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German Pages 368 [372] Year 1986
Stilistik der deutschen Sprache von
Barbara Sandig
w DE
_G 1986
Walter de Gruyter • Berlin • New York
SAMMLUNG GÖSCHEN 2229
Dr. Barbara Sandig o. Professorin für germanistische Linguistik an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken
Diese Arbeit wurde gefördert mit Mitteln der Stiftung Volkswagenwerk.
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Sandig, Barbara: Stilistik der deutschen Sprache / von Barbara Sandig. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1986. — (Sammlung Göschen ; 2229) ISBN 3-11-004185-5 NE: GT © Copyright 1986 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 3 0 - Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Ubersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Buch- und Offsetdruckerei Wagner GmbH, Nördlingen Bindearbeiten: Lüderitz 8c Bauer GmbH, Berlin - Printed in Germany
Vorwort Um die eigentliche Artischocke zu finden, hatten wir sie ihrer Blätter entkleidet. Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen (§ 164) Diese Arbeit ist entstanden aus der Idee, in das C h a o s der Stilistik einmal Sinn und O r d n u n g zu bringen, das „ C h a m ä l e o n S t i l " einmal so zu greifen, d a ß es sich nicht immer wieder wegverwandelt. Diese Stilistik ist zwar a m Beispiel des Deutschen erarbeitet, aber sie ist auch auf andere Sprachen übertragbar. An dieser Stelle h a b e ich vielen zu danken: K o n r a d Ehlich und der Textwissenschaftlichen Fakultät der Katholieke H o g e s c h o o l Tilburg (Holland) für eine der Stilistik gewidmete Gastprofessur im J u n i 1 9 8 3 , der Stiftung Volkswagenwerk für ein Akademiestipendium im Wintersemester 1 9 8 4 / 8 5 und der Universität des Saarlandes für ein Forschungssemester im Wintersemester 1 9 8 5 / 8 6 . Für Vorträge und Diskussionen zu T h e m e n der Stilistik h a b e ich zu danken: in W a r s c h a u und K r a k a u , in Sofia, in Siegen und Trier, im R a h m e n der Sektion „Stilforschung und R h e t o r i k " der Gesellschaft für Angewandte Linguistik, auf der Göttinger Tagung der Internationalen Vereinigung der Germanisten. Für G e s p r ä c h e zu Einzelproblemen danke ich Werner Holly, Peter K ü h n , G ü n t h e r Öhlschläger, Ulrich Püschel und Annely R o t h k e g e l , J a n R e n k e m a , Willie Van Peer, Krystyna Pisarkowa und Annette Evtimova. Für Ermutigung danke ich vielen Kollegen im In- und Ausland, besonders aber P. von Polenz, B . Spillner und H . E. Wiegand. Schließlich danke ich den Studenten, mit denen ich in Frankfurt und S a a r b r ü k ken gearbeitet habe, für ihre aufmerksamen und kritischen Fragen. Für das Herstellen des M a n u s k r i p t s aus beschriebenen Zetteln danke ich Ester Hirschauer; für vielfältige Hilfe Eva Wessela und J u t t a G e o r g ; für seine freundliche Geduld H o r s t H o e n . S a a r b r ü c k e n , im J a n u a r 1 9 8 6
B.S.
Inhalt
0.
Einleitung
1.
Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs und Beschreibungsmöglichkeiten Was ist Stil? Erste Umgrenzung des Gegenstandsbereichs: Typen stilistischen Sinns und deren Grundfunktion Ziele und Vorgehensweise Stil als Art der Handlungsdurchführung Stilkompetenz Struktur und Funktion Typen stilistischen Sinns Die Handlung und ihr Inhalt Die Handelnden und ihre Beziehung Handlungsvoraussetzungen: Aspekte der Situation Einstellungen Historizität des Stils (Moden) Die Grundfunktion von Stil im Bereich des stilistischen Sinns Vergleichbare Ansätze Stil im sprachlichen Handeln Handlungsaspekte Handlungsmuster Ziehharmonikaeffekt Stil im Handlungsprozeß Sprechakte Gleichzeitighandlung und Zusatzhandlung . . . . Bewerten Intention und Fehler Stilwirkung Handlungsfolgen und Stilwirkungen Wirkungsabsicht und Stilwirkung
1.1. 1.2.
1.2.1. 1.2.2. 1.2.3. 1.2.4. 1.2.5. 1.2.5.1. 1.2.5.2. 1.2.5.3. 1.2.5.4. 1.2.6. 1.2.7. 1.2.8. 1.3. 1.3.1. 1.3.2. 1.3.3. 1.3.4. 1.3.5. 1.3.6. 1.3.7. 1.3.8. 1.4. 1.4.1. 1.4.2.
13
18 18
20 20 23 24 24 25 26 28 29 30 30 31 35 39 40 45 52 55 56 59 60 61 64 65 69
6 1.4.3. 1.4.4. 1.4.4.1. 1.4.4.2. 1.4.4.3. 1.4.4.4. 1.4.4.5. 1.4.5. 1.4.6. 1.4.7.
1.4.8. 1.5. 1.5.1. 1.5.2. 1.5.3. 1.5.4.
1.5.5. 1.5.6. 1.6. 1.6.1. 1.6.2. 1.6.3. 1.7. 1.7.1. 1.7.2. 1.7.3.
Inhalt Stilwirkung beim Rezipienten Typisierung der Stilwirkungen Verallgemeinerte Stilwirkungen Die spezielleren Stilwirkungstypen Sprecherbezogene Unterstellungen des Rezipienten Rezipientenaspekte Handlungsaspekte Zusammenfassung und Folgerungen Die generelle Funktion stilistischer Wirkungen . . Zum Zusammenhang von Typen der Stilwirkung und Typen stilistischen Sinns: Gewichtung der Funktionstypen Wie werden Wirkungsausdrücke verwendet? . . . Stilistische Strukturtypen, Strukturprinzipien und Beschreibungsmöglichkeiten Der relationierende Charakter von Stil: Relationsstruktur „Semantische D i c h t e " : Verwendung von Stilfiguren Ähnlichkeit von stilistischer Struktur und dargestellten Sachverhalten (Ikon) Verwendung von stilistischen Sinn herstellenden Strukturen und Elementen (Index, Konnotation, Mustermischung) Strukturprinzipien: Einheitlichkeit und Stilwechsel Zusammenfassung und Beispielanalyse Stilstrukturen und linguistische Ebenen der Sprachbeschreibung Strukturelle Mehrstufigkeit und Diskontinuität. . Das „Implizite" des Stils Abschließendes Beispiel Stilistische Kompetenz und stilistische Performanz Zur Relation von Stilkompetenz und Stilperformanz Stilistisches Unikalisieren und Typisieren Stilmuster
72 75 76 78 79 81 82 85 89
90 91 94 95 101 105
107 114 122 127 128 131 137 141 141 147 149
Inhalt 1.7.4. 1.7.5. 1.8. 1.8.1. 1.8.2. 1.8.3.
2. 2.1. 2.1.1. 2.1.1.1. 2.1.1.2. 2.1.1.3. 2.1.1.4. 2.1.1.5. 2.1.2. 2.1.2.1. 2.1.2.2. 2.1.2.3. 2.1.2.4. 2.1.3. 2.2. 2.2.1. 2.2.1.1. 2.2.1.2. 2.2.2. 2.2.2.1. 2.2.2.2. 2.2.2.3. 2.2.2.4. 2.2.3. 2.2.3.1.
Stilkompetenz in Relation zu Sprach- und Handlungskompetenz Variierende Stilkompetenz Zur Bestimmung von Stil Eine funktionale Auffassung von Stil Einige andere Stilauffassungen im Vergleich Ausgrenzungen
7
. . .
Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen Die Handlung und ihr Inhalt (Thema) Art der Handlungsdurchführung Textmuster und Art der Realisierung Abwandlung von Textmustern bei der Realisierung Zu Gesprächsstilen Zu Textmusterstilen Zusammenfassung Art der Sachverhaltsdarstellung und Themenentfaltung Thematische Hierarchie Art der Themenentfaltung Ähnlichkeit von Thema und Stilstruktur (Ähnlichkeitsstruktur) Weitere Aspekte Schlußbemerkung Die Handelnden und ihre Beziehung Art der Selbstdarstellung Individualstil Einige Funktionen der Art der Selbstdarstellung . Art der Adressatenberücksichtigung Attraktivmacher Mangelnde Adressatenberücksichtigung Besonders starke Adressatenberücksichtigung . . Zusammenfassungxind Beispiel Art der Beziehungsgestaltung Beziehungsaspekt
151 153 155 156 157 164
170 172 172 173 184 193 194 196 197 200 202 208 210 213 214 214 214 219 227 228 232 232 236 239 239
8 2.2.3.2. 2.2.3.3. 2.2.4. 2.2.4.1. 2.2.4.2. 2.2.4.3. 2.3. 2.3.1. 2.3.1.1. 2.3.2. 2.3.3. 2.4. 2.4.1. 2.4.2. 2.4.3. 2.4.4. 2.4.5. 2.4.6. 2.4.7. 2.5. 2.5.1. 2.5.2. 2.6. 2.6.1. 2.6.1.1. 2.6.1.2. 2.6.2. 2.6.3. 2.6.4. 2.6.5. 2.7. 2.8. 2.8.1. 2.8.2.
Inhalt Beispiele Einige Mittel der Beziehungsgestaltung Stil und soziale Bewertung (Soziostilistik und Stilnorm) Stigma-und Prestige-Signale in stilistischer Sicht . Stigma, Prestige und Stilnorm Die Stilnorm Handlungsvoraussetzungen: Aspekte der Situation Art der Berücksichtigung des Kanals Zur Relation von Schriftlichkeit und Mündlichkeit Zum Zusammenhang von Medium und Stil . . . Zum Einfluß der Institution auf den Stil Einstellungen, Modalitäten Einstellungen und Illokutionsbeschreibung . . . . Einstellungen zur Illokution Einstellungen zusätzlich zur Illokution Modalwörter Einstellungen inbezug auf die Proposition . . . . Einstellungen und Sprachvarietäten Zusammenfassung Das Modische (Historizität) Überlieferung Pseudohistorizität Stil als Repräsentant von Werten Rituelle Stile Zu Funktionen und Strukturen von Ritualen . . . Einige Beispiele Entritualisierung durch Parodie Verwendung des konventionellen Sinns von Stilen und Stilelementen zu anderen Zwecken Zur wertenden Sachverhaltsdarstellung in Medien Stil als Zeichen der Werteinstellung Zusammenfassung Beispiele für Stilwirkungen Wirkungen relativ zur Erwartung Partikel-Wirkungen
245 252 258 258 260 263 268 268 269 276 280 281 283 284 286 288 289 292 295 296 297 300 302 303 303 307 312 314 318 323 325 326 326 329
Inhalt
2.8.3. 3. 4. 5. 5.1.
5.2.
Schlußbemerkung Ausblick Liste der Abkürzungen von Zeitschriftennamen Literatur Register Verzeichnis der analysierten Texte und Textausschnitte nach Textmustern, Sprechakttypen u. ä Sachregister
9
.
330 331 335 336 361
361 362
Für Christian Sandig und Michael Sandig
0. Einleitung „Not only style but also stylistics (...) gets différent meaning in différent contexts." Cassirer (1975, 43) Die Stilistik als linguistische Teildisziplin präsentiert sich noch i m m e r als ein C h a o s : der bearbeiteten Gegenstände (Stilelemente wie M e t a p h e r , Ironie; literarische T e x t e und G e b r a u c h s t e x t e , Fachstile; Stilistisches in der Aussprache, in der Syntax und M o r phologie, in der S e m a n t i k ; Stil als Problem in der Übersetzungswissenschaft, der Soziolinguistik; Gesprächsstile; G r a p h o s t i l i s t i k . . . ) , der angewandten linguistischen M o d e l l e und Konzepte (Philologie, Strukturalismus, generative G r a m m a t i k , Pragmatik, Semiotik, Textlinguistik, Gesprächsanalyse, S t a t i s t i k . . . ) und diese wieder in ihren verschiedenen Spielarten. Ein beredtes Zeugnis über die Vielfalt der Aspekte legen stilistische S a m m e l b ä n d e (Sandig Hg. 1 9 8 3 , Spillner Hg. 1 9 8 4 , Renkema/Van Peer 1 9 8 4 ) und M o n o g r a phien (Sowinski; Sanders, Fleischer/Michel; R i e s e l / S c h e n d e l s . . . ) ab. D a r ü b e r h i n a u s gibt es eine Fülle populärer, nicht linguistischer Stilistiken. D a s Ziel dieses Bandes ist es, eine gewisse O r d n u n g in dieses C h a o s zu bringen: eine Ordnung, die nicht nur linguistischen Kriterien genügt, sondern die möglichst auch dem gerecht werden soll, was die Benutzer von Stilen damit tun. Die Grundlage einer solchen Stilistik ist eine T h e o r i e sprachlichen Handelns, innerhalb derer die Rolle von Stil zu bestimmen ist: — Ist Stil eine linguistische Einheit? — Welche Funktion(en) hat Stil? Wozu dient er? — Worin zeigt sich Stil? Was ist seine F o r m , Struktur; oder sind es F o r m e n , Strukturen? Um den Benutzeraspekt in die Handlungstheorie einbringen zu k ö n n e n , wird diese ethnomethodologisch fundiert; zur Grundlage wird die Frage g e m a c h t : — W a s bedeutet der Stil für die Benutzer?
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Einleitung
Was „ethnomethodologisch fundiert" genauer heißt, wird im einzelnen zu zeigen sein. Hier zunächst nur so viel: Ethnomethodologische Forschung interessiert sich dafür, w i e die an einer Interaktion Beteiligten wechselseitig Sinn konstituieren; es geht um den Prozeß des Interagierens und darum, „wie es gemacht wird", daß der Rezipient (möglichst denselben) Sinn verstehend rekonstruieren kann, den der Sprecher/Schreiber zu verstehen geben wollte. Es geht weniger um das Auf-den-Begriff-Bringen von Bedeutungen, als vielmehr um das „in-vielen-Worten-sagen", was der Fall ist, wer man ist, was die Situation ist, was die Absichten sind. In der Hervorhebung des Wie, des prozeßhaften Vollzuges und der Mitteilung von Sinn treffen sich Ethnomethodologie und Stilistik. Mit dieser Grundlage wird Stil also nicht nur als Form oder Struktur verstanden, sondern als sinnhafte Form, als bedeutsame Struktur; er hat Funktionen. Insofern entspricht dieser Ansatz neueren Tendenzen linguistischer Stilistik. Das Ziel dieses Buches ist es auch, die verwirrende Vielfalt der Konzeptionen von Stilistik und der stilistischen Einzelkonzepte in größere linguistische Zusammenhänge zu bringen. Ansätze in dieser Richtung sind z.B. bei Spillner (1979) und bei Lerchner (1981) zu finden. So schreibt Spillner (1979, 148): „Die den meisten Stilanalysen zugrunde liegenden stiltheoretischen Konzeptionen lassen eine oder mehrere der im literarischen Kommunikationsprozeß konstitutiven Komponenten außer acht. So gibt es etwa werkimmanente Stiluntersuchungen, individual-stilistische Analysen der Text-Autor-Relation oder Ansätze zu einer Rezeptionsstilistik. Demgegenüber wird vorgeschlagen, Stilanalysen stets unter Berücksichtigung der im literarischen Kommunikationsprozeß auftretenden Komponenten Autor, Text und Rezipient vorzunehmen und dabei auf der Autorenseite die historisch gegebenen Bedingungen der Textproduktion und auf der Leserseite die historisch variablen Bedingungen der Textrezeption zu berücksichtigen." In diesem Streben nach einem größeren Zusammenhang beschränkt sich Spillner allerdings auf literarische Texte. Andere im Kommunikationsprozeß relevante Aspekte, wie etwa institutionelle Voraussetzungen oder die Art der kommunikativen Handlung bleiben dabei ausgespart.
Einleitung
15
Lerchner (1981, 85) geht aus von der Vielfalt der bei Sanders (1973) aufgeführten Stilauffassungen: „individualistische, psychologische, exzeptionale, statistische, selektive, funktionale, soziolinguistische (...), generative (...), textlinguistische". Er postuliert von einer „marxistischen theoretischen Position" (86) eine „linguistisch integrierte Stiltheorie" (86), in der nach „objektiven Kriterien die als grundlegend anerkannten Stilfaktoren'" (86) in einen „wohldefinierten Zusammenhang" (86) gebracht werden; das Bemühen um Konsistenz wird unterstrichen (104). Dies geschieht durch den Bezug auf ein Kommunikationsmodell zum Zweck der Herstellung des Zusammenhangs. Auch hier spielen Autor (Intention), Text als „objektives" Gebilde und Rezipient (Wirkung) in ihrem, wenn auch anders als bei Spillner begründeten, Zusammenhang eine Rolle (Lerchner 1981, 95 ff.). Literarische und nichtliterarische Texte werden gleichermaßen berücksichtigt. Und es wird im Kommunikationszusammenhang eine generelle Funktion von Stil postuliert: Stilistisches als Texteigenschaft ist „Information (...) über die konkreten Parameter eines kommunikativen Aktes" (99), es ist „pragmatische Information" (98). Was dies genau heißt und wozu eine solche pragmatische Information dienen soll, weshalb sie nicht als redundant angesehen werden kann, diese Fragen werden nicht gestellt. Demgegenüber wird hier in einem pragmatischen Ansatz mit einer ethnomethodologischen Fundierung gearbeitet. Das heißt: das Kriterium für in der Theorie relevante Stilaspekte sind die Relevanzsetzungen der Stilbenutzer selbst; die Stilistik hat deren Zusammenhang mit linguistischen Mitteln möglichst angemessen zu rekonstruieren. Gemeinsam mit den skizzierten Arbeiten ist dem hier Angebotenen das Bemühen um größere Zusammenhänge, die mit linguistischen Konzeptionen konstruiert werden: Es geht um eine ganzheitliche Stilistik mit Einheiten wie Handlung (und ihren Voraussetzungen), Text (und seinen Funktionen), Thema (und seinen Bezügen). Es ist deshalb der Tendenz nach eine Stilistik „von oben", vom Ganzen zu den Teilen verlaufend. Demgegenüber dominiert in der Stilistik noch immer der Blick „von unten", wobei oft die Integrierung der Elemente zu einem Ganzen Schwierigkeiten bereitet.
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Einleitung
Das erfordert auch eine Theoretisierung der Stilistik. Damit soll aber nicht eine theoretische Willkür erreicht werden, sondern die Ethnomethodologie als Grundlage soll einer Willkür gerade entgegenwirken, indem Kriterien außerhalb der Theorie zugrundegelegt werden. Theoretisierung meint: möglichste Konsistenz in der Vielfalt, die umfassend beschrieben werden soll, möglichste Vereinfachung und dadurch Übersichtlichkeit und das Streben nach Angemessenheit (vgl. Hjelmslev 1 9 6 3 , 10 ff.). Dabei ist es wichtig, methodisch vorzugehen (Hjelmslev 1 9 6 3 , 15). Angesichts des derzeitigen Zustands der linguistischen Stilistik ist es wichtig, diese Prinzipien als Teile einer Problemlösungsstrategie (Finke 1 9 7 9 , 133) zu sehen. Dabei gilt das hier Angebotene nur bis auf weiteres: bis bessere Argumente für eine Revision sprechen. „Der Normalfall ist nicht der Besitz der wahren und endgültigen Lösung, sondern die durch den Nichtbesitz der Wahrheit notwendig bleibende Suche nach der besten Lösungsstrategie unserer Erklärungsbedürfnisse." (Finke 1 9 7 9 , 2 0 2 ) . Die Wissenschaftsgrundsätze Konsistenz, Einfachheit und Angemessenheit wurden in der kritisch-rationalistischen Wissenschaftsauffassung formuliert. Sie scheinen mir aber für wissenschaftliches Arbeiten generell zu gelten. Nicht übernommen wird aus diesem Wissenschaftsparadigma die Trennung von Subjekt der wissenschaftlichen Arbeit und Objekt der Analyse. Insofern die Wissenschaftler gerade bei dem Gegenstand Stil als Verstehende involviert sind, ist diese Trennung nicht sinnvoll. Vielmehr müssen Wissenschaftler nach ethnomethodologischer Auffassung möglichst das Wissen derer teilen, deren Äußerungen sie analysieren; sie müssen auf jeden Fall Mitglied der zu beschreibenden Kultur sein. Insofern ist das Vorgehen hermeneutischer Art. Angemessenheit als wissenschaftstheoretische Forderung ist also hier folgendermaßen zu verstehen: Die Stilistik soll möglichst das rekonstruieren, was die Benutzer (Sprecher/Schreiber und Rezipienten) mit Stil tun und wozu sie es tun. Die Beschreibung soll den Gegenstand so umfassend wie möglich — und wie aus der Sicht der Benutzer nötig — erfassen. Das heißt konkret: sowohl literarische Stile wie auch Gebrauchsstile, sowohl schriftliche wie gesprochene (Gesprächs-)Stile, sowohl Formen wie Funktionen von Stil werden
Einleitung
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Gegenstand dieser Arbeit sein. Es wird versucht werden, die Darstellung so einfach wie möglich zu halten und dabei die Angemessenheit in Hinsicht auf das Tun der Benutzer im Blick zu halten. Einfachheit der Rekonstruktion wird auch die Funktion haben, die geforderte Konsistenz der Darstellung möglichst überprüfbar zu halten. Die Erkenntnisinteressen, die die Arbeit leiten, sind: — Stil soll deutlicher als linguistischer Gegenstand herausgearbeitet werden, indem die Verbindungslinien zu anderen linguistischen Einheiten gezogen werden, die Unterschiede aufgezeigt werden. Damit wird auch der Bezug der Stilistik zu anderen linguistischen Teildisziplinen dargestellt. — Die Vielfalt des Gegenstands Stil soll berücksichtigt bleiben: Stile im alltäglichen Leben und poetische Stile, monologische Stile und Gesprächsstile... — Das angebotene Instrumentarium soll für Analysen von Stil unter verschiedenen konkreten Fragestellungen („angewandte Linguistik") brauchbar sein. — Die Methoden werden so weit als möglich explizit gemacht.
1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs und Beschreibungsmöglichkeiten
1.1. Was ist Stil? „What then is style and what does stylistics do? Questions like these very often form the opening of stylistic investigations. The very fact points to two phenomena: firstly, that there is no accepted definition of style and no general agreement on aims, method or material for what is known as stylistics; secondly, that there seems to be fairly clear agreement among stylisticians that these questions are problematic." Cassirer (1975, 27) Es gibt eine Vielfalt von Definitionen. Die Frage selbst, w a s Stil sei, reifiziert den Stil, m a c h t ihn zum selbständigen E t w a s . Derartiges Vorgehen hat - für die Frage, was Bedeutung sei - Wittgenstein als „ V e r h e x u n g " des D e n k e n s durch die Sprache kritisiert: W ö r t e r bedeuten etwas in den Z u s a m m e n h ä n g e n , in denen sie gebraucht werden. Ebenso wird Stil aber bei der definitorischen F r a g e aus seinen Z u s a m m e n h ä n g e n herausgelöst. Stil ist — für den Linguisten - Teilaspekt von T e x t e n . T e x t e wiederum werden hergestellt, um damit jeweils Bestimmtes zu tun, u m damit sprachlich zu handeln. Es gibt auch nicht Stil schlechthin, sondern Stile — bezogen auf die unterschiedlichen Aspekte und Funktionen sprachlichen Handelns: Ein Stil ist - implizit - immer ein von anderen Stilen verschiedener Stil eines T e x t e s . D e s h a l b ist es wichtig, zunächst zu fragen: Wie funktioniert Stil? Wie und wozu wird Stil gebraucht? W a s trägt er bei zum H a n d e l n mit T e x t e n ?
1.1. Was ist Stil?
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Eine Voraussetzung ist jedoch vorher zu machen: Stil wird hergestellt durch bestimmte Eigenschaften der Texte. Eigenschaften der Textstruktur machen den Stil erkennbar, wahrnehmbar: Es gibt einen strukturellen Aspekt von Stil. Der strukturelle Aspekt von Stil ist derjenige, über den der funktionale Aspekt von Stil realisiert wird. Stil hat deshalb — wie andere sprachliche Einheiten - Struktur und Funktion. Stil umfaßt unter dem Gesichtspunkt der Funktion: — — — — — — —
Normalität des Alltäglichen, Erwartbares Besonderheiten: Neues, Individuelles, Literarisches Rituale Soziale Differenzierungen Stilvorschriften für gehobenen Stil Historische Stile Angemessenheitsforderungen, -konventionen für Rollen und Rollenbeziehungen, Handlungsweisen, Themen... usw. usw.
Stil umfaßt unter dem Gesichtspunkt der Struktur: — — — —
Lautliches wie Reim, Alliteration Rhythmische Gestaltung von Sprache wie Versmaße Lexeme mit besonderen stilistischen Stilwerten (Antlitz, Fresse) Stilfiguren wie Metapher, Vergleich, Parallelismus . . . usw. usw.
Um dem Verwirrspiel dieser Vielfalt zu entgehen, fragen wir im folgenden zunächst nur nach den Funktionen von Stil und versuchen eine Systematisierung; von da aus wird dann die Struktur betrachtet werden.
20
1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
1.2. Erste Umgrenzung des Gegenstandsbereichs: Typen stilistischen Sinns und deren Grundfunktion „ Unser gemeinsamer Wortschatz enthält all die Unterschiede und Zusammenhänge, deren Kennzeichnung von den Menschen im Verlauf vieler Generationen als vorteilhaft erachtet wurde; sicherlich dürften sie (...) zahlreicher, zutreffender und, zumindest was alle gewöhnlichen und eher praktischen Dinge angeht, auch subtiler sein als alle, die du oder ich uns an einem Nachmittag im Lehnstuhl (...) wahrscheinlich ausdenken können." Austin (1977, 16)
1.2.1. Ziele und Vorgehensweise Ich möchte ausgehen von den Gesichtspunkten, unter denen Stil für die linguistisch unverbildeten „Benutzer", die Sprecher und Schreiber, eine Rolle spielt. Die Relevanzsetzungen durch die Benutzer werden das Kriterium für die erste Eingrenzung des Gegenstandsbereichs sein. Damit soll nicht ausgegangen werden von den formalen (sprachlichen) Eigenschaften des Stils, sondern von seinen Funktionen für die Kommunizierenden. Die sprachlichen Stileigenschaften werden hier im ethnomethodologischen Sinn gesehen als das, was sie für die Benutzer von Stil sind: Phänomene, mit deren Hilfe intersubjektiv Sinn hergestellt und vermittelt wird. (Zum ethnomethodologischen Ansatz vgl. Heritage 1984.) Dieses Ausgehen von den Funktionen soll methodisch geschehen: Es werden Ausdrücke analysiert, mit denen die Benutzer sich über Stil zu verständigen pflegen. Dies sind Ausdrücke wie guter Stil, Schreibstil, Argumentationsstil, Amtsstil, Telegrammstil, eingängiger Stil usw. Mit diesen Ausdrücken wird ein Stil jeweils in bestimmter Weise spezifiziert. Es handelt sich um charakteristische Propositionen (Aussagegehalte), die die Beteiligten in oft stereoty-
1.2. Erste Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
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per Weise versprachlichen. Aus solchen Stereotypen für Stil ergeben sich Hinweise auf die Relevanz von Stil für die Benutzer. Im folgenden werden zwei Typen von Ausdrücken näher betrachtet: 1. Komposita mit Stil als Grundwort und einem anderen Bestimmungswort wie bei Telegrammstil, 2. Substantivgruppen mit Stil als Kern wie bei eingängiger Stil. Außerdem betrachte ich nur stereotype Ausdrücke; individuellere Ausdrucksarten wie telegrammartiger Stil, Stil beim Argumentieren lasse ich beiseite. Beiseite gelassen sind auch die stark normativ geprägten Ausdrücke wie Blähstil oder Schreistil, denn es geht hier nicht um die Rekonstruktion der Stilnorm, sondern um die Funktion oder Funktionen von Stil für die sprachlich Handelnden selbst. Die Stilnorm wird deshalb nur soweit berücksichtigt, als sie aufgrund von Schulbildung weitgehend zum Allgemeinwissen geworden ist. Die Ausdrücke entstammen einsprachigen Wörterbüchern (Grimm, Mater, Duden, Trübner, Brückner/Sauter 1984), den Registern von Stilistiken, der eigenen Sprachbeobachtung und den Bänden „Der öffentliche Sprachgebrauch". Analysiert wurden in diesem Kapitel rund hundert solcher Ausdrücke; dabei kam es nicht auf Vollständigkeit an, sondern auf die Art der für die sprachlich Handelnden relevanten Aspekte. Die Gesichtspunkte, unter denen die so gesammelten Ausdrücke für Propositionen in einen Zusammenhang gebracht werden, sind linguistischer Art: Mit linguistischen Mitteln wird der Zusammenhang rekonstruiert. „Die Umgangssprache hat also gewiß n i c h t das letzte Wort. Im Prinzip kann sie an jeder Stelle ergänzt, verbessert und ersetzt werden. Nur, vergessen wir nicht, sie h a t das e r s t e Wort" (Austin 1977, 20). Zusammenhänge von Propositionen und deren Versprachlichungen können rekonstruiert werden im Konzept des Wissensrahmens (frame: z.B. Fillmore (1977), van Dijk (1977), Tannen (1979), Metzing Hg. (1980); Schema: z.B. Kallmeyer/Schütze (1976), Script: z.B. den Uyl (1983), Lehnert (1980), den Uyl/van Oostendorp (1980)). Es wird ein Wissenskomplex als Zusammenhang von Propositionen und deren Verbalisierungsmöglichkeiten analysiert. Die Propositionen relationieren einfache Einheiten wie Han-
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
delnder, Objekt, Aktivität, Voraussetzung... Wichtig ist für die linguistische Verwendung des Konzeptes, daß die konventionellen sprachlichen Ausdrücke für Einheiten und Propositionen dazu gehören (Fillmore 1977, Tannen 1979). Durch die Rekonstruktion des Wissensrahmens ,Stil' wird versucht, das Wissen der Benutzer über Stil zu erfassen und für die Stilistik zu nutzen. Wissensrahmen sind sprachlich repräsentiert durch Propositionstypen wie ,daß Stil eingängig sein kann', durch Lexeme (wie eingängig zu Stil) und durch syntaktische Strukturtypen wie eingängiger Stil, Telegrammstil (Fillmore 1977). Bei Fillmore (1977) finden wir als Beispiel den Wissensrahmen eines ,Kaufereignisses', bei van Dijk (1977) Institutionsrahmen wie ,Büro', ,Kino', bei den Uyl (1983) und anderen einen Ereignisablauf. Wesentlich ist in allen Fällen, daß in den Verbalisierungen nicht das Gesamte erscheint, sondern es werden je spezifische Ausschnitte aktualisiert, die aber aus dem Wissen des Rezipienten vervollständigt werden können: Das Ganze wird gleichsam perspektivisch dargestellt (Fillmore 1977). Wenn ich beispielsweise sage: Ich habe das Buch für 20 Mark gekauft, so ist mitzuverstehen, ,daß es soviel gekostet hat', ,in einem Geschäft gekauft' wurde, ,von einem Verkäufer verkauft' wurde etc. Mit dem Wissensrahmen des ,Kaufereignisses' können andere verknüpfbar sein wie hier ,Geschäft'/,Buchladen', ,Geld', ,Werbung', ,Arbeit' oder ,Freizeit', usw. Bei der Anwendung des Konzepts Wissensrahmen auf Stil wird wichtig sein: 1. Es werden nur Ausschnitte, Gewichtungen im Hinblick auf das Ganze verbalisiert, in die Perspektive genommen, 2. Stil ist mit anderen Wissensrahmen zu verknüpfen. Während sich die genannten Beispiele aufgrund ihrer Anschaulichkeit relativ einfach strukturieren lassen, ist dies für ,Stil' schwieriger. Deshalb ist es hier nützlich, linguistische Kategorisierungen zu Hilfe zu nehmen und zu prüfen, welche Arten von Kategorien brauchbar sind. (In anderen Zusammenhängen habe ich diese Auffassungen ausgeführt in Sandig 1984 und Sandig 1984b.) Einschränkend muß im vorhinein bemerkt werden: Das Wissen über Stil variiert in der gesamten Sprachgemeinschaft je nach sozialer Zugehörigkeit (z.B. Steinig 1976), je nach dem Umgang
1.2. Erste Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
23
mit Literatur (vgl. Frey 1 9 7 5 , 5 7 ff.), auch nach Generationszugehörigkeit (Frey 1 9 7 5 , Van Peer 1 9 8 3 ) oder dem U m g a n g mit Sprache allgemein (Arbeitsteilung). D e m g e m ä ß ist es angebracht, „unscharfe R ä n d e r " anzunehmen. Auch spielen teilweise linguistisches, literaturwissenschaftliches und normatives Spezialwissen mit herein; hier wird aber versucht, diese unberücksichtigt zu lassen. Es geht also nicht um alle möglichen Differenzierungen des Wissensrahmens in einer umfassenden Beschreibung, sondern darum, was für die Benutzer von Stil in der Regel relevante Aspekte sind. 1 . 2 . 2 . Stil als Art der Handlungsdurchführung Außer sprachlichen Stilen werden im Deutschen eine Vielzahl sozial relevanter Handlungsweisen mit Stil b e n a n n t : Stil, sich zu
kleiden,
Führungsstil,
Schwimmstil,
politischer
Stil,
Lebensstil,
Fahrstil... Dieser Aspekt ist analog auch für sprachliches H a n d e l n relevant: Bei Schreibstil, Argumentationsstil usw. ist i m m e r die M ö g l i c h k e i t anderer Durchführungen im Blick, verschiedene Schreibstile oder Schreibstil versus Redestil, spontanes Sprechen usw. ( M i t Wahlkampfstil k a n n sowohl sprachliches als auch nichtsprachliches Handeln mit seinen verschiedenen D u r c h f ü h rungsmöglichkeiten gemeint sein.) Es bleibt also festzuhalten: M i t Stil wird die sozial relevante (bedeutsame) Art der Handlungsdurchführung in die Perspektive g e n o m m e n . Hier geht es im folgenden ausschließlich um sprachliche Stile. (Vgl. 1 . 3 . : Stil im sprachlichen Handeln). Bei den nichtsprachlichen Handlungen ist folgendes ersichtlich: Ein Führungsstil kann autoritär sein oder unautoritär, laissez-faire oder in verschiedener Weise individuell, d. h. es gibt jeweils typische und individuelle Arten der stilistischen Handlungsdurchführung. Dasselbe gilt für die sprachlichen Stile: Ein Schreibstil k a n n in bestimmter Weise ästhetisch, amtlich, individuell, erzählend usw. sein. Es ist festzuhalten: Stil ist sowohl in bestimmten Weisen typisch als auch individuell. Deshalb stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von K o m p e t e n z und Performanz in Bezug auf Stil (Kap. 1 . 7 . ) .
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
1.2.3. Stilkompetenz Ein alltagssprachlicher Ausdruck für Stilkompetenz ist Stilgefühl (oft allerdings auch normativ verwendet). Über Stilwirkungen verständigen sich die Rezipienten von Stilen. (Dazu genauer 1.4.: Dort wird der Wissensrahmen, der die Wirkungen betrifft und eng mit dem hier entworfenen verknüpft ist, rekonstruiert.) Auch Stilblüte gehört in den Bereich Stilkompetenz: ein deutlicher Verstoß gegen die Regeln der Stilkompetenz (vgl. Sandig 1981). Stilistische Performanzen werden bewertet anhand der durch die Kompetenz gegebenen Erwartungen: konventioneller Stil, altmodischer Stil, unangemessener Stil, überraschender Stil, eigenartiger Stil usw. Die Ausdrücke altmodischer und moderner Stil entspringen einem „Gefühl" für die Zeitbedingtheit und Veränderbarkeit von Stilen, auch für das Nebeneinander verschiedener Stilarten zu einer Zeit. Auch Zeitstil und Epochenstil im alltagssprachlichen Gebrauch sind Hinweise auf diesen Aspekt der Stilkompetenz. Festzuhalten ist: Die Benutzer von Stil verfügen über Ausdrücke, die die soziale Relevanz der Stilkompetenz zeigen, und sie handeln ihrer Stilkompetenz entsprechend, indem sie stilistische Performanzen beurteilen. Sie haben ein gewisses Bewußtsein der Historizität und Verschiedenheit von Stilen. Urteile über Stil sind häufig wertend. Dieses Bewerten geschieht teils unter dem Einfluß der Stilnorm, die durch Stillehren und Schulen verbreitet ist, teils auch naiv, also nach verschiedenen gruppenspezifischen oder individuell herausgebildeten Wertmaßstäben: schlechter Stil, eleganter Stil, altmodischer Stil usw. Dieser Aspekt wird hier im wesentlichen beiseitegelassen werden (vgl. Fleischer/Michel 1975; vgl. aber Kap. 2.2.4.). 1.2.4. Struktur und Funktion In der Linguistik werden Einheiten nach ihren Strukturen und Funktionen betrachtet. Es stellt sich die Frage, ob für die Benutzer von Stil diese Unterscheidung Relevanz besitzt. Man findet Substantivstil, Verbalstil, Variationsstil, bildhafter Stil, metaphorischer Stil. Diese Ausdrücke sind unter normativem Einfluß bekannt geworden. Die stilistische Textstruktur wird sonst für die
1.2. Erste Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
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Beteiligten wichtiger im Hinblick auf die Wirkungen, die sie hervorrufen kann: unpersönlich, holprig, lebendig... (s. Kap. 1.4.: Stilwirkung). Der Zusammenhang von Struktur und Funktion wird in folgenden Ausdrücken berücksichtigt: parodistischer Stil, eleganter Stil, Individualstil, Märchenstil, ironischer Stil usw. Eine Parodie hat eine bestimmte stilistische Textstruktur mit dementsprechender stilistischer Textbedeutung, die durch diese Struktur vermittelt wird: die strukturelle Ähnlichkeit zum Originaltext und die inhaltliche Diskrepanz dazu (vgl. Sornig 1 9 7 6 ) . Diese stilistische Textbedeutung, die aus der Textstruktur hervorgeht, heißt im folgenden stilistischer Sinn. Davon ist die stilistische Wirkung zu unterscheiden: Die Parodie ,macht nachdenklich',,verwirrt',,bereitet intellektuelles Vergnügen', wirkt ,frech', ,unverfroren', ,ist gekonnt' usw. (dazu 1.4.). Das Beispiel parodistischer Stil, ebenso Individualstil, zeigt außerdem, daß Stil sich in der Regel auf umfassendere Einheiten als einzelne Äußerungen bezieht (vgl. Tschauder 1 9 8 0 ) . Es bleibt festzuhalten: Stil ist der Tendenz nach ein Textphänomen (s. 1.5.). Es ist zu unterscheiden zwischen stilistischer Textstruktur und stilistischen Funktionen. Die stilistischen Funktionen sind zu unterteilen in stilistischen Sinn (als „Bedeutung" der stilistischen Textstruktur) und Stilwirkung (als Wirkung des durch die stilistische Textstruktur vermittelten stilistischen Sinnes). 1 . 2 . 5 . Typen stilistischen Sinns Zu Beginn wurde bereits festgehalten, daß mit Stil die sozial bedeutsame Art der sprachlichen Handlungsdurchführung gemeint ist. Im folgenden sollen Einzelaspekte dieses Zusammenhangs betrachtet werden. Eine sprachliche Handlung hat einen spezifischen Handlungscharakter (Illokution) und einen Inhalt (propositionalen Gehalt), auf den sich der Handlungscharakter bezieht. Es gibt einen oder mehrere sprachlich Handelnde (Sprecher/Schreiber) und einen oder mehrere Adressaten (oder beliebige Rezipienten); beide stehen in einer Beziehung zueinander. Die Handlung wird unter bestimmten Voraussetzungen, in einer Situation, durchgeführt, vollzogen (dazu auch 1.3.). Es ist zu fragen, ob diese Zusammen-
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
hänge auch für die Benutzer von Stil eine Rolle spielen, was davon für die spezifischen (stilistischen) Arten der Handlungsdurchführung wichtig wird.
1.2.5.1. Die Handlung und ihr Inhalt Erzählstil, Argumentationsstil, Beratungsstil, Verhandlungsstil, Gesprächsstil, Interviewstil, Diskussionsstil usw. beziehen sich auf die Art der Handlung und auf unterschiedliche Möglichkeiten ihrer Durchführung. (Dabei sehe ich hier von möglichen anderen Verwendungen dieser Ausdrücke ab: Ein privates Gespräch im Verhandlungsstil ist ein privates Gespräch, das ,wie eine Verhandlung' wirkt, also von den erwartbaren Durchführungen privater Gespräche abweicht). Auch Seminarstil, Unterrichtsstil, Vorlesungsstil können so verwendet werden. Es ist festzuhalten: für die Beteiligten ist relevant, daß Handlungen desselben Typs auf verschiedene Arten und Weisen durchgeführt werden können; die Arten der Durchführung haben einen sozialen Sinn. In den genannten Fällen wird der Inhalt der Handlung (die propositionalen Gehalte, das Thema) jeweils aus der Perspektive ausgeblendet. In den folgenden Fällen sind generelle Inhalte jedoch mit einbezogen: Predigtstil, Gebetsstil, Nachrichtenstil, Gesetzesstil usw. Hier geht es um erwartbare Arten der Durchführung von Handlungen mit ihren charakteristischen Inhalten. In sehr viel globalerer Weise werden Handlungsarten und mögliche Inhalte verknüpft bei literarischer Stil, wissenschaftlicher Stil/Wissenschaftsstil, Fachstil, journalistischer Stil, Feuilletonstil usw. Hier sind jeweils Handlungs- und Sachverhaltsbereiche, die in einer erwartbaren Spannbreite variieren, zusammengefaßt. Man vergleiche diese Ausdrücke mit einigen Funktionalstilen, die im Gefolge der Prager Schule etabliert wurden (z.B. Fleischer/Michel 1975, 246 ff.): „Stiltyp der Belletristik", „wissenschaftliche Texte", „journalistischer Sprachgebrauch". Daß diese zusammenfassenden Ausdrücke nur e i n e Möglichkeit der Perspektivierung darstellen, zeigen die bereits erwähnten spezifischeren Handlungsausdrücke.
1.2. Erste Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
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Charakteristisch für alle zuletzt genannten Ausdrücke ist die Bindung der Handlungsarten und ihrer Inhalte an charakteristische Institutionen (Predigtstil, Nachrichtenstil) oder an umfassendere soziale Gegebenheiten: literarischer Stil an den „Literaturbetrieb" mit seinen Institutionen und Handlungstypen, wissenschaftlicher Stil an Wissenschaftsinstitutionen verschiedener Art, journalistischer Stil an Presse, Rundfunk usw. D . h . Handlungsarten oder Gruppen von Handlungsarten mit ihren typischen Inhalten und ihren charakteristischen Durchführungsmöglichkeiten sind bedingt durch umfassendere soziale Gegebenheiten und sie sind gleichzeitig repräsentativ für diese; sie garantieren deren Funktionieren (vgl. Bergmann 1 9 8 1 , 11). Eine Bindung an Institutionen ohne Bezug auf charakteristische Inhalte liegt auch vor bei den Ausdrücken Seminarstil, Vorlesungsstil, Unterrichtsstil. Festzuhalten ist: Die stilistischen Durchführungsmöglichkeiten von Handlungen (mit oder ohne charakteristische Inhalte) sind gebunden an bestimmte soziale Situationstypen, und sie tragen zur Gestaltung der sozialen Situationen bei. Handlungsumstände, Voraussetzungen des Handelns, spielen auch in den folgenden Fällen eine Rolle: Stile werden auch spezifiziert nach den sprachlich Handelnden, nach deren institutionsspezifischen Rollen: Funktionärsstil (Mater, 1 9 6 5 ) , journalistischer Stil, professoraler Stil, pastoraler Stil, Kaufmannsstil (Trübner, 1 9 5 5 ) . Diese Ausdrücke machen deutlich, daß Sprecher/Schreiber in ihrer institutionsspezifischen Rolle an bestimmte Arten der Handlungsdurchführung gebunden sind, ja daß die Rolle durch die Art der Handlungsführung erst gestaltet wird (z.B. Garfinkel/Sacks 1 9 7 6 , 1 3 8 ) . Auch nach der Institution selbst kann der Stil benannt werden: Behördenstil, Amtsstill amtlicher Stil, Kanzleistil, Kurialstil (Mater, 1 9 6 5 ) ; nach einem handlungsrelevanten institutionellen Teil benannt sind Kathederstil und Kanzelstil. Es ist festzuhalten: Der Beitrag des Stilistischen zur Durchführung institutionsgebundener Handlungen wird in verschiedenen Hinsichten in die Perspektive genommen: im Hinblick auf die Handlung selbst (Predigtstil), in bezug auf die Handlungsrolle (pastoraler Stil) und im Blick auf die Institution mit ihren institutionellen
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
Teilen (Kanzelstil). Gerade hier zeigt sich die Bedeutung des Stils, der Art „wie es gemacht wird", für die Aufrechterhaltung bzw. Veränderung der sozialen Ordnung, die von Ethnomethodologen immer wieder betont wird (Weingarten/Sack 1976, 13 und z.B. Matthes/Schütze 1973; Cicourel 1973, bes. 164ff.: „Rolle als Prozeß"; Garfinkel/Sacks 1976; Bergmann 1981). 1.2.5.2. Die Handelnden und ihre Beziehung Der Sprecher/Schreiber kann als Individuum in den Blick genommen werden: Individualstil, Personalstil, persönlicher Stil, Stil eines/des Autors; wie die Beispiele zeigen, geschieht dies dann, wenn der Sprecher/Schreiber sich in der Art der Handlungsdurchführung partiell und erkennbar absetzt vom konventionell Erwartbaren. Bei erwartbaren Durchführungen oder bei unmerklichen Abwandlungen der Handlungsdurchführung bleibt der Schreiber — was den Stil betrifft — aus dem Blick. Wir finden auch den Hinweis auf bestimmte Stilhersteller in folgenden Ausdrücken: Rilkescher Stil, Goethes Altersstil, Adorno-Stil, auch Stile von Politikern (wobei jeweils spezielleres Wissen vorauszusetzen ist). In diesen Fällen zeigt die Art der Handlungsdurchführung für das Individuum charakteristische und für die Rezipienten erkennbare Eigenschaften. Auch bestimmte soziale Gruppen haben, vergleichbar mit Individuen, ihre Gruppenstile (zur Abgrenzung gegen Gruppensprachen s. 1.8.3.). Auf bestimmte Adressaten oder Adressatengruppen zielen folgende Ausdrücke: kindgemäßer Stil, Kinderton, volkstümlicher Stil, Volkston. In diesen Fällen wird in die Perspektive genommen, daß die Handlung im Hinblick auf die (erwartbaren) Rezipienten in einer bestimmten Weise durchgeführt wird. Schließlich ist die Beziehung zwischen Sprecher/Schreiber in den Blick genommen bei höflicher/unhöflicher Stil, freundlich er/unfreundlicher Stil, persönlicher/unpersönlicher Stil; die Ausdrücke pastoraler oder professoraler Stil werden verwendet für eine Handlung, die ,wie von einem Pastor' durchgeführt wird, z. B. ein Politiker mit pastoralem Stil. In diesen Fällen wird durch die Art der Handlungsdurchführung die Beziehung zwischen Sprecher/ Schreiber und Adressat als in bestimmter Weise gestaltet gesehen.
1 . 2 . Erste Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
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Es ist festzuhalten: ,Selbstdarstellung' (als Individuum, Rollenträger, Gruppenmitglied), ,Adressatenberücksichtigung' und ,Beziehungsgestaltung' sind sozial relevante Typen von Sinn, die durch die Art der Handlungsdurchführung vermittelt werden können, die also über den Stil vermittelt werden. 1 . 2 . 5 . 3 . Handlungsvoraussetzungen: Aspekte der Situation Die Handlungsvoraussetzungen sind weiter in folgenden Hinsichten wichtig: Bedingungen der Textherstellung spielen eine Rolle für die Art der Handlungsdurchführung. So beziehen sich einige Ausdrücke auf den Unterschied zwischen Sprechen und Schreiben: Sprechstil, Redestil, Schreibstil. Hierbei geht es um das Verhältnis schriftlicher/mündlicher Durchführung der Handlung einerseits (ein druckreifer Redestil) und um die besondere Art der Handlungsdurchführung andererseits (ein bühnenreifer Sprechstil). Der Kanal der Übermittlung wird auch wichtig bei Telegrammstil (zu telegraphieren) und Papierstil (wobei Papierstil heute durch den Einfluß der Stilnormer negativ bewertend gebraucht wird). Das ,Medium' der Übermittlung wird schließlich angesprochen bei Briefstil, Zeitungsstil. Von den Kanal und Medium berücksichtigenden Ausdrücken beziehen sich Telegrammstil, Briefstil, Zeitungsstil zugleich auf die Handlungstypen, die der Übermittlung gemäß durchgeführt sind: B R I E F S C H R E I B E N , T E L E G R A P H I E REN, ZEITUNGSCHREIBEN. Festzuhalten bleibt: Auch das Medium und die kanalbedingten Textherstellungsarten können stilistisch relevant werden. Faßt man nun die bisher aufgeführten Aspekte zusammen, so ergibt sich folgendes. Stilistisch relevant können verschiedene Aspekte des Handelns werden: Die Handlung selbst (mit oder ohne Inhalt), Handlungsvoraussetzungen wie Institutionen oder andere gesellschaftliche Handlungsbereiche, Medium und Kanal, schließlich die Handelnden: Sprecher/Schreiber und Adressat und die Beziehung, die der Sprecher/Schreiber dem Adressaten gegenüber gestaltet (bzw. bei Gesprächen: die beide gemeinsam gestalten). Die verschiedensten Aspekte des sprachlichen Handelns und seiner kommunikativen Voraussetzungen können also relevant werden.
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
1.2.5.4. Einstellungen Dazu kommt nun noch ein weiterer Sinntyp, der über die kommunikationsbezogenen Funktionen von Stil hinausgeht: Der Sprecher/ Schreiber kann über den Stil seine subjektiven oder die aufgrund von Konvention erwartbaren Einstellungen vermitteln: zur Handlung, zum Inhalt der Handlung, zu seiner Sprecher/Schreiber-Rolle, zum Adressaten, zur Beziehung, zur Situation mit ihren Gegebenheiten (Medium, Institutionsgebundenheit, Kanal). Dies schlägt sich u. a. in folgenden Ausdrücken nieder: emotionaler Stil, aggressiver Stil, witziger Stil, komischer Stil, ironischer Stil, sachlicher Stil, expressiver Stil, lakonischer Stil, feierlicher Stil, poetischer Stil, distanzierte Ausdrucksweise, steifer Stil usw. Alle die Ausdrücke, die hier Stil spezifizieren, können auch verwendet werden, um die Stilwirkung zu spezifizieren (s. 1.4.). Es scheint also für die Beteiligten einen engen Zusammenhang zu geben zwischen dem stilistischen Ausdrücken von Einstellungen und den Stilwirkungen; das Ausdrücken von Einstellungen wirkt offenbar stark auf die Rezipienten. 1.2.6. Historizität des Stils (Moden) In 1.2.3. wurde bereits darauf hingewiesen, daß Zeitbedingtheit oder Zeitgemäßheit für die Benutzer relevante Stileigenschaften sind: altmodischer, moderner Stil, Zeitstil sprechen dafür. D. h. für die aufgeführten stilistischen Sinn-Typen gibt es spezifische historisch veränderliche Erkennungsmerkmale. Stil kann bislang also folgendermaßen definiert werden: Er ist die Art der Durchführung der sprachlichen Handlung, und diese kann erkennbar bezogen sein auf die Art der an der Handlung Beteiligten und ihre Beziehung, auf verschiedenartige Handlungsvoraussetzungen wie Kanal, Medium, Institutionen; durch die Art der Handlungsdurchführung können Einstellungen zu den verschiedenen Aspekten des Handelns mit ausgedrückt werden; es gibt Moden, die historisch veränderlich sind. Da die sprachliche Handlung durchgeführt wird, indem ein Text geäußert wird, hat auch der Text Stil im Zusammenhang der Handlung (vgl. 1.3.; 1.5.1.).
1.2. Erste Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
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1.2.7. Die Grundfunktion von Stil im Bereich des stilistischen Sinns Für die Beteiligten ist also Stil alles andere als ein bloßes und beliebiges Ornament (wie oft in der Nachfolge der rhetorischen Elocutio angenommen): Er ist ein System, das auf die verschiedenen Dimensionen des sprachlichen Handelns bezogen ist und das den Arten der Handlungsdurchführung differenzierenden sozialen Sinn verleiht. Da Handlungen immer durchgeführt (schrittweise vollzogen) werden, ist immer mit (sozial relevanten) Arten des Durchführens zu rechnen. Stil ist deshalb nichts Zusätzliches in dem Sinne, daß er weglaßbar wäre. Er ist aber wohl z u s ä t z l i c h zu dem, was mit der Handlung d i e s e s T y p s vollzogen wird: Wenn z. B. in einem Gespräch einer der Partner ,in einem professoralen Stil' spricht, so schneidet er den Handlungstyp GESPRÄCH in bestimmter Weise auf seine Person und/oder Intentionen zu, er gestaltet damit die Beziehung in bestimmter Weise. D. h. der generelle Handlungstyp GESPRACH wird in einer Art durchgeführt, die dem Sprecher im Moment oder generell entspricht. Der Handlungstyp wird so in seiner Realisierung den Gegebenheiten angepaßt. Und das heißt: Stil ist d a s Mittel der Situationsanpassung von Handlungen, das Mittel schlechthin also der „Indexikalisierung" von Handlungstypen (Garfinkel 1973; Garfinkel/Sacks 1976). Das gilt auch für die ausgeführten Bereiche der Institutionalität von Handlungstypen (die Art der Durchführung unterstreicht die Institutionsgebundenheit und zeigt auch die stilistischen Sinn stiftenden Spielräume, die die Institution läßt, oder sie zeigt die Distanz des Sprechers/Schreibers dazu); es gilt für die Anpassung von Handlungstypen an verschiedene Kanäle (wie bei schriftlichem, mündlichem ERZÄHLEN), an Medien (z.B. die H O R O SKOP-Varianten in Bildzeitung und „Stern" in Sandig 1978). Es bleibt festzuhalten: Stil bezieht sich auf verschiedene Aspekte sprachlichen Handelns — und zwar je nach Fall, wie die analysierten Ausdrücke zeigen, in unterschiedlicher Gewichtung. Deshalb ist er das Mittel der mit variablem Sinn anreichernden Anpassung von Handlungstypen an die konkreten Gegebenheiten („Indexikalisierung"); diese Anpassungen bringen im konkreten Handeln durch die Art der Durchführung weiteren intersubjektiv erkennba-
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
ren Sinn zum generell gegebenen Handlungstyp hinzu. Es handelt sich um „Indexikalisierungen" abstrakter Schemata. Der generelle Zweck von Stil ist das Zuschneiden, das Zurechtstutzen von Handlungstypen in der Durchführung für den konkreten Fall. Die Vielfalt von Stil, die seine Erforschung so sehr erschwert, ist dadurch bedingt, hat darin ihren Sinn. Es ist nun zu fragen, ob sich ein Regelsystem für dieses Zurechtstutzen (Indexikalisieren) von Handlungstypen beschreiben läßt, oder ob dies jeweils ad hoc, beliebig geschieht. Die Tatsache, daß es, wie die analysierten stereotypen Ausdrücke zeigen, ein handlungsbezogenes Sinn-System von Stil gibt, läßt darauf schließen, daß es ein Regelsystem geben muß, nach dem sprachliche Handlungstypen konkretisiert (indexikalisiert) werden können. Dafür sprechen auch die Hinweise auf eine — für die Beteiligten relevante — Stilkompetenz (1.2.3.). Festzuhalten ist weiterhin: Eine Sprachhandlungstheorie ist für die Beschreibung von Stil angemessen, da die Beteiligten Stil in verschiedenen Sprachhandlungsperspektiven Relevanz beimessen. Es handelt sich bei den bisher besprochenen Fällen von Arten der Durchführung von Handlungen um jeweils sozialen Sinn stiftende Durchführungsmöglichkeiten. Oft gibt es dabei A l t e r n a t i v e n wie ,der Konvention folgend', ,von der Konvention abweichend', oder: ,von den verschiedenen konventionellen Möglichkeiten eine bestimmte befolgend'. D. h. was häufig für die Ebene der Stilmittel herausgestellt wird, die sinnerzeugende Wahl zwischen Alternativen (s. 1.3.1.), gilt erst recht für die Durchführung der gesamten Handlungen. Es geht also nicht immer nur um die Anpassung des Handlungstyps im konkreten Vollzug, sondern oft auch um die unterschiedlichen Möglichkeiten der Realisierung, durch die verschiedener sozialer Sinn hergestellt wird. Darüber hinaus kann, durch das Ausdrücken von Einstellungen mit Hilfe des Stils, die Handlung nach dem Typ mit verschiedenen Einstellungs-Sinndimensionen angereichert werden. Die bisherige Darstellung zeigt, daß es nicht gerechtfertigt ist, als die typischen Sinnherstellungen durch Stil n u r die Einstellungen anzunehmen (Püschel 1982, 1983). Vielmehr können die Einstellungen als etwas Z u s ä t z l i -
1.2. Erste Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
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c h e s hinzukommen: In einem emotionalen Stil beispielsweise können Handlungen sehr verschiedenen Typs durchgeführt werden. Stil kann also in mehrfacher Weise etwas Zusätzliches sein: 1. Sinn, der den abstrakten Handlungstyp anreichert, indem man ihn auf die konkreten Gegebenheiten des sprachlichen Handelns bezieht, und 2. Sinn, mit dem Einstellungen verschiedener Art zu Aspekten der sprachlichen Handlung ausgedrückt werden können. Es ist zu betonen: für die Beteiligten spielen jeweils schwerpunktartig Teilaspekte von Stil eine Rolle; diese werden mit den analysierten Ausdrücken hervorgehoben. Das Ganze des Wissensrahmens bildet dabei den Hintergrund; die übrigen Aspekte sind auch vorhanden (indem sie beim Realisieren eines Handlungstyps in konkreter Situation in jedem Fall eine Rolle spielen), sie dominieren aber nicht, sie sind unauffällig. Die ethnomethodologische Sehweise geht davon aus, daß sozialer Sinn mit Hilfe von Phänomenen vermittelt wird (z. B. Garfinkel/ Sacks 1976). Das heißt für die linguistische Stilistik: stilistischer Sinn wird mit Hilfe bestimmter Eigenschaften von Texten (1.5.) vermittelt, von Texten, die in sprachlichen Handlungssituationen Verwendung finden. In einer Argumentation ganz anderer Art gelangt Lerchner (1981, 88 f.) zu teilweise ähnlichen Ergebnissen: Stil als Texteigenschaft ist kommunizierbar, dient also der Übermittlung von Information; diese Information besteht in der Beseitigung von Ungewißheit; „die beseitigte Ungewißheit (...) wird erreicht durch Zuordnungen des Empfängers zu gesellschaftlich-durchschnittlichen Erfahrungswerten inbezug auf die Konsituationen von Äußerungen. Das Stilistische (als Texteigenschaft, B. S.) gehört demnach der Klasse selektiv-pragmatischer Informationen an und wäre zu definieren als der Äußerung inhärente Information über die spezifischen kommunikativ-pragmatischen Parameter eines kommunikativen Ereignisses." (Lerchner 1981, 89) Lerchner nimmt für Text als Zeichen eine „konnotative Potenz" an, die „die Einordnung des betreffenden Zeichens in ein Normensystem der sozialen Verwendungsweisen sprachlicher Mittel ausdrückt." (Lerchner 1981, 90) Lerchner
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
setzt das Stilistische als Texteigenschaft gleich mit der „konnotativen Potenz" des Textes (ebda). Nach Trabant (1979, 570) ist Stil ein „vieldeutiger Terminus"; dies ist er jedoch nur dann, wenn man nur jeweils Teilfunktionen von Stil betrachtet: Stil hat, wie gezeigt wurde, vielfältigen Sinn. Worin nun „besteht die N ü t z l i c h k e i t oder sogar N o t w e n d i g k e i t des Terminus Stil (...), wenn bei aller Verschiedenheit des Gebrauchs nicht etwas allen Gebrauchsweisen Gemeinsames gemeint wird?" (Trabant 1979, 570). Eben gerade darin, daß vielfältiger Sinn einem gemeinsamen Zweck dient: die abstrakten Handlungstypen an die konkreten Gegebenheiten anzupassen, sie sinn-voll aufzufüllen, indem sie durchgeführt werden. Soweit die Rekonstruktion des Wissens der Beteiligten über das Sinn-Potential von Stil (das Wissen über Wirkungen wird in Kap. 1.4. analysiert). Die Gesellschaftsmitglieder haben ein Wissen darüber, wie Handlungen konventionell durchgeführt werden, das ging aus den bisherigen Analysen hervor. In den Worten der Ethnomethodologen: Die Gesellschaftsmitglieder gehen „methodisch" vor, (z.B. Garfinkel 1973, 195 ff., Garfinkel/Sacks 1976, 141, Bergmann 1981), d . h . es gibt für die sprachlich Handelnden gewisse erwartbare Durchführungen, man weiß und erwartet „wie es gemacht wird" (Garfinkel/Sacks 1976). Abweichungen von diesen Erwartungen erhalten i n R e l a t i o n zum per Konvention Erwartbaren einen Sinn. Aufgrund des Durchführungsaspektes, den die Ethnomethodologen betonen (z.B. Garfinkel/Sacks 1976, etwa 149) scheint mir der Terminus Erwartung angemessener als der Terminus Konvention: Konvention betont das Eingespieltsein von intersubjektiven Regeln aus einer objektiven Perspektive, während Erwartung die subjektive Perspektive der Beteiligten berücksichtigt: die aufgrund von Konventionen bestehenden Erwartungen. Die Beteiligten sagen mit ihren vielen Worten (mit den ausgedrückten Phänomenen), was die Handlung ist, wer sie sind, wer der intendierte Adressat ist, was die Situation i s t . . . (z. B. Garfinkel/ Sacks 1976). Genau das geschieht durch den Stil. Das so Beabsichtigte k a n n a u c h begrifflich explizit gemacht werden (vgl. Kap. 1.6.2.), aber es muß nicht auf den Begriff gebracht werden (Garfinkel/Sacks 1976).
1.2. Erste Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
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Die dargestellten Aspekte des sozialen Sinns von Stil werden in K a p . 2 . durch Beispielanalysen belegt. Vorher sind jedoch weitere Eigenschaften von Stil zur Sprache zu bringen (Kap. 1): D e r hier beschriebene Wissensrahmen ist zu ergänzen durch die E r a r b e i t u n g anderer Aspekte. In 1 . 4 . werden Typen von Stilwirkung beschrieben. Weiter ist der beschriebene Wissensrahmen zu relationieren mit Wissensrahmen anderer Art: In 1 . 3 . wird Stil (als sinnerzeugende Art der Handlungsdurchführung) auf das K o n z e p t des sprachlichen Handelns bezogen, in 1.5. auf Text.
1 . 2 . 8 . Vergleichbare Ansätze Einen Vergleich dieses Ansatzes mit J a k o b s o n s ( 1 9 6 0 ) Sprachfunktionen, mit Fleischer/Michels ( 1 9 7 5 ) Stilzügen und mit Crystal/ Davy ( 5 1 9 7 6 ) h a b e ich in Sandig ( 1 9 8 4 b , 2 8 1 - 2 8 3 ) v o r g e n o m m e n . Es zeigen sich m a n c h e Gemeinsamkeiten der Auffassungen, a b e r auch Unterschiede. Z u r Verwendung des Terminus Sinn bei „stilistischem S i n n " : Dieser Terminus ist zentral für die intersubjektive Konstitution von Sinn, für die Konstitution von sozialem Sinn in der „verstehenden S o z i o l o g i e " (Schütz 1 9 7 4 ) ; dies wurde von den E t h n o m e t h o d o l o gen ü b e r n o m m e n . Vgl. auch die Diskussion bei T r a b a n t ( 1 9 7 5 ) . In Sandig ( 1 9 8 4 b ) h a b e ich statt „stilistischem S i n n " noch „stilistische B e d e u t u n g " gebraucht. Bei H a s a n ( 1 9 7 5 , 5 3 ) sind die Ergebnisse der soziolinguistischen Variationsforschung, der Registerlinguistik und der J a k o b s o n schen Sprachfunktionen ( 1 9 6 0 ) wie folgt zusammengefaßt: „despite differences, these essentially agree on the relevance o f the following factors of the extralinguistic situation to variation in language: 1. what is said (the subject matter o f the discourse) 2 . in w h a t setting (the part played by the verbal symbolic system within the total social process) 3 . to w h o m by w h o m (the social roles of those w h o function as speaker/addressee)
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
4. for what purpose (for exposition, persuasion, seeking information ...) 5. through what channel (spoken/written; prepared/extempore...) The constellation of these five factors can be referred to as contextual construct', to be seen as an abstract entity, each element of which is manifested by some particular category in any given verbal interaction. (...) The constellation of particular categories (...) may be referred to as ,contextual configuration'. A contextual configuration is a particular instance of the abstract entity contextual construct and is specific to a class of discourse." Die entsprechende Stildefinition lautet: „The style of a discourse (...) is a function of the contextual configuration relevant to the discourse." Da einerseits mit festen Konfigurationstypen für Textklassen gearbeitet wird und da andererseits Einstellungen ausgespart sind, ebenso sozial relevante Handlungstypen („Darstellung", „Informationssuche", „Überredung" sind zu unscharf), liegt literarischer Stil außerhalb dieser Stildefinition (Hasan 56 ff.). Erweitert man hingegen, wie hier angenommen, die Beschreibungsaspekte um die Einstellungen (emotionale und wertende; Einstellungen zur Sprache ...), so kann auch literarischer Stil dann beschrieben werden, wenn die Handlungszwecke als Handlungstypen gefaßt werden, die auch die literarischen Gattungen umfassen: Raibles (1980) Beschreibung literarischer Gattungen ist durchaus verträglich mit linguistischen Beschreibungen alltäglicher Handlungstypen. Voraussetzung für Beschreibungsaspekte, die literarische und gebrauchssprachliche Texte insgesamt erfassen, ist es aber, eine Variabilität und Gewichtung der Beschreibungskategorien anzunehmen, nicht von festen Konfigurationstypen auszugehen. Z. B. kann ein Gedicht, das schriftlich vorliegt, durchaus Eigenschaften spontanen Sprechens aufweisen, mit entsprechendem stilistischem Sinn — in Relation zum Erwartbaren — und mit entsprechender Stilwirkung (Emotionalisierung); so ist die verwickelte Syntax des folgenden Gedichtes von Erich Fried (1966, 33) stark spontansprachlich:
1.2. Erste Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
(1)
Beim Nachdenken Die uns vorleben
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über Vorbilder
wollen
wie leicht das Sterben ist Wenn sie uns vorsterben wollten wie leicht wäre das Leben Wir finden Herausstellung am Textanfang, Voranstellung des Konditionalsatzes mit wenn (der Form nach auch gleichzeitig ein Wunschsatz), der Hauptsatz (mit der Hauptsache) steht am Ende. Ein weiterer vergleichbarer Ansatz ist der des Freiburger Modells, vgl. die Darstellung bei Nabrings (1981, 206—217): Hier werden Redekonstellationen als Kombinationen situativer Merkmale beschrieben (vgl. Nabrings 210 f. nach Schank/Schoenthal 1976, 30). Die Liste ist grundsätzlich offen. Ich stelle diese Liste in Relation zu den Typen stilistischen Sinns dar: A)
Die Beziehung der sprachlich Handelnden „Teilnehmerzahl Verhältnis der Teilnehmer zueinander a) Alter b) Ausbildung c) Geschlecht d) Bekanntschaftsgrad e) Häufigkeit vorausgegangener Kommunikationskontakte f) Vorwissen g) Aspekte der räumlichen und körperlichen Beziehungen der Kommunikationspartner h) Rang und Rollenzuteilung" Für die Zwecke der Stilistik werden in 2.2.4. die Punkte a)—c) als soziostilistische Aspekte gefaßt, h) unter Institution in 2.3.3. und Rituelles in 2.6.1. Die Punkte d) bis g) werden
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
unter einen Untertyp von Beziehungsgestaltung gefaßt: Distanz vs. Nähe (s. 2.2.3.). B)
Das Medium wird berücksichtigt mit „Kommunikationsmedium".
C)
Der Kanal ist deshalb nicht relevant, weil es sich in diesem Ansatz ausschließlich um mündliche Sprache handelt.
D)
Die Handlung wird erfaßt mit „Intentionen der Kommunikationspartner", wobei allerdings nicht auf Handlungstypen zurückgegriffen wird, sondern auf Intentionstypen (vgl. Steger 1976, dazu Schank 1981, passim). Aufgrund des spontansprachlichen Interesses sind natürlich schriftlich vollzogene Handlungen und Handlungstypen, z. B. auch literarische Gattungen ausgeblendet. Die Merkmale „Kommunikationsort" und „Zeitpunkt und -dauer des Kommunikationsaktes" kann man hier unter die Situationsvoraussetzungen des Handelns fassen; so sind WEGAUSKÜNFTE an Ortscharakteristika gebunden und haben eine relativ begrenzte Zeitdauer.
E)
Sachverhaltsdarstellung wird erfaßt mit folgenden Punkten: „Thematik", „Themenbehandlung: assoziativ, deskriptiv, argumentativ", bei Schank (1981) dazu noch ,narrativ'. Weiter spielen eine Rolle die „Relation des Themas zu äußerer Situation und Sprechzeitwelt", „Themafixierung" und die „Relation Thema-Sprecher" mit ,,a) Interesse des Sprechers am Thema, b) Vorbereitetheit des Sprechers auf das Thema, c) Vorwissen des Sprechers".
F)
Einstellungen spielen eine Rolle bei folgenden Merkmalen: „Inszeniertheit von Kommunikationssituationen", „Spontaneität", „Offentlichkeitsgrad" und „Situationsvertrautheit" bzw. „Situationsdistanz".
Der Bezug auf die hier entwickelten Typen stilistischen Sinns zeigt nun: Die Merkmale, mit denen dann auch Redekonstellationstypen und Textsorten als entsprechende typische Textgestaltungen
1.3. Stil im sprachlichen H a n d e l n
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beschrieben werden, erfassen nicht nur die Textsorten, sondern auch mögliche Textsortenstile. Gemäß dem Beschreibungsinteresse gilt dies jedoch nur für mündlich zu Realisierendes. Im Vergleich zum bisher hier Dargestellten fällt die größere Differenzierung auf vor allem bei den Punkten A) Beziehungsgestaltung, E) Sachverhaltsdarstellung und F) Einstellungen. Dies zeigt, daß das hier bisher Dargestellte nur den größeren Rahmen darstellt, innerhalb dessen Differenzierungen vorgenommen werden können (vgl. Sandig 1984b, auch unten Kap. 2.). Andererseits fehlen im Freiburger Ansatz Selbstdarstellung und Adressatenberücksichtigung, d. h. Stil wird nicht vollständig berücksichtigt (die Merkmalzusammenstellung ist allerdings erweiterbar). Bei allen Ähnlichkeiten der hier vorgelegten Strukturierung stilistischen Sinns mit den genannten Ansätzen sind hier doch die Unterschiede zu betonen: Die Sinntypen sind methodisch erarbeitet anhand der alltäglichen Kategorisierungen der Stilbenutzer. Außerdem sind sie eingebunden — und das ist im folgenden Kapitel zu vertiefen — in das Konzept sprachlichen Handelns, insofern als sie Funktion für dieses haben: Dies ist zugleich die Rechtfertigung für eine linguistische Bearbeitung von Stil, für eine linguistische Stilistik.
1.3. Stil im sprachlichen Handeln „Seltsame Dinge passieren! Hans tat es langsam, mit Bedacht, im Badezimmer, mit einem Messer, um Mitternacht. Was hat er getanf Er schmierte sich Butter aufs Brot." Davidson (1977a, 308)
Stil ist nach 1.2. zu sehen in einem ethnomethodologisch fundierten pragmatischen Zusammenhang: Eine sprachliche Handlung wird „in einem Stil" vollzogen. Deshalb ist Stil ein Teilaspekt sprachlichen Handelns; er ist aber, wie die unter den Beteiligten verbreitete Redeweise in einem Stil zeigt, auch isolierbar: Er kann für sich in den Blick genommen werden. Eine Frage kann zum Beispiel stilistisch wirksam oder stilistisch unauffällig gestellt wer-
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
den, sie kann höflich, freundlich, barsch usw. gestellt werden. D. h. es ist möglich, eine Handlung desselben Typs in verschiedenen Stilen, mit verschiedenen Stilwirkungen durchzuführen. Auch dies spricht dafür, Stil als isolierbaren Handlungsaspekt zu sehen. Auch die Tatsache, d a ß wir alltäglich Stilqualitäten oder Stilwirkungen isolierend in den Blick nehmen können, spricht für die Annahme von Stil als isolierbarem Handlungsaspekt. 1.3.1. Handlungsaspekte Welche Handlungsaspekte sind generell relevant, in welcher Relation dazu ist der Teilaspekt der Handlung Stil zu sehen? Bei der Besprechung der Handlungsaspekte gehe ich aus von einem vergleichenden Überblick über Austin (1977), Rescher (1977), Wunderlich (1976) und Rehbein (1977) bei Harras (1983, 73). Rehbein (1977, 135 ff.) spricht von „Stadien des Handlungsprozesses", da diese aber „nicht immer in der angegebenen Reihenfolge" durchlaufen werden (Rehbein 1977, 184), ist es besser, von Aspekten zu sprechen, die in ein logisches Nacheinander gebracht sind: 1.Eine Handlung entsteht in einem „Handlungskontext", es gibt eine „Vorgeschichte" (Rehbein 1977, 138 ff.), ein Vor-Wissen der Beteiligten über die Situation (vgl. Austin 1977). 2. Die Situation wird „eingeschätzt" (Harras 1983, 73; Rehbein 1977, 143 f.), d . h . bewertet (Rehbein). 3. Es entsteht eine „Motivation", entsprechend den Präferenzen, Prinzipien (Austin), Maximen (Ehlich/Rehbein 1977), H a n d lungsdispositionen der Beteiligten. 4. Mit der Motivation entsteht die „Zielsetzung" in der Regel gleichzeitig. 5. Um dieses Ziel zu realisieren, wird eine „Entscheidung" über die „Mittel" (Austin 1977, Rescher 1977) getroffen; eine „Planbild u n g " wird vorgenommen (Rehbein 1977, 146 ff.), die H a n d lung wird „vor-organisiert" (Rehbein 162 ff.). Dies ist vor allem für komplexere Handlungen relevant. 6. Die Handlung wird in einer bestimmten Art und Weise (Rescher 1977) „durchgeführt", sie wird „ausgeführt" (Harras 1983). Für sprachliches Handeln entspricht dem das Äußern eines
1.3. Stil im sprachlichen Handeln
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Satzes, eines Textes, eines Gesprächsbeitrags... Das Durchführen wird inbezug auf (den Plan und) das Ziel kontrolliert (Austin 1 9 7 7 , Rehbein 1 9 7 7 , 176), notfalls revidiert. 7. Das „Resultat" (Rehbein), „Ergebnis" (Harras 1 9 8 3 , 3 0 ff.) besteht in dem intersubjektiven Sinn der Äußerung, in dem, als was die Äußerung „gilt". Bei einfachen Sprachhandlungen ist dies die Illokution oder für komplexere Einheiten deren Entsprechungen. 8. Das Ergebnis hat eine oder mehrere „Folgen" (Harras 1 9 8 3 , 3 0 ff.), „Nachgeschichten" (Rehbein 1977); Folgen sind für sprachliches Handeln die konventionellen und die unkonventionellen Perlokutionen. Für die Bestimmung der Handlung sind nur die konventionellen Folgen relevant, nicht die unkonventionellen Folgen; mit diesen muß aber auch gerechnet werden. Durch die Folgen ist die Situation verändert. Ein einfaches konstruiertes Beispiel: A und B sind im Auto in der Stadt unterwegs, sie müssen es abstellen (Handlungskontext). B als Beifahrer entdeckt eine Parklücke, die A als Fahrer ,übersehen' hat (Einschätzung der Situation). B gewinnt die Motivation, bildet das Ziel, das Auto in der Parklücke abzustellen. Der Plan ist, A aufzufordern, dies zu tun. B führt die Handlung durch mit der Äußerung: Da drüben äh parken Sie doch da drüben. Das Ergebnis ist, daß A weiß, wo sie parken kann, und daß sie weiß, daß B das für die richtige Parkmöglichkeit hält. Als konventionelle Folge wird sie die Parklücke ansteuern. Im Rahmen weniger konventioneller Folgen kann sie sich bei B bedanken und/oder sich dafür entschuldigen, daß sie die Lücke nicht selbst gesehen hat; als weitere Folgen können A und B zur rechten Zeit an ihr Ziel kommen, kann A B für einen aufmerksamen Beifahrer halten usw. (Zu authentischen Beispielen s. Rehbein 1 9 7 7 , z.B. 140). Welche Rolle kommt nun dem Stil im Lichte dieser Handlungsaspekte zu? 1'. Die Information über die Situation ist notwendig, um dann die Handlung dieser Situation angemessen durchzuführen: schriftlich oder mündlich, dem Medium entsprechend, der institutionellen Rollenbeziehung oder/und der individuellen Beziehung entspre-
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
chend; auch Zeit und Ort können eine Rolle spielen (Rescher 1977, 4). Wichtig wird aber nur die „relevante Umgebung" (Rescher, 4; Rehbein 1977, 262 ff.), nicht sämtliche Einzelheiten der Situation. Einige der in 1.2. herausgestellten Typen stilistischen Sinns spielen also von vornherein, situationstypisch, eine Rolle, noch bevor überhaupt eine Motivation oder Zielsetzung entstanden ist: schriftlich/mündlich, Medium, Institution mit Rollen und evtl. Zeit- und Raum-Gegebenheiten, die Beziehung der Beteiligten. Sie sichern u.a. eine Kontinuität, Einheitlichkeit (s. 1.5.5.) des Stils über einzelne (Teil-)Handlungen hinaus. Ich kann z. B. einen privaten Brief (Medium, Rollenbeziehung) zwar im Plauderton schreiben aber nicht in spontanem Sprechen, Anreden wie sehr verehrte Frau Kollegin und Verabschiedungen wie Ihr Ihnen sehr ergebener scheiden aus, usw. 2'. Die Einschätzung der Situation mit ihren stilistisch relevanten Komponenten nach 1' findet ihren Ausdruck in der Art, wie die Handlung durchgeführt wird: in welcher R e l a t i o n die konkrete Durchführung der Handlung zu dem steht, was in einer Situation dieses Typs (mit diesen Komponenten) erwartbar ist. Besondere Einstellungen zum Selbst des Sprechers/Schreibers (Selbstdarstellung), zum intendierten Rezipienten (Adressatenberücksichtigung), zur Beziehung (Beziehungsgestaltung) spielen hier — wiederum (teil-)handlungsübergreifend — eine Rolle. Weitere Einstellungen werden wichtig: zur Art der Textübermittlung (schriftlich, mündlich: reden wie gedruckt), zum Medium (z.B. ein Leserbrief an den Spiegel im Spiegelstil), zum institutionellen Rahmen (die 'professorale' oder die 'saloppe' Redeweise eines Professors). 3'. Bei der Motivation können Präferenzen für Stileigenschaften wichtig werden, auch Handlungsmaximen (z. B. Rollen 'formvollendet' oder möglichst 'unkonventionell' zu gestalten). Präferenzen können zu den konventionellen Handlungsfolgen hinzukommende Nebenwirkungen (s. 8') hervorrufen (s. Harras 1983, 71). So kann man eine Rede beginnen mit der Formel Meine Damen und Herren! oder mit einer 'vornehmer' wirkenden Abwandlung der Formel: Meine Damen, meine Herren! oder mit Ah also... oder die Dame(n) für irrelevant ansehen mit Meine Herren!.
1.3. Stil im sprachlichen H a n d e l n
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4'. Der Zielsetzung als Handlungsaspekt entspricht die Stilabsicht. In dieser Stilabsicht gehen die unter Punkt 1' bis 3' erwähnten Aspekte ein. Die Stilabsicht kann sich direkt auf die Handlung beziehen, z.B. eine Aufforderung möglichst wirksam oder „egal wie" durchzuführen; sie kann auch der Handlungsabsicht eine Nebenabsicht hinzufügen: z. B. der Handlung eine ,ästhetische' Note zu geben. 5'. Der Handlungsabsicht und der Stilabsicht entsprechend werden die Mittel aktiviert. Von Plan im Sinne einer Sequenz von auszuführenden Teilzielen kann bei Stil nicht die Rede sein. Vielmehr geht es um die Wahl der Stilebene, des zu ziehenden Registers (im unterminologischen Sinn) wie Hochsprache, Fachsprache, spontanes Sprechen mit oder ohne Dialekteinschlag..., um die Wahl spezifischerer Inventare im Zusammenhang mit dem Handlungsziel: für ein Märchen das Märcheninventar (vgl. Stolt 1978), für ein Therapiegespräch bestimmter Art in der Therapeutenrolle ein Inventar duzentrierten Sprechens (Sandig 1983, 164 f.), das Telegrammstilinventar für ein Telegramm, usw. „Stil als Wahl" ist in diesem Kontext zu verstehen als Wahl des Inventars, oder auch mehrerer Inventare, das/die zum Realisieren des Handlungsziels geeignet ist/sind (angesichts von Situation, Einstellung, Motivation). Zur Zweckgebundenheit stilistischer Sprachverwendung und deren Mitteln in der Sprache s. auch Riesel/Schendels (1975, 17 f.). 6'. Die Durchführung der Handlung besteht unter stilistischem Gesichtspunkt darin: Aus den zur Verfügung gestellten Inventaren (vgl. auch 1.5.4.: Mustern) werden im Äußern (des Satzes, Textes ...) einzelne Elemente verwendet: anderen Möglichkeiten, die die Sprache auch zur Verfügung stellen würde, vorgezogen. Es entsteht ein Satz, T e x t . . . mit spezifischen stilistischen Eigenschaften (vgl. 1.5.). „Stil als Wahl" ist hier zu verstehen als das Auswählen von Elementen spezifischer Teilmengen der Sprache (nicht der Sprache als ganzer!, vgl. 5') zum Zweck der Realisierung des Handlungsziels, des Ausführens der Äußerung(en). Die Art des Durchführens der Handlung kann weiter versehen werden mit Einstellungen des Sprechers/Schreibers zur Handlung selbst (unter den gegebenen Umständen) oder zu deren Inhalt: Ironische oder engagierte Durchführung, auch explizite versus andeutende Dar-
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
Stellung, emotionale Darstellung usw. hierzu.
gehören
beispielsweise
7'. Das Ergebnis (Resultat) dieses stilistischen Wählens („Stil als Wahl" = Ergebnis des Wählens) ist eine Handlung, die mit NebenSinn verschiedener Art ausgestattet ist: Sie ist, durch die Art der Durchführung — auf die Situation bezogen, — mit Einstellungen des Sprechers versehen, — zu relationieren (1.5.) mit den Durchführungskonventionen, die für diesen Situationstyp gelten, für Handlungen dieses Handlungstyps. 8'. Zu den Folgen einer so durchgeführten Handlung gehört die Stilwirkung, genauer gesagt: gehören die Wirkungen des Stils. Die Stilwirkung wird sich als Ausdruck in der Regel auf die hervorstechendsten Eigenschaften des Stils beziehen; die übrigen Nebenwirkungen, die weniger deutlich auch vorhanden sind, geraten dabei nicht in den Blick (vgl. Austin 1 9 7 7 , 36). Die Stilwirkung hat in der Situation einen Einfluß auf die weiteren Stilerwartungen. Diese Darstellung zeigt, wie Stil verwoben ist mit dem Handeln. Die Informationen über die Situation, die Einstellungen dazu und die Aspekte der Motivation schlagen durch bis in die Handlungsdurchführung, sie z e i g e n s i c h in dieser. Dadurch wird die Handlung im Vollzug, i n d e r D u r c h f ü h r u n g auf die konkrete Situation bezogen. Die Eigenschaften der Situation, die Einstellungen zu dieser und zur Handlung mit ihrem Inhalt, die Art der Motivation wirken sich also in der Art der Durchführung aus. Dies spricht ganz besonders dafür, nicht nacheinander zu durchlaufende Stadien anzunehmen, was nach Rehbein nicht strikt gilt, sondern es spricht für die Annahme von nur logisch geordneten Aspekten der Handlung. Durch den Bezug auf die Handlungsaspekte ist es möglich, die Kategorien der Stilbeschreibung (Stilabsicht, Äußerung, Stilwirkung) in einer Weise zu relationieren, die ihre Begründung im größeren Zusammenhang des Handelns hat — da Stil ja Teilaspekt
1 . 3 . Stil im sprachlichen Handeln
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des Handelns ist und Funktionen für dieses hat. Demgegenüber geht es bei Riesel/Schendels (1975, 9) in der Stilistik nur um „das Erfassen der W e c h s e l b e z i e h u n g zwischen Aussageabsicht, Aussageinhalt, Aussageform und Aussagewirkung beliebiger Informationen" (Hervorhebungen verändert: B.S.). Dies zeigt den Vorteil der Lokalisierung von Stil im Handeln; auch werden dadurch die Funktionen sowohl vorgegebener „Verwendungsweisen" der Sprache (Riesel/Schendels 1 9 7 5 , 14 ff.), als auch individueller Verwendungen erfaßt. 1.3.2. Handlungsmuster In seine Definition der Handlung nimmt Rehbein ( 1 9 7 7 , 1 8 4 f.) außer den Handlungsaspekten eine weitere Bestimmung auf: Die Durchführung im Zusammenhang der aufgeführten Handlungsaspekte muß „die Anwendung eines Handlungsmusters" (185) sein (vgl. Rescher 1 9 7 7 , 2 f.). Was ist darunter zu verstehen? „Muster sind gesellschaftlich produzierte und reproduzierbare Handlungsformen" (Rehbein 1 9 7 7 , 137); es sind intersubjektiv verfügbare Vorgaben, die regeln, daß eine Äußerung als eine Handlung (eines Typs) gelten kann. Handlungsmuster sind Einheiten der Kompetenz; konkrete Handlungen sind Realisierungen des Musters (Performanz). Handlungsmuster sind von Handlungstypen (s. 1.2.) zu unterscheiden: Handlungstypen sind z . B . F R A G E N , AUFFORD E R N , E R Z Ä H L E N . . . ; im Handlungsmuster sind Verknüpfungen von Äußerungsformen mit Handlungstypen konventionell vorgegeben. Wie kann man Handlungsmuster beschreiben? Zunächst gehört zum Handlungsmuster der Zusammenhang von Handlungstyp und Äußerungstyp (vgl. auch Ehlich/Rehbein 1979). Eine Handlung eines Typs wird nach einem Muster vollzogen (durchgeführt), i n d e m eine Äußerung (eines Typs, in einer Situation) gemacht wird. So werden beim Einfahren eines Zuges in den Bahnhof die Personen auf dem Bahnsteig gewarnt, um Vorsicht gebeten, indem geäußert wird: Bitte von der Bahnsteigkante zurücktreten. Hier gehört es zum Handlungsmuster des , W A R N E N S in diesem Typ von Situation', daß in der Regel diese stereotyp gewordene Äußerung verwendet wird. Hier besteht also ein routinemäßiger (Reh-
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
bein 1 9 7 7 ) Zusammenhang zwischen Situationseinschätzung und Durchführung der Handlung. Sonst jedoch gibt es vielfach Alternativen der Ausführung, die im Handlungsmuster bereits angelegt sind. Die Alternativmöglichkeiten sind oft wieder Muster. Heringer ( 1 9 7 4 , 47) gibt dafür folgendes Beispiel: „So kann ich nicht nur jemanden begrüßen, indem ich ihm zulächle oder ihm die Hand gebe, ich kann ihm unter gewissen Bedingungen auch den Fuß geben, und er wird das als Begrüßung verstehen." Heringer beschreibt ebda, ein solches Handlungsmuster mit seinen Alternativen als „Zerlegung". Dies sei am gegebenen Beispiel demonstriert (der Pfeil steht für indem, vgl. Harras 1 9 8 3 , 4 9 , Adamzik 1 9 8 4 , 111 ff.; die Schweifklammern stehen für Alternativen):
GRÖSSEN •
ZULÄCHELN DIE H A N D G E B E N x SAGEN x RUFEN D E N HUT LÜFTEN
Die möglichen Alternativen (Varianten, Sandig 1 9 7 8 , 87) des Handlungs m u s t e r s sind konventionell (Heringer 1 9 7 4 , 47), sie sind aber im konkreten Fall, wie Heringers Beispiel zeigt, um individuelle Abweichungen zu erweitern. Abweichungen sind, um als Realisierungen des Handlungsmusters, z. B. GRÜSSEN, gelten können, an Bedingungen gebunden: a) Heringer schreibt „unter gewissen Bedingungen" (s. o.), die für GRÜSSEN allgemein gelten, b) eine Verwandtschaft mit Musteraspekten muß gegeben sein. (So wird „den Fuß geben" in den Bedingungen und in der Form der Geste so verwandt sein mit DIE H A N D G E B E N , wie die Beschreibung „den Fuß geben" ähnlich ist mit der Beschreibung „die Hand geben".) Stilistisch relevant sind diese Handlungsmuster-Zusammenhänge in folgender Weise: a) Die Alternativen der Durchführung, die das Muster konventionell bereithält, sind meist auch vorgegebene stilistische Alternativen. (Was allerdings der stilistische Sinn der einzelnen Äußerung ist, läßt sich in der Regel nur in größeren Zusammenhängen
1 . 3 . Stil im sprachlichen Handeln
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eindeutig machen, vgl. 1.5.1.: in der Musteranwendung.) Es gibt auch Fälle (wie das Bahnsteigbeispiel zeigt), wo es konventionell zum Muster gehört, daß es keine Alternativen gibt: Auf dem Bahnsteig V O R D E M E I N F A H R E N D E N Z U G W A R N E N ^ Ä U S S E R N Bitte von der Bahnsteigkante zurücktreten. Auch dieses Fehlen von Alternativen wirkt stilistisch (z.B. als Zeichen der Institutionsgebundenheit des Warnens). Die Mittelwahl als Handlungsaspekt (vgl. 1 . 3 . 1 . , 5') wird durch die im Muster bei feststehendem Handlungsziel (vgl. 4') vorgegebenen konventionellen Alternativen ein Stück weit erleichtert: Es gibt konventionelle Vorgaben. b) Es gibt die Möglichkeit individueller Abweichung, außerhalb des konventionell vorgegebenen Rahmens; es gelten jedoch Bedingungen dafür, daß die Abweichung in der beabsichtigten Weise verstanden werden kann. Deshalb kann nicht von der Äußerung allein auf die Handlung geschlossen werden, sondern nur von der Äußerung im Handlungskontext (vgl. 1.3.1., 1.5.1.). c) Die stilistischen Vorgaben des Handlungsmusters können noch weiter gehen. So sind die Muster x S A G E N und x R U F E N weiter aufzufächern (vgl. Harras 1 9 8 3 , 4 9 ) , z . B . für x S A G E N :
GRUSSEN
x SAGEN
ÄUSSERN
guten Tag guten Morgen Grüß Gott Wie geht's?
Das Handlungsmuster ist also in diesem Fall über die Alternativen der Ausführung bis zum äußernden Wortlaut festgelegt („Routineformeln"). Die formelhaften Äußerungen des Musters haben in Relation zueinander einen vorgegebenen Stilwert (der allerdings im Kontext bestätigt oder modifiziert werden kann). In anderen Fällen jedoch sind die Äußerungsmöglichkeiten variabler: So stellt Hindelang ( 1 9 7 8 ) eine eindrucksvolle Liste von Äußerungsmöglichkeiten (Äußerungsformen) für Aufforderungshandlungen zusammen (S. 12—18). Um den Zusammenhang von Handlungsmustern zu beschreiben, geht Hindelang dreistufig vor
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
(1978, 143): „Welche Auswahl aus dem Bedeutungsrepertoire seiner Sprache kann ein Sprecher zur kommunikativen Bewältigung eines Situationstyps (AUFFORDERN, B.S.) treffen? Die Auswahl auf der semantischen Ebene impliziert bereits eine weitgehende Vorentscheidung hinsichtlich der grammatischen Eigenschaften der Äußerungen." Es entsteht — vereinfacht dargestellt — ein Beschreibungssystem der folgenden Art (vgl. 1978, 144): Handlungsmuster
semantische Muster der Äußerungs formen
grammatische Eigenschaften der Äußerungen
Für das Handlungsmuster AUFFORDERN (und seine Untermuster VORSCHLAGEN, BEFEHLEN, BITTEN, ERPRESSEN usw.) gelangt Hindelang (1978, 161) zur Unterscheidung der konventionellen Äußerungsformen in (i) „Performativ" (Verwendung der explizit performativen Formel Ich fordere dich/Sie/... (hiermit) auf) und (ii) „Handlungszuweisung" in imperativischer Form. Weiter wird unter semantischem Gesichtspunkt wichtig die „Präferenzdimension", die „Befolgungsdimension", die „deontische Dimension" und die „Kompetenzdimension". Diese vier letzteren Dimensionen sind jeweils als Hinweis oder als Frage zu formulieren. So ergeben sich in semantischer Hinsicht 10 verschiedene Möglichkeiten. Diese semantischen Muster sind weiter zu unterdifferenzieren je nachdem, ob der Adressat angesprochen wird, ob der Zeitpunkt, zu dem die Aufforderung ausgeführt sein soll, genannt wird, oder ob der gewünschte Ergebniszustand genannt wird. Bei dem schon erwähnten Beispiel des Auto-Parkens haben A und B beide das Interesse, das Auto abzustellen. B's Äußerung gilt also als Aufforderung „mit beidseitiger Präferenz", d. h. als Vorschlag (Hindelang). Durch die im Handlungsmuster vorgegebenen Alternativen hat B u. a. folgende Äußerungsmöglichkeiten: (2)
a b c d e
Ich schlage (Ihnen) vor, das Auto dort drüben abzustellen. Parken Sie (das Auto) (doch) dort drüben! Ich würde dort drüben parken. Ich hätte dort drüben geparkt. Möchten Sie nicht den Platz dort drüben nehmen?
1 . 3 . Stil im sprachlichen Handeln
f g h i \ k 1 m n
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Dort drüben haben Sie (gleich) (einen) Platz. Werden!würden Sie dort drüben parken? Sie müssen das Auto dort drüben abstellen. Hier dürfen Sie das Auto nicht abstellen aber dort drüben. Hier darf das Auto nicht bleiben aber dort drüben. Müssen wir nicht woanders parken, z. B. dort drüben? Können!könnten Sie (nicht) dort drüben parken? Sie können!könnten den Platz dort drüben nehmen. Wäre das dort (nicht) ein Platz für uns?
Wie Hindelang (1983) im Zusammenhang der Darstellung von Handlungsmustern andeutet, haben die Handlungs-Alternativen inbezug auf e i n Ziel (Harras 1 9 7 8 , 2 4 ) verschiedenen stilistischen Sinn: So ist (2a) Ich schlage Ihnen vor, das Auto dort drüben zu parken förmlicher' als (2c) Ich würde (das Auto) dort drüben parken. Außerdem wird mit (2a) die Beziehung ,vorsichtiger', Respektierender' gestaltet als mit (2i) Hier dürfen Sie das Auto nicht abstellen, das eher ,autoritären' Sinn hat. Bei (2f) wird der Vorschlag durchgeführt, indem eine Information gegeben wird: Dort drüben haben Sie Platz; im Unterschied dazu wird der Vorschlag in (2g) Würden Sie dort drüben parken? mit einer ,vorsichtigen' Frage durchgeführt, in die die Information als Präsupposition eingelagert ist: ,daß dort drüben ein Parkplatz ist'. Die Beschreibung zeigt, daß die stilistischen Unterschiede durch Vergleichen als Methode dargestellt werden können. Der stilistische Sinn einer Handlungsdurchführung wird von den Beteiligten erst durch die Kenntnis anderer im Handlungsmuster gegebener Alternativen erkannt. Durch Vergleichen (und durch Angabe von Kriterien für den Vergleich, das Handlungsmuster) kann dies methodisch dargestellt werden. Für eine Methode der Beschreibung mittels «Wem-Zusammenhängen s. Sandig ( 1 9 7 8 , 115 ff., 1 2 9 ff.). Diese Beispiele sind nun noch weiter stilistisch zu modifizieren: für das Auto, der Wagen oder die Kiste... als Ausdrücke für verschiedene Einstellungen zum Gegenstand und zur Beziehung, du statt Sie oder auch dialektales Ihr als Beziehungsgestaltung; parken, abstellen, hinstellen, loswerden usw., auch Aussprachevariationen, emotionales und spontanes Sprechen wie im anfangs gegebenen Beispiel sind möglich:
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
o Da drüben, da können
sie ihn
hinstellen.
Über die Variation hinaus, die im Muster vorgegeben ist, werden also die Möglichkeiten stilistischer Variation im Durchführen wichtig, die von konkreten Handlungszwecken unabhängig sind: Es ist gerade die Variation, die die Handlungen verschiedenen Typs auf die Situationsgegebenheiten (hier: mündlich, privat) und die Einstellungen und Präferenzen bezieht (spontan, Art der Beziehungsgestaltung, usw.). Darüber hinaus gibt es weitere Durchführungsmöglichkeiten für Handlungsmuster verschiedenster Art wie A N D E U T E N (Hindelang 1978, 161) oder IRONISIEREN usw.: (2)
p Ich sehe ein Plätzchen. q Auch da drüben ist kein winziges Plätzchen zu
finden.
Dieses einfache Beispiel (kein Text, nur jeweils eine einzige Äußerung) zeigt die Vielfalt stilistischer Variationsmöglichkeiten auf, die den Gegenstand Stil so variabel und damit so schwer greifbar machen. Generalisiert können diese Zusammenhänge folgendermaßen dargestellt werden:
Handlungsmuster —
Durchführungsalternativen — keine Alterna tiven — alternative Muster für dieses Handlungsmuster — Abweichen von diesen Mustern — generelle Durchführungsmuster wie A N D E U TEN, IRONI SIEREN,...
speziellere semantische Eigenschaften — Art der Deixis — mit oder ohne Anrede — Ausdrücken der Voraussetzung, des Ergebnisses
sprachliche Inventare für: - Arten der Beziehungsgestaltung - Arten des Situationsbezugs - Arten der Einstellung
1 . 3 . Stil im sprachlichen Handeln
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In die konkrete Handlungsdurchführung gehen ein: — die im Handlungsmuster vorgegebenen Alternativmöglichkeiten und deren unterschiedlicher Sinn relativ zueinander, — deren speziellere semantische (propositionale) Durchführungsmöglichkeiten mit deren Bedeutungen und — die Elemente der Inventare, die dem Sprecher/Schreiber für die Gestaltung der Situationsaspekte, der Einstellungen und der Präferenzen verfügbar sind. Wichtig ist dabei: da die Handlung, wie in 1.3.1. gezeigt wurde, i n der Situation, a u s ihr entsteht, sind nicht nur (wie oft angenommen) die spezifischen Inventare der letzten Spalte stilistisch, sondern a l l e Alternativen (oder: mangelnde Alternativen) sind stilistischer Art. Nicht nur die Beschreibung der Handlungsaspekte, sondern auch die Beispiele zeigen: Stil ist nicht tatsächlich zu isolieren (wohl aber kann er für sich in den Blick geraten). W i e die Handlung (eines Typs) mit ihrem Inhalt (propositionalen Gehalt) vollzogen, durchgeführt wird (und dadurch diese besondere Handlung wird), das i s t der Stil, das gibt der Handlung den stilistischen Sinn. Im Vergleichen der besonderen Handlungsdurchführung mit anderen Möglichkeiten, die es unter diesen Umständen gäbe, mit dem Blick auf die (oft vielfältigen) Alternativen also, ist der Beitrag des Stils zum Ganzen der (nach einem Muster) durchgeführten Handlung zu ermitteln. Insofern ist Vergleichen eine herausragende stilistische Methode (vgl. Sandig 1 9 8 3 b , 16 ff. und Sandig 1 9 8 3 ) . Die im Muster vorgegebenen konventionellen Alternativen haben unterschiedliche Stilpotentiale; diese können verstärkt werden oder anders modifiziert werden durch die Verwendung von Elementen aus den beziehungsgestaltenden usw. Inventaren:
(2)
r Könn Se die Kiste nich da drübm loswern? s Können Sie den Wagen nicht dort drüben abstellen? m Sie können den Platz dort drüben nehmen. t Dort drüben ist eine Parkmöglichkeit.
