundenaufträgen oder Lagerergänzungsaufträgen und einer Eillieferung (z. B. durch Express- und Kurierdienste) unterschieden17.
1.2.5
Entsorgungslogistik
Die Prozesskette der Entsorgungslogistik schließt sich an die Versorgungslogistik an, wobei die Flussrichtung der logistischen Objekte denen der Versorgungslogistik genau entgegengesetzt ist, d. h. vom Kunden über die Redistribution, Wiederaufarbeitung und den Wiedereinsatz zurück zum Unternehmen. Unter der Entsorgung werden alle planenden und ausführenden Tätigkeiten der umweltgerechten Verwendung, Verwertung und geordneten Beseitigung von Rückständen verstanden, sodass entsorgungslogistische Konzepte auf die Effizienz eines durchgängigen Logistikkreislaufs fokussieren. Das wachsende Umweltbewusstsein der Bevölkerung, gesetzliche Grundlagen zur Entsorgungspflicht (z. B. das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz), die Verknappung von Primärrohstoffen sowie steigende Entsorgungskosten haben zur Folge, dass die Entsorgung und daraus abgeleitet die Entsorgungslogistik an Wichtigkeit zunimmt. Die Entsorgungslogistik umfasst die auf die Unternehmensziele und ökologischen Rahmenbedingungen ausgerichtete Planung, Steuerung und Kontrolle der Rückstände im Verantwortungsbereich des Unternehmens einschließlich der dazu erforderlichen Informationsflüsse. Ziel ist eine nachhaltige, an Kreisläufen orientierte Wirtschaftsweise, d. h. eine an ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten gerecht werdende Vermeidung bzw. Verwertung von Rückständen und deren Wiedereinsatz als Sekundärrohstoffe in den Wirtschaftskreislauf. Die ökonomischen Ziele beinhalten die Minimierung der Kosten der Entsorgungslogistik sowie die Gewährleistung eines attraktiven Entsorgungslogistikniveaus bzgl. Entsorgungszeit, Termintreue und Flexibilität. Die ökologischen Ziele resultieren aus den Umweltschutzzielen und beinhalten auf 15 Vgl. BAUMBACH (2004, S. 211). 16 Vgl. PFOHL (2004, S. 231). 17 Vgl. VAHRENKAMP (2005, S. 165).
8
Phasenspezifische Subsysteme der Logistik
der Inputseite die Ressourcenschonung und auf der Outputseite die Emissionsreduzierung. Die Aufgaben der Redistributionslogistik sind die Erfassung, Sammlung, Trennung, der Transport und ggf. die Lagerung von Produktions- und Konsumtionsrückständen und deren Zuführung zur Aufbereitung, Verwertung oder Beseitigung. In den Verantwortungsbereich der Aufbereitungslogistik fallen die Demontage von Altgeräten, die Trennung von Rückständen in Abfälle und Wertstoffe und die zeit- und mengengerechte Zuführung zu Verwertungsdienstleistern. Die Wiedereinsatzlogistik ist für die Transfer-, Umschlag- und Lagerprozesse von der Aufbereitung bis zur Quelle der Versorgungslogistik zuständig18. Die Kernleistungen setzen sich aus Lager-, Transport- und Umschlagleistungen zusammen. Bei den Motiven für die Lagerhaltung geht es primär nicht um den Ausgleich unterschiedlicher Produktionskapazitäten oder Unsicherheiten in der Nachfrage, sondern vielmehr um die Schaffung wirtschaftlicher Transporteinheiten beim Sammeln oder Umladen von Rückständen. Da es sich bei den eingelagerten Rückständen häufig um Gefahrgüter handelt, ergeben sich bei der Lagerung und beim Transport hohe Anforderungen19. Entsorgungslogistische Zusatzleistungen umfassen die Sammlung, Sortierung und Verpackung. Zwischen Sammeln und Sortieren von Rückständen bestehen Interdependenzen. Durch das Sammeln von Rückständen sollen Degressionseffekte infolge hoher Kernleistungen erreicht werden. Je früher jedoch eine stoffliche Sortierung zu kleinen, sortenreinen Transportmengen erfolgt, desto höher fallen die Logistikkosten für den nachfolgenden Sammelaufwand aus20. Verpackungen können Rückstände aufnehmen, andererseits können Verpackungen auch Rückstände darstellen, sodass sich für die Zusatzleistung Verpackung zwei verschiedene Sichtweisen ergeben. Die spezifischen Anforderungen an die Verpackungsgestaltung werden durch die Merkmale der Rückstände und die Gestaltung der übrigen entsorgungslogistischen Aufgabenfelder bestimmt21. Neben diesen eher operativ ausgeprägten Aufgabenbereichen sollte die Entsorgungslogistik auch Kostengesichtspunkte berücksichtigen. Bereits bei der Produktentwicklung können verschiedene Produktalternativen im Hinblick auf den späteren Entsorgungsaufwand bewertet und ausgewählt werden. Dabei muss eine entsorgungsgerechte Materialauswahl und Konstruktion unter Gesamtkostenaspekten erfolgen22. Weitere strategische Aufgaben der Entsorgungslogistik umfassen die Schaffung strategischer Wettbewerbsvorteile durch geeignete Entsorgungskonzepte und die Gestaltung von Entsorgungsnetzwerken.
18 Vgl. WILDEMANN (2005, S. 54). 19 Vgl. SCHULTE (2005, S, 511ff). 20 Vgl. SCHULTE (2005, S, 516ff). 21 Vgl. STÖLZLE (1993, S. 244ff). 22 Vgl. IHDE (1991, S. 251).
9
1.2
1
Grundlagen
Die Auftragsabwicklung als Informationsleistung hat wie in anderen logistischen Subsystemen hauptsächlich die Aufgabe, den Informationsfluss zwischen den einzelnen entsorgungslogistischen Prozessen zu sichern. Hierzu dient die Übermittlung, Aufbereitung und Umsetzung von Aufträgen, wobei vor allem umweltschutzrelevante Informationen bereitgestellt und verarbeitet werden müssen.