Über einen bestimmten stilistischen Sinn (Stilwert) läßt sich jedoch meist nur in größeren Kontexten entscheiden: eine Äußerung in
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
Relation zur Situation (vgl. 1.5.1.), im Kontext mehrerer Äußerungen, die einen Text(teil) bilden, oder auch im Vergleich zweier Äußerungen wie die in (2) r und s aufgeführten. Für den Zusammenhang von Handlung und Äußerung habe ich in Sandig (1978, 15) den Terminus Formulierung eingeführt. Ist dieser Zusammenhang bei der Art der Handlungsdurchführung konventionell, so spreche ich von Formulierungsweise; bei unkonventionellem (individuellem, abweichendem Zusammenhang) spreche ich von Formulierungsart. Dies ist zu ergänzen (Püschel 1982): Die Art des Zusammenhangs ergibt (in der Situation für die Beteiligten) stilistischen Sinn und Stilwirkung(en). Analog zur Beschreibung von Handlungstypen wie AUFFORDERN als Handlungsmuster können auch andere Handlungsmuster beschrieben werden (s. 2.1.1.: Textmuster und 1.7.3.: Stilmuster). 1.3.3. Ziehharmonikaeffekt Ein weiterer wesentlicher Gesichtspunkt von Handlungsbeschreibungen ist der „Ziehharmonikaeffekt" (Harras 1983, 23 ff., Davidson 1977). Bezogen auf die zu Beginn dieses Kapitels dargestellten Handlungsaspekte werden hierbei die Aspekte Durchführen, Ergebnis (Resultat) und Folge(n) genauer in den Blick genommen. Je nach dem Zweck der Handlungsbeschreibung (Harras 1983, 25) kann ich die Äußerung (das Durchführen) betrachten, mich auf das Ergebnis oder eine oder mehrere Folgen konzentrieren, ich kann auch deren Zusammenhänge betrachten. „Die Ziehharmonika, die beim Auseinanderziehen und Zusammenziehen dieselbe bleibt, ist nichts anderes als die Handlung selbst. Was sich verändert, sind die beschriebenen Aspekte oder die Beschreibungen des Ereignisses" (Davidson 1977, 303). Der Bezug auf weitere Handlungsaspekte wie die relevanten Aspekte der Situation (vgl. 1.3.1.) ist dabei ausgespart. Z. B. kann man die Handlung von B beim Parkplatzsuchen so beschreiben: „B artikulierte sehr deutlich: Auch da drüben ist kein winziges Plätzchen zu finden." (Aspekt des Artikulierens) oder: „B machte den A ironisch auf eine Parklücke aufmerksam." (illokutio-
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1.3. Stil im sprachlichen Handeln
närer Aspekt mit Einstellung) oder: „ B sagte, es gebe überhaupt keinen Platz" (propositionaler Aspekt) oder: „ B vergrätzte den A . " (Wirkungen, Folgen) oder: „ B fand keineswegs die passenden Worte, um A auf den Parkplatz aufmerksam zu m a c h e n . " (Bewertung der Äußerung), usw. usw. Es werden also je nach dem Zweck verschiedene Aspekte in den Blick genommen, einmal enger gefaßt, einmal weiter (Harras 1 9 8 3 , 2 4 ff.). „ M a n kann mit einem einzelnen Ausdruck, der beschreibt, was er (eine bestimmte Person, B.S.) tat, entweder eine kleinere oder eine größere Kette von Ereignissen umfassen, wobei die durch die engere Beschreibung ausgeschlossenen Ereignisse dann „Konsequenzen", „Ergebnisse", „Wirkungen" o. ä. seines Handelns genannt werden" (Austin 1 9 7 7 , 3 8 ) . Die in 1.3.1. dargestellten Handlungsvoraussetzungen 1. bis 5. sind dabei allerdings aus der Beschreibung herausgelassen. Die folgende Darstellung bezieht sich nur auf den Handlungsaspekt Stil, in Abwandlung von Harras ( 1 9 8 3 , 2 5 ff.): enger Schriftbild/Artikulier-
weiter
Äußerung Ergebnis (mit sprachlicher Be/ stilistischer Sinn (für die Beteiligten unter Situationsvoraussetzungen) J
Folge 1 f~ /
Folge 2
Stilwirkung (auf die Beteiligten unter SituationsvorausSetzungen)
Was Stil zum Ergebnis der Handlung (Illokution) beiträgt, nenne ich „stilistischen S i n n " : die Berücksichtigung der Situation mit Kanal, Medium, evtl. Institution, die Gestaltung der Beziehung mit Selbstdarstellung (Rollengestaltung) und Adressatenberücksichtigung, die sinn-volle Art der Handlungsdurchführung und der
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
Sachverhaltsdarstellung. Was Stil zu den Folgen der Handlung (Perlokution) beiträgt, nenne ich „Stilwirkung". Welche Handlungsaspekte bei Stilwirkungen für die Beteiligten eine Rolle spielen, wird in 1.4. genauer analysiert. Während Handeln grundsätzlich intentional ist (vgl. den Handlungsaspekt „Ziel"; Harras 1983, 131 ff.), können Folgen wie die Stilwirkungen absichtlich wie auch „nicht absichtlich herbeigeführt worden" sein (Harras 1983, 31); es ist offenbar nicht möglich, alle Handlungsanteile immer zu kontrollieren (zur Kontrollierbarkeit s. Brennenstuhl 1975). Die linke Spalte der Darstellung gilt dem Aspekt des Hör- oder Sichtbaren, dem körperlich vollzogenen Anteil der Handlung, der sog. Basishandlung (Harras 1983, 50 ff.). Hierdurch können in der Situation stilistischer Sinn und Stilwirkungen ausgedrückt bzw. interpretierend zugeschrieben werden: Man sagt etwas Freundliches in freundlichem Ton, oder eine Kritik in freundlichem Ton; eine inhaltlich freundliche Äußerung kann in verächtlichem oder wütendem Ton vorgebracht werden (vgl. U. Geißner 1985). Ähnlich kann die Art des Schriftbildes die Handlung mit weiterem Sinn ausstatten (vgl. Zillig 1980). Weiter können syntaktische, lexikalische, morphemische Eigenschaften der Äußerung(en) stilistischen Sinn und Stilwirkungen hervorrufen und ebenso kann das Ergebnis in Relation zu Eigenschaften der Situation des Handelns wirken. (So kann die Tatsache, daß jemand eine Handlung dieser Art vollzieht oder unterläßt, bereits stilistisch wirken). Dabei können die Stileigenschaften der linken Spalten zusammenwirken, sie können aber auch unterscheidbaren stilistischen Sinn und Stilwirkungen hervorrufen. Braselmann (1981, 156) unterteilt die „illokutionären Effekte" in: 1. Verstehen (mit denotativer Bedeutung = propositionaler Gehalt, B.S., und illokutionärer Rolle), 2. Zustandsänderung, 3. (Verpflichtung zur, B.S.) Fortsetzung und 4. Konnotation (kollokutionärer Effekt). Unter Konnotation versteht sie das Stilistische als etwas Fakultatives, das hinzukommen kann. Hier wird also zwischen verschiedenen Arten von Ergebnissen unterschieden.
1.3. Stil im sprachlichen Handeln
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Wichtig ist: Die Basishandlung (der körperlich vollzogene Handlungsanteil) erhält die Illokution von den Beteiligten in einer Situation aufgrund der Kenntnis von Handlungstypen interpretierend zugesprochen (Harras 1983; Harras 1977, 287). Ebenso wird stilistischer Sinn aufgrund der Kenntnis von Typen stilistischen Sinns interpretierend zugeschrieben. Wie in 1.4. zu zeigen sein wird, hat auch die Zuschreibung von Stilwirkungen die Kenntnis von Stilwirkungstypen zur Voraussetzung. Die Rekonstruktion von Funktionstypen ermöglicht die angemessene Beschreibung von Stil unter dem Gesichtspunkt seiner Funktionen. 1.3.4. Stil im Handlungsprozeß Die Handlung entsteht i n der Situation, und sie wirkt auf sie zurück (Folgen). Diese „Reflexivität" (vgl. Garfinkel 1967) kann in zweifacher Weise gesehen werden: Einmal für eine komplexere Handlung als ganze, zum andern für jede einzelne Teilhandlung — auch dies eine Frage der Beschreibung: „Wir können sagen, daß er (der Handelnde, B.S.) ein Bild gemalt oder eine Schlacht geschlagen hat; oder wir können sagen, daß er zuerst diese Operation durchführte und dann jene." (Austin 1977, 38) Die letztere Sehweise ermöglicht es, die Handlung als Prozeß zu modellieren: Als Folge jeder Äußerung ist die Situation für die nächse Teil-Handlung verschieden. (Vgl. zu einer Modellierung des prozessualen ERZÄHLENS Quasthoff 1980, 46 ff.). Dieser Prozeßcharakter des Handelns, dem auch die Handlungsaspekte Plan und Duchführung Rechnung tragen, ermöglicht es, Stilherstellen und Stilrezipieren in den Kontext des Stils im Handeln einzubeziehen. Es ändert sich jedoch nicht die gesamte Situation mit jeder Äußerung. In der Regel bleiben Handlungsaspekte wie schriftlich/mündlich, Medium, Institution, Rollenbeziehung, Einstellungen und Präferenzen gleich. So legt der Stil über die Veränderbarkeit der Teilhandlungssituationen eine ruhigere, einheitliche Struktur (vgl. Kap. 1.5.5. „Einheitlichkeit"). Sobald sich jedoch bei dieser Art von Handlungsaspekten etwas ändert, ändert sich der Stil - wie schon Labov (1976, auch Sandig 1984b) gezeigt hat. Auch neue Teil-Handlungen oder neue Teilthemen (Teil-Handlungsinhalte) können durch die Änderung des Stils angezeigt werden (s. 1.5.5.).
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
Für die Beschreibung von Stil ergibt sich: — Es ist zu unterscheiden, ob Handlungsmuster, Inventare für Handlungsaspekte oder Durchführungen konkreter Handlungen analysiert werden. — Bei Handlungen ist zu unterscheiden, ob die Äußerung, das Ergebnis oder eine oder mehrere Folgen Gegenstand der Analyse sind, oder auch Zusammenhänge zwischen diesen: Der zu beschreibende Ausschnitt sollte im größeren Zusammenhang der Handlungsaspekte lokalisiert werden (Ziehharmonikaeffekt und relevante Handlungsvoraussetzungen). — Es ist zu beachten, daß Handlungsbeschreibungen und damit auch Stilbeschreibungen zu bestimmten Zwecken gemacht werden; über diese ist möglichst Auskunft zu geben. 1.3.5. Sprechakte Für einfache sprachliche Handlungstypen ist eine eingebürgerte Beschreibungsart die Beschreibung von Sprechakten mit ihren Teilakten: Äußerungsakt (der geäußerte Satz), Illokutionsakt (Ergebnis der Handlung, Zuschreibung eines Handlungstyps zur Äußerung), propositionaler Akt (Handlungsinhalt) mit den Teilakten Referenzakt (für das Bezugnehmen auf Gegenstände im weitesten Sinn) und Prädikationsakt (für das Relationieren dieser Gegenstände, das Zuschreiben von Eigenschaften, Aktivitäten usw.) und der Perlokutionsakt (Folgen); die „Voraussetzungsbedingungen" (Wunderlich 1972, 147) beziehen sich teilweise auf relevante Situationsaspekte. Dies ist nach Harras (1983, 119) eine Ausfüllung des „Ziehharmonikaeffekts". Diese Beschreibungsart der sprachlichen Handlung wurde in verschiedenen Hinsichten erweitert, wodurch stilistischer Sinn und Stilwirkungen, die mit ausgedrückt werden, erfaßt werden können: a) Es werden weitere Teilakte angenommen: — Keller (1977) nennt denjenigen Teilakt, der dem Ausdrücken von Einstellungen dient, den kollokutionären Akt (s. Kap. 2.4.1.).
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1.3. Stil im sprachlichen Handeln
Am Beispiel von 1.3.2. exemplifiziert: In (2r) Könn Se die Kiste nich da drübm loswern? wird mit dem Ausdruck die Kiste eine wertende und/oder emotionale Einstellung ausgedrückt. — Der Beziehungsaspekt wird bei von Polenz ( 1 9 8 0 , 1 9 8 5 ) , bei Holly ( 1 9 7 9 ) und bei Adamzik ( 1 9 8 4 ) in die Analyse von Sprechhandlungen einbezogen (s. Kap. 2 . 2 . 3 . ) . M i t (2b), (2e) und (2n) wird die Beziehung verschieden gestaltet:
(2b) Parken Sie (doch) dort drüben! (2e) Möchten Sie nicht den Platz dort drüben (2n) Wäre das dort nicht ein Platz für uns?
nehmen?
— Präsuppositionen werden in Form „präsuppositionaler A k t e " einbezogen bei Kienpointner ( 1 9 8 3 , 6 0 f f . ) : Unter Präsuppositionen werden mitgemeinte Propositionen verstanden, deren Wahrheit erst das Gelingen von Sprechakten bestimmter Art ermöglicht. Säßen z . B . A und B des Beispiels nicht in einem Auto, sondern sie gingen zu Fuß, könnte die Aufforderung von B an A, das Auto dort drüben zu parken, nicht gelingen. Bei „präsuppositionalen A k t e n " ist ein „pragmatischer Präsuppositionsbegriff" im Spiel (Kienpointner 1 9 8 3 , 6 1 ) : Es geht um die Propositionen, von denen die Beteiligten wissen, daß sie wahr sind (zu einer Zeit, unter bestimmten Umständen), und inbezug auf die der Sprecher die Intention hat, gegenüber den Rezipienten für deren Wahrheit zu garantieren. „Sätzen lassen sich immer nur potentielle Präsuppositionen entnehmen ( . . . ) ; tatsächlich hängt es von der Sprechsituation ab und von der Kooperation des Hörers, ob und welche Propositionen präsupponiert werden." (Kienpointner 1 9 8 3 , 6 1 ) . Vgl. das schon besprochene Beispiel (2g) Würden Sie dort drüben parken? — Es gibt komplexe Sprechakte, die unterscheidbare Teilsprechakte aufweisen, wie z. B. das E R Z Ä H L E N (z. B. Wunderlich 1 9 7 9 , Zillig 1 9 8 0 , Wunderlich 1 9 7 4 , 3 4 7 ; vgl. 2 . 1 . 1 . ) . b) Die Relation Sprechakt(teil) und Äußerungsakt(teil) wird in vielfältiger Weise in den Blick genommen: — Bei von Polenz ( 1 9 8 0 , 1 9 8 5 ) werden, ausgehend von den Äußerungen, die Möglichkeiten des „Mitmeinens" systematisch untersucht.
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
Die Relation Illokutionsakt/Äußerungsakt wird beschrieben bei von Polenz (1980, 1985): — Wie viele Illokutionsakte können mit einem geäußerten Satz vollzogen werden? Das Kriterium für einen Illokutionsakt ist die Proposition (die vollständig oder unvollständig ausgedrückt werden kann). Wie sind die Illokutionsakte über die Eigenschaften der Äußerung relationiert? Das Gedicht von Erich Fried Beispiel (1) besteht außer der Uberschrift aus einem einzigen Satz; mit diesem werden aber mehrere verschiedene und aufeinander bezogene Sprechakte ausgedrückt (vgl. die Analyse in 1.4.1.). — Welche sprachlichen Verfahren („Prozeduren": Ehlich 1983a, 117) gibt es zum Explizitmachen des Illokutionsaktes? Vgl. (2a) und (2b). Welche sprachlichen Verfahren gibt es zum Ausdrükken der Illokution im Kontext? Vgl. (2c) bis (2n) und (2p) und (2q). Auch die Gedichtüberschrift von Beispiel (1): Beim Nachdenken über Vorbilder, die die Illokution ,Gedichtüberschrift' hat, aber keine Satzstruktur mit Subjekt und Prädikat darstellt. Die Relation propositionaler Akt/Äußerungsakt wird beschrieben: — bei Ehlich (1983a, 117) werden die Arten des Referierens (des Bezugnehmens auf Gegenstände) gefaßt unter „deiktischer Prozedur" bzw. „phorischer Prozedur" (für deiktisches, anaphorisches und kataphorisches Verweisen). In (2e) wird mit den Platz dort drüben referiert, in (2f) wird auf den Ort mit dort drüben referiert und darüber prädiziert, daß es ein Parkplatz für A ist; in (2n) wird auf den Ort mit das dort referiert und fragend prädiziert, es könnte ein Platz sein. Auch die Ausdrücke hier, dort, woanders in (2i), (2n) und (2k) sind im Rahmen deiktischer Prozeduren zu sehen. — Bei von Polenz (1980, 1985) werden die sprachlichen Verfahren des Ausdrückens von Propositionsteilen systematisch untersucht; die grundsätzliche Blickrichtung geht von der Äußerung aus. Alle diese systematischen Möglichkeiten werden bei der Durchführung von Handlungen nach Mustern mit genutzt; sie dienen der
1 . 3 . Stil im sprachlichen Handeln
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stilistischen Differenzierung. Auch diese Teilsichten des sprachlichen Handelns sind auf das Ganze der Handlungsaspekte zu beziehen. 1 . 3 . 6 . Gleichzeitighandlung und Zusatzhandlung Bei Adamzik ( 1 9 8 4 , 1 2 0 ff.) wird die Beziehungsgestaltung als Gleichzeitighandlung mit der Sprechhandlung verstanden: J e m a n d fragt z. B. etwas und gestaltet gleichzeitig die Beziehung in gewisser Weise. Auch in Sandig ( 1 9 7 8 , 8 2 - 8 6 ) habe ich bereits für Stil mit Gleichzeitighandlungen gerechnet; dort ist allerdings für Stil ein Übergang zu „Zusatzhandlungen" gesehen worden. Wie ist dies zu verstehen? Betrachtet man die Theorie der Gleichzeitighandlungen (Heringer 1 9 7 4 , 4 4 , 5 1 f.), so ist festzustellen: Es geht um zwei Handlungen, die „gleichberechtigt nebeneinanderstehen" (Adamzik 1 9 8 4 , 1 2 1 ) ; es geht darum, daß mit einer Äußerung „zwei oder mehr unterschiedliche Absichten realisiert werden k ö n n e n " oder daß eine Äußerung „nach verschiedenen Gesichtspunkten interpretiert wird ( . . . ) , diese aber nicht systematisch miteinander verknüpft sind" (ebda., 120). Sind nun sprachlich Handeln' ( F R A G E N ) und ,die Beziehung gestalten' „nicht systematisch miteinander verknüpft?" Betrachten wir die in 1.2. dargestellten Typen stilistischen Sinns, einschließlich der Beziehungsgestaltung. Sie sind auf das Handeln bezogen, betreffen seine Voraussetzungen und seine Durchführung. Es wird gerade erst im konkreten Handeln möglich, stilistischen Sinn zu entfalten. Von daher macht es Sinn zu sagen: „ E r hat mich gefragt, ob . . . und dabei gezeigt, wie gebildet er ist." Aber in der Regel nicht: „ E r hat gezeigt wie gebildet er ist und mich dabei gefragt, o b . . . " Die letztere Interpretation wäre eine Karikatur. Dies zeigt, daß mit Stil nicht im strengen Sinn gleichzeitige Handlungen durchgeführt werden können: „Sie hat schriftlich angefragt, o b . . . " aber nicht „sie hat anfragend geschrieben, . . . " . Der Stil kann aber, i n d e r I n t e r p r e t a t i o n auf die gleiche Ebene gehoben werden wie die
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
Handlung selbst: „Sie hat geschrieben und angefragt, o b . . . " ; „Er hat mir gezeigt, wie gebildet er ist. Und er hat mich gefragt ob . . . " . Stil ist also in der systematischen Beschreibung auf das Handeln zu beziehen; aus der Perspektive der Beteiligten können stilistischem Sinn unterschiedliche Gewichtungen (vgl. auch Adamzik 1984, 126) zukommen: Stil kann als gleichwertig mit der Handlung selbst gesehen werden (Gleichzeitighandlung) oder sekundär zu dieser (Zusatzhandlung). Vgl. auch Adamzik 241: „kommunikativ mehr oder weniger gewichtige zusätzliche Information". Ein stilistischer Fall von Gleichzeitighandeln mit völlig gleichwertigen Interpretationen liegt dagegen m. E. vor, wenn einer Äußerung zwei Illokutionen zugesprochen werden können, z.B. bei dem Slogan der Werbung für ein Kindernahrungsmittel: Alles Gute für Ihr Kind. Hier haben wir gleichzeitig a) einen Wunsch (mit der Wunschformel ausgedrückt) und b) im Kontext von positiv darstellenden Äußerungen eine positiv wertende Behauptung, paraphrasierbar mit ,Wir haben alles Gute für Ihr Kind', ,Dies ist alles G u t e . . . ' , o. ä. Ein anderer Fall von Gleichzeitighandlungen sind die mehrfach adressierten Sprechakte (Clark/Carlson 1982): Einem Adressaten (oder einer Gruppe) gilt die ausgedrückte Illokution; eine andere Gruppe wird darüber informiert, daß eine Illokution dieser Art an den/die ersten Adressaten gerichtet wird. Ein Beispiel ist die Bildzeitungsschlagzeile Bravo Udo!: „Udo" wird gelobt und die Leser werden darüber informiert. Diese Beispiele zeigen: Gleichzeitighandlung soll hier das heißen, was auch von Rezipienten als gleichzeitig interpretiert werden kann. Demgegenüber zeigen die Beispiele bei Adamzik (1984, 121), daß dort mit Gleichzeitighandlung eine Beschreibungskategorie des Linguisten gemeint ist: ,„einen Gesprächsbeitrag liefern' und gleichzeitig ,einen Sprechakt vollziehen' und gleichzeitig ,die Beziehung zum Partner gestalten'". 1.3.7. Bewerten Ein weiterer Gesichtspunkt im Zusammenhang des Sprechens über Handlungen ist das Bewerten. Zwar geht es dabei nicht um einen Handlungsaspekt, der ein notwendiges Bestimmungsstück von
1 . 3 . Stil im sprachlichen Handeln
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Handeln wäre, denn das Handlungs-Bewerten ist zwar häufig aber nicht notwendig. „War sein Tun höflich oder grob, angemessen oder unangemessen? Solche Fragen beziehen sich auf die Bewertung der Handlung, nicht auf ihre tatsachengerechte Wiedergabe." (Rescher 1977, 7). Höflich, grob, angemessen, unangemessen sind Wirkungsausdrücke. Dies zeigt: besonders in die Beschreibung der Wirkung von Stil gehen Wertungen mit ein (vgl. auch Trabant 1979, 576, der für seine Zwecke diesen Aspekt ausschließt). Dies heißt aber auch, daß die unterschiedlichen Wert-Einstellungen der Rezipierenden (Wertmaßstäbe der Individuen bzw. Gruppenmitglieder) mit in die Bewertung eingehen (vgl. Sandig 1982, 52 f.). Der Zusammenhang von Handeln und Bewerten des Handelns macht es unnötig, „zwei umgangssprachliche Gebrauchsweisen des Ausdrucks Stil" (Trabant 1979, 573 ff.) zu unterscheiden, nämlich eine beschreibende und eine bewertende: Über Stil als Handlungsaspekt kann, wie auch sonst über Handeln, beschreibend und bewertend gesprochen werden, der Ausdruck Stil kann also beschreibend und/oder bewertend gebraucht werden. (Zur generellen Problematik der Abgrenzung von Beschreiben und Bewerten z. B. Keller 1977). Vgl. Kap. 2.2.4. und 2.6.1.
1.3.8. Intention und Fehler Zur Handlungsbeschreibung kommen noch einige bislang nicht eigens erwähnte Aspekte hinzu: Damit ein Ereignis als eine Handlung beschrieben werden kann, muß es einen Handelnden (Sprecher/Schreiber) geben, dem man eine Handlungsintention zuschreiben kann (vgl. Davidson 1977); auch der Handelnde selbst muß sein Tun unter einer Intention verstehen, nicht notwendig derselben wie der Beschreibende (Davidson 1977). Für sprachliches Handeln muß der Sprecher/Schreiber ergänzt werden durch den Adressaten (anders als bei Rescher 1977, 2 f. für Handeln allgemein). Die Art der Handlungsdurchführung kann die Zeichen eines bestimmten Individuums tragen (Selbstdarstellung in 1.2.; vgl. oben die Präferenzen), sie kann auf bestimmte Adressaten hin ausgerichtet sein (Adressatenberücksichtigung in 1.2.; vgl. oben Situationseinschätzung, evtl. auch Motivation und Präferenzen).
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
a) Die Stilabsicht ist in der Regel die dem Sprecher/Schreiber vom Adressaten oder vom beliebigen Rezipienten anhand der Äußerung e n ) (in der Situation) unterstellte oder unterstellbare stilistische Intention. Wie verhält sich diese stilistische Intention zur Handlungsintention? Die Intentionalität des Handelns kann dem Sprecher/Schreiber bewußt sein, muß es aber nicht. Die Tatsache der Wahl zwischen Alternativen (Handeln vs. Unterlassen, Durchführungsalternativen im Handlungsmuster, dem Muster folgend vs. abweichend...) spricht für die Intentionalität des Handelns. Dasselbe gilt für Stil: Er kann bewußt gestaltet werden oder so scheinen (gewählter Stil, gekonnter Stil); er kann aber auch Symptom für Unbewußtes sein, für soziale oder regionale Herkunft. Wichtig ist dabei: die Handlung kann bewußt vollzogen werden und dabei kann über den Stil Unbewußtes einfließen (Das Auto bat sich selbständig gemacht vs. Ich habe das Auto an den Masten rollen lassen). Die Handlung kann nicht bewußt vollzogen werden, aber der Stil kann bewußt, z. B. ästhetisch gestaltet sein. Die Handlung und ihr Stil können unwillkürlich entstehen (z.B. ein Fluchen); oder aber die Handlung und ihr Stil entspringen bewußter Verwendung: Wollt Ihr den totalen Krieg? in Goebbels' Sportpalast-Rede (Schafarschik Hg., 1973, 59, 65 f.) im Kontext des Redens über den totalen Sieg, zu dem der totale Krieg den Weg ebne; die ,Nähe' bedeutende Anrede Ihr gegenüber dem distanzierenden' Sie. Die Stilwirkung gewinnt mit der Betrachtung von Stil aus der Rezipientenperspektive (z.B. Thieberger 1983, Spillner 1983, Spillner 1979) mehr als bisher das Interesse westlicher Linguisten. Gerade die Analyse der Stilwirkung wird aber zeigen (Kap. 1.4.), daß aus der Perspektive des Rezipienten auch das Tun des Sprechers/Schreibers wichtig ist. b) Wie sonst beim Handeln können beim Stil als Teilaspekt des Handelns Fehler entstehen. „Wenn man einen Fehler macht, muß man etwas in der Absicht tun, ein Ziel zu erreichen, das aber nicht erreicht wird" (Davidson 1977, 287). Dieses „etwas" besteht darin, daß man etwas anderes als das Fehlermachen absichtlich tun muß (Davidson 1977, 285); aus diesem Grund sind Fehler bedeutsam im Handeln. Aufgrund der Kenntnis der Situation und des
1.3. Stil im sprachlichen Handeln
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Wissens über mögliche Einschätzungen und Zielsetzungen kann der Rezipient wissen, was das eigentliche Ziel war; er erkennt den Fehler. Stilistische Fehler haben Wirkungen (Konsequenzen) im Zusammenhang des Handelns. Es sind einige Arten stilistischer Fehler zu unterscheiden: 1. (3)
Stilfehler wie Paul mag Frau Tendier nicht, weil sie immer nur verärgert aus ihrem Strohhut guckt (Keller 1980, 35).
Mir scheint im Aufsatz eines Schülers das aus im Zusammenhang mit Strohhut problematisch; unter ihrem Strohhut hervorguckt schiene mir richtiger. Keller führt als Vorbild dieser von einem Lehrer als fehlerhaft markierten Äußerung das aus der Wäsche gucken an und ein Beispiel aus einem Spiegel-Test-Bericht: Die Mercedes-Manager blickten etwas säuerlich aus ihren wattierten Testfahrerjacken. In diesem Fall scheint mir die Präposition aus richtig zu sein. Solche einfachen Stilfehler zählen als Irrtum; sie beeinträchtigen das Handeln nur, wenn mehrere Fehler zu bemerken sind. 2. Demgegenüber wirken Stilblüten so, daß ein negatives Licht auf die sprachliche Handlungsfähigkeit als solche fällt: (4)
In Rom gibt es das Kolosseum, das größte Amphibientheater der Welt, (aus einem Schulaufsatz; vgl. Sandig 1981, 34).
Das Lachen des Rezipienten ist dem Handeln (Aufsatzschreiben) und dem Handlungsinhalt (Thema) nicht angemessen, die Wirkung kann in einer normalen Schulsituation nicht intendiert sein. Der fehlerhafte Stil stört hier das Handlungsergebnis, seine Wirkung hat Konsequenzen in bezug auf die Handlung. Gerade dies zeigt, daß Stil als Teilaspekt des Handelns nichts Marginales ist. Die ,komische' Wirkung der Stilblüte ist eine typische Wirkung von Stil (s. 1.4.), aber gerade diese Wirkung, die durch die Äußerung hervorgerufen wird, ist der gesamten Handlung nicht angemessen. 3. Ein Stilbruch liegt vor, wenn ohne erkennbare Intention ein
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
Inventar, z. B. die Stilebene, gewechselt wird, hier ein Beispiel aus einem Schulaufsatz: (5)
Am Abend stellte Herr Pfifferling mit Erstaunen fest, daß der Baum futsch ist. (Keller 1980, 36).
Futsch als Ausdruck saloppen spontanen Sprechens paßt nicht in den Kontext der sonst verwendeten Schriftsprache. Möglicherweise kommt bei diesem Beispiel noch dazu, daß der Tempuswechsel nicht regelgerecht ist (dazu Quasthoff 1980). Vgl. als Gegenbeispiel (82). Das Kriterium dafür, was als Fehler gilt, ist also dasselbe wie für das Handeln: die Intention. Bei einer Handlung dieser Art, unter diesen Voraussetzungen, kann (aufgrund der Konventionen, des gemeinsamen Wissens) der Sprecher/Schreiber nicht die Intention dieser Durchführung gehabt haben. Kann der Rezipient jedoch einer vom Erwartbaren abweichenden Handlungsdurchführung im Zusammenhang des Handelns eine Intention zuschreiben, gilt diese nicht als Fehler (vgl. Sitta 1980). So nennt sich der Arzt (Medizialso ner) in der Heiratsannonce (Beispiel [25]) Medizynmann, nicht Arzt oder Mediziner aber auch nicht Medizinmann, sondern nur ,fast' einen solchen; das zyn weist per Motiviertheit des Zeichens auf zynisch, aber auch auf das unernste, humorige „Zeitmagazyn" (es handelt sich um eine Heiratsannonce in der „Zeit"). Weiteres zu Intention s. Kap. 1.4: Stilwirkung.
1.4. Stilwirkung Eine Stilistik, die nicht nur textbezogen verstanden wird, sondern das Handeln von Handlungsbeteiligten (Sprecher/Schreiber und Rezipienten) mittels Texten betrachtet, muß sich auch mit Stilwirkung befassen. Nach der großen Rolle, die die Wirkung in der Rhetorik spielte, ist die weitgehende Nichtbeachtung der Wirkung in der westlichen linguistischen Stilistik (vgl. aber Römer 1972, 1973, Coulmas 1977) bezeichnend für das Maß der Entfernung von der Rhetorik: Nach Dockhorns Darstellung (1968, 54 f.) „folgt in der Rhetorik
1.4. Stilwirkung
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die Form (...) aus dem Inhalt, den Gegenständen der Rede (...) und (...) der beabsichtigten Wirkung des ,probare, conciliare, movere'." Und: „Im Grunddispositionsschema der Rhetorik sind itgaynaxa, f|dr), jtadr| (Sachen oder Handlungen, Charaktere bzw. Gewöhnungen, Leidenschaften, B.S.) die Darstellungsgegenstände, bei denen grundsätzlich nicht zuerst nach Wahrheit und Naturnachahmung, sondern nach Wirkung als einer Art Glaubhaftmachung im emotionalen Sinne gefragt ist." (Dockhorn 1968, 51). Es gibt im System der Rhetorik „typische" Wirkungen wie „,movere, delectare, docere', also heftig erregen, sanft ansprechen und belehren" (Dockhorn 1968, 126) und typische Differenzierungen, die epochenspezifisch sind (Dockhorn 1968, 54 ff.). Eine linguistische Analyse von Stilwirkung kann nun nicht sinnvoll an der verlorenen Tradition wieder anknüpfen. Auch ist ja die Berechtigung für die Berücksichtigung des Konzepts Stilwirkung (vgl. Stolt 1984) in der linguistischen Stilistik hier die, daß die heutigen Benutzer von Stil typische Stilwirkungen unterscheiden (vgl. Kap. 1.2.). D.h. in dieser ethnomethodologisch fundierten pragmatischen Stilistik soll expliziert werden, wie für die heutigen Sprachhandelnden Stilwirkung und Arten von Stilwirkungen relevant sind (vgl. Kap. 1.2.). Dabei geht es vorrangig um Stilwirkungs-Typen. In 1.3. wurde Stilwirkung anders begründet: Da Wirkungen, Konsequenzen konventioneller Art zum H a n d e l n gehören, gehören sie auch zum Handlungs a s p e k t Stil; Stilwirkungen sind ein Aspekt des Stils, der für sich in den Blick geraten kann. 1.4.1. Handlungsfolgen und Stilwirkungen Die Handlungsfolgen (Konsequenzen) u n d die Stilwirkung(en) entnimmt der Rezipient der (in der Situation gemachten) Äußerung: Insofern beide über dasselbe Mittel transportiert werden, stehen sie in engem Zusammenhang. Eine Einschränkung ist hier zu Beginn zu machen: Es geht mir um die Isolierung typischer Wirkungen des S t i l s , nicht um die Wirkungen, die der propositionale Gehalt, das Thema als solches auslöst (vgl. Lausberg 1967, 40). Diese sind zu den Handlungs-
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
Konsequenzen zu rechnen. Mit Stilwirkung ist dagegen dasjenige gemeint, was die Art der Äußerung(en), die einzelnen Eigenschaften der Äußerung(en), bei umfassenderen Handlungen auch die Teilhandlungen, die gesamte Art der Handlungsdurchführung, zur Wirkung der ganzen Handlung beitragen (und zwar bezogen auf die Situation, vgl. Kap. 1.3.). Einige Beispiele: a) Die Stilwirkung unterstützt, verstärkt die Handlungsfolgen, die Wirkung des propositionalen Gehalts. (1) Beim Nachdenken über Vorbilder Die uns vorleben wollen wie leicht das Sterben ist Wenn sie uns vorsterben wollten wie leicht wäre das Leben Erich Fried (1966, 33) Der Text soll inhaltlich nachdenklich machen (vgl. die Überschrift), betroffen machen. Die Art der Durchführung mit dem Kontrast von vorleben und unkonventionell dazu gebildetem vorsterben (,vormachen wie man stirbt' und ,vorher sterben') erzeugt ein Hängenbleiben beim Lesen, ein Nachdenklich machen. Rückwirkend, aufgrund der Folgezeile, erhält vorleben wollen einen komplexen Sinn: ,die vorgeben, uns vorzumachen, wie leicht das Sterben ist, und die selbst dabei (paradoxerweise) am Leben bleiben'. Dieses Paradox ist in den Realis gesetzt, während das Folgende als Wunsch(satz) und gleichzeitig als Bedingung(ssatz) formuliert ist — wenn sie uns vorsterben wollten und als Irrealis: wie leicht wäre das Leben. Die scheinbare Parallele von wie leicht das Sterben ist und wie leicht wäre das Leben kontrastiert nicht nur Leben und Sterben (Leben als ,am Leben sein' gegenüber Sterben), sondern es meint auch die gesamten Lebensumstände; das derart mehrdeutige letzte Wort des Gedichts, Leben, weist noch einmal
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1 . 4 . Stilwirkung
zurück auf das vorleben des 1. Teils. So kann man das Gedicht nicht nur von vorn bis hinten lesen, sondern man ,wird hineingezogen', muß nochmal lesen, wird ,nachdenklich'. Vorleben ist im zweiten Durchgang anders betont: Wie vorsterben erhält es nun einen Akzent vorleben. Auch die Vorbilder des Titels erhalten vom Ende her einen ,negativen' Wert. Diese Wirkung wird unterstützt durch die Syntax: Der Teil im Realis ist zugleich das herausgestellte Subjekt, das vorleben wollen ist nach dem Muster von vormachen, wie um eine Umstandsergänzung erweitert (syntaktisch unkonventionell wie der Inhalt); das Subjekt wird im Wunschsatz/Konditionalsatz mit dem pronominalen sie wieder aufgenommen; auch dieser ist nur Nebensatz; der letzte Teil-Satz ist der Hauptsatz, er enthält die Hauptsache. Auf die ,emotionalisierende' Wirkung der spontansprachlichen Syntax wurde bereits in 1.2.8. hingewiesen. Entsprechend entwickelt sich die Pragmatik des Gedichts: Es ist eine Bewegung von 1. der präsupponierten Behauptung des paradoxen Zustands über 2. den paradoxen Wunsch („sie" sollten wollen, uns im Sterben ein Vorbild zu sein), der sich auf die Beseitigung von 1. bezieht und gleichzeitig (1.3.6.) die Bedingung für 3 . ist: das Wünschen/hypothetische Entwerfen eines anderen Zustandes. M a n sieht also, wie inhaltliche und mehrfache stilistische Wirkung, sich verstärkend, ineinander greifen. b) Weiter gibt es viele Arten von Nebenwirkungen, die mit der Art des Vollzuges der Handlung erreicht werden. Als Beispiel die Beziehungsgestaltung, vgl. 1.3.5.:
(2b) (2e) (2n)
Parken Sie doch dort drüben Möchten Sie nicht den Platz dort drüben Wäre das dort nicht ein Platz für uns?
nehmen?
Hier steht die Beziehungsgestaltung im Dienst des intendierten Ziels; aber mit der Art der Handlungsdurchführung wird auch die Beziehung gestaltet. Es ist eine Beziehung vorgegeben, die die Basis des Handlungsvollzuges bildet (Einstellungen und Annahmen des Sprechers über den Adressaten); aber diese Beziehung wird auch bestätigt, verändert, v e r t i e f t . . . durch die Art der Handlungsdurchführung.
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
c) Es gibt auch den Fall, daß der Stil ungewöhnliche, ungewohnte Sachverhalte und Handlungen konstituiert und entsprechende Wirkungen hervorruft (aus Hildesheimer 1983, 25): (6) „(...) Was gestern noch Hintergedanke war, hat heute Spruchreife, wenn nicht gar Druckreife erreicht und landet morgen beim alten Eisen. Ich rate Dir daher, wie ich es getan habe, Dir gleich ein paar Klafter davon anzuschaffen, am besten mit Rostfreiheit, für deren Aufrechterhaltung der Schrotthändler geradezustehen hat. Achte darauf, daß es nicht zu heiß ist. (...) " Inhaltlich werden Gegenstände verknüpft, die so nicht zu unseren Wissensrahmen gehören. Die Mittel sind Pronomina und syntaktische Verknüpfungen, Spiel mit Ausdrucks- und Inhaltsseite der Zeichen (Spruchreife, Druckreife; Wörtlichnehmen von Idiomen: altes Eisen, heißes Eisen), Verkehrung eines Wissensrahmens: altes Eisen bekommt man beim Schrotthändler, aber gerade nicht mit einer Garantie der Rostfreiheit. Auch der Rat (ich rate Dir daher) und das Anführen des eigenen Beispiels in diesem Zusammenhang (wie ich es getan habe) ist im Kontext des Vorigen und mit diesem propositionalen Gehalt äußerst zweifelhaft, ebenso die Mahnung zur Vorsicht (Achte darauf) am Ende. Durch Pronomina, Syntax, semantisches Spiel, pervertierte Sprechakte wird alles verknüpft, eine neuartige Realität (oder nur Einstellung zur Realität?) hergestellt (stilistischer Sinn). Die Wirkung ist stark abhängig von den Einstellungen des Rezipienten: unverständlich'; ,komisch'; ,Spaß machend'; ,irritierend'... Für die Annahme einer ironischen Einstellung des Schreibers zur dargestellten Realität, einer intendierten ironischen Wirkung, spricht folgendes: Hildesheimer schreibt diese Zeilen in seinem Buch „Mitteilungen an M a x . . . " , das Max Frisch zum 70. Geburtstag gewidmet ist, und die Stichwörter Spruchreife und Druckreife legen zusammen eine entsprechende bildliche Inhaltsdimension nahe, die ironisch verdeckt ist: Es geht um die dichterische Produktion... Diese ,ironische' Wirkung entsteht also nicht aus dem Textausschnitt selbst, sondern unter Einbezug der Situation, in der der Textausschnitt geäußert wurde.
1.4. Stilwirkung
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Zusammenfassend: Eine Stilwirkung kann die Handlung unterstützen und/oder sie mit Nebenwirkungen anreichern. Stilwirkung ist abhängig von der Situation (vgl. Spillner 1980, 83): — sie ist abhängig von der Situation, in der die Beteiligten sich befinden, vgl. Beispiel b); — sie ist abhängig von dem Wissen des Rezipienten über die Situation des Sprechers/Schreibers und seines Adressaten, Beispiel c); — sie ist abhängig von der Situation des Rezipienten: Der Leser, der das Gedicht von a) in dem Band „und Vietnam u n d " von 1966 liest, kann es auf die damalige Situation beziehen; er kann es auch im Kontext der Wehrdienstverweigerung sehen; auf einer Wandzeitung im Jahre 1983 wird es — ohne Wissen über seinen Herkunftsort — wohl ausschließlich im letzteren Sinn verstanden; in anderen Situationen (in einem anderen L a n d . . . ) kann es wieder anders wirken; — schließlich sind die Einstellungen des Rezipienten für die bei ihm eintretende Wirkung wichtig, Beispiel c). 1.4.2. Wirkungsabsicht und Stilwirkung Die stilistische Wirkungsabsicht und die Stilwirkung bedürfen der Kommentierung. Für Handlungsabsichten haben Holly, Kühn und Püschel (1984) zutreffend argumentiert, daß auch mit nicht bewußten Intentionen zu rechnen ist. Dies gilt insbesondere für Stil. Eine für den Rezipienten erkennbare Intention braucht dem Sprecher/Schreiber nicht bewußt zu sein. „Wahl und Verwendung der einzelnen Sprachmittel kann halb automatisch oder sogar völlig automatisch vor sich gehen." (Riesel/Schendels 1975, 16; auch Lerchner 1981, 98). Stil kann sich darüberhinaus als „ S y m p t o m " (Bühler 1965, 28) zeigen: Dies gilt insbesondere bei psychischen Störungen. Z. B. „zeigt sich" im Therapiegespräch die Distanz von Klienten zu den eigenen Gefühlen in Substantivierungen (die Angst ist da gegenüber ich habe Angst), in Abtönungen und Vagheit (.irgendwie so ne Angst oder so, vgl. Baus/Sandig 1985, Kap. 8) und in Generalisierungen (Sandig 1983, man statt ich). Vgl. auch Kap. 2.2.1.
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
Bei den Stilwirkungen geht es also um „Bewußtseinsgrade" (Sanders 1977, 35) des Sprechers/Schreibers, bis zu sich unbewußt Äußerndem: Dem, der es wahrnehmen kann, z. B. dem Therapeuten, teilt das Individuum etwas mit, das ihm selbst nicht bewußt ist. Wirkungsabsicht ist also für die Stilistik in diesem Sinne zu verstehen: sowohl Bewußtes wie Automatisches, das sich im Stil dem Rezipienten zeigt. Im Fall von Unbewußtem spreche ich nur von Wirkung; eine Absicht ist beim Erkennen ,unbewußter' Stileigenschaften nur im weiteren Sinne unterstellbar. Für „kollokutionäre Akte", d.h. das Ausdrücken emotionaler, bewertender u. ä. Einstellungen durch den Sprecher hat Keller (1977) unterschieden zwischen (absichtlich) „zum Ausdruck bringen" und (unabsichtlich) „zum Ausdruck kommen". Da das Ausdrücken wertender, emotionaler usw. Einstellungen zum Bereich des Stils gehört (s. 1.2.), kann diese terminologische Unterscheidung hier übernommen werden: Eine Wirkungsabsicht wird zum Ausdruck gebracht, oder sie kommt zum Ausdruck. Weiter kann die Realisierung stilistischer Wirkungsabsichten mehr oder weniger gut geschehen; es gibt Grade: Man kann nur relativ gut formulieren, man kann sich im Ausdruck vergreifen, nicht die richtige Formulierung (Äußerung für die intendierte Sprachhandlung) finden; es kommt sogar zu Stilblüten. Eine Wirkungsabsicht wird also mehr oder weniger „geglückt" zum Ausdruck gebracht oder sie kommt „unwillkürlich" zum Ausdruck. Auf Wirkungsabsichten des Anderen kann man aus dem Geäußerten nur s c h l i e ß e n aufgrund der eigenen Einschätzung der Situation (1.3.). Es ist zu rechnen mit Unsicherheitsfaktoren wie den Graden des Glückens, auch mit Zufällen beim Ausdrücken von Wirkungsabsichten. Das intersubjektive Herausfinden von stilistischen Wirkungsabsichten ist problematischer als das intersubjektive Unterstellen von Handlungs-Intentionen: Beim Handeln (Illokutionen) kann vom propositionalen Gehalt der Äußerung in der Handlungssituation (Situation, Sprecher-Hörer-Beziehung, vorherige Handlungen) geschlossen werden auf die intendierte Handlung (Bedingung des propositionalen Gehalts). Es gibt „indirekte" (indirekt formulierte) Sprechakte. Da Stil dagegen sowieso ein
1.4. Stilwirkung
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Nebenbei ist, das mit der Handlung mit vollzogen wird, macht es keinen Sinn, von indirektem stilistischen Sinn zu reden. Stil ist mehr oder weniger direkt, mehr oder weniger deutlich wahrnehmbar. Stil kann nicht nur die Handlungsfolgen verstärken, sondern auch Weiteres mitteilen - z. B. die Beziehung beeinflussen. Deshalb muß die Wirkung aufgrund der Situationsvoraussetzungen, der Sprecher-Hörer-Beziehung u n d aufgrund der spezifischen Eigenschaften der Außerung-in-der-Situation erfaßt werden, bei komplexeren Handlungen auch (Teil)-Handlung-in-der-Situation (vgl. Kap. 1.5.1.). Als Folge davon möchte ich entgegen einem früher gemachten Vorschlag (Sandig 1 9 8 4 a ) Stilwirkung nicht gleichsetzen mit „Perlokution". Bei Holly ( 1 9 7 9 ) wird Perlokution als das Erreichen der illokutionären Absicht beim Hörer (also Handlungsfolgen) verstanden, als die Entsprechung zur illokutionären Absicht (Handlungsabsicht) beim Hörer. Bei Braselmann ( 1 9 8 1 , 141) wird „ K o n n o t a t i o n " (d.h. Stilwirkung) „als fakultative Zusatzkomponente im illokutionären Bereich", also als etwas Abtrennbares, gesehen. Stilwirkungen (und Typen stilistischen Sinns) sind kombiniert mit verschiedenen Handlungsarten. So kann man nicht nur höflich fragen, sondern auch höflich antworten, bitten, einen Auftrag geben, etwas k r i t i s i e r e n . . . O b alle Typen stilistischen Sinns und Stilwirkungen frei kombinierbar sind mit allen Handlungstypen, mag bezweifelt werden; im Prinzip jedoch sind sie kombinierbar. Dies spricht dafür (wie auch bei Kellers 1 9 7 7 „kollokutionären A k t e n " und bei Braselmann 1 9 8 1 ) , für die Zwecke der S t i l i s t i k zwischen Stilwirkung und Handlungsfolgen zu trennen. Bei Franck ( 1 9 7 9 , 3 3 3 ) wird darauf hingewiesen, daß die Folgen von Sprechakten durch „aufhebende Sprechakte" aufgehoben werden können. Die Stilwirkung ist demgegenüber nicht aufhebbar. Auch dies spricht für die Trennung von Handlungsfolgen und Stilwirkungen. Sinnvoll wäre es aber, Stilwirkung und Handlungsfolgen in der H a n d l u n g s - T h e o r i e unter Perlokution zusammenzufassen. Bei von Wright ( 1 9 7 4 , 68 f.) werden Wirkungen und Folgen in eins gefaßt, so auch bei Sandig ( 1 9 7 8 , 6 9 f.); von Polenz ( 1 9 8 5 ) faßt Handlungsfolgen und Stilwirkung in seiner von der Äußerung ausgehenden „Satzsemantik" zusammen, er schreibt in Kap.
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
2.2.2.: „Die Glosse ,Fensterin' (die von Polenz analysiert, B.S.) hat eine zweifache Bewirkung: Meinungsbeeinflussung (Handlungsfolgen, B.S.) und Unterhaltung im Sinne intellektuellen Vergnüg e n s . . . (Stilwirkung, B.S.)." Hier geht es um Stil (und nicht um Handlungstheorie allgemein) und zwar in einer Stilistik, die möglichst berücksichtigt, was die Stilbenutzer tun; deshalb ist der Ausdruck Stilwirkung als ein Ausdruck stilistischer Kompetenz hier zu explizieren und für diese Zwecke auch vorzuziehen. In diesem ethnomethodologisch orientierten Kontext ist es auch geboten, die von den Benutzern selbst vorgenommene Trennung von Handeln und Stil in der Stilistik bestehen zu lassen. Entsprechend der Trennung von H a n d l u n g als solcher und Stil ist es angebracht, das V e r s t e h e n der Handlungsabsicht (vgl. Braselmann 1981, 156) zu unterscheiden von dem E r k e n n e n der stilistischen Wirkungsabsicht (und des stilistischen Sinns). 1.4.3. Stilwirkung beim Rezipienten Wie es Unsicherheiten beim Erkennen der Stilabsicht gibt, so gibt es Risiken inbezug auf das „Glücken" der beabsichtigten Wirkung. So gehört es zu manchen beabsichtigten Wirkungen, daß der Sprecher/Schreiber das mit dem Rezipienten gemeinsame Wissen (als Voraussetzung des Handelns) richtig einschätzt: Für das Erkennen von Ironie zum Beispiel braucht der Rezipient ein mit dem Sprecher/Schreiber gemeinsames konkretes Wissen über einen oder mehrere Sachverhalte (vgl. Oomen 1983). Z u m Erkennen einer Parodie ist die Kenntnis eines bestimmten Textes oder Textmusters die Voraussetzung. Fehlt dieses gemeinsame Wissen oder dessen Präsenz beim Rezipienten, so wird Beabsichtigtes nicht wirksam. Andererseits kann etwas wirksam werden, das dem Sprecher/ Schreiber nicht bewußt war, wie am Beispiel des Therapiegesprächs bereits gezeigt wurde. Weitere typische Fälle sind Wirkungen sozialer und dialektaler Unterschiede, z.B. Steinig 1976 über die unterschiedliche Wirkung derselben Erzählungen bei Sprechern verschiedener sozialer Schichten (auch Gumperz 1978). Nicht beabsichtigte Wirkungen treten bei historischem Abstand ein (Thieberger 1983); so kann, was einmal ,elegant' wirkte, heute
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,geschraubt' oder ,unnatürlich' wirken. Schließlich kann der Rezipient aufgrund seiner individuellen Lebensgeschichte „überempfindlich" sein, besondere Wirkungen immer wieder empfinden, auch da, wo andere dies nicht mit ihm teilen („neurotisch"). Heute kann dieselbe Äußerung, aufgrund verschiedener Vorkenntnisse, auf mich anders wirken als vor 10 Jahren, ebenso in einem Kontext anders als in einem anderen. Auf der Rezipienten-Seite ist also Wirkung nicht weniger problematisch als die Absicht auf der Sprecher/Schreiber-Seite. Das Plädoyer für den Rezipienten-Standpunkt, wie es in der SprachHandlungstheorie und in der Stilistik (z.B. Spillner 1 9 8 3 und Thieberger 1 9 8 3 , Lerchner 1 9 8 1 , 98) vielfach zu finden ist, ist also für Stilwirkung gar nicht so unproblematisch. Thieberger ( 1 9 8 3 ) plädiert sogar dafür, daß jeder Leser (eines literarischen Textes) ein Recht hat auf die seiner individuellen, sozialen und historischen Lage entsprechende Rezeption von Stil, also auch Stilwirkung. Ist die Konsequenz daraus nun, daß Stilwirkung zu heikel, zu individuell ist, daß also der Linguist die Finger davon lassen soll? Z u m ersten geht es nicht immer um historische oder um literarische Texte mit ihrem weitgehenden Anspruch auf Individualität (also auch der Wirkung); auch Gebrauchstexte haben Stil und Stilwirkung. Dann gibt es so etwas wie gemeinsames Wissen, auf dessen Grundlage kommuniziert wird und auch Stilwirkungen erkannt werden können — sonst könnte es Ironie oder Parodie nicht geben. Weiter ist eine bewußt beabsichtigte Stilwirkung nur so angelegt, daß Mitglieder einer antizipierten sozialen Gruppe oder bestimmte Individuen die Adressaten sind; bei mangelnder Kenntnis der Adressaten entstehen Unsicherheiten bereits bei der Stilabsicht. Und „neurotische" individuelle Abweichungen sind nicht der Regelfall in einer Gemeinschaft; sie können aber bei einer bestimmten Person als Adressat aufgrund einer gemeinsamen Kommunikationsgeschichte in die Wirkungsabsicht einbezogen werden. Eine ethnomethodologisch fundierte Analyse der Stilwirkung hat deshalb auszugehen von der idealisierenden Unterstellung eines gemeinsamen, wechselseitigen sozialen Wissens (Kallmeyer/ Schütze 1 9 7 6 ) . Die Bedingung, die die Linguisten zu erfüllen
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
haben, ist, daß sie Mitglieder der „ K u l t u r " (geworden) sind, die sie stilistisch beschreiben. (Und dies wiederum gilt für die Rezipienten ihrer Analysen). Die Involviertheit der Beschreibenden gehört zu den Prinzipien der Ethnomethodologie: Subjekt und Objekt der Beschreibung sind nicht trennbar. Weiter ist davon auszugehen, daß die an einer Kommunikation Beteiligten ihre Perspektiven wechselseitig aufeinander ausrichten („Reziprozität der Perspektiven": Kallmeyer/Schütze 1976; Cicourel 1973, 176 f.). Wechselseitige Antizipationen der Beteiligten ermöglichen ein funktionierendes Zusammenspiel von Stilabsicht und Stilwirkung. D a ß das idealisierende Unterstellungen sind, die nicht zutreffen müssen, muß dabei im Blick behalten werden. Hier geht es mir nicht um ganz besondere, individuelle Wirkungen von Stil. Diese haben ihr Recht (vgl. zum Grundsätzlichen N o w a k 1983). Mir geht es im folgenden um die in Kommunikationsgemeinschaften i n t e r s u b j e k t i v vorhandenen und deshalb antizipierbaren Arten von Stilwirkungen: um Stilwirkungen, die „typisch" sind, die in dieser Art immer wieder eintreten, über die auch kommuniziert wird. Typen von Stilwirkungen werden also methodisch parallel zu der Analyse von Typen stilistischen Sinns analysiert. Das Ziel, das ich dabei verfolge, ist dies: Ich gehe davon aus, daß die in einer Gemeinschaft sozial, intersubjektiv relevanten Arten von Stilwirkungen sich auch sprachlich in Ausdrücken f ü r diese Wirkungen niederschlagen; sofern solche Wirkungen erkennbar sind, dürften sie auch mitteilbar sein. Dabei sehe ich hier ab von möglichen Koppelungen stilistischer Phänomene mit Stilwirkungen; z. B. wirken Passiv und Nominalisierungen zusammen oft ,unpersönlich', vgl. auch 1.7.3. Vielmehr geht es im folgenden um diese Fragen: 1. Wie kann man methodisch unterschiedliche Typen von Stilwirkungen erfassen? 2. Kann man derart erfaßte Stil Wirkungen systematisieren? Gibt es sinnvolle Zusammenhänge (auch aus der Perspektive der Beteiligten?) 3. Wie werden Wirkungsausdrücke verwendet?
1 . 4 . Stilwirkung
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1.4.4. Typisierung der Stilwirkungen Im folgenden wird der Versuch gemacht, typische, stereotype Zuschreibungen von Stilwirkung zu systematisieren. Eine Methode besteht darin, wie schon in 1.2. zur Erfassung der Sinn-Typen von Stil, sprachliche Ausdrücke zu sammeln, mit denen konventionell einem Stil eine Wirkung zugeschrieben wird. Beispiele sind: sonderbarer Stil, Überraschungseffekt, dieser Stil ist
sehr umständlich,
die Aggressivität dieses Stils usw. D. h. es gibt
auch stereotype Zuschreibungen von Stilwirkung; die Propositionen können — wie die Beispiele zeigen — sehr variabel ausgedrückt werden. Beispiele dieser Art sind zu finden in einsprachigen Wörterbüchern (Duden, Grimm, Klappenbach/Steinitz, Trübner usw.), bei der Beachtung des eigenen Sprachgebrauchs und schließlich in Stilistiken (vgl. 1.2.). Eine zweite Methode: Die Beschäftigung mit Stilwirkung führt dazu, dem Phänomen auch in solcher linguistischer Literatur Beachtung zu schenken, die sich mit dem Stil eines Autors oder mit Stilelementen, wie Ironie, befaßt. Es ist erstaunlich, wie oft Linguisten der verschiedensten Couleur — aufgrund ihrer eigenen Stilkompetenz, nicht aus linguistischen Erwägungen — von Stilwirkungen reden. Ich habe solche Zuschreibungen nach dem Zufallsprinzip gesammelt. Diese Zuschreibungen einer Stilwirkung sind insofern ein wichtiges Material, als im Kontext auch jeweils der Anlaß dafür gegeben ist: der Text, der Textausschnitt oder das Stilelement (oft mit Kontext). Derartige Stellen aus linguistischen Arbeiten haben den Vorteil, daß ich überprüfen kann, ob diese Zuschreibung einer Wirkung über diesen Gegenstand für mich nachvollziehbar ist. Ein Beispiel aus Rück ( 1 9 8 2 , 4 4 ) : Es geht um „das Phänomen der leeren Verweisung", d. h. der pronominalen Referenz auf referentiell nicht identifizierte Gegenstände: „ M i t Hilfe vielfältiger Perspektivierungen wird Konsistenz nicht wie im herkömmlichen Roman gefestigt und ausdifferenziert, sondern demontiert". Dies hat eine „den Leser irritierende Wirkung". Im Licht der „Ziehharmonika"-Beschreibung von 1.3.: Ein Zusammenhang wird hergestellt zwischen einer Äußerungseigenschaft („pronominale Referenz"), dem Ergebnis („Referenz auf nicht
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
referentiell identifizierte Gegenstände") und der Folge (= Wirkung: „irritierende Wirkung"). Das Material, das ich im folgenden bearbeite, ist mit Hilfe dieser Methoden gesammelt worden. Die dahinter stehenden Fragen sind: Wie reden die Beteiligten über Stilwirkungen, und wie reden Linguisten (als Beteiligte) über Stilwirkungen? Zunächst ist es wichtig, die Rückwirkungen des Äußerungsresultats (der Äußerung, des Textes) auf den Sprecher/Schreiber zu unterscheiden von den Wirkungen auf den Rezipienten. Unter Rückwirkung auf den Sprecher/Schreiber verstehe ich folgende Fälle: Er ist zufrieden oder weniger oder nicht zufrieden mit dem Äußerungsresultat, es ist in Relation zu seinen Handlungs-Absichten gut oder weniger gut, er sucht nach einer neuen oder einer ergänzenden Formulierung usw. Hierher gehören auch die Rückwirkungen des Teilresultats im Äußerungs p r o z e ß , die im spontanen Sprechen zu Selbstkorrekturen führen. Antos (1984) nutzt solche Rückwirkungen beim interaktiven Textherstellen in einer Gruppe methodisch für die Stilanalyse. Rückwirkungen verstehen wir alltäglich nicht unter Stilwirkung. Vielmehr steht bei dieser der Rezipient allein im Mittelpunkt. 1.4.4.1. Verallgemeinerte Stilwirkungen Die generellste Zuschreibung einer Stilwirkung ist die, von einem Stil oder einem Stilausschnitt zu sagen, er sei wirkungsvoll oder wirksam. Damit ist nicht gesagt, in welcher Hinsicht wirksam. Gemeint ist bei wirksam so etwas wie: ,das Thema und/oder die Handlung in der Situation (gut) zur Geltung bringend'. Wirkungsvoll gibt dem gegenüber eine deutlicher positive Bewertung hinzu: ,Handlung und Thema gut (bis sehr gut) zur Geltung bringend'. Wirksam ist die neutralere Prädikation. Bei diesen Zuschreibungen ist eine Unterscheidung in sprecherseitige oder rezipientenseitige Wirkung nicht durchzuführen; deshalb und weil sie sich nicht auf speziellere Aspekte der Stilwirkung beziehen, nenne ich sie „verallgemeinerte Stilwirkungen". Der neutralste Ausdruck im Bereich der Stilwirkung ist angemessen: D . h . die Stil Wirkung entspricht dem, wie der Sprecher/Schreiber in der Situation, bei einem Hand-
1.4. Stilwirkung
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lungsziel oder/und einem Thema dieser Art stilistisch vorgehen kann und/oder sollte und was der Rezipient aufgrund seines sozialen Wissens erwartet und/oder akzeptieren kann. Angemessen und unangemessen sind die allgemeinen Ausdrücke dafür, wie ein konkreter Stil in Relation zum intersubjektiv Erwartbaren zu bewerten ist. Auch hier wird nicht mitgeteilt, in welcher Hinsicht der Stil angemessen ist. Im Bereich der verallgemeinerten Stilwirkungen haben wir es mit zwei Skalen zu tun: 1.Die Skala unangemessen, wenig (er) angemessen, angemessen, sehr!durchaus!überaus!... angemessen für die Relation konkreter Stil/intersubjektiv Erwartbares. 2. Die Skala unwirksam, wenig(er) wirksam, wirksam (mit etwas positiver Wertung) bis hin zum positiv bewerteten wirkungsvoll. Mit diesen Skalen wird auf den konkreten Stil bezug genommen und seine Wirkung in Relation zum konkreten Handlungsziel mit seinen konkreten Handlungsumständen eingestuft. Wie bereits die Darstellung der Skalen zeigt, können sie mit Hilfe von Gradpartikeln weiter differenziert und auf die konkreten Bedürfnisse zugeschnitten werden: besonders wirkungsvoll, außerordentlich wirksam, gänzlich unwirksam usw. Vgl. auch 1.4.8. Hier wird bereits deutlich, daß Stilwirkung und Stilbewertung kaum zu trennen sind; beschreibende Wirkungsausdrücke sind oft wertend verwendet (vgl. Keller 1977, Sandig 1979). Auch in der Skalierung der Wirkungsausdrücke schlägt sich diese Verwandtschaft nieder (vgl. Sandig 1979, Urmson 1974: „Einstufen"). Auch die Skala angemessen usw. kann nicht nur beschreibend verwendet werden, sondern je nach Bewertungsmaßstab, z. B. einer sozialen Gruppe (vgl. Urmson 1974, 164 ff.), kann sie bewertend verwendet werden und sogar mit verschiedenen gruppenspezifischen Wertungen. Die verallgemeinerten Wirkungsausdrücke der ersen Skala setzen den konkreten Stil in Relation zur Grundfunktion stilistischen Sinns; die Ausdrücke der zweiten Skala sind bezogen auf die generelle Funktion von Stilwirkung (s.u. 1.4.6.).
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
1.4.4.2. Die spezielleren Stilwirkungstypen Specher/Schreiber, Äußerung bzw. Text und Rezipient sind Bestandteile des umfassenden Handlungs-Rahmens, der in 1.3. skizziert wurde: Sie gehören nach dem Wissen der Beteiligten zusammen, wenn es um Stil geht. Beim Reden über Stil können aber Teilaspekte des ganzen Handlungszusammenhangs ausgeblendet werden (vgl. das Reden über stilistische Sinn-Typen in 1.2.). Dabei werden, gleichsam perspektivisch, einzelne Aspekte in den Blick genommen. Der Wirkungsausdruck erheiternd ist beispielsweise folgendermaßen zu verwenden: Das ist ein erheiternder Text; der Text wirkt außerordentlich erheiternd (auf mich). Hier ist die Relation Texteigenschaft/Rezipient in den Blick gekommen. Bei heiter als Wirkungsausdruck ist dies anders: Dieser Text ist heiter (Texteigenschaft), Dieser Text ist / wirkt heiter geschrieben (Rezipient unterstellt dem Sprecher/Schreiber eine Einstellung) und Dieser Text wirkt heiter (auf mich) Relation Texteigenschaft/Rezipient). Ein auffallender Stil oder Textteil/Äußerung benennt die Wirkungen von Texteigenschaften auf den Rezipienten; der Stilaspekt erregt die Aufmerksamkeit (z.B. Käge 1980, 93) des Rezipienten; die Textstelle selbst (der Text) ist auffällig (Texteigenschaft). Nach dem dargestellten Überblick über Stil im Handeln lassen sich, bezogen auf den Rezipienten, Gruppen von Stilwirkungen unterscheiden: a) Welche Intentionen unterstellt der Rezipient dem Sprecher/ Schreiber? Diese Gruppe von Stilwirkungen fasse ich zusammen unter „sprecherbezogene Unterstellungen des Rezipienten". b) Welche Aspekte des Rezipienten spielen bei der Stilwirkung eine Rolle („Rezipientenaspekte")? c) Welche weiteren Handlungsaspekte (vgl. 1.3.) spielen eine Rolle? Bei der Darstellung kommt es an auf relevante Aspekte, nicht auf Vollständigkeit der angeführten Ausdrücke (vgl. auch Antos 1982, 51 ff.).
1 . 4 . Stilwirkung
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1 . 4 . 4 . 3 . Sprecherbezogene Unterstellungen des Rezipienten Bei „sprecherbezogenen Unterstellungen" geht es um Einstellungen, um Intentionen und Dispositionen, die der Rezipient a u f g r u n d d e s S t i l s (und seiner Funktion für die Handlung) dem Sprecher/Schreiber unterstellen kann: Aufgrund des sozialen Wissens kann der Rezipient diese als beim Sprecher/Schreiber vorhanden (gewesen) vermuten. Ein Teil dieser Wirkungsausdrücke stimmt überein mit Antos' „Image-Dimension" der „formulierungskommentierenden Ausdrücke" ( 1 9 8 2 , 7 4 und 7 6 ) . a) Unterstellte Intentionen und Dispositionen: Unterstellbare Intentionen des Sprechers/Schreibers sind: provozierend, scherzend, aggressiv, polemisch, imponierend... Sowohl für unterstellte Handlungsdispositionen wie für unterstellte Intentionen sind zu verwenden: höflich, pfiffig, salopp, witzig, raffiniert... Möglicher Kontext: Der Sprecher/Schreiber ist/handelt x. Als unspezifische Ausdrücke sind für unterstellbare Intentionen und/oder Dispositionen zu finden: individuell mit positiver oder neutraler Wertung, originell mit positiver Wertung, eigenwillig mit neutraler bis leicht negativer Wertung (der Äußernde distanziert sich von dieser Art der Individualität). Mit diesen Wirkungsausdrücken werden Abweichungen vom per Konvention Erwartbaren konstatiert und als mögliche Intention unterstellt. (Vgl. die rhetorische Kategorie der „Verfremdung", Lausberg 1 9 6 7 , 3 9 f f . ) . b) Unterstellte Einstellungen des Sprechers/Schreibers: Der mögliche Kontext für die Unterstellung von Einstellungen, Gefühlen beim Sprecher/Schreiber lautet: Der Schreiber war/ist x. Der allgemeinste Wirkungsausdruck für Gefühlsunterstellung ist emotional, für die Unterstellung der Abwesenheit von Gefühl unemotional. Beide können beschreibend wie auch bewertend verwendet werden (je nach dem konkreten Zusammenhang). In diese Skala gehört m. E. auch expressiv als stärkerer Ausdruck für eine Gefühlswirkung, gefühlvoll für positiv bewertende Unterstellung. Die unterstellte Abwesenheit von Gefühl wird ganz unspezifisch, neutral bis positiv wertend, ausgedrückt mit sachlich; die unterstellte Anwesenheit von Gefühl wird negativ bewertet mit unsach-
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
lieh. Sachlich und emotional bilden auch die Pole einer weiteren Skala, in der Gefühlsanwesenheit und -abwesenheit beide positiv bzw. neutral bewertet werden. Ausdrücke für spezifischere Gefühlseinstellungen, die dem Schreiber unterstellt werden, sind (vgl. Frey 1975, 45—47): nüchtern, kühl, albern, sensibel, hochtrabend, träumerisch, melancholisch, heiter,... Offenbar sind hier viele Gefühlsausdrücke verwendbar. Die dem Sprecher/Schreiber unterstellte Einstellung zu Handlung und Handlungsinhalt (Art der Themenabhandlung) findet ihren Ausdruck in folgenden Fällen: Der Autor hat dies x (wirkend) dargestellt: kaschierend, verschleiernd (Käge 1980, 121; Oomen 1983, 35 f. über die Wirkung von Ironie), persuasiv, distanziert, (unpersönlich usw. Mit einer Reihe von Wirkungs-Ausdrücken wird dem Sprecher/ Schreiber unterstellt, die Beziehung zum Rezipienten in bestimmter Weise gestalten zu wollen: höflich, förmlich, freundlich, unpersönlich, pastoral und professoral (,wie ein P . ' ) . . . c) Die Relation Sprecherunterstellung-Texteigenschaft kann man am besten einordnen unter die Rubrik: „StilWirkung als Ergebnis des Textherstellens durch den Sprecher/Schreiber" (als Ergebnis eines Prozesses, s. 1.3.4.). Als möglichen Kontext kann man hier nehmen: Dieser Stil ist (vom Sprecher/Schreiber) x (wirkend) gemacht. Als unspezifische positiv wertende Ausdrücke sind hier gekonnt, gelungen und geglückt zu finden: Dieser Stil ist (dem Schreiber) gelungen; in einem (durchaus) gekonnten Stil. Als spezifischere Wirkungsausdrücke finden wir hier: gewählt (vgl. die Definitionen von Stil als Wahl oder Ergebnis einer Wahl), sorgfältig, gut/schlecht gemacht, umständlich, ungeschickt, nachlässig, raffiniert, kunstvoll, gekünstelt... Wie man sieht, spielen eine Reihe der in 1.3. dargestellten Handlungsaspekte eine Rolle: Disposition, Intention und das Durchführen der komplexen Handlung als Textherstellen.
1.4. Stilwirkung
81
1.4.4.4. Rezipientenaspekte a) Hierher gehört analog zu sprecherbezogenen Unterstellungen des Rezipienten die Bewirkung von Einstellungen, Gefühlen des Rezipienten. Als Kontext ist hier zu denken: Dieser Text/dieses Thema wirkt x auf den Rezipienten. Dies zeigt, wie schon a) und b) in 1.4.4.3., daß Rezipientenaspekte nicht isoliert betrachtet werden, sondern immer nur in Relation zu anderen Aspekten des Gesamten. Bewirken von Einstellungen, Bewertungen, Gefühlen: Emotionale Wirkungen sind z. B. nüchtern, kühl, albern, sensibel, brechreizerregend, bedrückend, träumerisch, melancholisch, (alle aus Frey 1975, 45 ff.) erheiternd. Eine Auswahl der hier verwendbaren Gefühlsausdrücke, wie nüchtern, kann auch für dem Sprecher unterstellte Gefühle verwendet werden. Andere wie bedrückend, brechreizerregend, erheiternd wären auch für dem Sprecher unterstellte Handlungsabsichten zu verwenden. Hier hat sicher die Wirkungslehre der Rhetorik ihre Folgen in unserer Kultur: Das Movere, Gefühle beim Rezipienten auslösen, war eine der wesentlichen Wirkungsarten (Lausberg 1967, 35). Die Unterstellung von Gefühlen beim Sprecher/Schreiber allerdings — die dem Bewirken von Gefühlen korrespondiert —, ist erst durch den Hintergrund einer interaktionsbezogenen Theorie herauszuarbeiten. Zu der Gruppe der Bewirkungen von Einstellungen, Wertungen (Relation Text/Thema-Rezipient) gehören auch die ästhetischen Wirkungen. Mögliche Kontexte dieser Ausdrücke sind: Der Leser findet diesen Text!dieses Thema x (wirkend) (gestaltet). Eine unspezifische Ausdrucksweise in diesem Zusammenhang ist: Die Art der Abhandlung des Themas gefällt dem Leser (nicht). Als generelle Ausdrücke gehören ebenfalls hierher: schön, unschön, auch glänzend. Speziellere Ausdrücke sind: kunstvoll, poetisch, lyrisch, klischeehaft, kitschig, lächerlich (z.B. Frey 1975, 45-47), billiger Effekt (Blumenthal 1983, 72), komischer Effekt (Blumenthal, 1983, 68), manieriert, schwülstig (Klappenbach/Steinitz 3590). b) Rezeption des Textes durch den Rezipienten: Eine ganze Reihe von Wirkungsausdrücken betreffen die Wirkung des Textes auf
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
den Rezipienten bei der Text-Rezeption. Als generelle Ausdrücke finden wir lesbar, unlesbar, leicht!schwer lesbar. Hierher gehören auch speziellere Ausdrücke mit möglichen Kontexten wie Der Text wirkt (bei der Rezeption) x auf den Rezipienten!Dieser Text ist (für den Rezipienten) x zu lesen: angenehm, vergnüglich, amüsant, unterhaltend, belustigend, spaßig, langweilig, interessant. Vgl. zu einigen dieser Ausdrücke Lausberg 1967, 35: delectare). c) Art der Aktivierung des Rezipienten: Eine Reihe von Wirkungsausdrücken betrifft die Art der Aktivierung des Rezipienten bei der Rezeption: Es gibt als unspezifische Ausdrücke auffallend, nachdenklich machend mit neutraler Wertung, auffällig (Braselmann 1981, 178 f.) mit neutraler bis negativer Wertung, eindrucksvoll, einprägsam mit positiver Wertung. Sachlich haben diese Benennungen ihre Berechtigung darin, daß dieselben Texteigenschaften von den Rezipienten bemerkt werden, ihre Bewertung aber oft sehr unterschiedlich ausfällt (z.B. Frey 1975, 45 ff.). Spezifische Ausdrücke im Kontext von Diese Rede-/Schreibweise x-t/wirkt x auf den/beim Rezipienten finden wir z. B. in aufmerksam machen (vgl. Käge 1980, 93), neugierig machen, Spannung erzeugen (beide Rück 1982, 42), einschläfernd, ermüdend, Interesse wecken!interessant machen, anregend, spannend, fesselnd. Zu dieser Gruppe gehören auch die Ausdrücke für Störungen des Rezipienten bei der Rezeption: holprig, umständlich, irritierend, verunsichernd (Rück 1982, 44 f.), desorientierend (vgl. Fish 1975, 198 für die Wirkungen von Wortstellungen). Ungelenk, unbeholfen, schwerfällig (Klappenbach/Steinitz 3590) können sowohl metaphorisch zu dieser Gruppe gehören wie auch für dem Sprecher/ Schreiber unterstellte Dispositionen verwendet werden. 1.4.4.5. Handlungsaspekte Über die bisher betrachteten Aspekte des sprachlichen Handelns (Sprecher-Text-Rezipient und deren Relationen) hinaus werden weitere Handlungs-Aspekte wichtig, nämlich Inhalte sprachlichen Handelns, Eigenschaften der Äußerung und der Situation. a) Wirkungen der Themengestaltung: Unter Thema (Handlungsinhalt) sind diejenigen Ausschnitte von Sachverhaltskomplexen zu
1.4. Stilwirkung
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verstehen, die im Text zur Sprache kommen, z. B. in einer bestimmten Perspektive, Reihenfolge o. ä. Die Art der Gestaltung von Sachverhalten im Thema wird mit Wirkungsausdrücken belegt (vgl. teilweise Antos 1982, 75: „Dimension der Sachadäquanz"). Das Thema ist x bearbeitet!dargestellt ist der mögliche Kontext für knapp, gerafft, sparsam, klar, konzis, umständlich, weitschweifig, vage, andeutend, suggestiv, übersichtlich, wohlgeordnet (Fish 1975, 207), anschaulich, plastisch, lebendig, trocken, farblos, pointiert, stichwortartig... Als unspezifischen Ausdruck finden wir hier noch einmal: angemessen. Die Fülle dieser Wirkungsausdrücke spricht dafür, daß dies ein für die Beteiligten wichtiger Bereich ist. b) Wirkungen von Texteigenschaften (Äußerungseigenschaften) Die Kontexte, die hier für Wirkungsausdrücke infrage kommen, sind: Dieser Text(teil) ist/wirkt x (geschrieben/gemacht) bzw. Diese Äußerung ist/wirkt x. Der unspezifische Wirkungsausdruck ist hier: Dieser Text/diese Äußerung wirkt/ist wirksam. Spezifischere Ausdrücke sind: poetisch, klar, einfach, knapp, sparsam/ ökonomisch, kompliziert... Alle diese Ausdrücke können auch in einem anderen Kontext verwendet werden, nämlich für den im Text abgehandelten Sachverhalt, das Thema: Dieses Thema ist/wirkt x (dargestellt!abgehandelt). Der Stil des Textes/der Äußerung ist also aus der Perspektive der Beteiligten nicht allein relevant, wohl aber als der Stil des im Text abgehandelten Themas. Die bisher aufgeführten Ausdrücke sind beschreibender Art; sie können aber auch bewertend verwendet werden. Die Gruppe der ästhetisch wertenden Ausdrücke gehört teilweise auch hierher und zwar in Kontexten verwendet wie: Dieser Text ist x, im Sinne von ,Dieser Text ist in seiner Gestaltung x' und Dieses Thema ist/wirkt (in der Darstellung) x. Hierher gehören Ausdrücke wie lyrisch, kitschig, kunstvoll, abwechslungsreich vs. eintönig (vgl. Lausberg 1967, 40 f., variatio). Als generelle Ausdrücke gehören hierher gut, schlecht für unspezifische Bewertungen der Darstellungsart, schön, unschön für unspezifische ästhetische Wertung. Ästhetisch wer-
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
tende Kontexte können, wie schon gezeigt, auch den Rezipienten mit in die Perspektive nehmen. Die Art der Themenabhandlung u n d die Art der Handlungsdurchführung spielen eine Rolle bei: steif, geschraubt, gespreizt, elegant, feierlich... c) Die Erwartbarkeit der Durchführung spielt eine Rolle bei gewohnt als unspezifischem Ausdruck; alltäglich, ungewöhnlich, seltsam, eigenartig, sonderbar. (Vgl. Antos 1982, 77: „Standardorientierung".) Diese Ausdrücke können beschreibend und bewertend verwendet werden. Auch die Skala gewohnt, fremdartig, neuartig gehört in diesen Bereich. Eine ganze Reihe von Ausdrücken wurde in 1.2. als Ausdrücke für stilistischen Textsinn zusammengetragen. Z. B. Amtsstil, Wissenschaftsstil, Argumentationsstil, Erzählstil, Zeitungsstil usw. In diesen Fällen wird die Art der Handlung (mit der thematischen Sachverhaltsgestaltung) konventionell mit bestimmten Texteigenschaften durchgeführt; die Texteigenschaften bedeuten also die Handlung mit, sie konnotieren sie auch bei abweichender Verwendung der Texteigenschaften. So werden diese Ausdrücke dann als Wirkungsausdrücke verwendet, wenn die Texteigenschaften in der Situation unerwartbare Handlungen oder Handlungsaspekte mitbedeuten: Dieser Brief klingt geradezu wissenschaftlich, ein politisches Interview im Plauderton, ein politischer Kommentar im Erzählstil usw. Der Rezipient hat Erwartungen im Hinblick auf Texteigenschaften, die die Situation berücksichtigen oder definieren. Z. B. bedingt eine öffentliche Institution andere Stile als der private Kontakt, Schriftlichkeit andere Texteigenschaften als (spontanes) Sprechen, das Medium wird wichtig usw. Abweichungen von diesen Erwartbarkeiten (Konventionen) wirken stilistisch: z.B. wenn jemand druckreif spricht, und das auch im privaten Kontakt; ein privater Brief im Spiegelstil, d.h. im Stil eines bestimmten Mediums; eine telegrammstilartige Rede. Als unspezifische Ausdrücke finden wir hier (situations)angemessen, auch ungewöhnlich, merkwürdig usw.
1.4. Stilwirkung
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Die erwartbare Relation der Art der Handlungsdurchführung (mit Sachverhaltsgestaltung) zur Rezipientengruppe wird vom Beobachterstandpunkt aus bewertet mit kindgemäß, populär. Auch dieser Fall hat sein Pendant im stilistischen Textsinn. Überall da, wo Erwartung im Spiel ist, werden stilrelevante Aspekte a u s d e r P e r s p e k t i v e des Rezipienten gesehen: Sie wirken in Relation zu seinen Erwartungen, die auf Erfahrung, Konvention beruhen. d) Der Zeitbezug (Historizität) von Art der Themenabhandlung und Handlungsdurchführung wird wichtig bei folgenden Wirkungsausdrücken: Zeitgemäß wird als unspezifischer Ausdruck verwendet: Der Stil dieses Romans ist zeitgemäß. Altmodisch und modern geben die Wirkung aus der Perspektive des Rezipienten an. Unabhängig von der Perspektive des Rezipienten sind Wirkungsausdrücke wie romantisch, barock, die auch im Sinne von ,relativ romantisch' usw. verwendet werden können. 1.4.5. Zusammenfassung und Folgerungen a) Alle Aspekte sprachlichen Handelns haben bei Stilwirkungen Relevanz: Text/Äußerung, Situation und Handlung mit situationstypischen Erwartungen, Dispositionen (Präferenzen), Einstellungen, Intention, Durchführung, Handlungsinhalt. Dazu kommt das Bewerten. Aber im Fall der Stilwirkung werden alle diese Komponenten a u s d e r S i c h t des Rezipienten, in R e l a t i o n zu ihm, wichtig. Dazu die Übersicht auf S. 86. b) Die Tatsache, daß es neben den spezifischen Wirkungs-Ausdrücken jeweils unspezifische bzw. verallgemeinerte Ausdrücke gibt, spricht dafür, daß die vorgenommene Einteilung aus der Sicht der Beteiligten einige Relevanz besitzt. — Es gibt „verallgemeinerte Wirkungsausdrücke", die die Perspektive von Sprecher/Schreiber u n d Rezipient einbeziehen; sie gelten den Funktionen von Stil im Handeln ganz allgemein („Grundfunktionen"). — Wichtig wird das stilistische Textherstellen (mit unterstellbaren Dispositionen, Intentionen... des Textherstellers) und sein Ergebnis: der Text mit bestimmten Eigenschaften. Das Textherstel-
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
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1.4. Stilwirkung
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len ist hier aus der Perspektive des Rezipienten gesehen, nicht wie in der Arbeit von Antos ( 1 9 8 2 ) als Problemlöseprozeß in der Sicht des Textherstellers. Möglicherweise ergibt sich hierdurch ein methodischer Zugang zum Textherstellen unter dem Gesichtspunkt des Stils. — Das Rezipieren des Textes als Prozeß, als Aktivität des Rezipienten, wird wichtig. Pendant zu den Einstellungen, Wertungen, Gefühlen auf der Sprecher/Schreiber-Seite ist das Bewirken von Einstellungen, Wertungen, Gefühlen beim Rezipienten. Als Pendant zum (stilistisch relevanten) Textherstellen ist auf der Rezipientenseite das (stilistische) Textrezipieren wichtig. Spillner ( 1 9 7 9 , 148) schreibt: „Stileffekte ergeben sich ( . . . ) erst in der Interaktion zwischen den im Text kodierten Folgen der durch den Autor getroffenen Auswahl und dem reagierenden Rezipient e n . " Deshalb ist es nötig, den Rezipientenstandpunkt möglichst auch methodisch zu rekonstruieren. Dabei ist es wichtig, über Riffaterre ( 1 9 7 3 ) und Frey ( 1 9 7 5 ) hinauszugehen; die fruchtbarsten Ansätze in dieser Richtung, die ich kenne, haben Fish ( 1 9 7 5 ) , Spillner ( 1 9 7 9 ) und Van Peer/Short ( 1 9 8 0 ) gemacht. — Eigenschaften verschiedener Art des Textes werden wichtig, wiederum bezogen auf den Rezipienten; hierbei ist aber dann der Aspekt des Textrezipierens ausgeblendet. — Die Art der Themenabhandlung (Handlungsinhalt) und der Handlungsdurchführung sind wichtig, beide auch bezogen auf die kommunikativen Erfahrungen (und infolgedessen: Erwartungen) des Rezipienten. Auch hierfür sind angemessene Beschreibungsmethoden zu entwickeln. Die beste Methode, die ich bisher kenne, ist die „Hintergrundbeschreibung" von W. Frier ( 1 9 8 3 ; dazu Sandig 1 9 8 3 b ) : Das jeweils gewählte Textelement wird in Relation zum Erwartbaren, zur Konvention beschrieben. — Schließlich fallen immer wieder die Wertungen auf; diese können je nach Horizont des Rezipienten (Bildung, Alter, Gruppenzugehörigkeit) verschieden ausfallen (vgl. Frey 1 9 7 5 , 4 5 ff., Steinig 1 9 7 6 , 46—49). Wertungen sind also bestimmte (wertende) Perspektiven des Rezipienten auf die Komponenten sprachlichen Handelns. Hier sind auch ästhetische und normative Wertungen anzusiedeln. Wichtig ist auch hier, methodische Zugänge zu finden (z.B. die Arbeiten von Frey 1 9 7 5 , allerdings noch beha-
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
vioristisch-quantitativ orientiert, und die Arbeit von Steinig 1976; Van Peer (1983) arbeitet mit dem (etwas veränderten) Osgoodschen Differential). Die Punkte Erwartung und Wertung zeigen: Handlungen (mit den Eigenschaften ihrer Durchführung) werden in der jeweiligen Handlungssituation eingeschätzt vor dem Hintergrund des sozialen Wissens und der Werte: Auf diese Weise wirken die Handlungen. c) Der Systematisierungsversuch der Stilwirkungen aus der Sicht der Beteiligten zeigte eine Fülle von Skalen und anderen Feldern, die ihrerseits eingebettet sind in die umfassenderen Wissensrahmen ,Stil' und ,Handeln', dessen Teilaspekt Stil ist. Die Darstellung konnte aus der Vielfalt der Ausdrücke für Stilwirkungen nur einen Teil erfassen. Dies wirft ein Licht auf die Schwierigkeiten: — Oft sind Wirkungen von Stil und Inhalt (Thema) nicht zu trennen, zumal dann, wenn der Stil das Inhaltliche unterstützt (vgl. Lausberg 1967, 40 im Hinblick auf Verfremdung: Unterschied zwischen „Stoff" und „Verarbeitung"). — Sowohl die generellen Wirkungs-Ausdrücke wie auch die spezifischen beziehen sich auf eine Reihe von Wirkungsaspekten, die es in ihrem Handlungszusammenhang zu rekonstruieren gilt. Ohne diesen Zusammenhang verschwimmt der gesamte Bereich der Wirkung. Man darf davon ausgehen, daß dieser Zusammenhang den Beteiligten in ihrem sozialen Wissen vorgegeben (wenn auch nicht als gewußt präsent) ist. — Die Kategorie Wirkung in der Rhetorik (vgl. Dockhorn 1968, 126: movere, delectare, docere) bietet, bei aller Wichtigkeit, die ihr dort zukommt (Dockhorn, 126), nur einen kleinen Ausschnitt aus dem, was die Beteiligten an Wirkungen kennen. — Die Kategorie Wirkung hat in der Forschung der DDR (z. B. Schmidt 1971, Richter 1978, Lerchner 1981) einige Beachtung gefunden. Da die theoretischen Grundlagen dort anderer Art sind, soll dies hier nur erwähnt werden. — R.Römer hat in einigen Arbeiten (1972, 1973) gezeigt, daß Wirkung (von Sprache) ein problematischer Gegenstand ist; sie ist auf die unterschiedliche Wirkung von Sprachmitteln einge-
1 . 4 . Stilwirkung
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gangen, auf die davon zu unterscheidende Wirkung von Ideen, und auf die verschiedenen Wirkungen bei Gruppenmitgliedern (Römer 1972); nach Römer (1973, 88) wirken die Inhalte, „die Attitüden zu den Dingen und nicht die sprachlichen Formulierungen". Hier wird demgegenüber unterschieden zwischen beiden Arten von Wirkungen.
1.4.6. Die generelle Funktion stilistischer Wirkungen Die stilistische Grundfunktion wurde im Zusammenhang des stilistischen Sinns (Kap. 1.2.) folgendermaßen dargestellt: Durch die mit stilistischem Sinn anreichernde Art der Handlungsdurchführung wird die konkrete Handlung, die bezogen ist auf ein Handlungsmuster, in variabler Weise auf die konkreten Handlungszusammenhänge bezogen. Als Pendant dazu kann man eine generelle Funktion stilistischer Wirkung annehmen: — Die Wirkung des Anreicherns mit stilistischem Sinn ist es, die Handlung zu unterstützen, indem der Handlungscharakter (Illokution) und/oder der Handlungsinhalt (Proposition, Thema) auf konventionelle oder abweichende Weise verstärkt wird. Dadurch soll das Erfolgreichsein der Handlung im Sinne des Sprechers/Schreibers gesteuert werden. Die Handlung wird möglichst wirksam vollzogen. — Die Handlung wird nebenher (vgl. 1.6.2. das Implizite des Stils) angereichert mit Sinn und erhält Wirkungen, die entweder tatsächlich weniger relevant sind als die Handlung selbst (z.B. durch die Art der Berücksichtigung des Kanals) oder die als weniger relevant hingestellt werden (z. B. wertende Einstellungen), die weniger deutlich mitgeteilt werden (wie soziale oder individuelle Identität); es gibt Nebenwirkungen. Das stilistisch Mitgeteilte erlaubt also die generelle Wirkung einer Relevanzabstufung gegenüber der durchgeführten Handlung. Dies zeigt sich besonders an Stilblüten, wo im Kontext ganz unvermittelt das bisherige und eigentliche (unterstütztende oder zusätzliche) Nebenbei die Handlung dominiert.
90
1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
1.4.7. Zum Zusammenhang von Typen der Stilwirkung und Typen stilistischen Sinns: Gewichtung der Funktionstypen Kanal, Medium und Institution haben Einfluß auf den stilistischen Sinn; bei den Ausdrücken für Stilwirkung spielen sie kaum eine Rolle; generelle Ausdrücke wie wirksam, angemessen, wirkungsvoll stehen aber zur Verfügung, um sich im Kontext darauf zu beziehen: dem x angemessen; wirksam!wirkungsvoll im Hinblick auf y. Das Verhältnis Sprecher/Schreiber, Rezipient und ihre Beziehung spielt, wie die vielen entsprechenden Wirkungstypen erkennen lassen, eine wichtigere Rolle bei der Stilwirkung als beim stilistischen Sinn. Dies scheint dafür zu sprechen, daß es sich hierbei um besonders wichtige Funktionsaspekte von Stil handelt. (Vgl. auch deren Wichtigkeit in soziolinguistischen Arbeiten von Gumperz, Labov, auch bei Franck 1980; Sandig 1984b, 280.) Ebenso erhalten die Handlung und das Thema (Handlungsinhalt) einen besonderen Stellenwert durch ihre Wichtigkeit für stilistischen Sinn und Stilwirkung. Aus der Rolle, die die Einstellungen sowohl beim stilistischen Sinn wie auch bei der Stilwirkung spielen, geht auch deren Wichtigkeit im Rahmen der Stilfunktionen hervor. Anhand dieser Überschau läßt sich vermuten, daß einige Funktionstypen für die Sprachteilhaber selbst eher zentral, andere eher marginal sind. Zu den zentralen Funktionstypen gehören: die Art der Durchführung der Handlung und ihres Inhalts, die Gestaltung der Sprecher/Rezipient-Beziehung und das Ausdrücken von Einstellungen. Eher marginal sind die situationsbezogenen Funktionstypen Kanalbezogenheit, Mediumbezogenheit, Institutionsgemäßheit (soweit nicht schon durch die Beziehungsgestaltung, die Handlungsdurchführung und die Einstellungen abgedeckt). Bei den Typen stilistischen Sinns spielen das Stilherstellen und Stilrezipieren keine Rolle, wohl aber unter dem Gesichtspunkt der Stilwirkung: Die Art der Handlungsdurchführung ist weniger im Hinblick auf das Ergebnis der Handlung (stilistischer Sinn) wichtig als im Hinblick auf die Folgen (Stilwirkung). Diese Befunde sprechen für die Richtigkeit der Annahme der Grundfunktionen von stilistischem Sinn und Stilwirkung: das Zu-
1 . 4 . Stilwirkung
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rechtmachen einer nach einem Handlungstyp (Handlungsmuster) vollzogenen sprachlichen Handlung für die besonderen Handlungsgegebenheiten (Situation, Handlungsbeteiligte, M o d e n . . . ) , um dadurch diese konkrete Handlung beim Adressaten möglichst erfolgreich werden zu lassen. Dies kann aber — wegen der Vielfalt an mitzuteilendem Nebensinn — auch nur graduell gelingen. 1.4.8. Wie werden Wirkungsausdrücke verwendet? a) Frey ( 1 9 7 5 , 4 5 ff.) beschreibt die Wirkung derselben Textausschnitte (literarischer Texte mit dem Thema „Wetter und Himmel"): „Die Kommentare pendeln zwischen ,auffallend, nüchtern, kühl' und ,bedrückend, monoton, albern' bei Text II; zwischen ,schön, majestätisch, kunstvoll' und ,abgedroschen, pompös, brechreizerregend' bei Text VIII; zwischen ,sensibel, lyrisch, träumerisch' und ,sentimental, Klischee, Kitsch' bei Text III." Frey stellt die größten Differenzen bei stark gefühlsbetonten Texten fest. Aber auch bei nichtliterarischen Texten schwanken die Wirkungen erheblich. So habe ich in Sandig (1984a) ein Beispiel analysiert, das auf den einen Rezipienten ,empörend', ,peinlich', ,ungehobelt'... wirkte, auf den anderen ,aufmerksam machend', ,nachdenklich machend'. — Ein anderes Beispiel: Die Arbeit über Metaphern von Keller-Bauer (1984) enthält eine Reihe stilistischer Auffälligkeiten, z.B. S.3: (7)
„ Z u e r s t nämlich wird angenommen, daß das Verständnis einer Metapher auf Faktenwissen beruht wie etwa, daß Löwen tapfer sind und daß Achill in dieser Eigenschaft Löwen gleicht. Aber wie Löwen sind, ist im Grunde wurscht — sie könnten auch feige sein. Und in der Tat, häufig trifft, was man unter einer Metapher versteht, gar nicht zu auf die wörtlich gemeinten Individuen. (Auch hier muß ich wieder auf später vertrösten.) Das Verständnis einer Metapher basiert auf Annahmen zu diesem Sprachgebrauch und nicht zu Tatsachen in der Welt..."
Ich empfinde die Ausdrücke wurscht, muß... vertrösten als v e r gnüglich', ,ausgefallen', ,pfiffig', aber sie ,irritieren mich' auch, ,lenken mich ab' vom Inhalt des Textes auf die Art der Sprachver-
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
wendung. Meine Mitarbeiterin meint, der Text sei so besser verständlich; das gilt für mich nicht. Derselbe Text(ausschnitt) kann also auf verschiedene Rezipienten sehr verschieden wirken. Bei genauerem Hinsehen handelt es sich im Fall von Freys Beispielen um Rezipienten mit verschiedener literarischer Bildung, bei den letzten Beispielen um Zugehörigkeit zu verschiedenen Generationen; bei (7) von Keller-Bauer handelt es sich um Zugehörigkeit zu verschiedenen „wissenschaftlichen Generationen", evtl. auch Schulen. b) Es gibt eine Reihe spezifischer Verwendungsverfahren, in denen die allgemein verfügbaren Wirkungsausdrücke für den konkreten Zweck differenziert werden: zum Zweck der differenzierten Erfassung der Wirkung eines bestimmten Textes oder Textausschnitts, Stilmittels. Die systematisch abgrenzbaren Ausdrücke für Stilwirkungen werden in der Praxis nicht so scharf getrennt verwendet: So ist unterhaltend neutraler als vergnüglich; aber beide gehören zu einer Skala. Bei der Beschreibung von Stilwirkung gibt es nun die Möglichkeit, beide Ausdrücke zusammenzufassen: „Unterhaltung im Sinne intellektuellen Vergnügens" (von Polenz 1985, Kap. 2.2.2.). Durch diese Kombination von im System benachbarten Ausdrücken kann die spezifische Stilwirkung mit Hilfe der vorgefundenen allgemeinen Wirkungsausdrücke möglichst genau erfaßt werden. Ein verwendeter Wirkungs-Ausdruck kann auch mit Hilfe von Attributen differenziert werden: intellektuelles Vergnügen, intellektuell vergnügliche Wirkung oder bei prädikativer Verwendung des Wirkungsausdrucks durch entsprechende adverbiale Differenzierungen. Auch hierdurch kann mit den intersubjektiv vorhandenen Mitteln die besondere Wirkung erfaßt werden. Das zitierte Beispiel aus von Polenz (1985) zeigt die Kombination mehrerer Differenzierungsverfahren, hier das Verfahren: Verwendung mehrerer Ausdrücke aus einer Skala und Attribuierung. Eine weitere Möglichkeit der Erfassung konkreter Stilwirkung ist die Kombination von Ausdrücken, die verschiedene Aspekte in den
1.4. Stilwirkung
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Blick nehmen, vgl. unter a) das Beispiel aus Keller-Bauer ( 1 9 8 4 ) : ,vergnüglich', ,ausgefallen', ,pfiffig', ,irritierend'. Indem hier Sprecherunterstellung (,pfiffig', nicht ,brav'), Rezipientenaspekte (,vergnüglich' und ,irritierend') und Textaspekt (,ausgefallen') benannt werden, wird die Stilwirkung unter mehreren verschiedenen Aspekten und dadurch umfassend, den besonderen Fall berücksichtigend charakterisiert. Das Beispiel zeigt in der Beschreibung , „pfiffig' nicht , b r a v ' " eine weitere Möglichkeit der Differenzierung: Im Textkontext oder im Gesprächskontext kann ein Wirkungsausdruck weiter expliziert werden, in dem etwas hinzugefügt wird. Ein Wirkungsausdruck kann zu einer Skala entfaltet werden, indem er negiert wird angemessen/unangemessen, und mit Hilfe von Gradpartikeln und anderen Gradausdrücken entsteht eine differenzierte Skala: einigermaßen angemessen, nicht ganz angemessen, in
ganz besonderem
Maße angemessen usw. Die Wirkungsausdrücke
stellen also mit ihren Verwendungsweisen ein differenziertes Instrumentarium dar, mit dem der konkrete Fall charakterisiert werden kann. c) Wird ein Wirkungsausdruck für sich zugesprochen, ist es unmöglich, auf Texteigenschaften zu schließen, die in einer Situation einem Handlungszweck dienen sollen (vgl. Harras 1 9 8 3 , zur Beschreibung von Handlungen); ,dieselbe' Wirkung kann durch verschiedene Handlungen erreicht werden, die unter verschiedenen Umständen mit sehr verschiedenartigen Texten vollzogen werden. So hat mich nicht nur das Gedicht von Erich Fried, Beispiel (1), nachdenklich gemacht, sondern auch der folgende Text, der in einem städtischen Bus in Saarbrücken angeschlagen war:
(8)
Le^re 84
Wir helfen mit
Die Schwierigkeit, im J a h r 1 9 8 4 jungen Menschen eine Lehrstelle zu geben, wird hier ganz knapp schriftbildlich dargestellt. Wir helfen mit hat ein offenes, mehrfaches Handlungsergebnis: Infor-
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
mation, public relations als Imagepflege, Aufforderung an den Leser... Beim intersubjektiv nachvollziehbaren Reden über Wirkungen ist es deshalb wichtig zu wissen bzw. mitzuteilen, was unter welchen Umständen auf wen wie wirkt; das Wie allein genügt nicht. Es sei denn, man gehört einer Kommunikationsgemeinschaft an, in der die Maßstäbe begrenzt und wechselseitig bekannt sind.