1.3
Aufbau des Buches
Das vorliegende Lehrbuch „Strategisches und operatives Logistikmanagement: Distribution“ ist das erste Buch einer vierbändigen Reihe, die sich mit strategischen und operativen Managementaufgaben der Querschnittsfunktion Logistik beschäftigt. Dieser erste Band hat das logistische Subsystem Distributionslogistik zum Gegenstand, wobei insbesondere Planungsprobleme, Lösungskonzepte und Strategien im Vordergrund stehen. Das Ziel des Lehrbuches besteht in einer didaktisch geeigneten Aufbereitung des Lehrstoffes zum strategischen und operativen Logistikmanagement. Die quantitativen Planungsmethoden werden in ihrem Verfahrensablauf algorithmisch beschrieben und an logistischen Anwendungsbeispielen verdeutlicht. Für weiterführende Aufgaben mit Lösungen wird in den jeweiligen Kapiteln auf das vom Autor verfasste „Übungsbuch Logistik“ verwiesen. Zusätzlich wird mit diesem Lehrbuch auch eine anwendungsfreundliche Planungssoftware „Logistik-Toolbox“ zur Verfügung gestellt, in der die in diesem Lehrbuch vorgestellten Planungsverfahren implementiert sind. Somit können auch praxisrelevante Problemstellungen mit dieser Planungssoftware gelöst werden. Nach der Einführung in die Logistik und deren phasenspezifische Subsysteme im einleitenden Kapitel 1 folgen in Kapitel 2 zunächst Grundlagen der Graphentheorie, um Zusammenhangs- und Abhängigkeitsstrukturen durch Knoten und Kanten bzw. Pfeile darzustellen. Die aus der Graphentheorie resultierenden Verfahren, wie z. B. die Berechnung kürzester Wege, haben insbesondere auch in der Distributionslogistik eine praktische Anwendung gefunden. Nach den Grundlagen zur Modellierung distributionslogistischer Strukturen wird in Kapitel 3 auf die Transport- und Umladeplanung ohne Berücksichtigung von Kapazitätsbeschränkungen eingegangen. Nach einer Formulierung der unkapazitierten Transport- und Umladeprobleme als lineare Optimierungsprobleme werden Verfahren zur Bestimmung zulässiger und optimaler Lösungen vorgestellt. Treten bei den Transport- und Umladeproblemen auch Kapazitätsbeschränkungen auf, dann können diese Planungsprobleme als Netzwerkflussprobleme formuliert werden, die Gegenstand von Kapitel 4 sind. Eine optimale Lösung dieser ein- oder mehrstufigen Transportprobleme erfolgt dann über die Bestimmung maximaler Flüsse mit minimalen Kosten. Nachdem durch die Lösung von Transport- und Umladeproblemen eine Zuordnung von Nachfrageorten zu Angebotsorten erfolgt ist, muss anschließend noch die Reihenfolge der Kunden bei der Belieferung gelöst werden. Die Rundreiseplanung und deren Lösungsmöglichkeiten
10
Aufbau des Buches
werden in Kapitel 5 behandelt, wobei eine Unterscheidung in knoten- und kantenbzw. pfeilorientierte Rundreiseprobleme erfolgt. Während für die kantenorientierten Briefträgerprobleme effiziente exakte Lösungsmethoden vorgestellt werden, erfolgt die Lösung der knotenorientierten Handlungsreisendenprobleme mit Hilfe von heuristischen Eröffnungs- und Verbesserungsverfahren. Gegenstand von Kapitel 6 sind die Modellierung und Lösung von Tourenplanungsproblemen, bei denen gegebene Sammel- oder Auslieferungsaufträge mit einem Fuhrpark so auszuführen sind, dass z. B. die Kosten oder die Fahrzeit minimiert werden. Zur Lösung werden neben heuristischen Eröffnungsverfahren auch lokale Verbesserungsverfahren vorgestellt. In Kapitel 7 wird das Standortmanagement und der Standortmanagementprozess behandelt, wobei zwischen einer Standortplanung in der Ebene, einer Standortplanung im Netzwerk und der diskreten Standortplanung unterschieden wird. Zur Bestimmung geeigneter Standorte werden verschiedene heuristische Verfahren vorgestellt. Die Gestaltung externer Transportprozesse unter Berücksichtigung verschiedener Verkehrsträger und deren Kombinationen sowie der Einsatz von Logistikdienstleistern stehen im Fokus von Kapitel 8. Neben den Vor- und Nachteilen verschiedener Verkehrsträger werden Formen des Kombinierten Verkehrs, Formen der Kooperation im Güterverkehr und Bündelungsstrategien behandelt. Gegenstand von Kapitel 9 sind die Möglichkeiten einer effektiven und effizienten Gestaltung des Güterverkehrs durch die Nutzung der Verkehrstelematik. Neben der Vorstellung informationstechnischer Komponenten zur Identifikation, zum Datenaustausch und zur Datenverarbeitung werden auch Einsatzmöglichkeiten sowie Nutzen und Risiken der Verkehrstelematik diskutiert. Das abschließende Kapitel 10 stellt die Planungssoftware Logistik-Toolbox und ihrer Anwendungsmöglichkeiten vor. In der folgenden Abbildung 1-2 werden die in diesem Lehrbuch behandelten Planungsprobleme der Kapitel 3 bis 8 den entsprechenden operativen und strategischen Planungsebenen zugewiesen:
Abbildung 1-2 Strategische und operative Planungsprobleme der Distribution
Beschaffung Beschaffung
Produktion Produktion
Distribution Distribution
Distributionsnetz (Kap. 7) Distributionsnetz (Kap. 7)
langfr istig, strategisch (mehrere Jahre)
Planung von Rahmentouren (Kap. 6) Transportwege und - mittel (Kap. 8)
mittelfristig, operativ (6 – 18 Monate)
Planung Planung tät glicher glicherTouren Touren (Kap. (Kap.6)6) Transport-, Umladeplanung (Kap. 3,4) Rundreiseplanung (Kap. 5) Rundreiseplanung (Kap. 5) 3,4) Transport Transport--, Umladeplanung (Kap. Planung täglicher Touren (Kap. 6)
kurzfristig, operativ (1 – 3 Monate)
11
1.3
1
Grundlagen
1.4
Literaturhinweise
Baumbach, M. (2004): After-Sales-Management im Maschinen- und Anlagenbau, Transfer Verlag.
Bonsels, B. (1991): Modell zur wissensbasierten Problemlösung in der Beschaffungslogistik, Josef Eul.
Ester, B. (1997): Benchmarks für die Ersatzteillogistik: Benchmarkingformen, Vorgehensweise, Prozesse und Kennzahlen, Erich Schmidt.
Filz, B. (1993): Entwicklung eines systematischen Einflussgrößenmodells für die Distributionslogistik, Verlag für Logistik in Praxis und Wissenschaft.
Fleischmann, B. (1998): Tourenplanung, in: Isermann, H. (Hrsg.) (1998): Logistik: Beschaffung, Produktion, Distribution, 2. Auflage, Verlag Moderne Industrie, S. 287-301.
Ihde, G. (1991): Transport Verkehr Logistik, Vahlen. Koch, S. (2004): Lebenszyklusorientierte Ersatzteillogistik in Hersteller-AnwenderKooperationen, Kovac.
Loukmidis, G.; Luczak, H. (2006): Lebenszyklusorientierte Planungsstrategien für den Ersatzteilbedarf, in: Barkawi, K. et al. (Hrsg.) (2006): Erfolgreich mit After Sales Services: Geschäftsstrategien für Servicemanagement und Ersatzteillogistik, Springer, S. 251-270.
Pfohl, H.-C. (2004): Logistiksysteme, 7. Auflage, Springer. Rupper, P. (1991): Logistik – Eine neue Unternehmensdimension, in: Rupper, P. (Hrsg.) (1991): Unternehmenslogistik – Ein Handbuch für Einführung und Ausbau der Logistik im Unternehmen, 3. überarbeitete und erweiterte Auflage; Verlag Industrielle Organisation, S. 1-23.
Schulte, C. (2005): Logistik – Wege zur Optimierung der Supply Chain, 4. Auflage, Vahlen.
Stölzle, W. (1993): Umweltschutz und Entsorgungslogistik, Erich Schmidt. Vahrenkamp, R. (2005): Logistik: Management und Strategien, 5. Auflage, Oldenbourg.
Wildemann, H. (2005): Logistik Prozessmanagement, 3. neubearbeitete Auflage, TCW Transfer-Centrum-Verlag.
12
2
Grundlagen der Graphentheorie
In diesem Grundlagenkapitel werden einige wichtige Begriffe der Graphentheorie definiert. Die Graphentheorie ist ein Teilgebiet der Mathematik, die sich mit gerichteten und ungerichteten Graphen und ihren Beziehungen zueinander beschäftigt. Insbesondere bei komplexen Zusammenhangs- und Abhängigkeitsstrukturen lassen sich deren Beziehungen nur schwierig durch Gleichungen oder Ungleichungen darstellen. Somit bietet es sich an, die Zusammenhangs- und Abhängigkeitsbeziehungen zunächst graphentheoretisch zu untersuchen.
Lernziele:
Grundbegriffe der Graphentheorie wie z. B. „Graph“, „Digraph“, „Grad“ eines Knotens, „Quelle“, „Senke“, „Kette“, „Zyklus“ oder „Gerüst“
Möglichkeiten zur Speicherung der Struktur von (Di-)Graphen in Rechenanlagen Untersuchung von Zusammenhangseigenschaften in (Di-)Graphen Verfahren zur Überprüfung der Kreisfreiheit von Graphen bzw. der Zyklenfreiheit von Digraphen
Bewertungen und Entfernungen in (Di-)Graphen Verfahren zur Bestimmung von Minimalgerüsten Algorithmen zur Bestimmung von kürzesten Wegen in (Di-)Graphen
2.1
Grundlegende Begriffe der Graphentheorie
Zur Beschreibung komplexer Systeme in der Distribution, deren einzelne Komponenten in bestimmten Beziehungen miteinander stehen, werden in der Graphentheorie
sogenannte Knoten für die Systemelemente und
ungerichtete Kanten bzw. gerichtete Pfeile zwischen den Knoten für die Verbindungen zwischen den Systemelementen benutzt.