1.5. Stilistische Strukturtypen, Strukturprinzipien und Beschreibungsmöglichkeiten Wie gezeigt wurde, hat Stil eine Reihe typischer Funktionen für sprachliches Handeln (1.2., 1.4.); aus der Sicht der Benutzer werden auch einige Strukturaspekte relevant (1.2.). Stil kann — aus der Sicht der Benutzer — für sich isoliert betrachtet werden (1.3.). Es stellt sich die Frage: Ist Stil als linguistische E i n h e i t mit Struktur und Funktion zu sehen wie andere linguistische Einheiten (Lexem, Satz, Text)? Was sind die Phänomene (Spillner 1980, 83), mithilfe derer Stilfunktionen zu erkennen gegeben werden? Oder anders gefragt: Wie ist es möglich, Funktionen von Stil so auszudrücken, daß sie vom Rezipienten erkannt werden können? In Kap. 1.3. wurde die Äußerung von der Situation und der in dieser durchgeführten Handlung eines Typs her wichtig; in 1.4. wurde Stil von den Handelnden her betrachtet; hier wird nun danach gefragt, aufgrund welcher Eigenschaften einer Äußerung mit ihrer Satzbedeutung (Textbedeutung) in einer gegebenen Situation deren stilistische Funktionen (stilistischer Sinn und Stilwirkung) erkannt werden können. Im folgenden soll anhand von Beispielen die Problematik stilistischer Phänomene erörtert werden. Dabei geht es immer um Stil im Text (mit dem die Handlung unter den Handlungsumständen durchgeführt wird).
1.5. Stilistische Strukturtypen und Strukturprinzipien
95
1 . 5 . 1 . Der relationierende Charakter von Stil: Relationsstruktur Z u A n f a n g ein Beispiel. J e m a n d sagt zu mir: (9)
Guten
Morgen,
Frau
Professor
Ist der Äußernde mein Bruder, so wird dieser G r u ß durch die A r t der Anrede ,distanzierend' und/oder ,abwertend', , a g g r e s s i v ' . . . auf mich wirken. Ist der Äußernde ein Student, so werde ich mich (in Saarbrücken) wundern über soviel ungewohnte ,Höflichkeit'. In diesen Fällen dient die Art der Durchführung des Grußes der Beziehungsgestaltung, dem Äußern beziehungsmäßiger Einstellungen ( 1 . 2 . , 1 . 3 . ) ; dies ist der stilistische Sinn der Äußerung. — K a n n ich a n n e h m e n , d a ß der Äußernde nicht weiß, daß ich Frau Professor bin, so wird die Äußerung als eine Anspielung auf mein ,professorales' Gehabe/auf meine ,professorale' Vergeßlichkeit gelten, oder als ,irritierend', , b e f r e m d l i c h ' . . . wirken. In diesem Fall wird in der Situation auf einen wechselseitig gewußten oder nicht wechselseitig gewußten Sachverhalt bezug g e n o m m e n , o h n e d a ß auf ihn referiert wird (Art der Sachverhaltsdarstellung). Die durchgeführte Handlung ist deshalb nicht nur die des Grüßens und des Anredens der Gegrüßten, sondern i n d e m die Gegrüßte so angeredet wird, wird auf etwas anderes angespielt, das nicht propositional ausgedrückt ist (Art der Handlungsdurchführung als stilistischer Sinn). — K e n n t der Äußernde meinen Beruf, o h n e mich normalerweise mit der Berufsbezeichnung anzureden, und w a r ich zerstreut oder vergeßlich, so werden wir über den Doppelsinn der Anrede lachen. — A m Abend verwendet kann die Äußerung ¿ r o nisch' oder gar ,höhnisch' wirken. - H a t mich der Sprecher bereits begrüßt, so wird durch die Unangemessenheit der H a n d l u n g des G r ü ß e n s , die mit der Äußerung vermittelt wird, ein stilistischer Sinn zu erkennen gegeben: z. B . eine verdeckte Kritik, die ironisch wirkt, usw. usw. Festzuhalten ist: je nach der Situation, in der dieser Satz geäußert wird, erhält er sehr verschiedenen stilistischen Sinn; die Bedeutung des Satzes bleibt davon jeweils unberührt. Die Art des stilistischen Sinns einer in der Situation verwendeten Äußerung wird zugeschrieben aufgrund der in 1 . 2 . dargestellten Typen stilistischen Sinns, die grundsätzlich mit Stil im Handeln gegeben sein k ö n n e n .
96
1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
Weiter ist festzuhalten: Die möglichen stilistischen Funktionen (stilistischer Sinn und Stilwirkungen) sind nicht dem Satz, auch nicht dem geäußerten Satz (der Äußerung) zu entnehmen. Vielmehr sind sie zu erkennen aus der R e l a t i o n zwischen der Äußerungsbedeutung (in der Situation) und der vom beteiligten Rezipienten eingeschätzten Situation und darin möglichen Handlungen. Dies ist der r e l a t i o n i e r e n d e Charakter von Stil: Er stellt eine Relation her zwischen dem Handeln nach einem Muster und der konkreten Situation (1.2.); deshalb ist die Handlungsdurchführung (= der in der Situation zum Zweck des Handelns nach einem Muster geäußerte Satz oder Text) nur in Relation zur Situation stilistisch sinn-voll. Die Ausgangsfrage ist deshalb so zu beantworten: Eine Äußerung oder eine Textverwendung erhält stilistischen Sinn erst in einer Situation. Prinzipiell kann mit demselben Satz oder Text in verschiedenen Situationen verschiedener stilistischer Sinn hergestellt werden. Prinzipiell braucht der so verwendete Satz oder Text keine spezifisch stilistischen Struktureigenschaften (Phänomene) aufzuweisen; stilistischer Sinn ist nicht notwendig an charakteristische stilistische Struktur gebunden. Rossipal (1973, 30 f.) formuliert dies so: „Für den Empfänger liegt (...) der Stilwert des Textes auch darin, ob seine kontextbedingte Stilerwartung erfüllt wird oder nicht. Wenn der Stilwert anders ist als im Kommunikationskontext erwartet, (...) entstehen für ihn wertende Konnotationen, die nicht vom lexikalischen Stilwert der verwendeten Sprachelemente herrühren, jedoch für den Empfänger in den aufgefaßten Stilwert aufgehen und diesen z. B. entscheidend bestimmen. Ein Stilwert dieser Art ist der eigentliche Stilwert von Texten. Er (...) könnte „kommunikativer Stilwert" genannt werden (oder „Verwendungsstilwert")." In dieser Hinsicht ist das Verhältnis von stilistischem Sinn und Satz analog zu sehen mit dem Verhältnis von kommunikativem Sinn (Illokution, Handlungscharakter) und Satz: Mit demselben Satz, in verschiedenen Situationen (auch Textkontexten) geäußert, kann man verschiedene Handlungen durchführen (vgl. Fritz 1982). So kann die Äußerung Ich werde vor dir dort sein verstanden werden als ein Versprechen, eine Voraussage, eine Warnung oder als eine
1 . 5 . Stilistische Strukturtypen und Strukturprinzipien
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Bemerkung über die Disposition von Sprecher und Hörer (Bierwisch 1980, 1); es kann auch in der Schwebe bleiben, als was für eine Handlung die Äußerung zu verstehen ist. Bierwisch ( 1 9 8 0 ) unterscheidet zwischen der Bedeutung des Satzes (mit seinen generellen Wahrheitsbedingungen), der Bedeutung der Äußerung (in der konkreten Situation) und dem kommunikativen Sinn (Illokution der Äußerung in der konkreten Situation). Analog dazu wird hier unterschieden zwischen stilistischer Satzbedeutung/stilistischer Textbedeutung, stilistischer Äußerungsbedeutung (von Satz und Text) in der Situation und stilistischem Sinn (und als weiterer Funktion: stilistischer Wirkung). Bei Ich werde vor dir dort sein weist der isolierte Satz keine spezifische Stilstruktur auf; im Kontext eines literarischen Tuns kann z. B. die lautliche Gestalt (Iterierung der r- und d-Laute, auch die Beschränkung der Vokale) relevant werden. Der Satz Guten Morgen, Frau Professor weist an stilistischen Struktur-Elementen auf: die Grußformel (bedeutsam in Relation zu anderen GRUSSmöglichkeiten) und die Anrede mit dem Titel (in Relation zu anderen ANREDEmöglichkeiten). Die stilistische Äußerungsbedeutung entsteht durch die Relation der Satzbedeutung zur Situation: Ist die Formel guten Morgen zutreffend oder (am Abend) nicht? Ist die angesprochene Person eine Frau und Titelträgerin oder nicht? Der stilistische Sinn und die Stilwirkung entstehen durch die Handlung, die — so durchgeführt — in der Situation verstanden wird. Oder anders betrachtet: Mit welcher Äußerung eine Handlung in einer Situation durchgeführt wird, das stellt für den Rezipienten ein Angebot auch an stilistischem Sinn und an Stilwirkung dar (vgl. Spillner 1 9 7 9 , Trabant 1 9 7 9 , Kloepfer 1975, 125 ff.). Vgl. die Unterscheidung, die Rossipal ( 1 9 7 3 , 2 9 ff.) im Rahmen einer um pragmatische Aspekte erweiterten strukturalistischen Analyse der Stilwerte lexikalischer Einheiten gibt: a) „lexikaler" Stilwert aufgrund der konventionellen Gebrauchsrestriktion ( = stilistische Bedeutung einer lexikalischen Einheit, vgl. 1.5.4.); b) „kontextueller" Stilwert der Einheit im Text-Kontext, und c) „kommunikativer" Stilwert, den ein Rezipient in Relation zu seinen Erwartungen in einer Sprechsituation hergestellt hat (vgl. 1973, 32).
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
Wie steht es mit der stilistischen Struktur von Texten? Die These ist: auch sie müssen nicht grundsätzlich bestimmte stilistische Strukturen aufweisen, sondern sie können ebenfalls ihr Stilpotential erst in der Verwendungssituation entfalten. Ein Beispiel: Handke (1969, 39) bildet im Gedichtband einen Zeitungsausschnitt in Fotokopie ab: (10)
Bei uns zu Gast Luciano Papini, Großindustrieller aus Rosariol Argentinien, Juan Chiang, Kaufmann aus Mendozza (SAVOY-HOTEL); Alee Bright Clifford, Direktor aus East Bresh/Sussex (HOTEL BRISTOL); Ben Ammar, Repräsentant aus Tunis, Diplom-Ing. Mossing aus Lyngby!Dänemark, Professor Kozo Kawai aus Tokio, Architekt Schild aus Bern (HOTEL STADT MÜNCHEN).
Es handelt sich ursprünglich — so unser Wissen aufgrund der typographischen Struktur — in der Zeitung um eine Information über die sich unter dem Datum der Zeitung in der bestimmten Stadt aufhaltenden auswärtigen Personen; die Information wird in Form einer Aufzählung gegeben: Name, Beruf, Herkunftsort und/ oder -land und Hotel. In die Gedichtband-Situation versetzt, werden die Referenzen leer (Äußerungsbedeutung): Wer ist bei uns zu Gast? Es gibt irgendein „Savoy-Hotel", irgendein „Hotel Bristol", ein „Hotel Stadt München", wie es sie in vielen Städten gibt; die Personen-Namen dienen nicht mehr dem Referieren auf Personen, sondern werden im Kontext ihres Herkunftsortes und -landes zu konnotationsreichen Klangfiguren; indem diese Namen-Konstellationen einander Kontext geben, wirken sie in ihrer jeweiligen Verschiedenheit zu den Vorgänger- und Nachfolger-Namenkonstellationen. Derselbe Text, dieselbe Textbedeutung also mit Namen verschiedenen Typs und Berufsbezeichnungen erhält, in verschiedenen Situationen verwendet, verschiedene Äußerungsbedeutung: nicht mehr bestimmte Individuen in Relation zu einem bestimmten Ort und Datum, sondern irgendwelche mögliche Individuen in Relation zu unbestimmbarem Ort und Datum: zeitlos...; oder auch nur relationierte mögliche Namen in einem Spiel. Abhängig von der Situation wird das Handeln mit diesem Text, der kommunika-
1.5. Stilistische Strukturtypen und Strukturprinzipien
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tive Sinn, ein anderer, er wird unbestimmt, ebenso der stilistische Sinn (in der Zeitung war der stilistische Sinn wohl die durch das Medium bedingte möglichst ,sparsame' Darstellung der Sachverhalte, die möglichst ,unverbrämte' Darstellung). Die Stilwirkung der Zeitungsmeldung ist,normal',,unauffällig'...; die Stilwirkung des „Gedichtes" ist — in Relation zur konventionellen Verwendung des Textes — ,verblüffend', ,irritierend', ,erheiternd'..., ,die Aufmerksamkeit auf das Sprachliche lenkend', das bei der Zeitungsmeldung irrelevant wäre, vgl. Jakobsons (1960) „poetic function". Methodisch kann dies, wie hier gezeigt, erfaßt werden durch eine „Hintergrundbeschreibung" (Sandig, 1983b): Es wird die auf den Situationstyp bezogene konventionelle Verwendung des Textes beschrieben und die abweichende Verwendung in Relation zu dieser. D . h . auch bei Texten ist es grundsätzlich möglich, daß eine stilistische Struktur (z. B. die referentielle Unbestimmtheit der Namen) erst bei der Äußerungsbedeutung entsteht, daß sie als solche nicht schon in der Textbedeutung vorgegeben ist. Aus anderer Sicht (vgl. 1.3.) formuliert: Welche Art von Handlung nach einem Handlungsmuster in der Relation zur Situation mit ihren konventionellen, erwartbaren Handlungsmöglichkeiten durchgeführt wird, ergibt stilistischen Sinn und Stilwirkung. Nach der bisherigen Erörterung ist die Antwort auf die Frage, ob Stil eine linguistische Einheit mit Struktur und Funktion ist, negativ: Da stilistischer Sinn und Stilwirkung nicht an spezifische Strukturen gebunden sind, ist Stil keine linguistische Einheit. Die damit zusammenhängende wesentliche Rolle der Pragmatik (des Handlungszusammenhangs) wurde bereits von Baumgärtner (1969) betont. Nach Lerchner (1981, 88) „muß doch wohl im Zeichenkontinuum der Äußerung eine Kodierung der wirkungsauslösenden Komponenten enthalten sein, damit die Rezipienten diese Wirkung auf dem Wege der Wahrnehmung und Dekodierung überhaupt intersubjektiv realisieren können." Dem ist insofern partiell zuzustimmen, als „wirkungsauslösende Komponenten" vorhanden sein müssen, welcher Art diese aber sind und w a s der stilistische Sinn und die Stilwirkung dieser Komponenten ist, ist abhängig von den Umständen der Verwendung der Äußerung.
100
1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
Was für Sätze/Texte gilt, gilt auch für Stilelemente: Häufig werden ganz unscheinbare sprachliche Einheiten in Relation zu den anderen Einheiten der Äußerung, des Textes, zu stilistisch sinn-vollen Einheiten. So enthält der Satz Kartoffeln sind gesund nicht von vornherein ein stilistisches Element, aber er erlangt stilistische Struktureigenschaften als Äußerung im Kontext anderer Äußerungen: (11)
Was ein Kind gesagt
bekommt
Der liebe Gott sieht alles. Man spart für den Fall des Falles. Die werden nichts, die nichts taugen. Schmökern ist schlecht für die Augen. (...)
Kartoffeln sind gesund. Ein Kind hält den Mund. (Brecht 1965,
128)
Die Äußerung Kartoffeln sind gesund, erhält eine rhythmische Struktur, und sie wird in ein Reimschema gebunden. Durch die zeilige Schreibung und das parallele Verfahren mit anderen einfachen Sätzen werden diese als Äußerungen dieses Textes insgesamt zu stilistischen Einheiten. Nun gibt es aber auch eine Reihe von Strukturelementen, die typischerweise stilistische Funktionen haben; durch sie erhält der Satz/Text bereits eine s t i l i s t i s c h e B e d e u t u n g . In diesem Fall ist Stil eine in struktureller Hinsicht isolierbare Einheit (s. 1.5.2., 1.5.4.). Im Fall der bisher betrachteten Beispiele werde ich von Relationsstruktur sprechen: die stilistisch relevante Struktur einer Äußerung/eines Textes entsteht erst in Relation zu Gegebenheiten der Verwendung: Situation(styp) bei Beispiel (9), Handlung(smuster) und Situation(styp) bei Beispiel (10), Kontext in der Handlung (nach einem Muster) bei Beispiel (11). Besonders bei den Beispielanalysen von Kap. 2 wird auf diesen Strukturtyp noch einzugehen sein. Vgl. auch 1.2.7. und 1.3.1., Punkt 2.
1.5. Stilistische Strukturtypen u n d Strukturprinzipien
101
1.5.2. „Semantische Dichte": Verwendung von Stilfiguren E i n e typische Struktur von Stil ist die „semantische Dichte" (Blumenthal 1983, 2f.): „— semantische Dichte beruht auf der vom Sprecher angestrebten und vom Hörer aufzunehmenden Assoziativität (im sprachpsychologischen Sinne) eines Textes (durch die Texteigenschaft vermittelte Teil-Intention des Sprechers/Schreibers, B.S.); — sie ist eine graduell abgestufte, von Text zu Text variierende Erscheinung (abgestuft nach der relativen Häufigkeit der Assoziationen im Verhältnis zur Textlänge; „normalsprachlichen" Texten fehlt semantische Dichte im allgemeinen ganz); — die Assoziationen sind paradigmatisch oder syntagmatisch (paradigmatisch: sie bestehen zwischen einem Wort der Äußerung und einer nicht in der Äußerung befindlichen Einheit seines Paradigmas; syntagmatisch: sie bestehen zwischen den in der Äußerung vorkommenden Wörtern (...)); — die Methoden der Linguistik erlauben keine unmittelbaren Zugriffe auf die durch einen Text hervorgerufenen Assoziationen, sondern nur auf die diesen zugrundeliegenden semantischen Relationen." (Die Assoziationen des Rezipienten sind durch den Text hervorgerufene Wirkungen, vgl. Blumenthal 1983, 3). Typische Wirkungen sind (Blumenthal 1983, 10ff.): wirkungsvoll', ,geistreich',,Vergnügen bereiten', um dadurch — nach Aristoteles — ein „angenehmes, weil leichtes Lernen" oder Behalten zu ermöglichen; solche Texte sind ,einprägsam'. Die AssoziationsMittel sind weitgehend identisch mit den bekannten Stilfiguren, sie lassen aber auch die Beschreibung weiterer stilistischer Phänomene zu. „Opposition" (Gegensatz), „Ähnlichkeit" (Synonymie, lautliche Ähnlichkeit...) und „Kontiguität" (Wortfeldzusammenhänge, Zusammenhänge aufgrund von Wissensrahmen) sind nach Blumenthal (1983, 12) die Prinzipien, die für leichtes und schnelles Auffassen und gutes Behalten geeignet sind (wie auch die Assoziationspsychologie herausgefunden habe). Sowohl der Bezug zur paradigmatischen und syntagmatischen Relation wie auch die
102
1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
Termini Opposition, Ähnlichkeit und Kontiguität weisen die Nähe dieses Ansatzes zu Jakobsons (Jakobson/Lévi-Strauss 1969, auch Posner 1969; Jakobson 1976) Stilauffassung aus. Bei Blumenthal geht es jedoch nicht wie bei Jakobson um textimmanente Strukturen: Hier wird das Sprachwissen des Rezipienten mit einbezogen, der den Text mit seinem sprachlichen Wissen verstehend anreichert. Bei Jakobson wird nur dasjenige Paradigmatische betrachtet, das syntagmatisch eine Rolle spielt; bei Blumenthal wird das Paradigmatische mit einbezogen als sprachliche Verstehensgrundlage, als Voraussetzung der vom Text ausgelösten Assoziationen. Weiter unterscheidet Blumenthal zwischen „benutzt" (was in dem Sprachwissen an Ähnlichkeiten, Oppositionen, Kontiguitäten vorhanden ist) und „geschaffen" (was im Text an Ähnlichkeiten, Oppositionen, Kontiguitäten erst hergestellt wird, z. B. mit dem Mittel der traditionellen Stilfiguren). Blumenthal schreibt (1983, X): „Semantische Dichte findet sich am auffälligsten und häufigsten in lyrischer Dichtung und Werbesprache. (...) Auf die gleichen Merkmale werden wir aber auch mit großer Regelmäßigkeit im Aphorismus und — seltener — in journalistischer und politischer Sprache, in Buchtiteln und im Witz treffen; kurz: überall dort, wo ein Text nicht nur auf nüchterne Information abzielt, sondern gefallen, beeindrucken und wirken will." Als Beispiel eines politischen „Spruchs" sei ein häufig zu findendes Hauswand-Graffito angeführt: (12)
Ent-rüstet
Euch!
Hier wird die laute Ähnlichkeit von sich entrüsten und abrüsten genutzt, weiter die Kontiguität von abrüsten und aufrüsten, nachrüsten, Rüstung und schließlich die semantische Ähnlichkeit von ent- und ab-. Dieser Spruch ist wesentlich wirksamer und einprägsamer als die mögliche Paraphrase Entrüstet euch über die (Nach-) Rüstung. Über Blumenthal hinausgehend ist hier noch ein pragmatischer ,Gegensatz' zur konventionellen Verwendung von sich entrüsten zu bemerken: Entrüstung geschieht' und zwar spontan, sie ist berichtbar; es ist jedoch nicht angebracht, jemanden dazu aufzufordern, daß er sich entrüstet, d. h. handelt, wie es bei rüstet ab! möglich ist. Die Paraphrase kann als Methode der Beschrei-
1.5. Stilistische Strukturtypen und Strukturprinzipien
103
bung dienen: Sie zeigt die Relation von sprachlichem Ausdruck und deren gesamtem Sinn-Potential: ,Seid entrüstet über die (Nach-)Rüstung und handelt: rüstet ab!' Der Vorteil dieser Beschreibungsweise ist es, daß sowohl traditionelle Stilelemente erfaßt werden wie auch solche, die traditionell nicht erfaßbar sind; darüberhinaus wird aber auch das Ineinander stilistischer Strukturelemente verschiedener linguistischer Beschreibungsebenen erfaßt: im Beispiel (12) die latente etymologische Figur auf lexikalischer Ebene, Vorsilben auf Morphem-Ebene, Sprechhandlungen und die Syntax (Imperativ möglich oder nicht) für deren Formulierungen. Bei Goheen (1985) wird ein derartiges Ineinander verschiedener Figuren als „Figurencluster" erfaßt. Ein Aphorismus von Peter Maiwald: (13)
Schlimm, wenn die Weltanschauung die Welt zu ersetzen beginnt.
die Anschauung
und
Die semantische ,Ähnlichkeit' von Weltanschauung und Anschauung, Welt (figura etymologica) wird im Kontext von Schlimm, wenn... zu ersetzen beginnt zum ,Gegensatz'; Weltanschauung und Anschauung, Welt eröffnen verschiedene Kontiguitäten (Wissensrahmen); sie stehen trotz der Ähnlichkeit im Gegensatz zueinander. In diesen beiden Fällen sind also bereits die Sätze (Ein-Satz-Texte) stilistisch bedeutsam. Durch die Art der Verwendung — z. B. in bestimmten historischen Kontexten, in bestimmten Beziehungen von Sprecher/Schreiber und Rezipient usw. — können sie dann noch darüber hinausgehenden stilistischen Sinn erhalten, stilistisch wirken. Als weiteres Beispiel sei nochmals das Gedicht von Erich Fried betrachtet: Beim Nachdenken über Vorbilder (s. 1.4.1.). Beim ersten Lesen erkennt man an der Überschrift keine stilistischen Struktureigenschaften; beim öfteren Lesen jedoch gewinnt der ,Gegensatz' zwischen Nach- und Vor- im Kontext des Folgenden eine stilistische Bedeutung (vgl. Blumenthal 1983, 26 ff.). Dies zeigt, wie schon in 1.5.1. für das Beispiel (11) Kartoffeln sind gesund gezeigt wurde, daß für sich nicht stilistisch strukturierte
104
1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
Äußerungen im Kontext anderer Äußerungen („syntagmatisch" nach Blumenthal 1983) stilistische Struktureigenschaften erhalten können. Da die folgende Äußerung des Gedichts eine Fülle von ,Gegensätzen' enthält, wirkt dies zurück auf die erste Äußerung: vorleben — vorsterben, Sterben - Leben, das Sterben ist — wäre das Leben. Dazu kommt Wiederholen und Variieren (,Ähnlichkeit'): wie leicht, wie leicht; Die uns... wollen, wenn sie uns... wollten. Leben und vorleben gehören zur selben Wortfamilie, Leben und Sterben zu einem semantischen Feld (Kontiguität), vorleben erweist sich als mehrdeutig (Blumenthal 1983, 100 ff.). Das Schriftbild (als Art der Durchführung) unterstreicht das Ineinander von Parallelismus (Ähnlichkeit) und Gegensatz. Dies wird am augenfälligsten in der sequentiellen Struktur von vorleben, Sterben, vorsterben und Leben: Die verbalen und die substantivischen Ausdrücke alternieren; die Ausdrücke, die derselben Wortfamilie angehören (vorleben — Leben), sind im ganzen des Gedichts als Chiasmus (Blumenthal 1983, 35) angeordnet. Diese Strukturbeschreibung zeigt, wie die Beschreibungen Jakobsons (1976), daß hierdurch nur ein begrenzter Aspekt von Stil erfaßt wird (vgl. auch Posner 1969). Der stilistische Sinn muß ermittelt werden aus dem Zusammenspiel dieser Stilstrukturen mit den propositionalen Zusammenhängen. Dies ergibt die Darstellung eines paradoxen Sachverhalts (vgl. 1.4.1.) und den Ausdruck des Wunsches nach dessen Abschaffung. Durch die semantisch dichte, ,mit der Sprache spielende',,ästhetische' Art der Durchführung wird (für mich) die inhaltliche Paradoxie und Diskrepanz verstärkt, wirksamer ausgedrückt. „Semantische Dichte" entsteht also in der Verwendung charakteristischer Strukturen, die nicht nur additiv „ein die eigentliche Information überlagerndes Netz von Assoziationen" (Blumenthal 1983, 12) bilden, sondern die „Information" (Handlung und Handlungsinhalt) wird in dieser Struktur gegeben. Daraus läßt sich eine Bedingung ableiten: Es genügt nicht, daß die stilistischen Strukturen neben der Information auch noch da sind, sondern sie müssen in ihrem Beitrag an kommunikativem Sinn konvergieren, passen, angemessen sein für die Handlung, für das Thema in der
1 . 5 . Stilistische Strukturtypen und Strukturprinzipien
105
Situation. Dies sei an einer Stilblüte, also einem schwerwiegenden Stilfehler, gezeigt (vgl. Sandig 1981). Aus einem Schulaufsatz: (14)
An Pfingsten sprach unser Herr Pfarrer eingehend Niederkunft des Heiligen Geistes.
über die
Hier wird durch Niederkunft eine Kontiguitätsassoziation (gebären, Neugeborenes,...) ausgelöst, diese integriert sich jedoch nicht in die Handlung und in das Thema, das mit Pfingsten, Herr Pfarrer, Heiliger Geist gegeben ist, sondern führt davon weg, sprengt. Die ,komische' Wirkung entsteht durch die unfreiwillige ,Ähnlichkeit' von Niederkunft und Ausgießung (,von oben aus'). Die Art der semantischen Dichte muß also dem Thema und der Art der Handlung (in der Situation) angemessen sein: ein Zusammenhang von Struktur und Funktion. In einer Büttenrede etwa könnte der Satz eine angemessene Äußerung bilden. Festzuhalten ist: Es gibt durchaus stilistische Bedeutung des Satzes/ Textes aufgrund der Relation ihrer Teile. Der stilistische Sinn wird damit aber nur tendenziell vorgegeben; er wird realisiert in der Verwendung des Satzes/des Textes in einer Handlungssituation. Auch hier also ist eine Relation wichtig: die der stilistischen Bedeutung (aufgrund der Struktur) zur Handlung (in der Situation) und zum Thema (Handlungsinhalt). Aufgrund des relationierenden Charakters von Stil (1.5.1.) entsteht auch bei stilistischer Bedeutung des Satzes/Textes ein bestimmter stilistischer Sinn erst durch die Verwendung in einem Handlungszusammenhang. 1.5.3. Ähnlichkeit von stilistischer Struktur und dargestellten Sachverhalten (Ikon) In der Semiotik werden unter anderen Zeichentypen die ikonischen Zeichen (Ikone) angenommen; bei ihnen besteht eine „strukturelle Ähnlichkeit" mit dem zu vermittelnden Sinn (Thoma 1976, 131 nach Peirce); „Klang/Form/Ausdruck (...) (sollen) Abbildung oder Echo des Sinn/Gehalt/Inhalt sein" (Kloepfer 1975, 100, auch 100 ff.). Kloepfer (1975, 115) betont, die Ikonisierung „ist auf den ganzen Text bezogen oder doch zumindest auf abgeschlossene Teile"; es handelt sich also nicht um die lokal begrenzte Verwendung, sondern um einen stilistischen Strukturtyp — der allerdings
106
1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
(wie schon die „semantische Dichte") den Konventionen gemäß nicht beliebig verwendbar ist. Ich verwende hier nicht den in der Semiotik eingebürgerten Terminus Ikon, sondern den Terminus Ähnlichkeitsstruktur. Es ist im Kontext dieser Arbeit nicht eine semiotische Vorgehensweise gemeint. Deshalb ist hier auch von stilistischem Strukturtyp die Rede, nicht von Zeichentyp. Einige Beispiele: In (8)
Lehere 84
,fällt das eine e nach unten': Es hat im Kontext und zur Zeit der Äußerung den stilistischen Sinn ,es geht abwärts mit dem, der keine (eine „leere") Lehre hat'. (Hinzu kommt, nach 1.5.2., die ,Ähnlichkeit' von Leere und Lehre und der ,Gegensatz' von Lehre und leere Lehre.) Zu Goethes Gedicht Über allen Gipfeln... (Goethes Werke, 142) heißt es im Kommentar von E. M. Wilkinson (ebda. 533 f.): „There is in it not a simile, not a metaphor, not a symbol. (...) We point to the immediacy with which language here conveys the hush of the evening: Über allen Gipfeln / Ist Ruh. In the long u of Ruh and in the ensuing pause we detect the perfect stillness that descends upon nature with the coming twilight. (...) Warte nur, balde / Ruhest du auch. Here the verse does not describe the stillness of the evening; the language is evening stillness itself ( . . . ) " In diesen beiden Fällen ist die Art der Durchführung (Schriftbild; rhythmische und lautliche Struktur) ,ähnlich' dem, was inhaltlich vermittelt wird, es trägt unterstreichend, intensivierend, dazu bei. Im Fall der Ähnlichkeitsstruktur wie hier ist die Konvergenz (vgl. 1.5.2.) des verwendeten Strukturtyps mit dem thematischen Sinn gegegeben. Die ,Ähnlichkeit' ist hier nicht wie in 1.5.2. syntagmatisch oder paradigmatisch hergestellt, sondern sie entsteht durch Eigenschaften der Durchführung in Relation zum Thema. In dem Goethegedicht wird mit der Art der Darstellung eine bestimmte Einstellung zur Natur zu erkennen gegeben: „The poetwanderer (...) is (...) by the very order of the poem, embraced within it (the nature, B.S.), as the last link in the organic scale of
1.5. Stilistische Strukturtypen und Strukturprinzipien
107
being." (Ebda., 5 4 3 ) Die Durchführungsart dient der Sachverhaltsdarstellung (Kloepfer 1 9 7 5 , 1 1 5 ) , wobei Einstellungen zum Sachverhalt mit darstellbar sind (Kloepfer 1 9 7 5 , 103 nach Eco: „Wahrnehmungsmodell des Gegenstands"). Ein weiteres Beispiel (Handke 1 9 6 9 , 1 3 4 ) : (15)
Abbrechen
mitten
im
Satz
Der letzte Satz des Märchenerzählers lautet gewöhnlich: „Plötzlich, mitten im Bild, hörte der Pferdemaler zu malen auf und erwürgte den Herrenreiter." Plötzlich,
mitten
im letzten
Satz —
Die Überschrift macht explizit, was am Ende des Textes in der Durchführung erfolgt. Hier wird durch die Art der Durchführung nicht ein Sachverhalt dargestellt, sondern hergestellt; dies drückt eine besondere Einstellung zum Sachverhalt und zur Sprache aus; im abschließenden Beispiel wird sowohl ein Sachverhalt semantisch dargestellt als auch durch die Art der Syntax hergestellt. (16)
„Außer dem Wunsch, ausschließlich oder jedenfalls primär den Gesamtzusammenhang einer Aussage zur Debatte zu stellen, kann somit auch schon die Notwendigkeit, diesen Gesamtzusammenhang adäquat darzustellen, ausschlaggebend dafür sein, daß ein Sprecher hypotaktischen Konstruktionen den Vorzug vor parataktischen gibt." (Heger 1 9 7 7 , 286).
Ähnlichkeit von Stilstruktur und dargestellten Sachverhalten ist eine besondere Art von Relation (vgl. 1.5.1.) zwischen gewählter Struktur des Stils und darzustellenden Sachverhalten. Vgl. zu diesem Strukturtyp auch Kap. 2 . 1 . 2 . 2 . und 2 . 1 . 2 . 3 . 1 . 5 . 4 . Verwendung von stilistischen Sinn herstellenden Strukturen und Elementen (Index, Konnotation, Mustermischung) Nach T h o m a ( 1 9 7 6 , 128 ff.) sind die stilistischen Zeichentypen schlechthin die in der Semiotik angenommenen Ikon- und IndexZeichen. Nach 1 . 5 . 1 . und 1.5.2. ist das zu relativieren: M i t diesen Zeichentypen werden nur einige grundlegende Strukturtypen von
108
1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
Stil beschrieben. Index-Zeichen liegen nach Thoma (1976, 131) vor, „wenn etwas, das gewöhnlich mit etwas anderem zusammen vorkommt und ein selbständiges Zweites darstellt, an die Stelle des ersteren gesetzt werden kann". So kann gelten „„bestimmte Tonlage" als Zeichen für ,Erregung'; (...) „bestimmter rhetorischer Aufbau" als Zeichen für ,ich soll überredet werden'; (...) „bestimmte Wortwahl oder sprachlicher ,Tick'" als Zeichen für ,meine Frau G . ' " (Thoma 1976, 132, nach Peirce). „Vor allem werden die am Lautkörper primär nicht genutzten Elemente zur Indizierung genutzt: die Lautstärke, die Weichheit oder Härte des Klanges, die Tonführung etc., womit manche Menschen sehr präzise ihre jeweilige Seelenlage mitteilen können. Um unseren Gesprächspartner besser verstehen zu können, achten wir auf Indizien wie etwa die Formen des Versprechens, die uns Aufregung indizieren können, oder die Pausen und Füllsel, die von Prüfern oft als Indizien der Unwissenheit gewertet werden" (Kloepfer 1975, 36). Ich verwende hier im anderen theoretischen Kontext statt „IndexZeichen" den Terminus Konnotation, wie er von Rossipal (1973) und von Braselmann (1981) gebraucht wird. Dabei geht es darum, daß Gruppen sprachlicher Zeichen oder sprachlicher Strukturen durch konventionelle Gebrauchsrestriktionen eine stilistische Bedeutung erlangt haben, die ihnen auch dann noch anhaftet, wenn sie außerhalb der Gebrauchsrestriktionen verwendet werden (Rossipal 1973). Typische Konnotationen sind (Rossipal 1973, 6 und 15): „geographisch markiert" (sächseln), „sozial markiert" (soziale Stigma- oder Prestige-Signale), „sondersprachlich markiert" (Fachsprachen u. ä.), „diachronisch markiert" (Archaismen), „stilistisch markiert" (Stilebenen); „fremd" bei Elementen aus anderen Sprachen (Braselmann 1981, 153). Rossipal (1973, 16) unterscheidet zwischen „obligatorisch markiert", d. h. aufgrund stilistischer Bedeutung einer lexikalischen Einheit konnotierend, und „kontextueller Markiertheit", d. h. nur im Text-Kontext konnotierend (vgl. auch Riesel 1971). Mir geht es hier zunächst um die obligatorisch markierten Zeichen, Zeichengruppen, Morpheme, syntaktischen Strukturen, d. h. um solche, die bereits stilistische Bedeutung haben (die aber nicht immer im Sinne dieser stilistischen Bedeutung
1.5. Stilistische Strukturtypen und Strukturprinzipien
109
verwendet werden müssen). So sind Antlitz und Fresse beide als Lexeme stilistisch markiert, aber nicht mit gleicher stilistischer Bedeutung (Wahrig 1975 gibt für Antlitz „poet.", für Fresse „vulg." an); (Und) Tor für die Borussen ist nach einem ReportageSatzmuster gebildet, Temperaturen langsam ansteigend nach einem Wetterbericht-Satzmuster, Ankomme Saarbrücken 15,31 Uhr nach einem Telegramm-Satzmuster... Braselmann (1981, 151) stellt in ihrer Definition von Konnotation den Bezug von verwendeten stilistisch bedeutenden Elementen und Stilwirkung her: „Konnotation ist die kommunikative Nutzbarmachung von (sub-)kodeverweisenden Merkmalen im Sinne eines illokutionären Effekts (Kollokution)" und: „Das (verwendete, B.S.) konnotative Zeichen als solches ist Bestandteil des lokutionären Bereiches und wirkt wie jedes Zeichen im illokutionären Bereich; sein spezifisches Charakteristikum ist der kollokutionäre Effekt", d. i. die Stilwirkung. Der folgende Textausschnitt von Günter Kunert („Die Zeit", 7.12.1984) enthält die explizite Darstellung der sich steigernden Wut und den stilistischen Ausdruck der Wut selbst: Das erstere geht allmählich in das letztere über. Den Kontext geben die Zeitungsschreiber selbst an: „Der Lärm, die Zeitung, ein Mitmensch oder seine Gewohnheiten — unsere Frage nach den persönlichen Wut-Erregern brachte Günter Kunert in Rage." (17)
Rot sehen, blind sein (...) Wut ist ein Zustand, in den man sich langsam hineinsteigert, bei einer Auseinandersetzung, einer wilden Debatte, bei einem Krach und Zank, auf dessen Höhepunkt man dem oder der anderen an den Kragen gehen möchte. Denn merke: Wut braucht den Rückkoppelungseffekt. Sie muß mehr und mehr herausgekitzelt werden, sich steigern können, um endlich in Gebrüll oder gar Handgreiflichkeit zu kulminieren. Rot sehen. Blind vor Wut sein! Streiten Sie sich mal mit einem Fahrplan oder einer Verkehrsampel! Das ist doch unsinnig! Quatsch! Was haben Sie sich da einfallen lassen! Wenn man solche Umfrage liest, da möchte man doch ...! Da müßte man doch gleich ....' Entschuldigen
Sie bitte mein Zürnen.
(...)
110
1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
Der Absatz endet mit einer Reihe typischer ,Wut'-Zeichen, Zeichen der sich steigernden Wut: von Das ist doch unsinnig! bis zu den ,Wut'-Aposiopesen (Abbruchen): da möchte man doch...! (Zugleich vollzieht der Autor in diesem Textstück das „sich-langsamHineinsteigern" nach mit den Mitteln des sich steigernden ,Wut'Ausdrucks. Vgl. 1.5.3) Wichtig ist, daß in der Regel erst im Äußerungskontext die stilistischen Strukturelemente eindeutig gemacht werden: Das ist doch unsinnig könnte auch ,resignierend' geäußert werden, der Abbruch könnte Zeichen der Schüchternheit' bei da möchte man doch... sein, usw. Hier müßte der Tonfall als weiteres Zeichen vereindeutigend hinzukommen. Ein Zeichen für sich ist — wie schon Labov 1976 zeigte — nicht eindeutig genug. So würde bei Wut langsam ansteigend die Wetterbericht-Satzstruktur (vgl. oben) wohl kaum sofort erkannt, während Temperaturen auch semantisch (als Element der Sachverhaltsstrukturen von Wetterberichten) die Zuordnung stützt. Man sieht also, daß auch prototypische Stilelemente anders als konventionell verwendet werden können (Michel 1978, 537): „Sog. absolute Stilwerte von Elementen des Sprachsystems können in einem bestimmten sprachlichen und situativen Kontext auf der Ebene des Textes völlig umfunktioniert werden, etwa in ironischer, emphemistischer und/oder anderer Weise." Vgl. dazu auch die folgenden Beispiele (18) und (20 b). Ein Beispiel für die durchgängige Verwendung einer Sprach-Varietät ist der folgende Ausschnitt aus dem „Rotkäppchen auf amtsdeutsch" von Thaddäus Troll (letzte Fassung): (18)
Rotkäppchen
auf
amtsdeutsch
Im Kinderanfall unserer Stadtgemeinde ist eine hierorts wohnhafte, noch unbeschulte Minderjährige aktenkundig, welche durch ihre unübliche Kopfbekleidung gewohnheitsmäßig Rotkäppchen genannt zu werden pflegt. Der Mutter besagter R. wurde seitens ihrer Mutter ein Schreiben zustellig gemacht, in welchem dieselbe Mitteilung ihrer Krankheit und Pflegebedürftigkeit machte, worauf die Mutter der R. dieser die Auflage machte, der Großmutter eine Sendung
1.5. Stilistische Strukturtypen und Strukturprinzipien von Nahrungszuzustellen.
und Genußmitteln
zu
111
Genesungszwecken
Vor ihrer InmarschSetzung wurde die R. seitens ihrer Mutter über das Verbot betreffs Verlassens der Waldwege auf Kreisebene belehrt. Dieselbe machte sich infolge Nichtbeachtung dieser Vorschrift straffällig und begegnete beim Übertreten des amtlichen Blumenpflückverbotes einem polizeilich nicht gemeldeten Wolf ohne festen Wohnsitz. Dieser verlangte in gesetzwidriger Amtsanmaßung Einsichtnahme in das zu Transportzwecken von Konsumgütern dienende Korbbehältnis und traf in Tötungsabsicht die Feststellung, daß die R. zu ihrer verschwägerten und verwandten, im Baumbestand angemieteten Großmutter eilend war. Da seitens des Wolfes Verknappungen sektor vorherrschend waren (...)
auf dem
Ernährungs-
Hier wird in Lexik und Satzstrukturen auf das „Amtsdeutsch" zurückgegriffen. Wie schon im Text (17) von Kunert wird das mit der Art der Durchführung Intendierte nicht nur über die Durchführung, sondern auch, vereindeutigend, explizit mitgeteilt, hier in der Überschrift. Außerdem stützen sich auch hier die stilistischen Zuordnungen im Kontext wechselseitig. Konnotationen können weiter nicht nur auf sprachliche Varietäten (Rossipal) oder auf andere Sprachen (Braselmann) verweisen, sondern auch auf spezifische Texte und auf bekannte Muster. Die Gebrauchsrestriktion besteht dann darin, daß (nach dem Wissen des Rezipienten) bestimmte Lexeme oder Konstruktionen in einem bekannten Text oder Muster zusammen verwendet werden: Ein Beispiel aus Hildesheimer (1983, 32): (19)
Dann komme ich zum See, der still ruht, manchmal lächelt und zum Bade ladet. Ich widerstehe dieser Ladung, ich kann eigentlich allem widerstehen außer der Versuchung, Du auch? Das Wasser ist tief, das entnehme ich seiner Stille, und hat, ich möchte beinah sagen, wenn auch keineswegs steif und fest behaupten, etwas Heilig-Nüchternes. Jedenfalls ist es so nüchtern, daß es die Schwäne, die mitunter volltrunken
112
1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs sind von Küssen, deren Geber ich übrigens nicht kenne und auch niemals hier angetroffen habe - vielleicht küssen sie auch nur nachts —, wieder nüchtern macht, vielleicht sogar heilig-nüchtern, aber da bin ich nicht völlig sicher, denn im Heiligen kenne ich mich nicht recht aus. Fischen tue ich nicht, dazu ist das Wasser nicht trüb genug, ich glaube, Heiliges ist niemals trüb, aber da mag ich mich natürlich irren.
Die Unterstreichungen markieren Textelemente, die zusammen parodistisch auf andere Text(ausschnitt)e weisen: „Still ruht der See, er lächelt und ladet zum Bade" und Hölderlins „Hälfte des Lebens", das Hildesheimer (1983, 71) selbst abdruckt: „(...) Ihr holden Schwäne,/Und trunken von Küssen/Tunkt ihr das Haupt/ Ins heilig nüchterne Wasser. ( . . . ) " Volltrunken gegenüber dem Trunken des Originals wirkt,ernüchternd', ebenso die Spielereien mit den Formen topisierter Rede (Spillner 1983), deren Teile hier unterstrichelt sind: Stille Wasser sind tief, im Trüben fischen, der Versuchung (nicht) widerstehen (können). Die Syntax mit ihren Konjunktionen, Relativsätzen und die subjektiven Stellungnahmen weisen zusammen auf das Muster VORSICHTIGES ARGUMENTIEREN. (Aufgrund des wiederholten nüchtern und heilig-nüchtern kann man annehmen, daß der Textausschnitt ein „Ikon" der ,Ernüchterung' moderner Literatur in Relation zu der der konnotierten und parodierten literarischen Texte ist: Ähnlichkeitsstruktur. Die Konnotation wird hier also durch charakteristische Verbände von Zeichen und/oder Konstruktionen geleistet. Die konnotierende Durchführungsart kann in dem stilistischen Sinn konvergieren mit Thema und Handlung, wie die Beispiele von Kunert und Hildesheimer zeigen; sie kann aber auch, wie die Zitate aus Thoma und Kloepfer bereits andeuten, davon unabhängig Weiteres zu erkennen geben. Dazu Beispiele aus der von Ludwig Harig und Eugen Heimle verfaßten deutschen Version von Queneaus „Exercices des style"; es wird ,dasselbe' Ereignis, in verschiedene Geschichten verarbeitet, erzählt:
1.5. Stilistische Strukturtypen und Strukturprinzipien
113
(20a)
Icke, icke Ick vasteh det schon, icke: een Kerl, der een uff de Latschen tritt, det kann een ja ooch in Raasche bringn. Aber sich wien Furzer hinsetzen, nachdem er losjemeutert hatte, det, nee, det vasteh ick nich, ick (...)
(20b)
Telegraphisch BUS BESETZT STOP JUNGMANN LANGER HALS HUT KORDEL UMRANDET BELÄSTIGT UNBEKANNTEN FAHRGAST OHNE TRIFTIGEN GRUND STOP (...)
(20c)
Weiblich Was für eine dämliche Bande! Um die Mittagsstunde heute (war das ne Hitze, zum Glück hatte ich mir Odorono unter die Achseln getan, andernfalls wäre mein leichtes Sommerkleidchen aus Kretonne von meiner kleinen Schneiderin, die mir Vorzugspreise macht, beim Teufel gewesen) hält der Autobus am Monceau (dort ist es viel schöner als im Luxembourg, wo ich meinen Sohn hinschicke; was fürn Gedanke, ...) (...)
Die Überschriften der verschiedenen Durchführungen geben bereits Hinweise auf die Durchführungsart; im ersten Fall, bei Icke, icke wird eine prototypische Einheit für B E R L I N E R N verwendet, in den beiden letzten Fällen, wie auch bei Rotkäppchen auf amtsdeutsch, erfolgt eine begriffliche Einordnung. Diese voranzeigende „Kontextualisierung" (Auer 1 9 8 4 ) wird jedoch häufig nicht geleistet. Vielmehr wird den verwendeten Elementen in ihrem Zusammenspiel ein Sinn zugeschrieben; dies ist deutlich in dem Beispiel (19) von Hildesheimer der Fall. Es geht also nicht mehr nur um einzelne konnotierende Elemente des Stils, sondern um konnotierende Zusammenhänge von Stilelementen: Stilinventare. Rehbein ( 1 9 8 3 ) hat für derartige Fälle als stilistischen Strukturtyp den der Mustermischung postuliert. Dabei geht es um Handlungsmuster (vgl. 1.3.) wie A R G U M E N T I E R E N , E R Z Ä H L E N . . . , und um Wissensmuster/Wissensrahmen (vgl. 1.2.) wie ,Amtsdeutsch', , R o t k ä p p c h e n ' , . . . und um typische Verknüpfungselemente „Konnektoren, die die Wissensbereiche verbinden" (Rehbein 1 9 8 3 , 3 1 ) .
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
Diese Muster werden jeweils erkannt aufgrund ihrer spezifischen Lexik und Syntax, der Oberflächenerscheinungen also (Ehlich/ Rehbein 1 9 7 9 , 2 5 0 ) , die aufgrund des Wissens (der Rezipienten) zu diesem Muster gehören, es repräsentieren. Elemente derartiger Muster werden zum konkreten Zweck der Interaktion kombiniert (Rehbein 1983). Aus den Relationen der aktualisierten Muster entsteht der spezifische stilistische Sinn: E R Z Ä H L E N und Telegrammstil sind konventionell ,unverträglich', der „Musterkonflikt" (Rehbein 1983) wirkt stilistisch; ebenso der in der Überschrift bereits angezeigte Musterkonflikt bei Rotkäppchen auf amtsdeutsch. Eine „Mustersynthese" (Rehbein) ist bei Icke, icke ( E R Z Ä H L E N auf Berlinerisch) und bei Weiblich ( E R Z Ä H L E N auf ,weibliche' Art) erfolgt. Die Relationen, um die es bei „Musterkonflikt" und „Mustersynthese" geht, sind: a) die für den Handlungsinhalt verwendeten Wissensmuster untereinander. Rehbein ( 1 9 8 3 , 25 ff.) bringt ein Beispiel, in dem das Wissensmuster ,politökonomischer Bereich' mit Kriegsmetaphorik gemischt ist, b) um Handlungsmuster und ihre konventionellen Durchführungsvarietäten (so ist die Varietät Amtsdeutsch konventionell nicht für M Ä R C H E N geeignet). Prototypisch sind Einheiten, die charakteristisch für ein Muster sind (vgl. Coleman/Kay 1 9 8 1 , Schwarze 1 9 8 2 ; „Schlüsselsymbol" bei K.Müller 1 9 8 4 ) ; bei Rossipal heißen diese Elemente, sofern sie lexikalisch sind, „obligatorisch markiert". An prototypischen Einheiten ist das Muster zu erkennen (vgl. oben heilig-nüchtern für ein bestimmtes Gedicht); weitere Elemente des Musters dienen der Bestätigung. 1.5.5. Strukturprinzipien: Einheitlichkeit und Stilwechsel In diesem Kapitel soll das Strukturprinzip der Einheitlichkeit erst in seinem formalen, dann in seinem funktionalen Aspekt dargestellt werden. Ein Text ist durch quantitative Kennzeichen charakterisiert: die „Anzahl der Wörter pro Satz, die Häufigkeit bestimmter Katego-
1.5. Stilistische Strukturtypen und Strukturprinzipien
115
rien, die Frequenz bestimmter syntaktischer Konstruktionen (auch der Sprechakte, B.S.) usw. In einem solchen Fall wird das Kennzeichnende eines bestimmten Stils (einer Äußerung eines Sprachgebrauchers) durch Durchschnittswerte angegeben" (van Dijk 1 9 8 0 , 99). Eine angemessene Methode der Beschreibung ist die statistische Analyse (ebda., 100); in diesem Fall ist es aber wichtig, Vergleichswerte zu haben, um die spezifischen Eigenschaften des Stils herauszufinden (vgl. Frey 1 9 7 5 , der für die Verwendungen im Bereich der Lexik mit Häufigkeitswörterbüchern arbeitet). Die Ursache solcher Gleichförmigkeit (Frequenz und Distribution, Fleischer/Michel 1 9 7 5 , 63) liegt darin, daß die unter gleichbleibenden Situationsvoraussetzungen gleichbleibende Intention zu gleichartigen Durchführungen der Teilhandlungen führt; die Wahlen aus den verfügbaren Inventaren sind dementsprechend einseitig. Franck 1 9 8 0 benutzt, um psychologisierende Implikationen zu vermeiden, den Terminus Option. Ich ziehe Wahl vor, wobei aber immer klar sein muß, was woraus gewählt wird, vgl. Sandig 1 9 7 8 , 3 6 f. Die so hergestellte Einheitlichkeit besteht in „Äquivalenzen in Form textinterner Relationen der Stilelemente als Beschreibungsgrößen" (Lerchner 1 9 8 1 , 91). Dieses „Zusammenwirken" von Elementen, ihre „Kombination" wird auch bei Fleischer/ Michel ( 1 9 7 5 , 6 2 f.) betont. Diesen Aspekt nennt Franck ( 1 9 8 0 , Kap. 1.4.5.) den „motivierten Zusammenhang zwischen den Optionen. Eine bestimmte Stilart entsteht durch ein System von zusammenhängenden Präferenzen für bestimmte Ausdrucksalternativen. Sie können sich auf alle Ebenen des Sprachsystems beziehen; so kann z. B. eine bestimmte Aussprache mit bestimmten lexikalischen und syntaktischen Charakteristika einhergehen, z. B. eine stärkere Dialektfärbung mit weniger ,gehobenem' Vokabular. Ein identifizierbarer Stil zeigt eine gewisse Konsistenz bezüglich der Auswahlkriterien konkurrenter Stilmittel." Es geht also nicht nur um „Konstellationen" (Trabant 1 9 7 9 , 5 8 5 f.) von Stilelementen, sondern um sinnvolle Zusammenhänge, um gleichartigen stilistischen Sinn, der durch die verschiedenartigen Stilelemente hergestellt wird. Um dies deutlich zu machen, wähle ich noch einmal das Beispiel Rotkäppchen auf amtsdeutsch. Es werden Elemente gewählt, die alle auf das Märchen weisen: Rotkäppchen, Großmut-
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
ter, Mutter, Korb, Wolf usw.; dazu kommen Elemente des Amtsdeutsch: hierorts, aktenkundig..., ebenso einheitlich werden Elemente gewählt, die neutral sind in bezug auf Muster: Krankheit, belehren, begegnen, unsere, noch, die, und (vgl. auch Rehbein 1983). Weiter gibt es Elemente, die beide Muster verknüpfen (Rehbein 1983): die Wortbildung Korb-Behältnis und die aus dem Märchen bekannten typischen Propositionen und Propositionszusammenhänge, die hier nur anders ausgedrückt werden: worauf die Mutter der R. dieser die Auflage machte, der Großmutter eine Sendung von Nahrungs- und Genußmitteln zu Genesungszwecken zuzustellen. Wichtig ist: Einheitlichkeit entsteht nicht durch die einheitliche Wahl von Elementen aus einem einzigen Muster (vgl. 1.5.4.), sondern durch die jeweils mehrfachen Wahlen aus verschiedenen Mustern (die konventionell sogar konfligieren können). Die mehrfachen Wahlen lassen die Muster identifizieren (vgl. den Hildesheimer-Text). Die Muster werden zum konkreten Zweck miteinander verknüpft; aus der Kombinatorik von Elementen mehrerer verschiedener Muster entsteht eine Einheit. Es genügt aber nicht, sich auf „textinterne" Äquivalenz der Elemente (Lerchner 1981, 91) zu beschränken: Das „Zusammenwirken" (Fleischer/Michel), der „motivierte Zusammenhang" (Franck) erhält seinen stilistischen Sinn erst im Handlungszusammenhang (vgl. 1.5.1.): in Relation zur Situation und zur Handlung mit ihrem Inhalt (Thema), die in dieser Situation durchgeführt wird. Dazu als Beispiel eine Stilblüte aus einem Schulaufsatz (Sandig 1981, 24): (21)
Beim Nehmen der Kurve fuhren die beiden Radfahrer so heftig zusammen, daß die zwei Vorderräder ganz kaputt waren. Wobei den beiden Hintern nur die Luft ausging.
Der substantivierte Infinitiv Beim Nehmen der Kurve konnotiert (für mich) ,amtlich'; die beiden und die zwei zeigt zwar ,hochsprachliche' Variation des Ausdrucks, aber einmal wird ein n e u traler' Ausdruck gewählt (die beiden) und einmal ein s p o n t a n sprachlicher' (die zwei). Fuhren zusammen wird erst durch das ganz kaputt (,spontan-sprachlich') eindeutig gemacht; bis dahin kann man ein ,heftiges Erschrecken' verstehen; prallten zusammen/
1.5. Stilistische Strukturtypen und Strukturprinzipien
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aufeinander wäre der ,treffendere' weil eindeutigere Ausdruck. Hintern kann zwar im Kontext des Bisherigen im Sinne von ,hintere Räder' verstanden werden, durch die falsche Schreibung und die nachfolgende Prädikation wird es aber im Kontext doppeldeutig: nicht Teil-von Fahrrad, sondern Teil-von Radfahrer. Eine Einheitlichkeit der Wirkungstendenzen der gewählten Mittel ist zwar teilweise festzustellen: spontanes Sprechen, Doppeldeutigkeit; ,amtliches' und ,spontanes' Sprechen konfligieren. Die Wirkung von Disparatheit der Mittel entsteht im Handlungskontext: ,amtliches' und ,spontanes' Sprechen ebenso wie Doppeldeutigkeit sind dem Schulaufsatz (Handlungsmuster) mit seinem Thema (Sachverhaltsdarstellung) nicht angemessen; dasselbe gilt für die dadurch entstehende ,unernste' Modalität (dazu 2.4.). Außerdem wird durch die semantische Redundanz (dreimal ist von zwei/ beiden die Rede, das erste Mal hätte genügt) eine grundlegende Maxime sprachlichen Handelns verletzt, nämlich nur das Relevante auszudrücken (Relevanzmaxime, Grice 1975). All dies sind (zusammenwirkend) Anzeichen verminderter sprachlicher Handlungsfähigkeit. Was für Elemente einseitig ( = einheitlich) im Durchführungsprozeß der Handlung gewählt werden, ist prinzipiell gleichgültig. Jedes sprachliche Element, jeder Handlungstyp (als Teilhandlung), alles ist verwendbar. Insofern ist Einheitlichkeit ein Strukturprinzip, das sich auf alle vorgestellten Strukturtypen bezieht: Vgl. das Beispiel (11) von Brecht in 1.5.1., in dem kurze geäußerte Sätze die Einheiten sind; die zeilige Schreibung, die Rhythmisierung im Kontext und das Reimschema macht sie zu relevanten stilistischen Einheiten. Durch diese gemeinsamen Eigenschaften der Äußerungen werden die Sätze insgesamt als ,generell' interpretiert. Auch dadurch werden die Äußerungen im Kontext ,einheitlich'. Weiter sind die Äußerungen — bis auf die Überschrift — insgesamt wertend; aufgrund dieser Gemeinsamkeit sind die Äußerungen als Teilhandlungen der Gesamthandlung als bewertende generelle Behauptungen zu verstehen, als Maximen des Handelns und des Interpretierens von Ereignissen. Dieser interpretative Charakter der Einheitlichkeit, der Handlungen einbezieht, zeigt: Statistik als Methode müßte auch pragmatische Kategorien mit einbeziehen, wie Sprech-
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
akttypen mit Propositions-, Prädikations- und Referenzakttypen. Um dem Phänomen Stil gerecht zu werden, fehlt dann noch die Berücksichtigung des relationierenden Charakters von Stil. Wichtig ist: Einheitlichkeit des Stils wird „auf mehreren verschiedenen Ebenen" (Auer 1984, 5; 7) erzeugt (vgl. auch oben Franck), und zwar durch Redundanzen stilistischer Art wie Rhythmus, Reim, ähnlicher propositionaler Gehalt, ähnliche Teilhandlungen: Der erzeugte stilistische Sinn bleibt gleich. Damit wird erreicht, daß dem Rezipienten die „fortgesetzte Gültigkeit" (Auer 1984, 6) der Handlung (unter gleichbleibenden Handlungsvoraussetzungen) mitgeteilt wird. Durch den gleichbleibenden Stil wird — mit Auers Worten, nach Gumperz (z.B. 1978, 1982) — ein komplexer „Kontextualisierungshinweis" gegeben. Es wird mitgeteilt: Es ist noch dieselbe Handlung (im Unterschied zu anderen möglichen), noch dasselbe Thema (im Unterschied zu anderen möglichen), noch dieselbe Beziehung zwischen den Interagierenden (in Relation zu anderen...), noch dieselbe Situationsinterpretation (als privat oder institutionell..., dieselbe Einstellung zum Medium...). Zu den erwähnten Punkten Handlung, Thema und Beziehung s. Auer (1984, 2 1 - 3 2 ) ; bei Auer (1984, 9 - 2 1 ) werden darüber hinaus noch die für. mündliche Interaktion wesentlichen Kontextualisierungen des „Reden wir (gerade) miteinander" und des „Wer redet (gerade) mit wem?" erörtert. Gerade für direkte Interaktion ist die Anzeige dieser Geltungen wichtig; sie wird dort, wie Auer zeigt, noch unterstützt durch Intonation, Kinemik und Proxemik. Kontextualisierungshinweise können am Anfang und Ende einer komplexen Handlung, auch eines thematischen Abschnitts (Schank 1981) gegeben werden, sie können auch „rekurrent" oder „permanent" (Auer 1984, 9, 12) gegeben werden. Im Hinblick auf die bisherigen Beispiele: Überschriften (mit ihrem besonderen Schriftbild) wie Icke, icke und Rotkäppchen auf amtsdeutsch sind Kontextualisierungshinweise am Beginn, die hier die stilistische Relevanz des Textes anzeigen; generell sind Titel Kontextualisierungshinweise verschiedener Art (vgl. auch Hellwig 1984). Entscheidende rekurrente bzw. permanente Kontextualisierungshinweise werden durch den Stil geleistet: permanent sind z. B. das Reimschema und die semantische und pragmatische Qualität der
1.5. Stilistische Strukturtypen und Strukturprinzipien
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Äußerungen im Gedicht Was ein Kind gesagt bekommt; die Überschrift in ihrer besonderen Funktion ist von dieser Permanenz ausgeschlossen. Durch die Rekurrenz von ein Kind in der Überschrift und in der letzten Gedichtzeile Ein Kind hält den Mund (die einzige Rekurrenz im Text) wird das Gedicht abschließend kontextualisiert; dazu trägt auch die Rekurrenz in der Frame-Zusammengehörigkeit der Prädikationen was gesagt bekommt und hält den Mund bei; die Ähnlichkeit der Propositionen rundet das Gedicht zur Einheit, schließt es ab. In Rotkäppchen auf amtsdeutsch sind die Hinweise auf den Rotkäppchen-Frame und den AmtsdeutschFrame rekurrent. „Innerhalb des Schemas (Handlung, Thema, . . . , B.S.) wird fortwährend dessen andauernde Relevanz signalisiert" (Auer 1984, 9). In diese Richtung weist auch das „Fortführen" in Sandig (1978, 32—34); auf die Funktion wird allerdings dort noch nicht eingegangen. Eine Konsequenz der Funktion der Einheitlichkeit des Stils ist es, daß bei Übergängen zu anderen Handlungen, auch Teilhandlungen, der Stil gewechselt wird, auch bei Übergängen zu anderen Themen, bei einem Wechsel der Interagierenden, bei einer Änderung der Beziehung, der Situationsdefinition usw. (Dies hat bereits Labov 1976 festgestellt.) So zeigen die Stilwechsel mit ihren Funktionen die Verflechtung von stilistischer Textstruktur einerseits und den Handlungsvoraussetzungen, auf die die Handlungsdurchführung bezogen ist, andererseits. Viele Textmuster erhalten konventionell verfestigte Stil-Wechsel: Bei gleichbleibenden Handlungsvoraussetzungen werden verschiedene Teilhandlungen mit ihren unterschiedlichen Themen in verschiedenen Stilen durchgeführt. Ein Beispiel dafür ist der konventionelle WETTERBERICHT mit seinen Teilen „Wetterlage" und „Vorhersage" (vgl. Sandig 1970); Münnich (1976, 58—61) gibt eine statistische Analyse eines Wechsels in einem Gedicht. In mündlichem ERZÄHLEN wird bei der Herausarbeitung des entscheidenden Punktes, des „Ereignisknotens" (Giesecke/Rappe 1981, 349), von Vergangenheitstempora ins Präsens gewechselt; außerdem wird er in direkter Rede maximal detailliert (vgl. Quasthoff 1980). Auch die Rechtstexte der Europäischen Gemeinschaft zeigen den Stilwechsel, vgl. das folgende Beispiel (22) aus Rothkegel/Sandig Hg. (1984, 259):
1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
ABKOMMEN zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Indien über den Handel und die Zusammenarbeit im Handel mit ]uteerzeugnissen DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN einerseits, und DIE REGIERUNG DER REPUBLIK INDIEN andererseits, IN DEM WUNSCH, eine zunehmende Verwendung von Juteerzeugnissen sowie die geordnete Entwicklung des Handels mit diesen Erzeugnissen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft - nachstehend „ Gemeinschaft" genannt — und Indien zu gewährleisten, IM HINBLICK auf das Abkommen über handelspolitische Zusammenarbeit zwischen der Gemeinschaft und der Republik Indien, UNTER BEZUGNAHME auf die gemeinsame Absichtserklärung betreffend die Entwicklung der Handelsbeziehungen mit Ceylon (jetzt Sri Lanka), Indien, Malysia, Pakistan (jetzt Bangladesch und Pakistan) und Singapur im Anhang zur Schlußakte des Vertrages über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands, des Königreichs Norwegen und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und zur Europäischen Atomgemeinschaft vom 22. Januar 1972, UNTER BERÜCKSICHTIGUNG des Allgemeinen Zollund Handelsabkommens, IN DER ÜBERZEUGUNG, daß es notwendig ist, die Kontaktaufnahme und die Zusammenarbeit zwischen Vertretern der Jutewirtschaft ihrer beiden Länder zu fördern und zu erleichtern, UNTER BETONUNG der Notwendigkeit, die Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung im Jutesektor zu fördern, HABEN im Geiste wechselseitiger Zusammenarbeit BESCHLOSSEN, dieses Abkommen zu schließen.
1.5. Stilistische Strukturtypen und Strukturprinzipien
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Artikel 1 Dieses Abkommen gilt für die in Anhang A aufgeführten Verarbeitungserzeugnisse aus Jute mit Ursprung in und Herkunft aus Indien. Artikel 2 Für die Dauer dieses Abkommens wendet die Gemeinschaft im Rahmen ihres Angebots allgemeiner Zollpräferenzen autonom für Verarbeitungserzeugnisse aus Jute mit Ursprung in und Herkunft aus Indien die Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs an, für die sich die Höhe und die Zeit der Aussetzung aus Anhang B ergeben. Artikel 3 (1) Die Gemeinschaft führt für die Einfuhr der in Artikel 1 genannten Erzeugnisse keine neuen mengenmäßigen Beschränkungen ein. (2) Als erster Schritt zur stufenweisen Abschaffung noch bestehender mengenmäßiger Beschränkungen (...) Amtsblatt
der Europäischen
Gemeinschaften,
21.1.78
Die Überschrift kontextualisiert die folgende Handlung einleitend in mehreren Aspekten: Die Großschreibung charakterisiert das Textmuster, seinen Handlungscharakter, das übrige gibt die Handelnden und das Thema an. Das Schriftbild und der Nominalsatz grenzen diesen Textteil vom übrigen ab. Die Präambel ist einleitend und ausleitend kontextualisiert durch die Klammer von Subjekt (Handlungsbeteiligte) und Prädikat (HABEN (...) BESCHLOSSEN). Rekurrent ist - nur in diesem Teiltext - die gliedernde Großschreibung, die außer der kontextualisierenden Klammer auch die interne Strukturierung hervorhebt: jeder Präpositionalausdruck ist rekurrent herausgehoben, auch durch die Bildung von Absätzen. Die folgenden Artikel des Abkommens werden kontextualisiert durch das syntaktische Objekt der Präambel-Äußerung: HABEN (...) BESCHLOSSEN, dieses Abkommen zu schließen. Der Abkommensinhalt wird kontextualisiert durch die Rekurrenz der Gliederung in Artikel und durch die Permanenz der dazwischen verwendeten Verbalsätze. Da die Rechtstexte alle
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
kommunikativ relevanten Aspekte explizit machen (vgl. auch Sandig 1 9 8 4 ) , läßt sich hieran die von Auer ( 1 9 8 4 ) betonte Redundanz der Kontextualisierungshinweise auf mehreren Ebenen gut zeigen. Die Einheitlichkeit des Stils bei gleichbleibender Handlung (und Thema) als generelles Postulat bringt es mit sich, daß durch vorübergehende Veränderung des Stils die Aufmerksamkeit des Rezipierenden gesteigert wird; dies hat schon Riffaterre ( 1 9 7 3 ) hervorgehoben. Aufgrund unserer stilistischen Kompetenz nehmen wir bei Stilwechsel einen Handlungswechsel, einen Themenwechsel usw. an. In dem in 1.4.8. analysierten Beispiel (7) aus Keller-Bauer ( 1 9 8 4 ) handelt es sich zumeist um kommentierende oder textverweisende Bemerkungen, also um Handlungen, die sich vom Argumentieren und Darstellen absetzen. Durch den Wechsel der Stilebene werden gerade die Bemerkungen, die auf spätere Stellen verweisen, stark hervorgehoben, so stark, daß dies — angesichts des Nebenbemerkungscharakters — ,irritierend' wirken kann. Andererseits fördern die Wechsel die Aufmerksamkeit, und der Wechsel der Stilebenen kann ,Spaß machen' und so das Rezipieren fördern. Stilwechsel kann also auch als besondere, die Aufmerksamkeit steigernde Art der Durchführung verwendet werden. Deshalb sind die stilistisch entscheidenden Aspekte der Kontextualisierung nicht nur: „Was tun wir (gerade) wie miteinander?", „Worüber reden wir (gerade) wie miteinander?", „Wie stehen wir (gerade) miteinander?" (Auer 1 9 8 4 , 2 1 ff.), „Was ist das Medium, der Kanal, die wir (gerade) wie benutzen?" Vielmehr sind unter stilistischem Gesichtspunkt die Fragen so zu stellen, daß alle dargestellten Strukturtypen und -prinzipien und die in 1.2. bis 1.4. dargestellten Zusammenhänge mit einbezogen werden: 1 . 5 . 6 . Zusammenfassung und Beispielanalyse a) Der Zusammenhang von stilistischen Strukturprinzipien und Stilfunktionen im Handeln kann in folgenden Fragen formuliert werden. — „ W a s tun wir gerade w i e miteinander in Relation zu den Vorgaben des Handlungsmusters, und was geben wir dadurch in
1.5. Stilistische Strukturtypen und Strukturprinzipien
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der Situation zu erkennen, was bewirken wir damit?" Damit werden sowohl konventionelle wie auch abweichende oder fehlerhafte Handlungsdurchführungen erfaßt. — „ W o r ü b e r reden wir gerade w i e miteinander in Relation zu den Konventionen des Redens über diesen Sachverhaltstyp, und was geben wir damit in der Situation zu erkennen, was bewirken wir damit?" Damit werden sowohl konventionelle Sachverhaltsdarstellungen erfaßt wie auch abweichende, z. B. die Parodie des Rotkäppchen-Märchens. — „ W i e stehen wir gerade miteinander in Relation zu unserer bisherigen Beziehung, zu der für die Situation konventionell vorgegebenen Rollenkonstellation?" „Wie stellen wir uns gegenseitig dar, wie gehen wir auf den Adressaten ein?" — „ W a s ist das Medium, der Kanal, die wir w i e benutzen in der Relation zu den konventionellen Vorgaben für das Medium, den Kanal?" — Mit all diesen Fragen ist auch Ausdruck von Einstellungen mit seinen Wirkungen mit erfaßt. Man sieht also: Das formale Postulat der Einheitlichkeit des Stils und die damit zusammenhängende Problematik des Stilwechsels muß in einer ethnomethodologisch fundierten Stilistik ergänzt werden durch die Frage, wozu dies den sprachlich Handelnden dient, was diese damit tun können. Im Rahmen der Stilistik ist das Konzept der Kontextualisierung zu ergänzen durch die Gesichtspunkte stilistischer Sinn und Stilwirkung, d. h. die Funktionen von Stil im Handeln. Es geht also nicht nur darum, was (welche Handlung) wie führt wird (Sandig 1978), und auch nicht nur darum, wozu durchgeführt wird (Sornig 1983): Es geht darum, wozu unter welchen Voraussetzungen und angesichts Konventionen (Muster) dafür durchgeführt wird.
durchgewas wie was wie welcher
b) Überblickt man die dargestellten Strukturtypen und -prinzipien, so ergibt sich weiter folgendes: Es gibt sprachliche Elemente und Strukturen, die konventionell für die Herstellung von Stil sind: Stilfiguren („semantische Dichte")
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
und Elemente von Sprachvarietäten (Stilebenen und andere Varietäten mit ihren Konnotationen). Dies sind die prototypischen Stilelemente, d . h . sie haben a l s E l e m e n t e Einfluß auf die Stilfunktionen. Darüberhinaus gibt es verschiedene Möglichkeiten, beliebige sprachliche Einheiten zu Stilelementen zu machen, vgl. auch Blumenthal's ( 1 9 8 3 ) durchgängige Unterscheidung nach „benutzt" und „geschaffen". Die eine generelle Möglichkeit des „Schaffens" von Stilelementen ist die, durch die besondere Relation von Textelementen untereinander eine Stilstruktur (mit Stilelementen) herzustellen (vgl. das Brecht-Gedicht; zu diesem Aspekt schon J a k o b s o n , z . B . 1 9 7 6 , und Riffaterre 1 9 7 3 ) . Die andere generelle Möglichkeit ist die, Stilwerte herzustellen in Relation zur Situation und ihren per Konvention erwartbaren Handlungsmöglichkeiten (1.5.1.), in Relation zur Handlung mit ihren konventionell erwartbaren Durchführungsmöglichkeiten (Handlungsmuster 1.3.2.) oder auch in Relation zum T h e m a der Handlung mit seinen konventionellen Durchführungsmöglichkeiten (vgl. 1.5.3.). Insofern ist Trabant ( 1 9 7 9 , 5 8 6 ) recht zu geben, der betont, daß die „Konstellation von Eigenschaften, die von einem Interpretierenden herausgearbeitet wird", abhängig ist von den „mit dem betrachteten Gegenstand verglichenen Gegenständen ( . . . ) und von einer Interpretationsabsicht". J e nach Interpretationsabsicht werden nur die prototypischen Stilelemente betrachtet, solche also, die als Einheiten der Kompetenz immer stilistische Eigenschaft haben, oder aber nur die Performanz-Stilelemente: die textintern zu Stilelementen gewordenen Einheiten (vgl. J a k o b s o n , z . B . 1 9 7 6 , und Riffaterre 1 9 7 3 ) , die „geschaffenen" nach Blumenthal ( 1 9 8 3 ) und die pragmatischen Aspekte des Stils (Relation Sprechakte und Teilakte einerseits zu Außerungsmöglichkeiten andererseits, Sandig 1 9 7 8 ) . Wichtig ist, daß hier — in ethnomethodologischer Vorgehensweise — als Interpretationsgrundlage die für die Beteiligten in der Situation per Konvention erwartbaren Handlungen, Handlungsinhalte und Durchführungsarten angenommen werden; stilistischer Sinn und Stilwirkung des Textes, der Äußerung entstehen in Relation dazu. Die hier gegebene Interpretationsabsicht ist es, das Tun der Beteiligten möglichst diesem Tun angemessen zu beschreiben.
1 . 5 . Stilistische Strukturtypen und Strukturprinzipien
125
Bei einer Beschreibung mit diesen Zielen ergibt sich, daß nur bei einer Verengung des Gegenstandsbereichs die aufgeführten Strukturtypen jeweils einheitlich und einseitig angewendet erscheinen; bei einer umfassenderen Sicht des Gegenstandsbereichs, wie sie in 1.2. entfaltet wurde, sind bei der Anwendung M i s c h u n g e n der Strukturtypen festzustellen. Dies wurde bereits mehrfach in den Beispielinterpretationen deutlich. Ich möchte dies zusammenfassend noch einmal an einem Gedicht zeigen: (23)
Linguistik Du mußt mit dem
Obstbaum
reden.
Erfinde eine neue Sprache, die Kirschblütensprache, Apfelblütenworte, rosa und weiße Worte, die der Wind lautlos davonträgt. Vertraue dich dem Obstbaum an wenn dir ein Unrecht geschieht. Lerne zu schweigen in der rosa und weißen Sprache. Hilde Domin ( 1 9 8 2 , 2 2 ) Ein Gedicht ist in der Regel nicht mit einem Ausdruck für einen Wissenschaftsbereich (Konnotation, 1.5.4.) überschrieben; was folgt, entspricht auch nicht den konventionellen Erwartungen an eine solche Überschrift, sondern denen an Lyrik: Relation zu Konventionen in dieser Kommunikationssituation (1.5.1.). Die ,lyrische' Erwartung im Gedichtband wird durch die Überschrift gestört. Der stilistische Sinn und die Wirkung wird je nach Vertrautheit oder Unvertrautheit des Rezipienten mit Linguistik verschieden sein. Der Gedichttext drückt eine Reihe von Aufforderungen aus (Einheitlichkeit, 1.5.5.). Die propositionalen Gehalte machen in den Prädikationen eine Bewegung durch von mußt reden und erfinde
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
eine neue Sprache (bei reden und Sprache Kontiguität 1.5.2., gemeinsamer Wissensrahmen mit Linguistik, Elemente eines Musters 1.5.4.). Vertraue dich an und lerne zu schweigen setzen die Prädikationen im Rahmen eines Musters fort, zu dem reden und Sprache, Worte im alltagssprachlichen Sinn gehören. Mustermischung (1.5.4.) sieht also hier so aus, daß ein Muster (,Linguistik') dadurch in ein anderes übergeht (,reden/schweigen'), daß einige Elemente zu beiden gehören. In diesen Musterübergang (vgl. auch in Kunerts Beispiel 17 den Übergang vom Beschreiben der Wut zum Ausdrücken der Wut) wird ein weiteres Muster gemischt: Du mußt mit dem Obstbaum reden, die Kirschblütensprache, schweigen in der rosa und weißen Sprache. Auch hier ist ein Musterübergang vorgenommen: mit dem Obstbaum reden, eine neue Sprache, die Kirschblütensprache, Apfelblütenworte, wobei alle drei Elemente der beiden Wortbildungen in verschiedenen Wissensrahmen-Relationen (1.5.2.) zu Obstbaum und zu Sprache stehen. Rosa und weiße Worte, die der Wind lautlos davonträgt: Es gibt einen Übergang von Sprache zu Worte, die der Wind lautlos davonträgt und schließlich zu schweigen in (dieser) Sprache. Die Metaphern rosa und weiße Worte, rosa und weiße Sprache entstehen durch Assoziationen, die rosa und weiß in Relation zu Sprache beim Rezipienten anstoßen (vgl. Keller-Bauer 1984) wie ,hell', freundlich',,angenehm'; vermittelt durch den in Apfelblütenworte hergestellten (Blumenthal 1983) Übergang der beiden Muster kommt hinzu ,leicht', ,fliegend'... Das Gedicht stellt,Gegensätze' (1.5.2.) her zwischen reden und sich anvertrauen einerseits und schweigen am Ende; es verknüpft Worte und lautlos und schafft — nach meinem Empfinden — einen ,Gegensatz' zwischen Unrecht und rosa und weiße Sprache (mit den Assoziationen freundlich', ,leicht'...). Der stilistische Sinn ist ein ,In-der-Schwebe-Halten' der Sachverhalte, die Thema des Gedichts sind, ein Handeln mit Aufforderungen, deren propositionaler Gehalt wenig zum Muster des AUFFORDERNs paßt und die wenig zur Überschrift passen und die so ,Nachdenklichkeit',,Irritierung'... bewirken: Kann man (du) eine neue Sprache erfinden müssen, um über Unrecht so ,helP und ,heiter',,leicht' zu schweigen? Das Gedicht ist gebunden an Schrift-
1.6. Stilstrukturen u n d linguistische Ebenen
127
lichkeit des Mediums und der Sprachvarietät (1.5.4.) mit Anklängen an gesprochene Sprache (Du mußt mit x reden), die in Relation zum schriftlichen Kanal und Medium (1.5 1.) Spontaneität' und ,Emotionalität' als Einstellungen vermitteln. Schließlich vermittelt das Gedicht eine ,historische' Bindung (Zeitgebundenheit) an m o derne' Lyrik und an die Zeit der Diskussion um Linguistik. (Möglicherweise enthält die Überschrift in Relation zum Text eine Kritik an der Linguistik derart, daß sie für den angedeuteten Sachverhalt wenig brauchbar ist.) Die Strukturtypen und -prinzipien bilden z u s a m m e n ein außerordentlich variables Instrument zur Beschreibung der Strukturierung von Stil. Dies wiederum erlaubt es, die stilistischen Funktionen in ihrer Vielfalt und jeweiligen Gewichtung (vgl. 1.2.) auszudrücken. Stil ist ein „synthetischer" Gegenstand sowohl hinsichtlich der Struktur (vgl. 1.5.5. zu Einheitlichkeit) wie auch hinsichtlich des stilistischen Sinns, der durch diese Struktur vermittelt wird (vgl. 1.2.); mit den Strukturtypen und -prinzipien, die möglicherweise noch zu erweitern sind, ist dies beschreibbar. Wie die Beschreibung zeigt, ist die Strukturbeschreibung durch die Funktionsbeschreibung zu ergänzen. Nach den Darstellungen der Typen stilistischen Sinns in 1.2., der stilistischen Strukturtypen in 1.5.1. bis 1.5.4. und der Strukturprinzipien in 1.5.5. ist davon auszugehen, daß es keine prinzipiell festen Zusammenhänge von Sinn und Struktur im Stil gibt, also auch nicht Stil als linguistische Einheit. Vielmehr gibt es zwar Strukturtypen und Strukturelemente, mit denen Typen stilistischen Sinns konventionell realisiert werden können, aber es gibt auch die freie Verwendung von Stil-Strukturen und Elementen. Die Wirkung resultiert aus der Art des Verhältnisses von verwendeten Strukturtypen und hergestelltem Sinn im Rahmen des Handelns vor dem Hintergrund der per Konvention gegebenen Erwartungen.
1.6. Stilstrukturen und linguistische Ebenen der Sprachbeschreibung Einige Punkte, die bereits in den vorangegangenen Kapiteln anklangen, sollen hier noch einmal zusammenfassend betrachtet werden.
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
1.6.1. Strukturelle Mehrstufigkeit und Diskontinuität Stil erstreckt sich über mehrere der traditionellen Ebenen der Sprachbeschreibung; er ist nicht nur auf einer Ebene anzusiedeln. Und zwar gilt diese strukturelle Mehrstufigkeit sowohl für Handlungsmuster wie für konkrete Handlungen. Zu den Handlungsmustern sei noch einmal das Beispiel GRÖSSEN (Kap. 1.3.2.) betrachtet: Welches Untermuster von G R Ü S S E N ich wähle: D E N H U T ZIEHEN, Z U W I N K E N oder x - S A G E N hat bereits Einfluß auf den stilistischen Sinn, hier z. B. auf (Selbstdarstellung und) Beziehungsgestaltung. Wenn ich x-SAGEN wähle, so hat meine Wahl zwischen Grüß Gott, Hallo und guten Morgen wieder Einfluß auf den stilistischen Sinn; weiter: wenn ich guten Morgen verschieden ausspreche, mit verschiedener Stimmführung versehe, entfaltet auch dies stilistischen Sinn: /mDrjn/ oder /guda morja/ oder /gun morgr)/ oder /gutan morgan/. All diese Alternativen enthält bereits das Muster: Alternativen für die verschiedenen Ebenen der Realisierung. Die Eigenschaften all dieser Wahlen, die auf den linguistischen Ebenen zu beschreiben sind, ergeben z u s a m m e n den Stil: Die stilistische Struktur ist insofern mehrstufig. Ahnlich ist der Stil einer konkreten Handlung, die mit einem Text vollzogen wird, strukturell mehrstufig: So wurde bereits anhand des Brecht-Gedichts in 1.5.1. gezeigt, wie Stil auf mehreren Ebenen der Sprachbeschreibung entsteht: Sprechaktebene (die Teilsprechakte des Ganzen), Teilakte der Sprechakte (Referenzakte, Prädikationsakte, propositionale Akte) mit ihren variierenden Ausdrucksmöglichkeiten (z. B. für Referieren auf Klassen von Gegenständen: Die, man, ein Kind, Kartoffeln, alles) über die Syntax der Äußerungen (fast nur einfache Sätze mit Subjekt-Prädikat(-Objekt)-Sequenz) bis zur Ebene der Lautung (Reim, Rhythmus). Vgl. auch die Beschreibung des Beispiels (12) in 1.5.2. Diese ebenenüberschreitende Mehrstufigkeit der Stilstruktur bildet eine Schwierigkeit für die Beschreibung. In Sandig ( 1 9 7 8 a ) ist ein Dialogausschnitt methodisch beschrieben. Die Beschreibung erfaßt den Zusammenhang:
1.6. Stilstrukturen und linguistische E b e n e n
129
Gespräch —* Zug—> (Sequenz von) - » Äußerungen) —* Art der ReaSprechakt(en) lisierung der Äußerung(en) Die „Ziehharmonika"-Beschreibung einer Handlung (1.3.3.) wird hier so vorgenommen, daß sie mit der ¿«dem-Darstellung der Handlungsmuster (1.3.2.) verknüpft wird. Für „Äußerung(en)" und „ A r t der Realisierung der Äußerung(en)" werden in Sandig (1978a) jeweils „besondere Eigenschaften" der Ausführung angegeben. Die bisherigen Darlegungen zeigen, daß auch für die Aspekte „ G e s p r ä c h " , „ Z u g " und „(Sequenz von) Sprechakt(en)" Arten der Durchführung anzugeben sind. Dies wird für „Ges p r ä c h " in 2.1.1.3. noch zu verdeutlichen sein. Ergänzt werden muß die handlungsmuster- und textbezogene Mehrstufigkeit noch durch den Situationsbezug: beim Handlungsmuster durch den Bezug auf die konventionellen Verwendungsbedingungen; bei der Realisierung des Handlungsmusters mit einer Äußerung/einem Text durch die Relation des angewendeten Musters (mit seinen Bedingungen) zur konkreten Verwendungssituation, vgl. 1.5.1. Sprache, Sprachhandeln
Stilistisch relevant
— S i t u a t i o n s t y p mit seinen K o n v e n t i o n e n
— R e l a t i o n : Situationst y p / R e a l i s i e r u n g eines Musters — Wahl v o n U n t e r m u stern, Teilhandlungsmustern
— Handeln: Handlungsmuster/Textmuster mit konventionellen Alternativen — Textstrukturen: Handlungsstruktur, Themenstruktur, Textverweisung... — Satz — Lexik — Lautung — Sprecherisches/graphische Einheiten
— A r t der Sequenzier u n g , der k o m p l e t t e n oder bruchstückhaften D a r s t e l l u n g u s w . — A r t des S a t z b a u s Wahl der M o r p h e m e — Wortwahl — L a u t l i c h e Wahlen — A r t der A u s s p r a c h e / A r t des Schriftbildes
Stil
K o n k r e t e Wahlen a u f allen E b e n e n
unterschiedliche Gew i c h t u n g e n je n a c h Fall
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
In Sandig ( 1 9 7 8 , Kap. 8 und 1983) werden Stilinventare beschrieben: Zusammenhänge von Elementen verschiedener Sprachbeschreibungsebenen zu bestimmten Handlungszwecken: Arten der Beziehungsgestaltung, medienspezifische Textmuster-Varianten usw. D. h. ähnlich wie bei den Stilebenen und über diese hinausgehend sind in Stilinventaren Vorgaben für mehrstufige Stilstrukturen konventionell geworden. Bei Cassirer (1975, 28) heißt es: „there can be stylistically relevant features at all levels of the t e x t " , d.h. Cassirer nimmt als umfassende Einheit den Text an; demgegenüber ist bereits bei Sandig (1978) die umfassende Einheit die Handlung; hier nun hat es sich als notwendig erwiesen, über die Handlungstypen hinaus die Situationstypen einzubeziehen, auch wenn deren Beschreibung bisher zu wünschen übrig läßt. Die Annahme der Diskontinuität des Stils im Text (vgl. Lerchner 1981) läuft demgegenüber Gefahr, im Sinne der traditionellen linguistischen Ebenen verstanden zu werden, da sonst von diskontinuierlichen Einheiten nur bezogen auf je eine linguistische Ebene die Rede ist: Ich sehe das noch nicht ab (Diskontinuität des Lexems); Ich kann das noch nicht absehen (Diskontinuität des Prädikats) usw. Auf je e i n e r Ebene liegen solche Diskontinuitäten bei Stil häufig vor (vgl. z.B. Jakobsons 1 9 7 6 Analysen): Dies betrifft in der Regel die syntaktischen Strukturen, Morpheme, lautliche und lexikalische Wahlen. Ebenso gibt es aber auch Kontinuität der propositionalen Gehalte und der Sprechakte im BrechtGedicht (allerdings ohne die Überschrift). Vgl. dazu, in anderer Terminologie, auch in 1.5.5 die „rekurrenten" und die „permanenten" Kontextualisierungshinweise auf mehreren verschiedenen Ebenen nach Auer (1984). Stil wird — und das ist das Wesentliche — strukturell durch ein Ineinander von Eigenschaften der linguistisch beschriebenen Sprachebenen konstituiert. Da konkreter stilistischer Sinn synthetisiert, kombiniert wird aus verschiedenen möglichen Typen stilistischen Sinns, tragen die Einheiten der verschiedenen Sprachebenen zu dieser Synthetisierung und ihrer unterschiedlichen Gewichtung bei; sie sind das strukturelle Pendant zur Art der Sinnkonstitution.
1.6. Stilstrukturen und linguistische Ebenen
131
Es ist durchaus möglich, daß auf verschiedenen Sprachebenen verschiedene Typen stilistischen Sinns konstituiert werden; z. B. die Arbeit von U. Geißner (1985) legt dies nahe für die Sprechaktebene einerseits und den sprecherischen Ausdruck andererseits. 1.6.2. Das „Implizite" des Stils Wichtig ist bei a l l e n stilistischen Strukturtypen, daß der stilistische Sinn nicht „explizit" mit den Mitteln der Semantik zu erkennen gegeben wird; er wird vielmehr „implizit" hergestellt (Franck 1 9 8 0 , Sitta 1980, Thoma 1 9 7 6 , Püschel 1 9 8 2 , 1983). Wie Franck es ausdrückt (1980, Kap. 1.4.5): „nicht der ,Kerngehalt', der sachliche Inhalt oder referentielle Bezug, nicht das ,Was' sondern das ,Wie' der Darstellung" ist relevant für den Sinn. Stolt (1984) unterscheidet zwischen (explizitem) „Erstsinn" und (implizitem) „Zweitsinn"; Püschel ( 1 9 8 3 , 102 f.) unterscheidet zwischen (explizitem) „Formulieren" und (implizitem) „Ausdrücken" von Einstellungen. Mit Blick auf 1.5.1 können wir noch hinzufügen: Auch das ,Unter welchen Umständen' der Darstellung in Relation zu den per Konvention gegebenen Erwartungen der Beteiligten trägt zu diesem Impliziten bei. Das Implizite des Stils ist das strukturelle Pendant zu den Funktionen von Stil als ,Nebenbei' (Püschel 1 9 8 2 , 33), als handlungsunterstützend. Wie die Beispiele (16) und (17) in 1.5 zeigen, kommt es häufig zu Parallelen (Konvergenzen) begrifflichen Ausdrucks und stilistischen Sinns. Der begriffliche Ausdruck dient auch dem Ankündigen des folgenden stilistischen Sinnes in den Überschriften (weiblich, telegraphisch in Text (20b) und (20c)), oder er stellt im Text implizit den intendierten stilistischen Sinn sicher (Beispiel (19) mit nüchtern und (17) Rot sehen, blind sein (vor WwiJ).Dies kann methodisch zur Beschreibung des vom Sprecher/Schreiber intendierten stilistischen Sinnes genutzt werden: Die Konvergenz explizit ausgedrückter Textbedeutung und implizit ausgedrückten stilistischen Sinnes ist ein Argument für die Unterstellung einer Intention beim Sprecher/Schreiber. Vgl. zur Anwendung dieser Methode Kap. 2 . 1 .
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
Die Mittel allerdings, die zum Herstellen „impliziter" stilistischer Strukturen dienen, sind u. a. auch semantischer Art. Für nichtpoetische Strukturen gilt dabei dasselbe, was Kloepfer (1975, 125 f.) für poetische betont: Die Elemente sind „die Laute, Worte, die grammatischen Gegebenheiten, die einzelnen Bedeutungen . . . " , allerdings in ihren wechselseitigen Kontexten (auch über die Sprachebenen hinweg) und immer in Relation zu einer Verwendungssituation: Die Elemente stilistischer Strukturen bilden auf anderen Ebenen der Sprachbeschreibung Elemente mit Struktur und Funktion. Stilistische Strukturen entstehen also (werden hergestellt bzw. rezipiert) als Strukturen, die über sprachliche Einheiten mit Struktur u n d Funktion gelegt sind, nicht nur über deren strukturelle Seite (vgl. Kloepfer 1975). Dementsprechend entsteht stilistischer Sinn über andere Sinnkonstitutionen (Referenzen, Prädikationen ...) hinweg. Das „Implizite" des Stils entsteht, wie aus 1.5.1. bis 1.5.6. hervorgeht, auf folgende Weisen: a) Relation von Textelementen (verschiedener Art) untereinander (über die Satzgrenze hinweg) und zu den dargestellten Sachverhalten (Thema). b) Relation von Textelementen untereinander und zum Handlungsmuster mit seinen Durchführungskonventionen. c) Relation von Textelementen untereinander und zur typisierten Handlungssituation mit ihren konventionellen Vorgaben. d) Relation von Textelementen untereinander, zu anderen Elementen der Sprache und zum Wissen. Wenn man also die Stilstrukturprinzipien und -typen über „das Implizite" zusammenfaßt, muß man berücksichtigen, daß es sich dabei um verschiedene Arten des Impliziten handelt. Soweit ich sehe, wurden in der Forschung nur je einzelne dieser Aspekte betrachtet: a)
Relation von Textelementen untereinander und zum Thema.
Halliday (1975, 146) formuliert dies folgendermaßen: „Dies ist es, was wir unter (stilistischer, B. S.) Relevanz verstehen: die Vorstel-
1.6. Stilstrukturen und linguistische Ebenen
133
lung, daß ein linguistisches Merkmal irgendwie dazugehört als Teil eines Ganzen. Die Beschäftigung mit Auffälligkeiten ist nicht ohne Bedeutung für das Verständnis und die Wertung eines literarischen Werkes; aber sie ist als lohnende Tätigkeit in sich selbst nicht ausreichend. Dell Hymes sagte von phonologischer Aktualisierung, daß es ,eine Angemessenheit der Verknüpfung von Laut und Bedeutung geben müsse', und dies ist nicht weniger wahr für die syntaktischen und semantischen Ebenen, wo es sich jedoch nicht um eine Beziehung von Laut und Bedeutung, sondern um eine Beziehung von Bedeutung und Bedeutung handelt. Hier schließt die Relevanz eine Kongruenz (hier: Konvergenz, B. S.) mit unserer Interpretation dessen ein, worum es in dem Werk geht, und daher sind die Zugehörigkeitskriterien semantischer Natur. ( . . . ) Die syntaktischen Kategorien sind per se die Verwirklichung semantischer Wahlmöglichkeiten, und die Relevanz ist die Relevanz einer Menge von Bedeutungen zu einer anderen — eine Beziehung innerhalb der Bedeutungsebenen selbst." Gerade diese Relation ist bei Stilblüten gestört (vgl. Beispiele (14) und (21)). Tschauder ( 1 9 7 8 , 1 5 7 f.) bringt ein Beispiel aus Grass' die Blech-
trommel: Es war mir aber unmöglich, Mama (...) zu bitten,
Oskar
(...) über solch ein Becken zu heben. Tschauder schreibt dazu ( 1 5 8 ) : „der Äußerungsträger, im zitierten R o m a n Oskar selber, darf (gemäß der Sprachkompetenz, B . S . ) nicht einmal in der 1. Person, ein anderes M a l in der dritten Person auf sich referieren." Es handelt sich um einen „durch einen grammatischen Fehler vermittelten Hinweis des Autors auf den, wie K. G . J u s t schreibt, ,tiefen Riß durch die Welt' des Oskar Mazerath ( . . . ) " . In diesen Fällen findet eine Beschränkung von Stil auf seine Funktion für die Sachverhaltsdarstellung (Themengestaltung) statt. b) Relation von Textelementen untereinander und zum Handlungsmuster Für literarische Texte hat Wimsatt ( 1 9 6 3 ) das Implizite der stilistischen Sinnherstellung beschrieben. Die Rhythmik des Prosastils diene dazu, „die wichtigen Wörter dahin zu bringen, wo sie wichtig klingen" (8). Zu dieser inhaltlichen Entsprechung könne als weiterer stilistischer Sinn „eine Art musikalischer Bedeutung"
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
(7) treten. Fehlt eine Übereinstimmung von Rhythmik, Reim etc., liegt nach Wimsatt „schlechter Stil" vor. Denn in diesem Stil weicht die implizite Bedeutung von der expliziten ab: Entweder ist gar keine implizite Bedeutung zu erkennen, oder die Bedeutung ist gegensätzlich oder irrelevant. Dies ist mit Blick auf die in Kap. 1.2. dargestellten vielfältigen Typen stilistischen Sinns zu modifizieren. „The only consideration that can determine an author in a given detail is the adequacy of the detail to his whole purpose" (Wimsatt 1963, 11). „Eine Art musikalischer Bedeutung" ist sicher im hier gegebenen Kontext so zu interpretieren, daß literarische Handlungen häufig mit lautästhetischen Eigenschaften des Textes durchgeführt werden. Bei Steinmetz (1978) geht es um textsorten- und speziell gattungsspezifische „Stilkonventionen", die Vorgaben für die in Texten zu etablierenden „Wirklichkeitsrelationierungen" machen; dabei ist mit „Wirklichkeitsrelationierung" im Anschluß an Anderegg (1977) bezogen auf die hier gewählte Sicht folgendes gemeint: die Art und Weise der textmuster- oder gattungsspezifischen Sachverhaltsdarstellung oder auch der literarischen Sachverhalts herstellung. In Relation zu diesen Konventionen ist der konkrete Stil eines Textes zu sehen. In diesem Zusammenhang betont Steinmetz, daß die Analyse der sprachlichen Formen allein nicht ausreicht, um einen Stil zu charakterisieren: Auf die Art der Verwendung in Relation zu Stilkonventionen kommt es an. Steinmetz demonstriert seinen Ansatz an einem sprachlichen Charakteristikum bei Lessing. Von der Linguistik her wird ein vergleichbarer Ansatz dargestellt und an einem Text von Handke demonstriert bei Frier (1983); zur Beschreibung der Stile alltagssprachlicher Textmuster s. Sandig (1978). c) Relation von Textelementen untereinander und zur typisierten Handlungssituation mit ihren konventionellen Vorgaben. Für literarische Texte ist dies m. W. am ehesten im Zusammenhang der Rezeptionssituation literarischer Texte betont worden (Thieberger 1983, Coenen 1979). Linguistische Ansätze, die die Situation miteinbeziehen, betreffen
1.6. Stilstrukturen und linguistische Ebenen
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— die Textsortenproblematik, wobei Stil bisher meist ausgeblendet ist, z.B. Lux (1981), Dimter (1981); — die in der Sprache vorhandenen situationsgebundenen Lexeme (Rossipal 1973) oder Register (Lux 1981); — die Textproblematik mit ihrem Situationsbruch: Die Situation des Schreibers ist von der des Rezipienten verschieden (Ehlich 1984). Das Entstehen von stilistischem Sinn durch die abweichende Verwendung eines Textes in einer Situation, wie es in 1.5.1. an Handkes Bei uns zu Gast demonstriert wurde, wurde bisher m. W. noch nicht beachtet. Bei Lux (1981) ist jedoch die theoretische Voraussetzung dafür geschaffen: Als Teilaspekt der „Textsortenkompetenz" sieht er die Kenntnis der „Situationellen und kontextuellen Einsetzbarkeit von Textsorten" an (222), und er unterscheidet zwischen „Handlungstyp" und Textsorte. Unter „Handlungstyp" versteht er dabei (S. 159, 222): den „Rahmen (Umgebungssituation), in den Textsorten eingesetzt und in welchem sie verwendet' werden". Auf S. 224 heißt es: „Eine Textsorte kann in aller Regel in verschiedenen Handlungstypen verwendet werden, und ein Handlungstyp bietet meistens Spielraum für einen gewissen Bereich von Textsorten." Lux betont (222), daß es auch bei der Relation Handlungstyp und darin verwendbare Textsorte zu Regelverletzungen kommen kann. d) Relation von Textelementen untereinander, zu anderen Elementen der Sprache und zum Wissen Diese Relation wird wesentlich in Blumenthal (1983, vgl. 1.5.2.) und bei Spillner (1983): Das Implizite, bei Spillner (1983) „semantischer Nebensinn" und Stilwirkung, wird beschreibbar durch den Zusammenhang der im Text verwendeten Elemente mit anderen Einheiten oder Zusammenhängen von Einheiten im Wissen der Beteiligten. Wie kann man „das Implizite" des Stils methodisch beschreiben? Eine Methode ist die, die ich in Sandig (1983b) „Hintergrundbeschreibung" genannt habe: Es ist auszugehen von den Konventionen, den Mustern mit ihrem verschiedenen sozialen Sinn, ihren
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
Verwendungsbedingungen und ihren verbalen Realisierungsmöglichkeiten. Die konkrete Handlung mit ihrem Text ist in Relation (vgl. 1.5.1. der relationierende Charakter des Stils) dazu zu beschreiben. Solche Beschreibungen wurden z. B. vorgenommen: Für Handlungen und Handlungsmuster in Holly ( 1 9 8 3 ) , Frier ( 1 9 8 3 ) , Sandig ( 1 9 8 5 ) und Rehbein ( 1 9 8 3 ) ; für Sachverhaltsdarstellungen und Sachverhaltstypen in Rehbein ( 1 9 8 3 ) und Frier ( 1 9 8 3 ) ; für Teilhandlungen und Teilhandlungstypen in Ehlich ( 1 9 8 3 : Phorik), Ehlich ( 1 9 8 3 a : Deixis und Phorik), Ehlich ( 1 9 7 9 : Deixis), ebenso in Steinmetz ( 1 9 7 8 : Fragen); für Gesprächsstile in Sandig ( 1 9 8 3 ) ; für die Relation im Text verwendeter sprachlicher Einheiten zu Einheiten in der Sprache Spillner ( 1 9 8 3 ) , Blumenthal ( 1 9 8 3 ) . Eine weitere Methode ist das Paraphrasieren, wie es in 1.5.2. am Beispiel (12) Ent-rüstet Euch demonstriert wurde. Von Polenz ( 1 9 8 0 , 1 9 8 5 ) hat dieses Verfahren für den Zusammenhang von Textmuster (Textsorte) über die einzelnen Teilhandlungen bis hin zu komprimierten Ausdrücken methodisch entwickelt. Auch das Wissen (historischer und sprachlicher Art) wird für die Paraphrasierung, das „Zwischen-den-Zeilen-Lesen" genutzt. Bei der Paraphrase als Methode gilt es zu beachten: Es läßt sich nur das bedeutungsmäßige und das pragmatische Potential des Textes (in der Situation) annähernd wiedergeben. Die Stilwirkung ist erst durch die Differenz zwischen dem paraphrasierten Text(stück) und der Paraphrase selbst zu ermitteln. Der stilistische Sinn muß, wie die Analyse in 1.6.3. zeigen wird, aus den Typen stilistischen Sinns (Kap. 1.2., d . h . dem Wissen des Interpreten um diese Funktionen von Stil) einerseits und der über Paraphrasen und/oder Hintergrundbeschreibung gegebenen Darstellung andererseits ermittelt werden. Eine weitere Methode ist schließlich die, im Text Ausschau zu halten nach expliziten Pendants zum als intendiert unterstellbaren stilistischen Sinn (s. den Beginn dieses Kapitels). Generell hat das Implizite den Sinn, die (mehrfachen) Intentionen des Sprechers/ Schreibers dem Rezipienten zu verdeutlichen, ohne sie zu explizieren. Vieles davon darf gar nicht explizit gemacht werden, um nicht störend zu wirken (Cicourel 1 9 7 5 ) , und doch ist es gut, es wenigstens implizit zum Zweck der Ubereinstimmung mitzuteilen. Dabei
1.6. Stilstrukturen und linguistische Ebenen
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gibt es durchaus Grade der Explizitheit (Franck 1 9 8 0 ) , die dem Rezipienten unterschiedliche Relevanzsetzungen anzeigen (Franck 1980). Stilfiguren und Abweichungen lenken die Aufmerksamkeit des Rezipienten auf sich. Wie paßt dies zum Impliziten, zum Nebenbei des Stilistischen? Es wurde schon gezeigt (1.5.2.), daß Stilfiguren Implizites enthalten: Wegen dieser Komplexität ist es gut, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, um das Verstehen zu sichern (Bublitz/Kühn 1 9 8 1 , 65): „Die Steuerung der Aufmerksamkeit auf (Mit-)Gemeintes ( . . . ) heißt ( . . . ) sowohl Aktivierung der Aufmerksamkeit als Verstehensvoraussetzung als auch Ausrichtung auf das (Mit-)Gemeinte als Verstehenshilfe." Das Gleiche gilt für andere Abweichungen, bei denen die Differenz zu dem, wovon abgewichen wurde, den stilistischen Sinn und die Stilwirkung ergibt (vgl. Spillner 1983). Das Sekundäre, Nebensächliche des Stils wird kompensiert durch das Aufmerksammachen, das besondere Aktivieren des Adressaten, vgl. zur Metapher Searle (1982), zu Idiomen Greciano (1982). In solchen Fällen ist das, was der stilistische Sinn zum Ganzen beiträgt, besonders relevant. Auffälligkeit bzw. Unauffälligkeit stilistischer Eigenschaften entsprechen den Relevanzabstufungen, die der Sprecher/Schreiber dem Rezipienten zu erkennen gibt. 1.6.3. Abschließendes Beispiel Die Mehrstufigkeit und das Implizite des Stils sollen zusammenfassend noch einmal an einem einfachen Beispiel betrachtet werden. Dabei werden auch die am Ende von 1.6.2. erwähnten Beschreibungsmethoden angewendet. Im Sommer 1 9 8 0 gab es eine Wandreklame, die auf papierfarbenem Untergrund nur aus einem „ W o r t " bestand: (24) s c h r e i B M a s c h i n e n Die besondere Art der Durchführung entsteht durch das von den Konventionen abweichende Schriftbild: Kleinschreibung des Substantivs bei gleichzeitiger Großschreibung im Wort. Alternativen
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
für die Schreibung nach konventionellen Schriftmustern wären: Schreibmaschinen, Schreibmaschinen oder SCHREIBMASCHINEN. Die besondere Art der Durchführung ist beschreibbar vor diesem Hintergrund möglicher Alternativen. Die abweichende Schreibung läßt im Schriftbild schrelBMaschinen eine weitere Wortbedeutung entstehen: IBM. Aufgrund der Kenntnisse von Frames wissen wir, daß IBM u. a. eine Schreibmaschinenmarke ist: schrelBMaschinen hat den Sinn ,IBM-Schreibmaschinen'. Ersteres ist eine „implizite" Möglichkeit des Ausdrückens, letzteres die explizite Alternative. IBM ist durch das Schriftbild so plaziert, daß es Bestandteil — und zwar ein unverzichtbarer — des Wortes Schreibmaschinen ist. Durch das Schriftbild wird mit ausgedrückt was als Satzbedeutung zu paraphrasieren ist, etwa mit: ,IBM ist ein integraler Bestandteil von Schreibmaschinen'. In der Äußerungssituation ist als Äußerungsbedeutung ein Propositionsakt erschließbar, in dem auf den Werbegegenstand referiert wird und eine positive Bewertung prädiziert wird: ,daß IBM (ganz) besondere Schreibmaschinen sind' oder/und: ,daß Schreibmaschinen (eigentlich) nur von IBM sein können' o. ä. Vor dem Hintergrund der Konventionen betrachtet ist diese Art des Äußerns eines Propositionsaktes etwas Besonderes: Referenzakt u n d Prädikationsakt werden mit einem einzigen Schriftbild ausgedrückt, sie erscheinen „in einem Wort" und werden durch diese Art der Durchführung,ähnlich': Die Schriftlichkeit (vgl. 1.2.5.3.) wird hier auf besondere Art genutzt; der Sachverhalt wird äußerst,ökonomisch' dargestellt. Da in dieser Formulierung nicht festgelegt ist, was Referenzgegenstand und was Prädikation ist, kann man sogar, wie die zuletzt gegebenen Paraphrasen zeigen, verschiedenartige Propositionen oder auch eine Verdoppelung der Proposition annehmen. Durch den positiv bewertenden propositionalen Gehalt erhält die Äußerung den kommunikativen Sinn einer positiven Bewertung, einer positiv bewertenden Behauptung. Positives BEWERTEN ist häufig explizit in Werbungen zu finden (Flader 1972, 353 f.); es ist ein Teilhandlungsmuster des Musters WERBEN. Partielle Ähnlichkeit des Schriftbildes (vgl. zu Ähnlichkeit 1.5.2.) bewirkt also hier das „Implizite"; der Schluß auf die
1.6. Stilstrukturen und linguistische Ebenen
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explizite Paraphrase benötigt den zusätzlichen Bezug auf die Äußerungssituation (vgl. 1.5.1.). Eine weitere besondere und die Schriftlichkeit nutzende Art der Durchführung liegt in der Wahl des Schrifttyps: Es sind charakteristische IBM-Lettern; für diejenigen, die diese Lettern nicht als solche erkennen, sind es ,besondere',,nicht alltägliche' Lettern. Die besondere Art der Durchführung entsteht auch hier durch Wahlen aus möglichen Alternativen. Hinzu kommt für diejenigen, die die IBM-Lettern als solche identifizieren: Die IBM-Lettern stimmen überein mit der Bedeutung des großgeschriebenen Wortteils IBM. Verschiedene Eigenschaften der Ausführung weisen in die gleiche Richtung: die verwendeten Lettern, der durch das Schriftbild entstehende N a m e und die teilweise Übereinstimmung der Schriftbilder. Die besonderen Wahlen entsprechen in verschiedener Weise der expliziten Bedeutung Schreibmaschinen. Es entsteht ein „motivierter Zusammenhang zwischen verschiedenen Optionen" (Franck 1 9 8 0 , Kap. 1.4.5.). Dies führt zu Einheitlichkeit (1.5.5.). Der propositionale Gehalt der Äußerung wird gestützt, verstärkt durch die stilistischen Wahlen (vgl. 1.5.3.), er wird ,eindringlicher' gemacht (vgl. 1.4.), als er sonst in dieser Verkürzung wäre. In der Äußerungssituation, auf dem ,papier'-weißen Grund der Wandreklamefläche, erhält das geäußerte „ W o r t " einen kommunikativen Sinn, der paraphrasierbar ist etwa mit der Behauptung: , I B M sind d i e Schreibmaschinen überhaupt'. Und diese Behauptung ist im Handlungskontext die Voraussetzung oder Begründung (Schwitalla 1 9 7 6 , Völzing 1 9 7 9 ) für die eigentlich im Handlungszusammenhang intendierte Werbehandlung („wesentliche Texthandlung", v. Polenz 1 9 8 0 ) : ,Kauf I B M ' . Die textmusterspezifische Paraphrase lautet also etwa: ,Wenn du eine Schreibmaschine brauchst, kauf eine I B M , denn I B M sind die Schreibmaschinen überhaupt'. Im Handlungsmuster W E R B U N G gibt es als alternative Ausdrucksmöglichkeiten Slogans wie: Kauf IBM; Schreibmaschine? IBM!; Die bessere Schreibmaschine: IBM; usw. (vgl. Flader 1 9 7 2 ) . Vor diesem Hintergrund wirkt es besonders, wenn nur die Voraussetzung oder Begründung der intendierten Handlung ausgedrückt
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
wird, und zwar in der gezeigten ökonomischen und zugleich reichhaltigen Art der Durchführung. Auch in diesem Fall zeigt die Paraphrase, daß die Art der Durchführung bezogen auf die Handlungssituation ein M e h r an Sinn „impliziert" gegenüber dem, was tatsächlich geäußert wurde. Im Vergleich mit der expliziten Paraphrase wird das M a ß an „Implizit e m " deutlich, das hier bewirkt, daß Aufmerksamkeit erregt wird und der Rezipient sich damit beschäftigt: Sowohl der propositionale Gehalt (die Sachverhaltsdarstellung) wie auch die Handlung sind abweichend vom WERBE-Üblichen durchgeführt; sie wirken vor dem Hintergrund der üblicheren Alternativen. Gerade diese besondere Art der Durchführung der Werbung in allen ihren Teilakten ist dazu geeignet, den Erfolg der Handlung möglichst im Sinne des Werbenden zu steuern. Die Mehrstufigkeit des Stils erweist sich in den verschiedenen Paraphrasen, je nach betrachteter Stufe. Die Beschreibung zeigt: außer der „Hintergrundbeschreibung", einschließlich der möglichen Alternativen, und der Paraphrasierung auf den verschiedenen Ebenen wird methodisch immer wieder der Bezug zu den in 1.2. und 1.4. dargestellten Funktionstypen von Stil hergestellt: Der darzustellende Sachverhalt wird propositional möglichst ,ökonomisch' dargestellt, dazu wird die ,Schriftlichkeit' mit Schriftmuster, Schrifttyp und Papierfläche mit genutzt. Die Handlung wird auf ,besondere' Art durchgeführt. Weitere Aspekte stilistischen Sinns sind nicht relevant (so könnte die betrachtete Reklame unverändert auch in anderen schriftlichen Medien verbreitet werden). Die Wirkung hat ihren Schwerpunkt m. E. bei der Rezeptionsart: ,Aufmerksamkeit erregen', ,Interesse erwecken', eindringlich' sein . . . ; eventuell kommen hinzu Unterstellungen von Sprechereigenschaften: ,gut gemacht', ,raffiniert' . . . , bei den Handlungsaspekten Erstaunen über die Art der Handlungsdurchführung in Relation zum Erwartbaren. Hintergrundbeschreibung und Paraphrasieren sind also nur TeilMethoden einer kompletten linguistischen Beschreibung des Stils, die die Funktionen mit berücksichtigen muß.
1.7. Stilistische Kompetenz und stilistische Performanz
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1 . 7 . Stilistische K o m p e t e n z und stilistische P e r f o r m a n z „Style was regarded as a rather unimportant part of Performance, but it is notv recognised more and more that there is such a thing as stylistic competence and that stylistic competence might be a very important factor." Cassirer (1975, 27) 1.7.1. Zur Relation von Stilkompetenz und Stilperformanz Linguisten haben öfter die Existenz einer stilistischen Kompetenz betont (z.B. Cassirer 1975, Peukert 1977, 2 8 , Sandig 1981). Demgegenüber wurde immer wieder betont, Stil sei ein Performanzphänomen (z.B. Spillner 1974, 19). Die Schwierigkeit der Darstellung des Verhältnisses von Stil, Performanz und Kompetenz wird besonders deutlich bei Peukert ( 1 9 7 7 , 39—46): Dort wird zwar im Bereich der Rede unterschieden zwischen „grammatischer Realisierung" und „stilistischer Aktualisierung", dann wird aber ein Ubergang vollzogen zu „Gesetzmäßigkeiten auf der Ebene des S p r a c hstils", die es zu erkennen gelte und zur Aufgabe, „die Spezifika von Redestilen funktional zu unterscheiden und zu beschreiben". In Kap. 1.2. wurde bereits gesagt, Stil sei sowohl als Kompetenz wie als Performanz (Art der Durchführung konkreter Handlungen) zu verstehen; die Wichtigkeit der Stilkompetenz für die Benutzer wurde in Kap. 1.2. und 1.4. anhand des Redens über Stil herausgestellt: Der Sprachgebrauch gibt bereits vielfältige Hinweise darauf, daß Stil auch ein Kompetenzphänomen ist: So steht Stilgefühl für eine besonders ausgeprägte stilistische Kompetenz. Wir können weiter stilistische Performanzen beurteilen als angemessen oder unangemessen. Dies setzt ein Wissen darüber voraus, was unter bestimmten Umständen angemessen ist. Es gibt speziellere Bewertungen stilistischer Performanzen als altmodisch oder ungeschickt, schlicht, holprig usw. Alle diese Bewertungen beruhen auf dem
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
Wissen darüber, was im gegebenen F a l l , m o d i s c h ' , , g e s c h i c k t ' usw. wäre. a) Um eine stilistische Performanz intersubjektiv verstehbar zu machen, müssen Bezüge zur sprachlichen und Sprachhandlungskompetenz herstellbar sein. Individuelle Abweichungen können nur auf dieser Grundlage als solche verstanden werden. Dies hat Frier ( 1 9 8 3 ) anschaulich gezeigt an einem Gedicht von Krolow und an einem Text von Handke. Hier mag als einfacheres Beispiel ein Werbeslogan genügen (aus Spillner 1 9 8 3 , 6 5 ) : Dokator bringt die Natur ein Schlückchen näher. „Der Phraseologismus etwas ein Stückchen näher bringen ist derart abgewandelt, daß eine neue unerwartete Interpretation möglich wird — durch einen Schluck des Likörs wird dem Trinkenden die Natur in Form der enthaltenen Kräuter ein Stückchen näher gebracht. Es entsteht ein semantischer Nebensinn; die überraschende Abwandlung der feststehenden Wendung erfüllt die erste und wichtigste Aufgabe jeder Werbeanzeige: die Aufmerksamkeit des Lesers zu erringen." (Spillner 1 9 8 3 , 6 5 ) . Das Beispiel zeigt folgendes: Der abgewandelte Phraseologismus muß bekannt sein (Sprachkompetenz), das „ A b w a n d e l n " darf nur so geschehen, daß das Abgewandelte noch erkennbar bleibt: Bringt ein Schlückchen näher enthält drei der vier Lexeme unverändert, das vierte ist nur in einem der Anfangskonsonanten verändert: [Jt] wurde zu [jl]; weiter muß die Abwandlung so gestaltet sein, daß sie im Kontext einen Sinn ergibt, ihre Absichtlichkeit muß erkennbar sein (Sitta 1 9 8 0 ) ; dies ist bei Likör und Schlückchen aufgrund von Frame-Zusammenhängen (Wissensrahmen) der Fall. Für stilistische Performanz bestehen also bestimmte Bedingungen. Die Frage stellt sich, ob es Regeln gibt, d . h . gibt es in der stilistischen Kompetenz charakteristische, regelhafte Möglichkeiten der Individuierung, des Abweichens von dem in der Sprachkompetenz und der Sprachhandlungskompetenz Vorgegebenen? b) Gibt es darüber hinaus noch weitere Aspekte von Stil als Performanz aufgrund von Stilkompetenz? In Kap. 1.2. wurde ausgeführt, daß stilistischer Sinn eine kombinatorische Einheit ist: strukturell aus Einheiten verschiedener Art hergestellt (1.6.1.). Deshalb sind durch Kombinationsmöglichkeiten der stilistischen
1.7. Stilistische Kompetenz und stilistische Performanz
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Stereotypie (Performanz als Realisierung der Vorgaben der Kompetenz) oder Individualität (individuelle Performanz) keine Grenzen gesetzt (s. 1.7.2.). Die generelle Struktur des Stils macht dies möglich. Vgl. den Strukturtyp der Mustermischung (1.5.4.). Individuelle Performanzen gibt es sowohl im literarischen wie im nichtliterarischen Bereich: Spillner (1979, 51 f.) zeigt anhand von Günter Eichs Gedicht „Strandgut" die Mischung der semantischen Bereiche ,Meeresstrand',,menschliche Kommunikation' und ,Hinund Her-Bewegung'. Vgl. auch die Beschreibung von Hilde Domins Gedicht Linguistik in Kap. 1.5.6. Als nichtliterarisches Beispiel eine Heiratsannonce: (25)
MANN MIT FLÜGEL könnte sich in einen strahlenden, schönen, frechen Engel verlieben, dem alle irdischen Freuden himmlisches Vergnügen bereiten, der aber aus den Wolken fllk, wenn die Welt geschunden wird. Aufs Land geflüchteter Medizynmann (34), der sich aber gut in der Stadt sehen lassen kann, hat in seinem Paradies im Norden einen Apfelbaum und ist jetzt neugierig auf den Sommer. Bildzuschriften bitte an: ZF 3799 DIE ZEIT, Postfach 10 68 20,2000 Hamburg 1
(Die Zeit, 11.6.82) Hier ist im 2. Absatz der Wissensrahmen Paradies (mit mitgemeinter verführerischer Eva') in die Selbst-Beschreibung (mit dem Stadt-Land-Gegensatz-Stereotyp) eingestreut: Aufs Land geflüchteter Medizynmann, der sich aber gut in der Stadt sehen lassen kann, hat in seinem Paradies im Norden einen Apfelbaum und ist jetzt neugierig auf den Sommer. Muster-Mischungen dieser Art bilden eine häufige Technik beim Stilherstellen (weitere Beispiele bei Rehbein 1983). Hier zeigt sich also eine generelle Technik, die individuierend eingesetzt werden kann. Sie kann auch als Mischungstyp bereits vorgegeben sein (Sandig 1976 zum Stil des „Spiegel"). c) Bestimmte Häufungen sprachlicher Einheiten, das heißt Einseitigkeiten in den sprachlichen Wahlen werden häufig als Kennzeichen von Stil als Performanz angegeben (vgl. 1.5.5.). Bei genauerem Hinsehen gibt es jedoch nicht nur individuelle Häufungen,
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
sondern auch stereotype Häufungen: etwa in Kochrezepten (Sandig 1970), in Fachtexten (Nabrings 1981, 153 f.), Fußballreportagen (Sandig 1974) usw. Das Prinzip der Häufung durch einseitige Wahlen ist also ein generelles stilbildendes Prinzip, also zur stilistischen Kompetenz gehörig; es ist eine Möglichkeit, Einheitlichkeit herzustellen. Bei Nabrings (1981) wird es generell als Eigenschaft von Varietäten der Sprache gesehen (z.B. 249). Vgl. auch Riesel/ Schendels' Definition (1975, 36): „Unter Funktionalstil verstehe ich das qualitativ u n d q u a n t i t a t i v geregelte Verwendungssystem der Sprache in einem konkreten Bereich des Gesellschaftsverkehrs zu bestimmten Mitteilungszwecken." (Sperrung: B. S.). Das bisher Dargestellte spricht dafür, Stil nicht nur als Performanzphänomen zu sehen. Dies wäre nur von einer Sprach- und Sprachhandlungskompetenz aus gesehen zu rechtfertigen. Voraussetzung für eine konsequente Erforschung des Stils als Kompetenz ist, sich nicht auf literarische Stile zu beschränken. Die Beispiele zeigen, daß selbst individuelle Abweichungen über Bedingungen und Regeln beschreibbar sind. Insofern stellt sich das Problem der Subjektivität des Stils und seiner Beschreibung (z.B. Trabant 1979, 586 ff.) in einer neuen Weise: Es gilt die Muster, die Regeln zu entdecken und zu beschreiben, nach denen ein für Rezipienten verstehbares sinn-volles Abweichen zustandekommt. d) Individuelle Abweichungen, die nicht als Regelanwendung zu beschreiben sind, werden als Fehler oder — bei starken Abweichungen - als Stilblüten aufgefaßt (vgl. 1.3.8.). Deshalb können Stilblüten methodisch genutzt werden, um zentrale Stilregeln zu beschreiben. In Sandig (1981) habe ich u.a. folgende Regeln beschrieben: — Bestimmte Handlungsmuster dürfen konventionell nur mit dem Ausdruck bestimmter Einstellungen durchgeführt werden (z. B. ist im Schulaufsatz in der Regel Witz und Scherzen ausgeschlossen). — Ebenso gelten für bestimmte Sachverhaltstypen bestimmte Einstellungskonventionen, z. B. ist Religiöses ,ernsthaft' darzustellen. — Es gibt konventionelle Zusammenhänge von Art der Themenabhandlung und der Handlungsdurchführung und den dabei mög-
1.7. Stilistische Kompetenz und stilistische Performanz
145
liehen Einstellungen: z . B . sollte ein Geschichtsaufsatz in der Schule ,ernst' geschrieben sein, während eine Erzählung in der Schule durchaus ,scherzhaft' oder,witzig' geschrieben sein kann. In diesen Fällen handelt es sich also um Angemessenheitsregeln. — Die Befolgung solcher Angemessenheitsregeln ist wichtig für die Gestaltung der Beziehung der an der Interaktion Beteiligten: Die wechselseitigen Regeln werden respektiert. — Aus 1.3. und 1.4. geht hervor: Das in der Situation erwartbare Handeln mit seinen Durchführungsmöglichkeiten ist das konventionell Angemessene. — Das Abweichen von Angemessenheitsregeln muß im Kontext und/oder der Situation sinn-voll sein (vgl. Sitta 1 9 8 0 ) . — Es ist mit Graden der Angemessenheit zu rechnen: von konventionell angemessen und abweichend angemessen über mehr oder weniger angemessen bis zu unangemessen. Es spricht also viel für eine Annahme einer stilistischen Kompetenz als Teil einer umfassenden kommunikativen Kompetenz. Sie enthält u. a. spezifische Verwendungsregeln der Sprache. Stilistische Performanz ist dann die jeweilige stilistische Realisierung aufgrund der stilistischen Kompetenz im Rahmen der kommunikativen Kompetenz. Stilistische Performanz ist nur als Teilaspekt von Äußerungen/Texten im Handlungszusammenhang zu sehen (vgl. 1.3.). Lerchner ( 1 9 8 1 , 87) unterscheidet zwischen Stil als Performanz, d. h. „Stilistischem als Eigenschaft oder Merkmal konkreter T e x t e " und stilistischer Kompetenz, beschreibbar „als Stil(normen)system, und zwar bezogen sowohl auf Prozesse der Stilerzeugung (Stilprozesse auf Seiten des Senders) als auch auf Prozesse der Stilwirkung (stilistische Funktion in der Wirkung auf den Empfänger)"; dabei sind persönlichkeitsspezifische Variationen des Sprachnormensystems bei Sprecher/Schreiber und Rezipient mit berücksichtigt (Lerchner 1 9 8 1 , 9 5 ff.). Betrachtet man jedoch den Stil nicht nur wie Lerchner im Text, sondern wie hier im Handlungszusammenhang, so ergibt sich als Postulat, für stilistische Performanz die Äußerung/den Text im
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
Handlungszusammenhang zu betrachten. Stilistische Performanzen werden hergestellt aufgrund kommunikativer (einschließlich stilistischer) Kompetenz, und sie werden rezipiert aufgrund kommunikativer (einschließlich stilistischer) Kompetenz; die Rezeption erfolgt eventuell in anderen Handlungszusammenhängen als die Herstellung, vgl. Ehlich ( 1 9 8 4 ) . Inbezug auf die stilistische Kompetenz ist zu postulieren, daß die Regeln des Stilherstellens (und Rezipierens) umfassender als bisher beschrieben werden. Aus der Analyse von Performanzen sind die Regularitäten, die Regeln der Kompetenz zu abstrahieren. Die Regelbeschreibungen sind auf den Text- und Handlungszusammenhang des Stils zu beziehen. Zum Zweck dieser Beschreibungen ist es praktikabel, die stilistische Kompetenz von der kommunikativen Kompetenz zu trennen. Bei Püschel ( 1 9 8 0 , 3 0 5 ) wird stilistische Kompetenz folgendermaßen bestimmt: Sie „umfaßt alle diejenigen Kenntnisse und Fähigkeiten von Sprachbenutzern, die die Verwendung sprachlicher Mittel nach stilistischen Gesichtspunkten ermöglichen bzw. das Ergebnis der Verwendung zu erkennen und einzuordnen erlaub e n " . Hier wird nun, aufgrund der bisherigen Darstellungen stilistische Kompetenz als Teilaspekt der kommunikativen Kompetenz so bestimmt: Die aufgrund stilistischer Erfahrungen unterschiedlich ausgeprägten und unterschiedlich bewußten aktiven und passiven stilistischen Fähigkeiten von Sprachbenutzern bestehen — in der Kenntnis von Typen stilistischen Sinns und deren konventionellen Verträglichkeiten mit Handlungsmustern, — in der Kenntnis von Einheiten und Regeln, mit denen sprachliche Handlungen mit stilistischem Sinn und Stilwirkung versehen werden können, — in der Kenntnis stilistischer Strukturtypen und Strukturprinzipien, — in der Kenntnis von Typen der Stilwirkung und — in der Kenntnis von konventionellen Wirkungen der Typen stilistischen Sinns in Typen von Handlungssituationen, — möglicherweise in der Kenntnis von Zusammenhängen zwischen
1.7. Stilistische Kompetenz u n d stilistische Performanz
147
stilistischen Strukturtypen und Typen stilistischen Sinns, zwischen Strukturtypen und Stilwirkungstypen. 1.7.2. Stilistisches Unikalisieren und Typisieren „Es gilt, das „Übliche" ebenso zu beschreiben wie das Ungewöhnliche." Stolt (1984, 171)
Der Fall, daß jemand eine Handlung nach einem Muster in einer Situation stilistisch individuell gestaltet, soll als generelle Technik zusammenfassend mit einem Terminus von G. Antos (1982, für Textherstellen) benannt werden: Die Handlung wird stilistisch unikalisiert, sie wird einzigartig gemacht. Bei Antos (1982, 119—121) wird Unikalisieren für das Berücksichtigen von individuellen Situationsumständen beim Textherstellen verwendet: also für Indexikalisieren allgemein. Für die Zwecke der Stilistik ist es angebracht, den Terminus als »stilistisches Unikalisieren' enger zu fassen: Bei Antos (1982) geht es um Textmuster („Schemata") und deren Realisierungsmöglichkeiten, nämlich mustergemäß oder in gewisser Hinsicht über das Muster hinaus: angereichert, abweichend . . . Antos (1984) konzentriert sich auf Texte, für die intersubjektive Muster nicht unbedingt relevant sind. Im stilistischen Kontext ist mit stilistischem Typisieren gemeint, daß der Text zwar mustergemäß hergestellt ist aber mit konkretem Thema, für bestimmte Adressaten, zu einer bestimmten Zeit usw. Ein Beispiel dafür ist das in 1.5.5. besprochene Abkommen (22). (Antos 1982, 120 nennt diesen Fall „Aufgaben-lösen"). Ein stilistisch typisierter Text folgt deutlich den typischen Eigenschaften des Musters. Mit stilistischem Unikalisieren wird die Tatsache zu erfassen versucht, daß Texte oft einen mehr oder weniger lockeren Bezug zu Mustern haben, daß es Variationen gibt, Mischungen usw. (dazu besonders 2.1.1.; Antos 1982, 120: „Problemlösen"): Sie entstehen dann zwar in Relation zu Mustern und werden in Relation zu Mustern rezipiert, aber gerade die Art der Relation ist sinn-voll und wirksam. Der stilistische Sinn einer derart stilistisch unikali-
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
sierten Handlung (mit ihrem Text) ist dann z. B.,Selbstdarstellung' und dadurch eine bestimmte ,Art der Beziehungsgestaltung', wie z.B. im Fall der in 1.7.1. verwendeten Heiratsannonce. Oder bei einer Werbeanzeige: der Verkaufsgegenstand soll durch die besondere Art der Sachverhaltsdarstellung als ,besonders', ,einzigartig' dargestellt und wahrgenommen werden. Oder ein Sachverhalt wird als ,individueller' konstituiert, z. B. Domins Kirschblütensprache im Gedicht „Linguistik". Die Argumentation von 1.7.1. ist, daß auch Unikalisieren nach Regeln erfolgt, die es zu beschreiben gilt; nur so können Abweichungen als intentional (Kap. 1.3.8.) erkannt werden. Wichtig ist, daß es Grade des Unikalisierens gibt, von der radikalen kleinschreibung, wie sie gunter presch betreibt, bis zur abweichenden Verwendung eines Textes, wie sie bei Handke in Beispiel (10) zu finden ist. Beim Typisieren als genereller Technik dagegen wird die Handlung nach den Vorgaben des Musters vollzogen. Mustervorgaben sind z.B. Routinen (Rehbein 1977, Sandig 1983a) oder Rituale (Werlen 1984, z.B. Kap. 2.6.1.); bei Ritual und Routine gehört das Durchführen als Prozeß begrifflich mit dazu. Weiter gehören hierher textmustertypische Stile (z.B. Püschel 1982; Sandig 1978, Kap. 8; Nabrings 1981, 206 ff.; Kap. 2.1.1.4.). Auch in der Kompetenz vorgefertigte Stilinventare wie die „Register" der englischen Stilforschung (z.B. Lux 1981, Nabrings 1981, 1 9 6 - 2 0 5 ) und Stilebenen (Nabrings 1981, 160 ff.) dienen konventionell zum Typisieren (unter der Voraussetzung allerdings, daß sie in konventioneller Weise und nicht abweichend verwendet werden). Mit dem Unikalisieren u n d Typisieren im Dienste der jeweiligen konkreten Handlungsdurchführung mit stilistischem Sinn und Stilwirkungen wende ich mich — gegen die Einseitigkeit, mit der Stil als Individuelles gesehen wurde (vgl. dazu auch W.G. Müller 1981); — gegen die Einseitigkeit der Betonung des Typisierten als Reaktion auf die einseitige Betonung des Individuellen (z. B. Sandig 1970, 1972a, 1978).
1.7. Stilistische Kompetenz und stilistische Performanz
149
Das Stilistische nutzt b e i d e generelle Techniken, und beide sind aufeinander bezogen; so wird unikalisiert, um eingefahrenen Konventionen und/oder Normen zu entgehen; es wird typisiert, um ohne besonderen Aufwand handeln zu können oder um die Normen zu befolgen. Es gibt graduelle Übergänge, indem Textmuster individuelle Spielräume enthalten (z.B. Sandig 1978, Kap. 7.3. über politische Kommentare, Stolt/Trost 1976 über Heiratsannoncen). Die traditionelle Stilnorm stellt geradezu einen Balanceakt dar zwischen Typisieren (z. B. die besondere Ästhetik) und Unikalisieren, z. B. in dem Gebot der Verlebendigung der Sachverhaltsdarstellung durch Bilder (vgl. 2.2.4.). 1.7.3. Stilmuster Betrachtet man das Stilherstellen als ein Zusatzhandeln (1.3.6.), so ist es wichtig, stilistische Teilhandlungstypen anzunehmen. Das stilstrukturelle Handeln, das zu struktureller Einheitlichkeit führt, wird in Sandig (1978, 87 ff.) FORTFÜHREN genannt. Als speziellere stilstrukturelle Handlungstypen werden WIEDERHOLEN, VARIIEREN und ABWEICHEN angenommen. Püschel (1985, 1985a) nennt diese stilistischen Handlungsmuster „Stilmuster". (In Sandig, 1978, 169 f. wird Stilmuster für Textmusterstil bzw. für den Stil einer individuellen Handlung als ganze verwendet.) In Püschel (1985) wird auch GESTALTEN als Stilmuster gesehen; es werden Untermuster dazu angenommen wie ABWEICHEN, WEGLASSEN, UMSTELLEN, VERSIFIZIEREN, WITZIGMACHEN. Püschel (1985) geht dabei auch auf mögliche Funktionstypen ein: „Durch ABWEICHEN kann man einen Text (...) INDIVIDUELL oder ORIGINELL oder AUFFÄLLIG usw. M A C H E N . " Stilmuster wird deshalb in zweierlei Weise verwendet (Püschel 1985): „Das Muster GESTALTEN läßt sich (...) unter zweierlei Perspektiven betrachten. Zum einen versuchen wir durch das Befolgen von Stilmustern etwas im Hinblick auf unsere Sprachhandlungen/Texte zu bewirken; wir geben ihnen eine bestimmte Gestalt (...). Zum andern versuchen wir zugleich damit etwas im Hinblick auf die Adressaten unserer Sprachhandlungen/Texte zu bewirken; wir versuchen bei ihnen mit stilistischen Mitteln (...) Effekte zu erzielen, d. h. Einstellungen oder Gefühle bei ihnen zu erzeugen und/oder sie
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
zu Handlungen zu bewegen." Für diesen letzten Fall, GESTALTEN MIT (EINER) FUNKTION(EN), möchte ich allein den Terminus Stilmuster reservieren: für den Zusammenhang von Ausdrucksmöglichkeiten und Funktion — wie bei Handlungsmuster. Den stilstrukturellen Herstellungsaspekt bei GESTALTEN möchte ich, wie schon bei Unikalisieren und Typisieren, als Technik davon unterscheiden. Stilmuster können dann analog zu Handlungsmustern beschrieben werden (vgl. 1.3.2.), z.B. Püschel (1985): „Einen Text LEBENDIG MACHEN kann man durch VARIIEREN oder ABWEICHEN oder METAPHERNGEBRAUCH usw." Oder (der Pfeil steht für indem)-. VARIIEREN ABWEICHEN METAPHORISIEREN
LEBENDIG MACHEN
WITZIG MACHEN
UNERWARTETE WENDUNGEN) -s MACHEN
WORTSPIELEN IRONISIEREN FORMELN (Redewendungen, Sprichwörter . . . ) ABWANDELN
Durch den Begriff Technik werden also traditionelle und andere Stilelemente und Stilstrukturen unter dem Gesichtspunkt des stilstrukturellen Textherstellens gesehen; durch den Begriff Stilmuster ist es möglich, Stilfunktionstypen und ihre Untertypen (wie WITZIG MACHEN, LEBENDIG MACHEN) zu verknüpfen mit den Techniken, mit denen sie konventionell realisiert werden.
1.7. Stilistische Kompetenz u n d stilistische Performanz
151
1.7.4. Stilkompetenz in Relation zu Sprach- und Handlungskompetenz In 1.2. wurde dargestellt, daß es die Grundfunktion des stilistischen Sinns ist, die konkrete Handlung (nach oder in Relation zu einem Muster) auf die konkreten Gegebenheiten zu beziehen; dies geschieht durch die Art der Handlungsdurchführung. Die Grundfunktion der Stilwirkung ist es (1.4.), die Handlung durch die Art der Durchführung zu unterstützen und/oder anzureichern mit als weniger relevant dargestellten (vgl. 1.6.2.) Nebenwirkungen. Auf der Seite des Rezipienten entspricht dem das Erkennen, Zuschreiben von Funktionen (nach Funktionstypen) in der konkreten Situation. Stil ist also als Teilaspekt eingeflochten in das Handeln mit Sprache. Wie ist nun die Relation von Stil und Sprache und Handeln unter dem Gesichtspunkt von Kompetenz und Performanz zu sehen? Dies wird auf S. 152 skizzenhaft verdeutlicht. Handlungsmuster gehören insofern zur Stilkompetenz, als die einzelnen Formulierungsmöglichkeiten konventionell stilistisch differenziert sind (vgl. 1.3.2.). Stilmuster stellen Zusammenhänge zwischen stilistischen (Neben-)Zielen und (mehreren) Stilelementen dar (vgl. 1.7.3.); ein Stilelement kann zu mehreren Stilmustern gehören. Stilebenen sind Zusammenhänge prototypischer Stilelemente mehrerer sprachstruktureller Beschreibungsebenen: So gehören jeweils zusammen Antlitz, schreiten, erhalten, vorangestellter Genitiv . . . ; Gesicht, gehen, bekommen ...; von statt Genitiv, kriegen ...; Fresse, latschen. Stilinventare als Zusammenhänge von Stilelementen gehen darüber hinaus: Zusammenhänge fachbezogener Elemente oder textmustertypischer Elemente, kanalspezifischer Elemente usw. (vgl. Sandig 1978, Kap. 8). Stilinventare enthalten sowohl prototypische Elemente („Schlüsselelemente", K. Müller 1984) wie zwecks, mittels, als auch unspezifische Elemente wie das Passiv, das vielfältig verwendbar ist. Die Typen stilistischen Sinns und Stilwirkungstypen sind die stilistischen Interpretationskategorien der Beteiligten (wie auch — infolgedessen, vgl. 1.2. und 1.4. — die Beschreibungskategorien der Beschreibenden).
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
Sprache, Sprachhandeln
Kompetenz Einheiten und Regeln: Grammatik, Lexik, Graphie, Morphologie, Aussprache, Handlungsmuster, Textmuster, Situationstypen, Wissensmuster ( F r a m e s ) , . . .
Performattz Verwendung von Strukturen aus Einheiten und Regeln, Anwendung von Mustern in Kontexten, Situationen
Stil
Stilkompetenz Prototypische Stileinheiten: grammatisch, lexisch, morphologisch, Aussprache, Graphie, . . .Stilebenen; Stilinventare Handlungsmuster; Stilmuster Typen stilistischen Sinns; Stilwirkungstypen
Regeln zum Herstellen von Stilelementen (vgl. 1.5.1.; 1 . 5 . 2 . Stilfiguren u. ä.), von Stilstrukturen (1.6.); stilistische Strukturprinzipien; Durchführungsregeln, Angemessenheitsregeln jeweils in Relation zum Situationstyp, Handlungstyp, Thementyp, Sachverhaltstyp...
Stilperformanz Konkret durchgeführte Handlungen mit ihren Stil-Funktionen in Situationen Die Darstellung zeigt: die Stilkompetenz ist in Relation zur Sprachund Sprachhandlungskompetenz teilweise in Richtung Sprach- und Handlungsperformanz verschoben. Dies berechtigt es ein Stück weit, den Stil von der Sprachbetrachtung und der Handlungsbetrachtung aus — mit Ausnahme der prototypischen Stileinheiten, der Stilebenen und Stilinventare, der der Handlungs- und Stilmuster und der Funktionstypen — der Performanz zuzuordnen. Die stilistischen Strukturtypen und -prinzipien als Aspekte der Stilkompetenz sind angewiesen auf Sprach- und Sprachhandlungsperfor-
1.7. Stilistische Kompetenz und stilistische Performanz
153
manz: Relationsstruktur und Einheitlichkeit arbeiten erst über dieser Performanz. Ebenso hat die strukturelle Mehrstufigkeit (1.6.1.) des Stils Sprach- und Handlungs-Performanzen zur Voraussetzung. Auch die stilistischen Funktionen entstehen erst in der Handlungsdurchführung und in der Handlungsrezeption. Die Durchführungs- und Angemessenheitsregeln als Bestandteile der Stilkompetenz betreffen Aspekte der Sprach- und Sprachhandlungsperformanz. Nabrings (1981, 240 ff.) löst das Beschreibungsproblem, indem sie im Anschluß an Coseriu zwischen dem Sprachsystem mit „phonologischen, morphologischen, syntaktischen Regeln . . . " und der Rede (Performanz: „Laute, Sätze, Texte . . . " ) die „ N o r m " annimmt. „ N o r m " ist die Gesamtheit der Varietäten als „konventionalisierte Realisationsformen des Systems", die gesellschaftlich bedingt sind und sich zeigen in „phonetischen Realisationsmustern, Frequenz morphologischer, syntaktischer Muster...". Für die Beschreibung von Stil im Handlungszusammenhang scheint mir die oben vorgenommene Sicht angemessener zu sein. Stilblüten sind insofern ein brauchbares Material, als sie typische Stilwirkungen zur Folge haben, die aber nicht intendiert sind: ,Komik',,Lachen', In diesen Fällen entsprechen die Performanzen nicht allen relevanten Regeln der Stilkompetenz (Sandig 1981); es wurde gegen Durchführungsregeln verstoßen (z. B. Einheitlichkeit; Konvergenz des Sinns) und/oder gegen Angemessenheitsregeln (inbezug auf die konventionellen Einstellungen in Relation zu Situationsvoraussetzungen, zum Handlungsmuster und der konventionellen Themendurchführung, zur typischen Beziehung). 1.7.5. Variierende Stilkompetenz Stilkompetenz ist zu unterscheiden in aktive und passive Kompetenz: Es können sehr viel mehr und sehr andere Stile erkannt und wertend rezipiert werden als hergestellt werden. Stilistische Kompetenz variiert nicht nur von Gruppe zu Gruppe, oder zwischen den sozialen Schichten (Steinig 1976), sondern auch generationsspezifisch (Van Peer 1983, Frey 1975), vermutlich auch berufsspezifisch und geschlechtsspezifisch (Stolt 1984, 165 f.) und
154
1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
überhaupt individuell je nach sozialer Erfahrung mit Sprache und nach individuellen Vorlieben und Wertsetzungen. Einerseits kann man sich durch den Stil individuieren, andererseits ist gerade die bisher so schlecht beschreibbare Stilkompetenz ein Indiz für den Grad der Zugehörigkeit eines Individuums zur Gemeinschaft: „Wenn jemand sichtbar (den) Regeln (Konventionen, die in einer Gemeinschaft gelten, B.S.) (...) folgt, dann bedeutet das immer zugleich, daß er damit seiner Mitgliedschaft in einer Gemeinschaft gerecht wird; (...) das tatsächliche Verhalten wird danach bemessen, welche Relevanz ein normatives Regelsystem für die betreffende Situation hat" (Cicourel 1975, 79). Wer Stilblüten fabriziert, stellt sich damit auch außerhalb der Gemeinschaft derer, die die Stilblüten als solche erkennen. Wer individuell abweicht, muß die Regeln der Gemeinschaft besonders gut beherrschen; er kann sich damit in der Gemeinschaft hervortun oder sich absichtlich außerhalb der Gemeinschaft stellen. D. h. Stil mit seinen komplexen Funktionen und seiner strukturellen Vielfalt ist eine Art M a ß für die Beherrschung der in der Gemeinschaft als relevant angesehenen Regeln. Die Grundfunktionen von Stil, Handlungsmuster für die konkrete Situation zurechtzubiegen und sie wirksam und evtl. angereichert zu realisieren, stimmen damit überein. Nicht zufällig ist „guter Stil", der normativ ein weiteres Stilsystem über das konventionell eingespielte System von Stilen legt, über Jahrhunderte das soziale Prestigesystem schlechthin gewesen (vgl. 2.2.4.). Stilistische Kompetenz ist ein Regelwerk, über das die Mitglieder einer Gemeinschaft graduell verschieden verfügen. Zweck dieses Regelwerks ist es, allgemeine Muster und speziellere Muster und Regeln (Syntax und Morphologie, Lexik, Wissensmuster, Textmuster, Handlungsmuster, Stilmuster ...) zu nutzen für die ganz konkreten, z. T. individuellen, mehrschichtigen Zwecke des sprachlichen Handelns. Ein Regelwerk, mit dessen Hilfe unspezifische oder/und besonders dafür gemachte Elemente und Muster auf die spezifischen Zwecke angewendet werden.
1.8. Zur Bestimmung von Stil
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1.8. Zur Bestimmung von Stil „Stylistic investigations (...) are dependent on the stylisticians's SCIENTIFIC IDEAL, MATERIAL, GOAL and METHOD just as each of these factors is, in turn, a variable in the structure, so that all are interrelated and interdependent and thus affect each other. All these above-mentioned factors can be — in varying degrees of course — guiding factors in certain structure." (Cassirer 1975, 33)
Die „Gefahr eines Durcheinanders von laienhaften Voreingenommenheiten und den Bemühungen um wissenschaftlich exakte Präzisierung" (Peukert 1977, 7) wird, wie gezeigt wurde, am ehesten vermieden, wenn man das Laien-Wissen mit zum Gegenstand der linguistischen Stilistik macht, wenn man es berücksichtigt und methodisch nutzt für die Analyse von Stilfunktionstypen. Auf diese Weise wird es dann auch möglich und ist geradezu geboten, den von Anderegg (1977, 1977a und Sandig 1984a) postulierten „offenen Stilbegriff" wieder zu schließen. Die strukturelle Vielfalt von Stilen (1.5.) und ihre strukturelle Komplexität (1.6.) lassen es — auf dem jetzigen Stand der Diskussion — ratsam erscheinen, von Funktionen auszugehen, um Stil zu bestimmen: Die Frage „Was ist Stil?" wurde beantwortet, indem sie ersetzt wurde durch: „Wozu dient Stil den Benutzern, im Handeln?" und durch die Frage: „Wie funktioniert Stil?" (in Texten, in Situationen, als Struktur).
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs 1 . 8 . 1 . Eine funktionale Auffassung von Stil „Zur Verständigung durch die Sprache gehört nicht nur eine Übereinstimmung in den Definitionen, sondern (so seltsam dies klingen mag) eine Übereinstimmung in den Urteilen." (Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, § 242)
D a s M o t t o soll darauf hinweisen, d a ß eine Definition nur eine Z u s a m m e n f a s s u n g eines großen Z u s a m m e n h a n g s von Urteilen geben kann. Insofern ist sie nur eine Verkürzung eines größeren G a n z e n . Stil hat die G r u n d f u n k t i o n , die k o n k r e t e Handlung, die in einer Situation bezogen auf intersubjektive M u s t e r vollzogen wird, auf die konkreten Handlungs-Gegebenheiten zu beziehen. D a b e i wird die Handlung in grundsätzlich variabler Weise mit typischem stilistischem Sinn angereichert; sie entfaltet auch, relativ zu Situation, zu M u s t e r n und Rezipient, typische Wirkungen, die die H a n d l u n g unterstützen und/oder mit Nebenwirkungen anreichern können. Die P h ä n o m e n e , mit denen stilistischer Sinn und Stilwirkung hervorgerufen werden, sind außerordentlich variable Texteigenschaften. Es gibt zwar prototypische Stilstrukturtypen (1.5.2.—1.5.4.) und Stilelemente, Stil ist jedoch grundsätzlich nicht an die Verwendung prototypischer Strukturen oder Elemente gebunden. Typen stilistischen Sinns sind analog zu Illokutionstypen (Handlungszuschreibungen) sprachlicher Handlungen zu sehen; stilistische Wirkungstypen sind analog zu Perlokutionstypen (weitergehende Wirkungen als Folgen) zu sehen. Wie lllokutionen und Perlokutionen unter bestimmten Handlungsumständen entstehen, nicht durch spezifische Äußerungsformen allein, gilt dies auch für Stil: Erst die Äußerung im Handlungszusammenhang ergibt aufgrund von Interpretation die Funktionen. Die sprachlich Handelnden h a b e n eine stilistische K o m p e t e n z zum Herstellen und Erkennen von Stilen und in diesem Z u s a m m e n h a n g eine Kompetenz zum Beurteilen von Stilen; diese K o m p e t e n z ist
1.8. Z u r Bestimmung von Stil
157
allerdings sozial und individuell starker Variation unterworfen. Die Stilkompetenz besteht in der Verknüpfung von Sprachwissen und Sprachhandlungswissen einerseits und zeigt sich in der Einschätzung konkreter sprachlicher Durchführungen in Relation dazu andererseits: Aufgrund dieses Zusammenhangs werden konkreten sprachlichen Handlungen produzierend oder rezipierend Funktionstypen zugeschrieben. Kurz zusammengefaßt: Sprachlicher Stil ist die für die Beteiligten sinn-volle und Wirkungen auslösende Art der Durchführung konkreter Handlungen mittels Texten/Äußerungen in Situationen, bezogen auf das (nicht notwendig bewußte) Wissen der Beteiligten über Situationstypen, Handlungsmuster, Text- und Wissensmuster, Typen stilistischen Sinns und stilistischer Wirkung, stilistische Strukturtypen und -prinzipien, Stiltechniken, Stilinventare und Stilmuster. 1.8.2. Einige andere Stilauffassungen im Vergleich „Die Tatsache (...), daß die heterogenen Stilistiken nebeneinander ohne ernsthafte Kontroverse existieren können, deutet auf eine f . . . ) Gemeinsamkeit hin, mit der allerdings bisher nur intuitiv gearbeitet wurde." (Thoma 1976, 122)
Es war das Vorgehen dieses 1. Teils, aus der Analyse des Gebrauchs von Stil durch die Benutzer Kriterien für die Stilbeschreibung zu ziehen. Diese Analyse wurde in Relation gesetzt zu linguistischen Kategorien und deren Zusammenhängen. Auf diese Weise ist eine Art Maßstab des (linguistischen) Redens über Stil entstanden: — Was sind Stil-Funktionen: Typen stilistischen Sinns, Wirkungstypen, Grundfunktionen? — In welchen Relationen ist Stil zu sehen (Handeln, Handelnde und Situation, Text; Kompetenz/Performanz) ? — Was sind stilistische Strukturtypen und -prinzipien? In welchen Relationen sind Stilstrukturen zu sehen?
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
— Wo liegen die Grenzen dessen, was Stil ist? Wogegen ist Stil abzugrenzen? Andere Bestimmungen von Stil sind mit diesem Maßstab zu vergleichen. Die traditionelle Trennung von Inhalt und Stil (Form) basiert auf einem Stiltopos: Stil als wirksame ästhetische Einkleidung des Gedankens (W. G. Müller, 1981). Diese Auffassung ist dem Phänomen Stil nur in einem kleinen Teilbereich angemessen (vgl. Asmuth/Berg-Ehlers 26, auch 1.4.4.4. ästhetische Stilwirkung). Diese Bestimmung wird der funktionalen Kombinatorik wie auch den variablen Strukturen und den verschiedenen Strukturtypen nur wenig gerecht. Wichtig ist aber, daß auch dieses Verständnis von Stil durch das hier präsentierte erfaßt werden kann: Die Sachverhaltsdarstellungen und/oder Handlungen werden ,ästhetisch' durchgeführt, erhalten eine ,ästhetische' Wirkung. Wesentlich an diesem Beispiel ist, daß es sich „übersetzen" läßt in die hier gegebene Konzeption, und daß dadurch die Reichweite dieser Auffassung deutlich wird. Stil als Abweichung von einer „ N o r m " (z.B. Spillner 1974, 34ff.) läßt sich angemessener beschreiben mit Hilfe der Methode der „Hintergrundbeschreibung" (1.6.2.): Es wird jeweils beschrieben, was die Konventionen wären, und wie in Relation dazu vorgegangen wurde. So können verschiedene „Normen" erfaßt werden: der Situationstyp mit seinen konventionellen Handlungsmöglichkeiten (z. B. ein Gedichtband, eine Werbefläche), das Handlungsmuster oder Textmuster (mit seinen Realisierungsvorgaben), der Sachverhaltsbereich mit seinen Frames, die für Situationstyp, Handlungstyp, Sachverhaltstyp konventionellen Einstellungen usw. Das Autorenkollektiv um G.Michel (1968) bestimmt Stil folgendermaßen (S.34f.): „Redestil ist (...) die Gesamtheit der an bestimmte gesellschaftliche Anwendungsnormen gebundenen fakultativen Varianten der Rede innerhalb einer Reihe synonymischer Möglichkeiten zur sprachlichen Darstellung eines Sachverhalts", d. h. „lexische, grammatische oder phonetische Mittel" (S. 37). Die Sinn-Funktion ist hier auf die Art der Sachverhaltsdarstellung
1 . 8 . Z u r Bestimmung von Stil
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beschränkt, die Struktur ist eingeschränkt auf Synonyme im lexikalischen und grammatischen Bereich und auf phonetische Alternativen und zwar zusätzlich auf solche Einheiten, die „an bestimmte gesellschaftliche Anwendungsnormen gebunden" sind, also Konnotationen tragen. Es handelt sich hier um eine Konzeption von Stil als Wahl, Auswahl (vgl. Spillner 1 9 7 4 , 4 5 ff.). Hierzu wurde bereits in 1.3.1. unter den Handlungsaspekten 5 ' bis 7 ' dargestellt, daß a) mehrere unterscheidbare Handlungsaspekte darunter fallen und b) geht aus der Darstellung hervor, daß es sich nur um ein eingeschränktes Stilverständnis handelt. Die Betonung der aktuellen Situation finden wir bei Michel ( 1 9 7 8 , 5 3 5 ) : „Kriterium der stilistischen Variation ist die Spezifik der aktuellen Situation." Und: „Das entscheidende Kriterium der stilistischen Variation ist ( . . . ) nicht die Kommunikationssituation an sich, sondern das Moment des Aktuell-Situativen. Stilistische Varianten in der Sprache sind ihrem Wesen nach jene Ausdruckspotenzen und Textgestaltungsmerkmale, mit denen ein Sprecher den aktuellen Kommunikationsbedingungen bei der sprachlichen Realisierung eines Kommunikationsplans und dem entsprechenden Kommunikations verfahren gerecht wird. ( . . . ) Es muß hervorgehoben werden, daß die aktuelle Situation in sehr vielen Fällen geradezu eine Vielfalt stilistischer Variationsmöglichkeiten erlaubt, die der Textproduzent entsprechend seiner Mitteilungsabsicht auf spezifische Weise nutzen k a n n . " Bei M i chel ist allerdings der hier hervorgehobene Aspekt des Handelns nur angedeutet („Mitteilungsabsicht"); es geht um Kommunikation. D. Franck ( 1 9 8 0 , Kap. 4.1.) schränkt - im Zusammenhang der Analyse von Modalpartikeln in der Gesprächsanalyse — die Funktionen von Stil ein auf „implizite Selbstdarstellung des Sprechers, seine Einschätzung des Hörers und der sozialen Situation sowie der sozialen und persönlichen Beziehung zwischen Sprecher und Hör e r " . D. h. bei Franck sind Arten der Handlungsdurchführung und Themengestaltung und kanal- oder medienbedingte Stilfunktionen ausgespart; mit der Betrachtung der direkten Interaktion ist die Beschränkung auf einen Kanal vorgegeben.
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
In Franck (1984, 122 f.) wird ein „umgangssprachlicher Begriff ,Stil'" verwendet: „Was bedeutet es, vom ,Stil' eines Textes, eines Gesprächs o.a. zu sprechen? Worauf achtet man, wenn man auf Stil achtet? Die meisten Stildefinitionen sind insofern irreführend, als sie den Stil als gesonderten Gegenstand erscheinen lassen, der objektiv gegeben ist wie der Text selbst." Vgl. dazu oben in 1.1. die Abkehr von einer sprachlichen Vergegenständlichung des Stils. Franck schreibt weiter (122 f.): „Sinnvoll erscheint daher, Stil nicht als vorgegebene Größe, als „Bestandteil" des Textes aufzufassen, sondern als Resultat einer bestimmten Betrachtungsweise des Textes. Wer auf Stil achtet, Stilprädikate zuordnet, lenkt seine Aufmerksamkeit anders als derjenige, der denselben Gegenstand (Text) „nur" inhaltlich betrachtet." Es wird also auch bei Franck eine Stilauffassung gewählt, die dem Tun von Beteiligten gerecht wird. „Die Fragestellung verschiebt sich vom Was auf das Wie des sprachlichen Ausdrucks. Stilanalyse heißt also die Wahl einer ganz bestimmten Perspektive, nicht die Wahl eines besonderen Gegenstandes. . . . " (Franck 1984, 123). Auch bei Franck (1984, 123) wird die Frage nach Stilfunktionen gestellt: „Über welche Dinge gibt der Stil eines Textes / einer Äußerung Auskunft? Welcherlei Schlüsse zieht der Interpretierende aus Beobachtungen, die den Stil eines sprachlichen Produkts betreffen?" Für Stile spontaner Gespräche nimmt Franck folgende Funktionen an — ohne Vollständigkeit zu beanspruchen: „Es geht um die implizite Selbstdarstellung des Sprechers, seine Annahmen über den / die Hörer, seine Auffassung von der Kommunikationssituation und seine Haltung gegenüber der Aufgabe, die mit der betreffenden Äußerung / dem betreffenden Text gelöst werden muß. Stil zeugt somit auch von den Produktionsbedingungen des Textes ( . . . ) im individuellen wie auch im größeren historischen Zusammenhang . . . " (Franck 1984, 123). Die Verwandtschaft dieser Stilfunktionen mit den Typen stilistischen Sinns ist unverkennbar. Eine stark konventionsbezogene Stilauffassung ist bei Peukert (1977, 77) zu finden: „Stil ist eine spezifische, jeder sprachlichen Äußerung inhärente, auf die kommunikative Effektivität ausgerichtete Eigenschaft (Qualität), die aus prä- und extralingual motiviertem Auswählen, Einsetzen und Kombinieren (Organisieren)
1.8. Zur Bestimmung von Stil
161
sprachlicher, intralingualer, dem dem Sprecher/Schreiber zur Verfügung stehenden Fundus entnommener systemhaft vorgegebener, in der Rede/Schreibe realisierter (sprachlicher/B. S.) und aktualisierter (stilistischer, B. S.) Mittel resultiert sowie sich den entsprechenden kommunikativen Erwartungen des realen oder potentiellen Empfängers nähert und in diesem Sinn prädiktabel ist." Hier geht es also nur um konventionelle Stile. Der Funktionsaspekt beschränkt sich einerseits auf den Situationsbezug, andererseits auf Stilwirkung allgemein: Es ist von „kommunikativer Effektivität" die Rede. Bei Püschel (1980, 308 f.) findet sich unter „Stilklassifikation" eine Sicht von „Stiltypen", die teils struktureller Art sind (Nominalstil, Verbalstil), teils funktionaler Art: Individualstil, Sozial- und Gruppenstil, Generationsstil, Zeit-/Epochenstil, Textsorten-/Gattungsstil, Funktionalstil (für umfassendere Handlungsbereiche, z. B. Riesel/Schendels 1975), Situationsstil. Püschel schreibt dazu (1980, 309): „Sprachliche Äußerungen/Texte lassen sich jeweils mehreren Stiltypen zuordnen. Denn diese repräsentieren nur verschiedenartige Aspekte der Stilklassifikation, die sich gegenseitig nicht ausschließen. So ist jede Äußerung textsorten- und funktionalstilist. gekennzeichnet. Hinzu kommen weitere Merkmale wie zeit- und gruppenspezifische. Diese interindividuellen stilist. Eigenschaften werden ergänzt um die individuellen, die in unterschiedlich starkem Maße ausgeprägt sein können." Irritierend wirkt hier die Einordnung von Funktionsaspekten unter „Stiltypen" und die Tatsache, daß es keine wirklich unterscheidbaren Typen sind; eine Erklärung hierfür fehlt. Bei Liwerski (1976, 455) sind vergleichbare Einheiten unter „stilbildende Faktoren — Stile" eingeordnet. Braselmann (1981, 78 f.) hat — für schriftliche Texte — eine Stilauffassung, die den Stilhersteller (den sprachlich Handelnden) aus dem Blick läßt und nur das Verhältnis Text — Leser berücksichtigt; es geht besonders um konnotierende sprachliche Einheiten in den Texten: „ O b ein Sprachelement qua textuelles Instruktionspotential in der aktiven Rezeption stilistisch wirksam wird, hängt ab vom jeweiligen Kontext und vom jeweiligen Leser. Stil umfaßt somit für uns alle s p r a c h l i c h e n Faktoren im Text, die aktives Verhalten beim Leser bewirken können: die Instruktionspotentiale
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
hinsichtlich der denotativen Bedeutung, der illokutionären Rolle, der konnotativen Bedeutung." Kurz: „Stil ist die Generierung von möglichen Inhalten durch den Leser aufgrund vorgegebener textueller Instruktionspotentiale." (Braselmann 1981, 78) Stil ist strukturell beschränkt auf sprachliche Eigenschaften des Textes; der relationierende Charakter des Stils als Strukturtyp, d. h. der Bezug des Textes zum Situationstyp mit seinen Handlungskonventionen, spielt keine Rolle. Andererseits scheint mir mit durch den Leser hergestellter Denotation, Illokution und Konnotation der Stil zu weit gefaßt zu sein; wohl aber gehört hinzu, was die Arten der Durchführung (das Wie) von Referenzakten und von Illokutionsakten an Sinn beitragen, aber die Tatsache des Referierens auf einen Gegenstand oder die Tatsache des Ausdrückens einer Illokution gehört nur in größeren Zusammenhängen hierher. Außerdem sind die Arten der Realisierung im Vergleich zu Vorgaben des Handlungsmusters/Textmusters und des Situationstyps zu berücksichtigen. Die Bestimmung von Stil, die Tschauder (1980, 159) gibt, lautet folgendermaßen: „Stil konstituiert sich vor dem Hintergrund grammatischer, insbesondere textgrammatischer Regeln — wobei die Möglichkeit der Abweichung offen gelassen wird — im Hinblick auf die jeweilige Kommunikationssituation." Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Relation Text(grammatik)-Struktur und Kommunikationssituation; der Handlungsaspekt wird mit Textsorten (S. 159) angesprochen. Für Stile ohne Abweichungen setzt Tschauder (1980, 155) deutlich wertend fest: „Guter Stil manifestiert sich in pragmatisch adäquater und textgrammatisch korrekter Textkonstitution." Mit „pragmatisch adäquat" ist der funktionale Aspekt global erfaßt, Funktionstypen sind allerdings nicht einbezogen. Die Tendenzen der Stilauffassungen gehen — zu Stil als Teilaspekt von Texten: Cassirer (1975), Lerchner (1981), Tschauder (1980); — zur Beschreibung der Regelhaftigkeit von Stil („Normen"): Lerchner (1981), Riesel/Schendels (1975); Peukert (1977); — zu Stil als Gegenstand innerhalb der Pragmatik: Sandig (1978), Tschauder (1980), Sandig (1984a); Püschel (1982ff.);
1.8. Zur Bestimmung von Stil
163
— zur funktionalen Orientierung des Stils: Riesel/Schendels (1975), Steinmetz (1978, 17); vgl. Franck (1984), Stolt (1984); — zu Stil als bedeutsamer Beigabe: Stolt (1978, 1983), schon Wimsatt (1963), Lerchner (1981); — zur Benutzerorientierung von Stil (Stilrezeption): Thieberger (1983), Spillner (1979, 1983), Braselmann (1981), Franck (1984). Diese Tendenzen werden hier zusammengefaßt. Die Funktionsarten stilistischer Sinn und Stilwirkung (verschiedene Stufen von Funktionen im Handeln) sind der Ausgangspunkt; sie werden untertypisiert und so die „Bedeutungen" des Stils als Typen stilistischen Sinns und von Stilwirkung erfaßt. Für diese Typisierung wird das Wissen der Benutzer herangezogen; es wird ergänzt durch die Handlungstheorie und Text-/Textmusteranalyse. Für Strukturen und Strukturelemente wird aus der Semantik (z. B. Schwarze 1982, Putnam 1979) die Idee der Stereotype (Prototypen) übernommen. Die hier vertretene Stilauffassung kann dazu dienen, die Vielfalt der Stildefinitionen zu ordnen und gegebenenfalls zu bewerten. Oft beschränken sich Stilforscher auf eine oder wenige Funktionen wie Individualstil oder literarischen Stil, Beziehungsstil oder auf einen Strukturtyp oder begrenzte Strukturtypen, oder sie beschränken sich auf begrenzte Zusammenhänge einiger Funktionen mit bestimmten Strukturtypen. So spielen bei Riffaterre (1973, 30) die Einstellungen ,expressiv', ,affektiv' oder ,ästhetisch' eine Rolle zusammen mit besonderen Struktureigenschaften. Es entstand eine zusammenhanglose Vielfalt von Definitionen verschiedenster Art. Davon zeugen besonders die Überblicksartikel über Stil in Handbüchern (Levavasseur 1973, Graubner 1973, Liwerski 1976, Püschel 1980, Eroms 1983a); es fehlt die übergreifende Sicht, in der die Einzelheiten ihren Platz erhalten können. Daß demgegenüber jede Bestimmung ihren Platz, ihre Berechtigung hat und daß Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Definitionen hergestellt werden können, dafür soll hier der Rahmen gegeben werden. Stilforschung wird erheblich erschwert durch die Tatsache, daß oft sehr verschiedene Arten von Einheiten betrachtet werden, d. h. der beschriebene Gegenstandsbereich ist jeweils verschieden. So reicht
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
die Skala von der Graphostilistik (Pfeiffer-Rupp 1984) und Phonostilistik (Spillner 1984) über syntaktische und semantische Aspekte bis hin zu Text als Einheit (Sowinski 1984, Metzeltin 1984) oder Handlung als Einheit (Sandig 1984a) und Kommunikation (Stolt 1984) oder spontansprachliche Interaktion (Franck 1984). Oder es werden einzelne Stilphänomene betrachtet wie Konnotation (Braselmann 1981). Auch für diese Fälle ist ein umfassenderer theoretischer Rahmen günstig, z. B. die strukturelle Mehrstufigkeit des Stils: Dann wird deutlich, daß jeweils verschiedene Aspekte eines umfassenden Ganzen herausgegriffen werden. 1.8.3. Ausgrenzungen a)
Stil und Varietäten des Deutschen
Gegenstand der hier vorgenommenen Analysen ist die geschriebene und die gesprochene Standardsprache des Deutschen: die Hochund Schriftsprache (in der Bundesrepublik Deutschland) mit ihren Stilen und das spontane Sprechen (z.B. Texte . . . ; auch Nabrings 1981, 206 ff.). Dialekte und Soziolekte werden ausgespart (vgl. auch Lerchner 1981, 93 f.). Werden sie jedoch in R e l a t i o n zur Hochsprache vom Sprecher/Schreiber verwendet oder vom Rezipienten gesehen, so erhalten sie in dieser Relation stilistische Relevanz, z. B. als Mittel der Beziehungsgestaltung, der Themenabhandlung usw. Der Schwerpunkt der Analysen liegt hier aber auf Standardsprache. Bei anderen Varietäten wird von den Beteiligten zwischen -spräche und -stil unterschieden: Gruppensprache und Gruppenstil, Fachsprache und Fachstil. Mit diesen unterschiedlichen Benennungen werden jeweils verschiedene Perspektiven eingenommen: Gruppenstil bezieht diese besondere Handlungs-, Selbstdarstellungsund Beziehungsgestaltungsmöglichkeit der Gruppenmitglieder auf das Stilgefüge der Gemeinsprache. Ebenso wird Fachstil(e) in dem Sinne verwendet, daß es um spezifische Durchführungen von Handlungstypen und Handlungsinhalten geht mit ihren Folgen für die Beziehungsgestaltung und in ihren Besonderheiten gegenüber anderen Stilen. In diesem Sinn gehören sie also zum Gegenstandsbereich der Stilistik. Demgegenüber betonen Fachsprache, Grup-
1.8. Z u r Bestimmung von Stil
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pensprache, auch Schülersprache, Gaunersprache, Studentensprache (Nabrings 1981) eher die Außenperspektive: Hier kann, wie in fremden Sprachen, auch für Standard-Rezipienten teilweise Unverständliches verwendet werden. Unter d i e s e m Aspekt fallen diese Varietäten aus dem Bereich der Stilistik heraus. Dementsprechend geht bei Individualstilen die Möglichkeit der Abweichung von intersubjektiv Verfügbarem nur so weit, daß Verständigung durch den Bezug auf gemeinsame Muster noch möglich ist. Aphathisches oder psychotisches Sprechen fallen deshalb aus dem Bereich der Stilistik heraus: Das noch zu beschreibende Regelsystem der sinnherstellenden Möglichkeiten der Arten der Handlungsdurchführung ist hier gestört. Diese Beispiele zeigen: nicht jede Abänderung von Mustern im Hinblick auf konkrete Gegebenheiten (des Individuums, der Gruppe) ist für die Beteiligten Stil. Stil erfüllt vielmehr bestimmte Sinngebungsfunktionen, und diese können nur vermittelt werden, wenn man auf intersubjektive Regeln (Konventionen) zurückgreifen kann. D. h. eine „Kompetenz" ist Voraussetzung für das Funktionieren intersubjektiver Sinnvermittlung (s. Kap. 1.7.), auch inbezug auf Stil. b) Sprachwissenschaftliche und literaturwissenschaftliche Stilistik Die Benutzer von Stil unterscheiden in der Regel nicht grundsätzlich zwischen literarischen und Gebrauchs-Stilen, wohl aber zwischen deren verschiedenen Standard-Wirkungen: ,ästhetisch' vs. ,unauffällig', ,amtlich' usw. Aber ein Gedicht kann auch p r o saisch' wirken, ein Gebrauchstext wie die Heiratsannonce (25) kann ,ästhetische' Wirkung hervorrufen. Ein literarischer Stil kann für einen Gebrauchstext verwendet werden (vgl. den Werther-Stil in 2.6.3.), ein Gebrauchstext kann zu Literatur werden (z.B. die Zeitungsausschnitte in Handke 1969). „II n'y a pas lieu de séparer une stylistique littéraire d'une stylistique linguistique ( . . . ) : l'une n'est que l'application de l'autre." (Todorov 1 9 7 0 , 2 2 7 ; vgl. Seidler 1 9 7 8 , 27). Demgemäß werden hier literarische und Gebrauchsstile gleichermaßen betrachtet. Dabei ist aber die folgende Differenzierung zu beachten:
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
Das Interesse linguistischer Stilistik liegt in der Beschreibung a l l g e m e i n e r stilistischer Gegebenheiten vom Stilelement bis zum Stilmuster, zum Strukturtyp oder zum Textmusterstil und in der Beschreibung von deren g e n e r e l l e n Sinngebungsfunktionen. Stilistische Wirkungen sind für die Linguisten vor allem so weit interessant, wie es sich um S t a n d a r d-Wirkungen handelt. Der Einzeltext spielt in diesem Zusammenhang in der Regel folgende Rollen: — Er dient als Beispiel für Regelanwendungen, Musterrealisierungen. — Er dient als Beispiel für Abweichungen von Regeln oder Mustern, und er dient dazu, den Sinn der Abweichung in Relation zu den Regeln exemplarisch zu beschreiben. — Das Zusammenspiel von Regelanwendungen und Musterrealisierungen im Text wird exemplarisch gezeigt. — Wirkungen der Realisierungen werden in Relation zu Situationsvoraussetzungen, möglichen Handlungszielen beschrieben. — Heuristik: Sind die Regelanwendungen im Text alle beschreibbar? M u ß die Theorie modifiziert werden? Muß eine einzelne Regelbeschreibung verändert werden? — Fehler dienen als heuristisches Mittel für Regelformulierungen. Der Einzeltext spielt also grundsätzlich für sich selbst keine Rolle. Es scheint mir aber wichtig, auch in einer derart auf Allgemeines orientierten Wissenschaft „interessante" Beispiele zu wählen: Im Sinne einer „angewandten" Linguistik werden dann auch weiterführende Zwecke der Stilbeschreibung deutlich. Etwa Sprachkritik manipulierender Texte, Hilfestellungen bei der Erarbeitung didaktischer Texte (Aufgabenstellungen, Gebrauchsanweisungen ...), Aufzeigen interaktiv förderlicher Gesprächszüge z. B. im Therapiegespräch, im Unterrichtsgespräch, im privaten Gespräch, usw. usw. Demgegenüber hat literaturwissenschaftliche Stilistik vorrangig den Stil des Einzeltextes im Blick (bezogen auf den Autor, die Thematik, die Gattung, die literarische Epoche, die historische Zeit, die Rezeption, usw.). Bei Epochenstilen und bei Gattungssti-
1 . 8 . Z u r Bestimmung von Stil
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len berühren sich die stilistischen Interessen beider Disziplinen am ehesten: Hier geht es um die Beschreibung charakteristischer Stileigenschaften und ihrer historischen Zusammenhänge. Die linguistische Stil-Beschreibung literarischer Texte geschieht vor dem Hintergrund der intersubjektiven Regeln und Muster der Sprachgemeinschaft (zur Zeit der Textherstellung und/oder zur Zeit der Rezeption): Es interessieren Auswahlen aus dem Gesamten, das zur Verfügung steht (z. B. Betten 1 9 8 3 ) , und es interessieren Abweichungen von den existierenden Regeln und Mustern (Konventionen: Frier 1 9 8 3 ) . Aber auch hier ist die Grenze zwischen literarischen und nichtliterarischen Gegenständen der Untersuchung nicht scharf zu ziehen: Unter bestimmten Fragestellungen kann es auch wichtig werden, nicht literarische Texte für sich selbst zu analysieren: z. B. zur Beurteilung eines juristisch oder politisch relevanten Falles, oder wenn es darum geht, individuelle sprachliche Handlungsweisen zu analysieren (z. B. die Analyse eines therapeutischen Einzel-Falles in Baus/Sandig 1 9 8 5 ; oder Hegels Stil in Ehlich 1 9 8 3 ) . Methodisch wird das Individuelle auch hier erfaßt durch die Beschreibung seiner Relation (Kap. 1.5.1.) zu den Regeln der Sprache und des sprachlichen Handelns in vergleichbaren Situationen. Cassirer ( 1 9 7 5 , 2 9 f.) nennt Linguistik eine regelbeschreibende Wissenschaft, wogegen Stilistik mit individuellen Gegenständen (Texten) befaßt sei. Aber auch individuelle Gegenstände sind bezogen auf die Funktionstypen stilistischer Sinn und Stilwirkung, und zwar beim Stilherstellen wie beim Stilrezipieren; sie sind bezogen im Herstellen wie im Rezipieren auf Handlungsmuster, auf Konventionen die Situation betreffend (1.5.1.) und auf Strukturtypen und -prinzipien (1.5.; 1.6.). Auch die Bemerkungen zur Kompetenz in 1.7. lassen es als angemessen erscheinen, linguistische Stilistik ebenfalls als eine regelbeschreibende Wissenschaft anzusehen, aber mit einer Fokussierung auf eigene Gegenstände und mit eigenen Regeln, die es zu beschreiben gilt. Literaturwissenschaftliche Stilistik muß für literarische Texte andere Gesichtspunkte hinzufügen, auch solche individueller Art. Stile literarischer Texte sind nach der hier gegebenen Konzeption nicht wie bei Cassirer ( 1 9 7 5 ) oder Hasan ( 1 9 7 5 ) in einem eigenen
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1. Stil: Umgrenzung des Gegenstandsbereichs
Bereich zu beschreiben. Literarische Stile erfordern aber in der Regel nicht das Gesamt der Stilfunktionstypen, sondern nur einen Teilbereich: — Es sind schriftlich konzipierte Texte (Art des Textherstellens). Die Schriftlichkeit kann eine besondere Rolle spielen (der Schrifttyp bzw. besondere Verwendungen von Schrift, etwa in der konkreten Poesie; Zeilenschreibung, Absätze usw.), sie muß es aber nicht (vgl. Harras 1984: „Kanalverengung"). In Dramen wird die (schriftlich verfaßte) gesprochene Sprache gegenüber spontanem Sprechen stilisiert (vgl. Betten 1983; Kap.2.3.1.). — Der Autor kann einen besonderen, als solchen erkennbaren Stil haben. — Einstellungen können vermittelt werden, z. B. emotionaler, wertender Art. — Die Handlungen sind relativ unspezifisch, durch die Gattungen vorgegeben. Es gibt keine konventionellen Konsequenzen in dem Maße wie bei alltäglichem Handeln. Stilistisch kann hier das Verhältnis von Gattung(sexemplaren) und Art der Realisierung der Gattungsvorgaben genutzt werden (vgl. Harras 1984). — Der Schwerpunkt liegt in der Regel auf dem Handlungsinhalt: der Art der Sachverhaltsdarstellung; dem Wie und seiner Sequenzierung. Oft werden nicht nur vorgegebene Sachverhalte dargestellt, sondern sie werden — mit Hilfe des Stils — erst hergestellt. Aufgrund der Schriftlichkeit und des dadurch bedingten Bruches in der Kommunikation zwischen Sprecher/Schreiber und Rezipient (Ehlich 1984) gibt es viele Rezeptionssituationen. Bei einer solchen Auffassung von literarischen Stilen ist aber Vorsicht geboten: Aufgrund von Musterübernahmen und Mustermischungen (Kap. 1.5.4.) ist die gesamte Vielfalt sprachlicher Stile möglich, es wird auch spontanes Sprechen ein Stück weit simuliert (Betten 1983). Das bedeutet, die Sicht besonderer literarischer Stile beschränkt sich auf Prototypisches; es wird der möglichen Vielfalt nicht unbedingt gerecht.
1.8. Z u r Bestimmung von Stil
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c) Da Stil Berührungen mit Syntax, Semantik, Pragmatik . . . hat (vgl. Kap. 1.5.4., 1.6.1. und 1.7.4.), sind die Grenzen des jeweiligen Interesses abzustecken. Zu Stilistik und zu Syntax, Lexik . . . gehören jeweils die prototypischen Stil-Einheiten: Satzmuster oder Lexeme für bestimmte Verwendungsbereiche (vgl. 1.5.4.), spezifische Formulierungen für Sprechhandlungen wie Bitte von der Bahnsteigkante zurücktreten, Alles aussteigen. Viele Einheiten oder Strukturen, die als solche nur in der Syntax, Lexik, Pragmatik zu beschreiben sind, sind in der Stilistik nur im Hinblick auf die spezifische Art der Verwendung zu beschreiben. So geben Hannappel/Melenk ( 1 9 7 9 , 115 f.) ein schönes Beispiel für den Unterschied von Semantik und Stilistik: „Jeder weiß, was gemeint ist, wenn man „nicht erwachsen" als Merkmal zu „ M ä d c h e n " angibt (in Opposition zu „erwachsen" und „ F r a u " ) . " Die Analyse derartiger „Normalbedeutungen" (Hannappel/Melenk 1 9 7 9 , 117) ist Gegenstand der Semantik. Es ist aber auch möglich, mit derart verschiedenen Lexemen auf denselben Gegenstand zu verweisen. Ein Beispiel aus dem „Spiegel" ( 3 3 / 1 9 7 7 , 2 2 f.) bei Hannappel/Melenk ( 1 9 7 9 , 116) für 2 0 - bis 30jährige „Frauen im Untergrund": (26)
Unter Westdeutschlands Terroristen (...) sind Mädchen mittlerweile in der Mehrheit; Frauen führen immer häufiger auch ausländische Mord-Kommandos an. (...) Gerade dort, wo Guerillas am aktivsten sind, haben Frauen den Finger am Abzug, immer wieder auch drücken sie ab. (...) Häufig befehlen schießende Mädchen über schießende Männer.«
Die stilistische Variation führt hier bei im Kontext eindeutiger Referenz zur abwechselnden Verwendung semantisch nur verwandter Lexeme: Semantische „Merkmale gelten für den Wortgebrauch im Normalfall; in Grenzfällen ( . . . ) kann ihre Geltung neutralisiert werden." (Hannappel/Melenk 1 9 7 9 , 1 1 6 ) . Ebenso können prototypische Stilelemente abweichend verwendet werden (vgl. 1.5.4.).
2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen Nachdem in 1.2. und 1.4. die Typen stilistischen Sinns und die Typen der Stilwirkung methodisch erarbeitet wurden, sollen im folgenden die Typen stilistischen Sinns ausführlich belegt werden. Stilwirkungstypen werden nur an wenigen Beispielen für sich genommen belegt; es wird jedoch gelegentlich auch im Zusammenhang der Typen stilistischen Sinns auf Stilwirkungen eingegangen, vgl. 2 . 1 . 1 . Die Stilnorm-Problematik kann hier nur gestreift werden (2.2.4.). Der Schwerpunkt der Analysen liegt hier auf der Exemplifizierung der in 1.2. entworfenen Typen stilistischen Sinns. Es wird jedoch auch, soweit möglich, ergänzend auf Strukturaspekte (Kap. 1 . 5 . , 1.6.) eingegangen. Die Beispiele sind nach Möglichkeit so gewählt, daß sie die Typen stilistischen Sinns schwerpunktmäßig erkennen lassen. In den Kapiteln zu den Typen stilistischen Sinns geht es teils um mit individuellen Strukturen bzw. Strukturelementen hergestellten stilistischen Sinn, teils um konventionalisierte Strukturen zur Herstellung stilistischen Sinns. (Vgl. die Unterscheidung in individuelle „Formulierungsart" und in konventionelle „Formulierungsweise" in Sandig 1 9 7 8 ) . Bei den Darstellungen bemühe ich mich, allgemeine linguistische Theorieaspekte (z. B. zum Beziehungsaspekt, zu Ritual) einzubeziehen und sie zusammen mit den in Kap. 1 dargestellten Funktionstypen und Strukturtypen für die Praxis der Stilanalyse zu nutzen; die von Püschel ( 1 9 8 3 ) herausgestellte Kluft zwischen Theorie und Praxis der Stilanalyse soll damit ein Stück weit überwunden werden. Zunächst werden die bisher dargestellten einzelnen Typen stilistischen Sinns genauer beschrieben: Kap. 2 . 1 . bis 2 . 5 . Daran schließt in Kap. 2 . 6 . die Darstellung komplexerer Funktionstypen an: Etliche analytisch trennbare Typen stilistischen Sinns sind per Konven-
2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
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tion so integriert, daß es angemessen erscheint, eigene Typen anzunehmen. In 2.8. werden einige Beispiele für Stilwirkungen gegeben. Ich möchte betonen, daß die Stilfunktionstypen mit ihren Möglichkeiten der Realisierung noch intensiv zu bearbeiten sind: Ich verstehe meine Darstellungen als vorläufig. Mir scheint es aber wichtig, nicht nur das Postulat zu formulieren, sondern auch einen Vorschlag zu machen — der dann zu verbessern oder gar zu revidieren ist. Bei den Analysen wird — soweit das Beispielmaterial es zuläßt — folgendes als Kriterium genommen: Es ist häufig zu beobachten, daß intendierter Sinn sowohl explizit mit semantischen Mitteln wie auch implizit mit stilistischen Mitteln ausgedrückt wird. Diese Koinzidenz von Bedeutung und stilistischem Sinn im Text wird hier m e t h o d i s c h genutzt für die Beschreibung des unterstellbaren stilistischen Sinns. Beispielsweise kann jemand sich selbst darstellen, indem er explizit sagt: meines Erachtens, ich plädiere dafür, daß usw., oder er kann sich stilistisch darstellen, indem er individuelle' Metaphern und Vergleiche, eine komplexe Syntax mit Raffinierter' Wortfolge usw. verwendet. Oder jemand kann ,Enttäuschung* als Einstellung begrifflich ausdrücken durch das ist (aber) enttäuschend albern oder implizit durch das unbegrifflichemotionale Oooch. (Vgl. Volek 1977) Beide Möglichkeiten können aber, wie das folgende Beispiel zeigt, auch zusammen verwendet werden: Hier wird der intendierte stilistische Sinn — wohl um die Ironie auch glücken zu lassen - vorgreifend verdeutlicht (Saarbrücker Zeitung 1 3 . 1 1 . 1 9 8 4 ) : (27)
„Saure Gurke" nach Bremen Talkshow mit Günther Henning dung"
„frauenfeindlichste
Sen-
(...) Mit triefender Ironie hoben die Teilnehmerinnen des „7. bundesweiten Medienfrauentreffens" in Köln hervor, Nenning sei es auf verblüffende Weise gelungen, die Diskussion um Menschenhandel und Prostitution „auf der Ebene eines voyeuristischen Stammtischgesprächs" zu führen. „Mit außergewöhnlichem Einfühlungsvermögen verstand es
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2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
der Moderator, uns nicht nur in das erotische Geheimnis der Asiatinnen einzuweihen, sondern darüber hinaus den europäischen Frauen den Weg aus den Irrungen des Feminismus Offenheit führte Nenning, zu weisen. Mit beeindruckender der von sich sagte, er sei gerne ein ,Betthase', seine Potenzprobleme vor. Er ließ keinen Zweifel daran, daß er — wie jeder deutsche Mann — weibliche Demut lästigem Emanzipationsgebahren vorzieht." Es sei schön, so steht es in der Begründung weiter, „daß es noch ganze Männer gibt, deren Blick nicht getrübt wird durch Bagatellen wie Rassismus, Sklavenhandel und die Menschenwürde der Frau". (...) Wie Oomen (1983) zeigt, wird ,ironisch' die positive Norm formuliert, die hätte erfüllt werden sollen: gelungen, Einfühlungsvermögen, Offenheit, den Weg aus Irrungen weisen, der Blick nicht getrübt durch Bagatellen, ganze Männer (?); die „Schärfe" der Ironie wird mit durch den Grad der ironischen Übertreibung hergestellt: auf verblüffende Weise, außergewöhnlich, Irrungen des Feminismus, beeindruckend, Bagatellen wie Rassismus ..., ganze Männer. Einleitend wird unmißverständlich verdeutlicht: mit triefender Ironie. (Vgl. auch Kap. 2.3.3.b). Mit der von Stempel (1976) beschriebenen nachäffenden Ironie, die bloßstellen soll, haben wir es zu tun bei Er ließ keinen Zweifel daran, daß er — wie jeder deutsche Mann — weibliche Demut lästigem Emanzipationsgebahren vorzieht. Derartige Sinn-Konstitutionen, die sowohl explizit wie implizit vorgenommen sind, werden hier bevorzugt zur Demonstration stilistischer Sinntypen verwendet, um die Risiken individueller Interpretation zu mindern. Vgl. die Beispiele (16) in 1.5.3. und (17) in 1.5.4. 2 . 1 . Die Handlung und ihr Inhalt (Thema) 2.1.1. Art der Handlungsdurchführung Voraussetzungen für das Erkennen des Sinns stilistischer Handlungsgestaltung sind die Kenntnis des Handlungsmusters, nach dem die Handlung interpretiert werden kann, und die Kenntnis der für den Situationstyp geltenden Konventionen. Die B e s e h r e i -
2 . 1 . Die Handlung und ihr Inhalt (Thema)
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b u n g des stilistischen Sinns der Gestaltung einer konkreten Handlung muß deshalb außer der Äußerung/dem Text selbst das Handlungsmuster und den Situationstyp mit einbeziehen. Bei komplexen Handlungsmustern (1.3.2.), die konventionell mit Texten durchgeführt werden, spreche ich von Textmustern (Sandig 1983a): Wie bei der Beschreibung der Handlungsmuster sind in diesem Fall Handlungstypen und charakteristische Durchführungsmöglichkeiten regelhaft verknüpft. Der Terminus Textmuster wird hier anstelle von Textsorte verwendet, weil so auch Beziehungen hergestellt werden zu Wissensmuster (von den Beteiligten gewußtes Muster, z. B. zur Verbalisierung von Sachverhalten) und zu Handlungsmuster. Bei Textmustern sind in der Regel vorgegeben: Teilhandlungstypen und Aspekte ihrer Verbalisierung (vgl. Gülich/Raible 1975). Teilhandlungstypen können konventionell in separaten Teiltexten realisiert werden; sie können aber auch über den Text verstreut realisiert werden; es kann auch spezifische komplexe oder einfache Sprechakte (Textakte, Zillig 1980, 1982) geben, mit denen Aspekte des Textmusters zu realisieren sind. Es können auch Konventionen für die Sequenzierung der Teilhandlungstypen bestehen. Der Grad der sprachlichen Vorgaben im Textmuster für die Realisierung kann verschieden sein. Sind diese Vorgaben so, daß ein Textausschnitt anhand seiner Formulierungen als zu einem Textmuster gehörig erkannt werden kann, spreche ich von Textmusterstilen (2.1.1.4.); die Grenzen sind hier allerdings nicht immer scharf zu ziehen: Wie bei einfachen Handlungsmustern (Sprechakten) gibt es situationstypische Bedingungen für Textmuster. 2 . 1 . 1 . 1 . Textmuster und Art der Realisierung a) Als Beispiele sollen hier zuerst Werbeanzeigen betrachtet werden. Es gibt Situationstypen, in denen W E R B U N G erwartbar ist: auf Werbeflächen in der (Stadt-)Landschaft, an bestimmten „Plätzen" in den verschiedenen Medien, als Beilagen zu gekauften Gegenständen usw. Teilhandlungsmuster des Textmusters sind (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): das P R Ä S E N T I E R E N des Markennamens, das B E N E N N E N der Gegenstandsklasse (Bier,
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2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Zigaretten ...), das BESCHREIBEN des Werbegegenstands, seine positive BEWERTUNG zum Zweck des EMPFEHLENS, die KAUFAUFFORDERUNG als „Oberziel" (Dimter 1981) und damit dominierende Teilhandlung, ,unterhaltende'/,belustigende'/,interpretationsleistungfordernde' . . . Elemente . . . (vgl. Sowinski 1979, 41 ff.). Je nach dem Medium werden Bilder, Farbtöne, Musik, erfundene Dialoge usw. hinzugenommen (Sowinski 1979). Teilweise kann die Sprache durch Zeichentypen anderer Art ersetzt oder ergänzt werden (vgl. Spillner 1982). Der zum Textmuster gehörende Werbetext, mit dem die Teilhandlungen vollzogen werden, besteht nach Sowinski (1979, 70 ff.) aus mehreren unterscheidbaren Teiltexten mit verschiedenen Funktionen: Schlagzeile, Haupttext, Slogan, „Liefernachweis o. ä." (Sowinski 1979, 71). Die Schlagzeile soll „die Aufmerksamkeit des Lesers wecken und auf ihn einwirken" (Sowinski 1979, 72), wofür es verschiedene Durchführungsmöglichkeiten gibt (ebda., 73 ff.). Der Slogan ist „eine oft formelhaft kurze, graphisch (oder sprecherisch) und bedeutungsmäßig meist isoliert erscheinende Textzeile, die in der Regel längere Zeit benutzt wird, damit diese Aussage und der Produktname bei vielen im Gedächtnis haften bleiben." (Sowinski 1979, 81). Sowinski schreibt (1979, 71), daß Werbetexte einteilig realisiert werden können, oder aber zwei-, drei- oder vierteilig, also mit allen vier systematischen Teiltexten. D. h. das Textmuster mit seinen Teilen kann mehr oder weniger vollständig realisiert werden. Dieser Grad der Knappheit oder Vollständigkeit in Relation zu den Vorgaben des Textmusters ermöglicht die Entfaltung stilistischen Sinns durch die Art der Handlungsdurchführung. Ich möchte mich hier auf minimale Durchführungen des Handlungsmusters beschränken, zumal Werbung noch in etlichen anderen Kontexten eine Rolle spielt: s. 2.1.2., 2.2.2. Im Frühjahr bis Herbst 1985 war auf einer Wandreklame unterstützt durch die Darstellung sich ihrer Gesundheit freuender, vornehmer und sommerlich gekleideter Raucher — lediglich zu lesen: (28)
Lord ist extra.