Beispielsweise entsprechen in einem Straßennetz die Kanten bzw. Pfeile den Fahrtstrecken bzw. Fahrtrichtungen und die Knoten den Anlauf- oder Kreuzungspunkten (z. B. Kunden, Städte, Lager oder Depots). Bewertet man die Kanten bzw. Pfeile mit Entfernungen, Fahrzeiten oder Fahrtkosten, so können optimale Wege zwischen den Knoten
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 R. Lasch, Strategisches und operatives Logistikmanagement:Distribution, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31869-7_2
13
2
Grundlagen der Graphentheorie
oder optimale Rundreisen, die alle Knoten oder alle Kanten bzw. Pfeile enthalten, berechnet werden. Im Folgenden werden Grundkenntnisse der Graphentheorie vermittelt und deren elementare Begriffe erläutert, die für das Verständnis der später vorgestellten Verfahren zur Lösung von konkreten Praxisproblemen notwendig sind.
2.1.1 a)
Graph und Digraph
Unter einem ungerichteten Graphen G versteht man ein System V , E mit nichtleerer Knotenmenge V 1,..., n , einer Kantenmenge E e1 ,..., em und einer auf E definierten Inzidenzabbildung f , die jeder Kante ek ein Knotenpaar zuordnet: f ek i, j j , i . Bei einem (ungerichteten) Graphen sind die miteinander verbundenen Knotenpaare nicht geordnet. Die Kante ek heißt mit den Knoten i, j inzident (verbunden) und kann graphisch wie folgt dargestellt werden:
i b)
ek
j
In einigen Anwendungsfällen kann es sinnvoll sein, dass man nur vom Knoten i zum Knoten j gelangt und nicht entgegengesetzt. Für diese Darstellung verwendet man Pfeile statt Kanten. Hierbei spricht man von einem gerichteten Graphen bzw. Digraphen G und versteht darunter ein System (V , E ) mit nichtleerer Knotenmenge V 1 ,..., n , einer Pfeilmenge E e1 ,..., em und einer auf E definierten Inzidenzabbildung f , die jedem Pfeil ek ein Knotenpaar zuordnet: f ek i, j j , i . Bei einem gerichteten Graphen sind die miteinander verbundenen Knotenpaare geordnet. Der Pfeil ek heißt mit dem Anfangsknoten i positiv inzident und mit dem Endknoten j negativ inzident und lässt sich graphisch wie folgt darstellen:
i
ek
j
c)
V sowohl eine Menge von KanEin Graph G , bei dem neben der Knotenmenge ten E und eine Menge von Pfeilen E vorkommt, heißt gemischter Graph.
d)
Bei einem endlichen Graphen G bzw. endlichen Digraphen G sind die Mengen V , E bzw. E endlich und die Knotenmenge V nichtleer V .
e)
Ein Graph G bzw. Digraph G ohne Schleifen und parallele Kanten bzw. Pfeile wird als schlichter Graph bzw. schlichter Digraph bezeichnet.
14
Grundlegende Begriffe der Graphentheorie
Der folgende Graph G besitzt zwei parallele Kanten und eine Schleife:
i
j
f)
G ist symmetrisch, wenn für alle i, j V gilt: Der Digraph (i, j ) E ( j , i ) E .
g)
Der Digraph G ist antisymmetrisch, wenn für alle i, j V gilt: (i, j ) E ( j , i ) E .
Im Gegensatz zu den graphischen Abbildungen von Graphen bzw. Digraphen sind die Inzidenzabbildungen stets eindeutig. Man spricht bei den Inzidenzabbildungen auch von Kantenlisten bzw. Pfeillisten.
Beispiele 2.1.1 a)
Für G (V , E ) mit V 1,...,5 , E e1 ,..., e5 und der Inzidenzabbildung f mit
k
1
f ek
[1,2]
2
3
4
[1,3] [4,5] [4,4]
5 [3,4]
erhält man den folgenden Graph:
e4 2
4
e1 1
e5
e3
e2 3
5
15
2.1
2
Grundlagen der Graphentheorie
b)
Für G (V , E ) mit V 1,...,5 , E e1 ,..., e5 und der Inzidenzabbildung f mit
k
1
f (ek )
(1,2)
2
3
(2,3) (3,2)
4
5
(2,4)
(4,5)
erhält man folgenden Digraph:
e4
2
4
e1 1
e2
e3
3
2.1.2
e5
5
Adjazenz- und Inzidenzmatrix
Im Folgenden sollen zunächst Möglichkeiten zur Speicherung endlicher Graphen bzw. Digraphen in Rechenanlagen behandelt werden, wobei verschiedene Matrixdarstellungen zu unterscheiden sind. Für die nun folgenden Begriffe wird ein Graph G (V , E ) mit V n 0, E m 0 bzw. ein Digraph G (V , E ) mit V n 0 , E m 0 unterstellt, d. h. ein Graph bzw. Digraph, der aus mindestens einem Knoten besteht. Die Adjazenzmatrix und die Inzidenzmatrix dienen der Speicherung der Struktur, d. h. der Knoten und Kanten bzw. Pfeile, eines Graphen bzw. Digraphen, nicht aber der Wiedergabe von Bewertungen.
a)
Ausgehend von einem Graphen G bzw. Digraphen G , dessen Knoten von 1 bis n nummeriert sind, bezeichnet man die binäre n n Matrix A G aij n ,n von G (bzw. A(G ) aij n ,n von G ) mit aij 1 , falls [i , j ] E (bzw. (i , j ) E ) 0 , sonst als Adjazenzmatrix. Die Adjazenzmatrix betrachtet lediglich alle Knoten des Graphen und ist bei vorgegebener Knotennummerierung eindeutig festgelegt.
16
Grundlegende Begriffe der Graphentheorie
b)
Für einen Graphen G bezeichnet man die binäre n m Matrix H G hik n ,m von G mit
1 , falls ek inzident mit i hik 0 , sonst als Inzidenzmatrix. Die Inzidenzmatrix beinhaltet zeilenweise alle Knoten und spaltenweise alle Kanten von G .
c)
Da im Gegensatz zum Graphen G im Digraphen G die Pfeilrichtung von Bedeu tung ist, definiert man zu G die binäre n m Matrix H (G ) hik n ,m mit
1 , falls ek positiv inzident mit i hik - 1 , falls ek negativ inzident mit i 0 , sonst
und bezeichnet diese als Inzidenzmatrix von G . Da Schleifen in Digraphen zum entsprechenden Knoten positiv und negativ inzident sind, erhalten sie in der Inzidenzmatrix die Bewertung 0.
Beispiele 2.1.2: a)
Zu Beispiel 2.1.1 a) erhält man die Inzidenzmatrix 1 1 0 0 0
H (G )
1 0 1 0 0
0 0 0 1 1
0 0 0 1 0
0 0 1 1 0
bzw. zu Beispiel 2.1.1 b) die Inzidenzmatrix
H (G )
1 -1 0 0 0
0 1 -1 0 0
0 -1 1 0 0
0 1 0 -1 0
0 0 0 1 -1
17
2.1
2
Grundlagen der Graphentheorie
b)
Zu Beispiel 2.1.1 a) erhält man die Adjazenzmatrix 0 1 1 0 0
A(G )
1 0 0 0 0
1 0 0 1 0
0 0 1 1 1
0 0 0 1 0
bzw. zu Beispiel 2.1.1 b) erhält man die Adjazenzmatrix 0 0 0 0 0
A(G )
1 0 1 0 0
0 1 0 0 0
0 1 0 0 0
0 0 0 1 0
Bemerkungen 2.1.1: a)
Die Adjazenzmatrix A(G ) eines Graphen G ist immer symmetrisch.
b)
Die falls Adjazenzmatrix A(G ) eines Digraphen G ist genau dann symmetrisch, G symmetrisch ist, d. h. für alle i, j V gilt: (i, j ) E ( j , i ) E .