2.1. Die Handlung und ihr Inhalt (Thema)
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Die ,positive' Konnotation des Markennamens (vgl. Römer 1968) Lord extra wird hier in eine Prädikation verändert, der Rezipient muß selbst den Markennamen rekonstruieren: ,Lord (extra heißt nicht nur so, sondern) ist extra'. Die Art der Formulierung leistet also: die Präsentation des Namens, die positive Bewertung, den Anreiz zur eigenen Interpretationsleistung und damit eine Voraussetzung des Behaltens; aufgrund der Prädikation einer sehr positiven Eigenschaft ergibt sich in der Handlungssituation eine Empfehlung (Illokution) als Voraussetzung für eine nicht ausgesprochene Kaufaufforderung (textmusterspezifisches Oberziel). Bezogen auf das vierteilige Muster der Textgestaltung leistet die Äußerung folgendes: Beim ersten Entdecken durch den Rezipienten ist sie Schlagzeile mit einem „Wortspiel zum Produktnamen" (Sowinski 1979, 74), bei wiederholtem Lesen erfüllt sie die Funktion eines Slogans (vgl. die zitierte Definition Sowinskis). Wir haben es also — im Unterschied zu Sowinskis Beschreibung einteiliger Werbungen — mit einer Doppelfunktion zu tun: Die Äußerung erfüllt für den Rezipienten nacheinander die Funktion zweier Teiltexte. Dies ist ihr stilistischer Sinn. Auf diese Weise läßt sich auch der Grad ihrer Wirksamkeit textstrukturell beschreiben: Die Mehrfachfunktion bewirkt,Intensität' als Texteigenschaft und ,Einprägsamkeit' beim Rezipienten. Ein weiteres Beispiel (aus „Saarbrücker Zeitung", 10.1.1984 und öfter): (29)
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tes gipfelte, unter Berücksichtigung des Anzeige
Programms der CDU das Konzept weiterzuverfoleen und entsorechende Diese Reklame beschränkt sich auf das Präsentieren des Markennamens und der Gegenstandsklasse. Die Situation — zwischen einen Zeitungsartikel eingeschoben — wird genutzt, um den Leser bei der
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2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Zeitungslektüre an den Werbegegenstand zu erinnern und damit eine Voraussetzung für mögliche Kaufentscheidungen zu schaffen. Auf andere Teilhandlungen, selbst das explizite oder implizite Bewerten, wird hier verzichtet. Unter dem Gesichtspunkt der mustergemäßen Textstruktur und ihrer Teile ist diese Äußerung am ehesten als Schlagzeile zu interpretieren mit dem Kriterium „einfache Warenbenennung" (Sowinski 1979, 73). Da die Slogan-Definition hier nicht greift, haben wir es hier trotz wiederholter Verwendung dieser Anzeige mit einer sehr ,sparsamen', nur einteiligen Werbung zu tun. Die Analyse der Beispiele erfolgt also vor dem Hintergrund (1.6.) der Beschreibung des Textmusters und der (typischen) Verwendungssituation. Als Strukturtyp ist hier der in Kap. 1.5.1. beschriebene Typ der „Relationsstruktur" realisiert: der relationierende Charakter des Stils, hier unter dem Gesichtspunkt der Relation von Handlungsmuster (Textmuster) und Musterrealisierung. Die Art der Musterrealisierung (in einer Situation eines Typs) schafft — in Relation zu den Möglichkeiten des Musters — stilistischen Sinn (vgl. Sandig 1985, Beispiel: Heiratsannoncen). Dieser Strukturtyp kann im konkreten Fall durch die Aktivierung anderer Strukturtypen ergänzt werden, vgl. die Nutzung der „semantischen Dichte" (1.5.2.) im Falle von Lord ist extra und von schrelBMaschinen (1.6.3.), nicht aber bei NEUFANG BIER. D.h. die Beschreibung stilistischer Feinstrukturen ist durchaus verträglich mit der Beschreibung der stilistischen Textstruktur, die vor dem Hintergrund des Textmusters mit seinen Situationsbedingungen vorgenommen wird. Die beiden beschriebenen Beispiele zeigen: Auch wenn die Kaufaufforderung als Oberziel nicht explizit durchgeführt wird, so wird sie verstehend erschlossen — wenn man weiß, um welches Textmuster es geht; dies wird entweder durch die Verwendungssituation deutlich gemacht, im Fall der Zigarettenreklame durch die Werbefläche, oder aber explizit angegeben wie im Fall der Bier-Reklame, wo Anzeige steht, um die Funktion dieses relativ ungewöhnlichen' Werbetextes am ungewöhnlichen Ort eindeutig zu machen. b) Als weiteres Beispiel ERZÄHLEN. Das Textmuster ERZÄHLEN kann folgendermaßen beschrieben werden: In Abwandlung
2.1. Die H a n d l u n g und ihr Inhalt (Thema)
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der „Normalform", die von Labov/Waletzky (1967) entwickelt wurde, und in Anlehnung an Giesecke/Rappe (1981, 349) kann man folgende Beschreibung der Musterteile geben: aa) Vorgreifende Relevanzandeutung, thematische Andeutung; bb) Orientierung des Adressaten über Personen, Vorgeschichte, Ort, Zeit . . . in Relation zur Sprech-/Rezeptionssituation; cc) Ereigniskette; dd) Ereignisknoten: „Punkt maximaler Detaillierung desjenigen Geschehens, auf das es dem Erzähler ankommt" (Giesecke/ Rappe ebda.); hierfür werden häufig Präsens historicum und direkte Anrede verwendet (Quasthoff 1980); ee) Abschließende Wertung und Einordnung (Wertungen sind am Anfang und Ende wahrscheinlich, aber auch sonst überall möglich, Gülich 1976). Orientierung, Ereigniskette und Ereignisknoten werden häufig durch Gliederungssignale eingeleitet und weiter strukturiert (Gülich/Raible 1975). Quasthoff (1980) hebt hervor, daß die Erzählung inhaltlich einen ,Gegensatz' enthält, zum allgemein Erwartbaren oder zur Erwartung der handelnden Personen oder eines Beobachters o. ä. Es gibt Funktionstypen von Erzählungen (Quasthoff 1980). Bei der Durchführung können die Teile aa)—ee) in verschiedene Abfolgen gebracht werden; sie müssen nicht zusammenhängend als Teiltexte dargestellt werden (so schon Labov/ Waletzky). Quasthoff (1979) unterscheidet erzählfreundliche und erzählfeindliche Situationen. Nun als Beispiel eine Kalendergeschichte von Peter Maiwald (Saarbrücker Zeitung, Ostern 1982): (30)
Der Vorfall
estern ist ein Mann die Hauptstraße hinuntergegangen und hat die VorG übergehenden, die er gar nicht kannte,
mit den Worten „Guten Tag" begrüßt. Es gab einen Auflauf. Einige der Angesprochenen waren bleich geworden, der Kühnheit dieser Worte wegen, — „Guten Tag!" in diesen
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2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Zeiten! — und schnell weggegangen. Andere waren zornig geworden und verbaten sich diesen Hohn und die Einmischung in ihr Leben, das schwer genug sei, als daß es derlei Faxen vertrüge. Die dritten aber wurden über das Gutentagsagen des Mannes so wütend, daß sie den Mann mit ihren Händen bedrohten und die Polizei gerufen werden mußte, um ihn zu schützen. Natürlich war die Polizei gleich zur Stelle und stellte die Ruhe und die Ordnung wieder her, indem sie den Mann festnahm, worauf er verurteilt wurde wegen der Erregung eines öffentlichen Ärgernisses und der Verbreitung falscher Meldungen. Die Erzählung steht im Feuilleton, zusammen mit einigen anderen „Kalendergeschichten". Die Überschrift gibt eine vorgreifende thematische Andeutung, was auch der inhaltlichen Erwartung an eine Erzählung entspricht: ein „Vorfall" als ,Gegensatz' zur Normalität. Die Erzählung könnte bei deutlicher Markierung der Teiltexte folgendermaßen beginnen: Gestern ist ein Mann die Hauptstraße hinuntergegangen, die zu dieser Zeit voller Menschen war. Plötzlich fing er an, die Vorübergehenden, obwohl er sie gar nicht kannte, mit den Worten „Guten Tag" zu begrüßen. Da gab es einen Auflauf ... Mit Gestern würde ein Bezug zur Kommunikationssituation hergestellt, Plötzlich und Da wären „Episodenmerkmale" (Gülich 1976). In diesem Fall wären die Teiltexte deutlich markiert. Die tatsächliche Realisierung zeigt dagegen einen unmerklichen Übergang von der Orientierung zur Ereigniskette: Gestern, ein Mann, die Hauptstraße gehören auf jeden Fall zur Orientierung. Da ein Gliederungssignal (Gülich/Raible 1975) fehlt, ist es unklar gelassen, ob das hinuntergegangen schon zur Ereigniskette gehört oder erst das ungewöhnliche' Begrüßen von Unbekannten oder sogar erst, daß es einen Auflauf gab. Von da her ist es auch unklar, was als der Vorfall anzusehen ist. Die Ereignisse im Zentrum der Erzählung sind nicht als Wiedergabe einer Sequenz
2.1. Die H a n d l u n g und ihr Inhalt (Thema)
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(Ereigniskette) organisiert wie dies in der Regel der Fall ist. Vielmehr ist mit einige, andere, die dritten semantisch auf Auflauf Bezug genommen; von dem Grad der Detaillierung her ist die Beschreibung des Auflaufs der Ereignisknoten, denn dieser ist in der Regel maximal detailliert. Danach erwartet man ein Ausklingen der Erzählung. Auch inhaltlich wäre dies möglich, denn es widerspricht der allgemeinen Erwartung, daß das Begrüßtwerden durch einen Fremden zu einem Auflauf führt. Die von Quasthoff (1980) betonte inhaltliche Bedingung der ,Ungewöhnlichkeit' ist erfüllt. Das Ausklingen erfolgt im 3. Absatz mit: Natürlich war die Polizei gleich zur Stelle und stellte die Ruhe und die Ordnung wieder her. Der Ausklang und die bei die Ruhe und die Ordnung mitschwingende abschließende Bewertung werden aber wieder aufgehoben, indem der Satz weitergeführt wird. Es wird beiläufig angefügt, indem Nebensätze angeschlossen werden (Feinstruktur), daß der Mann festgenommen und verurteilt wurde und weshalb er verurteilt wurde. Jetzt also wird innerhalb der Erzählung das Begrüßen als Vorfall gewertet. Der Leser vollzieht die Gesamtbewertung, die nicht ausgesprochen ist, aufgrund des ungewöhnlichen' Zusammenhanges von Begrüßen und Verurteilung. Hier wird also mit den Teilen der Erzählung gespielt. Der Leser wird bei der Entfaltung des Themas (2.1.2.) zu mehrfachem Umdenken gebracht: Begrüßen — Wörtlichnehmen des Grußes; die Polizei wurde gerufen, um den Mann zu schützen, um ihn festzunehmen, usw. Dem entspricht das Uminterpretieren von Erzählteilen. Dadurch wird der Leser in der Erzählung festgehalten, er muß aktiv verarbeiten, was ihm angeboten wird — bis zur unausgesprochenen Endbewertung: was macht die Erzählung erzählenswert? Er soll die Erzählung nicht so glatt lesen können, überlesen. Sie soll ihn nachdenklich machen. Dazu paßt auch das Gestern am Beginn der Erzählung: nicht Eines Tages, sondern im aktuellen Zusammenhang mit der Situation des Rezipienten. Das Beispiel zeigt, wie die Realisierung der Teilhandlungen in besonderer Weise stilistisch eingesetzt werden kann. Schon die Art der Realisierung der Teilhandlungen bedeutet hier ein Abweichen von der Normalität, dem Vertrauten, was ja auch inhaltlich den „Punkt" der Erzählung ausmacht.
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2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
c) Ein anderes Beispiel zum ERZÄHLEN: Ein Bericht wird begonnen, indem eine Erzählung eingebettet wird. Diese Erzählung wird aber nicht beendet, sondern in ein anderes Muster übergeführt; der allgemeinen Verpflichtung, eine nach einem Muster begonnene Handlung auch zuende zu führen („Gestaltschließungszwang", Kallmeyer/Schütze 1977) wird hier nicht nachgekommen. Stattdessen erfolgt ein Übergang in ein anderes Muster. Das Beispiel ist ein Bericht im „Stern" vom 2 5 . 2 . 1 9 8 2 über die „Rolling Stones" (Beisp. (31), S. 181): Die Erzählung über „Sigi Eschenbachs" Erleben der Rolling Stones ist zunächst mustergemäß durchgeführt. Die vorgreifende Relevanzandeutung erfolgt durch eine Reihe von Fotos mit knappen Texten zu den ,Rolling Stones'. Die Orientierung enthält bereits einige Wertungen: brav, langweilig, auch Kohlhiesels Töchter hat für den heutigen Rezipienten einen dazu passenden wertenden Nebensinn. Die Orientierung wird beendet und geht über in die Ereigniskette mit plötzlich. Ereigniskette und Ereignisknoten sind nicht getrennt, dies zeigt sich an der Verwendung direkter Rede: Ladies and Gentlemen und der inneren Rede der Figur. Wertungen sind eingeschoben, wie in der Rekonstruktion der Normalform von Labov/Waletzky (1967) zum Zweck des Erzeugens von Spannung: saß Sigi fasziniert, schockiert, gebannt. Die abschließende wertende Einordnung erfolgt aus der Sicht von heute (sie sangen nur „Carol" ...) und von damals: für Sigi war danach nichts mehr wie früher. Der Inhalt stellt einen ,Gegensatz' aus der Sicht der beteiligten Person und des Erzählers dar. Der Zweck der Erzählung ist der des Belegs und des Unterhaltens (Quasthoff 1980). So weit ist die Erzählung komplett. Die Ereigniskette wird allerdings weitergeführt: Am nächsten Tag, damit wird das gegensätzliche' weiter ausgestaltet. Mit Und war plötzlich in einem Zustand . . . wird eine abschließende Wertung gegeben. Mit dieser wird auch explizit auf das heute übergeleitet, ein Zeichen der Ausleitung der Erzählung (Gülich 1976, Labov/Waletzky 1967: „Coda"). Nun geht es aber mit einer neuen Orientierung weiter: Sigi ist inzwischen 29, Doktorand ... Damit wird anscheinend eine neue Episode (van Dijk 1980, 140 ff.) eingeleitet. Jetzt allerdings geht es weiter mit einer Projektion in die Zukunft, nicht mehr ein vergan-
Ein Bericht von Evelyn Holst
igi Eschenbach aus München war zwölf und ein brav gescheitelter Schulbub. Nachmittags spielte er im Fußballverein „TSV G e r n " den rechten Läufer, und wenn das Taschengeld reichte, ging er ins Rialto-Kino um die Ecke. A m 16. Februar 1965 gab es da „Kohlhiesels Töchter" und natürlich die Wochenschau: Politiker in schwarze Autos ein- oder aussteigend, langweilige Eröffnungsreden sonstwo - und plötzlich die aufgeregte Stimme eines Ansagers: „LADIES AND G E N T L E M E N - T H E ROLLING STONES!" Ausschnitte aus einem Londoner Konzert der Stones. Im Rialto-Kino mit den roten Plüschsesseln saß Sigi fasziniert, schockiert, gebannt. Wer waren diese Spukgestalten der flunschlippige Sänger mit den unanständigen Hosen, der weiße Todesengel mit dem tollen Blondhaar, der aggressive Gitarrist in Leder? Sie sangen nur „Carol" und „The Last Time", aber für Sigi war danach nichts mehr wie früher. Am nächsten Tag schon trat er aus seinem Fußballverein aus und gründete eine Band. Er spielte Rhythmusgitarre - wie Brian Jones. Und flog aus der Band - wie Brian Jones. Ließ sich trotzdem die Haare über die Ohren wachsen und war plötzlich in dem Zustand, den
Erwachsene damals wie heute Flegeljahre nennen. Sigi ist inzwischen 29, Doktorand. Er promoviert über Schopenhauer. Wenn er in diesem Sommer die Stones in Deutschland wiedersieht, am Hockenheimring oder auf dem ehemaligen Nürnberger Reichsparteitagsgelände, ist seine Brian-Jones-Frisur dezenten Geheimratsecken gewichen und der Fanatismus von damals seiner Gelassenheit von heute. Das Wiedersehen mit den Stor.es wird ein Gefühl sein wie auf einem Klassentreffen, bei dem Fotos vom Reihenhaus und dem ersten Kind gezeigt werden - nur d a ß diesmal die Kinder mit dabei sind. Als die Rolling Stones im vorigen Jahi ihr 20. Dienstjubiläum mit einer dreimonatigen Amerika t o u m e e begingen, flippten ins gesamt zwei Millionen Zuschauer aus, im Alter zwischer 14 und 40 Jahren. Warum spielen die Stonei überhaupt noch, obwohl sit längst Rockmethusalems sind' Steuerschulden, teure Frauen Rauschgiftrechnungen? Wai müssen sich die Stones eigent lieh noch beweisen? „ G a r nichts", grinst Miel Jagger auf solche Fragen um läßt den Brillanten im Vorder zahn blitzen. Tourneen hängei dem 38jährigen zum Halse her aus: Sie bedeuten schlechte Essen, wo er doch vietnamesi sehe Speisen und roten Bor deaux so schätzt. Sie bedeute]
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2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
genes Geschehen. Hier wird außerdem ein unmerklicher Übergang vollzogen von dem Individuum der Erzählung zu einem Typus: Es beginnt mit am Hockenheimring oder auf dem ehemaligen Nürnberger Reichsparteitagsgelände. Auch die Weiterführung der Äußerung kann nun im Lichte dieser Typisierung verstanden werden: ist seine Brian-Jones-Frisur dezenten Geheimratsecken gewichen und der Fanatismus von damals seiner Gelassenheit von heute. Die folgende Äußerung führt vom Individuum und vom Erzählen noch weiter weg. Das (statt: sein) Wiedersehen mit den Stones wird ein Gefühl sein wie auf einem Klassentreffen, bei dem Fotos vom (nicht: von seinem) Reihenhaus und dem (nicht: seinem) ersten Kind gezeigt werden - nur daß diesmal die Kinder mit dabei sind. In diesem letzten Teil der Äußerung wird nun auch sprachlich (die Kinder) generalisiert. Auch die folgende Äußerung bestätigt dies weiter: . . . flippten insgesamt zwei Millionen Zuschauer aus ... Von der Erzählung wird also allmählich übergeleitet in den Bericht, der auch generalisiert. Die Erzählung wird so formal nicht beendet. Was sind nun die stilistischen Funktionen dieser Vorgehensweise? Die Detaillierungen des Erzählens machen ,anschaulich'; deshalb sind sie nicht nur im Ereignisknoten zu finden, sondern überall: gescheitelter Schulbub, spielte den rechten Läufer, im Rialto-Kino mit den roten Plüschsesseln ... Mit den Mitteln des Erzählens wird also eine traditionelle Forderung „guten Stils" erfüllt: anschaulich zu sein. Weiter erlaubt das Erzählen aus der Perspektive einer erlebenden Person dem Leser ein Sich-Hineinversetzen in dessen Perspektive: Wer waren diese Spukgestalten — der flunschlippige Sänger mit den unanständigen Hosen ... Dadurch wird der Leser emotionalisiert, er wird emotional involviert. Ihm werden Einstellungen vermittelt (vgl. 2.4.). Dies wird unterstützt durch die Syntax: Politiker in schwarze Autos ein- oder aussteigend, langweilige Eröffnungsreden sonstwo — und plötzlich die aufgeregte Stimme eines Ansagers: „Ladies and Gentlemen — The Rolling Stones!" Ausschnitte aus einem Londoner Konzert der Stones. Auch mit den ,familiären' lexischen Mitteln sonstwo und der Stones wird emotionalisiert. Auch die Wertungen aus der Sicht des „Sigi" kann der Leser übernehmen. Weiter wird hier ERZÄHLEN als ,privates' Muster genutzt, was der ,privaten' Rezeptionssituation des Lesers
2.1. Die Handlung und ihr Inhalt (Thema)
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entspricht. Es wird nicht nur über eine Gruppe von Personen berichtet (vgl. die Tendenz zur Personalisierung auch anderswo in den Medien, Rohling 1983 und Kap. 2.6.4.), sondern es wird bereits in der Hinführung zum Thema personalisiert, individuiert. So dient das Erzählen hier — im größeren Kontext — der Art der Themenentfaltung (vgl. 2.1.2.). Dies zeigt sich daran, daß die Erzählung übergeht in das Berichten: Als die Rolling Stones im vorigen Jahr ihr 20. Dienstjubiläum ... begingen ... Und dann in die themengliedernde Frage: Warum spielen die Stones überhaupt noch ...? Das Erzählen ist hier also - im Rahmen einer umfassenderen Handlung — ein Stilmittel: Seine Funktionen sind es, den Leser emotional und wertend zu involvieren und in die Erzählgestalt einzufangen, Interesse zu wecken. Aufgrund des „Gestaltschließungszwangs" wird der Leser beim Rezipieren weiterlesen: Die nicht zuende gebrachte Erzählgestalt läßt eine ,Spannung' bestehen — vielleicht wird die Gestalt noch geschlossen? Außerdem wird der Leser unterhalten, die Wirkung der Stones wird beispielhaft belegt, anschaulich gemacht, nicht nur behauptend berichtet. Das Beispiel zeigt: Muster können so verwendet werden, daß sie kaum merklich in andere überführt werden (vgl. auch zum thematischen Aspekt die Interpretation des Gedichts Linguistik in 1.5.6.). Weiter kann eine komplexe Handlung nach einem Muster in eine andersartige so eingebettet werden, daß sie selbst zum Stilmittel wird; vgl. zu diesem Aspekt der Relationsstruktur inbezug auf „einfachere" Stilmittel Kap. 1.5.1. Beispiel (11). Die Weiterentwicklung des Bericht-Themas zeigt nun, wie auch im folgenden das Berichten etwas „erbt" vom involvierenden und anschaulich machenden Muster ERZÄHLEN: Es wird weiter mit ,Gegensätzen' und bewertend durchgeführt: Warum spielen die Stones überhaupt noch, obwohl sie längst Rockmethusalems sind? und Was müssen sich die Stones eigentlich noch beweisen? „Gar nichts", grinst Mick Jagger ... und läßt die Brillianten im Vorderzahn blitzen. Es wird, wie das letztere Beispiel zeigt, weiter direkte Rede verwendet und detailliert. Es wird aber auch generalisiert: grinst Mick Jagger auf solche Fragen. In der Sequenz des Rezipierens kann das Präsens grinst jedoch im
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2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Erzählkontext zunächst auch noch als Präsens historicum aufgenommen werden; mit auf solche Fragen wird es dann aber eindeutig zum generalisierenden' Präsens. (Vgl. zur emotionalisierenden Funktion solcher Uminterpretationen in der Sequenz: Fish 1975). Während das BERICHTEN eher ergebnisorientiert ist (Ludwig 1984, Rehbein 1980) und deshalb auch generalisiert, ist das ERZÄHLEN eher ereignisorientiert. ERZÄHLEN ist eher ,privat' (vgl. Quasthoff 1979) weil emotionalisierend, eine Beziehung herstellend, die Gemeinsamkeiten von Wertungen betonend (Quasthoff 1979); BERICHTEN ist eher ,institutionsgebunden' (vgl. Rehbein 1980). Die Eigenschaften des ERZÄHLENS werden durch Teilhandlungen des Erzählens in den Bericht gemischt (Rehbein 1983: Mustermischung), und so werden die Wirkungen des ERZÄHLENS auch für den Illustrierten-Bericht möglich: durch ALS GEGENSÄTZLICH DARSTELLEN, DETAILLIEREN, IN DIREKTER REDE DARSTELLEN, BEWERTEN (vgl. auch die Teilhandlungen des ERZÄHLENS bei Fritz 1982, 278 f.). Hier sind also nur Teilhandlungen des Musters ERZÄHLEN realisiert; dadurch wird eine Mustermischung ermöglicht: Ein Bericht mit auch ,erzählenden' Wirkungen. 2.1.1.2. Abwandlung von Textmustern bei der Realisierung a) Im folgenden soll es — am Beispiel von Richtigstellungen — um stilistische Abwandlungen der Mustervorgaben bei der Realisierung gehen. Zunächst ein Text aus der Saarbrücker Zeitung vom 4 . 8 . 1 9 8 3 , S.21, Rubrik Leserbriefe. Von der Verwendungs'situation her handelt es sich auf den ersten Blick um einen Leserbrief: (32)
Kürzung „Von gelungen bis verheerend", S2 vom 16./17. JuH. Im Leserbrief des Gustav Pitz aus Dudweiier zur Schloßrestaurierung hat sich durch eine Kürzung ein sinnentstellender Fehler eingeschlichen. Herr Pitz lehnt die Böhm-Lösung für den SchloßMittelteil ausdrücklich ab. Die Redaktion
2 . 1 . Die Handlung und ihr Inhalt (Thema)
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Die Präsentation ist die eines LESERBRIEFS: thematischer Hinweis als Haupt-Überschrift, Verweis auf einen vorangegangenen Zeitungsartikel als Zweit-Überschrift, dann der Text selbst; nur die Unterschrift besteht nicht wie sonst bei den Leserbriefen in Namen und Wohnort des Schreibers. Dies ist — auf den ersten Blick — der einzige Hinweis darauf, daß es sich nicht um einen üblichen Leserbrief handelt. Der „Leserbrief"-Text enthält alle konstitutiven Teilhandlungen einer R I C H T I G S T E L L U N G : Den Verweis auf den Fehler mit Angabe des Ortes des Fehlers und die Berichtigung, entweder sinngemäß oder wörtlich. Fakultativ können hinzukommen: Eine Begründung, warum oder wie es zu dem Fehler kam und/oder ein Ausdruck des Bedauerns. Die Richtigstellung hat als Thema einen Leserbrief, deshalb ist sie — als ,Leserbrief' verkleidet — in der Rubrik Leserbriefe untergebracht. Sie ist auch präsentiert wie andere Leserbriefe und nicht als Richtigstellung'. Die Tatsache der „Verkleidung" zeigt sich besonders dann, wenn man die Überschrift Kürzung durch Richtigstellung ersetzt. Kürzung als themenandeutende Überschrift wird vom Zeitungsleser aufgrund seiner thematischen Erwartungen wohl eher auf finanzielle, zeitliche usw. Kürzungen bezogen, als auf Textkürzungen der Redaktion. Insofern trägt die Überschrift auch zur Verkleidung der Richtigstellung bei: Sie hebt eine fakultative Teilhandlung der Richtigstellung heraus (Angabe des Grundes für den Fehler), nicht etwa eine konstitutive, wie es bei Fehler oder Berichtigung wäre. Die Richtigstellung wird so zwar vollzogen, aber nicht offen präsentiert. Dazu paßt auch die Formulierung hat
sich durch eine Kürzung ein sinnentstellender
Fehler
eingeschli-
chen: Die Redaktion als handelndes Subjekt wird in der Formulierung mittels Verbalsubstantiv völlig ausgespart: durch eine Kürzung-, ein „Subjektschub" (von Polenz 1 9 8 5 , 186—193) läßt den Fehler wie einen handelnden Bösewicht erscheinen. M a n verglei-
che: Den Leserbrief von Gustav Pitz aus Dudweiler haben wir durch eine Kürzung (leider) in seinem Sinn (völlig) entstellt. Hier wäre auch bei Verwendung des Verbalsubstantivs Kürzung das handelnde Subjekt mitverstanden. Die verdeckende Präsentation durch die Einbettung der Richtigstellung in einen Leserbrief, die
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2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
thematische Verschiebung in der Überschrift, die geradezu irreführend ist, die nur sinngemäße und nicht wörtliche Berichtigung und die verdeckende Formulierung des Fehlers und seiner Ursache dienen hier der Imagearbeit (vgl. von Polenz 1985, 222—230): Das Image des Briefschreibers ist durch den sinnentstellenden Fehler verletzt; es muß also eine Ausgleichshandlung erfolgen (Holly 1979), die Bekennung des Fehlers und die Richtigstellung. Dies geschieht nun auch, aber mehrfach undeutlich: verkleidet, verschoben, nicht wörtlich, rechtfertigend (und nicht entschuldigend). So schont die Zeitung gleichzeitig ihr eigenes Image, denn solche Fehler sollten ja nicht vorkommen. Die Analyse zeigt, daß für eine Analyse des stilistischen Sinns der Art der Musterrealisierung weitere Eigenschaften des Textes herangezogen werden müssen: Aufgrund struktureller Mehrstufigkeit (1.6.1.) und Einheitlichkeit (1.5.5.) kann von den sprachlichen Feinstrukturen (Lexik, Syntax) über die Art der Realisierung von Teilhandlungen bis zur Realisierung der globalen Handlung eine Sinn-Tendenz erschlossen werden. Nun eine Richtigstellung als Gedicht von Erich Fried (1966, 19): (33)
Richtigstellung Die Mörder sind unter uns? Auch das wäre schon gefährlich Aber im Gegenteil: Die Mörder sind über uns
Die Realisierung des Textmusters RICHTIGSTELLUNG in einem Lyrik-Band wirft ein Licht auf weitere Aspekte des Textmusters, die hier bisher noch nicht beschrieben wurden: RICHTIGSTELLUNGen werden in aktuellen, zeitgebundenen Medien veröffentlicht (Bedingung der Verwendungssituation), sie betreffen aktuelle, zeitgebundene Sachverhalte (Bedingung des Themas). So ist aus der Verwendungssituation Lyrik-Band bereits zu schließen, daß das Gedicht aktuell und überzeitlich zu interpretieren ist. Die erste konstitutive Teilhandlung, die Beschreibung des Fehlers und seines Ortes, wird anders realisiert, als es das Muster RICH-
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T I G S T E L L U N G erfordert: Es wird eine verbreitete Redeweise zitiert, die Mörder sind unter uns, und diese wird in Frage gestellt, in Zweifel gezogen, wie das Fragezeichen im Kontext indiziert. Durch den Bezug zum Muster R I C H T I G S T E L L U N G ist das in Frage Gestellte als falsch, fehlerhaft zu interpretieren. Dies wird auch im folgenden Kommentar Auch das wäre schon gefährlich deutlich: wäre gefährlich. Ein solches hypothetisches Bewerten des Fehlers gehört nicht zum Muster R I C H T I G S T E L L U N G , wohl aber ein Ausdruck negativer Einstellung (bedauerlicherweise); hypothetisches Bewerten ist möglich als Teilhandlung eines politischen G E D I C H T s . M i t Aber im Gegenteil: wird die Berichtigung eingeleitet, die mustergemäß lauten würde: richtig heißt es / müßte es heißen ... M i t der gewählten spontansprachlichen Formulierung wird, wie auch schon mit der Formulierung des Infragestellens in Relation zum schriftlichen Kontext eine ,emotionale' Einstellung bewirkt. Außerdem dient Aber im Gegenteil dazu, das ,Teilweise' in Auch das wäre schon gefährlich weiterzuführen: Das Berichtigte wird von vornherein als noch viel gefährlicher kommentiert. Auch dieses Von-vornherein-Kommentieren entspricht dem politischlyrischen Muster, nicht aber dem R I C H T I G S T E L L U N G s m u s t e r . Die Formulierung des Richtigen entspricht nun echten R I C H T I G S T E L L U N G e n , wo nur ein falsches Wort zu korrigieren ist, sie nutzt aber auch in lyrischer Handlungsweise den im Lexikon gegebenen ,Gegensatz' von über und unter und bei unter die Homonymie von /unter/ als ,darunter' und ,mitten unter'. Hier wird also die in lyrischen Texten häufige „semantische D i c h t e " genutzt (Blumenthal 1 9 8 3 ) . Die fakultativen Teilhandlungen des Musters R I C H T I G S T E L L U N G sind hier nicht wichtig. Dagegen kommt eine auf GED I C H T bezogene Aktivität des Lesers in Gang, die der R I C H T I G S T E L L U N G wohl kaum entspricht: Durch die so ähnliche „richtige" Formulierung wird der Leser zurückverwiesen auf den Anfang (semantische Dichte), er muß das Gedicht nochmals durchgehen, und er ist aufgerufen, die geeignete Interpretation des Berichtigten in Relation zum Fehlerhaften zu finden: Er muß das über und unter auf Machtverhältnisse beziehen; dadurch wird auch die anfängliche Interpretation des unter als ,mitten unter' fraglich,
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vielleicht ist (auch) gemeint,weiter unten in der Machthierarchie'? Ist das Richtiggestellte nicht noch viel falscher als das Falsche? Es werden also textstrukturell zwei Muster so vermischt (vgl. Rehbein 1 9 8 3 ) , daß sie integriert werden. Dadurch und durch die thematische Füllung mit ihren Formulierungen im einzelnen wird der Leser emotionalisiert und irritiert, nachdenklich gemacht, in seiner Selbstverständlichkeit von Handlungsmustern, deren Themen und von gängigen Redeweisen gestört. Das Besondere an diesem Text gegenüber üblicheren Mustermischungen ist dies: Insofern Handlungen sich auf Themen beziehen, werden immer Handlungsmuster und Sachverhaltsmuster (Wissensmuster) für den konkreten Fall gemischt. Hier jedoch werden zwei konventionell völlig getrennte Textmuster in der Realisierung integriert. Im Fall des Berichts im Stern sind demgegenüber zwei konventionell verwandte Muster, B E R I C H T E N und E R Z Ä H L E N , gemischt: Es geht in beiden Mustern um Personen und ihre Handlungen bzw. sie betreffende Ereignisse (von anderen Arten von B E R I C H T E N wird hier abgesehen). Bei den bisherigen Fällen von Mustermischung ist es eindeutig, welches das dominierende Muster ist und welches hineingemischt ist: Der Text von Erich Fried ist ein Gedicht, dessen Inhalt eine (Pseudo?-)Richtigstellung ist. Der Textausschnitt aus dem Stern ist Teil eines Berichts, wie es aus der Überschrift hervorgeht; dieser wird durchgeführt, indem eine Erzählung gegeben wird und indem Teilhandlungen des E R Z Ä H L E N s verwendet werden. Im folgenden Beispiel scheint mir demgegenüber ein Spiel mit (Handlungs-) Mustern vorzuliegen: Verschiedene Rezipienten können hier zu verschiedenen Musterdominanzen gelangen. Der Text entstammt einer Sparte „ Z e i t m o s a i k " im Feuilleton der „ Z e i t " ( 3 0 . 7 . 1 9 8 2 ) , in der auf wichtige kulturelle Ereignisse hingewiesen wird: (34)
Hilde Domin zu ehren Wenn man etwas ganz gut machen will, wird es manchmal schlecht. Weil wir die Dichterin Hilde Domin zu ihrem 70. Geburtstag am 27. Juli rechtzeitig und mit einem Gedicht von ihr ehren woll-
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ten, hat Günter Kunert in seiner Lyrik-Kolumne „Gedichte der Zeit" Hilde Domins Gedicht „Landen dürfen" vorgestellt. Bei der telephonischen Übermittlung sind in der Eile zwei Wörter verstümmelt worden. Das Land (der Emigration), an dem die Dichterin ankommt, ist in Hilde Domins Gedicht keine Stütze, sondern eine „Küste", und nicht etwas nur zum „Anfliegen", sondern auch zum „Ansegeln". Wir bitten Hilde Domin (und Günter Kunert) um Entschuldigung - mit diesem Vierzeiler von Hilde Domin (aus dem Band „Ich will dich"; Piper Verlag, München, 1970): „Wort und Ding / lagen eng aufeinander / die gleiche Körperwärme / bei Ding und W o r t . "
Die Überschrift enthält einen Hinweis auf eine Ehrung von Hilde Domin; sie ist damit ein „Kontextualisierungshinweis" (1.5.5.). Diese Überschrift ist in ihrer syntaktischen Unabgeschlossenheit typisch für Feuilletontexte. „Indirekte Charakterisierungen" nennt Hellwig ( 1 9 8 4 ) derartige Überschriften; sie sind konventionell nur für bestimmte Textmuster geeignet und haben die Funktion, Unikalisierungen (1.7.2.) anzuzeigen; sie wecken Interesse oder Neugier (Hoek 1 9 8 1 , 133 ff.). Nach Hellwig ( 1 9 8 4 ) wird mit einem Titel eine Frage aufgeworfen, die durch den nachfolgenden Text beantwortet wird (vgl. auch Hoek 1 9 8 1 , 123 ff.). Das kulturelle Ereignis, das die Überschrift ankündigt, ist Hilde Domins 7 0 . Geburtstag; um diesen geht es allerdings im Text eher
nebenbei: Weil wir die Dichterin
Hilde Domin
zu ihrem
70.
Geburtstag am 27.Juli ... ehren wollten ... Was folgt, ist eine Richtigstellung einer schon erfolgten und etwas mißglückten Ehrung. Der Text dient also der Ehrung (vgl. die Überschrift und die letzte Äußerung), dem Wiedergeben eines Gedichts, dem Darstellen eines Mißgeschicks (beim früheren Ehren von Hilde Domin, wodurch diese Ehrung mißglückte) und der anschließenden Rechtfertigung u n d Entschuldigung (Rechtfertigung und Entschuldigung hier nicht als Alternativen), und er enthält eine Richtigstellung mit der Fehlerdarstellung, der Darstellung der Fehlerursache als Rechtfertigung und der Berichtigung. Das Zitieren des Gedieh-
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2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
tes dient der Ehrung, aber auch der nochmaligen Rechtfertigung, weil es ein Licht auf die Ursache der Fehler wirft. Deshalb ist die mit dem Text vollzogene Handlung all dies zusammen: Hinweis auf den Geburtstag, Ehrung und Ehrungsreparatur, Rechtfertigung und Entschuldigung, Richtigstellung. Geburtstagshinweis und Ehrung hängen eng miteinander zusammen. Rechtfertigung und Entschuldigung dienen ebenso wie die Richtigstellung der Reparatur der mißglückten Ehrung. Der Text in seiner Besonderheit enthält also ein Zusammenspiel von Handlungen nach sonst selbständigen Textmustern (Hinweis in der Rubrik, Ehrung, Richtigstellung, Gedicht) und nach Handlungsmustern, die nicht an bestimmte Textmuster gebunden sind, sondern eingebettet verwendet werden können (Rechtfertigung, Entschuldigung, Zitat). Es ist nun die Frage, ob diese Handlungen hierarchisch aufeinander bezogen sind, wie dies häufig der Fall ist: Gülich/Meyer-Hermann unterscheiden eine „dominierende" Illokution und „subsidiäre" Illokutionen (1983, 249; vgl. auch Dimter 1981, 72 ff., „Oberziel" und „instrumentale Ziele"). Es ist Aufgabe des Sprechers/Schreibers, beim Durchführen der Handlung mit „textorganisierenden" Indikatoren dem Rezipienten die Illokutionshierarchie deutlich zu machen (Gülich/Meyer-Hermann 1983, 251). Aufgrund dieser Hinweise kann der Rezipient eine Illokutionshierarchie rekonstruieren, die aber nicht unbedingt der vom Interaktanten beabsichtigten entsprechen muß (Gülich/Meyer-Hermann 1983, 253). Die entsprechende stilstrukturelle Frage lautet: Wie deutlich ist die Illokutionshierarchie in der Textfolge gemacht, und ist sie eindeutig? Das Hinweisen auf Hilde Domins Geburtstag steht in Text (34) an untergeordneter Stelle: Zw ihrem 70. Geburtstag am 27. Juli präsupponiert das, worauf informierend hingewiesen werden soll; es wird nicht durch eine separate Handlung eingeführt. Durch die Rubrik aber, den „Kontext als Indikator" (Gülich/ Meyer-Hermann 1981, 248), ist das Hinweisen die wichtigste Illokution. Das Ehren geschieht erst aus diesem Anlaß, es hat aber auch den Hinweis auf den Geburtstag zur Voraussetzung. Man kann also wohl nicht sagen, es gebe hier eine einzige dominierende
2.1. Die Handlung und ihr Inhalt (Thema)
191
Illokution, sondern es gibt — wie die Überschrift (innerhalb der Rubrik) zeigt - zwei zusammenhängende Illokutionen. (Ein Rezipient mag sich für eine dominierende entscheiden.) Demgegenüber ist die Relation zwischen dem Sich Entschuldigen und dem Zitieren eindeutig. Der Inhalt des Zitats dient aber auch dem Rechtfertigen. Dies muß aber vom Rezipienten nicht bemerkt werden. Diese Beispiele werfen ein Licht auf das Problem der Illokutionsrelationierung bei,individuell' gestalteten Texten. Im Fall dieser komplexen Handlung verfolgt der Schreiber mehrere Ziele zugleich. Bei Textmustern und in Institutionen sind dagegen die Illokutionshierarchien konventionell festgelegt (vgl. Gülich/Meyer-Hermann 1983, 255). Entsprechend der Stellung in der Rubrik und auch der Überschrift ist das komplexe Oberziel das Ehren aus bestimmtem Anlaß. Betrachtet man aber den übrigen Text, so handelt dieser von der ersten bis zur letzten Äußerung von dem Mißgeschick, das es wiedergutzumachen gilt, ist also dominierend eine Richtigstellung. Das Ziel bleibt also in der Schwebe. Dies mag auch mit der Mehrfachadressierung der Handlung (vgl. Clark/Carlson 1982) zu tun haben: ehren, richtigstellen und sich entschuldigen gegenüber Hilde Domin, sich entschuldigen, richtigstellen und sich rechtfertigen bei Günter Kunert, dem Leser gegenüber richtigstellen, sich rechtfertigen und ihn informieren. Der stilistische Sinn ist hier wie in (32) Imagearbeit: Verdeckung und Durchführung der Richtigstellung zum Zweck der (vielfältigen) Beziehungsgestaltung. b) Es genügt also nicht, sich bei Stilanalysen von Texten nur an die Textstruktur zu halten: Texte bieten nur die zu interpretierende Oberfläche (vgl. von Polenz 1985). Stilistischer Sinn und Stilwirkung entsteht in der Relation des Textes zum Textmuster und in der Relation der Verwendungssituation des Textes zu den Situationsbedingungen des Musters. Betrachtet man die behandelten Arten der Textmuster-Realisierung im Überblick, so ergibt sich: — Es gibt Textmuster mit obligatorischen und fakultativen Teilhandlungen. Die stilistischen Fragen lauten:
192
2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Sind alle Teilhandlungen realisiert und wenn nicht, sind nur die obligatorischen realisiert? Wenn eine obligatorische Teilhandlung nicht realisiert ist, ist sie aufgrund der Musterkenntnis und des Textes erschließbar? Handelt es sich um maximale oder minimale Realisierungen? Wie sind die Teilhandlungen sequenziert? — Es gibt verschiedene Relationen zwischen den in einem Text realisierten Teil-Mustern. Die stilistischen Fragen lauten: Sind die verwendeten Muster konventionell ,verträglich', oder wenn nicht: ,konfligieren' sie, oder sind sie nur ,ungewöhnlich' verknüpft? Gibt es Einbettungen, Verdeckungen, „Implementierungen" (Rehbein 1983) nicht im Kontext erwartbarer Muster? Es ist zu vermuten, daß es hier Relations t y p e n gibt, die es näher zu beschreiben gilt (vgl. auch Rehbein 1983 zu Musterkonflikt, s. 1.5.4.). Wichtig ist, daß die Text-Eigenschaften, die als Art der Musterrealisierung beschrieben werden können, unter dem Gesichtspunkt des Stils nur als globale (textliche) S t i l - S t r u k t u r e n zu verstehen sind: Sie sind, wie gezeigt wurde, jeweils unter dem Gesichtspunkt der stilistischen Funktionen (Sinn- und Wirkungszuschreibung) zu interpretieren (vgl. Sandig 1985). Dabei gehen dann auch die Eigenschaften anderer stilistischer Strukturteile in die Interpretation mit ein. Anders ausgedrückt: durch die Einbeziehung stilistischer Textstrukturen wird die strukturelle Mehrstufigkeit des Stils umfassender beschreibbar. Und erst durch die Betrachtung derart globaler Stilstrukturen wird Stil als eine Ganzheit, die auf die Einheiten Text und (komplexe) Handlung bezogen ist, beschreibbar. Die schon formulierten Fragen betreffen deshalb nur die Stils t r u k t u r des Textes; sie sind zu ergänzen durch die funktionsbezogenen Fragen: — Was sind die stilistischen Funktionen, die, bezogen auf die Situation, durch die Art der Handlungsdurchführung ermöglicht werden: Was ist der stilistische Sinn, was die Stilwirkung?
2 . 1 . Die Handlung und ihr Inhalt (Thema)
193
2 . 1 . 1 . 3 . Zu Gesprächsstilen Sofern es Muster für die Durchführung von Gesprächen gibt, können Gespräche grundsätzlich auf die gleiche Weise beschrieben und auf ihren stilistischen Sinn hin interpretiert werden, wie dies hier an monologischen Texten gezeigt wurde. Gesprächsmuster wird hier als Terminus entsprechend dem Terminus Textmuster verwendet: Es gibt typische Situationsvoraussetzungen für solche Gesprächsmuster, typische Teilhandlungen der Gesamthandlung, oft auf die Inhaber von Gesprächsrollen beschränkt, man kann in der Sequenz Phasen feststellen, es gibt typische Arten der Themenentfaltung (Schank 1977), und es gibt Kriterien, Signale sprachlicher Art (Schank 1981) für die Beteiligten, wann sie zur Folgephase übergehen können. Es kommt auch zu Schleifenbildungen (Schank 1981), wenn eine Phase noch nicht genügend bearbeitet ist. Die Interagierenden sind verpflichtet, haben die Aufgabe, die Teile der Gesamthandlung gemeinsam abzuarbeiten (Kallmeyer/Schütze 1976). Derlei Gesprächsmuster wurden bisher beschrieben anhand relativ kurzer Gesprächstypen. Wunderlich (1978) hat die Phasen der W E G A U S K U N F T beschrieben. Er weist darauf hin, daß die Art der Durchführung auch auf Individualität' schließen läßt ^redselig', ,wortkarg' . . . ) . Schank (1981) hat für Telefon-BERATUNGen ein Gesprächsmuster mit verschiedenen Phasen herausgearbeitet, wobei es verschiedene „Ablaufmuster" (211 ff.) gibt, d.h. verschiedene Arten der Durchführung; auf verschiedenen stilistischen Sinn geht Schank — ohne Hinweis auf Stil — ein: „schleifenlose Realisierung" (213) zeigt „optimale Kürze und Effektivität" an (ebda.). Schleifen können entstehen als spezifische Art der Themenentfaltung, z. B. bei Tabuthemen (215), bei der gemeinsamen Bearbeitung der Lösung des Problems des Ratsuchers. Interessant ist bei Schanks Darstellung des Gesprächsmusters (199), daß die explizite Problematisierung der Beziehung („Vertrauensbasis", 199) an jeder Stelle des Gesprächs — innerhalb von Eröffnungs- und Beendigungsteil erfolgen kann (199).
194
2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Bei Holly (1983) schließlich wird ein Muster für Zweitinterviews eines Therapeuten beschrieben. Hierbei geht es vorrangig um die Art der Themenentfaltung und die dafür verwendeten Teilhandlungen. Wie sehr oder wie wenig ausführlich die einzelnen Teilhandlungen gemeinsam abgehandelt werden, ist ein Zeichen von ,Nähe' oder ,Distanz' bei der Gestaltung der Beziehung zwischen Therapeut und Klient (dazu auch 2.2.3.). Zu anderen Aspekten von Gesprächsstilen s. auch Sandig (Hg. 1983), Tannen (1984). 2.1.1.4. Zu Textmusterstilen Für Textmuster haben sich oft feste Formulierüngsmuster herausgebildet, jedenfalls aber spezifische Inventare für Teilhandlungen und ihre Formulierungsweisen: Textmusterstile. Es gibt relativ rigide anzuwendende Textmuster (vgl. in Kap. 1.5.5. den Rechtstext aus der EG); diese sind häufig in institutioneller Kommunikation zu finden. Vgl. Antos (1985), Gülich (1985). Es gibt aber auch Textmuster, die breite Spielräume lassen, z. B. die politische GLOSSE, vgl. den Text Ausgeglitten in 2.2.2. und von Polenz (1985, Kap. 5). Gesellschaftlich wenig relevante Textmuster wie KOCHREZEPT, WETTERBERICHT (Sandig 1970), KLEINANZEIGE, HOROSKOP (Sandig 1978, Kap. 6) werden häufig stark routiniert und deshalb stereotypisiert durchgeführt. Michel (1985) hat betont, daß Textmuster (Textsorten) als „Modelle" zu beschreiben sind: Sie haben prototypische Eigenschaften, die nicht in jeder Durchführung realisiert werden müssen. So kann man nach Stolt (1985) annehmen, daß die Formeln Es war einmal. .. und Und wenn sie nicht gestorben sind . . . zu unserem prototypischen Muster „Grimms MÄRCHEN" gehören, daß sie aber bei weitem nicht in jedem Fall realisiert sind: „Die Märchenanfänge der KHM (Kinder- und Hausmärchen, B. S.) sind weit weniger formelhaft als uns die Textlinguistiker und Gattungslinguistiker glauben machen wollen. Ihr gattungstypisches Element liegt weniger in einer spezifischen Formelhaftigkeit als in einer inhaltlichen Stereotypie hinsichtlich der Einführung ihrer Haupthandlungsträger unmittelbar am Textanfang." Da die Verwendung der Formel für das Ende in den Kinder- und Hausmärchen
2 . 1 . Die Handlung und ihr Inhalt (Thema)
195
der Brüder Grimm verschwindend gering ist, wendet sich Stolt ( 1 9 8 5 ) gegen „die Systematisierungs- und Etikettierungswut unserer Wissenschaft. Bei dem Bestreben, jeden einzelnen Text fein säuberlich in ein bestimmtes Fach einzuordnen, bleiben stets etliche auf der Strecke". Dies zeigt, wie notwendig bei der Beschreibung von Textmustern, auch Gesprächsmustern, die Annahme von Alternativen (vgl. schon Rehbein 1 9 7 7 ) im Muster ist: Stolt weist für das Märchen-Ende verschiedene Alternativen auf. Darüberhinaus sind Modifikationen der Vorgaben des Textmusters bei der Realisierung — zum konkreten Zweck — jederzeit möglich, wie Stolt anhand von Beispielen zeigt. Gülich ( 1 9 8 5 a ) betont: „die Textsorte als ein vorgegebener, normierender Orientierungsrahmen erscheint als möglicher Gegenstand von Aushandlungsprozessen und damit auch als veränderbar." Die Grade und Arten der Veränderbarkeit sind mit dem Textmuster mit vorgegeben, vgl. Kap. 2 . 6 . 1 . über Rituale. D a ß Textmusterstile nicht nur der Routine (Sandig 1 9 8 3 a ) , der Entlastung (Püschel 1 9 8 2 ) dienen, zeigt Püschel ( 1 9 8 2 ) : Er belegt die These, „daß der Textsortenstil zur Bedeutung der Textäußerung beiträgt". Dabei geht es Püschel ( 1 9 8 2 ) um „konventionelle stilistische Mittel ( . . . ) , d. h. die für die einzelnen Textsorten (Textmuster, B. S.) typischen Formulierungen und die mit diesen Formulierungen ausdrückbaren Einstellungen" (Püschel 1 9 8 2 , 3 6 ) , wobei der Terminus Einstellung so verwendet ist wie hier stilistischer Sinn. In Textmustern sind über mehr oder weniger festgelegte Formulierungsmuster für die konventionellen Teilhandlungen auch stilistische Sinn-Typen festgeworden; mit der typisierenden Realisierung des Textmusters werden sie mit vermittelt. So ist zu zeigen, daß in den Horoskop-Varianten der Bildzeitung und des „ S t e r n " nicht nur bestimmte Teilhandlungstypen mit charakteristischen Äußerungsformen verwendet werden, sondern auch jeweils verschiedene adressatenbezogene Wertungen konventionell mit vermittelt werden (Sandig 1 9 7 8 , Kap. 6). Es wird also in den Varianten auch die Beziehung mit gestaltet. Die Verfasser von Glossen stellen sich selbst als sprachgewandt',,witzig', scharfsinnig', ,geistreich' . . . dar, sie G E B E N W E R T U N G E N AB zu Sachverhalten und diese werden ,pointiert' dargestellt und das heißt, die
196
2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Teilhandlungen (z.B. des ARGUMENTIERENs) werden in der Regel nicht konventionell durchgeführt. Die stilistischen Fragen, die sich stellen, sind: — Was für Sinn-Konfigurationen werden durch den Textmusterstil vermittelt? — Gibt es Varianten des Textmusters, also Untermuster, und sind diese stilistisch relevant? So eröffnen die Untermuster ILLUSTRIERTENWERBUNG und PLAKATWERBUNG aufgrund des unterschiedlichen Mediums verschiedene Möglichkeiten der Durchführung von Werbungen (vgl. die Beispiele in 2.1.1.1. und in 2.1.2.): Die bei Sowinski angesprochene Textstruktur mit dem „Haupttext" ist heute für Plakatwerbungen kaum relevant. — Wird einem vorgegebenen Textmusterstil bei der Realisierung gefolgt, enthält der Text dementsprechende prototypische Stileigenschaften? — Ist der Textmusterstil in irgendeiner Hinsicht abweichend verwendet? Z.B. parodistisch, vgl. 1.5.4. Rotkäppchen auf Amtsdeutsch und 2.6.2., besonders die Gebetsparodie. — Ist der Textmusterstil eingehalten, aber mit Unkonventionellem angereichert? usw. Mit dem Gesichtspunkt der Prototypikalität ist nur diejenige Variation gemeint, die bei konventionsgemäßer Realisierung der Fall ist; Grenzfälle bilden Anreicherungen mit musterfremden Elementen bei sonstiger Einhaltung des Musters, vgl. die Analyse der Richtigstellung in der Maskierung eines Leserbriefs und (34) Hilde Domin zu ehren. In Frieds Gedicht hingegen ist die Prototypikalität nicht mehr gewahrt: Das Muster RICHTIGSTELLUNG ist hier nicht mehr befolgt, denn wenn man die Überschrift änderte, würde der Text nicht als Richtigstellung erkannt, während dies bei den beiden anderen Texten in verschiedenen Graden noch der Fall ist. 2.1.1.5. Zusammenfassung Die Analysen zeigen, daß die „Art der Handlungsdurchführung" als Typ stilistischen Sinns bezogen ist auf Wirkungen: Durch die Art der Handlungsdurchführung werden bestimmte Wirkungen
2.1. Die Handlung und ihr Inhalt (Thema)
197
erzielt wie Behalten, Emotionen, Irritierungen . . . Einige Beispiele zeigen aber auch, daß der — zusammen mit anderen Texteigenschaften — erzeugte Sinn mit anderem stilistischem Sinn verknüpft ist: Die Werbebeispiele zeigen starke Adressatenberücksichtigung, durch den „Leserbrief" wird auch die Beziehung zu den Rezipienten gestaltet. Dies zeigt, daß die Sinntypen nur analytisch zu trennen sind: Da die Kommunikationsaspekte, auf die sie sich beziehen, meist alle gegeben sind, sind im konkreten Fall Verknüpfungen, Vermischungen die Regel. Handlungen können mustergemäß durchgeführt werden, sie können bei verschiedenen Teilhandlungstypen maximal, relativ vollständig oder minimal durchgeführt werden. Gibt es nur obligatorische Teilhandlungen und keine Spielräume der Durchführung, kann man sagen, daß die mustergemäße Handlungsdurchführung typisierend geschieht (vgl. 1.7.2.). Die angeführten Beispiele zeigen jedoch eine Vielfalt von Möglichkeiten bei der unikalisierenden (1.7.2.) Handlungsdurchführung. Hier läßt sich sehr gut der Bezug zu den Grundfunktionen von Stil erkennen: Die konkrete Handlung wird zwar nach einem oder mehreren Mustern durchgeführt, das Muster muß aber nicht immer nur als solches befolgt werden, sondern es gibt verschieden ausführliche Arten der Realisierung, Arten der Veränderung, der Mischung; diese werden in Relation zum Muster als sinn-voll erkannt. Die Frage ist, ob hier Regeln formuliert werden können wie: Unter den Voraussetzungen A, B, C hat eine Abwandlung des Typs T j den stilistischen Sinn S] bis Sn und die Wirkungen W] bis W n , hat eine Abwandlung des Typs T 2 den stilistischen Sinn S, bis Sj und die Wirkungen W j bis Wj. Um dies herauszufinden, bedarf es weiterer Analysen.
2.1.2. Art der Sachverhaltsdarstellung und Themenentfaltung Sachverhaltsdarstellung und Themenentfaltung sind — im Rahmen sprachlichen Handelns betrachtet — grundsätzlich vom Handeln abhängig: auf den Handlungszweck bezogen, innerhalb der Handlung als Handlungsinhalt realisiert.
198
2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Zunächst ist zu unterscheiden zwischen Sachverhalt und Thema. S a c h v e r h a l t e sind Gegenstände, Ereignisse, Handlungen usw., für die es konventionelle Mittel der Verbalisierung gibt. Solche konventionellen sprachlichen Mittel sind als „Wissensrahmen" (van Dijk 1977), als „Wissensmuster" (Rehbein 1983) oder als „Frames" (Fillmore 1977, Tannen 1979), „Schemata", „Pläne", „Skripts" (de Beaugrande/Dressler 1981, van Dijk/Kintsch 1983) beschrieben worden: Lexeme, syntaktische Konstruktionen, Propositionstypen und deren Relationen stehen jeweils als Komplex zur Verfügung; ich verwende hier die Termini Wissensrahmen oder Frame (vgl. 1.2.). Bei der T h e m a t i s i e r u n g e i n e s solchen Sachverhalts im Text werden in der Regel nur einige Elemente des Wissensrahmens ausgedrückt; sie genügen, um verstehend das Ganze zu aktivieren (vgl. den Uyl 1983). Die Sachverhalts-D a rS t e l l u n g kann jeweils mit mehr oder weniger sprachlichem Aufwand erfolgen: ,detaillierter' oder allgemeiner', ,andeutend' oder ,umfassend', ,klar' oder ,verschwommen' usw. In der folgenden Illustrierten-Reklame wird ein Wissensrahmen ,Frankreich' aktiviert durch die Ausdrücke Renault, St. Tropez und Chambre séparée: (35)
Luxus
Biene
(Abbildung eines Autos, mit offenen Seiten-Türen und hochgeklappter Hecktür, wie Flügel) DER NEUE RENAULT 5 T X . Die Verlockung ist da. 63 PS und 154 Spitze, die verführerisch summen: „St. Tropez, ich komme". Raffinierter Luxus, der nicht nur Männern den Atem raubt: Servolenkung. Leichtmetall-Felgen. Elektrische Fensterheber. Color-Glas. Üppiger Stoff selbst an den Türen. Ruscheliger Teppich im ganzen Kofferraum — Das Chambre Séparée ist nicht länger passé. Aber Vorsicht, wenn Sie sich auf einen Flirt einlassen: von der Luxus-Biene verführt zu werden, ist fast unvermeidbar. Andererseits: Kennen Sie etwas Schöneres, als derartigen Reizen zu erlie-
2.1. Die Handlung und ihr Inhalt (Thema)
gen? Übrigens: Ihr Renault-Händler informiert gern über Renault Leasing und Credit. RENAULT 5 DIE FRECHE
199 Sie auch
BIENE.
Im folgenden werde ich den Terminus Sachverhaltsdarstellung verwenden, wenn es um die Relation des Wissensrahmens (in der Kompetenz) und der daraus für die Darstellung des konkreten Sachverhalts ausgewählten Elemente (Performanz) geht. Die Darstellung des Sachverhalts ,Frankreich' erfolgt im Text durch wenige Elemente (die alle sehr ,präzis' sind im Vergleich zu Cöte d Azur ...). Zu einem T h e m a werden nun i m T e x t , zum Zweck der Handlung, meist Elemente mehrerer Wissensrahmen miteinander verknüpft. Im Beispieltext sind verknüpft: ,Frankreich' mit ,Auto', verführerische Frau' (Biene) und ,Verführung', ,Luxus', auch ,Biene' (summen, das Bild des Autos mit den Flügeln). Das Beispiel zeigt, daß einige Wissensrahmen konventionell eher „assoziiert" (Fillmore 1977) werden, wie ,Frankreich' und verführerische Frau', auch ,Luxus' und verführerische Frau' einerseits und andererseits ,Auto' und ,Verführung'; ,Auto' und ,Biene' zu verknüpfen ist nicht konventionell, wenngleich ,Biene' in ein „Feld" von Ausdrücken für Autos paßt: Käfer, Ente ... (ein Fall semantischer Dichte). ,Frankreich' und ,Biene' sind ebenso wie Frankreich' und ,Auto' frei kombinierbar. Konventionalität bzw. Unkonventionalität der „Mustermischung" (Rehbein 1983, auch Kap. 1.5.4.), d . h . hier der Wissensrahmens-Mischung, ergeben die stilistisch gestaltete ,Besonderheit' oder ,Alltäglichkeit' usw. des Themas. Im Thema können auch Sachverhalte sprachlich h e r g e s t e l l t werden, wie z. B. das Gedicht Linguistik von Hilde Domin zeigt: mit dem Obstbaum reden, Apfelblütenworte usw. Das Charakteristische eines Themas entsteht, wie die Beispiele zeigen, durch die Art der Verknüpfung von Wissensrahmen im Text. Daß hierin ein stilistisches Potential liegt, wurde theoretisch bereits bei Rehbein (1983) entfaltet. Unterschiedliche Typen von Relationen zwischen Wissensrahmenelementen im Text ergeben verschiedene thematische Stilstrukturen mit Sinn und Wirkungen.
200
2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Eine besondere Stilstruktur des Themas entsteht z. B., wenn ein einziger Ausdruck im Text gleichzeitig Element mehrerer Wissensrahmen ist, wie (Luxus-)Biene zu ,Biene' und zu verführerische Frau' und als metaphorische Prädikation über den Renault 5 (,Auto'); in diesem Fall werden die Wissensrahmen nicht über spezifische Konnektoren (Rehbein 1983) verknüpft, sondern über ein ausdrucksseitiges Element, das semantisch mehrdeutig ist, hier aufgrund von Sprachwissen (Kompetenz) und Kontext (Performanz). 2.1.2.1. Thematische Hierarchie Sachverhalte werden also thematisiert. Dies geschieht im Zusammenhang des Handelns. Die Thematisierung von Sachverhalten bildet den Inhalt (propositionalen Gehalt) der einzelnen Handlungen. Nur im Hinblick auf das Handeln sind Aspekte des Themas zu beurteilen. So ist z. B. das Thema der Zeitschriftenannonce LuxusBiene nicht,Frankreich' (mit seinen Autos, seinen als verführerisch geltenden Frauen usw.) und auch nicht ,Biene' oder ,Luxus'. Die Relationierung der Wissensrahmen-Elemente erfolgt vielmehr im Bezug auf die zentrale Handlung, das Oberziel des Textmusters (vgl. Brinker 1980; 1985, 53): hier WERBEN für einen Gegenstand. Deshalb ist ,das Auto Renault 5', wie auch das Bild zeigt, das thematische Zentrum der Reklame. Die übrigen thematischen Elemente sind „subsidiär", „instrumental" darauf bezogen, ebenso wie es zur zentralen Handlung subsidiäre, instrumentale Handlungen gibt (vgl. 2.1.1.). Die Relation von zentralem Handlungstyp des Textmusters und dafür per Konvention erwartbarem Thema wird stilistisch genutzt. So ist das thematische Zentrum der Reklame Luxus-Biene bildlich und sprachlich präsentiert (vgl. Spillner 1982) und sprachlich angereichert mit einer Reihe subsidiärer thematischer Aspekte. Bei der Reklame Schweppsouette ist das für den Handlungstyp erwartbare thematische Zentrum subsidiär thematisiert, eingeordnet in ein angeblich enzyklopädisches Thema ,Tänze' („Zeitmagazin", 13.1.1984):
201
2.1. Die H a n d l u n g u n d ihr Inhalt (Thema) (36) ENZYKLOPÄDIE
DES
SCHWEPPENS.
FOLGE
Schweppsouette (frz.; -suet), (die), höfischer altfranzösischer Gesellschaftstanz im 9/8-Takt aus der Zeit —> Heinrich des Verschweppten (1783-1683), den man heute
Schweppsouette
noch im Spiegelsaal von Versailles in Anwesenheit des gesamten diplomatischen Corps um eine riesengroße Flasche Schweppes Tonic Water herum tanzt. Dagegen tanzt man die —> Schweppsonaise lt. Empfehlung des dt. Tanzlehrerverbandes im Gänsemarsch durch alle Supermärkte von Blankenese, die Schweppes Ginger Ale führen. —> Schwepp-Step. SCHWEPPES. DIE G E S C H M A C K V O L L E E R F R I S C H U N G FÜR H A B E N SIE H E U T E S C H O N G E S C H W E P P T ?
GENIESSER.
202
2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Die Namen der Tänze und andere Textelemente werden wortspielerisch so gestaltet, daß jeweils das Hauptthema, der ReklameGegenstand, auch den Wort-Stamm einer Wortbildung ergibt, der mit Wortbildungselementen verknüpft wird, die das Nebenthema ,Tanz' der Reklame-Handlung ergeben: Schweppsouette, Schweppsonaise, Schwepp-Step. Auch Heinrich der Verschweppte ist so thematisch eingebunden, und schweppen als den ,Schweppes'-Frame kreativ erweiterndes Element findet sich in der Rahmen-Gestaltung der Annonce am Anfang (Enzyklopädie des Schweppens) und am Ende (Haben Sie heute schon geschweppt?). Es wird also eine Art Balance gehalten von Hauptthema der Reklame und Hauptthema des in die Reklame eingebetteten Enzyklopädie-Artikels (vgl. auch 2.1.1.). Bei Reklamen für Henkelt trocken schließlich wird das erwartbare Hauptthema völlig nebensächlich thematisiert, z. B. „Spiegel" ( 8 . 5 . 1 9 8 3 ) , s. S. 203: Das Hauptthema der Werbung ist textmusterspezifisch vorgegeben: der Werbegegenstand (mit seinen Eigenschaften), hier ein Getränk. Das Hauptthema des Werbet e x t es sind — von der Überschrift an — Speisen, über die differenzierend informiert wird. Im T e x t wird der Werbegegenstand als Nebenthema eingeführt, mit dem Hauptthema des Textes verknüpft über die konventionelle Verknüpfung von Wissensrahmen: ,Speisen und Getränke'. Im Kontext anderer unalltäglicher Getränke und im Kontext der unalltäglichen Speisen erhält der Werbegegenstand mitgemeinte ,besondere' Eigenschaften. 2.1.2.2. Art der Themenentfaltung Die handlungsbezogene thematische Hierarchie ist auch danach zu betrachten, wie das Thema e n t f a l t e t , im Text sequenziert wird (vgl. Brinker 1980). Brinker (1985, 56) schreibt: „Da die Themenentfaltung wesentlich durch kommunikative und situative Faktoren (wie Kommunikationsintention und Kommunikationszweck, Art der Partnerbeziehung, der Partnereinschätzung usw.) gesteuert wird, sind grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten der Entfaltung eines Themas gegeben. Über diese Zusammenhänge ist aber noch wenig bekannt."
203
2 . 1 . D i e H a n d l u n g u n d ihr I n h a l t ( T h e m a )
(37) ÜBER FOIE
G R A S . (2
:
weniger
Armagnac
und
sparsam
dosierten G e w ü r z e n . Die Farce der Gänseleberpastete, der Pate de f o i e gras, enthält h i n g e g e n neben G a n sestoptlcbern
einen
Anteil
an
Schweinefleisch. W e r d e n beide g e D i e G ä n s e l e b e r p ist
oft
astete
k e i n e . Sie ist
näm-
trülfelt, so kann man das nicht nur schmecken,
sondern
auch
lesen;
lich meist eine Terrine, also eine
Hinter der Pate de foie gras und
Terrine de foie gras, und sonnt im
T e r r i n e de foie gras steht dann das
im
bezeichnende W ö r t c h e n trutFe. M i t
O f e n gebacken. Sie hat auch keinen
oder ohne T r ü f f e l n paßt zu beiden
Wasserbad g e g a r t
lind
nicht
untrüg-
am besten ein W e i n aus der R e -
liches Zeichen einer Pastete, w i e der
g i o n , zu einer Elsässer Gänseleber-
a u f m e r k s a m e Leser unseres kleinen
terrine oder -pastete zum
Beitrags ü b e r Pasteten und T e r r i -
ein Elsässer G e w ü r z t r a m i n e r oder
Mantel aus T e i g
—
ein
nen sich sicher noch erinnern w i r d
T o k a i , aber
—,
ChampagneroderHenkellTrocker,.
sondern höchstens einen aus
nächste
auch
ein
Beispiel
Speck. U n d sie besteht als Terrine
Aufs
lediglich aus r e i n e r G ä n s e s t o p f l e b e r ,
die Pilzfreunde f r e u -
Heft
vielleicht ein w e n i g P o r t w e i n , noch
en: Es gibt M o r c h e l n .
Sauternes,
dürfen
sich
41 -'3 HENKELL TROCKEN
Im Unterschied zu Brinker, der auch die im folgenden unter 2.1.2.4. besprochenen Typen thematischer Durchführung unter „thematische Entfaltung" faßt, verwende ich den Terminus Themenentfaltung nur für die Art der Sequenzierung des Themas im Text, auch von Teilthemen im Text: Wie ist das Thema mit seiner „im Wissen rekonstruierbaren „logischen" Struktur (...) unter dem Aspekt der A n o r d n u n g der Teilthemen (Brinker 1985, 58) zu betrachten, welcher stilistische Sinn ergibt sich aus dieser Rela-
204
2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
tion (auch hier eine Relationsstruktur, 1.5.1.) und welche Stilwirkung? In dem Henkell-trocken-Text ist zwar quantitativ die thematische Hierarchie der Werbung umgekehrt, die Themenentfaltung ist aber so angelegt, daß zunächst das Werbe-Nebenthema relativ ,ausführlich' ausgearbeitet wird, dieses dann aber in das Hauptthema der Handlung mündet. Dadurch entsteht beim Lesen eine Spannung auf die Art der Einführung des Hauptthemas hin. Beim Text Schweppsouette ist zwar die Präsentation der Werbegegenstände Schweppes Tonic Water und Schweppes Ginger Ale in den Satzhierarchien „ganz unten" in den Nebensätzen ausgedrückt; die Wortstellung ermöglicht jedoch eine Themenentfaltung derart, daß dies jeweils am Satzende geschieht: da, wo allgemein die wichtigste Information steht. Außerdem ist durch das bereits beschriebene Wortbildungsspiel mit dem Marken-Namen eine gleichmäßige Verteilung dieses Namens über den Text erreicht, damit eine ständige Wiederholung (mit Variation) beim Rezipieren. Ueding (1985, 55—58) gibt eine Übersicht über rhetorische Typen der „wirksamen Anordnung des Stoffes und der Gedanken". In diesen Zusammenhang gehört auch die traditionelle Unterscheidung in natürliche Reihenfolge (ordo naturalis) und in künstliche/ kunstvolle Reihenfolge (ordo artificialis) in der Rhetorik (vgl. Ueding 1976, 207 f.). Van Dijk (1977, 103 ff.) unterscheidet zwischen „fact ordering" und „sequence ordering". Van Dijk stellt einige Prinzipien für der Sachverhaltslogik folgende Themenentfaltung zusammen: Voraussetzung — Folge (103) und Allgemeines — Besonderes; Ganzes - Teil / Bestandteil; Menge — Untermenge — Element; Einschließendes und Eingeschlossenes (wie Gefäß — Inhalt), Großes — Kleines, Außen — Innen; Besitzer — Besitz (106). Hier spielen, wie van Dijk (1977) andeutet, psychologische Gesichtspunkte herein; dies geht jedenfalls auch aus den Analysen von Langer, Schulz von Thun und Tausch (1974) hervor. Das Grundprinzip dieser Sequenzierungen ist es, zuerst eine umfassendere Orientierung zu leisten und dann auf Einzelheiten einzugehen. Wird nun in der Darstellung umgekehrt vorgegangen, so entfaltet dies stilistischen Sinn. Ein Beispiel aus dem „Spiegel" (17/1972):
2 . 1 . Die Handlung und ihr Inhalt (Thema)
(38)
„Wir ändern kein Wort, kein
205
Komma"
Bonn hat einen neuen Fall von Geheimnisverrat. Rainer Barzel besitzt eine Kurzfassung jener geheimen Verhandlungs-Protokolle, die während der deutsch-sowjetischen Vertragsverhandlungen in Moskau aufgenommen wurden. Kanzler Brandt fürchtet, der Oppositionsführer könnte mit den Notizen politischen Mißbrauch treiben. Mitten im Gespräch griff Rainer Barzel in die Jackentasche. Unvermittelt zog der Oppositionsführer beim Spitzentreffen im Bonner Schaumburg-Bungalow, wo Kanzler Brandt seine Widersacher am vergangenen Mittwoch doch noch für ein Ja zu den Ostverträgen gewinnen wollte, ein unansehnliches Schriftstück hervor. (...)
Der Kanzlerkandidat, sonst stets um gepflegt staatsmännisches Auftreten bemüht, bediente sich eines billigen Tricks. Barzel, der seit Monaten - und auch an jenem Abend — mit Nachdruck Einblick in die Protokolle der Moskauer Verhandlungen verlangt hatte, drückte nun dem verblüfften Kanzler fünf mit Schreibmaschine eng beschriebene Seiten in die Hand. (...)
Im lead-Teil des Artikels werden die Sachverhalte bereits zusammenfassend und damit den Leser orientierend dargestellt. Zunächst wird wertend eingeordnet: einen neuen Fall von Geheimnisverrat, danach die knappe Darstellung eines der Sachverhalte: Rainer Barzel besitzt eine Kurzfassung jener geheimen Verhandlungsprotokolle ... Danach kann dann dieser Sachverhalt noch einmal,spannend' und ,unterhaltend' thematisch entfaltet werden; hierbei werden, wie die Unterstreichungen zeigen, Möglichkeiten der Sequenzierung innerhalb der Äußerungen genutzt: die Zweiteiligkeit des Prädikats (zog ... hervor; drückte ... in die Hand), wobei der Leser sich neugierig fragt: was er denn drückte oder zog, zumal das aus den Wissensrahmen der Passage nicht erschließbar ist. Weiter werden Attribute verwendet, die eingeschoben zwischen syntaktischem Subjekt und Prädikat die Spannung auf das Prädikat hinlenken; in der letzten zitierten Äußerung hat die erweiterte
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2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Attributgruppe fünf ... Seiten eine ,Spannung' erzeugende Funktion. Schließlich werden die syntaktischen Objekte möglichst weit ans Satzende gerückt. Die ,Dynamik' der Prädikate wird unterstützt durch freie Angaben (adverbiale Bestimmungen), wie mitten im Gespräch, unvermittelt, nun ..., durch wertende Ausdrücke wie Widersacher, billiger Trick, verblüfft usw. Wird ohne eine vorherige Orientierung des Lesers so vorgegangen, z. B. in einer wissenschaftlichen Arbeit, so wird das Rezipieren erschwert (Ossner 1985, 43 f.): (39)
Im konkreten Kommunikationsprozeß wird die Sprecherrolle durch die deiktischen Personalpronomina2 ,ich' und ,wir', sofern der tatsächlich Sprechende als Sprecher einer Gruppe auftritt, die Hörerrolle durch die deiktischen Personalpronomina ,du, ,ihr', sofern es sich um mehrere Angesprochene handelt, ,Sie' sofern die Höflichkeitsform verwendet wird, besetzt.
Der Leser würde besser orientiert, wenn es z. B. hieße: (39a)
Im konkreten Kommunikationsprozeß werden die Sprecher- und die Hörerrolle durch die deiktischen Personalpronomina besetzt: die Sprecherrolle durch ich und durch wir, sofern . . d i e Hörerrolle durch du und durch ihr, sofern ...
Im Kapitel „Stil-Logik" analysiert Seiffert (1977) das stilistische Verhältnis von Sachverhalts-Logik und Satzbau. So werden im folgenden Beispiel zwei analoge Sachverhalte so verschränkt dargestellt, daß die Darstellung ,irritiert' (Seiffert 1977, 42): (40)
Bonn und Paris sind die Hauptstädte Bundesrepublik.
Frankreichs
bzw. der
Die sprachliche Darstellung sollte hier der Analogie der Sachverhalte entsprechen. Sachverhalte können mehr oder weniger verständlich' wirkend dargestellt werden, und sie können mehr oder weniger professionell' wirkend dargestellt sein. Hierzu einige Beispiele aus Langer/ Schulz von Thun/Tausch (1974, 46 ff.): Ein Gesetzestext aus dem
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2 . 1 . Die Handlung und ihr Inhalt (Thema)
Strafgesetzbuch (41a) wird mit einem Informationstext (41b) für Schüler konfrontiert, der die Merkmale hat: + Einfachheit, + Gliederung und Ordnung, ± Kürze und Prägnanz, + zusätzliche Stimulanz (ebda., 5 2 ) . (41a)
Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, sich dieselbe rechtswidrig anzueignen, wird wegen Raubes bestraft. (41b) Jemand nimmt einem anderen etwas weg, obwohl es ihm nicht gehört. Bei dem Wegnehmen wendet er Gewalt an oder droht dem anderen, daß er ihn schlagen oder töten werde. Dieses Verbrechen ist Raub. Beispiel: Ein Täter bedroht Pistole, daß er ihm Geld
einen Bankangestellten herausgibt.
mit
der
Ursache des Unterschieds ist nicht nur die Wahl der Varietät, Gesetzessprache vs. einfache Schriftsprache: Delikt vs. Verbrechen, s. aneignen vs. wegnehmen, unter Anwendung von Drohungen vs. droht, die komplexe oder einfache Syntax usw. Hinzu kommen die Aspekte Gliederung und Ordung (Langer/Schulz von Thun/Tausch 1 9 7 4 ) , die sich in Text (41b) in der Absetzung des Beispiels zeigen und in der Ausführung der Syntax. Im ersten Beispiel sind die Teil-Sachverhalte verschränkt angeordnet, während sie im zweiten sozusagen portioniert aufeinanderfolgend dargestellt sind. Das in Beispiel (41b) gegebene „Beispiel" dient der „zusätzlichen Stimulanz"; diese Funktion können aber auch andere sprachliche Mittel haben (s. dazu die Beispiele unter 2 . 2 . 2 . ) . Ruth Wodak teilte mir mündlich mit, daß juristische und behördliche Texte nicht ohne weiteres verständlicher' gemacht werden können; ihr offizieller' Charakter gehe dadurch verloren (vgl. 2.6.1.). Wie schon Beispiel (38) zeigte, kann derselbe Sachverhalt je nach dem Zweck verschieden ausführlich dargestellt werden. Dies ist nicht nur an bestimmte Texttypen gebunden, sondern die Darstellung kann auch, wie das Beispiel zeigte, in derselben Handlung mit verschiedenen Funktionen, also in verschiedenen Teilhandlungen
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2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
erfolgen. Als weiteres Beispiel eine Ansage für Autofahrer im Rundfunk: (42)
Auf der Autobahn zwischen Rastatt und dem Karlsruher Dreieck staut sich der Verkehr in Richtung Karlsruher Dreieck infolge eines liegengebliebenen Lkw auf 3 km Länge. Nur der linke Fahrstreifen ist befahrbar. 3 km Stau. Liegengebliebener Lkw. Autobahn Rastatt - Karlsruher Dreieck. Linke Fahrspur befahrbar.
Die ausführliche Mitteilung ist am Ende noch einmal stichwortartig zusammengefaßt. Weiter können Sachverhalte ,sachlich' oder ,emotional', ,wertend' usw. dargestellt werden (vgl. Kap. 2.4.), sie können ,klar' oder ,unscharf', ,anschaulich' (s. 2.1.1.1.c) oder ,abstrakt' usw. dargestellt werden. Diese Zusammenhänge sollen hier nur angedeutet werden. Man kann die Sequenzstrukturen von Thema/Rhema, wie sie bei Danes (1970) beschrieben wurden, auch als Beitrag zur Beschreibung von thematischen Stilstrukturen verstehen: „Thema ist (...) einerseits das, worüber etwas mitgeteilt wird, und andererseits das, was aus dem Kontext oder der Situation ableitbar ist, also die bekannte oder gegebene Information; Rhema ist einerseits das, was über das Thema mitgeteilt wird, andererseits die nicht aus dem Kontext oder der Situation ableitbare, neue Information" (Gülich/ Raible 1977, 74). Danes zeigt mehrere Typen der Entfaltung der Sachverhaltsdarstellung vom Bekannten (Thema) zum Neuen (Rhema): „thematische Progression" (vgl. Gülich/Raible 1977, 75). Bei Eroms (1982, 1983) werden auch Verschachtelungen von Thema und Rhema aufgezeigt und verschiedene Typen von Thema/Rhema-Strukturen auf Textmuster bezogen. So sind im Märchentext ganz andere Strukturen zu finden als im Wissenschaftstext (Eroms 1982). 2.1.2.3. Ähnlichkeit von Thema und Stilstruktur (Ähnlichkeitsstruktur) In Kap. 1.5.3. wurde bereits ein Typ der Sachverhaltsdarstellung als stilistischer Strukturtyp vorgestellt, bei dem die Art der Durchführung Ähnlichkeiten zwischen dem Dargestellten und der Dar-
2.1. Die Handlung und ihr Inhalt (Thema)
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Stellung schafft. Dort wurden Beispiele gegeben, bei denen Schriftbild, Syntax, rhythmische und lautliche Struktur und die Äußerungsbedeutung im Kontext zu dieser Ähnlichkeit beitragen. Im folgenden will ich einige weitere Beispiele geben, um die Möglichkeiten dieses Strukturtyps anzudeuten. In 2.1.2.4. wird das Beispiel (45) dafür gegeben, daß ein Buch über das Paradoxon vorgestellt wird, indem ,paradox argumentiert' wird: Das Thema und die Art der Durchführung sind ,ähnlich'; der stilistische Sinn „entspricht" dem Thema. Ein weiteres Beispiel aus einer Buchbesprechung des „Spiegel" (3.11.1980): (43)
(...) Heino, der so zitiert wird: „Ich schätze Schäferhunde mehr als Menschen". Ein dicker Hund für den Autor. Wo immer er „Mystifizierung" zu schnuppern glaubt, fährt Bertram dem deutschen Schäferhundwesen wie ein Terrier an die Beine.
Daß idiomatische Wendungen wie dicker Hund gern in einem Kontext verwendet werden, der ihre wörtliche Bedeutung dem Thema entsprechend aktiviert, hat Greciano (1982) gezeigt. Hier haben wir außerdem aus dem Frame ,(Schäfer-)Hund' eine metaphorische Verknüpfung von schnuppern mit dem Frame ,Buchautor' und schließlich mit derselben Frame-Verknüpfung eine Metapher und einen Vergleich: fährt Bertram dem deutschen Schäferhundwesen wie ein Terrier an die Beine. Die Bildlichkeit wird also so gewählt, daß die bildlichen Ausdrücke zu demselben Frame gehören, mit dem ein anderer Teil des Themas dargestellt wird. Ein weiteres Beispiel aus einer Buchbesprechung der „Zeit" (4.12.1982) zu Büchern über den U-Boot-Krieg: (44)
(...) hätte das Sachbuch-Gegenstück zu Lothar-Günther Buchheims Roman „Das Boot" entstehen können. So aber bleibt der Roman nach wie vor der Sieger im U-Boot-Krieg der Autoren und Verlage. Mag sein, daß darin, worauf es wirklich und wahrhaftig ankommt, die Literatur dem Report ohnehin überlegen ist (...) Oder ist's Buchheim just, der da als „modischer Vermarkter" ins Fadenkreuz gerückt werden sollte?
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2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, S t r u k t u r e n
Der Torpedo bliebe im Rohre stecken. „Das Boot" erst hat den Markt für ein neues Rudel von U-Boot-Büchern sozusagen freigeschossen. Die letzten beiden Beispiele könnten dafür sprechen, diesen Strukturtyp noch unter „semantische Dichte" (1.5.2.) zu fassen. Mir scheint aber, daß „semantische Dichte", wie auch „Mustermischung", in der Regel zu Anreicherungen mit Sinn führen (vgl. oben Text (35) Luxus-Biene), während hier eine sinn-volle Vereinseitigung der Mittel vorliegt: die mögliche Vielfalt verwendbarer Muster wird absichtlich reduziert. Dadurch entstehen intensivierende' Wirkungen, z.T. auch ,Distanzierung'. Ein Beispiel, das mit anderen sprachlichen Mitteln durchgeführt ist, gibt Kloepfer (1975, 114f.): die sprachliche Darstellung eines „pathologischen Befundes". 2.1.2.4. Weitere Aspekte Auch Arbeiten zur Erzählforschung haben sich mit Typen thematischer Durchführung befaßt, z.B. Lämmert (1952/1972; zu einem Überblick auch Sowinski 1983): Als Sachverhalt wird dort die zugrundeliegende „Geschichte" (1972, 24) angenommen; dem steht gegenüber „die unter ein Ordnungsprinzip gestellte Geschehensfolge" (1972, 25), die, wie Lämmert ausführlich beschreibt, auf verschiedenste Weise durchgeführt werden kann. So gibt es „Vorausdeutungen": andeutende Thematisierungen von zeitlich „späten" Ereignissen an früher Stelle im Erzähltext (Lämmert 1972, 139 ff.). Quasthoff (1980) unterscheidet für das Erzählen von selbst Erlebtem: Ereignis, kognitiv verarbeitete Geschichte und Erzählung als sprachliche Handlung. In der Erzählung werden die Elemente der Geschichte je nach dem Zweck und Erfolg der Erzählung beim Rezipienten verarbeitet und sequenziert (Quasthoff 1981). Der Sinn und die Wirkung der Erzählung kann so in Relation (1.5.1.) zu dem rekonstruierbaren Ereignis beschrieben werden. ERZÄHLEN und ARGUMENTIEREN werden als „Schemata" (Handlungsmuster) für die Sachverhaltsdarstellung angesehen bei Kallmeyer/Schütze (1977). ERZÄHLEN kann als Handlung(smu-
2 . 1 . Die Handlung und ihr Inhalt (Thema)
211
ster) für sich betrachtet werden, es kann aber auch als Teilhandlung(smuster) anderer Handlungen oder Handlungsmuster fungieren (vgl. 2.1.1.1.). Als Teilhandlung(smuster) ist ERZÄHLEN als Art der Themendurchführung zu betrachten (s. 2.1.1.1.). ARGUMENTIEREN ist ein Handlungsmuster, das immer in andere Handlungen und Handlungsmuster einzubetten ist. Hier ein Beispiel dafür, wie ein Sachverhalt argumentierend dargestellt werden kann (aus „Stern", „fundsachen", 1979): (45)
„Dieses Buch lehrt nichts, führt zu nichts, klärt beabsichtigt nichts und ist deshalb eines der wenigen gen Bücher." Aus einer
Information
nichts, wichti-
des Vieweg-Verlags über das Buch „Die Scheinwelt des Paradoxons"
Über das Buch, um das es geht, wird informiert, indem paradox argumentiert wird: Die der Argumentation zugrundeliegenden Berechtigungen werfen die dem Leser bekannten Berechtigungen und Normen (Völzing 1979) über den Haufen: ,Was zu nichts führt, taugt nichts', usw. Das geschieht zu einem bestimmten Zweck, ist nur im Kontext des Handelns zu verstehen; es dient der werbenden Darstellung des Buches. In diesen Zusammenhang gehören auch die sog. „Darstellungsarten" (z.B. Fleischer/Michel 1975, 268 ff.). Dabei geht es darum, daß Informationen über Sachverhalte konventionell in verschiedener Weise durchgeführt werden können: z. B. berichtend oder erzählend bei Vorgängen (Ereignissen), beschreibend oder schildernd bei Gegenständen oder Zuständen. Darstellungsarten können „durch „Stilzüge" näher bestimmt" werden (Fleischer/Michel 1975, 271), z. B. der Bericht durch „Objektivität (als Ausdruck der relativen Distanzhaltung des Senders zum Sachverhalt), Exaktheit, Klarheit und relative Kürze; sie werden durch das Merkmal der chronologischen Abfolge des Textaufbaus ergänzt." (ebda.) „Darstellungsarten (...) sind idealtypische Teilstücke von Kommunikationsvorgängen und beziehen sich vor allem auf den Charakter des der Gestaltung zugrundeliegenden Sachverhalts und auf die Relation Sender-Sachverhalt." (ebda., 271 f.) Fleischer/Michel (1975,
212
2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
2 7 5 f.) unterscheiden zwischen „informativer" und „impressiver" Sachverhaltsdarstellung, d. h. zwischen verschiedenen Arten der Einstellung zu den Sachverhalten, die bei der Darstellung mit ausgedrückt werden (vgl. unten 2 . 4 . : Einstellungen). Als „Kommunikationsverfahren" werden Argumentieren, Erzählen, Berichten und weitere von Autorenkollektiven ( 1 9 8 1 a und 1 9 8 5 ) beschrieben. Es werden jeweils auch Beispiele gegeben. Vgl. auch Brinker 1 9 8 5 , 5 9 ff. über „ G r u n d f o r m e n " thematischer Entfaltung, die textmusterspezifische Variation erfahren und die auch gemischt werden können: B E S C H R E I B E N , anhand von Gesetzesaussagen E X P L I Z I E R E N , A R G U M E N T I E R E N , E R Z Ä H LEN. Stilistisch werden diese Durchführungsarten des Themas unter folgenden Fragestellungen relevant: — Wird textmustertypisch vorgegangen, also typisierend? Werden die - bei Brinker ( 1 9 8 5 ) und dem Autorenkollektiv ( 1 9 8 5 ) dargestellten — mustergemäßen sprachlichen Eigenschaften genutzt? Oder wird unikalisierend vorgegangen? — Wird ein Sachverhalt dieses Typs konventionell thematisch so durchgeführt, ist diese Art der Durchführung dem Sachverhaltstyp angemessen? (So wird in Fünf-Minuten-Andachten im Rundfunk häufig argumentiert. Da religiöse Sachverhalte aber für A R G U M E N T I E R E N nicht geeignet scheinen, ergibt sich häufig ein Bruch in der Argumentation — sind solche Brüche dem Reden über religiöse Inhalte angemessen?) — Was ist der jeweilige stilistische Sinn, die Stilwirkung? Eingangs war davon die Rede, daß die thematisierten Sachverhalte in Relation zur Handlungshierarchie (zum Textmuster) zu sehen sind. Bei literarischen Texten ist nun meist der Handlungscharakter weniger dominant als bei alltäglichen Texten. Dies mag damit zusammenhängen, daß sie weniger auf Ergebnisse zielen als auf Wirkungen (Folgen; vgl. 1.3.). Deshalb wird auch die Begrenzung der Handlung nicht pragmatisch geleistet (das zum Ausdrücken der Intention(en) Dienliche wurde ausgedrückt), sondern die Begrenzung wird mit thematischen Elementen und mit Formelemen-
2.1. Die H a n d l u n g u n d ihr Inhalt (Thema)
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ten geleistet. So wird das in 1.5.1. beschriebene Gedicht Was ein Kind gesagt bekommt sowohl thematisch wie rhythmisch abgerundet mit Ein Kind hält den Mund; mit gesagt bekommt wird das Thema eröffnet, mit hält den Mund abgeschlossen. Ahnlich sind thematische Abrundungen in Domins Gedicht Linguistik festzustellen: Linguistik und reden am Anfang, schweigen und rosa und weiße Sprache am Ende. Ich habe die Vielfalt der Möglichkeiten bei der Thematisierung von Sachverhalten hier eher unsystematisch und andeutend dargestellt. Teilweise bin ich auch mehr auf Strukturaspekte als auf Sinn eingegangen. Eine systematisierende Darstellung wäre wünschenswert. 2.1.3. Schlußbemerkung In den Kapiteln 2.1.1. und 2.1.2. spielt eine herausragende Rolle der Strukturtyp Relationsstruktur (1.5.1.): Die Voraussetzung für deren Beschreibung ist die Beschreibung verschiedener Typen von Musterwissen: Wissensrahmen (Frames), Textmuster und gegebenenfalls entsprechende thematische Muster (Hierarchien und Arten der Framekombination). In diesen Beschreibungen entfernt sich die Stilistik sehr stark von der bloßen Text-Oberfläche; sie bezieht das verschiedenartige Wissen der Beteiligten mit ein. Es zeigt sich, daß das Berücksichtigen von Textaspekten bei der Stilbeschreibung die Stilistik wegführt von der bisherigen unbefriedigenden linguistischen Atomisierung der Stilstruktur: Stil ist nicht mehr nur eine Ansammlung der Stilelemente von Laut(kombinationen) bis Satz oder Sprechakt, sondern es können mithilfe von Textkategorien auch globale Stilstrukturen erfaßt werden, innerhalb derer die Stilelemente ihre Funktion erhalten, überhaupt erst stilistisch interpretierbar sind. Stil als Teilaspekt von Text und (komplexer) Handlung wird so erst beschreibbar. Wie sich Kanal, Medium, Selbstdarstellung und Art des Adressatenbezugs, Einstellungen und zeitliche Moden auf Handlungsdurchführung und Sachverhaltsdarstellungen auswirken können, ist im folgenden exemplarisch zu zeigen.
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2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
2 . 2 . Die Handelnden und ihre Beziehung In diesem Kapitel geht es darum, exemplarisch zu zeigen, wie Sprecher/Schreiber sich stilistisch selbst darstellen, ihre Adressaten berücksichtigen und die Beziehung gestalten können. Der Aspekt der Soziostilistik wird gestreift. Diese Typen stilistischen Sinns werden in ihrem Zusammenhang besonders bei Franck (1980, 1984) gesehen: „die implizite Selbstdarstellung des Sprechers, seine Einschätzung des Hörers und der sozialen Situation sowie der sozialen und persönlichen Beziehung zwischen Sprecher und Hörer" (Franck 1980, 130). Im folgenden werden die Sinn-Typen einzeln beschrieben. 2.2.1. Art der Selbstdarstellung Um „individuelle Rede" geht es in dem Buch von Nowak (1983) „Sprache und Individualität": „für individuelle Rede ist es charakteristisch, daß sie einerseits den Regularitäten der Sprache gemäß geformt ist, daß sie aber andererseits weder an diese Regularitäten gebunden, noch auf sie reduzierbar ist." (1983, 150) 2.2.1.1. Individualstil a) Wie werden die Ausdrücke Individualstil, Autorstil, Heines Stil, individueller, persönlicher Stil, Stil eines Politikers usw. verwendet? Man kann zwei Fälle unterscheiden: 1) die Art, sich sprachlich auszudrücken, ist charakteristisch für ein bestimmtes Individuum: Der Text enthält bestimmte Signale, die in dieser Kombination charakteristisch sind. Z. B. Dieses Gedicht,klingt
nach' Heine, ,klingt wie von'
Heine.
Voraussetzung für die Realisierung eines solchen Sinnangebots aus dem Text durch den Leser (vgl. Spillner 1979) ist eine entsprechende kommunikative Erfahrung des Rezipienten: Lektüreerfahrung oder eine mit der Person in gewisser Weise gemeinsame Kommunikationsgeschichte. Chatman (1971, 417 f.) schreibt: „Because of its complex nature,the recognition of a writer's style is not a mere act of perception, as that term is generally defined (...).
2 . 2 . Die Handelnden und ihre Beziehung
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Perception entails the recognition of a thing as an instance of a class of things, whereas style-recognition, as the recognition of a personality, is something more, namely the recognition of an individual as a unique complex or pattern of perceived features. That is why perception tends to be virtually instantaneous whereas the ability to recognize an author's style takes time to acquire." Es handelt sich also hier um ein partikuläres Wissen des Rezipienten. 2) Ein individueller/persönlicher Stil kann auch ad hoc entstehen, um die eigene Position, Einstellung im konkreten Fall zu signalisieren: Diese Rede ist in einem sehr persönlichen (individuellen) Stil gehalten (in Relation zu dem in vergleichbaren Situationen Erwartbaren). In beiden Fällen hebt sich der Sprecher/Schreiber partiell von dem intersubjektiv Verfügbaren und Erwartbaren ab. Daß er dies nur partiell tun kann, ist dadurch bedingt, daß er intersubjektiv verständlich bleiben will (vgl. die Beispiele in 2.1.1.). Es gibt aber Arten und Grade des Sich-Abhebens. Wie sich zeigt, gibt es Übergänge zwischen individueller' ad-hoc-Sprachverwendung und der bestimmten Weise der Sprachverwendung, die ,ein bestimmtes Individuum' anzeigt (vgl. Franck 1 9 8 0 , 29). Während ersteres aufgrund der allgemeinen Kompetenz erkannt werden kann, wird letzteres nur aufgrund von kommunikativen Erfahrungen mit dementsprechenden Individuum erworben. Diese Auffassung von individuellem Stil ist möglicherweise auf die Kultur beschränkt, zu der dieses Buch gehört. Von marxistischem Standpunkt aus jedenfalls stellt sich Individual- oder „Persönlichkeitsstil" anders dar (Lerchner 1 9 8 1 , 9 5 f f . ) : Nach Lerchner (96) geht es um „Gesellschaftliches als Individuelles"; das Individuum bildet eine „persönlichkeitsspezifische Stilnorm" (97) heraus: Danach ist Idiolekt die „Gesamtheit aller einer Persönlichkeit tatsächlich zur Verfügung stehenden (mutter)-sprachlichen Mittel verschiedener Existenzformen", Varietäten der Sprache (Lerchner 1 9 8 1 , 97). Idiolekt ist also der dem Individuum aktiv verfügbare Ausschnitt aus der Sprache. Und „die Sprecherpersönlichkeit kann selektiv nur wirksam werden im Rahmen der sprachlichen Mittel und Möglichkeiten, die sie beherrscht." Daraus ergibt sich nach
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2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Lerchner (ebda.): „der Persönlichkeitsstil beruht auf der subjektbedingten Auswahl und Organisation dieser idiolektalen Variablen für den jeweils konkreten Zweck kommunikativer und situativer Anforderungen. Er läßt sich demnach bestimmen als die Klasse aller Äußerungen, die (Typen von) situativ-funktionalen Anforderungen nach den Regularitäten des subjektiven kommunikativen Leistungsverhaltens entsprechen." (Lerchner, ebda.) Hier ist von Selektion aus einem (individuellen) Vorrat die Rede, der eine Teilmenge des Ganzen ist; individuelle oder abweichende Verwendungen sind offenbar nicht berücksichtigt. Es geht also um die „persönlichkeitsspezifisch differenzierte Verfügbarkeit" über die Varietäten der Sprache (Lerchner 1981, 97, auch Peukert 1977, 67). Bei ästhetischer Wertung emotionaler Stilwirkung, auf der Rezipientenseite also, wird allerdings abweichende Sprachverwendung berücksichtigt (Lerchner 1981, 99 ff.). Persönlichkeitsstil in diesem Sinne kann auch rollentypische Sprachverwendung sein; Rollendistanz, die sich stilistisch zeigt, wäre demgegenüber individualstilistisch in dem von mir vertretenen Sinn. Individuelle Variation bei der Verwendung intersubjektiv vorgegebener Einheiten der Sprache wird hier nur dann als ,individuell' aufgefaßt, wenn diese von den Beteiligten auch als individuell' erkannt werden kann oder wird. Individuelle Variationen, die dies nicht erkennen lassen, werden gesehen im Rahmen der üblichen „indexikalen" Variabilität von Mustern, der Variabilität bei der Realisierung, vgl. 2.1.1.4. In diesem Fall wird Individualität' nicht in die Perspektive gerückt. Muster werden jedoch nicht immer mustergemäß realisiert; diese ad-hoc-Veränderungen können ,individuellen' Sinn haben, aber auch der Image-Arbeit dienen (2.1.1.2.) oder bei Stilblüten ,negativ' bewertete Wirkungen haben wie ,lächerlich', ,ungeschickt' usw. Die Musterveränderungen, die bei einem Individuum erwartbar (geworden) sind, gehören auf jeden Fall zum Individualstil. Die Individuen geben ihrem Sprachgebrauch einen persönlichen Charakter, der Gesprächsstil und der Zeichengebrauch ist persönlich, ein Ausdruck individueller Weltsicht. Dies betont Dolitsky (1984, 192) im Anschluß an Forschungen von Psychoanalytikern. Unter stilistischer ,Selbstdarstellung' wird hier nun aber nicht die
2.2. Die Handelnden und ihre Beziehung
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normale Individuierung des Sprachgebrauchs bei der Sprachverwendung verstanden, die immer stattfindet (vgl. auch Lerchner 1981), sondern die Fälle, in denen die ,Selbstdarstellung' so hervortritt, daß sie gegenüber anderen stilistischen Funktionen in die Perspektive gerät, als stilistischer Sinn erkannt wird. Dies kann einerseits so geschehen, daß eine bewußte Intention unterstellt werden kann: Individualität' „wird zum Ausdruck gebracht" (Keller 1977). Andererseits kann Individualität' auch als Symptom „zum Ausdruck kommen" (Keller 1977; 1.4.2. und Franck 1980, 27). Die Unterscheidung in bewußt intentionalen bzw. symptomatischen Ausdruck bei stilistischer Selbstdarstellung beruht in der Regel auf der Kenntnis bestimmter Untertypen der ,Selbstdarstellung': Diese gelten teils als kontrollierbar und deshalb als bewußt intentional (vgl. Kap. 1.3.8.), teils als nicht kontrollierbar und deshalb als symptomatisch. Als bewußt intentional unterstellbar gelten gebildetes', ,belesenes' Sprechen und Schreiben, ,ästhetisches', ,humorvolles', ,witziges', geistreiches', usw. Sprechen und Schreiben. Dies gehört zum Erbe der bürgerlichen Bildungskultur, vgl. dazu bei Reiners (1943/76) die Kapitel „Witz und Humor", „Wortspiel", „Anspielung und Sentenz", „Bild" usw. und insgesamt die ästhetisch wertende Tendenz. Dem steht gegenüber eine neuere Tendenz, sich f a c h b e zogen', ,wissenschaftlich/politisch/fachlich/handwerklich' usw. ,kompetent',,beschlagen' darzustellen. Weiter gibt es die Möglichkeit, eingespielte Stile rebellierend zu zerstören (vgl. 2.6.2.) oder Sachverhalte nicht in der konventionellen Weise darzustellen, Handlungsmuster anders durchzuführen als konventionell üblich (s. 2.1.1.2.). Symptom sind häufig Sprechausdrucksmerkmale, die durch einen regional fremden Dialekt oder durch einen Soziolekt (vgl. 2.2.4.) geprägt sind. Weiter Redeweisen, die ,Generationszugehörigkeit' erkennen lassen, auch Redeweisen, die ,männlich' oder ,weiblich' signalisieren (Slembek 1983), sofern es sich nicht um intentional ,empanzipatorisches' Reden handelt. Franck (1980, 30) äußert die Vermutung, „daß Modalpartikelgebrauch u. a. ein Mittel der im-
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2. S t i l f u n k t i o n s t y p e n : T h e o r i e a s p e k t e , Beispiele, S t r u k t u r e n
pliziten Selbstdarstellung und sozialen Identifizierung sein könnte"; insofern der Gebrauch von Modalpartikeln die Wertmaßstäbe des Individuums implizit erkennen läßt (vgl. 2.4.3.), ist dem zuzustimmen. Schließlich gehören hierher Aspekte des Unbewußten, die sich nur dem spezialisierten Rezipienten erschließen (vgl. Wodak 1983; Oevermann u . a . 1979; Baus/Sandig 1985). In der Tendenz zeigt spontanes Sprechen am meisten Symptomatisches, vorbereitetes Sprechen weniger und Schreiben am wenigsten. Gerade deshalb wirken schriftliche Stilblüten als Symptome mangelnder Kommunikationskompetenz (Sandig 1981) besonders negativ. b) Individualstil als Autorstil hat in der Stilistik eine besondere Rolle gespielt (z.B. Spitzer 1928/1961, dazu Aschenberg 1984). Wie W . G . M ü l l e r (1981, 4 0 f f . ) darstellt, hat Buffon 1753 dem antiken Topos des Zusammenhangs von Charakter und Stil (ut vir, sie oratio) die moderne, ,merkbare', ,einprägsame' (Müller, 40) Form gegeben, die „stilistisch wirksame Formulierung a l s o . " „ L e s ouvrages bien écrits seront les seuls qui passeront à la postérité: la quantité des connoissances, la singularité des faits, la nouveauté même des découvertes ne sont pas de sûrs garans de l'immortalité (...). Ces choses sont hors de l'homme, le style est l'homme même ( . . . ) . " (nach W . G . M ü l l e r 1981, 41). „Buffon meint in seiner Fassung des Topos mit,l'homme' den „grand écrivain" des Klassizismus mit seiner umfassenden Bildung, seinem rationalistischen Weltbild und seiner kultivierten Lebensart", nicht „den Stil als Manifestation der Subjektivität des Autors im Sinne des 19. Jahrhunderts." (Müller, 41) Die Formulierung des isolierten Diktums ließ jedoch neue Interpretationen zu (Müller, 42): Dies gehört zum Toposcharakter des Diktums (Müller, 44) ebenso wie Variationen, Umformulierungen usw. (Müller, 4 6 f f . ) . W . G . M ü l l e r verfolgt die verschiedenen Deutungen und Abwandlungen, die das Diktum erhielt, bis ins 20. Jahrhundert. Auch in Reiners' „Stilkunst" (1943/1976) findet sich die Fortsetzung dieses Topos: „Stilfragen sind weit mehr Fragen des Charakters als Fragen des Geistes" (42) und „Wer ( . . . ) mit dem Ausdruck ringt, der schult zugleich Geist und Charakter" (61). Daß diese Auffassungen auch heute lebendig sind, zeigt das uneingeschränkte Lob, das dieses Werk am Ende
2.2. Die H a n d e l n d e n u n d ihre Beziehung
219
einer Serie von Sprachglossen im Frühjahr 1983 in der „Zeit" erfuhr. Die starke Hervorhebung der Individualität in diesem Stilbegriff ist vor dem Hintergrund des bürgerlichen Individualismus zu sehen (vgl. zusammenfassend: Rohling 1983, 10ff.): „Individualismus und Privatautonomie als Prinzipien bürgerlicher Lebensweise haben (...) bis heute eine widersprüchliche Funktion. Einerseits hat die Emanzipation des Individuums von feudaler Unterdrückung dem einzelnen einen neuen Freiraum gebracht; andererseits haben ökonomische Entwicklung und zunehmende Staatsmacht zu veränderten Abhängigkeiten geführt. Der Individualismus bewahrt daher als freiheitlichen Impuls die Frontstellung gegen jede Art der sozialen Bevormundung, bleibt aber blind für die sozialen Bedingungen von Autonomie, welche die Freiheit des einzelnen bedrohen können" (Robling 1983, 15). Im Kontext der Darstellungen von W.G.Müller (1981) und von Robling (1983) ist die Tatsache zu sehen, daß stilistische Selbstdarstellung auch sozial differenzierende Funktion hat, vgl. Steinig (1976), s. 2.2.4. und 2.2.1.2.b. 2.2.1.2. Einige Funktionen der Art der Selbstdarstellung Die Möglichkeit der s t i l i s t i s c h e n Selbstdarstellung ist insofern besonders wichtig, als es „tabu (ist), im Rahmen eines Standardgesprächs eine verbale Selbstdarstellung zu geben" (Marfurt 1978, 23). In der Anm. (S. 34) bemerkt Marfurt: „Selbstdarstellung geschieht daher am effektivsten, wenngleich u. U. nicht weniger bewußt, mit Hilfe des nichtverbalen Verhaltens" und, so muß man hinzufügen, wenn schon nicht semantisch explizit so doch stilistisch implizit, und nicht nur mit nonverbalen Mitteln. Daß dies z. B. zum Textmuster Heiratsannonce gehört, wird in Sandig (1985) gezeigt: In diesem Fall wird die stilistische ,Selbstdarstellung' auch durch die Art der Realisierung des Textmusters geleistet. Die Relationsstruktur ist also e i n e der stukturellen Möglichkeiten, sich selbst darzustellen. Vgl. auch 2.1.1. a) Im folgenden gebe ich einige Beispiele für als bewußt intentional unterstellbare Selbstdarstellung. Zunächst zwei Ausschnitte aus linguistischen Arbeiten, in denen die stilistische Selbstdarstel-
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2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
lung als Zusatzhandlung in der Regel störend wirkt: vgl. Gauger (1980) über „Wissenschaft als Stil"; de Beaugrande (1984, 287 ff.) weist auf das Problem der Selbstreferenz des Wissenschaftlers hin; Seiffert (1977) engagiert sich - im Gefolge von Reiners (1943/ 1976) — für eine den Leser berücksichtigende Wissenschaftssprache. Bei den folgenden Beispielen erlaube ich mir, die Namen der Schreiber zu verschweigen: (46)
Die komplexe Heterogenität und das offenbare Komponiertsein von Texten aus Komponenten verschiedenster Zugehörigkeit und Provenienz wirft natürlich drängende Fragen auf (...).