2.1.3
Vollständigkeit von Graphen, Teil- und Untergraph
Bei einer Reihe von Anwendungen interessiert man sich für die strukturellen Eigenschaften von Graphen bzw. Digraphen. Dazu zählen die Eigenschaften der Vollständigkeit und Erreichbarkeit, aber auch Teil- oder Untergraphen, um beispielsweise nur ausgewählte Kunden zu betrachten. a)
Ein Graph G V , E heißt vollständig, wenn jedes Knotenpaar durch eine Kan-
te verbunden ist, d. h. E [i , j ] i, j V bzw. die Adjazenzmatrix besteht nur aus
Einsen ( A G =1I ).
b)
Ein Digraph G (V , E ) heißt vollständig, wenn jedes Knotenpaar durch einen Pfeil verbunden ist, d. h. E V V (i, j ) i V , j V bzw. A(G ) 1I .
c)
Für Digraphen bezeichnet V j i V i, j E die Menge der Vorgänger von j , und N j k V ( j , k ) E die Menge der Nachfolger von j .
d)
Analog bezeichnet man in einem ungerichteten Graphen G einen Knoten i als
Nachbar eines Knoten j , wenn [i , j ] eine Kante von G ist. Die Menge der Nach-
barn eines Knoten j wird mit NB ( j ) i V
18
i, j bezeichnet.
Grundlegende Begriffe der Graphentheorie
e)
Sei G (V , E ) ein Graph bzw. G (V , E ) ein Digraph. Dann bezeichnet man den Graph G (V , E ) mit V V , E [i , j ] E i, j V als Teilgraph von G bzw. den Digraph G (V ' , E ' ) mit V V , E (i, j ) E i, j V als Teildigraph von
G.
f)
Sei G (V , E ) ein Graph bzw. G (V , E ) ein Digraph. Dann bezeichnet man den Graph G V , E mit V V und E [i , j ] E i, j V als Untergraph von G bzw. G (V , E ) mit V V und E (i, j ) E i, j V als Unter-
digraph von G .
g)
Ersetzt man in einem nicht notwendig symmetrischen Digraphen G (V , E ) alle
Pfeile i, j E durch Kanten [i , j ] E , dann erhält man den dem Digraphen zu-
geordneten Graphen G Z (G ) . In A( Z (G )) setzt man aij a ji 1 (i, j ) E
oder j , i E , d. h. A( Z (G )) ist symmetrisch.
Beispiel 2.1.3:
Sei G ein schlichter, vollständiger Graph. Dann erhält man folgenden Teilgraph G ' bzw. Untergraph G ' ' :
Graph G
Teilgraph G '
Untergraph G ' '
Ein Unter(di)graph von G (bzw. G ) entsteht also durch Weglassen von Knoten sowie von genau den Kanten (bzw. Pfeilen), die mit den weggelassenen Knoten inzident sind. Bei Teil(di)graphen können mehr als die eben genannten Kanten (Pfeile) fehlen. Falls nur schlichte Graphen bzw. Digraphen betrachtet werden, d. h. ohne parallele
n
Kanten oder Pfeile, dann besitzt ein vollständiger Graph 2 ein vollständiger Digraph nn 1 Pfeile.
n(n 1) Kanten und 2
19
2.1
2
Grundlagen der Graphentheorie
2.1.4
Knotengrad
a)
Für einen Graphen G wird der Grad g i eines Knoten i als Anzahl der mit dem Knoten i inzidenten Kanten definiert.
b)
Im Digraph G wird der Ausgangsgrad g i eines Knotens i durch die Anzahl der von i ausgehenden Pfeile und der Eingangsgrad g i eines Knotens i durch die Anzahl der in i einmündenden Pfeile bestimmt. Der Grad des Knotens i ergibt sich als Summe seines Ausgangs- und Eingangsgrades: g i g i g i .
c)
Ein Knoten i im Digraph, von dem nur Pfeile ausgehen, wird Quelle genannt: g i 0 und g i 0 .
d)
Ein Knoten i im Digraph, in den nur Pfeile einmünden, heißt Senke: g i 0 und g i 0 .
e)
Ein Knoten i , der weder positiv noch negativ inzident mit Pfeilen ist bzw. der mit keiner Kante inzident ist, wird als isolierter Knoten bezeichnet: g i g i 0 bzw. g i 0 .
Bemerkungen 2.1.2:
a)
Eine Quelle (bzw. Senke) i V erkennt man in der Adjazenzmatrix A(G ) daran, dass dessen i -te Spalte (bzw. i -te Zeile) eine Nullspalte (bzw. Nullzeile) ist und in der i -ten Zeile (bzw. i -ten Spalte) mindestens eine 1 steht.
b)
Da jede Kante im Graph G zwei Knoten berührt, ist die Summe aller Knotengrade gleich der doppelten Kantenanzahl:
gi 2 E .
iV
c)
Im Digraph G ist die Anzahl der Pfeile mit der Summe der Ausgangs- bzw. Eingangspfeile identisch:
gi gi E .
iV
d)
iV
In jedem Graphen G ist die Anzahl der Knoten mit ungeradem Grad eine gerade Zahl. Sei V g und V u die Knotenmenge mit geradem bzw. ungeradem Grad ( V V g V u ), dann gilt:
gi gi 2 E .
iV g
20
iV u
Grundlegende Begriffe der Graphentheorie
Beispiel 2.1.4:
Das Leitungsnetz eines Unternehmens mit fünf Gebäuden kann mit einem Digraphen G wie folgt dargestellt werden. Die Knoten 1 bis 5 stehen dabei für einzelne Gebäude und die Pfeile zeigen die Leitungsrichtung an. Der Strom wird von den Gebäuden 1 und 4 durch Trafostationen eingespeist. Gebäude 5 ist nicht an das Leitungsnetz angeschlossen.
1
2
5
3
4
2.1.5
Knoten
1
2
3
4
5
Ausgangsgrad
2
0
1
1
0
Eingangsgrad
0
3
1
0
0
Grad
2
3
2
1
0
Quellen: Knoten 1, 4 Senke: Knoten 2 isolierter Knoten: Knoten 5
Zusammenhänge in Netzen
Für die Untersuchung des Zusammenhangs von Graphen und Digraphen werden die Begriffe Kette, Kreis bzw. Weg und Zyklus benötigt.
2.1.5.1 Zusammenhang von Graphen a)
Eine Kantenfolge mit Endknoten i0 , im : i0 , i1 , i1 , i2 ,..., im 1 , im i0 , i1 ,..., im heißt
b)
c)
offen für i0 im . geschlossen für i0 im .
Eine offene Kantenfolge mit paarweise verschiedenen Knoten wird als Kette bezeichnet. Eine geschlossene Kantenfolge mit paarweise verschiedenen Zwischenknoten und E 2 stellt einen Kreis dar. Die Knoten i, j V gelten als verbunden i ~ j , wenn eine Kantenfolge mit den Endknoten i, j existiert.
d)
Ein Graph G (V , E ) heißt zusammenhängend, wenn jedes Paar verschiedener Knoten von G durch mindestens eine Kette verbunden ist, d. h. i ~ j für alle i, j V mit i j oder V 1 .
e)
Ein maximaler zusammenhängender Untergraph G ' ' (V ' ' , E ' ' ) von G (V , E ) mit E ' ' i, j E i, j V ' ' heißt Zusammenhangskomponente von G . Maximal bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Untergraph G ' ' seine Zusammenhangseigenschaft verliert, wenn man Knoten sowie entsprechende Kanten aus dem ursprünglichen Graphen G hinzufügt.
21
2.1
2
Grundlagen der Graphentheorie
Beispiel 2.1.5:
Gegeben sei der folgende Graph G . Als Ketten ergeben sich [4,5] und [2,1,3]. Die geschlossene Kantenfolge [1,2,3,1] ergibt einen Kreis. G besteht aus folgenden zwei Zusammenhangskomponenten G1 mit V1 1,2,3, E1 1,2 , 1,3 , 2,3 und G2 mit V2 4,5, E2 4,5 .
2
4
3
5
1
2.1.5.2 Zusammenhang von Digraphen Nachdem Zusammenhangseigenschaften von Graphen bereits erläutert wurden, wird jetzt der Zusammenhang von Digraphen betrachtet: a)
Eine Pfeilfolge i0,i1 , i1 , i2 ,..., im 1 , im i0 , i1 ,..., im mit Anfangsknoten i0 und Endknoten im heißt
offen für i0 im . geschlossen für i0 im .
b)
Eine offene Pfeilfolge mit paarweise verschiedenen Knoten wird als Weg bezeichnet. Eine geschlossene Pfeilfolge mit paarweise verschiedenen Zwischenknoten bildet einen Zyklus.
c)
Der Knoten j V ist vom Knoten i V aus erreichbar ( i j ), wenn eine Pfeilfolge von i nach j existiert. Die Knoten i, j V sind gegenseitig erreichbar (i j ), wenn eine Pfeilfolge von i nach j und umgekehrt von j nach i existiert.
d)
Ein Digraph G = (V, E ) heißt stark zusammenhängend, wenn es für jedes Knotenpaar i, j V einen Weg gibt, der dieses Knotenpaar miteinander verbindet, d. h. ( i j ) für alle i, j V oder V 1 .
e)
Geht man von einem Digraphen G zum zugeordneten ungerichteten Graphen G Z (G ) über und ist dieser Graph zusammenhängend, so heißt G schwach zusammenhängend. Damit folgt aus einem starken stets auch ein schwacher Zusammenhang.