Die verdoppelnden Hendiadyoin (Zugehörigkeit und Provenienz; komplexe Heterogenität und Komponiertsein), die Verwendung von (für mich) ,schmückenden' Attributen (das offenbare Komponiertsein, drängende Fragen), die etymologische Figur (das Komponiertsein aus Komponenten) und auch das überflüssige natürlich: Das wirkt (auf mich!), als feiere hier jemand sich selbst über den Ausdruck seiner ,gebildet' signalisierenden Sprachfertigkeiten. (47)
Als entscheidendes Kriterium der stilistischen Evaluation tritt im konkreten Unterricht gegenüber quantitativ-variierenden Exerzitien traditioneller Curricula didaktisch und methodisch mehr und mehr das Postulat der kommunikativen (pragmatischen) Adäquanz (— eine neuerliche Renaissance des seit der Antike geläufigen aptum-Postulats der Rhetorikf —) hinsichtlich textsorten-, situations-, partizipientenspezifischer Funktionalität in den Vordergrund."
Die auch bei Wissenschaft nötige Adressatenberücksichtigung (vgl. Seiffert 1977) geht hier über dem Vorrang der Selbstdarstellung verloren. Die wissenschaftlichen Sachverhalte sind ja in der Regel nicht als bereits bekannte nur darzustellen, sondern sie werden erst mittels Formulierung hergestellt: So verschwimmen die Sachverhalte selbst. b) Ich möchte noch auf eine andere Funktion stilistischer Selbstdarstellung eingehen. Zur Exemplifizierung wähle ich zwei offene Briefe. Der erste stammt — in Ausschnitten — von einem Literaturprofessor (Frankfurter Rundschau 1 0 . 1 . 1 9 7 8 ) :
2.2. Die H a n d e l n d e n und ihre Beziehung
„In Erwartung Ihrer Offener Brief an den Bundesminister Hochgeehrter Herr Minister! Es ist keine Übertreibung, wenn ich Ihnen erkläre, daß tiefe Sorge midi veranlaßt, einen offenen Brief an Sie zu richten. Dabei ist es nicht einmal die keineswegs ganz unberechtigte Befürchtung, das Ihrer Behutsamkeit unterstehende Bundesamt für Verfassungsschutz werde mit der von ihm geübten Praxis die Zahl der Unzufriedenen, also der Feinde dieser Gesellschaft und insbesondere auch die der Kommunisten verschiedener Richtungen sehr bald beträchtlich vermehren — eine solche Besorgnis wird doch voll ausgeglichen durch die fröhliche Erwartung, daß die andererseits notwendige Vermehrung der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes die wachsende Zahl der Arbeitslosen sinnvoll und erfolgreich eindämmen werde, nein, meine Sorgen haben noch andere Gründe. Sie Ihnen mitzuteilen, warnt mich die Vorsicht und treibt mich zugleich mein Gewissen. Das ist so paradox nicht, wie es klingt. Informationen, die ich vor kurzem erhalten habe — in der besagten Organisation würde man gewiß von Erkenntnissen sprechen — haben mich in tiefe Betrübnis wiewohl auch wachsende Unruhe versetzt. Da wird z. B. einem mir sehr gut bekannten jungen Doktor die Anstellung als wiss. Assistent seit mehreren Monaten versagt, weil er vor sechs Jahren sich, so meint man wohl, ganz fürchterliche Dinge geleistet hat, deren staatsgefährdender Charakter erst jetzt erkannt wird, obschon er in seiner Torheit gemeint hat, sie werden mit der Verfassung übereinstimmen, was damals wohl auch noch der Fall war. Er ahnte nicht, daß dies eines Tages nicht mehr so sein werde, nämlich seit diese Verfassung geschützt werden muß. Aber ich werde, seit z. B. auch kommunistische Eisenbahnbeamte aus dem staatseigenen Gleis geworfen werden, meine Unruhe nun einmal nicht mehr los. Ich bekenne mich schuldig, zumindest daran gedacht zu haben, daß die in ihrer Schwäche des Schutzes offenbar so bedürftige Verfassung in manchen Punkten erst noch zu verwirklichen sein könnte, ja, sogar Zweifel gehegt zu haben an der Rechtmäßigkeit mancher der durchgeführten Schutzmaßnahmen. Ich bekenne, zaghaft, zuweilen kritische Gedanken, wenn schon nicht geäußert, so eben deshalb nur gehegt zu haben, ja, daß ich neulich sogar japanisch geträumt habe, was wohl damit zusammenhängt, daß ich mich instinktiv der Überwachung meiner Gespräche und
des Inneren,
221
Hilfe..." Werner Maihof er
Gedanken zu entziehen versuchen wollte. Das ist gewiß schlimm, und ich muß Sie nun bitten, mir in Ihrer Eigenschaft als Bundesinnenminister behilflich zu sein und meiner wachsenden Angst, meinen Zweifeln und deutlichen Verzagtheiten ein Ende zu bereiten. Schwer lastet auf mir die Unsicherheit und ein schlechtes Gewissen wohl auch. Schon daß ich Literatur gelesen habe, die längst hätte verboten werden müssen — Diderot und Rousseau, Chamfort, Schiller und Seume, ganz zu schweigen von Goethes „Götz von Berlichingen", dem Drama, das von Geiselnahme handelt, treibt mir den Angstschweiß auf die gefurchte Stirn und raubt mir den nachmittäglichen Schlaf. Ich muß sogar gestehen, Bücher von Heinrich Mann, darunter auch den „Untertan", noch nicht aus meiner Bibliothek ausgesondert zu haben. Meine Unsicherheit nimmt ständig zu, kaum weiß ich noch, wie ich denken und mich ferner verhalten soll. Ich bin auch bereit, beides fortan zu unterlassen. In Erwartung Ihrer Hilfe zeichnet mit dem Ausdruck der ständig sich steigernden Furcht und der sich weiterhin vertiefenden Ehrerbietung vor der sowohl freiheitlich als auch demokratisch intendierten Grundordnung, an der wir gemeinsam versuchen sollten festzuhalten, Ihr Ralph-Rainer Wuthenow Universität Frankfurt/Main
222
2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
In diesem Brief wird Kritik geübt; sie ist explizit gekennzeichnet als die eigene Position: daß tiefe Sorge mich veranlaßt; ich werde ... meine Unruhe nun einmal nicht mehr los. Ein ,scharfer' oder ,aggressiver' Ton wird jedoch vermieden: Stattdessen gibt es den expliziten Nachweis der eigenen Bildung über das Anführen von Autoren und Werken und die geistreiche' Pose, ,groteske' Übersteigerung (und damit gewisse ,Distanziertheit') bei der expliziten Selbstdarstellung. Auch implizit, durch die Art der Sprachverwendung, stellt sich der Schreiber dar als besonders ,geistreich' (die in ihrer Schwäche des Schutzes offenbar so bedürftige Verfassung als wortspielerischer Umgang mit Verfassungsschutz; Eisenbahnbeamte aus dem staatseigenen Gleis geworfen: Ähnlichkeitsstruktur) als ,vornehm' durch Verwendung hohen Stils und des Pathos (des Schutzes bedürftig, fortan, schwer lastet auf mir, kaum weiß ich noch), überhaupt als ,mit den Traditionen „guten Stils" vertraut' (Litotes: die keineswegs ganz unberechtigte Befürchtung; Ironie: das Ihrer Behutsamkeit unterstehende Bundesamt für Verfassungsschutz; eine komplexe und variationsreiche Syntax; es wird geradezu rhythmisch und dadurch ,pointierend' formuliert: Sie ihnen mitzuteilen, warnt mich die Vorsicht und treibt mich zugleich mein Gewissen; Das ist so paradox nicht, wie es klingt). Der Ausdruck der Kritik ist subjektiviert und damit,gemildert' als Sorge, Beunruhigung; durch die Art der Formulierungen stellt sich der Schreiber dar als eine mit traditionellen Werten vertraute Person. Dadurch macht er es dem Adressaten unmöglich, seine Kritik als von vornherein inkompetent abzuweisen; er erhält durch den Stil das Gewicht einer sozial außerordentlich kompetenten Person. So pflegt er gleichzeitig das eigene Image wie die Beziehung zum Adressaten. Semantisch wird dies ausgedrückt am Ende in: gemeinsam versuchen. Ähnlich sind Ludwig Harigs „Heilige Kühe" der Deutschen und seine Normenkritik im „Epilog eines Luftkutschers" durch den virtuosen Umgang mit der Sprache, vor allem mit den traditionellen Figuren des Stils gemildert, zu einem Vergnügen für den Rezipienten gestaltet. Die stilistische Selbstdarstellung dient hier noch anderen Funktionen: Die dargestellten Sachverhalte sollen durch die Image- und
2.2. Die Handelnden und ihre Beziehung
223
Beziehungsarbeit möglichst akzeptiert werden, die H a n d l u n g soll möglichst im Sinne des Schreibers glücken (Harig 1 9 8 2 , 2 4 3 ) :
(49)
Schon Sodom und Gomorrha, das Feuer, den Schwefel und den Rauch, der wie Qualm aus dem Ofen aufstieg und das Desaster auch noch nach allen Himmelsrichtungen hin sehen ließ, hat man den Spielhanseln in die Schuhe geschoben. Ja, nach dem Willen der Prinzipienreiter und der Beckmesser, der Haar- und Kümmelspalter, der Miesepeter und der subalternen Beamten waren es wohl die Luftkutscher, die nicht in Reih und Glied stehen wollten, sondern lieber in Narrenhosen gingen und Purzelbaum schlugen als zu Jahwes Kleider- und Fahnenappell anzutreten, einer patriarchalischen, ja preußischen Spezialität Jahwes, der Richtmaß, Richtschnur, Richtscheit, alles in allem sein wollte und kein Rührt-euch dulden konnte; und so ist es bis heute geblieben (...).
Wer der „ N o r m " , die für das im Titel mit angekündigte „ G r u n d satzreferat zur N o r m e n d e b a t t e " gilt, folgen wollte, würde nicht so schreiben dürfen. Hier finden wir Elemente „guten S t i l s " wie
Anschaulichkeit {das Feuer, den Schwefel
und den Rauch
R e i h u n g gleichartiger Frame-Elemente), Vergleich (der wie
aus dem Ofen aufstieg) und Steigerung (das Desaster auch nach allen Himmelsrichtungen
hin sehen
Haar- und Kümmelspalter
Qualm
noch
ließ). Hinzu kommen
,Harigsche' Sprachspiele (s. Harig 1 9 8 0 ) :
Beckmesser,
durch
...;
Prinzipienreiter
Richtmaß,
und
Richt-
schnur, Richtscheit. Das poetische Bild (der hergestellte Sachverhalt) wird explizit auf die heutige Zeit bezogen: und so ist es bis heute geblieben, und es wird auch implizit über die M e t a p h e r der
Bezug hergestellt: einer patriarchalischen,
ja preußischen
Spe-
zialität Jahwes. W ä h r e n d die Bildlichkeit Zeichen für die Vertrautheit mit dem „guten S t i l " ist, zeigen die Sprachspiele und einige andere Ausdrücke den ,unangepaßten' Schreiber: Spezialität Jahwes (was konventionell nicht verträglich ist, weil zu verschiedenen Wissensmustern gehörend); hierher gehören auch Desaster,
Miesepeter
und subalterne
Beamte,
die ebenfalls im Kontext ande-
rer Wissensmuster verwendet zu werden pflegen. D a eine der Überschriften Epilog eines Luftkutschers lautet, stellt sich H a r i g
224
2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
hier auch implizit durch seinen Stil als jemand dar, der ist wie die Luftkutscher, die nicht in Reih und Glied stehen woll(t)en statt „Preußisches" zu pflegen. Anders ein offener Brief von Thomas Bernhard: „Zu meinem Austritt" (Frankfurter Allgemeine Zeitung 7 . 1 2 . 1 9 7 9 ) : (50)
Der demonstrative Austritt des Schriftstellers T h o m a s Bernhard aus der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung (Darmstadt) hat nicht nur unter Literaten viel Aufsehen erregt. Die Akademie hat auf Bernhards Erklärung hier ausführlich geantwortet (F.A.Z. vom 2 6 . November). Daraufhin schickte Bernhard der Redaktion gestern aus Kreta die folgende Replik. In ihr begründet er seinen Austritt grundsätzlicher, so daß die Vermutung, seine Berufung auf die Zuwahl von Altbundespräsident Walter Scheel als Ehrenmitglied sei nur ein Anlaß für seinen Austritt, sich nun bestätigt. Die Red.
Die Wahl Scheels, des ehemaligen Bundespräsidenten, zum Ehrenmitglied der Akademie für Sprache und Dichtung war für mich ja nur der letzte definitive Anlaß gewesen, mich von dieser Akademie für Sprache und Dichtung zu trennen, die meiner Meinung nach weder mit Sprache noch mit Dichtung das geringste zu tun hat und deren Existenzberechtigung jeder vernünftig Denkende mit gutem Gewissen selbstverständlich verneinen muß. Seit Jahren habe ich mich nach dem Sinn dieser sogenannten Darmstädter Akademie gefragt und mir immer wieder sagen müssen, daß ein solcher Sinn doch nicht darin bestehen kann, daß eine Vereinigung, die letzten Endes doch nur aus dem kühlen Grunde der Selbstbespiegelung ihrer eitlen Mitglieder gegründet worden ist, jährlich zweimal zur Eigenbeweihräucherung zusammenkommt und da, nach vom Staat bezahlter teurer, weil Luxusanreise in guten Darmstädter Hotels großbürgerlich aufgetragene Speisen ißt und Getränke trinkt, um eine knappe Woche lang um ihren abgestandenen faden Literaturbrei herumzureden. Ist ein Dichter oder Schriftsteller schon lächerlich und, wo auch immer, für die Menschengesellschaft schon schwer erträglich, um wie vieles lächerlicher und unzumutbarer ist eine ganze Horde von Schriftstellern und Dichtern und solchen, die sich dafür halten, auf einem
225
2 . 2 . Die Handelnden und ihre Beziehung
Haufen! Im Grunde kommen all diese auf Staatskosten angereisten Ehrenträger in Darmstadt zusammen, um sich nach einem impotenten Jahr des gegenseitigen Kollegenhasses in Darmstadt auch noch eine Woche anzuöden. Das Schriftstellergeschwätz in den Hotelhallen Kleindeutschlands ist ja wohl das Widerwärtigste, das sich denken läßt. Es stinkt aber doch noch viel stinkender, wenn es vom Staat subventioniert wird. Wie ja überhaupt der ganze heutige Subventionsdampf zum Himmel stinkt! Dichter und Schriftsteller gehören nicht subventioniert und schon gar nicht von einer subventionierten Akademie, sondern sich selbst überlassen. (...) Bernhard stellt hier explizit seine eigene Meinung dar:
meiner
Meinung nach, habe ich mich nach dem Sinn (...) gefragt. Der Schreiber verzichtet hier auf eine positive Pflege des Adressatenimages, indem er z. B. eine ,destruierende' Periphrase gibt: diese
Akademie für Sprache und Dichtung (...), die meiner Meinung nach weder mit Sprache noch mit Dichtung das geringste zu tun hat und indem er schreibt: diese sogenannte Darmstädter Akademie. Er stellt sich selbst als ,unangepaßt' dar, indem er ,umgangssprachliche' Formeln verwendet: aus dem kühlen Grunde, auf
einem Haufen, zum Himmel stinkt; er verwendet also in ,gutem' Stil verpönte Formen. Dazu, bezogen auf „guten Stil", ein Tabuwort: das metaphorisch verwendete impotent. Auch sonst Um-
gangssprachliches: anzuöden, gehören nicht subventioniert.
Diese
Ausdrücke sind jedoch Teil einer komplexen Syntax, und sie werden teilweise in besonderen stilistischen Kontexten verwendet:
impotentes Jahr (Subjektschub: von Polenz 1985, 186 ff.), eine ganze Horde von Schriftstellern (...) auf einen Haufen (Synonymie von Horde und Haufen), Es stinkt aber noch viel stinkender (...) zum Himmel stinkt (Klimax) usw. D. h. der Schreiber stellt sich sehr wohl als ,gebildet' dar, aber er zeigt auch stilistisch die ,Distanz' an, die er explizit setzt: Schriftstellergeschwätz in den
Hotelhallen
Kleindeutschlands.
Bernhard verwendet ganz offen ,negative' Bewertungen: das
derwärtigste,
Wi-
Horde, Geschwätz, zum Himmel stinkt. Die Diskre-
226
2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
panz zwischen seiner eigenen Bewertung und der, gegen die er sich wendet, ist besonders stark zum Ausdruck gebracht in Schriftstellergeschwätz, Kleindeutschland, Subventionsdampf, Kollegenhaß. Der eine Teil dieser Wortbildungen ist jeweils im Kontext,negativ' bewertet: -geschwätz und -haß, klein-, -dampf. Der andere Teil ist in der Regel — ohne ,negativen' Kontext — ,positiv' oder ,neutral' bewertet. Selbstdarstellung ist also nur schwerpunktartig zu trennen von Beziehungsgestaltung: Sie zielt in den gezeigten Fällen auf ,Distanz' oder ,Nähe' (Holly 1983). Bei Wuthenow geht es um intendierte ,Nähe' zum Adressaten — denn ,Distanz' hätte angesichts des politischen Klimas der Extremistenverfolgung riskant werden können; bei Bernhard geht es um ,Distanz' und ,Abwertung' bei relativer Pflege allerdings des eigenen Images (vgl. Holly 1979); bei Harig dürfte es sich um einen luftkutscherlichen Balanceakt handeln: ,Distanz' zum wissenschaftlichen und sprachnormerischen Tun durch die Art der Sachverhaltsdarstellung, ,Nähe' zum Rezipienten durch das Vergnügen, das er bei der Lektüre bereitet. Die ,positive' Selbstdarstellung über die Verwendung von Elementen als „gut" geltenden Stils ist sicher ein (mehr oder weniger bewußtes) Erbe der Rhetorik (vgl. Wörner 1984). In der Sicht der Ethnomethodologie wird demgegenüber umfassender auf Selbstdarstellung eingegangen: nicht nur das Was, sondern besonders das Wie des Durchführens ist dafür relevant (vgl. Goffman 1973, Baus/Sandig 1985, Kap. 7). c) Wie die analysierten Beispiele zeigen, kommt es bei der Analyse der als intentional unterstellbaren stilistischen Selbstdarstellung auf einige Relationen an: — Welche Funktion kommt der Selbstdarstellung im Textmuster (z.B. wissenschaftlicher Aufsatz oder Heiratsannonce) zu? Welche Funktion hat die realisierte Selbstdarstellung in Relation zum Textmuster? — Wie ist das Thema durchgeführt (kritisierend, affirmierend, argumentierend . . . ) , und welche Funktion hat die Art der Selbstdarstellung in diesem Zusammenhang? — Was für Konventionen gelten für die Darstellung der Sachver-
2.2. Die Handelnden und ihre Beziehung
227
halte in dem Textmuster, und wie wirkt sich die Art der Selbstdarstellung darauf aus? — Was für eine Beziehung zum Rezipienten wird durch die Art der Selbstdarstellung (in Relation zu Textmuster, Durchführungsart, Sachverhaltsdarstellung) etabliert ? In struktureller Hinsicht sind die traditionellen stilistischen Strukturelemente relevant, aber auch die Verwendung von Varietäten (vgl. das Beispiel von Bernhard); dazu können die in 2.1. dargestellten Möglichkeiten der unikalisierenden Handlungsdurchführung und Themendurchführung und -entfaltung genutzt werden: Insgesamt sind also alle stilistischen Strukturtypen von 1.5. und ihre Mischungen für stilistische Selbstdarstellung geeignet. Zu soziolinguistisch relevanten Symptomen bei der Selbstdarstellung s. 2.2.4. Als Gegenpole zu Stilen mit stilistischer Selbstdarstellung sind ,institutionelle' und ,rituelle' Stile (2.3.3. und 2.6.) zu sehen, die ,unpersönlich' und ,rollentypisch' sind. Bei deren Realisierung sind individuelle' Züge im unterschiedlichen Maße möglich; deutliche Selbstdarstellung dürfte jedoch nur als erkennbare Rollendistanz durchzuführen sein. 2.2.2. Art der Adressatenberücksichtigung Monologisch und dialogisch vollzogene sprachliche Handlungen sind adressatenbezogen, da der Sprecher/Schreiber Annahmen zu machen hat über das konkrete Wissen und über die kommunikative Kompetenz seines oder seiner Adressaten in der Situation, an jedem Teilstück seines Handelns. Deshalb gelten die Postulate oder Basisregeln, die für Konversation formuliert wurden (Grice 1975, 1980, Kallmeyer/Schütze 1976) generell: Die Kooperativität (Grice 1980, 113) hat sich in bestimmten Aktivitäten der Sprecher oder des Schreibers zu zeigen (Kallmeyer/Schütze 1976, 9 ff.): Hierzu gehören Zeichen für die Übernahme der Perspektive des (idealisierten, verallgemeinerten) Anderen, im Sonderfall, bei gemeinsamer Kommunikationsgeschichte, des teilweise individuierten Anderen. Weiter gehören hierzu Aktivitäten, die das Verständnis durch den Adressaten sichern (Kallmeyer/Schütze 1976), so weit es die Situation (Zahl der Adressaten) und die Intention erlauben (strategische
228
2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Interaktion, vgl. Kallmeyer/Schütze 1976, 20). „Die Orientierung am jeweiligen Hörer in der Wahl der Formulierung ist das wichtigste Stilprinzip interaktiven Sprachgebrauchs." (Franck 1984, 128) „Die Hörerorientierung wird auf allen Ebenen der Gesprächsorganisation und der Formulierung der Gesprächsbeiträge wirksam. (...) Besonders deutlich ist dies bei Ausdrücken der referentiellen Identifikation: wenn der Sprecher Personen, Orte oder Gegenstände beschreibt oder nennt, so benutzt er nicht die für ihn selbst angemessenen Ausdrücke, sondern berücksichtigt weitgehend die Position des Hörers." (Franck 1984, 129) So hat die spontane Sprechsprache das syntaktische Muster NACHTRAG entwickelt, um dies zu leisten: Den hab ich gestern getroffen, den Peter. Die erste Referenz mit den ist aus der Perspektive des Sprechers entstanden, im Nachtrag wird für die Perspektive des Adressaten die Referenz explizit vollzogen. Auch die Art der Adressatenberücksichtigung spielt seit alters in der Rhetorik eine Rolle; sie ist die Voraussetzung der rhetorischen Wirkung. Stilistischer Sinn und Stilwirkung sind aber analytisch zu trennen, vgl. Kap. 1.3. 2.2.2.1. Attraktivmacher Hierher gehört das Bemühen um für den Adressaten verständliche' Sachverhaltsdarstellung, das z. B. bei Seiffert (1977) die Grundtendenz darstellt. Entsprechende Aktivitäten sind u.a. die in 2.1.2. beschriebene Art der Themenentfaltung, die der „Logik" der Sachverhalte folgt. Eine andere Aktivität ist das Bemühen um die Vermeidung von dem Adressaten „fremden" Wörtern (vgl. von Polenz 1979) oder für ihn „schweren" Wörtern (vgl. Strauß/ Zifonun 1985) oder ihm wahrscheinlich unbekannten „aggregierten Begriffen" (Hannappel/Melenk 1979), die nur in „umfangreichen und schwierigen Texten" erklärt werden können (Hannappel/ Melenk 1979, 156). Das delectare, dem Adressaten Vergnügen bereiten, spielt in der Tradition der Rhetorik eine Rolle; es spielt aber auch für sachinformierende Texte eine Rolle. Hier sind empirische Analysen heutiger Texte nötig, um nicht nur bei den Regeln der Tradition zu
2 . 2 . Die Handelnden und ihre Beziehung
229
bleiben. Einen Anfang hat Rothkegel ( 1 9 8 2 ) gemacht, indem sie einige Regeln methodisch entwickelt hat, deren Befolgung sachinformierende Texte für die Rezipienten ,attraktiv' macht. M i t diesen Regeln werden Typen von Textherstellungshandlungen formuliert: Eine Handlung kann ,attraktiv' gemacht werden, indem sie mit bestimmten Teilhandlungen durchgeführt wird, die attraktivmachende Funktion haben: ein Stilmuster (1.7.3.). Eine dieser Regeln lautet (Rothkegel 1 9 8 2 , 1 8 1 ) : „ M a n macht t (Text oder Textteil, B . S . ) -(-attraktiv, indem man bildhafte Ausdrücke verwendet, indem man Argumente mit interessanten Beispielen belegt." Dies gilt sicher für den Textausschnitt (49) von Harig im vorigen Kapitel und für die Erzählung im Text (31) über die Rolling Stones (Kap. 2 . 1 . 1 . 1 . ) . Die Nähe zum Postulat der Anschaulichkeit des „guten Stils" (vgl. Reiners 1 9 7 6 , 2 9 7 ff.) wird hier deutlich, aber auch die Nähe zu den bei Langer/Schulz von Thun/Tausch ( 1 9 7 4 ) unter psychologischen Gesichtspunkten herausgefundenen Kriterien für Verständlichkeit: Texte, die ein gewisses M a ß an „Stimulanz" enthalten, sind verständlicher als solche ohne Stimulantien. Andere Regeln lauten (Rothkegel 1 9 8 2 , 1 8 1 ) : „ M a n macht t +attraktiv, indem man i] und i 2 (zwei dargestellte Sachverhalte, „Informationen", B. S.) in zeitliche Opposition bringt", z. B. Als x (gerade) ... wollte, war es ... zu spät. Oder: „ M a n macht t + attraktiv, indem man Fragen zum Mitdenken verwendet. Die aufgeführten Merkmale gelten als Zutat (Zusatzhandlung, B. S.) zum Text und sind von solchen zu unterscheiden, die mit den Informationen selbst verknüpft sind und so kognitive Neugier evozieren" (ebda., 182). Zu ersterem Fall gehören wohl rhetorische Fragen wie: Was folgt nun daraus? oder Und wie ging es nun weiter? Ein Beispiel für den letzteren Fall, die Fragen, die kognitive Neugier bewirken, aus Harras ( 1 9 8 3 , 3 3 ) : (51)
(...) die Austinsche Redeweise von „kleineren und größeren Ketten von Ereignissen" ist nicht sonderlich geeignet, diese auf ein und dasselbe Ereignis zu beziehen, denn „Ereignisse, die verschiedene Ketten von Ereignissen umfassen, können nicht identisch sein" (Zitat von Davidson, B. S.). Die Frage: Zwingt uns die Redeweise von Ursachen und Wirkungen nicht dazu, von zwei oder mehreren Ereignissen auszuge-
230
2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
hen? drängt sich auf — entgegen der ursprünglichen mung des Feinbergschen Ziehharmonikaeffekts.
Bestim-
Hier ist die Frage die Möglichkeit, eine Konsequenz aus Vorangegangenem neu zu formulieren. Die folgende Frage aus dem Bericht über die Rolling Stones verbindet rhetorische Frage und zeitlichen Gegensatz: Warum spielen die Stones überhaupt noch, obwohl sie längst Rockmethusalems sind? Eine weitere Regel, um den Leser zu aktivieren, ist „das Angebot diskrepanter Inhalte", wie dies explizit am Ende des HarrasAusschnitts mit entgegen formuliert wird. Stilistisch kann Diskrepanz' nach dem Vorschlag von Rothkegel über Frames beschrieben werden: Die einen gedanklichen „Konflikt evozierende Strategie besteht (...) darin, frames zu benutzen, die mit unterschiedlichen Szenen (Sachverhaltstypen, B. S.) verknüpft sind. Voraussetzung für eine Explizierung ist hier natürlich die Darstellung entsprechender Frames mit der jeweiligen Angabe, welchen Szenen (Sachverhaltstypen, B. S.) sie assoziiert werden können." (Rothkegel 1982, 184). Hiermit wird dann geradezu ein Rezept für Bildlichkeit gegeben. So bemühen sich Tageszeitungen in ihrem Wirtschaftsteil wenigstens um ,attraktive' Schlagzeilen (Saarbrücker Zeitung 8.8.1985): (52a)
als Zweitüberschrift: Sparkassen- und Giroverband: für Sparbücher
Beachtliches
„Comeback"
Im Sportteil sind Überschriften und Texte mit sprachlichen Bildern attraktiver gemacht, z.B. Saarbrücker Zeitung 8. 8.1985: (53a) Strafstoß-Festival Aus dem Bericht: (53b)
in
Homburg
(...) Ein eng gewirktes Abwehrnetz machte zunächst den Homburger Spielern das Leben schwer (...) Schwickert rammte den Ball ins Netz (pars pro toto, aus demselben Frame) (...) Schwickert drosch unbeirrt den Elfmeter, den 13. in Folge mit der letzten Saison ins Netz.
Bei diesen bildlichen Ausdrücken ist allerdings zu beachten, daß nebenbei durch sie die Sachinformation ,positive' oder ,negative'
2.2. Die Handelnden und ihre Beziehung
231
Bewertungen erhält (vgl. 2.4.5. und 2.4.6.). Auf die den Adressaten aktivierende Funktion von Metaphern hat Searle (1982, 138) hingewiesen, auch Grice (1975). Eine Durchsicht derselben Nummer dieser Zeitung zeigt die Verwendung umgangssprachlicher' Ausdrücke als Attraktivmacher, z.B. (54)
Kaum noch Gurtmuffel — "Weniger Tote im Saarland: Über 92% fahren angeschnallt
Straßenverkehr
(52b)
Die Hauptüberschrift zu (52a): Die saarländischen Sparer legen wieder mehr auf die hohe Kante.
Durch die Verwendung von ,Umgangssprachlichem' werden die Sachverhalte ,näher' gebracht als durch die ,distanzherstellende' Hochsprache, die Modalität (vgl. 2.4.) ist nicht mehr nur ,ernst', sondern eher ,locker', ,aufgelockert', vgl. Riesel (1964). Nicht nur Sportberichte, sondern auch politische Kommentare nutzen bildliche Ausdrücke und Umgangssprachliches zugleich (vgl. das Beispiel (63)). Bei einer Weiterarbeit sind mindestens diese Fragen zu verfolgen: — Welche Attraktivmacher gibt es; wie sieht das Stilmuster ATTRAKTIVMACHEN aus (1.7.3.)? — Bei welchen Textmustern sind welche Arten von Attraktivmachern gebräuchlich und darüberhinaus prinzipiell möglich? Vgl. den Unterschied zwischen Beispiel (51) und den Zeitungsbeispielen. — Für die Darstellung welcher Sachverhaltstypen sind welche Attraktivmacher geeignet? Vgl. wissenschaftliche und sportliche Sachverhalte. — Wie wirken sich Kombinationen von Attraktivmachern aus, generell und relativ zu Textmustern, zu dargestellten Sachverhaltstypen? — Gibt es Typen von Adressaten, für die Attraktivmacher oder gewisse Kombinationen von Attraktivmachern in unterschiedlicher Weise geeignet sind? Vgl. dazu den soziolinguistischen
232
2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Aspekt unter 2 . 2 . 4 . Sicher gibt es auch Alters- bzw. Generationsunterschiede. Vgl. dazu Van Peer ( 1 9 8 3 ) . 2 . 2 . 2 . 2 . Mangelnde Adressatenberücksichtigung Rothkegel ( 1 9 8 2 , 183) formuliert die Regel: „ M a n macht t - a t traktiv, indem man vom Leser den eigenen Wissensstand erwart e t . " Hinzuzufügen ist hier sicher: „und die eigene Sprachhandlungskompetenz". Reiners schreibt ( 1 9 7 6 , 3 4 f.) über „das Geheimnis des deutschen Gelehrtenstils: sie verachten die Form, weil sie den Leser verachten. Dem Gegenstand schulden sie Gründlichkeit, dem Leser schulden sie gar nichts." (Vgl. auch Seiffert 1 9 7 7 ) . D a ß nicht nur Darstellungen und Herstellungen schwieriger Sachverhalte, sondern auch deutliche Selbstdarstellung die Leser zu vermehrten Anstrengungen zwingen, habe ich in 2 . 2 . 1 . 2 . gezeigt. Eine Beschreibung von „schwierigem Schreiben" hat Ehlich ( 1 9 8 3 ) am Beispiel von Hegels Verwendung anaphorischer und kataphorischer Prozeduren gegeben. Nach einer generellen Analyse der phorischen Prozeduren in Text und Gespräch geht Ehlich auf die Funktion der Phorik beim P H I L O S O P H I E R E N (Textmuster, Sachverhaltstypen) ein und schließlich auf Hegels Verfahren. Ehlich gelangt zu dem Schluß ( 1 9 8 3 , 1 7 4 f.): „wenn man den Text „flüssig" lesen kann, hat man ihn verstanden - und umgekehrt: erst wenn man den Text verstanden hat, kann man ihn „flüssig" lesen. ( . . . ) Die Lektüre Hegels ist zunächst auch eine Lektüre auf Probe. In Wiederholungen, Versuchen entsteht eine Fähigkeit des Verstehens, die sich der eigenen Verstehensleistung immer mehr gewiß wird", wie beim Erlernen einer Sprache. — Dies können freilich nicht alle Autoren von ihren Lesern verlangen (vgl. Seiffert 1977). O b Behörden-, Gesetzes- und verwandte Texte ,adressatenfreundlicher' gestaltet werden können, mag bezweifelt werden: Ihr,ritueller' Charakter (vgl. 2 . 6 . 1 . ) ginge verloren. 2 . 2 . 2 . 3 . Besonders starke Adressatenberücksichtigung Schließlich gibt es den Fall, daß Sprecher/Schreiber so weit wie möglich die Perspektive des Adressaten übernehmen; eigene Inten-
2 . 2 . Die Handelnden und ihre Beziehung
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tionen sind damit verknüpft, aber sie können dem Adressaten kaum noch deutlich werden. Es sind mindestens zwei Funktionen zu unterscheiden: — Die Adressatenberücksichtigung geschieht im Interesse des Adressaten. Dies ist der Fall in der Gesprächspsychotherapie (vgl. Baus/Sandig 1985), wo der Therapeut sich „empathisch" in den Klienten hineinversetzt, um dessen Probleme für beide Beteiligte deutlich herauszuarbeiten und dadurch abbauen zu helfen. — Die Adressatenberücksichtigung geschieht im Interesse des Sprechers/Schreibers; sie hat die Funktion, den Adressaten möglichst unmerklich zu beeinflussen, zu lenken (Persuasion). Vgl. auch 2 . 4 . zur Übernahme von Einstellungen; 2 . 6 . 3 . die Benutzung von für den Adressaten ,positiv' Bewertetem. Worin zeigt sich nun eine besonders starke Adressatenberücksichtigung? Kloepfer ( 1 9 7 5 , 145 ff.) analysiert ein Beispiel aus der Werbung, wo in einer Art Liebesgedicht der Refrain lautet: (55)
Pour toi ces diamants Pour que tu ne changes jamais ( 1 9 7 5 , 1 4 7 f.)
Kloepfer schreibt dazu ( 1 9 7 5 , 1 4 9 f f . ) : „Der Leser spielt bei der Lektüre mit der Fiktion, daß hier jemand zu dieser charmanten Frau einen poetischen Text spricht. ( . . . ) Indem der Leser dazu den Text liest, wird ihm diese Rolle (des Ehemanns, B. S.) zugeschoben, ( . . . ) aufgedrängt." Anders gesagt: Der Textteil ist so formuliert, daß ihn der Leser unverändert für sich übernehmen kann; er ist aus der Adressaten-Perspektive formuliert. Ahnlich ist die Formulierung einer rauchenden Dame auf einer Plakatwerbung ein Angebot an die Raucher(innen): (56)
Ich rauche
gern.
Auch bei der Adressatenberücksichtigung im Interesse des Adressaten kommt es vor, daß dem Adressaten eine Formulierung angeboten wird, die er wortwörtlich für sich übernehmen kann. Im Therapiegespräch können so Therapeuten in besonderer Weise ihre Empathie zeigen, ihr Sich-Hineinversetzen in die Klienten (Baus/Sandig 1 9 8 5 , 159):
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2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
(57)
Therapeutin: Daß Sie sagen: „Oh Gott, was ist mit mir, was ist aus mir geworden, daß ich das net mal mehr für ganz schlimm finde?"
Es handelt sich dabei nicht um etwas, das die Klientin bereits gesagt hat, sondern um eine ,vermutende' Interpretation der Therapeutin, deshalb die Frageintonation. Als Regel kann man formulieren: „Man berücksichtigt den Adressaten in besonderer Weise, wenn man ihm eine Formulierung anbietet, die er unverändert übernehmen kann." Die angeführten Beispiele haben folgende Eigenschaften: Die Pronomina sind so gewählt, daß die Referenzakte nicht aus der Perspektive des Textherstellers ausgedrückt sind, sondern aus der Perspektive eines sekundären Beteiligten (Werbebeispiele) oder direkt aus der der Adressatin (Therapiebeispiel). Eine weitere Möglichkeit, die Perspektivübernahme auszudrücken, ist mit der Verwendung des Tempus gegeben: Die Zeitrelation wird aus der Perspektive des Adressaten formuliert; die Beispiele stammen aus einem Horoskop des „Stern" (Sandig 1978, 101 f.): (58a)
Man hat Sie auf einen Gedanken nicht mehr losläßt.
gebracht,
der Sie nun
(58b)
Sie werden froh sein, daß Sie kürzlich abgesagt haben. sind dadurch einer unguten Geschichte entgangen.
(58c)
Sie sind jetzt sehr froh, daß Sie dabeigeblieben
Sie
sind.
Bei diesen Ausschnitten ist durch die Formulierung der Referenz auf die Adressaten mit Sie und durch das zukünftige', vermutende' werden (deutlicher sind Formen mit dürfte, ebda.) die Perspektive des Schreibers erhalten; das übrige Tempus jedoch entspricht der Adressatenperspektive. Von diesen Beispielen aus fällt noch einmal ein Licht auf die Tempusverwendung in den vorigen Beispielen; sie ist entsprechend. Als Regel kann man formulieren: „Der Adressat kann eine Formulierung dann unverändert übernehmen, wenn in ihr die Referenzakte so ausgedrückt sind, daß die Ausdrücke seiner (Rezeptions-)Situation entsprechen.
2.2. Die Handelnden und ihre Beziehung
235
Dies geschieht mit den Mitteln der Deixis: dem Gebrauch von Personalpronomina (ich, du) und anderer Pronomina (das, da, darauf...), Tempora und Adverbien wie jetzt, hier, kürzlich." Die vom Werbekontext losgelöste ,unernste' Verwendung des ehemaligen Werbeslogans Darauf einen Dujardin ist durch solche Ubernahmen zu erklären, auch die Beliebtheit des Slogans Da weiß man, was man hat. Ehlich (1983b) zeigt, daß Eichendorff durch die Verwendung deiktischer Ausdrücke wie ich, jetzt, hier, dies und teilweise deiktischer Ausdrücke wie herauf, von fern einen „Vorstellungsraum" für den Leser eröffnet, in dem dieser selbst lokalisiert ist (Ehlich 1 9 8 3 b , 8): (59)
Draußen aber ging der herrlichste Sommermorgen funkelnd an allen Fenstern des Palastes vorüber, alle Vögel sangen in der schönen Einsamkeit, während von fern aus den Tälern die Morgenglocken über den Garten her aufklangen.
Ehlich schreibt über Eichendorffs Darstellungsweise ( 1 9 8 3 b , 9): „er leitet den Leser ( . . . ) an, innerhalb des Vorstellungsraums dem deiktischen Zeigen des Autors zu folgen ( . . . ) . Nur indem ein Ziel der Bewegung in der Origo (dem ich jetzt hier, B. S.) da ist, kann etwas „her", oder, noch genauer, „heraufklingen" (...)." Auch das vorüber erhält im Kontext teilweise deiktischen Charakter. Der Leser „muß den Vorstellungsraum bei sich aufbauen, innerhalb dessen der Autor zeigt, innerhalb dessen der Autor des Lesers Aufmerksamkeit lenkt. ( . . . ) Eichendorff ( . . . ) nimmt den Leser gefangen, er verpflichtet ihn, seine Phantasie in des Autors Sinn zu betätigen ( . . . ) " (ebda.). Die literarischen Sachverhalte werden also besonders „rezipientenbezogen" (Ehlich 1983b, 14) dargestellt. Die Wirkung ist der „,Zauber' Eichendorffscher Landschaft" (Ehlich 1 9 8 3 b , 17). „Der Leser re-konstituiert in seiner eigenen Vorstellung die Eichendorffsche Landschaft als Vorstellung und findet s i c h darin vor; sie ist s e i n e Landschaft, er in ihr aufgehoben. Damit aber ist eine Distanz beseitigt, die die bloße D a r s t e l l u n g von Landschaft, in der Form ihrer Beschreibung, beläßt oder gerade herstellt." (ebda.)
236
2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Ein weiteres Mittel, das es dem Adressaten ermöglicht, die Formulierung zu übernehmen, sind ,generelle' Formulierungen, in denen die Referenz auf den Adressaten und Aspekte seiner Situation vermieden wird. Einige Beispiele aus der Werbung: (60a) (60b) (60c)
Leichter leben mit Krups Ein unbeschwertes Leben — Persil gehört Besser gehts mit Coca-Cola
dazu
Aus den Horoskopen des „Stern" (Sandig 1978, 102): (61a) (61b)
Alles läuft wie am Schnürchen Etwas Besseres kann gar nicht passieren
In diesen Zusammenhang gehört — bezogen auf die besprochenen Textmuster — sicher auch die ,Emotionalisierung' der Rede: vgl. Oh Gott im Therapeutenbeispiel und Besser gehts mit C. statt Es geht besser mit C. Auch die Horoskope des „Stern" zeigen ,emotionalisierende' und ,privat' machende Eigenschaften, indem im schriftlichen Text Modalpartikeln verwendet werden (vgl. Hentschel 1980 für Alltagsgespräche, Ossner 1985, 58). Die Beispiele stammen aus Sandig (1978, 101 f.): (62a) (62b)
Sprechen Sie aus, was Sie auf dem Herzen haben, Ihr Gegenüber wartet ja nur darauf. Daß man am 2. II. einen Konkurrenten vorzieht, ist doch kein Zufall. 2.2.2.4. Zusammenfassung und Beispiel
Zusammenfassend kann zur Art der Adressatenberücksichtigung festgestellt werden: — Es scheint, daß in verschiedenen Textmustern verschiedene Weisen des Adressatenbezugs konventionell sind. - Durch Kombination der beschriebenen Techniken können verschiedene Arten und Grade der Adressatenberücksichtigung erreicht werden. So wird im Therapiegespräch auch das Spontansprechen verwendet, das in 2.2.2.1. als Attraktivmacher schriftlich verfaßter Texte beschrieben wurde. Vgl. auch den Partikelgebrauch in den Horoskopen.
2 . 2 . Die Handelnden und ihre Beziehung
237
— Die unter 2 . 2 . 2 . 1 . dargestellten Arten von Attraktivmachern sind zu ergänzen durch die in 2 . 2 . 2 . 3 . dargestellten; die einzelnen Regeln können zu Stilmustern zusammengefaßt werden. Fragt man nach Wirkungstypen, die zum Bereich der Adressatenberücksichtigung gehören, so sind diese Grade von Verständlichkeit/Unverständlichkeit und von Attraktivität/Unattraktivität; bei Langer/Schulz von Thun/Tausch ( 1 9 7 4 ) wird der Zusammenhang von Verständlichkeit und Attraktivität deutlich. Das folgende Beispiel ist eine Glosse aus der „ Z e i t " vom 9. 8 . 1 9 8 5 , S.l:
(63)
Ausgeglitten Hat er es nicht immer gut gemeint? Hat er nicht alles dafür getan, dem Privatfernsehen die Wege zu ebnen? Sollten ihm die Leute nicht dankbar sein, statt immer wieder an ihm herumzukritteln? Nun, Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling ist sich wieder einmal selber in die Quere gekommen. Diesmal hat er seine Beamten aufgefordert zu untersuchen, ob lokales Fernsehen nicht auch über Funk zu verbreiten sei, also ohne Kabel. Einmal abgesehen davon, daß dies technisch und wirtschaftlich unsinnig wäre: Des Ministers Einfall folgt so ungefähr der inneren Logik eines Architekten, der ein Haus bauen soll und ein Labyrinth entwirft. In der Kunst des Verwirrspiels hat sich Schwarz-Schilling längst als Meister erwiesen. Er entwarf - für Anschluß und Benutzung — eine derart groteske und immer neu marmorierte Gebührenpolitik, daß die Neigung zum Kabel im ganzen darunter litt. Dann änderte er die Verkabelungsstrategie - flächendeckend oder auf Ballungszentren beschränkt — so, daß er Prügel sogar von politischen Freunden bezog. Schließlich wurden auch die privaten Veranstalter verunsichert. Eine bessere Methode, das Privatfernsehen zu hintertreiben, ist schwer vorstellbar. So bleibt zu fragen: Ist Christian Schwarz-Schilling etwa ein versteckter Gegner? Oder sucht
238
2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
er nur mal wieder nach einem Schlupfloch Kabinett?
aus dem
Bonner rf
Wir haben es hier mit der Kombination einer Vielfalt von Attraktivmachern zu tun: ,Umgangssprachlich' sind Ausdrücke wie hat es immer gut gemeint, die Leute, herumkritteln, Einfall, mal wieder. In des Ministers Einfall erscheint der vorangestellte ,altmodische', pathetische' Genitiv stilistisch diskrepant mit Einfall und wirkt deshalb eher ,ironisch'. Weitere stilistische Diskrepanzen betreffen gegensätzliche Bewertungen, die verknüpft sind: In der Kunst des Verwirrspiels hat sich Schwarz-Schilling längst als Meister erwiesen. Und: Eine bessere Methode das Privatfernsehen zu hintertreiben, ist schwer vorstellbar. Schließlich: ist sich selber in die Quere gekommen, sucht nach einem Schlupfloch aus dem Bonner Kabinett. Bildlichkeit zeigt sich in der Verwendung von idiomatischen Wendungen wie Wege ebnen, Prügel beziehen; Metaphern: die Überschrift Ausgeglitten und marmorierte Gebührenpolitik-, Pars pro toto: Neigung zum Kabel(fernsehen); Vergleich: folgt so ungefähr der inneren Logik eines Architekten, der ein Haus bauen soll und ein Labyrinth entwirft. Am Ende werden schlußfolgernd Fragen aufgeworfen. Die Fragen des Beginns nutzen zugleich die neugiererweckende Wirkung kataphorisch verwendeter Pronomina: Erst am Beginn des 2. Absatzes wird der Referenzgegenstand für den Rezipienten identifiziert, erfährt der Leser überhaupt, um wen es in dem Kommentar geht. Denn die metaphorische Überschrift gibt darauf keinen Hinweis. Das Teil-Thema ,Privatfernsehen' wird schon in der 2. Äußerung des 1. Absatzes eingeführt. Im 2. und 3. Absatz werden Beispiele gegeben — nach Langer/Schulz von Thun/Tausch (1974) typische Verständlichmacher. Diese Beispiele werden zusätzlich eingeleitet durch Äußerungen mit diskrepanter Wertung. Die Glosse ist durchgeführt als Argumentation, mit den Beispielen als „Daten" und mit Schlußfolgerungen daraus. Die Argumentation wird durchgeführt mit einem Geflecht vielfältiger Attraktivmacher. Das Beispiel zeigt, daß durch die Analyse von Texten weitere Attraktivmacher und Kombinationen herausgearbeitet werden
2.2. Die H a n d e l n d e n u n d ihre Beziehung
239
können. Auch in der Werbung wird man Material für Attraktivität, zum begrenzten Zweck des Textmusters allerdings, finden können. Vgl. die vielfältige Bildlichkeit in der Reklame LuxusBiene (2.1.2.1.). Auch im „Spiegel" wird manches zu finden sein, vgl. das Beispiel (26) in 2.1.2. Es sind also zweifellos weitere Analysen nötig. 2.2.3. Art der Beziehungsgestaltung Bei der Art der Selbstdarstellung und der Art der Adressatenberücksichtigung liegt das Gewicht jeweils auf einem der Handlungsbeteiligten; damit wird selbstverständlich auch jeweils eine Art von Beziehung gestaltet. Hier geht es nun darum, wie Sprecher/Schreiber darüberhinaus die Beziehung zu ihrem Adressaten stilistisch gestalten können; dabei ist keiner der Handlungsbeiligten durch Selbstdarstellung oder Adressatenberücksichtigung dominant. „Der Stil kann (...) Indikator für die Art der Beziehung zwischen Sprecher und Hörer sein bzw. kann die bisherige Beziehungsdefinition bestätigen oder verändern." (Franck 1980, 27) 2.2.3.1. Beziehungsaspekt a)
„Beziehung" umfaßt mehreres:
— die Relation des sozialen Status der Beteiligten wie Schichtzugehörigkeit, Generationszugehörigkeit und Geschlechtszugehörigkeit (vgl. Kap. 2.2.4. Soziostilistik); — institutionell bedingte Rollenbeziehungen wie die Lehrer-Schüler-Beziehung (vgl. 2.3.3.: Institutionsstile und 2.6.1.: rituelle Stile). Status- und Institutionsrollen werden bei Sornig (1983) und bei Adamzik (1984, 129 f.) als soziale Rangordnung (Überordnung, Gleichstellung, Unterordnung) zusammengesehen; — die Gestaltung der Beziehung zwischen Individuen und zwar über Rollenzugehörigkeiten hinaus: Ich kann als Professorin die Beziehung zu einer Putzfrau oder zu Studenten ,positiv', ,nah' gestalten, sie als ,wertvolle' Individuen behandeln oder die Beziehung ,neutral' oder auch ,negativ', ,distanziert' gestalten, ,von oben hinabsehen' auf sie.
240
2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Mit Beziehung ist im letzten Fall die jeweilige Beziehung zwischen Individuen gemeint. Diese sind aber auch Rollenträger (Statusrollen und institutionelle Rollen) in der Gesellschaft; deshalb können Rollen- und Beziehungsstile sich mischen (vgl. Leodolter 1975, 1976): Soziale und institutionelle Rollendifferenzen können durch Beziehungsgestaltung verstärkt werden, oder sie können gemildert werden (je nach Bewertung auch: verschleiert) durch Arten der Beziehungsgestaltung. Im Unterschied zu Sornig (1983) möchte ich (wie Adamzik 1984) die soziale Hierarchie mit sozialen Statusrollen und Institutionsrollen hier ausklammern. Es geht mir hier um typische Arten der Gestaltung von Beziehungen zwischen Individuen, d. h. um die folgenden Untertypen der Beziehungsgestaltung; dabei handelt es sich jeweils um Skalen: — Sympathie — neutral — Antipathie (Adamzik 1984, 128 f.); — Wertschätzung, Höflichkeit... — neutral — Aggression, Mißachtung . . . (Werlen 1983, Franck 1975, Sornig 1975, Stempel 1976; Holly 1979, 81 ff.); — Nähe - neutral — Distanz (Adamzik 1984: Intimität, Freundschaft, Bekanntschaft, Fremdheit; Holly 1983, Sornig 1983); — positiv - neutral - negativ (Holly 1976, 1979; Adamzik 1984). Holly (1976) unterscheidet die positiven und negativen Einschätzungen zu den Beteiligten in: Selbstbestätigung (+) und Partnerbestätigung (+) und in Selbstkritik ( —) und Partnerkritik (—). Es sind dadurch verschiedene Relationstypen möglich jeweils für Sprecher und Adressat (Holly 1979, 73 ff.): ( + / + ) , (+/ ~~ )> ("/+)> {—/—)• Die Sympathie-Skala und die Wertschätzungsskala kann man jeweils so differenzieren. — duzentriert — neutral — ichzentriert (Sandig 1983): Bei Duzentrierung geht der Sprecher soweit wie möglich auf den Adressaten ein, versucht, soweit als möglich, dessen Perspektive einzunehmen, läßt seine eigene beiseite. Bei ,neutraler' Orientierung übernehmen Sprecher und Adressat wechselseitig und variabel jeweils die eigene und die Fremdperspektive. Bei Ichzentrierung versucht der Sprecher auf den Adressaten einzugehen, er tut dies aber nur aus der eigenen Perspektive, er kann die Perspektive des Anderen nicht übernehmen. Hierdurch entsteht eine autoritäre',
2 . 2 . Die Handelnden und ihre Beziehung
241
verständnislose' . . j e d e n f a l l s problematische Beziehung, vgl. die Beispiele in Sandig ( 1 9 8 3 ) . — überlegen — neutral — unterlegen, im Sinne von: ,sich erhebend' über den Adressaten, ,stärker' als dieser und den Adressaten herabsetzend' bzw. sich als Adressat,herabgesetzt', s c h w ä c h e r ' fühlend. Vgl. Holly ( 1 9 7 9 ) : ( + / - ) und ( - / + ) , auch Oomen ( 1 9 8 3 ) , Stempel ( 1 9 7 6 ) . M a n könnte diese Skala auch formulieren als „komplementär" (für überlegen/unterlegen) und „symmetrisch" für ,neutral'. Da aber bei Watzlawick u . a . ( 1 9 7 2 ) hierunter auch die institutionelle Rollenverteilung gemeint ist (Mutter/Kind, Lehrer/Schüler), möchte ich hier auf diese Termini verzichten; vgl. die Kritik bei Bremerich-Vos ( 1 9 8 5 , 7 3 f.). ,Uberlegen' oder ,unterlegen' kann jemand die Beziehung auch in einer Beziehung sozial oder institutionell Gleichrangiger gestalten. Ein Beispiel dafür gibt Ramge ( 1 9 7 8 , 5 5 ff.) mit drei sechsjährigen Schülerinnen: (64)
Die Kinder kommen herein, setzen sich, drehen auf den Stühlen, außer Stephanie: Ulrike: zu S, die zum Fernseher blickt Du brauchst
nicht so zu kucken! Stephanie:
Du kannst dich ja
drehn! auch zu Claudia macht vorsichtig-vergeblich Drehbewegungen
Ulrike: Stephanie: Ulrike: Stephanie: Ulrike: Stephanie: Ulrike:
Dreh dich ma! Wie heißtn du? Stephanie Mit Nachnamen?
Claudia: (...)
Und da is der Fernseher
N. Die Hände an den Schenkeln, steif.
Wie alt bistn du? Sechs zögernd ( . . . ) Ich bin auch schon sechs! Blickt zum Fernseher, zu Claudia: Sechs is se!
Dies ist ein Beispiel dafür, wie unter Gleichrangigen eine Beziehung der Überlegenheit bzw. Unterlegenheit hergestellt wird.
242
2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Diese Skalen sind sicher noch zu vermehren; sie wurden bei der Analyse von Gesprächsausschnitten und von Gesprächsmitteln herausgearbeitet. Man wird bei einigen Punkten der Skalen eine Kombinatorik annehmen dürfen, die sich dann in einer Mischung der entsprechenden Mittel zeigen dürfte. So kann eine hinsichtlich Sympathie oder Antipathie ,neutrale' Beziehung durchaus ,positiv' gestaltet werden. Eine ,negativ' gestaltete ,Nähe' ist z. B. der ,ichzentrierte' Umgang mit dem Adressaten. ,Positive' ,Distanz' zeigt sich z. B. in ,Höflichkeit'. Bei Adamzik (1984) werden verschiedene Grade positiver oder negativer Bewertung unterschieden: harte Partnerkritik, weiche positive Bewertung usw. Es dürfte unter dem Gesichtspunkt der Stilistik interessant sein, die sich andeutende differenzierte Vielfalt von Möglichkeiten der Beziehungsgestaltung im Zusammenhang zu betrachten. b) Zur Relation von Beziehungsgestaltung und sprachlichem Handeln Adamzik schreibt (1984, 125): „(...) die sprachliche Beziehungsgestaltung gehört zu den Aspekten, die weder der Sprecher noch der Hörer immer oder auch nur in der Regel berücksichtigen." „Vom Gesichtspunkt der Rekonstruktion der Sprecherintention aus betrachtet, ist (...) festzustellen, daß die sprachliche Beziehungsgestaltung eine Form intentionalen Handelns sein k a n n , daß Beziehungsänderungen aber n i c h t n o t w e n d i g beabsichtigte Effekte sprachlicher Interaktion sind. Was die Ebenen des hörerseitigen Verstehens und der Interpretation von Sprechhandlungen durch Außenstehende angeht, so stellt die Beziehungsgestaltung einen Gesichtspunkt dar, unter dem jede Äußerung betrachtet werden k a n n ( . . . ) " (ebda. 126). Es erscheint nach Adamzik (1984, 126) „sinnvoll, die Beziehungsgestaltung als e i n e n Typ von Intentionen, die man mit sprachlichen Äußerungen verwirklichen kann, (anzusehen) und den Beziehungsaspekt als e i n e Kategorie, unter der solche Äußerungen interpretiert werden können, zu begreifen." Die angeführten Skalen zeigen auch jeweils einen ,neutralen' Bereich. Dazu schreibt Adamzik (1984, 22): „ . . . wenn sprachliche Interaktionen als Vollzug bestimmter Handlungsmuster beschrie-
2 . 2 . Die Handelnden und ihre Beziehung
243
ben und wenn den dabei verwendeten Äußerungsformen ein jeweils unterschiedlicher ,Beziehungswert' zugesprochen werden kann, dann müßte auch an j e d e Äußerungsform die Frage zu stellen sein, welche Art der Beziehung(sgestaltung) in ihr zum Ausdruck kommt ( . . . ) . D. h. auch aus dem Fehlen einer ,markierten Form' lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, wie die Interaktanten zueinander stehen (wollen)". M a n muß also von verschiedenen Gewichten der Beziehungsgestaltung ausgehen (vgl. Adamzik 1984, 25). Adamzik ( 1 9 8 4 , 1 0 9 ) stellt fest, daß der Beziehungsaspekt nicht als Teilakt von Sprechakten (wie Illokutionsakt, Referenzakt . . . ) zu betrachten ist, sondern daß er „ q u e r " zu diesen verlaufe. Bei von Polenz ( 1 9 8 0 , 1 9 8 5 ) wird die „soziale und/oder psychische Beziehung (Imagearbeit usw.)" ( 1 9 8 0 , 140) parallel angeordnet mit Illokution, propositionaler Einstellung und Perlokution zusammen: Der in einem Kontext/einer Situation geäußerte Satz/Satzteil kann also sowohl im Hinblick auf Sprechakteigenschaften wie auf Beziehungseigenschaften interpretiert werden. Adamzik nimmt deshalb die Beziehungsgestaltung als Gleichzeitighandlung zu den Sprechakten an ( 1 9 8 4 , 1 1 0 ff.); deshalb wird die Beziehung vorrangig über den Stil gestaltet (vgl. 1.3.6. und 1.6.2.). Illokutionen und propositionale Einstellungen können explizit gemacht werden, müssen es aber nicht; Perlokutionen werden nur selten explizit ausgedrückt: Ich wünschte, ich könnte dich überzeu-
gen; Ich würde dich gern davon überzeugen, daß . . . Beziehungen
werden „häufig in verdeckter Form gestaltet" (Adamzik 1 9 8 4 , 2 5 ) ; eine explizite Thematisierung von Beziehungen ist selten und sicher in der Anwendbarkeit beschränkt (vgl. Schwitalla 1 9 7 9 ) . Auch bei der expliziten Thematisierung der Beziehung wird gleichzeitig oder zusätzlich die Beziehung gestaltet; dabei können thematisierte Beziehung und gestaltete Beziehung übereinstimmen, z. B. Ehemann zur Ehefrau (oder umgekehrt):
(65a)
Ich gebe mir alle Mühe, dir gegenüber tolerant zu sein. Das ist nicht immer einfach für mich.
Thematisierte und realisierte Beziehung müssen aber nicht übereinstimmen:
244
(65b)
2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Eigentlich müßte dir doch längst aufgefallen tolerant ich dir gegenüber bin.
sein,
wie
Das angesprochene Du wird ,negativ' dargestellt: hat nicht gemerkt, was es längst gemerkt haben sollte, das Ich wird ,positiv' dargestellt (wie tolerant ich bin), ebenso die explizierte Beziehung (tolerant dir gegenüber). Demgegenüber werden in (65a) beide Gesprächspartner ,positiv' dargestellt und demgemäß auch die Beziehung. Im Beispiel (65a) drückt sich die Art der Beziehung aus durch das Reden über den Sprecher selbst; im Beispiel (65b) ist auch das Reden über den Sprecher selbst eingebettet in das Reden über den Anderen (Partnerkritik, Adamzik 1984). Beziehungsgestaltung geschieht, wie die Beispiele zeigen, in der Regel implizit, mit stilistischen Mitteln (vgl. 1.6.2.). Die in 1.5.5. betonte Einheitlichkeit des Stils zeigt sich auch beim Beziehungsaspekt: Die Beziehung entwickelt sich jeweils über mehrere einzelne Sprechakte hinweg; sie gehört nicht nur als Gleichzeitig- oder Zusatzhandlung zu einem einzigen Sprechakt. Ausdrucksformen für die Beziehung sind nach Adamzik (1984,123-127) nicht nur auf einer einzigen linguistischen Beschreibungsebene zu finden: Sie reichen von der Stimmqualität über die Verwendung von Morphemen (würde, sollte anstelle des Indikativs) und Lexemen (bewertender Art, zustimmungsheischende Partikeln wie nicht wahr?) bis zu Formeln (Sprichwörter, Gemeinplätze) und charakteristischen Propositionen, Beschreibung von Situationsaspekten: Die Suppe ist kalt (1984, 255) und bis zu Sprechakttypen (KONSTATIEREN und BEWERTEN) mit ihren Untermustern. Nach Adamzik (1984), Holly (1979) und Sandig (1983) kann man noch charakteristische Sprechakt-Sequenzen hinzufügen. Die Mehrstufigkeit der Struktur, die in 1.6.1. für Stil generell betont wurde, zeigt sich also auch bei der Beziehungsgestaltung. Adamziks metaphorische Einordnung der Beziehungsgestaltung „quer" zu den Sprechakten (1984,109) ist also folgendermaßen zu verstehen: Es ist eine Gleichzeitighandlung (oder Zusatzhandlung, je nach Gewichtung durch den Interpretierenden), die sich in größeren Text- oder Gesprächspassagen (über einzelne Sprechakte hinweggehend) durch die absichtlichen oder unabsichtlichen Wahlen von Elementen der verschiedenen Beschreibungs-Ebenen (vgl. Adamzik 1984, 68) sprachlichen Handelns zeigt.
2 . 2 . Die Handelnden und ihre Beziehung
245
2 . 2 . 3 . 2 . Beispiele a) Zunächst ein Beispiel aus „Texte gesprochener deutscher Standardsprache" (III, 5 1 ) in der Schreibung von Adamzik ( 1 9 8 4 , 3 1 6 f . , dort mit Beschreibung): Drei Sprecherinnen unterhalten sich beim Kaffeetrinken über die Planung einer Urlaubsreise.
(66)
A: Sag mal, Mensch, soll man denn immer alles Zeug mit sich schleppen ? Und im Hotel ist es ja dann genau so wenig sicher. B. Sagen Sie, müssen Sie denn unbedingt n Fotoapparat mitnehmen? C: Ich würd schon einen mitnehmen. B: Na ja, schön is es natürlich. A: Ich mein, es ist natürlich schön. C: Schön is es. Machen sie Dias? A: Ja, das is natürlich ganz schön. C: Also ich würd ihn mitnehmen. B: Sind Sie die einzige, die einen mitnimmt? A: Nee, Herr NN und Fräulein NN, aber die sind nun wieder im andern Auto. B: Das ist schon ganz schön. C: Ja, und also ich mein, wir hatten, als wir in Griechenland waren, alle drei einen Fotoapparat mit. A: Ja. C: Zwei haben es war schwarz-weiß und mein Verlobter hat Dias gemacht. Und wir hatten soviel verschiedene Bilder nachher. A: Ja, eben, nicht? Das ist dann doch ganz schön.
In der Passage wird ein Problem (Art des Themas) mit positiven und negativen Aspekten gemeinsam argumentierend bearbeitet (Art der Handlung als Teilhandlung des Tischgesprächs). Das Gespräch entwickelt sich folgendermaßen: M i t Sag mal, Mensch und denn leitet A ein neues Thema ein (Schank 1 9 8 1 ) : Es geht um einen negativ bewerteten Sachverhalt, ein Problem: immer
alles Zeug mit sich schleppen,
im Hotel ist es ja dann genau so
wenig sicher („extradyadische Bewertung", Adamzik 1 9 8 4 , 2 5 2 f f . ) , d . h . die Bewertung betrifft weder den Sprecher noch den
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2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Adressaten, sondern etwas außerhalb der Beziehung Liegendes. Mit ja und mit der Generalisierung man wird das eigene Image geschont (Holly 1979, 200). Mit dem dann wird eine Konklusion angezeigt. B nimmt den negativ bewerteten Sachverhalt auf, aber so, daß sie auf A referiert und mit Sagen Sie und müssen Sie denn unbedingt die übernommene Bewertung emotional verstärkt (Adamzik 1984, 257): Sagen Sie, müssen Sie denn unbedingt n Fotoapparat mitnehmen? Dadurch besteht die Gefahr der Etablierung einer Negativbewertung von A (negative Partnerbewertung, Adamzik 1984); der Gesprächszug könnte von A oder C als „Zwischenfall" (Holly 1979) gewertet werden, der das Bewertungs-Gleichgewicht (vgl. Good 1979) der Beteiligten störte. In diesem Fall könnte sich das Gespräch etwa so entwickeln: (66a) B: Sagen Sie, müssen Sie denn unbedingt n Fotoapparat mitnehmen? A: Natürlich nicht. Aber was geht Sie das eigentlich an?! Aber das ist ja nicht Ihr Problem. B: Ach, ich wollt ja nur / Ich wollt mich nicht einmischen. Entschuldigung. A: Schon gut. Ist ja auch n unbequemes Ding. C: Aber, schön is es doch, wenn man nachher die Bilder hat. Also ich ... A würde B's Zug als Imageverletzung interpretieren und B eine „Veranlassung" zur Wiedergutmachung geben, daraufhin würde B ein „Korrektiv" äußern und A sich dafür in einem „Entgegenkommen" bedanken. Zu dem Muster für die interaktive Korrektur beziehungsgefährdender Handlungen s. Holly (1979, 58): Das Muster enthält noch „Dank" (des B) und „Bagatellisierung" (des A) als weitere Elemente; diese sind jedoch im Beispielfall ausgespart: A gibt eine Einverständniserklärung mit B auf der Sachverhaltsebene mit ja auch und mit der Bewertung (n unbequemes Ding), die in B's Anfangszug nur präsupponiert (als gegeben vorausgesetzt) ist. Es kommt also nicht auf den Gesprächszug selbst von B an, sondern auf die Interpretation, die er von den Beteiligten erhält. Im Beispiel (66) greift nun C ein: Ich würd schon einen mitnehmen. ,Vorsichtig' mit Ich würd und mit schon ,zugebend', daß es
2 . 2 . Die Handelnden und ihre Beziehung
247
Gegengründe gibt. C's Formulierung einen mitnehmen greift B's Formulierung n Fotoapparat mitnehmen verkürzend auf, C setzt sich also nicht völlig in Gegensatz zu B, sondern nur teilweise. Indem C von sich spricht und nur vorschlägt, also leise bewertet, vermeidet sie die Gefahr der Beziehungsbelastung. Ganz anders
wäre ein Zug von C wie Ich bin nicht Ihrer Meinung / Ich bin da ganz anderer Meinung! Hierdurch würde C die Beziehung zu B (und A?) ,negativ', ,distanziert' . . . gestalten. Auch mit Sie sollten schon einen mitnehmen würde C nicht auf A eingehen (duzentriert), sondern von sich aus Ratschlagen (ichzentriert), vgl. Sandig ( 1 9 8 3 ) . C könnte auch einen von ihr vermuteten Beziehungskonflikt zwischen A und B abwiegeln wollen mit einer Generalisie-
rung: Ein Fotoapparat ist ja (doch) nicht so schwer / So schwer ist ein Fotoapparat ja (auch) nicht (vgl. Holly 1979, 200 ff.). Das Gespräch nähme in all diesen Fällen einen ganz anderen Verlauf, zumal C nicht auf das Problem von A eingehen würde ^Mißachtung'), wodurch A die Züge von B und C zusammen als ,negativ' aufnehmen könnte. Die Beziehung kann grundsätzlich mit jedem Gesprächszug verändert oder stabilisiert werden; dies geht aus Adamziks ( 1 9 8 4 ) Sequenztypen deutlich hervor. B's Antwort auf C: Na ja, schön is es natürlich erhält noch immer eine implizite negative Bewertung des Sachverhalts: na ja (vgl. Auer/Uhmann 1 9 8 2 über „Vorlaufelemente"), aber nicht mehr auf die Person gewendet. M i t schön is es natürlich gibt sie außerdem explizit eine andere Bewertung, durch natürlich als ,zugebend' und zweifelsfrei' gekennzeichnet. A geht darauf ein mit Ich mein, es ist natürlich schön; mit ich mein wird auf den ,Gegensatz' implizit und mit einem ,Argumentations'-Signal (vgl. Schank 1 9 8 1 , 7 0 ) eingegangen; außerdem nimmt A aber die Formulierung von B wörtlich wieder auf, wobei in der Umstellung das natürlich mehr Betonung haben dürfte als bei B. Auch C nimmt die Worte von B und A wieder auf: Schön is es, zum Zeichen des Einverständnisses der gleichlaufenden Bewertung aller (vgl. K . M ü l l e r 1 9 7 9 , 2 1 0 ) und ohne weitere Relativierungen. Die Gefahr des Zwischenfalls ist im wechselseitigen Einverständnis gebannt und C kann ein neues Teilthema anschneiden, um das Problem weiter zu bearbeiten: Machen Sie Dias? (Schank 1 9 8 1 , 71 „Formulierungshandlung"). A
248
2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
geht mit Ja darauf ein, wählt aber im Kommentar dazu noch einmal dieselbe Formulierung wie vorher, diesmal relativierend mit ganz: das is natürlich ganz schön. Dabei kommt noch immer ein Bewertungszwiespalt inbezug auf den Sachverhalt heraus, denn negative Bewertungen werden dem anderen gegenüber in der Regel nicht sehr deutlich ausgedrückt, sondern eher abschwächend (Auer/Uhmann 1982), gerade um die Beziehung nicht zu belasten. C greift nun noch einmal ihre frühere Formulierung auf: Also ich würd ihn mitnehmen, wobei mit dem also ein neuer thematischer Teil-Abschnitt (Schank 1981, 62, 67) markiert ist, ein Abschluß. Daraufhin wendet sich B einem neuen Teilthema zu, um noch einen Beitrag zur Problemlösung zu geben: Sind Sie die einzige, die einen mitnimmt? A antwortet, daß dieser Aspekt nur teilweise zur Lösung des Problems beiträgt: Nee, Herr NN und Fräulein NN, aber die sind nun wieder im anderen Auto. Mit nun wird ein neues Teilproblem markiert (Schank 1981, 192—194), mit wieder wird angezeigt, daß es ein neues, bisher nicht in den Blick geratenes Teilproblem ist. Deswegen greift B noch einmal ,zugebend' aber auch mit ganz ,differenzierend' auf den vorigen Konsens zurück: Das ist schon ganz schön. C gibt, B mit ja bestätigend und dann vorsichtig mit und also ich mein einleitend, ein neues Argument, dem A zustimmt. Am Ende steht A's mehrfache Bestätigung ja, eben und die in diesem Kontext wohl nur noch rhetorische Zustimmungserheischung nicht? Darauf schließt A die Argumentation ab (dann) mit der schon mehrfach gewählten Formulierung, in der mit doch aber immer noch der ,Gegensatz' (Bastert 1985) markiert ist: Das ist dann doch ganz schön. ,Es ist zwar schön, Dias zu haben, aber der Fotoapparat ist auch lästig.' Das Beispiel ist deshalb interessant, weil es thematisch um einen Sachverhalt geht, der sowohl positiv wie auch negativ bewertet ist: schön und schleppen. Dabei neigen A und B zur Betonung des Negativen, C zur Betonung des Positiven. Die Gefahr nun ist, daß B's negative Bewertung die Beziehung zu A belastet. Auch C fühlt sich für das Aufrechterhalten einer allgemeinen guten Beziehung verantwortlich. Das negative Bewerten von Personen geschieht häufig über die negative Bewertung von Sachverhalten, die mit der Person verknüpft sind (Adamzik 1984, 287); gerade deshalb ist es
2.2. Die H a n d e l n d e n und ihre Beziehung
249
wichtig, negative Bewertungen außerordentlich vorsichtig auszudrücken (Auer/Uhmann 1982). Mittel dazu sind „Vorlaufelemente" wie ja aber, na ja und vor allem die Modalpartikeln wie doch, natürlich, auch eben, auch usw. (vgl. Adamzik 1984, 207 ff.; Holly 1979, 203 ff.; Franck 1980). Das Problem wird mit mehreren Teilthemen argumentierend bearbeitet. Die Voraussetzung für dieses gemeinsame Handeln und die gemeinsame Themenentfaltung ist eine positive, unbelastete Beziehung; andernfalls wäre das Gespräch eher versiegt, oder es hätte ein Themenwechsel (und evtl. ein Wechsel der Handlungsart) stattgefunden (Schank 1981, 99; Beispiele in Sandig 1983). Beziehungsgestaltung zeigt sich also strukturell mehrstufig von Vorlaufelementen, Gliederungselementen (auch Holly 1979, 209 ff.) und Partikelgebrauch über Referenz (worauf wird referiert — Holly 1979) und Prädikation (ist die Prädikation ,positiv' oder ,negativ' bewertend oder ,neutral', Adamzik 1984), und damit Sprechakte (Adamzik 1984) bis zur Art der Handlungsdurchführung und Themenentfaltung (Sandig 1983), auch in der Quantität des gemeinsam Geäußerten (Holly 1983, Schank 1981, 110ff.): langes Miteinandersprechen hat den Sinn ,Nähe', ,positive' Beziehungsdefinition; kurzes Miteinandersprechen den Sinn ,Distanz' und mindestens ,neutrale' Beziehungsdefinition; Abbrechen, unvermittelter Themenwechsel etc. hat in ,privater' Situation den Sinn ,negative' Beziehungsdefinition (vgl. Sandig 1983). Weitere Analysen von Gesprächen und Gesprächsausschnitten, in denen Beziehungsgestaltung im Vordergrund steht, sind zu finden in: Adamzik (1984, 312 ff.), Holly (1979, 104 ff.), Holly (1976), Holly (1979a), Holly (1983), Sandig (1983), Ramge (1978, 5 5 - 6 2 ) ; bei Henne/Rehbock (1982, 2 8 0 - 2 9 2 ) wird am Beispiel die Beziehungsgestaltung in Relation zu den Beschreibungsebenen Gesprächsorganisation, Handlungskonstitution und Themenentfaltung („Bedeutung") beschrieben. Dies zeigt, daß Beziehungsgestaltung bisher vorrangig für Gespräche analysiert wurde: Vgl. die „Ebene der Sozialbeziehungen" oder „der Beziehungskonstitution" bei Kallmeyer/Schütze (1976); Ramge (1978) sieht anscheinend die Beziehungsgestaltung vorwiegend auf die Anfangs- und Endphase von Gesprächen begrenzt; wir können hier sagen, daß
250
2 . S t i l f u n k t i o n s t y p e n : T h e o r i e a s p e k t e , Beispiele, S t r u k t u r e n
sie da dominant ist (vgl. zu unterschiedlichen Gewichten Adamzik 1984), sie ist dort aber vermischt mit rituellen Gesichtspunkten, vgl. das rituelle Muster und die individuelle Durchführung für den Beginn von Telefongesprächen in 2.6.1. b) Für schriftlich durchgeführte Sprachhandlungen ist der Beziehungsaspekt bei von Polenz (1980; 1985) betont worden. Heiratsannoncen dienen dazu, eine ,intime' Beziehung möglich zu machen; deshalb ist es gerechtfertigt, danach zu fragen, ob sie über die expliziten Angaben hinaus auch stilistisch implizite Hinweise auf eine Art möglicher Beziehung enthalten. Methodisch zeigt sich dies am besten durch einen Vergleich („Die Zeit" 11.6.1982): ^ ^
R a u n 74s Einer Frau, sehr weiblich empfindend und aussehend (Wenig-Raucherin), die mit den Verhärtungen in meiner Seele umgehen will wie eine liebevolle Giitnerin mit steinigem Boden, würde ich gerne ein zärtlicher, ehrlicher Freund und Partner sein. (32, fehlerhaft, Mischung aus Sozialist [aktiv], Bürger und Streuner, äußerlich ruhig arbeitsam, verständnisvoll.) Ich ttnd's schön, Post von Dir zu bekommen (evtl. mit Bild?). ZW 3814 DIE ZEIT, Postfach 10 68 20, 2000 Hamburg 1
(25)
MANN MIT
FLÜGEL
könnte sich in einen strahlenden, schönen, frechen Engel verlieben, dem alle irdischen Freuden himmlisches Vergnügen bereiten, der aber aus den Wolken ttllt, wenn die Weh geschunden wird. Aufs Land geflüchteter Medizynmann (34), der sich aber gut in der Stadt sehen lassen kann, hat in seinem Paradies im Norden einen Apfelbaum und ist jetzt neugierig auf den Sommer. Bildzuschriften bitte an: ZF 3799 DIE ZEIT, Postfach 10 68 20,2000 Hamburg 1
In der ersten Annonce referiert der Annoncierende auf sich selbst mit ich. Dadurch kann er schreiben: in meiner Seele, würde ich gerne, Ich fänd's schön. Die reine Selbstbeschreibung ist zurückhaltend' eingeklammert und vermeidet die Verwendung von ich. Dagegen ist ich verwendet, wenn es um die Beziehung geht. Dabei ist auf die Gesuchte am Beginn der Annonce noch in der 3. Person referiert, am Ende der Annonce geht der Schreiber jedoch zum Du über. Daß die Art der Referenz auf die Beteiligten für die Gestal-
2 . 2 . Die Handelnden und ihre Beziehung
251
tung der Beziehung wichtig ist, geht für Gespräche aus Holly ( 1 9 7 9 , 198 ff.) hervor und aus Franck (1984). Im Text wird eine Wendung von der Anrede mit der ,distanzierten' 3 . Person zum ,nahen' du vollzogen. Dabei ist allerdings der Anfangsausdruck Einer Frau (Nutznießer-Rolle, von Polenz 1 9 8 5 , 170) bereits Teil
der Äußerung Einer Frau (...) würde ich gerne (...) Freund und Partner
sein, d. h. ,Distanz' ist nur graduell ausgedrückt.
Nun zur zweiten Annonce: Der Schreiber referiert auf sich selbst und auf die Gesuchte ,distanziert' in der 3. Person. Auch die Aufforderung zum Kontakt geschieht,unpersönlich': Bildzuschriften bitte an. M a n vergleiche damit Beispiel (67): Ich fänd's schön,
Post von Dir zu bekommen
(evtl. mit Bild?). Die eingeklammerte
Frage läßt der Angesprochenen Freiheit, während in Beispiel (25) Bestimmtes erbeten wird. Die Gesuchte wird im ersten Teil metaphorisch „verpackt" als Engel und syntaktisch gelagert als Objekt (syntaktische Ergänzung) zum Prädikat, dessen Subjekt der Schreiber selbst ist; im zweiten Teil ist sie nur per Anspielung (Römer 1 9 7 7 ) vorhanden: als „ E v a " im Paradies des Schreibers mit seinem Apfelbaum. Insgesamt dominiert in dieser Annonce die Selbstdarstellung, von der Uberschrift mit der mehrdeutigen ,verrätselnden' Prädikation Flügel über sich selbst (,Instrument', ,Pegasusflügel', ,ein Engelsflügel'?) bis zu dem auch sonst intelligent', s p r a c h g e wandt' verfaßten Text. M a n wird, nur aufgrund der Art der Durchführung, vermuten dürfen, daß der Schreiber des ersten Textes nicht nur von Partnerschaft schreibt, sondern sie auch ermöglichen könnte; der Schreiber des zweiten Textes dürfte eher eine ,egozentrische' Beziehung möglich machen (vgl. auch Sandig 1 9 8 5 ) : Durch die Art der Selbstbeschreibung und der Partnerbeschreibung und durch die Art der Relation beider wird auch die Art der möglichen Beziehung stilistisch mit dargestellt. Von hier aus betrachtet können noch einmal die Sinntypen Selbstdarstellung und Adressatenberücksichtigung aufgenommen werden: Durch positive Selbstdarstellung und gleichzeitige geringe Adressatenberücksichtigung entsteht eine ,negative',,distanzierte', ,verächtliche' . . . Beziehung zum Adressaten; durch Mittel der
252
2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Adressatenberücksichtigung entsteht eine ,positive', ,nahe', w e r t schätzende' . . . Beziehung zum Adressaten. Und dies sowohl schriftlich wie mündlich. 2.2.3.3. Einige Mittel der Beziehungsgestaltung Ein Inventar beziehungsgestaltender Mittel ist zu finden in Adamzik (1984); dort werden auch Sequenzmuster mit ihren Alternativen gegeben. Bei Holly (1979) werden einige Sequenzmuster anhand von Beispielen besprochen, dazu einige typische sprachliche Mittel. Somig (1983) gibt eine umfassende Darstellung von Mitteln zur Gestaltung von ,Distanz'/,Nähe', aber auch von ,Macht'. Die Mittel der Beschimpfung (Attacke ...) sind inventarisiert in Sornig (1975). Inventare für ichzentriertes und duzentriertes Beziehungsgestalten sind in Sandig (1983) aufgeführt. Mittel,neutraler' bis ,positiver' Beziehungsgestaltung werden bei K. Müller (1979) unter dem Begriff „Partnerarbeit" angeführt. Uber die oben bereits angesprochenen Mittel der Beziehungsgestaltung hinaus sollen hier noch einige weitere zur Sprache kommen. a)
„Indirekte" Sprechakte
„Indirekte" Sprechakte werden bei Ramge (1978) im Zusammenhang der Beziehungsgestaltung gesehen. Bei „indirekten" Sprechakten wird eine im Kontext und/oder in der Situation verstehbare Intention nicht wörtlich sondern anders, „indirekt" formuliert. Bei Hindelang (1978, 1983) werden stattdessen Handlungsmuster angenommen (vgl. 1.3.2.): Verschiedene konventionalisierte Formulierungsmöglichkeiten für einen Sprechhandlungstyp sind vorgegeben. Meyer-Hermann (1976) und Hindelang (1983) nehmen an, daß in der Handlungssituation die „indirekte" Formulierung eindeutig verstanden werden kann. Deshalb sind über die konventionellen Formulierungsweisen für Sprechhandlungen hinaus auch individuelle Formulierungsarten grundsätzlich möglich (Strukturtyp: Relationsstruktur bezogen auf den Situationstyp). Die R e l a t i o n der als intendiert verstehbaren Handlung und der ausgedrückten Handlung, die Formulierung also, ist stilistisch sinn-voll. Hier liegt also eine Parallele vor zur „Art der Handlungsdurchführung" bei Textmustern: Es geht darum, wie die (einfache)
2.2. Die H a n d e l n d e n u n d ihre Beziehung
253
Handlung eines Typs formulierend durchgeführt wird und welcher stilistische Sinn durch die Art der Durchführung hergestellt wird. So kann die ,Bitte oder Aufforderung, dem Sprecher das Salz zu reichen' formuliert werden als Gib mir das Salz-, sie kann aber auch ,vorsichtiger',,weniger stark' formuliert werden mit Kannst du mir das Salz reichendie illokutionäre Kraft der Bitte oder Aufforderung wird in der Formulierung zurückgenommen', abgeschwächt', dadurch Rücksicht auf den Adressaten genommen. Mit der Partikel mal wird dazu noch der Wunsch des Sprechers als Einstellung ausgedrückt (vgl. 2.4.3.): Gib mir mal das Salz oder in der Formulierung abgeschwächt: Kannst du mir mal das Salz reichen? Mit einem zusätzlichen bitte wird Bitte, Frage und Wunschausdruck zugleich gegeben: Kannst du mir bitte mal das Salz geben? Die ,Abschwächung' der Aufforderung und die ,Subjektivierung' durch mal (vgl. 2.4.3.) dienen der möglichst positiven' Beziehungsgestaltung. Werlen (1984, 324 ff.) sieht „indirekte" Sprechakte als eines der Mittel, eine Beziehung ,höflich' zu gestalten (vgl. Franck 1975). Dies gilt allerdings wohl nicht generell: Wird eine Drohung als Versprechen formuliert, so wird die ,aggressive' Handlung hier nur zum Schein, vielleicht auch zynisch, als Versprechen, als ,positiv' für den Adressaten formuliert. Werlen beschäftigt sich mit den „konventionalisierten indirekten Sprechakten" (1984, 347 ff.), wie sie bei Hindelang (1978) als Bestandteile eines Handlungsmusters zur Durchführung eines Handlungstyps gesehen werden (vgl. 1.3.2.). Hindelang (1983) berücksichtigt auch ansatzweise das unterschiedliche stilistische Potential der verschiedenen konventionellen Durchführungsmöglichkeiten. Zu der „indirekten" Formulierung kommt als weitere Möglichkeit ,höflicher', image-schonender Rede die Verwendung von Modalpartikeln (vgl. Franck 1980, 151): Kannst du mir denn mal das Salz geben? Die intendierte illokutionäre Kraft kann nun noch weiter abgeschwächt werden durch die Verwendung von Modalverben und anderen Modalausdrücken, „um höflicher zu wirken" (Werlen 1984, 347), vgl. auch Werlen (1983), Fräser (1980): wolltest du mir mal das Salz reichen? Darf ich dich bitten ...?
254
2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Werlen (1984, 347 f.) gibt folgendes Beispiel aus einem Streitgespräch (Löwenthal/Nannen) aus „Texte gesprochener deutscher Standardsprache II" (226, [für Gleichzeitigreden): (68)
AC Herr Löwenthal, Herr Löwenthal, lassen Sie mich dazu ein Moment AC etwas sagen AB Sie können sofort sagen, darf ich zu Ende reden? AC [es gibt keinen einzigen Fall im Stern, in dem jemand AB [darf ich zu Ende reden? AC angegriffen worden ist, weil er früher ein Nazi war. Im Fall rLübke habe ich AB [aber ich darf Sie bitten AC ausdrücklich geschrieben, es liegt mir fern, in einem Volk, [in dem immerhin neunzig AB [aber ich darf Sie bitten AC Prozent Hitler gewählt haben ...
[
Werlen schreibt dazu (1984, 348): „Auf der Ebene der Gesprächsorganisation nimmt AC ( . . . ) sich das Wort", wozu er die Anrede verwendet, „während AB durch den ganzen Abschnitt erfolglos versucht, dies zu verhindern. Obwohl die Auseinandersetzung scharf ist, verwenden die Kontrahenten redressive Mittel (.. .)• Da die redressiven Mittel konventionalisiert sind, verfehlen sie jedoch weitgehend ihre Wirkung." Diese Mittel sind: die Verwendung von Modalverben ( d ü r f e n ) mit Frage-Form und die Einbettung der unausgesprochenen Frageäußerung in ein Bitten, das durch die Verwendung des aber Vorwurfscharakter erhält; AC hat gegen die Gesprächs-Norm verstoßen, den Partner zuende reden zu lassen (vgl. Werlen, 348). Das Beispiel zeigt gut, wie in dieser Gesprächspassage zwei unverträgliche Gesprächsstile verwendet werden: Normverletzung vs. Höflichkeit. Die Modalverben sind Mittel zur Herstellung abgeschwächter Performative (Fräser 1980; Werlen 1984, 349 ff.). Nach Werlen (1984) sind „Höflichkeitsindikatoren" (371): mit Modalverben abgeschwächte Performative, Konjunktivformen bei Performativen, Modalpartikeln bei Performativen, Konditionalsätze mit Performativausdrücken wie wenn ich Sie
2 . 2 . Die Handelnden und ihre Beziehung
255
mal unterbrechen darf (363) und „Klammerabschwächungen", d. h. Parenthesen wie ich möchte (fast) sagen ( 3 6 5 ff.) und überhaupt „indirekte" Sprechakte. Alle derartigen „Höflichkeitsindik a t o r e n " dienen dem Abschwächen der Illokution und dadurch dem prophylaktischen Wahren des Gesichts des Anderen. Werlen nimmt verschiedene Grade der Höflichkeit an wie auch, daß es „syntagmatische Relationen von Höflichkeitsindikatoren, also Konkurrenzbeschränkungen" (Werlen 1 9 8 4 , 3 7 1 ) gibt. In der hier gewählten Sicht: die intendierte Wirkung der Höflichkeit muß durch „fortführendes" konsistentes Wählen ,höflicher' Ausdrucksmittel angezeigt werden; der Stil muß einheitlich ,höflich' sein. Ein Beispiel von Werlen ( 1 9 8 4 , 3 7 1 ) :
(69)
a b c d e
Ihre Behauptung ist falsch! Ich will sagen, daß Ihre Behauptung falsch ist. Ich möchte (nur) sagen, daß Ihre Behauptung falsch ist. Ich darf (wohl) sagen, daß Ihre Behauptung falsch ist. Ich darf wohl sagen, daß Ihre Behauptung nicht ganz zutreffend ist.
In der letzten Äußerung ist der Ausdruck des propositionalen Gehalts der ,höflich' abgeschwächten Illokution angepaßt, der Stil ist dadurch einheitlich (vgl. 1.5.5.) geworden. b)
Ironie
In Hollys ( 1 9 7 9 ) Analysen der Beziehungsgestaltung in direkter Interaktion gibt es immer wieder ironische Äußerungen. Der Ironisierende ,distanziert' sich vom Ironisierten (Oomen 1 9 8 3 , 3 6 ; Stempel 1 9 7 6 ) ; er gestaltet eine Distanzbeziehung. Außerdem ist er der ,Überlegene' (Oomen 1 9 8 3 , 3 6 ; Stempel 1 9 7 6 ) , macht den Ironie-Adressaten ,unterlegen'. Die Beziehung kann darüberhinaus ,positiv' oder ,negativ' gestaltet werden: freundliche' oder R e i ßende' Ironie; die ,negativ' orientierte Ironie wird ,scharf' (Oomen 1 9 8 3 ) , ,aggressiv' (Stempel 1 9 7 6 ) . Oomen ( 1 9 8 3 ) gibt eine Beschreibung der Strukturen und Funktionen alltäglich ironischer Äußerungen: „Bei der Ableitung der ironischen, sogenannten gegenteiligen Bedeutung bleiben ( . . . ) bestimmte Komponenten der wörtlichen erhalten, nämlich ,subjekti-
256
2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
ver Kommentar, Extremwert auf einer Skala, über das Erwartbare hinausgehendes Maß'. Verkehrt wird nur das positive Vorzeichen in ein negatives. Die ironische Bedeutung von Es ist einfach bewundernswert, daß du auf einen so genialen Einfall kamst ist also nicht: ,Es ist nicht bewundernswert, daß du auf einen nicht ganz genialen Einfall kamst' sondern: ,Es ist geradezu lächerlich, daß du auf einen so idiotischen Einfall kamst'. Je positiver die wörtliche Formulierung, desto herabsetzender der ironische Tadel. Daraus erklärt sich zum Teil die Schärfe ironischer Äußerungen." (Oomen 1983, 34) Man muß also mit Graden der Ironie rechnen, die von ,positiv' bis ,negativ' reichen. Ein weiteres Beispiel aus (Oomen 1983, 31): Du bist ja gar nicht naß für ,Du triefst ja vor Nässe'. Die Beispiele zeigen, daß es bei Ironie jeweils um ,positiv' ausgedrückte Partnerkritik (Holly 1979, Adamzik 1984) geht. Oomen (1983, 34 f.) schreibt weiter: „die wörtliche Formulierung drückt die Verhaltensnormen aus, nach denen der Angesprochene sich hätte ausrichten sollen oder die zu erfüllen er fälschlich beansprucht hat. Indem nun der Angesprochene die ironische Bedeutung aus der Diskrepanz zwischen wörtlicher Formulierung und tatsächlichem Verhalten konstruiert, wird gerade dieses Mißverhältnis pointierter und schärfer umrissen als in gewöhnlicher Redeweise." Die wörtliche Bedeutung ist, wie die schon zitierte Paraphrase zeigt, „nicht einfach gelöscht, sondern die ironische Bedeutung baut gerade auf dem Spannungsverhältnis zwischen wörtlicher und abgeleiteter Bedeutung auf. Aus diesem Spannungsverhältnis ergibt sich das „Mehr" an Bedeutung der ironischen Äußerung. Dieses „Mehr" impliziert stets einen Verweis auf das Auseinanderklaffen von Erwartung und Wirklichkeit und damit auf eine Einstellung des Sprechers ( . . . ) " zum Adressaten (Oomen 1983, 35). Es handelt sich also auch hier um eine Relationsstruktur: um das Verhältnis von Wissen um einen aktuellen Sachverhalt und der Formulierung normativen Wissens. Das von Oomen angesprochene „Mehr" entspricht in der 1.6.2. gewählten Terminologie dem „Impliziten" des Stils, das durch Paraphrase deutlich gemacht werden kann. Bei Oomen heißt es weiter (1983, 37): „Ironie kann ungeachtet der Distanz, die sie gegenüber einem Sachverhalt zum Ausdruck
2 . 2 . Die Handelnden und ihre Beziehung
257
bringt, zwischen den Sprechern eine enge Beziehung schaffen oder betonen. Denn da die ironische Äußerung immer gemeinsame Wertvorstellungen voraussetzt, impliziert sie ein Einverständnis." Ironie ist also dazu geeignet, die Beziehung sehr komplex zu gestalten. Einen etwas anderen Fall ironischer Partnerkritik beschreibt Stempel ( 1 9 7 6 ) : Der Sprecher äfft den Ironie-Adressaten nach (stellt ihn bloß), indem er sich Ausdrucksweise, Anschauung usw. des Adressaten aneignet, eine Pseudoidentifikation vornimmt (Stempel 1 9 7 6 , 2 1 3 ) . Dadurch hält er dem Ironisierten dessen Eigenschaften wie in einem Spiegel vor, die Diskrepanz entsteht durch die Kenntnis und Erwartbarkeit der sonstigen Eigenschaften des Ironisierenden: dieser distanziert sich von den Eigenschaften des Ironisierten. Stempel ( 1 9 7 6 ) betont die dadurch entstehende mehr oder minder starke Aggression gegen den Ironisierten und den Geltungsanspruch oder Geltungsgewinn (Überlegenheit) des Ironisierenden. (Vgl. das Beispiel 2 7 . ) Auch dies ist eine Art von Relationsstruktur: Der Ironisierende handelt sprachlich so, wie es erwartbar nur der Ironisierte tun könnte:
(27a)
(...) daß er - wie jeder deutsche Mann - weibliche Demut lästigem Emanzipationsgebahren vorzieht (...)
Wird die Ironie in Gegenwart von Publikum durchgeführt, so wird dieses — bei geeignetem Vorwissen — über die Ironisierung informiert (Clark/Carlson 1 9 8 2 ) , und es entsteht, bei Berechtigung der Ironie in der Sicht des Publikums, eine „Solidarisierung", d. h. eine ,positive' Beziehung mit dem Ironisierenden (Stempel 1 9 7 6 ) . Dies geschieht sicher auch bei ironischen Graffiti auf Schulbänken, die ja zur Lektüre für andere Schüler bestimmt sind (Bracht, 8 2 ) :
(70)
Die Schule ist schön, so schön, daß wir sie gar nicht verdient haben.