22
Grundlegende Begriffe der Graphentheorie
f)
ponente von G (V , E ) , wenn G ' ' ein maximaler stark bzw. schwach zusam menhängender Unterdigraph von G ist, d. h. E ' ' (i, j ) E i, j V ' ' . Der Digraph G ' ' (V ' ' , E ' ' ) heißt starke bzw. schwache Zusammenhangskom-
Beispiel 2.1.6:
Gegeben sei der folgende Digraph G mit Knoten 1 als Quelle und Knoten 5 als Senke. Als Wege ergeben sich (1,2,3,4,5), (4,2,3), (2,4,5) und (3,4,5). Die geschlossene Pfeilfol-
gen (2,3,4,2) und (2,4,2) bilden Zyklen. G ist schwach zusammenhängend, da
G Z (G ) zusammenhängend ist. G enthält die folgenden drei starken Zusammen-
hangskomponenten:
G1 mit V1 2,3,4, E1 (2,3), (2,4), (3,4), (4,2) G2 mit V2 1 , E2 und G3 mit V3 5, E3 .
,
2
3
4
5
1
2.1.6
Zyklen- bzw. Kreisfreiheit und topologische Sortierung
Verfahren zur geeigneten Nummerierung von Knoten, z. B. für die Bestimmung von kürzesten Wegen und Rundreisen sowie zur Erkennung von Kreisen in Graphen bzw. von Zyklen in Digraphen spielen eine besondere Rolle. Zyklenfreie Digraphen treten z. B. bei Distributionsnetzen auf und sind eine Voraussetzung für einige Verfahren zur Bestimmung kürzester Wege.
a)
Das Verfahren zur Überprüfung auf Zyklenfreiheit in Digraphen G (V , E ) mit E basiert auf der Überlegung, dass Quellen und Senken nicht zu einem Zyklus gehören können. Deshalb werden bei diesem Verfahren die Quellen bzw. Senken schrittweise entfernt:
Schritt 1) G G0 (V0 , E0 ) , V0 , E0 , k 0 Schritt 2) Bestimme Quellen Qk i Vk
g i 0, g i 0 und dazuge hörige Pfeile EQk i, j Ek i Qk
23
2.1
2
Grundlagen der Graphentheorie
Schritt 3) Qk : G enthält Zyklen und eine topologische Sortierung ist unmöglich Ende
Qk : wähle die kleinsten nicht vergebenen Zahlen aus IN und nummeriere beliebig alle Knoten aus Qk ; streiche Quellen: Vk 1 Vk \ Qk ; streiche dazugehörige Pfeile: Ek 1 Ek \ EQk ; Gk 1 (Vk 1 , E k 1 ) Schritt 4) E k 1 : G ist zyklenfrei, sodass die Restknoten beliebig nummeriert werden können Ende
E k 1 : setze k : k 1 und gehe zu Schritt 2) b) Ein Digraph G (V , E ) heißt topologisch sortiert, wenn seine Knoten so nummeriert sind, dass für jeden Pfeil (i, j ) die Beziehung (i j ) gilt. Bei einer topologischen Sortierung erhält der Knoten i , an dem der Pfeil beginnt, eine kleinere Nummer als der Knoten j , in den der Pfeil einmündet. Voraussetzung für eine topologische Sortierung ist daher, dass der entsprechende Digraph G zyklenfrei ist. c)
Das Verfahren zur Überprüfung auf Kreisfreiheit in Graphen G (V , E ) mit E basiert auf der Überlegung, dass Knoten mit Grad 1 nicht zu einem Kreis gehören können. Deshalb werden bei diesem Verfahren schrittweise die Knoten mit Grad 1 entfernt: Schritt 1) G G0 V0 , E0 : streiche alle isolierten Knoten i V mit
g i 0 und setze k 0
Schritt 2) Bestimme Qk i Vk g i 1 , EQk [i , j ] Ek i Qk
24
Schritt 3)
Qk 1 : G enthält Kreis Ende Qk 2 : streiche Knoten mit Grad 1: Vk 1 Vk \ Qk ; streiche zugehörige Kanten: Ek 1 Ek \ EQk ; Gk 1 Vk 1 , Ek 1
Schritt 4)
E k 1 : G ist kreisfrei Ende E k 1 : setze k : k 1 und gehe zu Schritt 2)
Grundlegende Begriffe der Graphentheorie
Beispiele 2.1.7:
a)
Der folgende Digraph G soll auf Zyklenfreiheit überprüft und topologisch sortiert werden.
1
3
1
2
4
3
2
4
5
5
k 0 : Q0 1, EQ0 (1,2), (1,3), (1,4) , wähle 1 für Knoten 1 V1 2,3,4,5, E1 (3,4), (3,5), (4,2), (4,5) k 1 : Q1 3, EQ1 (3,4), (3,5) , wähle 2 für Knoten 3 V2 2,4,5, E2 (4,2), (4,5) k 2 : Q2 4, EQ2 (4,2), (4,5) , wähle 3 für Knoten 4 V3 2,5, E3 Der Digraph G ist zyklenfrei. Wähle Nummer 4 für Knoten 2 und Nummer 5 für Knoten 5 oder umgekehrt.
b)
Im folgenden Digraph G soll eine topologische Sortierung vorgenommen werden.
1
2
6
3
4
5
k 0 : Q0 1,3, EQ0 (1,2), (3,2) wähle 1 für Knoten 1 und 2 für Knoten 3 oder umgekehrt;
V1 2,4,5,6, E1 (2,5), (5,4), (4,2), (5,6)
25
2.1
2
Grundlagen der Graphentheorie
k 1 : Q1
c)
G enthält Zyklus (2,5,4,2), sodass keine topologische Sortierung möglich ist.
Der folgende Graph G ist auf Kreisfreiheit zu überprüfen.
1
5
3
7
4
2
6
G (V , E ) mit V 1,...,7 , E [1,3], [2,3], [3,4], [4,5], [4,6], [5,7]
k 0 : Q0 1,2,6,7, EQ0 [1,3],[2,3], [4,6],[5,7] V1 3,4,5, E1 [3,4], [4,5] k 1 : Q1 3,5, EQ1 [3,4],[4,5] V2 4, E2
G ist kreisfrei Ende
2.1.7
Bäume und Gerüste
Bei der Lösung von Distributionsproblemen interessiert man sich für zusammen hängende Graphen G ohne Kreise bzw. stark zusammenhängende Digraphen G ohne Zyklen, denn andernfalls kann stets eine Kante bzw. ein Pfeil gestrichen werden, ohne die Zusammenhangseigenschaft zu verlieren.
2.1.7.1 Ungerichtete Bäume und Gerüste in Graphen a)
26
Ein zusammenhängender, kreisfreier Graph G V , E wird als Baum bezeichnet. Ein Baum mit V n Knoten besitzt somit E n 1 Kanten. Ein Graph G ist ein Baum, falls es für je zwei verschiedene Knoten aus V genau eine diese beiden Knoten verbindende Kette gibt.
Grundlegende Begriffe der Graphentheorie
b)
Ein zusammenhängender Graph G V , E mit genau einem Kreis wird als 1-Baum bezeichnet. Ein 1-Baum mit V n Knoten besitzt somit E n Kanten und ein ausgezeichneter Knoten i0 V besitzt den Knotengrad 2.
c)
Ein kreisfreier Graph G V , E mit k Zusammenhangskomponenten wird als Wald mit k Bäumen bezeichnet. Ein Wald mit k Bäumen und V n Knoten besitzt somit E n k Kanten.
d)
Sei G (V , E ) ein zusammenhängender Graph, dann wird ein zusammenhängender, kreisfreier Teilgraph G (V ' , E ' ) von G mit V V und E E als Gerüst oder spannender Baum bezeichnet.
e)
Einen Graphen G (V , E ) bezeichnet man als bipartit, wenn seine Knotenmenge V wie folgt in zwei disjunkte Teilmengen V1 , V2 zerlegbar ist: V V1 V2 mit V1 V2 , E , E i, j i V1 j V2 .
Beispiele 2.1.8:
a)
Im folgenden Graphen G (V , E ) , der ein Unternehmen mit fünf Abteilungen darstellt, soll ein Leitungsnetz errichtet werden, das je zwei Abteilungen direkt oder indirekt verbindet. Somit wird in G ein Gerüst G (V ' , E ' ) mit V V 1,...,6 gesucht, das den Zusammenhang des Graphen erhält, aber Kreise vermeidet:
1
6
2
5
3
G (V ' , E ' ) mit G (V ' , E ' ) mit
E [ 2 ,3 ], [ 3 , 4 ], [ 4 ,5 ], [ 4 , 6 ], [1, 6 ] E E 5 [ 2 3 ] [ 3 4 ]
4
b)
In der folgenden Abbildung ist ein 1-Baum gegeben, der den ausgezeichneten Knoten 5 enthält: 1
6
2
5
3
4
27
2.1
2
Grundlagen der Graphentheorie
c)
Die folgenden Abbildungen enthalten alle Bäume mit V 6 Knoten:
d)
Der folgende Graph G (V , E ) ist ein bipartiter Graph mit V1 1,2,3, V2 4,5 und E [1,4];[1,5],[3,4] :
1 4 2 5 3
2.1.7.2 Gerichtete Bäume und Gerüste in Digraphen a)
28
Ein schwach zusammenhängender, zyklenfreier Digraph G (V , E ) mit q V als einzige Quelle und g i 1 für alle i q wird als gerichteter Baum mit Wurzel q bezeichnet. Für alle i V gibt es genau einen von q nach i führenden
Grundlegende Begriffe der Graphentheorie
Weg. Die Senken i ( g i 0 ) eines gerichteten Baumes werden auch Blätter genannt.
b)
Ein zyklenfreier Digraph G (V , E ) mit k schwachen Zusammenhangskomponenten, die jeweils Wurzelbäume darstellen, heißt gerichteter Wald mit k Bäumen. Ein gerichteter Wald mit k Bäumen und V n Knoten besitzt somit E n k Pfeile.
c)
Ein zusammenhängender, schwach zyklenfreier Teildigraph G (V ' , E ' ) von G (V , E ) mit V ' V und E ' E und mit q V als einzige Quelle heißt gerichtetes Gerüst G mit Wurzel q .
d)
Einen Digraphen G (V , E ) bezeichnet man als bipartit, wenn seine Knotenmenge V wie folgt in zwei disjunkte Teilmengen V1 , V2 zerlegbar ist: V V1 V2 mit V1 V2 , E , E i, j | i V1 j V2 .
Beispiele 2.1.9:
a)
Der folgende Digraph ist ein gerichteter Wald mit den beiden gerichteten Bäumen T1 und T2 ; q1 und q2 sind die Wurzeln; T1 besitzt vier und T2 besitzt drei Blätter.
q1
T1 b)
q2
T2
Der folgende Digraph ist ein schwach zusammenhängender Digraph mit möglichst wenigen Knoten, der kein gerichtetes Gerüst ist.
29
2.1
2
Grundlagen der Graphentheorie
c)
Der folgende Digraph besitzt kein gerichtetes Gerüst mit Wurzel q , was durch die Existenz zweier Quellen i und j sofort ersichtlich ist.
j
i
2.1.8
Weiterführende Aufgaben
Zur Vertiefung des Stoffes wird auf die Aufgaben mit ausführlichen Lösungen im Kapitel 4.1 im Übungsbuch Logistik (4. Auflage) verwiesen.
2.2
Kürzeste-Wege-Probleme in Netzen
Dieses Unterkapitel beschäftigt sich mit der Bestimmung von Minimalgerüsten in Graphen und kürzesten Wegen in Digraphen. Gerade in der Distributionslogistik gibt es eine Vielzahl von Problemstellungen zu dessen Lösung kürzeste Wege bestimmt werden müssen. Betrachtet man beispielsweise den kostenminimalen Aufbau eines Versorgungsnetzes (z. B. Wasser- oder Telefonnetz) für mehrere Orte bzw. Kunden, sodass alle Orte direkt oder indirekt miteinander verbunden sind, dann müssen die Leitungen auf dem kürzesten Weg verlegt werden. Ein weiteres Anwendungsbeispiel ist die Errichtung eines Ersatzteillagers für den Kundendienst, d. h. die Monteure fahren jeden Morgen zuerst zum Lager und dann zu den Kunden. Dabei sollte der Weg zum Lager, aber auch zu den Kunden möglichst kurz sein. Zur Lösung der Aufgabenstellungen wird von einem Graph bzw. Digraph ausgegangen, der für jeden Ort bzw. Kunden einen Knoten und für jede mögliche Direktverbindung der Realität eine Kante bzw. Pfeil enthält. Die Bewertung der Kanten bzw. Pfeile kann als Baukosten oder Betriebskosten je Periode für das Versorgungsleitungsproblem und beim Lagerstandortproblem als Entfernung oder Fahrtkosten je Periode interpretiert werden.
30
Kürzeste-Wege-Probleme in Netzen
2.2.1
Bewertungs- und Entfernungsmatrix
Für einen bewerteten Graph G V , E , c wird die Kantenbewertung cij c ji als Funktion c : E IR auf den Knotenpaaren i, j V erklärt. Analog definiert man bei G ( V , E , c ) die Pfeilbewertung cij c ji als Funktion einem bewerteten Digraph c : E IR auf den Knotenpaaren i, j V . Die Bewertung einer Kante bzw. eines Pfeils kann für unterschiedliche Aufgabenstellungen interessant sein. Zum Beispiel dient sie als Maßzahl für die Flussbewertung, die Kapazität, die Zeit, die Entfernung, die Kosten oder den Gewinn. Eine Bewertung kann aber auch die Stärke des Zusammenhangs, der Verbundenheit, der Eignung, der Kooperation oder der Sympathie von Knotenpaaren wiedergeben. Mit Hilfe der Kanten- bzw. Pfeilbewertungen können die Länge einer Kette bzw. eines Weges sowie minimale Ketten bzw. minimale Wege definiert werden:
Sei G (V , E , c) ein bewerteter Digraph, dann definiert man für einen Weg i0 ,..., im bzw. i0 im seine Bewertung mit
c i0
m
im c(ik 1 , ik ) . k 1
Die Länge ergibt sich als Summe der Pfeilbewertungen derjenigen Pfeile, die vom Startpunkt i0 zum Endpunkt im zurückgelegt werden müssen. Für kürzeste Wege von i0 nach im schreibt man:
c i0 im
i0
min
im
c i0
im .
Zur Bestimmung minimaler Wege in bewerteten Digraphen G ist es von Vorteil, wenn sie durch eine Matrixdarstellung repräsentiert werden. Bei der Matrixdarstellung von bewerteten Digraphen ist es erforderlich, sich auf schlichte Digraphen zu beschränken. Ein schlichter bewerteter Digraph G ( V , E , c) mit V n kann durch seine Bewertungsmatrix C (G ) cij n ,n
0
für i j
sonst
mit cij c(i , j ) für (i , j ) E
eindeutig dargestellt werden. Die minimalen Wege zwischen beliebigen Knotenpaaren i, j V Digraphen
G (V , E , c)
D (G ) d ij n ,n definieren
in bewerteten
lassen sich in der sogenannten Entfernungsmatrix
für i j 0 mit d ij ci j für i j , i sonst
j
31
2.2
2
Grundlagen der Graphentheorie
Zur Bestimmung maximaler Wege23 kann man C (G ) und D (G ) entsprechend definieren, indem man den Operator „min“ durch „max“ und das Symbol „+ “ durch „ “ ersetzt. Sei G V , E , c ein bewerteter Graph, dann definiert man für eine Kette i0 ,..., im bzw. i0 ~ im seine Bewertung mit m
c(i0 ~ im ) c[ik 1 , ik ] . k 1
Für kürzeste Ketten von i0 nach im schreibt man
c i0 im min c[i0 ~ im ] . i0 ~ im
Analog können für einen bewerteten Graph G V , E , c mit V n seine Bewer-
tungsmatrix C (G ) cij n ,n durch Ersetzen von ci, j durch c[i, j ] und seine Entfernungsmatrix D (G ) d ij n ,n durch Ersetzen von i0
im durch i0 ~ im und i0 im
durch i0 im definiert werden.