Hier wird nur zum Schein aus der Schülerperspektive gesprochen (wir). Die Formulierung wird aus der Perspektive der Erwachsenen, Eltern . . . gewählt. Auch hier wird, wie bei den Beispielen von Oomen ( 1 9 8 3 ) ausgedrückt, was der Fall sein sollte aber in den Augen der Schüler nicht ist. M i t so schön erhält die Ironisierung
258
2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
noch eine Steigerung. Daß wir sie gar nicht verdient haben kann nun aus der Schülerperspektive auch wörtlich verstanden werden: ,Daß die Schule nicht schön ist, was sie aber eigentlich sein sollte/ könnte, das haben wir gar nicht verdient'. Auch hier dient die Ironie der ,Distanzierung'. Die Überlegenheit der in der institutionellen Rollenbeziehung ,unten' stehenden Ironisierenden ist hier das ,Darüberstehen', ,den Durchblick haben' (vgl. auch Berg 1976). Die Ironie dient auch als Mittel des Ausdrucks von Einstellungen, vgl. 2.4. 2.2.4. Stil und soziale Bewertung (Soziostilistik und Stilnorm) Bereits Labov (1976) hat daraufhingewiesen, daß auch Soziolekte, die Subsprachen sozialer Gruppen, in sich stilistisch differenziert sind und zwar offenbar so, daß die herausgearbeiteten Typen stilistischen Sinns auch dort eine Rolle spielen (vgl. 1.2. und Sandig 1984b). Hier soll es nun um die Bewertung gehen, die ein Soziolekt als Substandard in Relation zum Standard erklärt — auch hier also eine Relationsstruktur. Vgl. auch das Zitat von Gumperz (1975) in 2.4.6.: Soziolekte und ihre Elemente erhalten erst von außen gesehen eine soziale Bewertung. Franck (1980, 29) schreibt, „daß Sprache nicht nur instrumentell ist im Hinblick auf das jeweilige Sprechaktziel, sondern daß die sprachliche Kommunikation gleichzeitig eine ,Zur-Schau-Stellung' des sprechenden Individuums ist, die zur sozialen Evaluation der Person beiträgt. (...) Stil demonstriert sowohl Anpassung wie Abgrenzung gegenüber gesellschaftlichen (oder Gruppen-)Normen ( . . . ) . " Ich werde etliche Gesichtspunkte, die in diesem Zusammenhang auch relevant wären, aussparen, z. B. die altersmäßige Differenzierung (Nabrings 1981, 38 f.), die geschlechtsspezifische Differenzierung (vgl. Werner 1982, Pusch 1984), die dialektale Differenzierung (vgl. Mattheier 1980). Ich beschränke mich hier auf die Differenzierung nach sozialen Niveaus. 2.2.4.1. Stigma- und Prestige-Signale in stilistischer Sicht In Kap. 1.7. wurde darauf eingegangen, daß es prototypische Stilelemente gibt. Dies gilt auch für den sozial markierenden Sinn
2 . 2 . Die Handelnden und ihre Beziehung
259
von Stilelementen: Seit Labovs Arbeiten werden ,sozial negativ' bewertende „Stigma-Signale" von ,sozial positiv' bewertenden „Prestige-Signalen" unterschieden. Aber bereits Labov ( 1 9 7 6 ) hat darauf hingewiesen, daß die Verwendung eines einzigen solchen Signals nicht für die Sinnzuschreibung ausreicht, die Verwendung muß „fortgeführt" sein. Steinig ( 1 9 7 6 , 2 5 2 ) schreibt, „daß die schichtenspezifische Auswahl unter sprachlichen Alternativen ( . . . ) von Prestige-Faktoren abhängig ist. ( . . . ) Die Prestige-Redundanz kann man als komplexes Bündel sozial favorisierter Stil-Signale auffassen." Unter Prestige-Redundanz versteht Steinig ( 1 9 7 6 , 1 9 8 0 ) die generell deutlichere Ausarbeitung und größere Differenziertheit der Formen in der Prestige-Varietät, von der Artikulation über Morpheme, Syntax, Lexik bis zur Textgestaltung: ein strukturell mehrstufiges Stilinventar. Für den „Ruhr-Soziolekt" stellt Steinig ( 1 9 7 6 ) zwei Stilinventare auf mit jeweils prototypischen Einheiten für die Stigma- und die Prestige-Varietät. Methodisch gewonnen wurden diese Inventare mit Hilfe von Beurteilungen vergleichbarer mündlicher SchülerErzählungen durch Lehrerstudenten; Beurteilungskriterien waren gemäß einer schulischen Prüfungssituation „eine stilistische N o r m , die ihnen (den Beurteilern, B.S.) für die Situation und das Alter der Kinder (10 Jahre, B.S.) angemessen erscheint" (Steinig 1 9 7 6 , 87). „Diese N o r m , die den Versuchspersonen als M a ß s t a b dient, repräsentiert den höchsten Prestigewert." (Steinig, ebda.) Hier Ausschnitte aus zwei der Erzählungen über denselben Film; im ersten Fall übt der Vater des erzählenden Kindes eine manuelle Tätigkeit aus, im zweiten Fall eine nicht-manuelle:
(71a)
hergefahr'n, ja da is'n Mädchen ers' mi=m Puppenwagen die wollte die Puppe spazier'n fahr'n. / (hm) und da is=se weitergefahr'n — und da hat — ha.. — is=se auf ne Bank gekomm'n — und da —eh - bei hat=se sich hingesetzt - hat die Puppe neben ihr gesetzt — oh — nee — da kamen ers' noch drei Jungs, die wußten nich' was=se machen sollten.
(71b)
Da ging 'n Kind mit=m Puppenwagen spazier'n — und da war'n drei Jungs — die - die ham gesagt: heut is' überhaupt
(...)
260
2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
nichts los. / die ham Indianer gespielt — und da sahen=se das Kind mit=m Puppenwagen — un' die Puppe hat sich neben gesetzt und (...) Bei der Inventarisierung der Stigma- und Prestige-Signale unterscheidet Steinig (1976): 1. „soziolektale Markierungen" wie /um=me Ecke/ statt /um eine Ecke/ (S.75, 77), 2. „Stilsignale" (84 ff.) und zwar „semantisch-stilistisch" und „textstilistisch" (S. 88), 3. „paralinguale Signale", d.h. sprecherische Qualitäten (S. 91 ff., vgl. Gutenberg 1983, Slembek 1983) und 4. „Signale auf pragmatischer Ebene" (94ff.) wie „bewußt unbefangen" als Prestige-Signal und „ohne Selbstvertrauen" als Stigma-Signal. Aufgrund der hier angenommenen strukturellen Mehrstufigkeit des Stils sind alle diese Arten prototypischer Signale zusammen zu den ,sozial' sinn-vollen Stilelementen zu rechnen (vgl. auch Steinig 1976, 75). Ich gehe nun im folgenden auf einige dieser Beurteilungen nach Stigma- und Prestige-Signalen näher ein: Stigma-Signale sind (Steinig 1976, 88): „geringer Wortschatz" und „Ausdrucksarmut", „Stereotype", „Verbwiederholungen", „Slangidiome" wie geklaut, geschmissen-, demgegenüber sind Prestige-Signale (Steinig 1976, 88 f.): „treffender Ausdruck", „differenzierte Verben", „gute zutreffende Verben", „differenzierte Sprache", „lebendige Wortwahl", „gehobene Sprache". Beim Satzbau stehen „einfache" und „unvollkommene" Sätze (Steinig 1976, 84) gegen „Satzkomplexität" (Steinig 1976, 222) und „Sätze schlecht verbunden" gegen „Wechsel der Satzanfänge" (Steinig 1976, 89). Und inbezug auf die Art der Themenentfaltung steht „zerrissen erzählt" gegen „differenziert gestaltet", „farbige Erzählung". 2.2.4.2. Stigma, Prestige und Stilnorm Es werden also neben ,neutralen' Elementen solche Elemente verwendet, die je verschiedenen Stilebenen angehören: „Slang" gegenüber „gehoben". Auffallend ist, daß die Beurteilungen — bis in die Formulierungen - stark geprägt sind von der traditionellen Stilnorm — nur daß diese Tatsache den Beurteilern wohl nicht bewußt ist: Bei Reiners (1963) heißt es (S. 123ff.): „Wählt die richtige
2.2. Die H a n d e l n d e n u n d ihre Beziehung
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Stilschicht!", und die Regel lautet (S. 126): „Verwenden Sie nur Wörter, die in die Stilschicht Ihres Textes hineinpassen!" Die Regelformulierung „Stilschicht Ihres Textes" zeigt, daß Reiners eine etwas differenziertere Auffassung von Stilschichten hat als dies traditionell der Fall ist (vgl. 124): Der Handlungstyp mit seiner Thematik spielt hier andeutungsweise eine Rolle. Der „treffende Ausdruck" bei Steinig hat sein Pendant in Reiners' Aufforderung „Wähle das treffende Wort!" (1963, 67), die „differenzierten" und „guten zutreffenden Verben" bei Steinigs Material werden erreicht durch die Vermeidung „toter Verben" (Reiners 1963, 69 f.) und durch das Postulat „Handlungen durch Verben". „Lebendige Wortwahl" bei Steinig hat ihr Pendant im Kapitel „Lebendigkeit" bei Reiners (1963, 161 ff.) und in dem verbreiteten Postulat der Anschaulichkeit (als Wirkung): „Schreibt anschaulich!" (Reiners 1963, 178 ff.), „unanschaulich, unlebendig" (Reiners 1963, 89); vgl. auch Steinig (1976, 89): „präzise und anschaulich". Der Ausdruck „ausgefeiltes Sprechen" (Steinig 1976, 89) hat sein Pendant in Reiners' Forderung nach „Feilen" (1963, 215). Gegen „unvollkommene" Sätze (Steinig 1976, 84) helfen Reiners' (1963) Lektionen 3 und 4. Das Gebot der Variation finden wir in bezug auf die Wortwahl: „Verbwiederholungen" bei Steinig und bei Reiners (1963, 28): „Wiederholen Sie ein Wort nicht innerhalb einiger Zeilen! (...) Nur wenn ein Wort besonders betont ist, dürfen Sie es wiederholen." Bei Steinig heißt das Prestige-Signal „Wechsel der Satzanfänge" - bei Reiners (1963) wie auch bei Süskind (1965) oder Seibicke (1969) wird die variable Wortstellung des Deutschen betont. Alle diese Aspekte spielen auch bei Reiners (1943/1976) eine Rolle. Der Vergleich zeigt, wie stark die Beurteilungen nach Stigma- und Prestige-Signalen geprägt sind von der Norm des „guten Stils"; dies wirkt bis in die Wahl der Beurteilungs-Formulierungen. Die Wirkungen, die Stigma-Signale gegenüber Prestige-Signalen hervorrufen, hat Steinig (1976, 207 f.) anhand seines Bewertungsexperiments beschrieben: „Von einem, der sich nur ,stümperhaft' ausdrücken kann, kann man annehmen, daß seine Rede gleichzeitig ,konfus' und ,holprig' ist; umgekehrt liegen ,sinnvolles', gekonntes' und ,glattes' Sprechen eng beieinander. Sprechern aus einem
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2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Arbeitermilieu wird ein geringes sprachliches Vermögen zugeschrieben; von einem vermeintlich geringen Sprachvermögen kann man auf eine niedrige soziale Schicht schließen. Dieses geringe Sprachvermögen wird mit wertenden Attributen stigmatisiert. Das Sprechen von Arbeiterkindern wird eher als ,primitiv',,schlampig', ,unscharf', ,derb' und ,ungehobelt' empfunden, während die Texte der Mittelschicht-Kinder als ,gewandt', ,korrekt', ,präzise', ,fein' und ,geschliffen' erscheinen. Die Lehrerstudenten haben offensichtlich die Einstellung, daß Arbeiterkinder beim Sprechen nachlässiger sind, bzw. nicht so bewußt wie Mittelschicht-Kinder ihre sprachlichen Fähigkeiten einsetzen. Ihre Rede erscheint als relativ grobes, undifferenziertes Muster. Endungen werden nicht,korrekt' ausgesprochen, sondern ,schlampig' vernachlässigt. In der Handhabung stilistischer Mittel sind Mittelschicht-Kinder ,gewandter'; sie sprechen nicht so ,einfach', sondern versuchen, eine gewähltere' Ausdrucksweise, einen gewählten', ,geschliffenen' Stil zu verwirklichen." Interessant sind hier die Beurteilungen „derb", „grob", „nachlässig", „schlampig": Es sind die Ausdrücke, die seit Jahrhunderten verwendet werden, um sich als Gebildeter, auch als Bürger von den sozial ,darunter' Stehenden abzugrenzen (vgl. Sandig 1982). So schreibt Jellinek (1968, 236) über Gottsched: „jede gesprochene Sprache habe im Munde der Ungelehrten ihre Mängel und sei „aus Nachlässigkeit und Übereilung im Reden" mit sich selbst nicht immer einstimmig." Die Prestige-Sprache erscheint als Ergebnis einer besonderen Leistung, einer besonderen Aufmerksamkeit auf die Sprache (Steinig 1976, 150, 152; Sandig 1982). „Die Rede kann auf so vielerley Art abwechseln, und einen so mannigfaltigen Schwung nehmen, daß kein Satz dem anderen ganz ähnlich werden darf" (Gottsched nach Jellinek 1968, 231). Vgl. dazu die Beurteilung „Wechsel der Satzanfänge" bei Steinig (1976, 89). Gottsched schreibt auch (Jellinek 1968, 231): „Der Schwung einer jeden Sprache lernet sich bloß aus dem vielen Lesen der besten Schriftsteller, und aus dem Umgange mit gelehrten und wohlgesitteten Leuten; läßt sich aber durch Regeln nicht vollständig bestimmen." Bis zu Süskind (1965, 10) und Reiners (1943/1976) finden wir diesen Hinweis, daß Regel und Methode allein nicht genügen, um
2.2. Die Handelnden und ihre Beziehung
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„das Lebendige zu treffen (...) und nicht das Korrekte" (Süskind 1965, 10). Die Stilnorm hat also von generellen Beurteilungen bis zu einzelnen Regeln einen Bezug zu einer Jahrhunderte alten Tradition (Nickisch 1975, 45). „Guter Stil" ist ein sozial relevantes Bewertungskriterium (vgl. von Polenz 1984); er kann nur durch Umgang mit „gutem Stil" erlernt werden. Was in einer noch undemokratischen Gesellschaft für das Bürgertum ein Mittel war, sich sozial als ,oben' zu erweisen, ist heute so verinnerlicht, daß es auch in der demokratisch gewordenen Gesellschaft weiter als soziales Unterscheidungskriterium dient. So ist es der Sinn der stilistischen Selbstdarstellung mit Mitteln des „guten Stils" in (48) und (50), ,sich als Mitglied einer sozialen Schicht individuell darzustellen'. Daß „guter Stil" nicht ganz in Regeln gefaßt werden kann und deshalb auch nicht ganz gelehrt werden kann, hängt zusammen mit der bildungsbürgerlichen (vgl. Nickisch 1975, 60) Hervorhebung der Individualität (vgl. 2.2.1.1.) im Rahmen vorgegebener Spielräume: Es gibt Bedingungen des Abweichens, die bisher nicht formuliert sind (vgl. Sitta 1980) und deshalb nicht gelehrt werden können. Reiners schreibt (1976, 21): „Deutsch kann man nur gestaltend, nur individuell schreiben." Süskind schreibt im Vorwort seiner Stilkunde (1965, 9): Wenn der stilistisch Unterwiesene „seine Kunst beherrscht, ist er dem ungeschulten Nebenmann eben in dem überlegen, daß er sich über die Bestandteile und Zusammenhänge seiner Technik Rechenschaft zu geben vermag. Daß er zum Beispiel weiß, wo ein Fehler, eine Unvollkommenheit „sitzt", während der Ungeschulte bei jedem Versagen gleich den Zusammenbruch seines Könnens zu erleben glaubt." Es geht also um „Kunst" und um „Vollkommenheit", um die Orientierung an Dichtung (und im 19./20. Jahrhundert besonders an Schiller und Goethe, von Polenz 1984) — und es geht um sprachliche und damit soziale Überlegenheit über den „Nebenmann". 2.2.4.3. Die Stilnorm In der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit ist noch immer d e r Repräsentant des guten Stils Ludwig Reiners (1943/1976), vgl. auch Nickisch (1975, 35). Das ist aus zwei Gründen bedenklich:
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2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Zum einen enthält das Buch seiner Entstehungszeit entsprechende explizite ,braune' Töne (s. Nickisch 1975) und ,braune' stilistische Untertöne (s. das Beispiel in Sandig 1984b, 271 und 278); der ursprüngliche Titel „Deutsche Stilkunst" wurde 1949 in „Stilkunst" verändert (Nickisch 1975,192). Zum anderen transportiert Reiners unbefragt eine Stilnorm weiter, die aus undemokratischen Gesellschaftsformen stammt; vgl. das Kapitel „Glanz und Elend der deutschen Sprache" bei Reiners (1943/1976, 15 ff.). Wieweit dieses Ideal des „guten Stils" heute noch angemessen ist, ist erst einmal zu prüfen; Nickisch (1975) plädiert dafür, vom aktuellen und authentischen Gebrauch auszugehen, nicht von — sowieso unerreichbaren — dichterischen Vorbildern: Eine funktionale Textsorten-Stilistik (Textmuster-Stilistik) ist sein Vorschlag. Wie sieht nun diese Reinerssche Stilnorm aus? Die traditionellen Stillehren bestehen, wie Nickisch (1975) zeigt, aus einer Stufung von Stilidealen, darauf bezogenen Stilprinzipien und einzelnen Stilregeln, durch die Stilideale und Stilprinzipien realisiert werden. Die Stilfibel bringt nur Verbote, Regeln und Ratschläge; Ideale und Prinzipien sind aus der Stilkunst und aus dem Vorwort des DudenStilwörterbuchs (1956 und 1963) zu entnehmen. Ich gebe eine etwas modifizierte Darstellung von Nickischs (1975, 36—42) Ergebnissen als Uberblick, s. S. 265. Diese Aufgliederung zeigt folgendes: Das generelle Ziel und das Stilideal „leichte Verständlichkeit" zeigen einen starken Adressatenbezug; auch „Lebendigkeit" zählt Reiners (1976) zum Adressatenbezug, wo es im „Vorwort zur ersten Auflage" heißt: „dem Leser die Mitarbeit zu erleichtern, die Form lebendig und durchsichtig zu gestalten". Lebendigkeit ist hier aufgrund des größeren Zusammenhangs mit anderen Stilprinzipien und mit Stilregeln zum Stilideal Schönheit gerechnet. Weiter geht es bei Reiners, wie die Stilprinzipien zeigen, vorrangig um die Art der Sachverhaltsdarstellung. Und, wie schon unter b) ausgeführt, implizit um Möglichkeiten der individuellen Selbstdarstellung und der Gestaltung von Sozialbeziehungen. Andere Typen stilistischen Sinns sind ausgespart, so die Kanalbedingtheit oder die institutions- und handlungsbedingten Sinntypen („Amtsdeutsch" gehörte etwa hierher).
2.2. Die Handelnden und ihre Beziehung
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2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Nickisch (1975, 45) schreibt: „Aufs ganze gesehen, sind (...) die Stilideale und Stilgrundsätze, die sich im 18. Jahrhundert (...) herausbildeten und in der Stilistik entscheidenden Einfluß gewannen, der begrifflichen Grundbedeutung nach bei Reiners noch in Kraft. Im einzelnen ist lediglich eine leichte Umakzentuierung festzustellen — so scheint (...) der Wert der guten Verstehbarkeit stärker betont als bei den führenden Stilistikern im Zeitalter der Aufklärung und der Klassik, für welche Deutlichkeit — und diese implizierte für sie Leichtverständlichkeit — eine so selbstverständlich zu erfüllende Forderung war, daß sie sie weniger herausstellten als z.B. Lebendigkeit, Natürlichkeit und Angemessenheit." Daß eine bestimmte Art von Ästhetik (vgl. das Stilideal „Schönheit") einen sozial differenzierenden Wert hat, scheint außer Frage; so sind der Gebrauch des Genitivs, die Verwendung von als statt wie und Variation in Wortwahl und Wortstellung soziale PrestigeSignale (vgl. 2.2.4.2.). Inbezug auf den Fremdwortgebrauch differenziert Reiners selbst: „Licht und Schatten der Fremdwörterei oder: Sollen wir die Fremdwörter ausmerzen?" (Reiners 1943/ 1976, 5 3 9 ff.). Daß der richtige Gebrauch von Fremdwörtern ein Prestigesignal ist, zeigen (46) und (47) in 2.2.1.2.; falscher Fremdwortgebrauch ist eine typische Quelle von Stilblüten (Sandig 1981) und dadurch Ursache sozialer Abwertung (ebda.). Wie steht es mit „leichter Verständlichkeit" als Stilideal? Langer/ Schulz von Thun/Tausch (1974) stellen Verständlichkeit als zentralen Wert in einer Demokratie heraus: Verständlichkeit von Wissenschaftstexten, Behördentexten, Gebrauchsanleitungen, Rechtstexten usw. usw. erlaubt allen die Teilnahme am sozialen Geschehen. Reiners' Stilprinzip „der gedanklichen Ordnung" entspricht deutlich der Forderung nach „Gliederung, Ordnung" bei Langer/Schulz von Thun/Tausch (1974, 14 f. u.ö.) und den ebenfalls psychologisch fundierten entsprechenden Ordnungsprinzipien bei van Dijk (1980, s.. 2.1.2.2.). Verständlichkeit ist also gerade ein soziale Grenzen überwindender Wert. Und so ist auch Seifferts (1977) Berufung auf Reiners zu verstehen: In seinem Buch „Stil heute" verzichtet Seiffert auf das Ästhetische (Stilideal „Schönheit"), er betont aber die Verpflichtungen des Schreibers dem Leser gegenüber und stellt die Aspekte Gliederung, Ordnung, „Stillogik"
2.2. Die Handelnden und ihre Beziehung
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besonders heraus; dazu kommt die textmustertypische Variation. (Daneben steht allerdings — etwas losgelöst — die Beschreibung traditioneller Stilelemente.) Betrachten wir nun Reiners' Stilregeln für die Herstellung „leichter Verständlichkeit" genauer, so zeigen diese doch auch einen Bezug zur Ästhetik: Art der Wortstellung, „das besondere Wort", „keine Wiederholungen", das Stilprinzip der „Natürlichkeit". Außerdem ist die Fähigkeit, sich für beliebige Adressaten verständlich auszudrücken, in der Unterschicht gering ausgebildet: Zu „gedanklich geordnet" vgl. in 2.2.4.1. den Text des Unterschichtkindes und die Beurteilung „zerrissen erzählt". Steinig stellt diesen Unterschied heraus: Prestigeorientiertes Sprechen ist eher öffentlich (1976, 93), während stigmatisierte Rede (neben anderen Eigenschaften, s.o.) eher privat erscheint (1976, 93, 245 ff.). Prestige-Rede zeigt eine „Distanz zum Geschilderten" (1976, 94), während stigmatisierter Rede diese Distanz fehlt. Das explizite und auf die Perspektive des Adressaten achtende Referieren auf Gegenstände ist ein Zeichen von Prestige, ebenso das Ausdrücken von Voraussetzungen (Steinig 1976, 223 ff.), während in stigmatisierter Rede — wie im spontanen privaten Reden - vieles implizit bleibt (1976, 219 ff.); die Nichtbeachtung der Perspektive des Adressaten führt zu Verständniskonflikten, wie Steinig (1976, 226) an Beispielen zeigt. Insgesamt zeigen Prestige-Sprecher die Fähigkeit zur „flexiblen Rollenübernahme" und dadurch „so etwas wie eine ,Kommunikationskontrolle'" (1976, 95). Tendenzielle Öffentlichkeit, Distanz, flexible Übernahme verschiedener Rollen und die Antizipation der Perspektive bestimmter oder beliebiger Adressaten, also eine Art von Kommunikationskontrolle, sind Voraussetzungen für verständliche' Handlungsdurchführungen. Insofern ist auch „leichte Verständlichkeit" ein prestigeorientiertes Ideal. Was sollte nun von der Stilnorm beibehalten werden, wenn man versucht, sie auf demokratische Werte zu orientieren? Ein zentraler Wert Verständlichkeit' wird sicher nötig sein, wie die psychologisch orientierten Arbeiten von Langer/Schulz von Thun/Tausch (1974) und von van Dijk (1980) zeigen. Die einzelnen Stilregeln sind sicher genauer empirisch zu überprüfen, auch der Komplex der ,Angemessenheit' ist zu revidieren. Hier dürften globalere
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2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Konzepte wie Handlungsmuster oder Textmuster, Sachverhaltstyp und Wissensrahmen, die intentionsbedingten Möglichkeiten der Mischung und Abwandlung usw. bessere Orientierungen geben: nicht atomisierende Regeln, sondern globale Einheiten und die Arten ihrer Durchführung (vgl. 2.1.). Wie aus Langer/Schulz von Thun/Tausch (1974) hervorgeht, ist auch ein gewisses M a ß an Ästhetik der Verständlichkeit förderlich: „zusätzliche Stimulanz". „Damit sind M a ß n a h m e n des Autors gemeint, die beim Leser Interesse, Anteilnahme, Lust am Lesen hervorrufen sollen" (1974, 16). „Einige Möglichkeiten der Verwirklichung: Ausrufe, wörtliche Rede, rhetorische Fragen zum „Mitdenken", „lebensnahe" Beispiele, direktes Ansprechen des Lesers, Auftreten von Menschen, Reizworte, witzige Formulierungen" (ebda.). Die psychologisch orientierten Studien zeigen, daß einiges aus der Stilnorm bewahrenswert ist. Aufzugeben ist auf jeden Fall deren Absolutheitsanspruch mit seinen sozialen Implikationen. Es ist zu modifizieren nach verschiedenen Handlungstypen, insgesamt in Richtung auf unterschiedliche Funktionalität (Nickisch 1975). Und durch linguistische Untersuchungen ist die Art der Mittel zu bestätigen, zu ergänzen oder auch zu revidieren, zu relativieren (vgl. Nickisch 1975; zu Stimulanz auch Kap. 2.2.2.).
2.3. Handlungsvoraussetzungen: Aspekte der Situation Bereits in 1.2. wurde darauf eingegangen, daß unter Situation hier nur die für die jeweilige Sprachhandlung relevanten Situationsaspekte verstanden werden bzw. der für den Handlungstyp relevante Situationstyp. Typen stilistischen Sinns konstituieren vor allem die Situationsaspekte Kanal (visuell, auditiv, visuell und auditiv . . . ) , Medium (z. B. verschiedene Massenmedien) und Institution. 2.3.1. Art der Berücksichtigung des Kanals a) Das in der Semiotik beachtete Zusammenspiel von Sprache und Bild gehört hierher: Wie z.B. aus N ö t h (1977) und Spillner (1982) für Werbebeispiele hervorgeht, gibt es verschiedene Rela-
2.3. Handlungsvoraussetzungen: Aspekte der Situation
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tionen bei der Verwendung von Sprache und Bild. Strukturell läßt sich dieser Aspekt in den Rahmen der Mehrstufigkeit des Stils einbeziehen: durch dessen Komponiertheit von Elementen verschiedenen Typs. Die Art der Relation ergibt Sinn und Wirkung. Ebenso gehört hierher die Relation von Sprache und Ton (im Rundfunk: Musik, andere „bedeutsame" Töne wie ,in einen Apfel beißen'). Auch die Arten der Relation von Sprache, Bild und Ton, wie sie das Fernsehen ermöglicht, gehören in diesen Zusammenhang. Die jeweiligen stilistischen Möglichkeiten des Kanals könnten beispielhaft analysiert werden anhand von Werbungen für denselben Gegenstand in Illustrierten, im Rundfunk, im Fernsehen. Auch der Vergleich von Fußballreportagen zum selben Spiel im Rundfunk und im Fernsehen und von Zeitungsberichten darüber könnte aufschlußreich sein: Durch die Methode des Vergleichens entsteht (für den Beschreibenden) eine wechselseitige Relationsstruktur, die die jeweiligen Eigenschaften des zu beschreibenden Gegenstandes genauer hervortreten läßt. b) In diesen Zusammenhang gehören weiter sprecherische Stileigenschaften. Auch sie können in den hier vorgestellten Rahmen eingebaut werden. Dies geht z. B. aus den Arbeiten von Gutenberg (1983), Slembek (1983), Spillner (1984) und U. Geißner (1985) hervor. Art der Mimik, Gestik und des Augenkontaktes in Relation zum Sprechen gehören ebenfalls hierher: Sie können das Verbale ergänzend unterstützen, modifizieren oder sogar kontrastierend in Frage stellen (vgl. Ehlich/Martens 1972, Wahmhoff/Wenzel 1979, Ehlich/Rehbein 1982). Die Stilqualitäten der Schrifttypen geschriebener Texte können hier nur erwähnt werden: Pfeiffer-Rupp (1984), Althaus (1980), Zillig (1980). In diesen Kontext gehören auch sinnvolle Schriftbilder für den ganzen Text (Kloepfer 1975, 104; Küper 1976). Vgl. dazu die Analyse des Beispiels schrelBMaschinen in Kap. 1.6.3. 2.3.1.1. Zur Relation von Schriftlichkeit und Mündlichkeit Etwas näher eingehen möchte ich hier auf die stilistische Relevanz der R e l a t i o n Schriftlichkeit/Mündlichkeit. Im deutschen Sprachraum haben sich mehrere Varietäten herausgebildet: die
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2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Hochsprache ist die prototypische Schriftsprache; Dialekte und die überregionale gesprochene Standardsprache sind die prototypischen Sprechsprachen, vgl. Ludwig (1980), Schank/Schwitalla (1980); Nabrings (1981, 4 0 - 8 8 ) . Es gibt jeweils prototypische Elemente des spontanen Sprechens und der schriftlichen Hochsprache. Dazwischen gibt es fließende Übergänge (Ludwig 1980). a) Anhand der Analyse von Frieds Gedicht Beim Nachdenken über Vorbilder wurde bereits darauf eingegangen, daß die Verwendung typischerweise spontan-sprachlicher Eigenschaften im Gedicht der Emotionalisierung dient. Hier ein Beispiel für die Einbettung typischerweise gesprochener Sprache in typischerweise schriftliche Sprache aus Härtlings Mörike-Geschichte „Die dreifache Maria" (S. 21—23). In dem Ausschnitt geht es um eine Szene mit Mörike und seiner 8jährigen Schwester Klärle: (72a)
Komm, ruft er dem Klärle zu, komm wir gehen zum Feuersee und sehen nach, ob der Sichre Mann unser Hüttie zusammengesessen hat. Damit ihr der Weg nicht langweilig werde, könnte sie ja schwierige oder verrückte Fragen stellen, die er alle, das verspreche er ihr, beantworten werde. Sie hüpft eine Zeitlang nachdenklich neben ihm her: Sie müsse erst ein paar Fragen ausdenken. Da dürfe er, um sie nicht zu stören, nicht singen, nicht pfeifen und auch nicht murmeln. Ja, Klärle. Kannst du ßiegen, wie ein Vogel? Sicher. Bloß kannst du es nicht sehen. Ich fliege in mir herum. Das war keine gute Antwort, sagt sie. Ich weiß aber keine bessere. Also. Sie bleibt stehn und zerrt an seiner Hand: Wie oft lügst du am Tag, Eduard? Das kommt auf den Tag an. Sie schaut gegen die Sonne, blinzelt zu ihm hoch, verzieht unzufrieden das Gesicht: Warum? An dem einen Tag rede ich mit vielen Leuten und muß vielleicht lügen, an dem andern seh' ich niemanden.
2 . 3 . Handlungsvoraussetzungen: Aspekte der Situation
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Aber du kannst auch für dich lügen? Ja. Woher weißt du das? Von mir. Sie reibt verlegen das Kinn an dem weißen gestärkten Kragen und sagt dann rasch, um von sich abzulenken: Bist du wirklich krank, Eduard? Wenn ich nämlich krank bin, muß ich im Bett liegen bleiben. Er drängt sie weiterzugehen, sonst kämen sie nie zum Feuersee. Sag doch! Jetzt bin ich es gerade nicht, weil du bei mir bist, weil ich froh bin, weil der Tag gut ausgehen wird, aber heute abend könnte mir schon wieder der Atem stocken, das Blut auskühlen oder die schwarze dicke Suppe in meiner Brust bis zum Mund steigen. Du spinnst. Ja, antwortet er und verwirrt sie damit so sehr, daß sie, ohne weiter zu fragen, vor ihm hertanzt und singt. Die Schriftsprache präsentiert sich hier mit Konjunktiven und einer komplizierten Syntax: Damit ihr der Weg nicht langweilig werde, könnte sie ja schwierige oder verrückte Fragen stellen, die er alle, das verspreche er ihr, beantworten werde. Aber bereits in diese Redeweise sind Aspekte des Mündlichen eingelagert: das ja und könnte oder danach: nicht singen, nicht pfeifen und auch nicht murmeln. Die eingelagerten gesprochenen Äußerungen sind teilweise geradezu Sprachgesten, vorgefertigte Elemente, die für spontanes Sprechen prototypisch sind: Ja, Klärle; Sicher; Also; Warum?; Woher weißt du das?; Sag doch; Du spinnst. Parenthesen und eingeschobene Nebensätze geben den Satzgefügen eine Spannung: die er alle, das verspreche er ihr, beantworten werde; verwirrt sie damit so sehr, daß sie, ohne weiter zu fragen, vor ihm hertanzt und singt. Es ist also eine sehr ,spannungsreiche', ,emotionalisierende' Rede, die aus dieser Mischung von prototypisch Schriftsprachlichem und prototypisch Gesprochenem resultiert. Sie wird durch andere spannungserzeugende Stileigenschaften ergänzt. Zwischen die Sprachgesten der Schwester Sag doch und Du spinnst ist eine ausführliche Äußerung Mörikes eingespannt.
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2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Hinzu kommt, sehr sparsam verwendet und eher für sehr g i c h tige' Äußerungen der Personen gebraucht, der Dialekt (Härtling S. 2 5 ) : (72b)
Er beruhigte sich allmählich, erhob sich und sagte, zu seiner Mutter gewendet: Du hasch koi Schuld, Mama. I ben so. Er wolle jetzt auf sein Zimmer gehen und bitte darum, nicht gestört zu werden.
Die konventionelle Differenz der hier zusammen verwendeten Varietäten ist noch größer als bei spontanem Sprechen. Dementsprechend wird durch die Einbettung der Dialektäußerung in die ,gewählte' schriftsprachliche Ausdrucksweise eine sehr starke Emotionalisierung erzeugt. Gesprochene Sprache erscheint hier, als gesprochene, über das Mittel der Schriftlichkeit: „Der Sprachton erscheint in der geschriebenen Sprache vermittelst des Stils" (Knoop 1 9 8 5 , 2 4 ; vgl. auch 2 . 5 . 2 . und 2 . 3 . 2 . ) . Wird gesprochene Sprache schriftlich wiedergegeben, so muß sie, soll sie wirksam bleiben, stilisiert (Knoop 1 9 8 5 , Betten 1 9 8 3 ) werden, wie dies hier bei Härtling der Fall ist. Wird sie nur transkribierend protokolliert, unter Fortfall der Melodie, des Nachdrucks und des Rhythmus der stimmlichen Realisierung, wirkt sie merkwürdig ,fad'. Dies läßt sich am Vergleich „derselb e n " Mitteilung in schriftlicher und mündlicher Realisierung zeigen: b) Schriftliches und mündliches Erzählen hat Helmig ( 1 9 7 2 ) verglichen: Er hat „dieselbe" Geschichte erst mündlich erzählen lassen, dann zweimal schriftlich und die Fassungen verglichen (aus Helmig 1 9 7 2 , 7 f . und 13): (73a)
mündliche Fassung: Bernd Einmal haben auf nem Feld Kinder ein Motorflugzeug steigen lassen und haben so'n bißchen Benzin reingetan, und da war starker Wind, und sie haben das Flugzeug gegen den Wind fliegen lassen, das hat sich dann, ist dann steil, ganz steil hochgegangen und, eh, und dann setzt, es war dann das Benzin leer und, eh, der Tank war leer, und auf einmal flog das Flugzeug, vom Wind getrieben, ganz
2 . 3 . Handlungsvoraussetzungen: Aspekte der Situation
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weit weg, eh, nach nach Paffrath über rüber, über die Felder, und dann hab ich dann geholfen zu suchen, das Flugzeug, und dann haben wir mindestens ne Stunde da rumgesucht, haben alle Felder abgesucht, und alle Büsche und nachher, da, ein junge, der ist mit mir gefahren, der sah da so was Rotes im Baum hängen, und da sind wir dahin gefahren, haben wir erst noch gesucht, eh, wie wir am besten an den Baum kommen, wir wußten gar nicht richtig, eh, wie da ein Weg hin ging, den haben wir aber nachher gefunden, und da war auch das Flugzeug, und dann haben wir den anderen all Bescheid gesagt, die sind dahin gekommen, und der Baum stand in dem Garten von anderen Leuten, und dann haben wir da geschellt und haben gefragt, ob wir raufklettern durften, und die Frau hat dann, hat dann gesagt, war ne Frau an der Tür, nein, das könnt sie nicht zulassen, wenn da was passieren würde, dann wär sie schuld, und dann haben wir dann mal versucht, so das Flugzeug runterzukriegen, dann kam aber nachher der Mann von der Frau, der hat dann gesagt, also, ja, wir müssen den Kindern doch helfen, das Flugzeug wieder runter kriegen, und da ham wer, hat der Mann ne Leiter geholt und hat die an den Baum gestellt, und da ist'n Junge hochgeklettert, eh, hat das Flugzeug aus dem Baum geholt, und ich hab es dann angenommen und runtergebracht, ja, und dann war also, die Flügel und so waren n bißchen beschädigt, aber sonst, Motor und so war noch alles ganz, und dann waren wir nachher froh, daß wir's noch gefunden hatten. (73b)
erste schriftliche Fassung: Bernd
Gestern ging ich auf ein nahe gelegenes Feld. Dort sah ich einige Jungen, die einen kleinen Motorsegler gebastelt hatten. Sie füllten den Tank des Flugzeuges mit Benzin. Sie wollten das Flugzeug gegen den Wind starten und es dann, wenn das Benzin verbraucht war und der Motor aussetzte, ihn im Kreise zur Erde segeln lassen. Zuerst lief es wie geplant, aber als der Motor aussetzte, war das Seitenruder vom Wind gerade gedrückt worden. Und das Flugzeug
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2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
segelte weit weg. Es flog über eine Straße hinweg und landete schließlich in einem Baum, den wir nach langem Suchen fanden. Die Frau, die dort wohnte, wollte nicht, daß wir den Baum bestiegen, aber als der Mann der Frau kam, holte er eine Leiter, und wir durften das Flugzeug herunterholen. Helmig (1972, 20) hebt die Vorteile der spontansprachlichen Syntax hervor. Er verknüpft die Art der Syntax mit der Art der Themenentfaltung: „Die Reihung von Erzählelementen korrespondiert mit der Verwendung der Parataxe" (ebda.); die Äußerungen sind vielfach mit den Gliederungssignalen und da, und dann verknüpft (Quasthoff 1980, 218 ff.). Man kann dies noch ergänzen. Die Syntax enthält „Nachträge", die der weiteren Präzisierung dienen: . . . und auf einmal flog das Flugzeug, vom Wind getrieben, ganz weit weg, eh, nach Paffrath über rüber, über die Felder, und dann habe ich dann geholfen zu suchen, das Flugzeug, und dann . . . Nachtragende Präzisierung zeigt sich auch bei der Durchführung des Themas: . . . und der Baum stand in dem Garten von anderen Leuten, und da haben wir da geschellt und haben gefragt, ob wir raufklettern durften, und die Frau hat dann, hat dann gesagt, war ne Frau an der Tür, nein das könnte sie nicht zulassen, wenn da was passieren würde ... Weiter enthält der Text lautliche und grammatische Selbstkorrekturen wie nach Paffrath über rüber-, ebenso enthält er eine thematische Selbstkorrektur: . . . dann kam aber nachher der Mann von der Frau, der hat dann gesagt, also, ja, wir müssen den Kindern doch helfen, das Flugzeug wieder runterkriegen, und da ham wer, hat der Mann ne Leiter geholt und hat die an den Baum gestellt ... Die syntaktischen Strukturen spontanen Sprechens erhalten also Analogien in der Art der Themenentfaltung: „Einheitlichkeit" des Stils auf mehreren strukturellen Ebenen. Wir haben es deshalb hier mit kanalbedingten Stileigenschaften zu tun: Es hat sich ein kanalbedingter mündlicher Erzählstil herausgebildet. Von diesem ist der an der hochsprachlichen Norm und der N o r m des „guten Stils" (2.2.4.) orientierte schriftsprachliche Erzählstil zu unterscheiden (Helmig 1972, 21): Die Syntax ist in Richtung auf
2 . 3 . Handlungsvoraussetzungen: Aspekte der Situation
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die Norm verändert, „die Satzanfänge sind stark differenziert" (Helmig 1972, 21) infolge der Orientierung an der Stilnorm. Die Art der Themenentfaltung: „Es erfolgt stets eine Ordnung der Gedankenführung und eine präzisere (...) Wiedergabe des Handlungsgangs" (ebda.). Im Beispiel ist der von Quasthoff (1980) hervorgehobene ,Gegensatz', der ,Planbruch', der den „Punkt" der Erzählung bildet, deutlich herausgearbeitet: Zuerst lief es wie geplant, aber (...). „Die Schreibsituation erleichtert ein distanziertes Verhältnis zum Geschehen, das häufig mit einer Deutung des Zusammenhangs verbunden ist." (ebda.) Der Vergleich zeigt, daß nicht nur kanalbedingt verschiedene Varietäten verwendet werden, sondern die gesamte Strukturierung ist verschieden: Würde man die mündliche Version mit schriftsprachlichen Mitteln der Lexik und Syntax gestalten, sie also geradezu übersetzen, so ergäbe dies keine ,schriftlich verfaßte' Erzählung. Ähnlich ist dies bei den mündlich verfaßten Bundestagsreden, die im stenographischen Bericht zwar in Hochsprache übersetzt sind (Heinze 1979, 92): (74a) Stenographischer Bericht Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin nicht auf eine Rede vorbereitet. Wenn ich es richtig sehe, ist auch nicht eingeplant, daß der Verteidigungsminister heute eine längere Rede zu Fragen der Verteidigungspolitik hält. (...)
Tonbandaufnahme (Herr Präsident) (meine Damen und Herren) ich bin nicht darauf vorbereitet, Und wenn ich den Ablaufplan richtig sehe, ist auch nicht eingeplant, daß der Verteidigungsminister heute eine längere Rede zu Fragen der Verteidigungspolitik hält. (...)
Wir haben es also mit kanalbedingten Varianten von Textmustern zu tun. Wie weit dieser Kanalbedingtheit in der Realisierung entsprochen wird oder nicht — dadurch eröffnen sich stilistische Spielräume. Der folgende kurze Ausschnitt aus Heinze (1979, 145) wirft ein Licht auf die verschiedenen Strukturen schriftlich und mündlich verfaßter öffentlicher Rede:
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2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
(74b) Stenographischer Bericht
Aber
die Opfer der Straftaten, vor allem der schweren Straf taten, sind völlig untergegangen.
Tonbandaufnahme
aber es ist völlig untergegangen sind völlig untergegangen die Opfer der Straftaten vor allem der schweren Straftaten, der Gewalttaten,
In der schriftlichen Version werden nicht nur die Selbstkorrekturen bereinigt, sondern das Thema wird anders entfaltet: Im mündlichen Text gibt es zuerst einen (durch die Korrektur wiederholten) Prädikationsakt, ohne daß man noch weiß, worüber dies prädiziert wird, dann erst wird der Referenzakt vollzogen und danach noch differenziert mit vor allem und mit der synonymischen Variation hervorgehoben. Dieses betonungsreiche Nacheinander geht in der schriftlichen Version verloren: Der Referenzakt wird zuerst vollzogen und differenziert, danach erst der Prädikationsakt. D. h. durch die Art der Themenentfaltung, die die mündliche Syntax erlaubt, werden die Adressaten wesentlich mehr ,angesprochen' als durch diejenige, die mit der schriftsprachlichen Syntax möglich ist. 2.3.2. Zum Zusammenhang von Medium und Stil Unter Medien verstehe ich „Nachrichten- und Informationsträger" verschiedener Art (Straßner 1 9 8 0 , 3 2 8 ) . Angesichts der derzeit starken Beschäftigung (vgl. Straßner 1980, Burger 1 9 8 4 , Lüger 1983) mit dem Zusammenhang von Medien und Sprachgebrauch müssen hier einige Andeutungen genügen. Ich möchte mich hier unter Absehung vom Problem des Kanals (2.3.1.) auf wenige Fragen unter der Eingrenzung auf Schriftliches beschränken: a) Mit Stolt (1985a) ist anzunehmen, daß es nicht nur ein „Ethos des Redners" gibt, sondern auch ein „Ethos des jeweiligen Mediums". Die Frage lautet: Wie sieht — analog zur stilistischen Selbstdarstellung des Sprechers — die stilistische Selbstdarstellung des Mediums aus? D . h . gibt es so etwas wie „die Handschrift" des Mediums?
2.3. Handlungsvoraussetzungen: Aspekte der Situation
277
b) Gibt es mediale Besonderheiten bei der Durchführung von Textmustern? D. h. gibt es mediumspezifische Varianten von Textmustern? c) Gibt es Stilvariation innerhalb eines Mediums? Auf einen einzelne Medien übergreifenden Zusammenhang gehe ich in 2.6.4. genauer ein: die Personenorientiertheit der Sachverhaltsdarstellung in Medien. a) Einige Medien haben spezifische Stile ausgeprägt; „keine Quelle bleibt unbearbeitet; alle Vorlagen (von Agenturen, B.S.) werden „eingeschmolzen" in den Gesamtstil des Blattes" (Burger 1984, 99, auch 28 f.). Mittelberg (1967) hat „Wortschatz und Syntax" der Bildzeitung analysiert und dabei auch darauf hingewiesen, daß „umgangssprachliche" Lexik und Syntax mit verwendet wird, also Elemente einer prototypisch gesprochenen' Varietät. Dadurch wird dem Leserpublikum die durch die Hochsprache vermittelte ,Distanz' (vgl. 2.2.4.) ein Stück weit erspart (vgl. Sandig 1972). Burger (1984, 50 ff.) zeigt am Beispiel der direkten Rede, wie die Grenze zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit in der Boulevardpresse und der Regenbogenpresse (Wochenblätter) relativiert wird. Er unterscheidet die Fälle (1984, 53 ff.): „1. Von einem namentlich genannten Sprecher Gesagtes, das in dieser Form gesagt wurde bzw. hätte gesagt werden können." Beispiel (ebda., 54): Verteidigungsstaatssekretär Würzbach (CDU) zu BILD: „Die sowjetischen SS-20 mit ihrer kurzen Flugzeit von 14 Minuten sind auf Ziele in Europa, vor allem in der Bundesrepublik gerichtet 2. Formulierungen, die einer Institution, einem Staat o. ä. zugeschrieben werden (wobei offenbleibt, ob es sich um schriftliche oder mündliche Quellen handeln soll), die aber (...) nicht in dieser Form formuliert sein können oder höchstwahrscheinlich nicht so formuliert worden sind." Beispiel: Die traditionellen Wachen vor dem Buckingham Palast stehen hinter Gitter. Das Kriegsministerium hat befohlen: „Marsch, zurück in den Hof!" (Burger 1984, 54 f.). „3. Direkte Rede als Wiedergabe von unterstellten Gedanken, Vermutungen etc." Beispiel: Unten strömten Tausende zusammen. „Springt er — oder springt er nicht!" Diese Frage stand in den Gesichtern der erwartungslüsternen Menge. (Burger 1984, 55) Die Beispiele zeigen, daß es sich hier um eine medienspezifische Art
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2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
der Sachverhaltsdarstellung handelt. Burger schreibt über die Wirkungen der direkten Rede (1985, 55 f.): „(1) Sie läßt den Leser an der originären (Gesprächs-)Situation — sei sie echt oder fiktiv — teilhaben"; „(2) Sie personifiziert anonyme Institutionen"; „(3) Sie ermöglicht dem Leser, sich in die agierenden Personen zu versetzen, einfacher und unmittelbarer, als es etwa durch differenzierte psychologische Formulierungen möglich wäre." Durch diese Technik mit ihren Wirkungen wird die Sachverhaltsdarstellung mit Wertungen und Emotionen, mit dem Ausdruck von Einstellungen also (vgl. 2.4.) angereichert (Burger 1984, 56); sie ,heben hervor', machen ,dominant' (ebda., 57). In Sandig (1972) habe ich am Vergleich der Nachricht über dasselbe Geschehen gezeigt, daß Sachverhalte in der Bildzeitung sehr viel detaillierter und wenig begrifflich thematisiert werden, im Unterschied zur abstrakteren begrifflichen Darstellung der „Frankfurter Allgemeinen". Die strukturelle Mehrstufigkeit des Stils zeigt sich also auch hier. Der Stil des Nachrichten-Magazins „Der Spiegel" wurde von Carstensen (1971) beschrieben: von dem zentralen Textmuster „Story" mit seiner typischen thematischen Entfaltung (Carstensen, 1971, 30 ff.) bis zur Wortwahl und Syntax, zu rhetorischen Figuren und Sprechakttypen als Teilhandlungen wie Anspielung (dazu Römer 1977) und Redeerwähnung als direkte Rede (z.B. Gülich 1978). Eine spezifische Art der Themenentfaltung wurde in 2.1.2.2. am Beispiel besprochen. b) Mediumspezifische Varianten von Textmustern hat Lüger (1983) mit der Unterscheidung in „soft news" und „hard news" für Nachrichtentexte dargestellt. Hard news haben ein spezifisches Aufbauprinzip (Art der Handlungsdurchführung und Themenentfaltung) und sind in einem „sachlichen Sprachstil" (Lüger 1983, 70) gehalten; Wertungen sollten vermieden werden, sind aber nicht ganz zu vermeiden (Lüger 1983, 70; vgl. zur Vielschichtigkeit des Ausdrucks von Einstellungen auch Kap. 2.4.). Zu den „soft news", wie sie typischerweise in der Bildzeitung verwendet werden, schreibt Lüger (1983, 70 f.): Es „zeichnen sich weiche Nachrichten gerade durch variationsreiche Textgestaltung und lesewerbende
2.3. Handlungsvoraussetzungen: Aspekte der Situation
279
Informationspräsentation aus. Gegenstand sind nicht so sehr Sachverhalte aus den Sparten Politik oder Wirtschaft, sondern Skandale, Verbrechen, Naturkatastrophen, Unglücksfälle, Einzelheiten aus dem Leben bekannter Persönlichkeiten usw. (...) (in einer) lektüreanregenden Darstellungsweise. Aus diesem Grunde wird z. B. der Gestaltung von Texteröffnung (...) und Textschluß (...) erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet. (...) Die Informationen des Mittelteils werden, besonders wenn sie sich auf Geschehensabläufe beziehen, in chronologischer Anordnung wiedergegeben." Hier gibt es also eine Mischung von N A C H R I C H T und ERZÄHLEN, die zu einem neuen Muster geworden ist, und die bis zur Dominanz des Erzählens führen kann. Dementsprechend wird auch gewertet und emotionalisiert, was durch Bildlichkeit und andere Stilelemente erreicht wird (Lüger 1983, 71 f.; ein Beispiel aus der Regenbogenpresse in Sandig 1979). In regionalen Tageszeitungen kann man Mischformen von hard news und soft news vorfinden (vgl. Lüger 1983, 72). Daß bei genauer Analyse selbst Horoskope medienspezifische Varianten ausbilden, habe ich anhand von „Stern" und „Bild" in Sandig (1978, Kap. 6) gezeigt. Vgl. zu Fernsehdiskussionen auch Holly/Püschel/Kühn (in Vorb.). c) Da in einem Medium wie Tageszeitung oder Wochenzeitschrift eine Fülle von Textmustern realisiert wird, gibt es eine starke stilistische Variation innerhalb eines solchen Mediums: Nachricht (s.o.), politischer Kommentar (Sandig 1978, Kap. 7.3.), politische Glosse (2.2.2.4.), Kleinanzeigen verschiedener Art, Wetterbericht, Werbeanzeigen, Feuilleton (mit verschiedenen Textmustern), Sportberichterstattung, Todesanzeige, verschriftetes Interview usw. bilden jeweils verschiedene Stile aus: Diese sind bedingt durch die thematisierten Sachverhaltsbereiche und das zentrale Ziel des Textmusters, durch zusätzliche Stimulanzen wie Lesewerbung, Unterhaltung usw. Im Feuilleton, in Heiratsannoncen, Todesanzeigen, aber auch bei Kommentaren usw. kann es zu individuellen' Stilen von Schreibern kommen (vgl. die Theaterkritik (80) in Kap. 2.1.2.3.). Werbeanzeigen sind aufgrund der Intention der ,Besonderung' des Werbegegenstandes stilistisch sehr variabel. So bildet ein Medium in sich ein ganzes differenziertes Stilsystem. Die
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2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Unterschiede der darzustellenden Sachverhalte, der oft komplexen Handlungsziele und der bei den Adressatengruppen unterstellten Interessen und Wissensbestände haben zu dieser stilistischen Variation geführt. (Vgl. auch Burger 1 9 8 4 , 1 8 7 ff. über verschiedene „Moderationsstile" in Fernseh-Magazin-Typen.)
2 . 3 . 3 . Z u m Einfluß der Institution auf den Stil Angesichts der vielfältigen Forschungen zum Bereich „Kommunikation in Institutionen" (Ehlich/Rehbein 1 9 8 0 ) müssen hier einige Andeutungen genügen. a) Die Angehörigen von Institutionen haben ihren Handlungsrollen und den institutionellen Zielen entsprechend Arbeits-Textmuster und -Gesprächsmuster entwickelt, die zu einer Entfernung dieser Handlungstypen von den Mustern geführt haben, die den von den Institutionen Betroffenen (Klienten, Patienten, Schülern, Angeklagten . . . ) in ihrem Alltagshandeln bekannt sind; die Differenz der Muster wird den Beteiligten aber kaum deutlich. Aus diesem Grund kommt es bei der Interaktion von Angehörigen der Institution mit den von der Institution Betroffenen nicht selten zu Kommunikationskonflikten (z.B. Rehbein 1 9 8 0 , Bliesener 1 9 8 2 ) , d. h. die Durchführung eines Musters verläuft für beide Seiten nicht in der ihren jeweiligen Handlungs-Zielen und Konventionen entsprechenden Weise. b) Es haben sich Texte und Textmuster herausgebildet, die deutlich vom Alltagshandeln verschieden sind und die infolgedessen die jeweilige Institution mit ihren Werten repräsentieren. Vgl. in Kap. 1 . 5 . 5 . Beispiel (22) aus dem Bereich der Europäischen Gemeinschaft. In diesem Fall sprechen wir von Ritualen (vgl. 2 . 6 . 1 . ) , wobei aber die Grenzen zu Punkt a), wie das Beispiel (94) zeigt, nicht scharf zu ziehen sind. Es besteht die Tendenz, institutionsrelevantes Handeln sprachlich (mehr oder weniger) so durchzuformen, daß die ,Institutionalität' erkennbar wird. Ein kleines Beispiel aus dem Poststempel eines Finanzamts:
2 . 4 . Einstellungen, Modalitäten
(75)
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Finanzamt Saarlouis Bitte Steuern unbar zahlen Steuernummer u. Steuerart stets angeben! Postfach 1 4 4 0
Der ,unpersönliche' Stil, der häufig in Institutionen zu finden ist, wird hier durch die ,unpersönliche' Formulierung der beiden Aufforderungen angewendet, auch die Ausdrücke unbar und stets gehören hierher. Zu detaillierten Darstellungen auch Möhn/Pelka (1984). c) In Institutionen sind nicht-institutionelle Handlungen für die von der Institution Betroffenen wichtig: ,private' Pausengespräche mit dem Wechsel von der Fach- und Hochsprache in spontanes Sprechen oder Dialekt; so sprechen saarländische Studenten in den Pausen oft Dialekt. Aber auch die „Nebenkommunikation" (Arbeitsgruppe Braunschweig 1983) der Betroffenen während der institutionsrelevanten Handlungen wie Briefchen und Graffiti (vgl. Sandig 1978, 149—151; Kap. 2.6.2.). Der stilistische Sinn dieser Aktivitäten ist nur aus der Relation zu dem institutionell relevanten Handeln zu erkennen: aus der Relationsstruktur. d) Auch für die Angehörigen der Institution untereinander sind nicht-institutionelle Handlungsweisen in Relation zu den institutionellen Arbeitshandlungen wichtig: Pausengespräche, Klatsch, Geburtstagsfeiern, Einstand feiern usw.: zur Entlastung von institutionellen Textmustern mit ihren stilistischen Vorgaben. Die Art der Fähigkeit zu wechseln zwischen den institutionellen und den ,privaten' Handlungsmustern ist individuell und/oder rollentypisch verschieden, erzeugt stilistischen Sinn: Es ist eine Möglichkeit der stilistischen Selbstdarstellung.
2 . 4 . Einstellungen, Modalitäten Einstellungen wurden in 1.2. zu den Typen stilistischen Sinns gerechnet. Sprecher-Einstellungen spielen auch in der Sprechakt-
282
2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
theorie und in der Semantik eine Rolle. Hier ist nun zu klären, inwiefern Einstellungen stilistisch relevant sind. Die Frage nach stilistisch relevanten Einstellungs t y p e n und ihren Relationen ist sicher wichtig, muß aber hier offen bleiben: Sicher gehört hierher ,emotional' versus ,sachlich', auch ,wertend' versus ,sachlich'; ,emotional' und ,wertend' sind oft verknüpft — sind sie gleichzusetzen mit ,subjektiv' und ,sachlich' mit ,objektiv'? Wie stehen „Modalitäten" wie ,Scherz',,Ernst',,Humor' zu den vorher genannten? F. Schütze (1975, Bd. 2, 809, Anm.) rechnet außer ,Ernst' und ,Spaß' auch noch „Traum, Phantasie usw." zu den „existentiellen Modalitäten". Die von Schütze (ebda.) aufgeführten „qualitativen Modalitäten von Förmlichkeit, Gezwungenheit, heitere Aufgelockertheit, Routine, Außergewöhnlichkeit" erinnern teilweise an die „Stilzüge" bei Riesel/Schendels (1975) oder bei Fleischer/Michel (1975): Förmlichkeit, Ungezwungenheit usw. (Riesel/Schendels 1975, 24 ff.). Bei den Autorinnen (1975, 24) werden Stilzüge gesehen als „innere qualitative Wesensmerkmale eines Funktionalstils/Substils oder einer beliebigen Textsorte, die zwangsläufig aus der gesellschaftlichen Spezifik eines konkreten Schreib- und Sprechaktes entspringen und ebenso zwangsläufig ein bestimmtes Mikrosystem von sprachlichen Mitteln aller Ebenen zu ihrer Aktualisierung nach sich ziehen. Es handelt sich also um ein Bindeglied zwischen außersprachlichen Faktoren und zweckmäßiger innersprachlicher Ausgestaltung, durch deren Verzahnung der Stilcharakter einer Aussage geprägt wird." Stilzüge werden also hier als konventionelle funktionale und strukturelle Eigenschaften von Texten verstanden (vgl. auch Fleischer/Michel 1975, 62 f.); sie können nicht als Sprecher-Einstellungen interpretiert werden, weil sprachlich Handelnde nicht berücksichtigt sind. Nach Fleischer/ Michel (1975) und nach Riesel/Schendels (1975) sind die Stilzüge noch weiter zu erforschen. Die bei Schütze (1975, Bd. 2, 809 Anm.) noch aufgeführten „logischen Modalitäten wie assertorische Faktizität, Möglichkeit, Notwendigkeit" sind nicht von vornherein stilistisch relevant — es geht hierbei um das Was, nicht um das Wie und Wozu. Wo sind schließlich Stilebenen (Stilschichten) in Relation dazu einzuordnen: hoher (vornehmer, erhabener, gewählter ...) Stil, mittlerer (neutra-
2.4. Einstellungen, M o d a l i t ä t e n
283
ler, normaler ...) Stil und niederer (Substandard: vulgärer, salopper ...) Stil? Vgl. auch die Darstellung bei Nabrings (1981). 2.4.1. Einstellungen und Illokutionsbeschreibung Ossner (1985, 105 ff.) gibt eine Beschreibung von Illokutionstypen mittels Einstellungen: „Welche Einstellungen zur Welt (als Handlungsvoraussetzung und Handlungsergebnis) sind k o n v e n t i o n e l l e r w e i s e mit einer Äußerung hinsichtlich ihrer illokutionären Interpretation gegeben?" (Ossner 1985,106). Damit sind nicht Einstellungen zum propositionalen Gehalt der Äußerung gemeint (z. B. Wunderlich 1976, 28 f.), sondern Einstellungen zur Situation als Voraussetzung des Handelns und Einstellungen des Sprechers zum intendierten Handlungsergebnis. Letztere nennt Ossner „intentionale Einstellungen" (1985, 109 ff.). Illokutionstypen werden also durch Einstellungen als Voraussetzungsbedingungen u n d als intendierte Konsequenzen in Form von Einstellungen beschrieben. Diese Art der Beschreibung von Illokutionstypen (auch komplexer Art) scheint mir deshalb wichtig, weil die konventionelle Verträglichkeit oder Unverträglichkeit von Einstellungen den stilistischen Sinn beeinflußt. Hier ist nun zunächst die Frage wichtig: Sind die mit der konkreten Handlung ausgedrückten Einstellungen mit denen identisch, die für den Handlungstyp (Illokutionstyp) konventionell gelten? Zur Exemplifizierung benutze ich im folgenden einige Artikel aus Henscheid/Lierow/Maletzke/Poth, „Dummdeutsch, ein satirisch-polemisches Wörterbuch", das eine nicht-wissenschaftliche Sprachkritik mit anderen Mitteln als der Belehrung treibt: Es geht also um Illokutionen in größeren Kontexten. Negative Bewertungen werden nur zum Teil explizit semantisch ausgedrückt, zum großen Teil jedoch mit den verschiedensten impliziten Mitteln des Stils: (76)
Kundeninformation Das Gas wird schon wieder teurer.
Die konventionellen Einstellungen eines Wörterbuchschreibers beim Verfassen eines Artikels dürften u. a. die sein, daß Wörterbuchbenutzer bestimmte Wissensbedürfnisse haben, die sie mit dem Nachschlagen zu befriedigen suchen (Einstellung zu den
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2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Handlungsvoraussetzungen) und daß sie diese Information durch den Artikel erhalten können (intentionale Einstellung). Dafür stehen — je nach Art der angenommenen Bedürfnisse — WÖRTERBUCHARTIKEL-Muster zur Verfügung. Der Rezipient, der die Konventionen kennt, antizipiert derartige Einstellungen des Schreibers und erwartet dementsprechend eine bestimmte Art der Durchführung der Handlung. Bei Kundeninformation fehlt aber die erwartbare Bedeutungsangabe (vgl. Harras 1985). Diese kann hier fehlen, weil die Schreiber ja im konkreten Fall die Einstellung haben können, daß der Leser schon weiß, was die Bedeutung ist. Die in der konkreten Handlung realisierten Einstellungen sind nicht verträglich mit den für das Handlungsmuster geltenden. Das heißt, die Schreiber lassen durch die Diskrepanz (d. h. eine Relationsstruktur) von durch die Wahl des Handlungstyps erwartbaren Einstellungen und von durch die Art der Handlungsdurchführung realisierten Einstellungen ihre generelle Einstellung zum Handlungsmuster WÖRTERBUCHARTIKEL erkennen: Wörterbuchartikel sind unnütz, unkritisch . . . ' Das Handlungsmuster ist aber in etlichen relevanten Eigenschaften realisiert, nicht nur durch die explizite Angabe im Buchtitel: durch das Schriftbild mit Hervorhebung des Lemmas, mit Verweisen (79), durch einen besonderen Satztyp (83), durch sprachbeschreibende Ausdrücke wie Neuprägung (83) und Modewort u. ä. 2.4.2. Einstellungen zur Illokution Einstellungen z u r realisierten Illokution nimmt Kern (1975) an; er verwendet dafür den Terminus „Metaillokution". Ich möchte hier auf diesen Terminus verzichten und nur von „Einstellungen zur Illokution" sprechen. Nach Kern gehören hierzu z. B. Ironie, neutraler Ernst, humoristisches Sprechen (Kern 1975, 192 f.). Da diese Art von Einstellungen sich nicht nur auf einzelne Sprechakte beziehen kann, sondern auch komplexe Handlungen betreffen kann, möchte ich diesen Fall unterscheiden von Einstellungen, die z u s ä t z l i c h mit dem einzelnen Sprechakt ausgedrückt werden können (s.u.). Bei den Einstellungen zur Illokution handelt es sich um die „Interaktionsmodalitäten" oder kurz Modalitäten. Ich nehme sie — ab-
2 . 4 . Einstellungen, Modalitäten
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weichend von Kallmeyer/Schütze ( 1 9 7 6 , 1 9 7 7 ) — auch für monologisch und schriftlich realisierte Texte an. Ein Beispiel, ebenfalls aus „Dummdeutsch": (77)
Schnupper-Preise Frauen schnüren schnobernd durch die Pelzabteilung von C&A, schnüffeln am Bisam, vergraben ihre Rüssel im Teddyfutter, und wenn sie pink Karakul wittern, kann sie kein Abteilungsleiter mehr aufhalten.
Auch hier wird im Wörterbuchartikel eine Bedeutungsangabe nicht gegeben, da der Leser ja die Bedeutung wissen dürfte. Statt dessen wird das im Lemma metaphorisch Gemeinte, Schnuppern, in der Art der Themenentfaltung wörtlich genommen — ein Zeichen ,unernster' Modalität. Weiter werden in für W Ö R T E R B U C H A R T I K E L unkonventioneller Weise verschiedene Frames zu einem T h e m a verknüpft: ,Kaufhaus' (Abteilung, C&A, Abteilungsleiter, ... Preise) und ,Frauen kaufen Modisches' ( . . . Preise, Frauen, Pelz-Abteilung, pink ...) sind zwar konventionell verknüpft; über diese Frauen wird aber prädiziert, sie verhielten sich als ,Tiere': schnuppern, schnüren, schnobern, schnüffeln, vergraben Rüssel, wittern. Dabei geht die im Kontext von Frauen entstehende Metaphorik teilweise verloren durch die Häufung im Kontext synonymischer Ausdrücke. Das Prädizieren tierischen Verhaltens über Menschen erzeugt — durch die Werte-Relation Mensch/Tier — eine negative Bewertung als Einstellung im Rahmen des propositionalen Gehalts (s.u.). Ein weiterer Frame, ,Pelz(-Tier)' wird aktiviert durch Bisam, Teddy, Karakul — die Frame-Konnektion (Rehbein 1 9 8 3 ) zu schnuppern, schnobern, schnüren . . . ist sicher beabsichtigt. Weiter werden Einstellungen zur Sprache vermittelt: quasipoetisch ist schnüren schnobernd, dazu kommt Umgangssprachliches (und wenn ..., kann kein ... mehr aufhalten) im sonst schriftsprachlichen Text. Durch diese unkonventionelle Mustermischung entsteht eine groteske Bildlichkeit, in Relation zum Handlungsmuster W Ö R T E R B U C H A R T I K E L wird die ,unernste' M o dalität deutlich: Nicht nur der mit Frauen beginnende Sprechakt ist
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2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
,unernst', sondern die gesamte Handlung. Kern ( 1 9 7 5 ) weist — im Zusammenhang von Ritualen — darauf hin, daß mit Handlungsmustern Einstellungen für angemessene Realisierung vorgegeben sein können, z. B. ,neutraler Ernst' für den Vollzug von Ritualen. ,Ernste' Einstellung ist konventionell auch für das Herstellen und Rezipieren von W Ö R T E R B U C H A R T I K E L n gefordert. Davon wird hier jedoch abgewichen. Ein weiteres Beispiel für Einstellungen zur Illokution: (78)
Auf die Rückseite des Sitzes in einem städtischen Bus als Graffito geschrieben: WHISKAS grüßt HAPP u. SCHAPPI
Die Namen sind allgemein bekannt als Markennamen für Katzenund Hundefutter, Gegenstände der Werbung also. Das G R Ü S S E N ist hier infolgedessen absichtlich pervertiert, indem nicht Personen(gruppen) sondern Werbegegenstände die am Grüßen beteiligten Referenzgegenstände sind. Insofern ist dieses Grüßen ,unernst'. Möglicherweise handelt es sich — angesichts des Fundortes — auch um Schüler-Spitznamen, d . h . bei entsprechendem Gruppen-Wissen ist noch eine andere Interpretation möglich. Dann liegt die ,unernste' Modalität bei der Namengebung. Der Gebrauch der 3. Person ist hier nicht Zeichen für das B E S C H R E I B E N einer Handlung, sondern die Handlung ist als mehrfach adressiert ausgedrückt: als I N F O R M I E R E N und als G R Ü S S E N (vgl. Clark/Carlson 1 9 8 2 ) . Strukturell gesehen handelt es sich um einen Fall „semantischer D i c h t e " , wobei das Konzept — wie schon in 1.5.2. gezeigt — auch auf Handlungsaspekte auszudehnen ist. 2 . 4 . 3 . Einstellungen zusätzlich zur Illokution Von den Einstellungen z u r (komplexen) Illokution sind solche Einstellungen zu unterscheiden, die z u s ä t z l i c h zur Illokution ausgedrückt werden können. So kann eine Aufforderung ,freund-
2 . 4 . Einstellungen, Modalitäten
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lieh', ,ärgerlich' oder ,resigniert' durchgeführt werden, es bleibt aber eine Aufforderung. Kern (1975) betont auch die Möglichkeiten sprecherischer, mimischer und gestische: Realisierung. Er zählt auch Arger und Resignation zu den Einstellungen zur Illokution, mir scheint es aber angemessener, hier von Zusätzlichem zu sprechen: Es wird außer der Illokution, die unberührt bleibt, noch etwas ausgedrückt. Keller (1977) hat dafür den Ausdruck „kollokutionärer A k t " geprägt. Ossner ( 1 9 8 5 , 4 7 ff.) analysiert Modalpartikeln (Abtönungspartikeln) im Hinblick darauf, ob sie die Illokution indizieren oder ob sie Einstellungen ausdrücken, und hier wieder, ob sie nur für sich Einstellungen ausdrücken oder ob sie sich auf die gesamte Äußerung beziehen. Am Beispiel von A U F F O R D E R N gelangt Ossner ( 1 9 8 5 , 53) zu folgendem Ergebnis: Mal drückt in Komm mal her eine Wunsch-Einstellung aus; Wunsch ist allerdings auch eine konventionelle Einstellung als Voraussetzung des AUFFORD E R N s . Indem nun der Sprecher mit mal ausdrückt, daß er als Person (nicht nur als Auffordernder) die Wunsch-Einstellung hat, „kommt durch die Verwendung von mal eine persönliche Nuance herein: der Sprecher fordert nicht nur auf, sondern gibt sich auch als Wünschender zu erkennen." (1985, 53) Dies ist der Unterschied zwischen Komm her und Komm mal her. Hier wird also zusätzlich zum Handlungsvollzug eine Einstellung ausgedrückt. „Vergleicht man die Äußerungen (77) Hast du Zeit? (und) (78) Hast du mal Zeit?, so liegt der Unterschied wohl darin, daß bei (77) der Sprecher den möglichen Antworten indifferent gegenübersteht, während er bei (78) positive Antworten bevorzugt. ( . . . ) Wichtig dabei ist, daß der Fragecharakter von (78) unberührt bleibt, ,mal' also nur eine zusätzliche Wunsch-Position hereinbringt." (Ossner 1 9 8 5 , 5 3 f.). Auch bei der Analyse einiger weiterer Modalpartikeln gelangt Ossner (1985) zu dem Ergebnis, daß mit diesen zusätzlich zu den mit der Illokution schon gegebenen Einstellungen noch weitere Einstellungen ausgedrückt werden, „mit denen sich der Sprecher ( . . . ) als emotional fühlende und kognitiv denkende Person dem Interaktionspartner zu erkennen gibt" (Ossner 1 9 8 5 , 58). Der Zusammenhang des Ausdrucks von Einstellungen und der Selbstdarstellung wird hier deutlich. Mit der Analyse der Modal-
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2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Partikel vielleicht geht Ossner (1985, 59 ff.) auch auf das Ausdrükken emotionaler Einstellungen ein. Als Beispiel gibt er Däs war vielleicht ein Fest, Ich bin vielleicht krank, Gehst du vielleicht heim, wobei mit dem Akzent ,Emphase' markiert ist. „Vielleicht als Modalpartikel drückt (...) eine Sprechereinstellung aus, die man so paraphrasieren kann: ,Ich halte es für unwahrscheinlich/ unmöglich, daß der Fall ist/war/sein wird, was der Fall ist/war/sein wird.' Diese Einstellung schließt nicht aus, daß der Sachverhalt dennoch faktisch möglich ist. Aus der Diskrepanz zwischen Erwartung und Faktizität ergibt sich sodann meist die emotionale Gestimmtheit, Ärger, Überraschung etc." (Ossner 1985, 61 f.) Einstellungsausdrücke dieser Art können grundsätzlich kumuliert werden, d.h. es ist der Ausdruck mehrerer Einstellungen gleichzeitig möglich. So ist bei Komm doch mal her mit dem doch noch eine gegensätzliche' Einstellung mit berücksichtigt (vgl. Bastert 1985). Im folgenden Fall, bei Ich wollte gern mal einen Reiseprospekt haben (Werlen 1983, 203), ist der Wunsch dreifach ausgedrückt: die Aufforderung mit dem Modalverb wollen ist durch das abgeschwächte Performativ im Konjunktiv (wollte) höflich abgeschwächt (Werlen 1983, 202); mit gern wird der Wunsch semantisch explizit und mit mal stilistisch implizit ausgedrückt; so entsteht eine ,höflich abgeschwächte' und ,das individuelle Interesse anzeigende' Aufforderung. 2.4.4. Modalwörter Von Modalpartikeln sind zu unterscheiden die Modalwörter wie vielleicht, wahrscheinlich, vermutlich usw., die den Geltungsbereich einer Proposition eingrenzen wie bei Vielleicht bin ich krank, Gehst du vielleicht heim? (vgl. von Polenz 1985, Kap. 2.23.1.). Hier ist eine Paraphrasierung möglich mit: Es ist möglich/wahrscheinlich, daß ich krank bin, Ist es möglich/wahrscheinlich, daß du nach Hause gehst? (Ossner 1985, 60). „Die Paraphrasierung (...) (zeigt), daß vielleicht als Modalwort Möglichkeit/Wahrscheinlichkeit eines Sachverhalts angibt; als Modalpartikel indiziert sie darüber hinaus, daß der S p r e c h e r eine faktische Möglichkeit s u b j e k t i v für unmöglich/unwahrscheinlich hält." (Ossner 1985, 64) Mit Modalwörtern werden „allgemein mögliche und
2 . 4 . Einstellungen, Modalitäten
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begründbare Sprechereinstellungen" ausgedrückt (ebda.). Dies gilt auch für ,emotionale' Modalwörter, wie bedauerlicherweise, leider: „Der Sprecher bringt nicht nur ( . . . ) zum Ausdruck, daß er den geäußerten Sachverhalt bedauert, sondern daß es allgemein bedauerlich ist, daß . . . " (Ossner 1 9 8 5 , 64). Deshalb haben Modalwörter „eine illokutive Kraft, die jedoch nie im Gegensatz zur illokutiven Kraft der übrigen Äußerung stehen kann. In einigen Fällen sind Modalwörter aufgrund ihrer Wortbedeutung geeignet, illokutive Funktionen zu präzisieren" (Ossner 1 9 8 5 , 65), z.B. bei Karl ist anscheinend krank. Aufgrund dieser Eigenschaften sind mit Modalwörtern ausgedrückte propositionale Einstellungen nicht von vornherein stilistisch relevant; in bestimmten Verwendungen können sie es jedoch werden: Im folgenden Text aus „Dummdeutsch" ist das leider offenbar Teil einer ,ironischen' Äußerung: (79)
Schmuseweich Der Unterschied zum —* Kuschelweichen war leider bis Redaktionsschluß dieses Buchs nicht mehr zu erfahren.
Leider dient als Ironie-Indikator, da der individuell-allgemeine Ausdruck des Bedauerns in dem Wörterbuchartikel, der unkonventionell das Wörterbuchschreiben thematisiert, als verstärkend, übertreibend empfunden wird. 2 . 4 . 5 . Einstellungen inbezug auf die Proposition Weiter können im Rahmen des propositionalen Akts mit der Wahl von Ausdrücken Einstellungen zu Referenzgegenständen ausgedrückt werden. So kann ich mein Auto (Referenzgegenstand) die Kiste, die Karre nennen oder der Wagen, die Kutsche usw. Dabei drücke ich je nach der Art des Referenzgegenstandes z. B. ,Ironie' oder ,Bewertung' aus; eigentlich wird mit der Wahl eines solchen Ausdrucks eine Prädikation über den Gegenstand präsupponiert, d. h. als zutreffend vorausgesetzt. Ein Mittel der Markierung ,unernster' Modalität ist das wortspielerische H e r s t e l l e n von Referenzgegenständen wie in Beispiel (36): Schweppsouette,
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2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Schweppsonaise, Heinrich der Verschweppte usw. Daß EigenNamen in literarischen Werken zum stilistischen Sinn beitragen können, ist in der literarischen Stilistik mehrfach beschrieben worden. Insbesondere gehören in diesen Bereich Prädikationsausdrücke, mit denen nebenbei (von Polenz 1985, 2.23.3) bewertet wird, die also keine reinen Wertausdrücke sind wie gut. Keller (1977, 24) bringt als Beispiel den Unterschied von Atommülldeponie und nuklearer Entsorgungspark: Aufgrund der jeweiligen Bestandteile sind die Konnotationen (von Polenz 1985, 2.23.3.) und privaten Assoziationen (Hannappel/Melenk 1979) im ersten Fall ,negativ', im zweiten Fall ,positiv' (durch ein wissenschaftliches Fremdwort nuklear; Park-, die Relation von entsorgen und versorgen, Sorge). Beim Text Kundeninformation ist das Lemma ,positiv' bewertet — wegen Kunde (im Unterschied zu Käufer, Verbraucher) und Information, das in seiner Normalbedeutung (Hannappel/Melenk 1979) ,neutral' bis ,positiv' bewertet ist. Der ,negativ' bewertete Sachverhalt als Inhalt der Handlung ist ausgespart: ,Information über eine Preiserhöhung'. Im Text wird deshalb der ,positiven' Bewertung des Informierens, die dem Kunden als Einstellung suggeriert wird, die ,negative' Bewertung (wird schon wieder teurer) aus der Perspektive des Kunden entgegengesetzt; schon wieder wäre als Bestandteil einer KUNDENINFORMATION nicht zu erwarten. Durch den Kontrast der aus verschiedenen SprecherPerspektiven im Text ausgedrückten Bewertungen entsteht stilistischer Sinn und Stilwirkung. Hinzu kommt, daß Wertungen konventionell im Wörterbuch nur im Lemma und bedeutungsbeschreibend vorkommen. Das Beispiel zeigt: bei ,wertenden' und/oder ,emotionalen' Einstellungen im Bereich des propositionalen Aktes geht es nicht nur um den Ausdruck von Einstellungen, die der Sprecher/Schreiber hat. Sondern analog zu den intentionalen Einstellungen im Bereich der Illokution geht es auch um die Vermittlung intentionaler Einstellungen: Der Rezipient soll wissen, daß der Sprecher/Schreiber diese Einstellungen (ausgedrückt) hat, er soll oft durch die ausgedrückte Einstellung auch dazu gebracht werden, diese selbst zu haben.
291
2 . 4 . Einstellungen, Modalitäten
Typische Beispiele für das Ausdrücken von Bewertungen mit den Prädikationen sind Redewendungen wie ins Gras beißen, auf die Palme bringen (Koller 1 9 7 5 , zu Ausdrücken des Bewertens allgemein s. Sandig 1 9 7 9 ) . Einstellungen können sich nicht nur auf Referenzgegenstände und Prädikationen beziehen, sondern auch auf einen ganzen Sachverhalt. Dann wird der Sachverhalt,bewertend' oder in einer Modalität (,ernst', humoristisch', ,ironisch' . . . ) dargestellt. Als Beispiel Ausschnitte aus einer Theaterkritik im Feuilleton einer Tageszeitung (Heinz Mudrich, Saarbrücker Zeitung 17. 4 . 1 9 8 5 ) : (80)
Mann hat's nicht leicht ,Kaldewey Farce' von Botho
Strauß
im
SLT...
(...) Botho Strauß eröffnet Beziehungskisten, läßt den EheMann darin zerstückeln, eine Mänaden-Arbeit, für die er emanzipierte Frauenfurien einsetzt. Und was das Mythische weiter betrifft, spielt er auch die Orpheus-Sage und die Zauberflöte an — mal grob aufs Schlimme und mal mozart. Und dann gibt er sich wieder voll als Softie und erklärt: Ätsch, ätsch, alles Theater. (...) Mal auf Kaldeweyse gesagt: der Name Strauß verpflichtet ja auch einen Musikmacher. Also am Ende eine tierische Torte zum Volldraufstehen, ding-dong. Das Spiel mit Worten: die Überschrift, grob und mozart und auf Kaldeweyse gesagt und das Spiel mit den Stilebenen, das sind zusammen Zeichen der ,unernsten' Modalität. Diese entspricht der Art der Darstellung im Theaterstück selbst; sie wird nicht nur in ihrer Wirkung beschreibend explizit gemacht, wie wenn von einem Schauspieler die Rede ist, „der später Köstliches zeigt", sondern sie wird auch durch die Art der Durchführung der Theaterkritik dem Leser implizit, über den Stil, zu erkennen gegeben. Der in 1 . 5 . 3 . beschriebene Strukturtyp Ähnlichkeitsstruktur wird also hier angewendet: E i n zentraler Aspekt des Theater-Sachverhalts, sein stilistischer Sinn, wird im kritischen Berichten darüber auch stilistisch realisiert. Die Übereinstimmung von Stil und Sachverhaltsaspekt ergibt als stilistischen Sinn u. a. die ,Übereinstimmung' von Berich-
292
2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
tendem und Berichtetem, die ,positive' Bewertung also; als Wirkung kann es ,Spaß machen', diese Kritik zu lesen, der Leser kann sich ,angeregt' fühlen, sich das Modalitätserlebnis im Theater selbst zu verschaffen (das ist möglicherweise die intentionale Einstellung des Schreibers) usw. Als weiteres Beispiel ein Modalitätswechsel: (81)
A und B gehn auf einem Waldweg. Zwischen ihnen schweben schon eine Zeitlang Mücken. A: Schau, der Mückenschwarm begleitet uns. B: Die schwärmen für uns. A und B lachen.
Wie K. Müller (1983) zeigt, wird der Modalitätswechsel vom Sprecher durch semantisch ,intensive' Ausdrücke angezeigt: hier schwärmen für uns und nicht nur mögen uns. Der Modalitätswechsel muß vom Adressaten ratifiziert werden; dies geschieht durch Lachen (vgl. K. Müller 1983). Hier ist mit dem Wechsel der Modalität zugleich ein Anknüpfen an die Vorgängeräußerung geleistet: durch die etymologische Figur Schwärm — schwärmen für, strukturell ein Fall „semantischer Dichte". Die Beispiele zeigen: Modalität wird zwar u. a. (vgl. K. Müller 1983) über Referenz- und Prädikationsakt ausgedrückt, aber es wird — auch durch die Stimmqualität: vgl. Kallmeyer (1979) — das gesamte Handeln davon erfaßt. 2.4.6. Einstellungen und Sprachvarietäten Die Realisierung der gesamten Handlung in der Handlungssituation zeigt mehr oder weniger deutlich Einstellungen von Sprechern/ Schreibern zur Sprache an: Viele Situationstypen und Handlungstypen verlangen konventionell den Ausdruck von Einstellungen durch die Wahl einer bestimmten Sprachvarietät (vgl. 1.3.1.): Hochsprache, Dialekt, Soziolekt, spontanes Sprechen (Umgangsstandard), Fachsprache, die Realisierung einer Stilebene, der traditionsgebundenen Stilnorm usw. (vgl. Nabrings 1981). Die Wahl der konventionellen Varietät zeigt eine konventionsgemäße Einstellung zum Situationstyp mit seinen Handlungskonventionen
2 . 4 . Einstellungen, Modalitäten
293
und zur Sprache an. Abweichende Verwendungen zeigen eine besondere Einstellung zum Situationstyp und zu der geforderten Varietät an. So zeigt das im Kap. 1.4. diskutierte Beispiel (7) von Keller-Bauer eine zumindest partielle ,Distanzierung' von der linguistischen Wissenschaftssprache; die Varietäten-Mischung in Schnupper-Preise zeigt eine ,Distanzierung' von der für W Ö R T E R B U C H A R T I K E L geforderten neutralen Hochsprache. Intentionale Abweichungen von der konventionellen oder im Gespräch eingespielten Varietät müssen explizit angezeigt werden, wenn sie nicht wie bei Schnupper-Preise noch durch andere Zeichen wie die Art der Mustermischung deutlich gemacht sind: (82)
Ist es Ihnen nicht, auf deutsch gesagt, völlig wurscht, wer Sie, wenn Sie in einen Unfall verwickelt werden und schwer verletzt sind, rettet? (Werlen 1983, 2 1 2 )
Der Ausdruck völlig wurscht kontrastiert mit der gesprochenen hochsprachlichen' Syntax. Werlen (1983) interpretiert Ausdrücke wie auf (gut) deutsch (gesagt) als Mittel der ,Höflichkeit', mit denen dem Adressaten gegenüber ein „Ersuchen" geleistet wird, die gewählte Prädikation nicht als Imageverletzung zu interpretieren. Außerdem zeigt der Sprecher damit an, daß er sich des Wechsels der Stilebene (Varietät) bewußt ist und daß er absichtlich wechselt, weil er in der anderen Varietät einen Ausdruck findet, der ihm für das, was er sagen will, angemessen erscheint: Wurscht dient als Ausdruck ,expressiver Hervorhebung' (Fleischer/Michel 1 9 7 5 , 46). Er beugt damit auch dem Verlust an eigenem Image vor, indem er sicherstellt, daß die Prädikation wurscht nicht als Stilbruch interpretiert wird. Werden intentionale Abweichungen von der geforderten Sprachvarietät nicht explizit gemacht, so müssen sie ganz klar ersichtlich sinn-voll sein (vgl. Sitta 1 9 8 0 zu Abweichungen allgemein): Vgl. den folgenden Text aus „Dummdeutsch": (83)
Superlearning Unter vielen Verwandten eine besonders affengeile Neuprägung. Hinter der freilich eine enttäuschend alber-
294
2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
ne und alte Lüge lauert. Laut ,Managermagazin' bedeutet „Superlearning" bloß „Lernen wie im Schlaf. Ooocb. Der hochsprachliche Text (Neuprägung, freilich, laut ...) enthält eine Reihe Bewertungen (enttäuschend, albern, Lüge ...), untermischt mit Spontansprachlichem (bloß, Oooch). Außerdem enthält er in ironischer Nachäffung auch die Verwendung eines Wortes von der Art der kritisierten: affengeil. Mit besonders ist es ironisch übertrieben; im Kontext dieser Graduierung und von Neuprägung wird die ironische ,Distanzierung' (Stempel 1976) deutlich gemacht. Affengeil wird in „Dummdeutsch" öfter zur wertenden Beschreibung verwendet; so kann man auf einen eigenen Artikel verzichten. Da die Einstellungen zur verwendeten Varietät die gesamte Handlung in ihrer Situation betreffen (vgl. 1.3.1.), werden damit auch Einstellungen zur Handlung (dieses Typs) in der Situation (dieses Typs) ausgedrückt. Die Zugehörigkeit von Ausdrücken wie affengeil, bloß und Ooch, freilich und der Präposition laut zu bestimmten Varietäten wird bei Rossipal (1973) und bei Braselmann (1981) als „Konnotation" beschrieben. Bei abweichender Verwendung behalten die Ausdrücke ihre Varietätszugehörigkeit als konnotative Bedeutung auch im neuen Kontext und tragen so zur „Mustermischung" als Strukturtyp bei (vgl. 1.5.4.). Gumperz (1975, 179 f.) schreibt: „Wörter sind (...) Träger zahlreicher kulturspezifischer Assoziationen, Einstellungen und Werte. Diese kulturellen Werte leiten sich aus dem Kontext ab, in dem Wörter gewöhnlich gebraucht werden, und aus den Tätigkeiten, mit denen sie assoziiert sind. (...) Wir unterstellen, daß das, was für einzelne lexikalische Elemente gilt, auch auf phonologische oder syntaktische Alternanten zutrifft. Sobald eine Sprachvarietät mit Sprechern einer bestimmten sozialen Kategorie oder mit bestimmten Tätigkeiten assoziiert wird, entwickelt sie sich zum Symbol der kulturellen Werte, die mit diesen Merkmalen der nicht sprachlichen Umgebung assoziiert werden. Mit anderen Worten: Ebenso wie Wörter sind auch Sprechvarietäten potentielle Bedeutungsträger. In beiden Fällen wird dies durch die Neuinterpretierung von Bedeutungen im Hinblick auf den Kontext deutlich. Solange eine bestimmte Varietät in ihrer üblichen Umgebung gebraucht
2.4. Einstellungen, Modalitäten
295
wird, wird nur ihre referentielle Grundbedeutung übermittelt. Wird sie jedoch in einem neuen Kontext verwendet, so wird sie sozial markiert, und die dem ursprünglichen Kontext anhaftenden Werte gehören dann mit zum Inhalt der neuen Aussage (...)".
2.4.7. Zusammenfassung Die Darstellung zeigt die Vielschichtigkeit (Mehrstufigkeit, vgl. 1.6.1.) auch von Einstellungen. Dies mag mit dazu geführt haben, daß das Ausdrücken von Einstellungen zur Gleichsetzung mit Stil geführt hat, vgl. Püschel (1982, 1983), wobei allerdings der Terminus Einstellung noch weiter gefaßt ist: Nach Püschel (1982, 32) „können sich die stilistisch ausgedrückten Einstellungen (...) auf die Proposition oder Teile der Proposition beziehen, sie müssen es aber nicht. Denn sie beziehen sich darüber hinaus auch auf vieles anderes wie die Illokution der Handlung, die Beziehung der Kommunikatio'nspartner aus der Sicht der Handelnden, die Rolle, die der Handelnde sich zuschreibt, die Umstände, unter denen gehandelt wird usw." Zusammenfassend werden Einstellungen in folgender Weise für den Typ stilistischen Sinns ,Ausdruck von Einstellungen' wichtig: — Welche Arten von Einstellungen sind konventionell mit dem Situationstyp gegeben, führen zu Handlungserwartungen, und wie geht der Handelnde damit um? — Welche Einstellungen zur Illokution sind ausgedrückt, kommen zum Ausdruck? Entsprechen sie den Regeln des Illokutionstyps? — Welche Einstellungen sind zusätzlich zur Illokution ausgedrückt, und in welcher Relation stehen sie zu den durch die Illokution per Konvention ausgedrückten Einstellungen? — Welche Einstellungen werden mit der Formulierung des Propositionsaktes ausgedrückt? In welcher Relation stehen sie zu den Einstellungen, die konventionell mit Sachverhalten dieses Typs ausgedrückt werden? — Welche Einstellungen läßt die Wahl einer Sprachvarietät in Relation zu Handlungstyp und Situationstyp erkennen?
296
2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Bei Keller (1977) sind Einstellungen und Beziehungsaspekt unter „kollokutionäre Akte" zusammengefaßt. Für die Zwecke der Stilistik erscheint es mir praktischer, auch angesichts der gezeigten Komplexität von Einstellungen, den Beziehungsaspekt zu trennen von Einstellungen (vgl. auch von Polenz 1985, 2.23., 2.24.; auch Kallmeyer/Schütze 1976, 1977: Ebene der Beziehungskonstitution und Ebene der Modalität). Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen dem Ausdrücken von Einstellungen und den Stilwirkungen: zwischen Ausdrücken, mit denen Einstellungen und Wirkungen beschrieben werden. Die ausgedrückten Einstellungen sind auch dem Sprecher/Schreiber unterstellte Wirkungsabsichten inbezug auf den Rezipienten (vgl. 1.4.). In der traditionellen Stilnorm spielt der Ausdruck von Einstellungen eine wichtige Rolle: Das Gebot der Anschaulichkeit (vgl. Reiners 1943/1976) führt zur Verwendung vieler bildlicher Ausdrücke. Daß diese auch ,wertende' Einstellungen mit vermitteln, geht aus den Beschreibungen in 2.4.2. und 2.4.5. hervor. Zum Ausdrücken von Wert-Einstellungen s. auch 2.6. Auf sprachliche Mittel zum Ausdruck von Modalitäten ist in der Stilistik bisher Riesel (1964) eingegangen bei der Analyse der Varietät „Alltagssprache": ,Humor', ,Aufgelockertheit' usw., auch Riesel/Schendels (1975, 254ff.): „Mittel zum Ausdruck von Humor und Satire".
2 . 5 . Das Modische (Historizität) Daß Stile Zeitmoden unterliegen und sich historisch verändern (vgl. auch die Definition bei Riesel/Schendels 1975, 16), wird den Benutzern in der Regel nicht bewußt. Nur altmodische Stile oder moderne, neuartige Stile fallen auf. So spielt die Werbung mit dem Erkennen der ,Neuartigkeit'; dies dürfte auch bei den ersten Beispielen der Enzyklopädie des Schweppens (2.1.1.1.) und bei den Reklamen im „Spiegel" für Henkell-Trocken (2.1.1.1.) wie Über Foie Gras (2) der Fall gewesen sein. Von der ,neuartigen' Art der
2.5. Das Modische (Historizität)
Handlungsdurchführung soll der Gegenstand, um den es etwas erben (Ähnlichkeitsstruktur): Er erscheint als ,neu', dern' usw. Auch der in 2.6.5. besprochene Stil politischen delns der Alternativen kann unter diesem Aspekt betrachtet den.
297 geht, moHanwer-
2.5.1. Uberlieferung Auch bei Überlieferung (Ehlich 1984) eines Textes in eine andere historische Zeit wird die stilistische Veränderung, Differenz bewußt. So wird heute ein Wahlplakat aus der Weimarer Republik wie das folgende als nationalsozialistisch' erkannt, zumindest von den älteren oder belesenen Beteiligten (aus: G. Müller 1978, 313): (84)
Deutsche Frauen schließt euch zusammen! Du Deutsches Mädel gehörst zu uns! Die Deutsche Frau wählt Hitler
Dazu gehört ein Bild: „Sonne in Form eines Hakenkreuzes, Dorf mit Kirche, Frau mit zwei Kindern" (ebda.). Aber auch ohne dieses Bild ist der Text historisch zuzuordnen: Jede der kurzen Äußerungen enthält das großgeschriebene Deutsch-, besonders die Formulierung Deutsches Mädel konnotiert ,3. Reich', nationalsozialistisch' . . . Weiter gehört zu diesem historischen Stil auch die ,Generalisierung' mit der Singular-Form: die Deutsche Frau. Gestützt wird diese Interpretation durch Semantisches: durch den Eigennamen (und einen Teil des Bildes), aber auch — im Kontext des übrigen — durch die Prädikation schließt euch zusammenl und die Proposition Du (...) gehörst zu uns. (Die Unterstreichung des wählt mag als ,historische' Präsupposition haben, daß es damals nicht selbstverständlich war, daß Frauen wählen gingen, sich mit Politik befaßten, vgl. die folgenden Wahlaufrufe.) Der Zeitstil als ganzer wird im historischen Abstand ,zeichenhaft', über die prototypischen Elemente wird die Zeit seiner Verwendung konnotiert. Hier geschieht etwas Ähnliches wie bei Soziolekten, die außerhalb ihrer üblichen Verwendungsbedingungen gebraucht werden (vgl. 2.2.4.). Als Stil einer Partei hatte der national-sozialistische Stil auch „Abzeichenfunktion" (Bausinger 1974, 249):
298
2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zur Partei wurden markiert, damit auch die Beziehung des einzelnen zur Gruppe stilistisch mit ausgedrückt (Art der Beziehungsgestaltung). Dies wird durch den Vergleich mit einem anderen zeitgenössischen Wahlaufruf deutlich: (85)
Frauen! Rechte gab euch der Staat! Säumt nicht, sie zu nützen. Wählet weise und klug nur Deutsche Volkspartei DVP (G. Müller 1978, 44)
Diese Wahlwerbung ist geprägt von Pathos (Rechte gab euch, Wählet) und ,hohem' Stil: Säumt nicht statt zögert nicht, wählet weise mit Alliteration und das Hendiadyoin (Eins-durch-zwei) weise und klug. Von heute her betrachtet hat diese Wahlwerbung einen konservativeren' Sinn als die vorhergehende. Dies mag auch zeitgenössisch aus nationalsozialistischer und aus sozialdemokratischer Perspektive so gewesen sein, vgl. (aus G. Müller, 1978, 271): (86)
Frauen! Gleiche Rechte — gleiche Wählt sozialdemokratisch
Pflichten!
Der Vergleich der Wahlplakate ergibt eine stilistische Differenzierung zwischen den Parteien. Diese Mode ist heute weitgehend verloren gegangen: Die Tendenz geht eher zu möglichst viele Wähler ,integrierendem' Stil, jedenfalls bei den großen Parteien. Durch das Herauslösen eines Textes aus seinem ursprünglichen Verwendungskontext entsteht eine stilistische Relationsstruktur, vergleichbar dem Verfahren, das anhand von Handkes Beispiel (10) in 1.5.1. gezeigt wurde. Der stilistische Sinn ist hier ,altmodisch', ,fremd' und je nach besonderem stilistischem Wissen des Rezipienten im Fall der gegebenen Beispiele ,3. Reich', nationalsozialistisch', konservativ' . . . Stilistische Zeitmoden sind uns eher für literarische Texte geläufig. Dasselbe gilt jedoch auch für Gebrauchstexte: In Sandig (1971, Kap. 5) habe ich historische Zeitungsüberschriften analysiert. Im Kontext der vorigen Beispiele mag es interessant erscheinen, daß die Schlagzeilen der nationalsozialistischen Presse ,modern' ge-
2.5. Das Modische (Historizität)
299
wirkt haben müssen — im Vergleich mit der späteren Entwicklung und im Vergleich mit anderen damaligen Tageszeitungen, die stilistisch ,konservativer' erscheinen. Als stilistisch empfinden wir bei Beispiel (84) die Arten der Formulierung einzelner Sprechakte, wobei aber die Sprechakttypen bis heute gleichgeblieben sind: Zu Wahlplakaten gehören explizite oder implizite Aufforderungen, die werbende Partei zu wählen; dies ist das textmusterspezifische Oberziel. Oft haben sich jedoch die Textmuster so geändert, daß auch die Art der Handlungsdurchführung und die Art der Themenabhandlung aus dem historischen Abstand stilistischen Sinn erhalten; eine Betrachtung mehrerer Exemplare erweist die textmustergemäße Durchführung (aus: Aviso 1609) einer Zeitungsmeldung. (87)
Aus Wien vom 25. Martij Anno 1609. Dißmal nichts newes / dann daß die Huldigung der Evangel. Stendt / v f f den 27. April aufgeschrieben worden / Gott verley hernach friedt vnd einigkeit / daß doch einmahl diß Land ein wenig ruh haben möcht / wer daran schuldig / der wirds künfftig wol innen werden. Die Reichs Abgesandten sein noch allhie / lofirn bey den 3. Hocken / sein schon dreymahl bey Ihrer Kön. Mayst. zu Hoff gewesen. Aus Prag den 30. Dito.