2.2.2
Ermittlung von Minimalgerüsten
Die logistische Aufgabenstellung für ein Versorgungsnetz kann als Problem der Bestimmung eines Minimalgerüstes in einem bewerteten Graphen G (V , E , c) formuliert werden. Zur Bestimmung von Minimalgerüsten kann der Algorithmus von KRUSKAL (1956) oder der Algorithmus von PRIM (1957) verwendet werden. Der Algorithmus von KRUSKAL bzw. von PRIM bestimmt für einen bewerteten, zusammenhängenden, schlichten Graphen sukzessive ein Minimal- bzw. Maximalgerüst, d. h. man wählt unter allen Gerüsten G (V , E ' , c) von G (V , E , c) mit V n und E m dasjenige Gerüst G * (V , E * , c) aus mit
c(G * ) min c(G ' ) min G'
E'
i , j E'
c[i, j] (bzw. max c(G ' ) ). G'
2.2.2.1 Der Algorithmus von KRUSKAL Der Algorithmus von KRUSKAL sortiert zunächst alle Kanten nach nicht abnehmenden Bewertungen. Anschließend werden die Kanten in dieser Reihenfolge sukzessive ausgewählt, wobei beachtet werden muss, dass das entstehende Gerüst kreisfrei bleibt. Das Verfahren bricht ab, sobald alle Kanten geprüft sind oder falls n 1 Kanten in das 23 Die Bestimmung maximaler Wege benötigt man z. B. im Rahmen der Projektplanung.
32
Kürzeste-Wege-Probleme in Netzen
entstandene Minimalgerüst aufgenommmen worden sind. Der Algorithmus von KRUSKAL zur Bestimmung eines Minimalgerüsts G * (V , E * , c) konstruiert eine Folge von Wäldern und kann wie folgt formuliert werden: Schritt 1) G (V , E , c) , E e1 ,..., em , G * (V , E * , c) mit E * 0, E * , k 1 Schritt 2) min c eu ce eu E
k
, E : E \ e k , E * : E * e k
Schritt 3) G * enthält Kreis; setze E * : E * \ e k , k : k 1 und gehe zu Schritt 2) G * kreisfrei; setze E * : E * 1 und gehe zu Schritt 4) Schritt 4) E * n 1 ; G * ist ein Minimalgerüst Ende
E * < n 1 ; setze k : k 1 und gehe zu Schritt 2) Der mit dem Algorithmus von KRUSKAL verbundene Rechenaufwand beträgt O (m log m) 24, der durch das verwendete Sortierverfahren determiniert wird. Zur Bestimmung von Maximalgerüsten ersetzt man im Algorithmus von KRUSKAL den Operator „min“ durch „max“.
2.2.2.2 Der Algorithmus von PRIM Ein alternatives Verfahren zur Bestimmung eines Minimalgerüstes (bzw. Maximalgerüstes) stellt der Algorithmus von PRIM dar, bei dem das Gerüst von einem vorzugebenden Startknoten w aus gebildet wird. Der Algorithmus von PRIM zur Bestimmung eines Minimalgerüsts G * (V , E * , c) konstruiert eine Folge von Bäumen und kann wie folgt formuliert werden: Schritt 1) Wähle w V , E * , W w, V V \ w Schritt 2) Falls V gib E * aus Ende Schritt 3) Wähle Kante u, v mit u W , v V \ W , sodass
cu , v min ci, j | i W , j V \ W Schritt 4) Setze E * : E * u , v , W : W v, V : V \ v und gehe zu Schritt 2). Der mit dem Algorithmus von PRIM verbundene Rechenaufwand beträgt O ( n 2 ) . Zur Bestimmung von Maximalgerüsten ersetzt man im Algorithmus von PRIM den Operator „min“ durch „max“.
24 Vgl. NEUMANN/MORLOCK (2002, S. 201). Zum Rechenaufwand von Algorithmen vgl.
NEUMANN/MORLOCK (2002, S. 189 f.).
33
2.2
2
Grundlagen der Graphentheorie
Beispiel 2.2.1:
Im folgenden bewerteten Graphen G (V , E , c) , der ein Unternehmen mit fünf Abteilungen darstellt, soll ein minimales Leitungsnetz errichtet werden, das je zwei Abteilungen direkt oder indirekt verbindet. Somit wird in G ein minimales Gerüst G (V ' , E ' , c) mit V V 1,...,6 gesucht, das je zwei Abteilungen so verbindet, dass die Gesamtlänge minimal ist. 1 2
6 5
6 7
2
6
4
4 3
5 2
3 1
4
In der folgenden Tabelle sind die Kanten mit ihren Entfernungen aufsteigend sortiert:
ci, j
i, j
1
2
3,4 4,5
2
1,6
3
4
4
5
3,5 2,3 4,6 1,3
6
1,2
6
7
1,4 5,6
a) Der Algorithmus von KRUSKAL läuft iterativ wie folgt ab:
k k k k
1 : 2: 3: 4:
k 5: k 6:
e1 [3,4], e 2 [4,5], e3 [1,6], e 4 [3,5],
E * [3,4] , E * =1 E * [3,4]; [4,5] , E * =2 , G * kreisfrei E * [3,4];[4,5];[1,6] , E * =3, G * kreisfrei G * mit Kreis
e5 [2,3], E * [2,3];[3,4];[4,5];[1,6] , E * =4, G * kreisfrei e 6 [4,6], E * [2,3];[3,4];[4,5];[4,6];[1,6] , E * =5 Ende
Als Ergebnis erhält man das in der Abbildung stark hervorgehobene Minimalgerüst mit
c(e) 13 .
eE*
b) Der Algorithmus von PRIM läuft iterativ wie folgt ab:
W 3, V 1,2,4,5,6 E * [3,4], W 3,4, V 1,2,5,6 Wähle Kante [4,5]: E * [3,4],[4,5], W 3,4,5, V 1,2,6
34
Kürzeste-Wege-Probleme in Netzen
Wähle Kante [4,6]25: E * [3,4],[4,5],[4,6], W 3,4,5,6, V 1,2
E * [3,4],[4,5],[4,6],[6,1], W 1,3,4,5,6, V 2 Wähle Kante [3,2]: E * [3,4], [4,5], [4,6], [6,1], [3,2], V , W 1,...,6 Ende Wähle Kante [6,1]:
Als Ergebnis erhält man das in der Abbildung stark hervorgehobene Minimalgerüst mit
2.2.3
c(e) 13 .
eE*
Kürzeste Wege in Digraphen
Eine der Grundvoraussetzungen für eine effiziente Gestaltung von Transportsystemen ist die Kenntnis kürzester oder günstigster Wege. Ausgehend von einem Digraphen, der z. B. ein Straßennetz mit Orten oder Kunden als Knoten und die Straßenverbindungen als Pfeile repräsentiert, besteht das Problem der Bestimmung kürzester Wege darin, dass für ein Knotenpaar ein kürzester Weg gesucht wird, der diese beiden Knoten verbindet. Bei Kürzeste-Wege-Problemen wird generell vorausgesetzt, dass der zugrunde liegende Digraph keine Zyklen negativer Länge besitzt. Die Verfahren zur Bestimmung kürzester Wege in Digraphen können unterteilt werden in solche, die
kürzeste Entfernungen und Wege von einem vorgegebenen Startknoten q zu allen anderen Knoten eines Digraphen berechnen (Baumalgorithmen, z. B. der Algorithmus von DIJKSTRA oder das Verfahren von BELLMAN) und solche, die
kürzeste Entfernungen und Wege zwischen allen Knoten eines Digraphen berechnen (Matrixalgorithmen, z. B. der Tripelalgorithmus).
2.2.3.1 Baumalgorithmen Baumalgorithmen ermitteln kürzeste Entfernungen und Wege in Digraphen
G (V , E , c) von einem Startknoten q V (Wurzel) zu allen anderen Knoten des Digraphen. Da diese Verfahren jeweils einen gerichteten Baum mit Wurzel q (Wurzelbaum mit Wurzel q ) konstruieren, der alle von q aus erreichbaren Knoten und für jeden dieser Knoten i V einen kürzesten Weg von q nach i enthält, spricht man von einem Baumalgorithmus.
Sei G (V , E , c) ein bewerteter Digraph mit V n, c : E IR und G ' (V , E ' , c) ein
* * tetes Minimalgerüst G (V , E , c) mit Wurzel q , d. h.
bewertetes gerichtetes Gerüst von G mit Wurzel q . Gesucht ist demnach ein gerich-
25 Alternativ kann auch die Kante [3,2] gewählt werden.
35
2.2
2
Grundlagen der Graphentheorie
cG * min cG ' min c i, j . G'
E'
i , j E '
Ausgehend von der Wurzel q wird zunächst die aktuell kürzeste Entfernung von q zu allen anderen Knoten i V in folgendem Vektor d q bestimmt:
für j q 0 d q d qj n mit d qj c( q j ) für j q , q sonst
j
Für zwei Knoten i, j V , wobei i V ( j ) der Vorgänger von j auf einem kürzesten Weg von q nach i ist, kann folgende Beziehung zwischen den Größen d qj und d qi hergeleitet werden: d qj d qi cij . Diese Aussage – bekannt als BELLMAN’sches Optimalitätsprinzip, bei dem Teilwege kürzester Wege selbst wieder kürzeste Wege darstellen – bedeutet, den Vorgängerknoten i V ( j ) offensichtlich derart zu wählen, dass d qi cij so klein wie möglich ist:
d qj min (d qi cij ) für j N (q) . iV ( j )
Ein Baumalgorithmus ist ein iteratives Verfahren, bei dem in jedem Iterationsschritt bestimmte Knoten markiert sind. Ein Knoten i V wird dann markiert, wenn seine aktuelle kürzeste Entfernung d qi von der Wurzel q verkürzt werden kann. In jedem Iterationsschritt wird für jeden markierten Knoten i V geprüft, ob sich für alle Nachfolgerknoten j N (i ) deren aktuelle kürzeste Entfernung d qj durch den Vergleich mit d qj d qi cij verkürzen lässt. Nach Überprüfung eines markierten Knotens i V wird seine Markierung wieder gelöscht. Die verschiedenen Baumalgorithmen unterscheiden sich im Wesentlichen in der Auswahl des markierten Knotens:
Bei den sogenannten Label-Correcting-Verfahren erfolgt die Auswahl des zu überprüfenden Knotens i V ohne Berücksichtigung der aktuellen Entfernung zum Startknoten. Dies hat zur Folge, dass einmal überprüfte Knoten unter Umständen erneut markiert und überprüft werden müssen, da sich ihre aktuelle kürzeste Entfernung von q weiter verringern lässt. Ein typischer Vertreter dieser Vorgehensweise stellt das Verfahren von FORD (1956) dar. Der Algorithmus von Ford kann auch auf Digraphen mit beliebigen Pfeilbewertungen cij IR angewendet werden.
36
Verfahren, bei denen markierte Knoten genau einmal überprüft werden, heißen Label-Setting-Verfahren. Bei diesen Verfahren wird unter allen markierten Knoten jeweils derjenige Knoten überprüft, der die aktuell kleinste Entfernung vom Startknoten q aufweist. Als Vertreter dieser Verfahrensklasse wird im Folgenden der
Kürzeste-Wege-Probleme in Netzen
Algorithmus von DIJKSTRA (1959) vorgestellt, der nur bei Digraphen mit nicht negativen Pfeilbewertungen cij 0 für alle i, j V Anwendung findet.
Der Algorithmus von DIJKSTRA
Mit Hilfe des Algorithmus von DIJKSTRA lassen sich kürzeste Wege für Digraphen G (V , E , c) mit nichtnegativer Bewertung cij 0 von der Wurzel q zu allen Knoten j V bestimmen. Ausgehend von der Wurzel q ist die Entfernung nach q gleich 0 und zu allen anderen Knoten als unendlich vermerkt, d. h. d qq 0, d qj für alle j V \ q . Die Menge M ist die Menge aller markierten Knoten, die zuerst nur die Wurzel (Startknoten) q enthält. In jeder Iteration wird stets derjenige Knoten i aus der Menge M ausgewählt, der aktuell die geringste Entfernung von q besitzt. Für alle Nachfolger j N (i ) wird jetzt geprüft, ob sich über Knoten i eine Verkürzung der bisherigen Entfernung von Knoten q ergibt. Kann die Distanz von q nach j dadurch verringert werden, so wird j in die Menge M der markierten Knoten aufgenommen. Der Knoten i wird infolgedessen aus M entfernt. Das Verfahren endet, sobald die Menge M leer ist. Der Algorithmus von DIJKSTRA läuft iterativ wie folgt ab:
Schritt 1) G (V , E , c), M k q , d qj für alle j q , k 0
Schritt 2) Wähle i M k mit d qi : min d qh h M k
Schritt 3) Eliminiere i aus M k: M k 1 M k \ i Schritt 4) Für alle j N i wird geprüft: a) j M k 1 und d qj , d. h. j wurde von q aus noch nicht erreicht:
d qj : d qi cij , M k 1 M k 1 j, V ( j ) i
b) j M k 1 und d qj , d. h. j war markiert und wurde bereits überprüft: Wähle das nächste j N (i ) bzw. gehe zur nächsten Iteration, falls kein j N (i ) mehr existiert. c) j M k 1 :
d qj d qi cij d qj : d qi cij , V ( j ) i
Schritt 5) M k 1 k : k 1 und gehe zu Schritt 2)
M k 1 Ende Falls für einen Knoten i V gilt d qi , dann es gibt keinen Weg von
q nach i , d. h. der Knoten i ist in einer anderen Zusammenhangskomponente.
37
2.2
2
Grundlagen der Graphentheorie
Der mit dem von DIJKSTRA verbundene Rechenaufwand für einen Algorithmus Digraphen G (V , E , c) mit V n beträgt O (m log n) 26. Im Gegensatz zu den Label-Correcting-Verfahren besteht ein zusätzlicher Sortieraufwand.
Beispiel 2.2.2:
Der folgende bewertete Digraph G zeigt das Straßennetz eines kleinen Ortes. Der Knoten 1 stellt einen Pizzaservice dar und die Knoten 2 bis 5 sind aktuell zu beliefernde Kunden. Die Pfeilbewertungen repräsentieren die Länge der jeweiligen Strecke in km. 5
2
4
5 1
2
4
3
4 3
1
5
Gesucht sind die kürzesten Wege (kürzeste Fahrstrecke) in G ausgehend von Wurzel q 1 (Pizzaservice) zu allen anderen Knoten (Kunden):
M 0 1, d11 0, d1 j für j 2, ..., 5 k 0:
1 M 0 , M1 N 1 2,3 : d12 5, d13 4, M 1 2,3, V 2 V 3 1
k 1:
3 M 1 , M 2 2 N 3 2,5 : d12 5, d15 d13 c35 5, M 2 2,5, V 5 3
k 2:
2 M 2 , M 3 5 N 2 3,4,5 : d13 4 d14 d12 c24 10, M 3 4,5, V 4 2 d15 5
k 3:
5 M 3 , M 4 4 N (5)
k 4: :
4 M4, M5 N (4) Ende
T d1 (0, 5, 4, 10, 5)
26 Vgl. NEUMANN/MORLOCK (2002, S. 213).
38
Kürzeste-Wege-Probleme in Netzen
Beispielsweise gilt d14 10 mit dem Weg (1,2,4) über V 4 2, V 2 1 , d. h. die kürzeste Fahrstrecke vom Pizzaservice zum Kunden 4 beträgt 10 km und verläuft vom Pizzaservice über den Kunden 2 zum Kunden 4.
Bemerkungen 2.2.1:
a)
Der Algorithmus von DIJKSTRA kann auch zur Bestimmung maximaler Wege eingesetzt werden. Hierzu wird „min,+ ,>“ durch „max,- ,“ durch „max,- ,