Die Überschriften sind völlig anders gestaltet als heute: Was heute noch am Beginn der Zeitungsnachricht als Korrespondenzort erscheint, bildet damals die Überschrift. Unter dieser Überschrift können, wie das Beispiel zeigt, mehrere für uns verschiedene Nachrichten zusammengestellt werden. Die Einleitung Dißmal nichts newes wirkt auf uns heute redundant, oder sie charakterisiert heute das Nachfolgende als eher nebensächlich'. Dagegen verleiht die nachfolgende komplexe wertende Stellungnahme — aus heutiger Sicht — der Information auch wieder eine ,Wichtigkeit', wohl zeitgemäß als sich auf Gott berufender Wunsch ausgedrückt — aus heutiger Sicht. Im Rahmen der strukturellen Mehrstufigkeit
300
2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
des Stils gehört dazu auch die Art des Schriftbildes: die Schreibung vermittelt den Sinn ,noch nicht wie heute geregelt', für den genaueren Kenner ist es eine ,barocke' Schreibung, vor allem durch die Großschreibung der Satzanfänge und der ,wichtigen' Lexeme. (Das Faksimile zeigt auch das Fraktur-Schriftbild.) Auch friedt und allhie konnotieren ,alt', ebenso das Weglassen der finiten Verben in einigen Nebensätzen (wer daran schuldig) usw. Wie Spillner (1976) anhand eines Stücks Trivialliteratur aus dem letzten Jahrhundert gezeigt hat, kann das Maß des historischen Abstands auch methodisch erfaßt werden, indem man zuerst einen manipulierten Text des Textmusters mit „demselben" Thema vorlegt und dann zur Aufgabe macht, diesen Text so zu bearbeiten, daß er dem Original möglichst nahe kommt. Das Ergebnis der Bearbeitung ist dann mit dem Original zu vergleichen. 2.5.2. Pseudohistorizität Ein anderer Aspekt der Historizität von Stilen ist eine Pseudohistorizität, die durch die Verwendung prototypischer Stilelemente aus anderen Epochen entsteht. Ein Beispiel dafür wird in 2.8.1. analysiert. Ein anderes Beispiel gibt Gobyn (1986) in seiner Analyse „mittelhochdeutscher Stilzüge in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm". Mit „Stilzügen" sind in der hier verwendeten Terminologie Stilelemente gemeint. Gobyn zeigt, daß Wilhelm Grimm die Märchen umschrieb, die Sprache der Märchen „stilisierte" (Knoop 1985): „so gibt es in den Märchen verschiedene syntaktische Besonderheiten, die zwar im Ahd. und Mhd. sehr häufig vorkamen, im 19. Jh. aber als auffällig gegolten haben müssen." (Gobyn 1986) „Viele Texte wurden im Vergleich zum Erstdruck völlig umgeschrieben, und Jacob distanzierte sich ausdrücklich von diesen Verfahren . . . " (Gobyn 1986). Anhand einer Reihe von Beispielen belegt Gobyn die Tendenz der Überarbeitung, z.B.: (88a) (88b)
Die Jungfrau Maria (...) zeigte ihr da ihre zwei ältesten Kinder, die mit der Weltkugel spielten (1812) Sie (...) zeigte ihr da ihre beiden ältesten Kinder, die lachten sie an und spielten mit der Weltkugel (KHM 3)
2.5. Das Modische (Historizität)
(89a) (89b)
301
Einem reichen Manne wurde seine Frau krank (...) (1819) Einem reichen Manne, dem wurde seine Frau krank (...) (KHM 21)
Die Tendenz geht zu der Zweitstellung des Prädikats in „Relativsätzen" wie bei (88b), zur Herausstellung (89b), insgesamt zur Parataxe; „Loslösung" der Nebensatzwortstellung bei einem mit und koordinierten zweiten Prädikat: (90)
Und wer's weiß und sagt's ihm, der wird zu Stein (KHM 6, ab 1819, das Märchen fehlt 1812)
Auch Anakoluthe (Satzbrüche) werden eingebaut: (91a)
Nun war der Jäger ein guter Mann und weil ihm die Kinder gefielen und er selbst keine hatte, nahm er sie mit nach Haus und sprach (...) (1819)
(91b)
Der gute Mann, weil ihm die Kinder gefielen und er selbst keine hatte, so nahm er sie mit nach Haus (...) (KHM 60)
Hier wird außer dem Satzbruch mit so noch die Herausstellung der gute Mann - ihm verwendet. Alle diese Stilelemente gab es im Mittelhochdeutschen wie in den lebenden Dialekten, so in Runges Dialektmärchen (KHM 19 und 47, Gobyn 1986), und es gibt sie bis heute im spontanen Sprechen (Sandig 1973). Darüberhinaus belegt Gobyn (1986) noch eine Reihe rein mittelhochdeutsch geprägter Stilelemente. Dazu gehört die Ersparung von Pronomina: (92 )
Das will ich gewißlich halten und will dir treu sein, wie ich ihm gewesen bin. (KHM 6)
(93a) von 1812 wird zu (93b) geändert: (93a) (93b)
Als sie das hörte, erschrack sie, und es war ihr so Angst, so Angst, daß (...) Da stieß das böse Weib einen Fluch aus, und ward ihr so angst, so angst, daß (...) (KHM 53, ab 1819).
Der stilistische Sinn dieser Stilelemente wird zur Zeit der Brüder Grimm gewesen sein: ,uralt und doch lebendig', jedenfalls für die,
302
2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
die sich mit Mittelhochdeutsch beschäftigten. Für andere mag es ,in Schriftlichkeit aufgehobene Mündlichkeit' (Knoop 1 9 8 5 , 2 4 ) gewesen sein. Die Grundlage für die erste Art der Sinnzuschreibung war, „daß etwas eine lange Tradition hat, lange im ,Brauch' ist und nicht von intellektueller oder rationaler Manier angekränkelt ist. Die Zauberworte hießen „ a l t " , „altertümlich", vor allem aber „mündlich erzählt und gesungen". Denn mit „volkstümlich" versucht man die kulturelle Schicht zu erfassen, die in ,treuer' mündlicher (also nicht durch die .intellektuelle' Schrift verdorbener) Überlieferung dieses „ A l t e " bewahrt h a t " (Knoop 1 9 8 5 , 16). Wir Heutigen haben das Bewußtsein der Entfernung der Schriftsprache von dem gesprochenen Umgangsstandard (spontanem Sprechen) weitgehend verloren, wir entdecken es erst mit Hilfe von Tonbandaufnahmen wieder, sonst ist Spontansprechen in der Öffentlichkeit nur graduell erlaubt (vgl. 2 . 3 . 1 . ) ; auch das Wissen über den Zusammenhang von spontanem Sprechen, Dialekten und Mittelhochdeutsch (Sandig 1 9 7 3 ) ging verloren. Deshalb hat dieser Stil heute für uns den Sinn ,Märchenton' (vgl. Stolt 1 9 7 8 ) , d . h . die prototypischen Eigenschaften dieses Stils sind zu denen eines Textmusterstils geworden (vgl. Stolt 1 9 8 5 und 2 . 1 . 1 . 4 . ) . Diese Änderung des stilistischen Sinns zeigt, daß relativ zum Wissen der Rezipienten dieselben Texteigenschaften (derselbe Text) verschiedenen Sinn erhalten können: stilistische Sinnherstellung als Ergebnis der Interpretation, die durch sprachliches Wissen geleitet ist.
2 . 6 . Stil als Repräsentant von Werten M i t Stil können Werteinstellungen des Sprechers ausgedrückt werden, und zwar ad hoc, den individuellen Fall betreffend (vgl. 2 . 4 . ) . Varietäten der Sprache sind darüberhinaus in einer Sprachgemeinschaft Träger von Bewertungen (vgl. Nabrings 1 9 8 1 , 163 ff.). So vermittelt die schreibfähige Hochsprache gegenüber Dialekt oder Umgangsstandard oder Soziolekten ,Prestige' (vgl. Kap. 2 . 2 . 4 . ) , und bei den Stilebenen (,gehoben',,gewählt' vs. ,neutral' vs. n i e d rig', ,vulgär' . . . ) wird ebenfalls Wertung deutlich (vgl. 2 . 4 . 6 . ) .
2 . 6 . Stil als Repräsentant von Werten
303
Weiter gibt es Stile, die als solche konventionell verfestigt sind: Sie haben charakteristische Strukturmerkmale und sind Träger von Stilfunktionen, die häufig auch wertender Art sind. Im folgenden will ich auf einige Fälle eingehen, in denen Kombinationen von Typen stilistischen Sinns einschließlich Wertung konventionell durch typische Stil-Strukturen zu erkennen gegeben werden. 2 . 6 . 1 . Rituelle Stile Der Bezug von Ritualen zur Stilistik liegt in der Struktur und in den Funktionen: Rituelles Handeln (Werlen 1 9 8 4 ) bringt „soziale Werte und Prinzipien nicht begrifflich und bewußt zum Ausdruck" (Wellendorf 1 9 7 7 , 17), also nicht explizit, sondern implizit (vgl. 1.6.2.) über die Art der Durchführung der Handlung. „Rituelles Handeln ist ein spezifischer Modus der Kommunikation, ( . . . ) von der Art eines wortlosen verdichteten Einverständnisses" (Wellendorf 1 9 7 7 , 18). Gewisse Muster sprachlichen Handelns haben ,rituelle' Bedeutung oder in der hier gewählten Terminologie: ,rituellen' Sinn. Damit sind u. a. gemeint die „formelhaften T e x t e " , die bei Eröffnungsveranstaltungen von Tagungen und ähnlichen Ereignissen geäußert werden (Gülich 1 9 8 5 ) , die „ G r u ß w o r t e " aus Anlaß von Vereinsjubiläen (Antos 1 9 8 5 ) , die typisierten Abläufe, Handlungstypen und Äußerungsformen von Gottesdiensten gleich welcher Konfession (Werlen 1 9 8 4 ; Gülich/Paul 1 9 8 3 ) , die Ablaufmuster von Gerichtsverhandlungen (Leodolter 1 9 7 5 ) usw. Im folgenden will ich zunächst mein Verständnis von Ritual klären, danach auf einige Beispiele eingehen. 2 . 6 . 1 . 1 . Zu Funktionen und Strukturen von Ritualen Werlen ( 1 9 8 4 , 81 ff.) macht nach einer Durchsicht verschiedener Ritualauffassungen folgenden definitorischen Vorschlag: „Ritual (ist) zu definieren als eine expressive institutionalisierte Handlung oder Handlungssequenz" ( S . 8 1 ) . Expressivität ist dabei gemeint als sehr weiter, im Einzelfall zu spezifizierender Begriff für die Art des Sinns, der durch das Vollziehen des Rituals hergestellt wird, z . B . ,Heiligkeit' ( 8 2 f f . ) . M i t Institutionalisiertheit meint Werlen
304
2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
(1984, 86 ff.) die Häufigkeit der „Formalisierung, Stilisierung, Repetitivität, Stereotypisierung" (86) als Eigenschaften der Handlungsmuster. Das Ritual legt „in Grenzen fest, wer wann was zu tun hat; dann legt es fest, wie diese Handlungen zu erfolgen haben, welche Form sie annehmen" (89). Werlen betont aber auch immer wieder die individuellen Spielräume, die Rituale lassen (88, 149 ff.). Unter dem Handlungsgesichtspunkt betont Werlen die Musterhaftigkeit (81): „daß Handlungen ritueller Art durchgeführt werden, indem sie ein zugrundeliegendes Muster realisieren" (81); weiter ist der Aspekt des Durchführens wichtig: die Handlung gilt als eine rituelle, indem sie in einer besonderen mustergemäßen Weise durchgeführt wird (vgl. zur Wichtigkeit der Art des Durchführens im Hinblick auf die Herstellung stilistischen Sinns auch 1.2., 2.1.1.). Dabei unterscheidet Werlen (82): „Als ,Ritual' betrachten wir (...) einerseits die Realisierung des Musters in einer konkreten Handlung und andererseits das abstrakte Muster selbst." Zur Struktur von Ritualen bemerkt Werlen weiter (82): „Das Charakteristische am Ritual ist (...), daß die Abfolge (von) Teilhandlungen vorgeschrieben ist und zwar von außen her, nicht aus innerer Logik", nicht .als Folge (Konsequenz) von Verpflichtungen, die durch vorangegangene Teilhandlungen etabliert wurden. Wie Gülich (1985) zeigt, geht es nicht vorrangig um Sachverhalte, die mitgeteilt werden: Inhaltlich sind Rituale oft sinnentleert'. So weit kann man unter die gegebene Bestimmung die eingangs aufgeführten Arten von institutionellen Ritualen unproblematisch subsumieren. Werlen (1984, 230 ff., 234 ff.) rechnet darunter aber auch „Anfänge und Beendigungen alltäglicher Konversationen" und „indirekte Sprechakte", soweit sie dem Ausdruck von ,Höflichkeit' dienen. Diese unter die gegebene funktionale und strukturelle Definition zu rechnen, scheint mir problematisch: Sie können in Institutionen verwendet werden, aber in der Regel auch privat, nichtinstitutionell, sondern alltäglich (vgl. Coulmas 1979). Es handelt sich teils um Sequenzen (bei den Anfängen und Beendigungen alltäglicher Konversationen), teils nicht (bei den „indirekten Sprechakten"). An einer Stelle (371) deutet Werlen sogar an, daß es beim Ausdruck der ,Höflichkeit' so etwas wie eine „innere
2 . 6 . Stil als Repräsentant von Werten
305
L o g i k " doch gibt: Bei Ich darf wohl sagen, daß Ihre Behauptung falsch ist ist eine Diskrepanz zwischen dem ,höflichen' Illokutionsausdruck Ich darf wohl sagen und dem Ausdruck des propositionalen Gehalts daß Ihre Behauptung falsch ist festzustellen. Werlen schreibt dazu ( 1 9 8 4 , 3 7 1 ) : „Daraus folgt, daß Höflichkeitsindikatoren aufeinander abgestimmt sein müssen. Es gibt also so etwas wie syntagmatische Relationen von Höflichkeitsindikatoren, also Kookkurrenzbeschränkungen." In Termini der Stilistik: Es gibt eine Verpflichtung zum konsistenten Handeln im Hinblick auf den stilistischen Sinn der ,Höflichkeit', so lange diese Intention nicht geändert wird (vgl. 1.5.5.; 2 . 2 . 3 . ) . Strukturell sind also Rituale so zu beschreiben: Einerseits gibt es Handlungssequenzen, in denen die Teilhandlungen „nicht aus innerer L o g i k " (82) aufeinander folgen müssen, andererseits gibt es die Verpflichtung zu stilistisch konsistentem Handeln wie auch sonst. Möglicherweise gibt es Übergänge zwischen beiden FormTypen (vgl. Coulmas 1 9 7 9 , 1 7 2 ) . Um ,Höflichkeit' und überhaupt alltägliche Rituale mit erfassen zu können, muß m. E. die funktionale Ritualdefinition verändert werden, außerdem muß sie in Relation zu Beziehungsgestaltung (Beziehungsaspekt) gesetzt werden. Werlen ( 1 9 8 4 , 2 2 ff.) referiert die Ritualdefinition von Gluckman, zu der gehört, daß Rituale „expressive Darstellungen sozialer Beziehungen" sind (24). Dabei wird unter „Darstellung" im ethnomethodologischen Sinn verstanden, daß das Durchführen des Rituals Ausdruck des Gestaltens einer Art sozialer Beziehung (als Prozeß) ist. Dementsprechend ändern sich nach Gluckman Rituale mit der Veränderung der Sozialstruktur. Die besondere Art der Beziehungsgestaltung zielt auf „Frieden und H a r m o n i e " (Werlen 3 9 , nach V.Turner), auf eine „besondere Art der Vergesellschaftung, die sich unter Ritualteilnehmern ergibt" (Werlen 4 0 , nach V. Turner), d. h. Rituale haben gemeinschaftsstiftenden bzw. -zeigenden, -erhaltenden Sinn (vgl. Coulmas 1 9 7 9 , 1 7 2 : „soziale Integration"). Dabei „bestehen durchaus nicht-egalitäre Beziehungen zwischen Ritualteilnehmern, wie der Blick auf fast alle Rituale zeigt, die Rollenfestlegungen wie die von Priester, Vorsteher, Leiter
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2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
usw. kennen" (Werlen 1984, 40). Weiter gehört es zu den Funktionen von Ritualen, gemeinsame Werte durch den Vollzug zu erleben (vgl. Goffmans Definition bei Werlen, 1984, 65; Parsons ebda; 52). Da an Werte häufig emotionale Einstellungen gebunden sind, scheint hier der Grund für die bei Werlen angenommene Expressivität zu liegen; nach Kern (1975) kommt als obligatorische Einstellung hinzu der ,neutrale Ernst'. Die Funktion des Rituals ist es dann, bei den Ritualteilnehmern eine Gemeinsamkeit der Werte zu realisieren, erfahrbar zu machen. Durch Alltagsrituale wird die soziale Ordnung aufrechterhalten, und die Individuen bekunden sich wechselseitig Respekt als wertvolle Mitglieder dieser sozialen Gemeinschaft: Ein ,höflich' sich ausdrückendes Mitglied stellt sich selbst als wertvolles Mitglied der Gemeinschaft dar und bekundet für den Adressaten Höflichkeit. Bei institutionellen Ritualen bekommt das Wertvolle je nach dem „Leitwert" der Institution eine besondere Färbung: ,Heiligkeit' bei religiösen Ritualen (vgl. Werlen 1984, 148 ff.); gesellschaftlich relevantes Wissen in Ausbildungsinstitutionen; Aufrechterhaltung der Rechtsordnung durch gerichtliche Rituale usw. usw. In einem Verständnis von Ritual als Realisierung von Gemeinsamkeit der Werte durch das Durchführen mehr oder weniger vorgeformter Muster sind deshalb Höflichkeit, Rituale des Gesprächsbeginns und der Gesprächsbeendigung wie institutionelle Rituale gleichermaßen unterzubringen. In welcher Relation zu Ritual ist nun die Beziehungsgestaltung zu sehen? Beziehungen können grundsätzlich ,positiv' oder ,negativ' gestaltet werden; so können ,Distanz' und ,Nähe' vermittelt werden, vgl. 2.2.3. Bei Ritualen geht es dagegen um die Gemeinsamkeit der Beteiligten. Oft werden institutionelle Rituale (wie etwa Unterricht, Gerichtsverhandlung) begleitet von Arten der Beziehungsgestaltung: Ein Lehrer kann das Ritual Unterricht mit positiver' oder ,negativer' Beziehungsgestaltung zu den Schülern erfüllen, oder er kann zu einzelnen Schülern verschiedenartige Beziehungen aufbauen. Leodolter (1975) zeigt, wie das Ritual Gerichtsverhandlung Spielräume aufweist für unterschiedliche Beziehungsgestaltungen; dies ist nach Leodolter nicht ohne Einfluß auf das
2 . 6 . Stil als Repräsentant von Werten
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Ergebnis der Verhandlung. Diese Beispiele zeigen: Der Beziehungsaspekt betrifft Typen von Beziehungen zwischen Individuen, das Ritual dagegen bezieht sich auf Individuen als Mitglieder einer Gemeinschaft. In Ritualen wird rollentypisch gehandelt. Deshalb können durch eine Interaktion beide Funktionstypen, Ritual und Beziehungsgestaltung, gleichzeitig realisiert werden; der von Werlen (1984) betonte individuelle Spielraum ermöglicht dies. In dieser Hinsicht gehört ,Höflichkeit' sowohl zu ritueller wie zu beziehungsgestaltender Sinnkonstitution — je nachdem, unter welchem Aspekt sie betrachtet wird: in eine Gemeinschaft integrierend oder individuierend. So schreibt Coulmas (1979, 172): „Der Übergang zwischen rituellem und nicht rituellem Verhalten ist ein kontinuierlicher, was nicht durch eine willkürliche strikte Trennungslinie kaschiert werden sollte." Auch in bezug auf die Strukturtypen gibt es Übergänge: Von vorgefertigten Texten und Textteilen (z.B. Werlen 1984) über vorgeformte Handlungssequenzen mit formelhaften Bestandteilen (Gülich 1985) zu charakteristischen Verwendungen sprachlicher Einheiten wie modalen Ausdrücken bei Performativen (Ich würde gern fragen; Könnten Sie mir sagen usw., Werlen 1 9 8 3 , 1984) und zu nicht wörtlichen Verwendungen von Äußerungen in Situationen (Kann ich mal das Salz haben?). Nach dem bisher Dargestellten haben Rituale mehrfachen Bezug zu Stil: Strukturell haben gerade die institutionellen Rituale häufig charakteristische Formulierungseigenschaften; die Handlungen werden dem Muster gemäß mit ganz spezifischen Äußerungen, Äußerungssequenzen oder Äußerungsteilen vollzogen. Funktional gesehen werden durch rituelle Handlungen soziale Tatsachen etabliert; die institutionellen und alltäglichen Rituale dienen der Definition der Situation und der (Rollen-)Beziehung, z . B . Einleitungs- und Beendigungsrituale, Begrüßungsansprachen, und sie drücken besondere gemeinschaftsbezogene Einstellungen, Werte, aus. 2 . 6 . 1 . 2 . Einige Beispiele Die Präambel des EG-Rechtstextes (22) in Kap. 1.5. ist in ihrer vorgeschriebenen Sequenz und teilweisen Formelhaftigkeit als Bei-
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2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
spiel eines zwischenstaatlichen Rituals zu sehen, das u. a. dem Zweck dient, Gemeinsamkeiten zwischen Staaten herzustellen, im Hinblick auf gemeinsame Werte. Dies gilt auch für internationale Resolutionen, wie sie bei Thiel (1980) behandelt sind. Institutionelle Rituale werden bei Gülich/Paul (1983) und bei Werlen (1984) ausführlich am Beispiel des Gottesdienstes zweier Konfessionen beschrieben. Lüger (1980, 24) beschreibt als Beispiel das Taufritual. In diesen Fällen handelt es sich um Realisierungen von partiturartig Vor-Geschriebenem: Handlungstypen, Handlungssequenzen und sogar Texte sind vorformuliert (Werlen 1984, 148 ff.). Ein Beispiel für Rituale, die weniger stark durchgeformt sind, aus Lüger (1980, 25 f.); das Beispiel stammt aus „Texte . . . III" (1975, 125): (94)
Aussprache über einen Unfall (Sprecher: AA = Verwaltungsbeamter, Vertreter des städtischen Rechtsamtes; AB = Lehrerin, Betroffene) AA äh, Frau AB, ich hab Sie, bevor wir äh hier zur eigentlichen Sache kommen, darauf hinzuweisen, daß Sie auch bei mir keine Angaben zu machen brauchen, wenn Sie es nicht wollen. AB (mhm) AA Sie haben ja bei der Polizei erklärt, „ich möchte mich nicht äußern zu der ganzen Angelegenheit" und haben also dies unterschrieben. AB (ja) AA Das ist Ihr gutes Recht. Das kann Ihnen niemand verübeln. Sie können das hier auch bei mir sagen: „ich mache keine Angaben." Wenn Sie aber Angaben machen nachher, wenn Sie sich also bereit erklären, dann müssen Sie mir die reine Wahrheit sagen. Ich habe Sie im übrigen darauf hinzuweisen, daß es Ihnen freisteht, einen Rechtsanwalt zu nehmen. AB (mhm) AA Also, wenn Sie glauben, Sie können ohne Anwalt die Sache nicht äh bearbeiten oder äh ohne Anwalt nicht durchstehen, dann steht es Ihnen also frei, einen Anwalt zu nehmen.
2.6. Stil als Repräsentant von Werten
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AB (jawohl) AA Jetzt hab ich zunächst mal, bevor wir in die Einzelheiten einsteigen dieses Falles, ins Konkrete kommen, die Frage an Sie: Wollen Sie aussagen oder nicht? Lüger ( 1 9 8 0 , 2 6 ) schreibt dazu: „In der zitierten Dialogeinleitung kann man zunächst drei institutionelle Sprachhandlungen unterscheiden: die Belehrung über das Recht der Aussageverweigerung, über die Wahrheitspflicht und über das Recht, einen Anwalt hinzuzuziehen. Im Vergleich zu den religiösen Ritualen ist das Sprachverhalten in weitaus geringerem Maße festgelegt; dennoch sind Rollenhaftigkeit und normative Basis auch hier determinierend. So deuten bestimmte Formulierungen (z.B. ich habe Sie darauf hinzuweisen, es steht Ihnen frei) auf entsprechende rechtliche Grundlagen (hier: die StPO) hin. Als kontextuell angepaßte Versatzstücke aus Gesetzestexten stellen sie gleichsam explizit normative Formeln dar (Dittmann 1979, S.222). Eine weitere Signalisierung der Einbindung in normative Grundlagen bildet die Verwendung des Modalverbs müssen im Sinne einer Obligation ( . . . dann müssen Sie mir die reine Wahrheit sagen), sie kann im gegebenen Rahmen durchaus als Hinweis auf Sanktionsmöglichkeiten interpretiert werden. Der institutionelle Charakter der Äußerungen steht somit außer Frage. Er dokumentiert, daß der Sprecher (AA) nicht als Privatperson, sondern als Funktionsinhaber einer Institution, als Rollenträger tätig ist und sich bei seinem Handeln auf eine verbindliche gesetzliche Grundlage bezieht. Gleichzeitig wird für den Betroffenen (AB) deutlich, daß von ihm eine gewisse Respekthaltung (einschließlich der Unterlassung bestimmter problematisierender oder emotionaler Äußerungen) erwartet wird. Die Andeutung möglicher Sanktionen verstärkt diesen Eindruck. Trotz der eindeutigen institutionellen Bindung kann man nicht von einer durchgängigen Festlegung sprechen. Die direkte Bezugnahme auf vorgefertigte Textfragmente betrifft nur einzelne Abschnitte; normative Vorlagen werden zwar an einigen Stellen reproduziert, der Wortlaut ist jedoch nicht vorgeschrieben, lediglich der Typ der sprachlichen Handlung ist geregelt. Offen bleiben auch die thematische Abfolge im Gespräch sowie die Strategie des Vorgehens. Als gewissen Widerspruch zu den Institutionalitätssignalen mag man das Vorkommen umgangssprachlicher Wendungen (jetzt hab ich zunächst mal, in die Einzelheiten einsteigen), den teilweisen Verzicht auf Termini (der Fall wird u. a. als „Sache" bezeichnet) oder die zahlreichen Wiederholungen auffassen. Dittmann (1979, S.222) spricht hier zutreffend von einer für die Definition der Beziehungsebene wichtigen „Strategie der Zweigleisigkeit". Sie erlaubt zumindest partiell, die Distanz
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2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
und die unpersönliche Atmosphäre, die aufgrund der vorliegenden Redekonstellation gegeben sind, abzubauen, indem sie die unpersönliche Rolle des Funktionsträgers mit individuellen Merkmalen versieht. (Die zugrundeliegende Konstellation wird dadurch allerdings nicht berührt, die Rolle eines vertrauten Gesprächspartners dürfte der anhörende Beamte grundsätzlich nicht übernehmen können.)" Vgl. auch Holly (1981). Der Beispieltext ist strukturell als Mustermischung zu beschreiben. Die Mischung ist jedoch nicht, wie in anderen Fällen, beliebig, sondern der Beamte ist zu ,ernstem' Handeln verpflichtet: Es geht um die Realisierung sozialer Werte; das Ausdrücken subjektiver Werteinstellungen würde die Ritualität zerstören. Alltägliche Rituale, die der unproblematischen Aufrechterhaltung der allgemeinen sozialen Ordnung dienen, hat Werlen ( 1 9 8 4 , 2 3 0 ff.) am Beispiel des Beginns von Telefongesprächen beschrieben. E r gelangt zur Beschreibung einer Ritualstruktur (Zählung: B.S.): „Die 4 Paare (la) SUMMONS - (lb) ANSWER, (2a) IDENTIFIKATION - (2b) GEGENIDENTIFIKATION, (3a) BEGRÜSSUNG - (3b) GEGENBEGRÜSSUNG, (4a) THEMAEINFÜHRUNG - (4b) THEMARATIFIKATION bilden je ein „adjacency pair" (Gesprächsschrittpaar, B.S.), haben aber unter sich keine („logische", B.S.) Beziehung. Erst das Ritual regelt ihre mögliche Abfolge, wobei diese Abfolge durch Optionalität von BEGRÜSSUNG und GEGENBEGRÜSSUNG, sowie durch die nicht entschiedene Reihenfolge von IDENTIFIKATION und GEGENIDENTIFIKATION sowie BEGRÜSSUNG und ihres Gegenteils verschiedenes Aussehen erhalten kann. Die Grammatik der Handlungsabfolge bietet dadurch einen relativ großen Spielraum. Die Fortsetzung des Gesprächs hingegen folgt anderen Regeln, die sich aus der Themenbehandlung ergeben." Zwei Beispiele: das erste ist den „Texten gesprochener deutscher Standardsprache I V " ( 5 9 ) entnommen (Schreibung verändert): (95)
Telefon klingelt ( l a ) AA Xyz-Tankstelle xxx ( l b , 2 a ) , guten Tag (3a) BB Guten Tag (3b), BB (2b), haben Sie Gürtelreifen? (4a) A A Ja (4b), was für? (Themenentfaltung, B.S.)
N a c h dem S U M M O N S - Z u g ( l a ) des BB erledigt AA - teils in einer Äußerung integriert ( l b und 2b), teils separat (3a) alle seine rituellen Verpflichtungen in einem Gesprächszug, w o r a u f auch BB
2 . 6 . Stil als Repräsentant von Werten
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seinen rituellen Verpflichtungen in einem weiteren Zug genügen kann. Gegenüber dem folgenden Beispiel, das das Muster weiter ausbaut, ist der stilistische Sinn — angesichts des Gesprächspartners AA, der sich nicht als Person identifiziert — geschäftsmäßig', ,arbeitsbetont' . . . Das zweite Beispiel ist aus den „Texten gesprochener deutscher Standardsprache I " ( 1 2 8 , mit veränderter Schreibung) eine Telefonberatung im Rundfunk: (96)
Telefon klingelt ( l a ) AA Vier-vier-eins-sieben-sieben-sieben
(lb/2a)
AB Ja, guten Tag (3a), Herr Doktor von Hollander (2a) AA Guten Tag (3b) AB Wir haben (4a) oder wir Jugendlichen aus meinem Kreis (2b) — ich bin sechsundzwanzig, also nicht mehr ganz jugendlich (2b) — wir haben im Moment alle son großes Problem (4a) AA Mhm (4b) AB und zwar ...
(Themenentfaltung, B.S.)
Bei diesem Beispiel will AB nach (3b) sofort zu (4a) übergehen, aber (2b) ist noch nicht abgearbeitet, deshalb wird mit oder als Korrektursignal noch die Gegenidentifikation nachgetragen, dann erst kann zu (4a) übergegangen werden. Da sich AA nur über das Äußern der Telefonnummer identifiziert, wird er von AB nochmals mit seinem Namen identifiziert; die darauffolgende G E G E N B E G R Ü S S U N G ist möglicher Folgezug der I D E N T I F I K A T I O N und dient so auch mit deren Ratifizierung. Im Unterschied zum vorangegangenen Beispiel werden hier vier Gesprächszüge zum Abarbeiten des Rituals benötigt. Die Beziehungsgestaltung ist von vornherein persönlicher': Der Berater ist dem Anrufer aus anderen Beratungen bereits bekannt, der Ratsuchende stellt sich mit einigen seiner Eigenschaften vor. Institutionelle Rituale, in die viel Alltägliches eingegangen ist, werden bei Hagemann ( 1 9 8 5 ) analysiert: Beendigungen von Rundfunk- und Fernsehsendungen; sie werden ,institutionell' produziert und in der Regel in ,privaten' Situationen rezipiert (vgl. auch Leitner 1 9 8 4 ) .
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2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
2.6.2. Entritualisierung durch Parodie Mit Ritualen werden, wie in 2.6.1. gezeigt wurde, gemeinschaftsrelevante Werte realisiert. Formelhaftigkeit, inhaltliche Entleerung (vgl. Gülich 1985) und vor allem die Festschreibung von Ritualen in Institutionen können dazu führen, daß Rituale weiter realisiert werden, auch wenn sie den Werten der Gemeinschaft nicht mehr entsprechen. Ein wichtiges Mittel der Aufdeckung der Unangemessenheit von Ritualen ist die Parodie: Parodistischer Stil zeigt eine negative Einstellung zu (traditionellen) Werten; er ist Zeichen der Abkehr von geltenden Werten: „Denkmalschändung" (Sornig 1976, 104). So wird in Beispiel (19) von Hildesheimer ein ,erhaben',,entrückt' . . . wirkender lyrischer Ton parodistisch zerstört. In einem NaziMilitärlager für Universitätsdozenten wurde im Jahr 1936 vor dem Essen „ein Tischgebet" verlangt: (97)
Und schlägt der Bauch auch Falten, wir bleiben doch die alten.
Hier wurde - punktuell - die Absurdität von Beten und Kriegsvorbereitung durch Universitätsangehörige entlarvt. Ein Schüler, der parodiert: (98)
Wer baggert so spät im Baggerloch? Das ist der Bagger, der baggert noch. (Bracht 1978),
zeigt damit seine Aversion gegen quasi heilig gewordene Texte (aus vergangener Kultur), die es auswendig zu lernen gilt. Sornig (1976, 85) schreibt: „Der Parodist widerspricht einem Text(-hersteller oder -wiederholer), indem er ihn (zum Teil) imitiert. (...) Der intendierte Widerspruch innerhalb einer imitatorischen Textsequenz ist aus gezielten Signalen zu entnehmen, mit denen eine S t ö r u n g der imitierten T e x t s t r u k t u r (...) angedeutet wird ( . . . ) . " Die Techniken des Parodierens (vgl. Sornig 1976) lassen sich an den drei Beispielen zeigen: Bei Hildesheimers Hölderlinparodie werden bestimmte Formulierungen verwendet,
2 . 6 . Stil als Repräsentant von Werten
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die dem Leser bekannt sein dürften, besonders das nur aus diesem Hölderlin-Text bekannte heilignüchterne Wasser. Bei der Gebetsparodie wird eine begrenzte rhythmische und gereimte Struktur verwendet; da der Text in einer Gebets-Situation geäußert ist, ist er eindeutig als Gebetsparodie zu erkennen. Die Erlkönig-Parodie enthält sowohl die Rhythmus- und Reim-Struktur des Originals wie auch bestimmte Formulierungen: Wer x-t so spät ( + Ortsadverbiale)? Das ist der y-er ( + Prädikation). Damit ist auch die Struktur von rhetorischer Frage und Antwort des Originals enthalten. Die Wortwiederholungen, die in diese Struktur eingesetzt sind, (zweimal Bagger und zweimal baggert) entsprechen nicht den Feinheiten der variatio in der figura etymologica (vgl. Beispiel (81) mit Mückenschwarm — schwärmen für). Vielmehr wird die ,Öde' der didaktischen repetitio vermittelt. In allen drei Beispielen ist das Thema der Parodie in Relation zum ,wertvollen' Thema des Originals ,banal', ,trivial'; die Struktur ist jeweils die der Mustermischung. In der Parodie prallen die Bewertungsunterschiede des ritualisierten Texts / des rituellen Textmusters und der ritualkritischen Einstellung aufeinander, im Falle von (97) und (98) die Werte der Institution und der von ihr Betroffenen (Soldaten, Schüler). Sornig ( 1 9 7 6 , 8 7 f f . ) betont die Wichtigkeit des Rezipienten: „Der Rezipient fühlt sich durch diese Verzerrung irritiert, weil mit der Änderung ( . . . ) die schon fixierten perlokutiven Wirkungen des Modelltextes in Schwebe gesetzt, in Frage gestellt werden." „Der Vollzug eines parodistischen Aktes (durch den Rezipienten, B.S.) besteht im Erkennen von Ähnlichkeiten und U n ä h n l i c h k e i t e n ( . . . ) auf allen Realisationsebenen" (Sornig 1 9 7 6 , 9 0 f . ) . Mit dem Parodieren eines wertvollen Originals oder eines sozial wertvollen Textmusters wird auch die rituell damit verknüpfte ,ernste' Modalität in eine ,unernste' verändert; auch beim Rezipienten wird eine Übernahme dieser ,unernsten' Modalität intendiert.
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2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
2.6.3. Verwendung des konventionellen Sinns von Stilen und Stilelementen zu anderen Zwecken Bereits bei der Parodie war es wichtig, daß bestimmten Texten oder textmusterspezifischen Stilen (falls man einen Originaltext nicht erkennt wie beim Tischgebetbeispiel) per Konvention ein stilistischer Sinn zukommt (vgl. Stolt 1978). In den folgenden Fällen ist die Art des Umgangs mit Texten oder textmusterspezifischen Stilen anders als bei der Parodie: Der durch die Verwendung hergestellte neue Sinn ist kein ,Gegen'-Sinn; der konventionelle Sinn wird für die eigenen Zwecke eingesetzt. Stolt (1983) schreibt: „Bei Neuübersetzungen der Bibel werden die stilistischen Merkmale der Sakralsprache überwiegend getilgt" (Stolt 1983, 180). Stolt (1983) zeigt, daß Charakteristika des Lutherschen Bibelstils (wie Parataxe, das charakteristische aber, mache Dich auf und gehe, Siehe usw.) im Hebräischen f o r m a l sprachlich' waren und erst später, durch die starke Orientierung der Übersetzer am Original eine ,sakralsprachliche' Bedeutung erhielten; daneben sind sie „beachtliche Träger emotionaler Werte" (Stolt 1983, 183). In dieser Eigenschaft, mit ,mythischemotionalem' Sinn werden ursprüngliche Stilmerkmale der Sakralsprache, wie Stolt (1983) aufweist, in die Fantasy-Literatur von Tolkien (auf Englisch) und Michael Ende übernommen: Man profitiert von dem sinn-herstellenden Potential dieser Stilelemente. Ein anderes Beispiel: Im Dritten Reich wurden alle bestehenden positiven Werte „mobilisiert" (Aus: Völkischer Beobachter, Beilage: Weltmacht der Deutschen, Oktober 1943): (99)
Volk der Persönlichkeiten Im Bombenhagel bewährt ~Wenn Du einsam am Strande stehst und in der Dämmerstunde das letzte Silber des niemals ruhenden Meeres sich ganz in der Ferne mit dem Himmel vermählt, wenn Du einen Berg besteigst und rundherum die Horizonte unter dem Glänze der glühend aufsteigenden Sonne in immer neuen Farbenspielen wechseln, wenn Du als Posten in dunkler Nacht vor dem Gehöft auf und ab schreitest, in dem Deine
2 . 6 . Stil als Repräsentant von Werten
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Kameraden schlafen und auf alle die feinen Stimmen lauschst, die vom nimmermüden Weben der Natur künden, wenn Du im Flugzeug dahinbraust über Wolkengebilde von unaussprechlicher Pracht, wie sie das menschliche Auge nie von unten erschaut, dann kann es geschehen, daß Dich mit aller Kraft ein freies und stolzes Gefühl für die Ewigkeit packt. (...) Unsere Gegenwart ist freilich die Zeit nicht, im luftleeren Räume zu bauen. Sie ist träumenden Grübeleien abhold, denn sie ist die Zeit der jedem gestellten klaren und scharf umrissenen Aufgaben. Die Ewigkeit, die wir greifen können und greifen wollen, ist die unseres Volkes ... Hier wird im ersten Absatz ein typischer Werther-Stil verwendet (1. Buch, am 10. Mai, und 1. Buch, am 18. August): Es sind jeweils Satzperioden, deren mehrere Nebensätze mit wenn beginnen und deren propositionale Gehalte jeweils das Erleben der Natur betreffen — allerdings ist hier das ich des Werther in ein generalisierendes' Du des Adressaten (austauschbar mit man) verwandelt: Es hat, wie der 2 . Absatz zeigt, ,gemeinschaftsstiftenden' Sinn wie wir, unser. Die Wenn-Nebensätze münden jeweils in einen Ausdruck des Gefühls im Hauptsatz. Gemeinsam ist weiter der ,hohe' Stil: mit seinen Morphemen (am Strande), der Wortwahl ( v e r m ä h l t , schreitest), mit der Verwendung „schmückender
Beiwörter" (des niemals ruhenden
Meeres),
mit ihrer spezifischen
Rhythmik, mit der Syntax. Schließlich gibt es inhaltliche Gemein-
samkeiten mit den Werther-Passagen: Ozean,
Gebirge, die lieben Wolken, im letzten roten Strahle der Sonne, Gegenwart des Allmächtigen, Geist des Ewigschaffenden., in ewiger Wonne, Abendwind, Schwirren der Millionen Mückenschwärme ..., und dazu werden eine Reihe gleicher Lexeme verwendet: Weben, Berg, Meer . . . Es werden also ähnliche Wissensrahmen entfaltet; mit Posten, Kameraden, Flugzeug wird allerdings der Frame des ,Kriegführens' hereingebracht, aber nur mit,positiv' zu Bewertendem. Hier wird noch raffinierter als in Goebbels' Roman „ M i c h a e l " über die Verwendung eines bekannten Musters Ideologie transportiert (vgl. Hotz 1 9 7 4 , 2 8 ) : Das ideologische Thema wird so entfaltet, daß es mit den ,positiven' und ,emotionalen' Einstellungen, die das Origi-
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2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
nal den damals Gebildeten vermittelt, angereichert wird. Es wird die Gemeinsamkeit der Werte und der Emotionen mit den damaligen Gebildeten zelebriert; das eigentliche thematische Ziel ist jedoch, wie der zweite Absatz zeigt, ein anderes. Die Verwendung von stilistischem Sinn ohne parodistische Distanzierung ist somit e i n Mittel der Persuasion mit Hilfe von Stil. Dieselbe Funktion hat die Benutzung des Gebetstons am Ende der Sportpalastrede vom 1 8 . 2 . 1943 von Goebbels (Schafarschik Hg. 1973/1976). Es wird der ,rituelle' Wert des Stils ausgenutzt (Schafarschik 1973/1976, 68): (100a)
Wir geloben euch, wir geloben der Front, und wir geloben dem Führer, daß (...) Wir verpflichten uns (...) Unsere Herzen wollen wir erfüllen mit jener politischen Leidenschaft, die uns immer in den großen Kampfzeiten der Partei und des Staates wie ein ewig brennendes Feuer verzehrte. Nie wollen wir in diesem Kriege jener falschen und scheinheiligen Objektivitätsduselei verfallen, der (...)
Die rituellen Werte werden in dieser Rede auch explizit ausgesprochen, dies spricht für meine Interpretation (Schafaschik Hg. 1973/ 1976, 51): (100b)
Hier kämpft die deutsche Nation um ihr Alles. Wir sind in diesem Kampf zu der Erkenntnis gekommen, daß das deutsche Volk hier seine heiligsten Güter, seine Familien, seine Frauen und seine Kinder, die Schönheit und Unberührtheit seiner Landschaft, seiner Städte und Dörfer, das zweitausendjährige Erbe seiner Kultur und alles, was uns das Leben lebenswert macht, zu verteidigen hat. (...)
und ebda, S. 68: (100c)
. . . Wir beschreiten damit den Weg zum endgültigen Sieg. Er liegt begründet im Glauben an den Führer. (...)
Stil-strukturell gesehen handelt es sich um Fälle von „Musterimplementierung" (Rehbein 1983): das Muster wird für den Rezipienten
2.6. Stil als Repräsentant von Werten
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möglichst wenig deutlich erkennbar eingebracht; vorübergehend schwenkt die Handlungsdurchführung, im Fall der Werther-Benutzung auch die Themenentfaltung um zu einem anderen Muster, um dann wieder genauso wenig deutlich zurückzukehren zum Ausgangs-Muster. Das letzte Beispiel zeigt eine weitere persuasive Technik: Sprachmagisch wird immer wieder vom endgültigen totalen Sieg (ebda. 65 u. ö.) gesprochen — als Mittel zu dessen Erreichung wird zum totalen Krieg (z. B. S. 66) aufgerufen; explizit gemacht wird dies ebda., S . 5 9 :
(lOOd)
praktische Maßnahmen des totalen Krieges (...) nur als Mittel zur Erreichung des Zweckes, nämlich des eines totalen Sieges.
Die Verwendung von Elementen des Predigt-Stils beschreibt M a a s ( 1 9 8 4 , 128 f., Anm.) für eine Rede von Schirach als Reichsjugendführer im Jahre 1 9 3 8 , dazu kommen am Beispiel,sakral' wirkende Archaismen. M a a s schreibt ( 1 9 8 4 , 1 2 9 , Anm.), „zum „Sakralbereich" ist auch der gymnasiale Bildungskanon zu rechnen, der weitere Requisiten dieser Inszenierung liefert und die Organisationsmomente der H J (Hitlerjugend, B.S.) ins Erhabene transformiert. Eine Schlüsselrolle kam dabei Goethe zu . . . " An einer Rede von Hitler von 1 9 3 4 weist M a a s ( 1 9 8 4 , 1 4 0 - 1 4 4 ) eine Reihe „sakraler Konnotationen" auf. „Diese gestaffelte Partizipation am sakralen Diskurs macht Sinn: Hitlers messianische Selbstdarstellung (als „Werkzeug der Vorsehung") gehörte zur Inszenierung des Nationalsozialismus — und Schirach (und andere, B.S.) partizipiert gewissermaßen apostolisch daran. ( . . . ) Insofern dominiert bei diesen Reden die konnotative Struktur der Texte; es fällt nicht von ungefähr so schwer, sie zu paraphrasieren. M i t ihnen wird der Hörer, der sich auf sie einläßt ( . . . ) in eine sakrale Sphäre versetzt ( . . . ) . Als rituelle Erneuerung des gelobten Bundes sind ( . . . ) die Veranstaltungen inszeniert, zu denen diese Reden gehören — und als deren dramaturgisches Element sie in erster Linie gelesen werden müssen ( . . . ) M i t dem konnotierten Sakralen wird diese Inszenierung der Politik aller Legitimationsprobleme enthoben: M i t diesem wird sie gewissermaßen überzeitlich ( . . . ) . " Es wurden
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2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
also sowohl ,unindividuelle', ,rituelle' Stile oder Stilelemente persuasiv benutzt wie auch das Vorbild des Individualstils, Goethe. Die in den beschriebenen Texten verwendeten S t i l e sind ritueller Art. Sonst werden auch — mit persuasiver Intention — positiv bewertete S a c h v e r h a l t e verwendet, wie in 2.1.2.1. dargestellt wurde: ,Verführung' und ,Luxus', St. Tropez in einer Reklame (vgl. Nöth 1977). Außerdem können Textmuster mit einem gehobenen' sozialen Wert verwendet werden, wie etwa der enzyklopädische Artikel für eine „Enzyklopädie des Schweppens", vgl. dazu Beispiel (36). 2.6.4. Zur wertenden Sachverhaltsdarstellung in Medien Im folgenden will ich noch auf eine charakteristische Verknüpfung von Sachverhaltsdarstellung, Medien und Einstellungsausdruck eingehen: Darstellungen politischer Sachverhalte in Zeitungen und Zeitschriften, in BERICHTen, NACHRICHTen und MELDUNGen erfolgen häufig wertend, je nach der Tendenz des entsprechenden Mediums. D.h. es werden mediumspezifische Einstellungen ausgedrückt. Hoppenkamps (1977) hat die Zeitungsnachrichten über eine Bundestagsdebatte verfolgt und ist dabei zur Feststellung einer Vielzahl von Wertungen gelangt. Zugrundeliegender Text (Hoppenkamps 1977, 134) von Helmut Kohl als Oppositionsmitglied gegen Willy Brandt (SPD): (101)
Was Sie hier tun, ist ein Stück jener Kampagne, denen, die in diesem Lande anders denken als Sie, die nicht Ihre politische Überzeugung haben, die Qualität und den moralischen Anspruch ihrer Position abzusprechen.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung gibt folgendes wieder: (101a)
Kohl warf dem SPD-Vorsitzenden vor, mit seinen Freunden eine Kampagne gegen die Opposition mit dem Ziel zu führen, dem politischen Gegner den moralischen Anspruch für seine Überzeugung abzusprechen.
2.6. Stil als Repräsentant von Werten
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In der Frankfurter Rundschau heißt es: (101b)
Die Worte Brandts bewiesen einen elitären Hochmut, durch den allen Andersdenkenden die „Qualität und der moralische Anspruch" aberkannt werden solle.
Vgl. zu einem Experiment auch Renkema (1984). Verbreitete Techniken der Ideologisierung durch Einstellungsäußerung sind: a) Konkretisierung: Vgl. Sandig (1972) über den Bericht der Bildzeitung und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über die Verleihung des Nobel-Preises an Willy Brandt. (101a) zeigt eine Konkretisierung gegenüber (101): denen, die in diesem Lande anders denken wird zu Opposition und politischen Gegner; Position wird zu Überzeugung. Auch bei Good's (1983) Vergleich von Zeitungsnachrichten zeigt sich die Konkretisierung (1983, 20): er muß anschließend viele Hände schütteln. Diese Beispiele zeigen, wie bedenklich das Gebot der Anschaulichkeit ist, das die traditionelle Stilnorm enthält: Anschaulichkeit vermittelt Interpretationen und Wertungen. Vgl. 2.4.2. zur Bildlichkeit, das folgende Beispiel (102a) und im folgenden Punkt g). b) Personalisierung: Die Sachverhaltsdarstellung erfolgt so, daß der große gesellschaftliche Kontext ausgespart wird (z. B. die Gesellschaftsstruktur mit den Parteien, die Relation zu anderen Handelnden), es wird so dargestellt, als sei ein Individuum allein handelnd; vgl. Robling (1983) über die Berichterstattung im „Spiegel", s. auch 2.1.2.2. Good (1983) zeigt die ideologisierende Tendenz zur Personalisierung anhand von Zeitungsartikeln aus verschiedenen Tageszeitungen zum selben Sachverhalt. In der Bildzeitung heißt es u.a. (Good 1983, 27): (102a)
Die Urteilsbegründung von Richter Quirini ist eine einzige Ohrfeige für den Polizeigewerkschafts-Boß Kuhlmann. (27. 6. 1975)
Auch die Metapher Ohrfeige paßt in diese Personalisierungstendenz. Vgl. dazu Good (1983, 24) und die Analyse des Berichts aus dem „Stern" in 2.1.1.I.e. In der Südwestpresse heißt es dagegen:
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(102b)
2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Das Verfahren hatte bundesweites Aufsehen erregt, weil es vor dem Hintergrund einer Kontroverse zwischen der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und dem Bundesgrenzschutz spielte. (27. 6. 75)
c) Fiktionalisierung: Good (1983, 22) schreibt dazu: „Die Abwechslung zwischen Textstellen mit und solchen ohne Anführungszeichen hat zur Folge, daß der Leser sich oft nicht recht im klaren darüber ist, mit wessen Worten er es gerade zu tun hat." Und weiter (1983, 23): „In den ,Text-Wirklichkeiten' handeln und sprechen Gestalten, die insofern ,fiktiv' sind, als deren Worte häufig die Meinung eines anderen, des kommentierenden Reporters wiedergeben. Wir kennen solche Geschöpfe aus der Literatur, aber es überrascht vielleicht, daß sie uns auch im ,objektiven' Bereich der Berichterstattung begegnen." Einen insgesamt erfundenen Sachverhalt mit authentischen Fotos habe ich in Sandig (1979) ausführlich analysiert. Vgl. dazu auch die ,interesseweckende' Erzählung am Beginn des Berichts aus dem „Stern" (2.1.1.1.c) und das - m.E. erfundene - „Gar nichts", grinst Mick Jagger . . . im selben Text, auch 2.3.2. d) Dramatisierung: Sie besteht (Good 1983, 20 f.) in der „Darstellung des Verfahrens als eine Auseinandersetzung zwischen Einzelnen, während rechtliche, gesellschaftliche Gründe eine untergeordnete Rolle spielen" (Good 1983, 21). Hier wirken Personalisierung und Fiktionalisierung zusammen. Diese Tendenz beschreibt Robling (1983, 161 ff.) auch für den „Spiegel". e) Klassifizierungen von Personen und Ereignissen beschreibt Good (1983, 23) als Formen der „sprachlichen Strukturierung der außersprachlichen Wirklichkeit". Auf dieses Problem hat auch Wimmer (1982a, 305 ff.) im Rahmen einer linguistischen Sprachkritik hingewiesen. Good (1983, 21) gibt Beispiele dafür, wie der klassifizierende Rechtsausdruck Körperverletzung im Amt in der Berichterstattung zu geprügelt habe und zu angeblich geschlagen hatte wird. In diesem Zusammenhang sind auch Nominalisierungen zu sehen: In (101b) ist zu alle Andersdenkenden geworden, was in (101) lautete: denen, die in diesem Lande anders denken als Sie, die nicht Ihre politische Überzeugung haben. Good (1983, 24)
2 . 6 . Stil als Repräsentant von Werten
schreibt: „Der Form Grenzschutz-Kritiker
321
(Welt) steht ( . . . ) gegen-
über: Der Fluglehrer war ... unter anderem von der
Gewerkschaft
der Polizei heftig kritisiert worden (Frankfurter Rundschau). Dadurch, daß sie alle anderen Aktivitäten ausschaltet, reduziert die Nominalisierung - gegenüber der weniger gedrängten Satz-Form die Bezeichneten auf Personen, deren ganzes Wesen ( . . . ) darin besteht, Kritik am Grenzschutz zu ü b e n . " Differenzierungen entfallen. Vgl. auch diese Technik im „Spiegel". Krasser noch wirken Klassifizierungen wertend, wenn sie generalisierend verwendet werden, z . B . der Franzose etc. im 3. Reich; über die Vorurteilsbesetzung solcher Klassifizierungen auch Quasthoff ( 1 9 7 3 ) . Von Polenz ( 1 9 8 0 , 1 9 8 5 ) weist in anderer Hinsicht auf die Problematik von Nominalisierungen hin: Oft entsteht dadurch auch eine Vagheit ( 1 9 8 5 , 2 4 2 f.), die bei der Interpretation nicht mehr aufzulösen ist. f) Handlungsmuster: Dem ,Unterhalten' dient z. B. die Bildlichkeit (vgl. 102a). Fiktionalisierung und Personalisierung sind, wie G o o d ( 1 9 8 3 , 2 4 ff.) zeigt, in dem Zusammenhang zu sehen, daß die Muster E R Z Ä H L E N und B E R I C H T E N gemischt werden - subjektive Perspektiven, Wertungen usw. gehören zum E R Z Ä H L E N (vgl. 2 . 1 . 1 . 1 . b ) . E R Z Ä H L E N D E Teilhandlungen werden in den B E R I C H T gemischt, zumal die Trennung zwischen beiden Handlungsmustern nicht scharf zu ziehen ist (Fritz 1 9 8 2 ) : In einigen Fällen werden sogar Erzählungen in das Berichten eingebettet (vgl. das Beispiel (38) aus dem „Spiegel" in 2 . 1 . 2 . 2 . und 2 . 1 . 1 . 1 . c ) . Bestimmte Handlungsmuster oder Teilhandlungsmuster werden also hier in den Dienst von Sachverhaltsdarstellung gestellt. Auch im „Spiegel" sind ,Unterhaltung' und Information gemischt, wie Robling ( 1 9 8 3 ) zeigt. Dadurch werden zugleich Rezeptionserleichterung und Meinungslenkung erreicht, zugleich Ablenkung und Aufklärung (Robling 1 9 8 3 , 1 3 7 f f . ) ; Erzählen, Spannungerzeugen gehören dazu, wie der in 2 . 1 . 2 . 2 . besprochene Ausschnitt zeigt. g) Bildlichkeit: Zur ,Unterhaltung' gehört auch die Bildlichkeit; sie hat jedoch noch andere Funktionen. Für den ideologischen Sprachgebrauch des Nationalsozialismus wurde hervorgehoben,
322
2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
daß die Bildlichkeit im Zusammenhang der Ideologie nicht ohne Bedeutung ist (Dahle 1969): Es gibt typische bildspendende Frames wie ,Krieg' (Dahle 1969), ,Technik', ,Gesundheit/Krankheit', ,Sport' usw. Wie steht es nun mit der von Good (1983, 24) im Artikel der „Welt" festgestellten „militärischen" Metaphorik? Ist sie Zeichen für konservative' Einstellung? Und wie ist die Kriegsmetaphorik in einem Artikel aus der „Zeit" (27. 2. 1981) zu interpretieren, der bei Rehbein (1983, 25 ff.) analysiert wird? Geht es hier nur um „eine dem Gegenstand äußere Metaphorik" (Dahle 1969, 107)? Zum generell bewertenden Charakter von Bildlichkeit vgl. 2.2.2. und 2.4.5. h) Auslassungen, Verkürzungen: Mit der Bildlichkeit, den Bewertungen, der Fiktionalisierung usw. wird dem Sachverhalt bei der Darstellung etwas hinzugefügt. Andererseits gibt es auch Auslassungen, Verkürzungen, wie Good (1983, 15 f.) zeigt. In (101) hatte es geheißen die Qualität und den moralischen Anspruch ihrer Position abzusprechen. Dies wird in (101b) verkürzt zu die Qualität und der moralische Anspruch. Weiter wird ein Stück jener Kampagne in (101) in (101a) verkürzt zu eine Kampagne. i) Robling schreibt (1983, 183): „Im 20. Jahrhundert ist die personalisierende Nachrichtendarstellung zum Merkmal fast aller Medien geworden, wobei diese Informationstechnik allerdings je verschiedene Ausprägungen erfahren hat." Die Techniken der Ideologisierung sind — wie die Beispiele zeigen — auch bei unterschiedlicher Tendenz verwandt. Methodisch wird bei Robling (1983) und bei Good (1983) von einem gesamtgesellschaftlichen Hintergrund ausgegangen, die Nachrichtendarstellungen werden damit verglichen. Bei Good (1983) wird zusätzlich der gerichtliche Sachverhalt, der zum Thema des analysierten Artikels wird, als solcher im gesellschaftlichen Rahmen betrachtet und dies dann in Relation zur Art des Informierens darüber gesetzt. Wichtig ist, daß je nach Grad der Intention nur einige der angeführten Mittel verwendet werden oder aber alle zusammen. So sind Wertung und Personifizierung, wie aus Hoppenkamps (1977) und Robling (1983) hervorgeht, sehr verbreitete Mittel der ,leisen' Ideologisie-
2.6. Stil als Repräsentant von Werten
323
rung, während die Verwendung aller aufgeführten Mittel zusammen eine ,starke' Tendenz erkennen läßt; für die Art der Wirkung ist aber entscheidend, ob sie zusammen mit Umgangssprachlichem verwendet werden (Boulevardpresse, Sandig 1972, 1979) oder mit Schriftsprache (die Welt, vgl. Good 1983) oder mit Ironie, Wortspiel usw. in einer Art sprachlichem Cabaret (Carstensen: „Spiegel"), das von der Beherrschung und virtuosen Durchbrechung der hochsprachlichen Norm zeugt. Auf die Art der Mustermischung kommt es also an. 2.6.5. Stil als Zeichen der Werteinstellung In 2.4. wurden Typen von Einstellungsausdrücken und Modalitäten beschrieben. Hier nun ist der Stil als solcher mit seinen Charakteristika Ausdruck von Einstellungen zu Werten. Einstellungsausdrücke sind Bestandteile davon. Kuhn (1983) beschreibt die Redeweise der „Alternativen" und „Grünen", wie sie sich in der Öffentlichkeit präsentieren. Er sieht diese Redeweise nicht als „alternative Sprache" (1983, 63): Es ist deshalb ein Stil, „vor dem Hintergrund bestimmter Theorien und Wertvorstellungen zu sehen, die in der Alternativbewegung verbreitet sind" (1983, 73). So hat eine ,positive' Einstellung zum Dialektgebrauch oder zu dialektalen Elementen einen Bezug zu Inhalten wie Dezentralisierung und auch Basisnähe (1983, 75), zu einem Streben nach „Authentizität und Verwurzelung" (1983, 76). Weiter stellt Kuhn „Tendenzen zu einer selbstrelativierenden Grundeinstellung" (1983, 68) fest, die sich gegen die verbreitete Haltung von Politikern wendet, sich gegen Einwände immun zu machen. Kuhn (1983, 69) zeigt dies an einem Gesprächsausschnitt, in dem zwei „Grüne" über von Dohnanyi, den Hamburger Bürgermeister, reden: (103)
Thea Bock: Politisch ist er unser Gegner, aber menschlich ist er mir im Grunde nicht unsympathisch. Und dir, Thomas? Thomas Ebermann: Mir schon. Aber das beruht wohl auf Gegenseitigkeit.
324
2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Thea Bock: Er hat manchmal arrogantes Auftreten.
Schwierigkeiten
durch
sein
Thomas Ebermann: Er läßt ja nun jeden spüren, daß er der einzige ist, der sich im Haushalt auskennt. Stimmt ja_ auch! Inhaltlich werden differenziert die Positionen dargelegt: Zeichen dafür sind die Verwendungen von aber im Bezug auf die eigene Vorgängeräußerung, das manchmal und wohl und die Zustimmung Stimmt ja auch!. Stilistisch differenziert ist die Verwendung von nicht unsympathisch, was voraussetzt, daß der politische Gegner oft auch für persönlich unsympathisch gehalten wird; weiter werden differenzierend Modalpartikeln verwendet: im Grunde, schon, ja nun, ja (vgl. 2.4.3.). Als Kennzeichen einer „gesprächsoffenen Haltung" sieht Kuhn auch die häufige Verwendung von irgendwie, irgendwo (1983, 69), mit denen die Äußerungen ,unscharf' gemacht werden. Die andersartigen Werte zeigen sich auch in Normverletzungen, wie konsequentem Duzen, Meidung von Nachnamen und Titeln, wobei Sanktionen in Kauf genommen werden (1983, 70 ff.); zu dieser Tendenz zur Informalisierung gehört auch „eine gewisse Vorliebe für die gesprochene Sprache", auch in der Öffentlichkeit, und der Versuch, „sich in der schriftlichen Kommunikation stärker an der gesprochenen Sprache zu orientieren" (1983, 72): „Es wird geschrieben für die, von denen man verstanden werden will." Diese Stilmittel sprechen insgesamt dafür, daß eine ,Nähe'-Beziehung angestrebt wird, keine ,Distanz'-Beziehung (vgl. Holly 1983). Auch orthografische Verdeutschungen wie der Schowi mit guten Konäktschns zu einem Redaktor (Kuhn 1983, 72) sind zu finden. Mit diesem Stil setzt man sich also stark ab von der hoch- und schriftsprachlichen Norm der Öffentlichkeitssprache und von der durch sie konnotierten ,sozialen Entfernung' von vielen Adressaten (vgl. 2.2.4.), auch hierin also ein Zeichen des intendierten Basisbezugs; der Basisbezug wird nicht nur explizit intendiert, sondern auch implizit über den Stil ein Stück weit realisiert.
2 . 7 . Zusammenfassung
325
2.7. Zusammenfassung Die in 1.2. erarbeiteten Typen stilistischen Sinns sind, wie die Analysen zeigen, jeweils weiter zu untergliedern. So im Bereich der Arten der Selbstdarstellung, die als bewußt intendiert unterstellbaren vs. als unbewußt unterstellbaren, die jeweils weiter zu differenzieren sind. Im Bereich der Arten der Beziehungsgestaltung gibt es verschiedene Skalen, die sich allerdings z . T . überschneiden. Bei den Einstellungen sind mindestens zu unterscheiden: bewertend, emotional (und Ubergänge zwischen beiden), Einstellungen zur Sprache, Modalitäten. Auch bei den Arten der Sachverhaltsdarstellung und der Handlungsdurchführung gibt es Untertypen, z . B . nach dem Verhältnis von Hierarchie und Sequenz, ebenso in den übrigen dargestellten Bereichen. Hier sind weitere Analysen notwendig. Die Typen stilistischen Sinns wurden jeweils an möglichst hervorstechenden Beispielen analysiert. Da es bei allen Sinntypen um Aspekte sprachlichen Handelns geht, sind sie (bis auf die in 2 . 6 . analysierten) immer alle vorhanden, jedoch mit unterschiedlichem Gewicht. Dies erlaubt es, Stil als e i n s zu sehen und bei besonderer Gewichtung von Individualstil usw. zu reden, und es erlaubt auch, von Stilwirkung (in ihren verschiedenen Konkretisierungen) zusammenfassend zu sprechen. Die Sinn-Kombinatorik und die unterschiedlichen Gewichtungen der Sinntypen ermöglichen die große Variabilität von Stil: Stil ist tatsächlich ein sich variabel den konkreten Gegebenheiten anpassendes „ C h a m ä l e o n " ; so kann er seine Grundfunktion erfüllen: die musterbezogene Handlung an die Gegebenheiten anzupassen und mit Nebensinn auszustatten, sie möglichst wirksam und auch mit Nebenwirkungen durchzuführen. Sinntypen können konventionell integriert sein (vgl. Textmusterstile, Stilnorm, Rituale . . . ) ; sie können aber auch ad hoc zum konkreten Handeln in ein Mischungsverhältnis gebracht werden. Wie die Typen stilistischen Sinns nur analytisch herauszuarbeiten sind, so gilt dies für die stilistischen Strukturtypen. Wie die Beispielanalyse in 1.5.6. zeigte, gibt es auch hier in der Anwendung Mischungen.
326
2. Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
Es scheint so zu sein, daß ein Typ stilistischen Sinns nicht notwendig mit einem bestimmten Strukturtyp realisiert wird: Die Relation Strukturtyp/Funktionstyp scheint prinzipiell variabel zu sein. Es scheint aber auch, daß z. B. häufig „semantische Dichte" der Adressatenberücksichtigung dient (so schon Blumenthal, vgl. auch die rhetorische Tradition) und daß die Relationsstruktur bei der Art der Handlungsdurchführung besonders wichtig ist. Auch zur Relation Strukturtyp/Funktionstyp sind weitere Untersuchungen nötig. Diese haben Hand in Hand zu gehen mit der Beschreibung von Stilmustern (1.7.3.). 2 . 8 . Beispiele für Stilwirkungen Bei aller Schwierigkeit, etwas Intersubjektives über Wirkungen auszusagen (vgl. Frey 1975, Van Peer 1983) lassen sich doch vorsichtig einige Beispiele geben. Denn Differenzen betreffen nach Frey und Van Peer 1. die Art der Emotionen und Wertungen, nicht aber die Tatsache Emotionalisierung oder Wertung: Dieselben Texteigenschaften haben wertauslösende oder emotionalisierende Wirkungen, aber die Emotionen oder Wertungen sind verschieden. 2. sind Wirkungen nach Frey und Van Peer stark abhängig von der Generationszugehörigkeit und dem Bildungsgrad, d. h. von der Art des erworbenen sozialen Wissens. Dies betrifft auch die soziale Schichtzugehörigkeit (vgl. Steinig 1976, z.B. 48 f.). Im folgenden sollen wenige Beispiele für Wirkungstypen (s. 1.4.) gegeben werden. 2.8.1. Wirkungen relativ zur Erwartung Wir haben ein (z.T. verschiedenes) Wissen darüber, wie eine Handlung eines Typs zu einer bestimmten historischen Zeit durchgeführt werden kann. Wird der durch dieses Wissen gegebenen Erwartung an die konkrete Handlung nicht entsprochen, so entsteht in Relation zur Erwartung eine Wirkung (vgl. auch 1.5.1.: der relationierende Charakter des Stils). Beispiele dafür sind Redeweisen wie: Ich werde dir das im Telegrammstil erklären. Nach einer Diskussion: Er hat so unglaublich viel rumerzählt. In diesen Fällen handelt es sich nicht um Durch-
2 . 8 . Beispiele für Stilwirkungen
327
führungen nach den Mustern T E L E G R A M M oder E R Z Ä H L E N , sondern in Relation zum Erwartbaren ist die Durchführung ,knapp',,sparsam' . . . oder ,weitschweifig',,umständlich', s u b j e k tiv' . . . D . h . einige Charakteristika des anderen Musters werden hier eingemischt, oder es werden auch nur gleichartige Wirkungen mit anderen Mitteln als z. B. denen des T E L E G R A M M s erreicht. Einen anderen Komplex von Wirkungen relativ zur Erwartung berücksichtigt Stolt ( 1 9 8 4 , 1 6 8 ) : „Wenn die Stilschicht dem behandelten Gegenstand (Sachverhalt, B.S.) nicht entspricht, entsteht eine besondere Stilwirkung: ,Hochtrabend' oder ,gespreizt', wenn der Gegenstand banal, die Sprache aber gewählt ist; umgekehrt ,salopp', ,banalisierend', wenn die Stilschicht unter der dem Gegenstand für gewöhnlich als angemessen empfundenen liegt." Bei literarischen Texten kann es vorkommen, daß der Stil den darzustellenden ,historischen' Sachverhalten relativ angepaßt wird (vgl. 1.5.3. Ähnlichkeitsstruktur). Ich will dies an einem Beispiel zeigen. Werner Bergengruens R o m a n „Der Großtyrann und das G e r i c h t " aus den Dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts spielt in einem der italienischen Stadtstaaten der Renaissance. Deshalb wird der Stil des Romans dieser Zeit relativ angepaßt: Es ist nicht wirklich ein Stil jener Zeit, aber ein Stil, der in Relation zu den Romanerwartungen eines Lesers aus dem 2 0 . Jahrhundert h i s t o risch' wirkt (Erstes Buch, 2. Abschnitt): (104)
Es war so still, daß der Klang der Schritte Ängstigungen hervorrief, als sie auf das heidnische Marmorpflaster des Stadtplatzes hinaustraten. Nespoli vermochte des Großtyrannen Gesicht nicht zu sehen, denn seine Untergebenheit hielt ihn an, um die Hälfte eines Schrittes hinter dem Herrscher zurückzubleiben. Er konnte keine Frage tun, denn der Gewalthaber gab durch kein Zeichen eine Bereitwilligkeit zum Hören und Antworten zu erkennen. So mußte Nespolis Wissensgierde in Bändigung gehalten bleiben. Sie gingen durch die Straßen, welche noch sehr kühl und leer waren. Nur einmal begegnete ihnen ein verschlafener Bauer, der einen Eselskarren voller Melonen zu Markte
328
2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
führte. Der Himmel war an manchen Orten malachitgrün. Daneben standen rosenfarbene Wölkchen; andere gemahnten an Orangen, welche der Reife nahe sind. (...) Auf den Evonymushecken und Lorbeerbäumen lag Tau. Die Luft war kühl, bitter und gewürzhaft. Aus der Tiefe des Gartens scholl das klagende Geschrei der Pfauen. Hinter den Zweigen des Bosketts sah Nespoli etwas Dunkles auf dem Gartenwege liegen. Er hätte es für einen gestürzten Baum halten mögen, wäre er nicht auf den Anblick eines Getöteten vorbereitet gewesen. (...) Nespoli untersuchte den Toten. Er fand die Wunde zwischen den Schulterblättern. Der dreikantig geschliffene Dolch war mit Kraft von rückwärts geführt worden; solcher Dolche waren viele im Gebrauch. „Er lag auf dem Gesicht", erklärte der Großtyrann. „Ich legte ihn auf den Rücken, um nach einem Zeichen des Lebens in seiner Brust zu suchen. Und ferner, um zu erfahren, ob er die Depeschen noch bei sich trüge, die ich ihm einhändigte, als ich ihn entließ." Die Textausschnitte zeigen erstens Gegenstände, mit denen eine fiktive Welt für den Leser aufgebaut wird (vgl. Wimmer 1982): das heidnische Marmorpflaster, Großtyrann, Eselskarren, Melonen, Evonymushecken und Lorbeerbäume. Zu diesen gibt es charakteristische Prädikationen, die thematisch in diesen Kontext passen: Der Himmel war ... malachitgrün. Daneben standen rosenfarbene Wölkchen; andere gemahnten an Orangen, welche der Reife nahe sind. Dieses letzte Beispiel zeigt zweitens den ,hohen' Stil, der dem Thema dieses Typs früher einmal angemessen war: vgl. andere erinnerten an Orangen, die bald reif sind. In diesen Bereich gehören: vermochte, um die Hälfte eines Schrittes usw. Schließlich drittens gibt es Formen, die ausgesprochen ,altmodisch vornehm' wirken und die zu der bisher beschriebenen Mustermischung passen: Relativsätze werden mit welch eingeleitet statt mit der/die/das. Das Endungs-e ist bei Dativen erhalten (zu Markte, auf dem Gartenwege), auch bei nahe. Der viel verwendete Genitiv wird z. T.
329
2 . 8 . Beispiele für Stilwirkungen
vorangestellt: des Großtyrannen
Gesicht;
solcher
Dolche
waren
viele im Gebrauch (Genitivus partitivus). Die Verwendung von Konjunktiv zur Markierung der Abhängigkeit des Teilsatzes: um
zu erfahren,
ob er die Depeschen
noch bei sich trüge ...; konjunk-
tionslos eingeleiteter Nebensatz: Er hätte ... halten mögen, wäre er nicht ... vorbereitet gewesen. All dies zusammen rückt die dargestellten Sachverhalte in eine geographisch, sozial und zeitlich e n t fernte' Welt; da die Sachverhalte auf einer abstrakteren Ebene (Mord am Vertrauten des Gewalthabers) zu der Zeit des Entstehens nicht ohne Aktualität sind, kommt dem Stil hier eine wichtige ,kaschierende' Funktion im Ganzen zu. Das literarische Beispiel zeigt, daß spezifischeres Wissen Voraussetzung für das Erfassen der möglichen Wirkungsabsicht des Autors ist. Texte können aber selbstverständlich auch ohne dieses Wissen eine besondere atmosphärische' Wirkung entfalten. 2 . 8 . 2 . Partikel-Wirkungen Wie eingangs schon bemerkt, kann nur über die Tatsache der Emotionalisierung etwas ausgesagt werden; in einigen Fällen kann aber auch die Tendenz der Emotionalisierung angegeben werden. So haben Harden/Rösler (1981) empirisch herausgefunden, daß gesprochene Texte mit Modalpartikeln anders wirken als solche ohne Modalpartikeln ( S . 7 2 ) : ,flüssiger', freundlicher', ,wärmer', interessanter', unterhaltender', ,lebhafter', ,menschlicher', e x pressiver', ,emotionaler', ,klarer', ,korrekter', ,umgangssprachlicher'; die Texte ohne Partikeln wirken dagegen ( S . 7 3 ) ,flüssiger', ,klarer',,besserer Akzent',,hölzern',,steril', ,wie von einem Nachrichtensprecher', sachlicher'. D . h . die Rede wirkt rhythmisch anders gegliedert und (dadurch?) emotionaler: Harden/Rösler stellen eine „Funktionsähnlichkeit von Partikeln und prosodischen Elementen" fest ( 1 9 8 1 , 74); „der Redefluß erfordert im Deutschen, um natürlich zu wirken, ihren Gebrauch" (ebda.). Die Beispiele zeigen aber auch, daß dieselbe Wirkung (,korrekter', ,klarer',,flüssiger') bei Lernern des Deutschen einmal mit Partikeln und einmal ohne Partikeln ausgelöst wird: ein Fall, der zur Vorsicht mahnt. Möglicherweise liegt der Grund für den Unterschied
330
2 . Stilfunktionstypen: Theorieaspekte, Beispiele, Strukturen
in verschiedenen Graden der Kenntnis des Deutschen (also verschiedenes soziales Wissen). Zum Beitrag von Partikeln zu Typen stilistischen Sinns s. auch die Beispiele (62a) und (62b) und Kap. 2.4.3., Adamzik (1984). 2.8.3. Schlußbemerkung Eine detaillierte Analyse typischer Wirkungen (auf in gewisser Weise typische Gesellschaftsmitglieder) kann hier nicht gegeben werden. Die Darstellung der Wirkungstypen in 1.4. legt aber nahe, daß bei gleichen Wertsystemen auch gleiche Wirkungen konkreter Handlungen erzielt werden. In wieweit die Wirkungstypen selbst (z.B. der ästhetische Wirkungstyp) soziolinguistisch einzuschränken sind, bedarf weiterer Untersuchung. Bei Spillner (1983) werden anhand von Beispielanalysen Wirkungen herausgearbeitet wie ,Autorität' (S. 70) durch Abwandlung eines bekannten Argumentationsmusters von Pascal, d. h. eine spezifische Unterstellung von Sprechereigenschaften. Am Beispiel von Ein schöner Durst ist aller Königsbacher Anfang (S. 71) wird die Abwandlung eines Sprichworts betrachtet: Müßiggang ist aller Laster Anfang. „Die Form des Sprichworts verheißt dem Leser topisierte Erfahrung und Allgemeingültigkeit" (Spillner 1983, 71). Die Beispiele zeigen, daß es über die in 1.4. dargestellten Wirkungstypen hinaus weitere gibt, die aber nur anhand konkreter Analysen erarbeitet werden können.
3. Ausblick Es wurde mit globalen Konzepten wie Handlung und Handlungsmuster, Text und Textmuster, Sachverhalt und Frame gearbeitet. Im Rahmen dieser Sprachauffassung wurde vorrangig nach typischen, d. h. den Mitgliedern der Sprachhandlungs-Gemeinschaft bekannten Funktionen gefragt: Es wurden methodisch stilistische Funktionstypen verschiedener Art (Sinn und Wirkung) erarbeitet. Diese sind auf die genannten umfassenden Einheiten bezogen. Die Funktionstypen lassen sich jeweils als Systeme rekonstruieren. Als strukturelles Pendant wurden Strukturtypen und Strukturprinzipien herausgearbeitet, in denen die einzelnen Stilelemente in größere Zusammenhänge gebracht sind. So ist auch strukturell eine globale Konzeption erreicht, die der funktionalen entspricht und mit dem Vorrang der Beschreibung und Systematisierung einzelner Stilelemente bricht. Es wäre aber wünschenswert, einzelne Stilelemente im skizzierten theoretischen Rahmen zu beschreiben. So ist z.B. die Metapher nach dem Konzept des Wissensrahmens („Stereotyp" nach Putnam) beschrieben bei Keller-Bauer (1984). Zusammenhänge von (Teil-)Funktionstypen und Stilelementen werden als Stilmuster beschrieben, Zusammenhänge von Funktionstypen und Gruppen von Stilelementen als Stilinventare: Textmusterstile, Stilebenen, Varietäten . . . Bei der linguistischen Analyse von Stil hatte bisher die Stilstruktur, bzw. einzelne Aspekte davon, den Vorrang. Dementsprechend finden wir relativ viele Darstellungen stilistischer Struktur(elemente). Aus diesem Grunde, aber auch aus Raumgründen, verzichte ich hier auf eine gesonderte Darstellung von Stilelementen. Das Sachregister gibt Auskunft darüber, wo einzelne Stilelemente im Kontext der Beschreibung von Stilfunktionstypen und von Beispielanalysen behandelt wurden. Systematische Zusammenstellungen von Stilelementen finden sich bei Riesel/Schendels (1975), Fleischer/Michel (1975), Sowinski (1973); für spontanes Sprechen bei Riesel (1964). Traditionelle Stilelemente (Figuren, Tropen) sind mit Beispielen zusammengestellt bei Geißner (1973, 37-53) und bei Seiffert (1977, 60—94). Unter semiotischem Aspekt werden
332
Ausblick
Stilelemente verschiedener linguistischer Beschreibungsebenen systematisiert bei Küper (1976) und bei Plett (1975). Schließlich werden mögliche Stilelemente, weit über die traditionellen hinaus, beschrieben und exemplifiziert in von Polenz (1985). Eine Perspektive für die funktionale Beschreibung von Stilelementen wurde in 1.7.3. unter Stilmuster gegeben. Stil als Teilaspekt sprachlichen Handelns ist ins Handeln verwoben: — durch (vorgegebenen oder frei herstellbaren) Bezug auf die Situationsgegebenheiten: Kanal, Medium, Institution, Sprecher/ Schreiber(-Rollen) und Rezipienten(-Rollen) und deren Beziehung; — durch die Möglichkeit, Einstellungen auszudrücken; — durch Vorgaben im Handlungsmuster (feste Formulierungen bzw. Alternativen) und die Möglichkeit der Abwandlung zum konkreten Zweck; — durch die Stilwirkung: die Rückwirkung des Ergebnisses auf die Situation. Insofern ist Stil keine in sich abgeschlossene, für sich isolierbare Einheit; er kann aber in der Beschreibung analytisch isoliert werden, und die Benutzer pflegen zu bestimmten Kommunikationszwecken den Stil zu isolieren. Angemessenheit oder Unangemessenheit des Stils ist zwar eine häufig verwendete Beurteilung bzw. ein häufig aufgestelltes Postulat. „Bisher blieb aber nicht selten unklar, worin diese Angemessenheit des sprachlichen Ausdrucks bestehen sollte." (Sowinski 1973, 23) Anhand der hier gemachten Unterscheidungen läßt sich angemessen genauer bestimmen: 1. Es geht nicht nur um Angemessenheit des sprachlichen Ausdrucks (Sowinski), sondern um angemessene Handlungsdurchführung (von Handelnden in einer Situation angesichts von H a n d lungs- und Wissensmustern) insgesamt. 2. Angemessen ist syntaktisch zweiwertig, es muß also hinzugefügt werden, welchem x der Stil (die Art der Handlungsdurchfüh-
3. Ausblick
333
rung) angemessen ist (vgl. Sandig 1981, 31). Da die Typen stilistischen Sinns und der Stilwirkung umfassender sind, ist der syntaktische Valenzrahmen mit den verschiedenen Aspekten des Stil-Frame aufzufüllen, wobei jeweils nur Teil-Aspekte herausgegriffen werden: Die Art der Durchführung ist nach Meinung des Rezipienten angemessen. Die Art der Durchführung ist für das konkrete Ziel angemessen, für eine Handlung dieses Typs, für ein Thema dieses Typs, in einer Situation dieses Typs, in einer (Rollen-)Beziehung dieses Typs, in dieser historischen Zeit; die ausgedrückten Einstellungen sind dem/den Sachverhaltstyp (en) angemessen und/oder dem Handlungstyp (Handlungsmuster), den Voraussetzungen in der Situation, der (Rollen-)Beziehung, sie sind zeitgemäß. Mit angemessen als Funktionszuschreibung zu einem Stil meint man also: Die Art der Handlungsdurchführung ist funktional: sinn-voll und wirksam; in welchen Hinsichten, das wird dabei nicht eigens herausgestellt; die Art der Handlungsdurchführung ist — aus der Sicht des Rezipienten oder des Beschreibenden — für die konkreten Ziele geeignet. Stil hat (wie sprachliches Handeln allgemein) sehr viel mit Bewerten zu tun: Uber Stil werden vielfach implizit, d. h. nicht mit semantischen Mitteln „auf den Begriff gebrachte" Bewertungen vermittelt. Dies wurde in etlichen Kapiteln deutlich: Wertende Einstellungen generell wurden in 2.4. besprochen, im Stil geronnene, auch ideologisch gewordene oder parteiliche Werte in 2.6., soziale Bewertung im Gefolge der traditionellen Stilnorm in 2.2.4., überhaupt hat (positive) Selbstdarstellung, Art der Adressatenberücksichtigung und Art der Beziehungsgestaltung sehr viel mit Bewerten des Selbst und des Adressaten zu tun, vgl. die Bewertungskonstellationen, die Holly (1979) zur Beschreibung von Beziehungen verwendet (Kap. 2.2.3.1.). Dies herauszuarbeiten erscheint mir insofern besonders wichtig, als Stil noch immer weithin als bloßes Dekor angesehen wird. Es geht darum, die von Püschel (1983) festgestellte Kluft zwischen Stilistik und Stilanalyse zu überwinden; dies sollte hier durch die Entwicklung einer Konzeption geschehen, die den Rahmen und
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Ausblick
Methoden für konkrete Stilanalysen gibt. Von diesen Anwendungen sind wieder Differenzierungen und Korrekturen der Theorie zu erwarten. Die Theorie mit ihren Methoden soll aufgrund ihrer grundsätzlichen Benutzerorientiertheit im Rahmen einer „angewandten" (anwendbaren) Linguistik gesehen werden: — Sie soll generell geeignet sein als Grundlage einer Stildidaktik im Muttersprachenunterricht; welche Schwerpunkte dabei gesetzt werden, welche Methoden relevant sind und welche Relation von Funktions- und Strukturgesichtspunkten zu wählen ist, hat auf didaktischen Erwägungen zu beruhen. — Die Stilistik soll weiter generell geeignet sein für eine Didaktik des Deutschen als Fremdsprache bzw. im Rahmen von Übersetzungswissenschaft und -didaktik. Das Ausgehen von Funktionstypen dürfte im Sprachvergleich ein wichtiges Tertium comparationis sein. Außerdem dürfte der Bezug von Funktionstypen und stereotypen Redeweisen der Benutzer ein fruchtbarer Gesichtspunkt sein. — Die Verknüpfung von Stilfunktionstypen und Methoden kann auch dienlich sein für eine dem Sozialsystem angemessene Sprachkritik (vgl. Heringer Hg. 1982, Wimmer 1982a) im Bereich der Politik, im Bereich der Presse (Sprachglossen), vgl. dazu Kap. 2.6. und 2.2.4. — Die Stilistik mit ihren Methoden soll weiterhin geeignet sein für die Bearbeitung konkreter Fälle, die zum Problem werden; dafür ist es je nach Fall und Fragestellung wichtig, weitere linguistische Konzepte einzubeziehen. Z. B. für maschinelle Bearbeitung von Textexemplaren, die zu Textmustern zählen, Rothkegel/Sandig (Hg. 1984, 197 ff.); für die Analyse von Therapiegesprächen Baus/Sandig (1985). „Wie schöne und interessante Theorien man auch aufzustellen vermag — was sie wert sind, zeigt sich doch erst in der Praxis." (Cassirer 1977, 207)
4. Literatur Liste der Abkürzungen von Zeitschriftennamen ABnG BEDS DS DU FoL GermL GLS HBVK
Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik Beiträge zur Erforschung der deutschen Sprache Deutsche Sprache Der Deutschunterricht Folia linguistica Germanistische Linguistik Grazer Linguistische Studien Hessische Blätter für Volks- und Kulturforschung. Neue Folge JIG Jahrbuch für Internationale Germanistik JP Journal of Pragmatics KNf Kwartalnik Neofilologiczny LB Linguistische Berichte Lg Language LiLi Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik LuD Linguistik und Didaktik Mu Muttersprache PzL Papiere zur Linguistik SbSAW Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Philologisch-historische Klasse SL Studium Linguistik Sprachw. Sprachwissenschaft STZ Sprache im technischen Zeitalter SuLWU Sprache und Literatur in Wissenschaft und Unterricht (früher LuD) Tilburg Papers Tilburg Papers in Language and Literature (Universität Tilburg, Holland) WZUL Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Uni-
ZGL
versität Leipzig. Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe Zeitschrift für germanistische Linguistik
336
ZPSK ZS
Literatur
Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung Zeitschrift für Sprachwissenschaft. Organ der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft
Wichtige Titel werden mit * markiert, um eine Auswahl zu ermöglichen. Die Titel der Primärliteratur werden mit vollem Vornamen zitiert, bei der linguistischen Literatur sind die Vornamen abgekürzt. K. Adamzik 1 9 8 4 : Sprachliches Handeln und sozialer Kontakt. Z u r Integration der Kategorie ,Beziehungsaspekt' in eine sprechakttheoretische Beschreibung des Deutschen, Tübingen. H . P . Althaus 1 9 8 0 : Graphetik, in: H . P . A l t h a u s , H . H e n n e , H . E . W i e g a n d Hg. 1 9 8 0 , 1 3 8 - 1 4 2 . H . P . A l t h a u s , H . H e n n e , H . E . W i e g a n d Hg. 1980': L e x i k o n der Germanistischen Linguistik, 2 . Aufl., Tübingen. J . Anderegg 1 9 7 7 : Literaturwissenschaftliche Stiltheorie, Göttingen. J . Anderegg 1 9 7 7 a : Stildefinition und Wissenschaftsparadigma. Prolegomena zu einer offenen Theorie des Stils, in: W. Klein Hg. 1 9 7 7 , 73—83. G. Antos 1 9 8 2 : Grundlagen einer Theorie des Formulierens. Textherstellung in geschriebener und gesprochener Sprache, Tübingen. G . Antos 1 9 8 4 : Stil und Methode. Vorschläge zu einer produktions/rezeptionsorientierten Stilanalyse, in: W. Van Peer, J . R e n k e m a H g . 1 9 8 4 , 17-69. G . Antos 1 9 8 5 : Z u r Stilistik von Grußworten, Vortrag auf der G A L Tagung 1 9 8 5 , M ü n c h e n . Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Eds.) 1 9 7 3 : Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit, 2 Bde., Reinbek. Arbeitsgruppe Braunschweig 1 9 8 3 : Z u m Verhältnis von Haupt- und Nebenkommunikation im Unterricht, in: Ehlich/Rehbein (Hg.) 1 9 8 3 , 102-129. H . Aschenberg 1 9 8 4 : Idealistische Philosophie und Textanalyse. Z u r Stilistik Leo Spitzers, Tübingen. B . A s m u t h , L. Berg-Ehlers 1 9 7 4 : Stilistik, Düsseldorf. J . C . P . A u e r 1 9 8 4 : Kontextualisierung. Sonderforschungsbereich 9 9 , Universität Konstanz, J u n i 1 9 8 4 . J . C . P. Auer, S. Uhmann 1 9 8 2 : Aspekte der konversationeilen Organisation von Bewertungen, in: DS 1 0 , 1 - 3 2 . J . L . A u s t i n 1 9 7 7 : Ein Plädoyer für Entschuldigungen, in: G . M e g g l e (Hg.) 1977, 8 - 4 2 . Autorenkollektiv 1 9 6 8 : Einführung in die Methodik der Stiluntersuchung.
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5. Register 5.1. Verzeichnis der analysierten Texte und Textausschnitte nach Textmustern, Sprechakttypen u. ä. Die Zahlen entsprechen der Numerierung der Beispiele. ABKOMMEN (EG): 22 APHORISMUS: 13 AUFFORDERN: 2a bis t AUSSPRACHE über einen Unfall: 94 BERICHT (Illustrierte): 31 BUCHBESPRECHUNG: 44, 45 BuchREKLAME: 43 BUNDESTAGSREDE: 74a/b, 101 ERZÄHLEN (mündlich): 71a/b, 73a; (schriftlich): 20a bis c, 30, 72a/b, 73 b GEDICHT: 1 , 1 0 , 1 1 , 2 3 , 3 3 GESETZESPARAGRAPH: 41a GESPRÄCH (Schüler): 64; (Politiker): 103; (familiäres): 81 GESPRÄCHSZUG (Ehepartner): 65a/b GLOSSE: 63 GRAFFITI: 1 2 , 7 0 , 7 8 , 9 8 GRÜSSEN: 9 HEIRATSANNONCE: 25, 67 HOROSKOP: 58a bis c, 61a/b, 62a/b INFORMATION: 41b KRITIK: 69 KULTURNOTIZ: 34 linguistische Arbeit: 7 , 1 6 , 39, 46, 47,51 literarische Prosa: 6 , 1 5 , 17,19, 49, 59,104 M Ä R C H E N : 18, 88 bis 93
OFFENER BRIEF: 4 8 , 5 0 PARODIE: 1 8 , 1 9 , 7 6 , 7 7 , 7 9 , 83, 97,98 Plakat: 8 POLITISCHER K O M M E N T A R : 99 politische REDE: 100a bis d POSTSTEMPEL: 75 rhetorische FRAGE: 82 RICHTIGSTELLUNG: 32 bis 34 „Der Spiegel": 26, 38 STREITGESPRÄCH: 68 TELEFONGESPRÄCH: 95, 96 THEATERKRITIK: 80 THERAPIEGESPRÄCH: 57 TISCHGEBET: 97 TISCHGESPRÄCH: 6 6 , 6 6 a VERKEHRSMELDUNG (Rundfunk): 42 WAHLAUFRUF: 84 bis 86 WERBEANZEIGE: 2 4 , 2 8 , 2 9 , 3 5 bis 3 7 , 5 5 WERBESLOGAN: 56, 60a bis c WÖRTERBUCHARTIKEL: 76, 7 7 , 7 9 , 83 ZEITUNGSBERICHT (Sport): 53a/b ZEITUNGSMELDUNG: 10 ZEITUNGSNACHRICHT: 27, 87, 101 a/b, 102a/b ZeitungsÜBERSCHRIFT: 52a/b, 53a, 54
362
Sachregister
5.2. Sachregister Die Zahlen geben die Seiten an; kursivgesetzte Zahlen geben an, w o auf den Terminus eingegangen wird.
A B K O M M E N : 1 2 0 f. Abwandeln: s. Abweichen, Abweichung Abweichen: 1 3 8 , 1 4 2 - 1 4 5 , 1 5 0 , 1 5 8 , 1 6 9 , 1 7 9 , 1 8 4 f., 1 9 6 , 1 9 7 , 2 1 6 , 2 6 3 , 2 9 3 f. Abweichung: 4 6 f., 7 9 , 1 3 7 Adressatenberücksichtigung (Art der): 2 9 , 6 1 , 1 9 5 , 1 9 7 , 2 0 6 , 227-238,251,252 Adverbien: 2 3 5 Ähnlichkeit: 1 0 1 - 1 0 6 Ähnlichkeitsstruktur: 106,109, 112, 2 0 8 - 2 1 0 , 2 2 2 , 2 9 7 , 3 2 7 Ästhetik: 2 6 4 - 2 6 8 Alliteration: 2 9 8 Alternativen: 3 2 , 4 5 - 5 1 , 6 2 , 1 3 7 - 1 4 0 , 1 5 9 f. Anakoluth: 3 0 1 ANDEUTEN: 50 Angemessenheit: 1 4 5 f., 2 6 7 , 3 3 2 f. A N R E D E N : 4 2 f., 9 5 f., 9 7 , 2 5 1 , 254 Anschaulichkeit: 2 2 3 , 2 2 9 , 3 1 9 ANSPIELEN: 9 5 , 2 5 1 Aposiopese: 1 1 0 Archaismus: 3 1 7 A R G U M E N T I E R E N : 1 1 2 , 2 1 0 f., 2 3 8 , 2 4 5 , 2 4 7 f. Assoziativität: 1 0 1 f. ATTRAKTIVMACHEN: 228-232,236-238 A U F F O R D E R N : 4 1 , 4 7 f., 5 0 , 1 2 6 Aufmerksamkeit: 1 2 2 A U S S P R A C H E über einen Unfall: 308
Bedeutung, stilistische: 1 0 3 , 1 0 5 , 1 0 8 f. BEISPIEL GEBEN: 2 3 8 Benutzer (von Stil) a. Beteiligte, sprl. Handelnde, Handlungsbeteiligte: 1 6 , 2 0 f., 2 3 , 2 5 f., 6 4 f., 94,332 B E R I C H T : 1 8 0 , 1 8 3 f., 3 1 8 , 3 2 1 Beschreibungsebene (linguistische): 103 Beteiligte a. Benutzer, sprl. H a n delnde, Handlungsbeteiligte 2 5 f., 3 0 , 7 6 , 8 8 , 1 3 1 , 1 3 5 , 1 5 5 , 1 5 7 , 1 6 0 f., 1 6 5 , 2 1 3 , 2 1 6 , 2 9 6 ff. B E W E R T E N : 6 0 f., 8 7 f., 1 3 8 , 1 7 7 , 1 7 9 - 1 8 0 , 1 8 3 f., 1 9 5 , 2 2 5 f., 2 3 8 , 2 4 2 , 2 4 5 - 2 4 9 , 2 8 2 f., 2 8 5 , 2 8 9 f., 2 9 4 , 2 9 6 , 3 0 2 - 3 2 4 , 3 3 3 Beziehung: 3 7 , 4 1 f., 239 f. Beziehungsaspekt: 5 7 , 2 3 9 — 2 4 5 , 296 Beziehungsgestaltung (Art der) s. Beziehung(saspekt): 2 9 , 3 8 , 4 9 , 5 0 f., 5 9 , 6 1 f., 6 7 f., 8 0 , 1 2 3 , 1 6 4 , 1 9 0 f., 1 9 5 , 1 9 7 , 2 2 2 , 2 2 6 f., 2 3 9 - 2 5 8 , 2 9 8 , 3 0 4 - 3 0 7 , 3 1 1 , 3 2 3 f. Beziehungsstil: 2 3 9 f. Bibelstil: 3 1 4 Bildlichkeit: 2 0 9 , 2 2 9 f., 2 3 8 f., 2 8 5 , 2 9 6 , 3 1 9 , 3 2 1 f. B U C H B E S P R E C H U N G : 2 0 9 f. BUCHINFORMATION: 211 Chiasmus: 1 0 4 Darstellungsarten: 2 1 1
5 . 2 . Sachregister Deixis: 5 8 , 1 3 6 , 2 3 5 f. Dialekt: 1 6 4 , 2 7 2 , 3 2 3 D i r e k t e Rede: 2 7 7 f., 3 1 9 D u r c h f ü h r e n : 4 0 f. Einheit, linguistische: 9 4 , 9 9 , 1 2 7 Einheitlichkeit (des Stils): 4 2 , 5 5 , 115-123,139,144,255,274 Einstellung: 3 0 , 3 2 , 3 8 f., 4 2 , 4 9 f., 5 6 , 6 7 f., 7 0 , 7 9 - 8 1 , 1 0 7 f., 123, 127,171,182,184,187,212, 2 3 5 , 2 5 3 , 2 5 8 , 2 7 8 f., 2 8 1 - 2 9 6 , 295,302,306,310,318-324 E r a o t i o n a l i t ä t : 2 8 8 f., 3 2 6 , 3 2 9 Ergebnis (der H a n d l u n g ) : 4 1 , 4 4 , 5 3 E r k e n n e n : 72 Erkenntnisinteresse: 1 7 f. E r w a r t u n g : 84 f. ERZÄHLEN: 113,119,176-184, 2 1 0 f., 2 5 9 , 2 7 2 - 2 7 5 , 3 2 1 Erzählstile: 2 7 4 E t h n o m e t h o d o l o g i e : 13 f., 15 f., 2 0 , 2 8 , 3 3 - 3 5 , 3 9 , 6 5 , 7 3 f., 1 2 3 f.,
226 E t y m o l o g i s c h e Figur: 103, 2 2 0 , 292,313 Fehler: 6 2 , 1 4 4 Figurencluster: 103 Folgen (der H a n d l u n g ) : 4 1 , 4 4 , 5 3 f., 65 f. F o r m e l h a f t e W e n d u n g : 112, 150, 2 2 5 , 2 7 1 f. Formulierung/FORMULIEREN: 5 2 , 7 0 , 2 5 2 f. FORTFÜHREN: 225,259 F R A G E N : 2 2 9 f. F r a m e s. W i s s e n s r a h m e n : 2 1 , 1 9 8 , 202,209,230,285,322 Fremdwort: 266 F u n k t i o n s. S t i l f u n k t i o n F u n k t i o n a l s t i l : 2 6 f. Funktionstypen: 1 4 0 , 1 5 1 , 1 5 7 , 331
363
F u n k t i o n s z u s c h r e i b u n g s. Wirkungszuschreibung: 1 5 1 , 1 5 7 Gebrauchsstil: 166 G E D I C H T : 6 6 f., 9 8 - 1 0 1 , 1 0 3 f., 1 0 6 f., 1 2 5 - 1 2 7 , 1 8 6 f., 2 1 3 Gegensatz: 1 0 1 - 1 0 4 , 1 2 6 GENERALISIEREN: 2 3 6 , 2 4 7 , 3 2 1 GESPRÄCH: 2 4 2 , 2 4 5 - 2 5 0 G e s p r ä c h s m u s t e r : 1 9 3 f., 1 9 5 , 2 8 0 f. G e s p r ä c h s p s y c h o t h e r a p i e : 2 3 3 f. Gesprächsstile: 136, 1 9 3 f. g e s p r o c h e n e S p r a c h e : 2 7 6 f. Gleichzeitighandlung: 5 9 , 60, 6 6 f., 243 GLOSSE: 2 3 7 - 2 3 9 GRAFFITI: 1 0 2 , 2 5 7 , 2 8 6 GRÜSSEN: 46, 9 7 , 1 2 8 , 2 8 6 G r u n d f u n k t i o n ( e n ) (von Stil): 3 1 f., 89 „ g u t e r Stil": 2 2 2 f . , 2 2 5 f., 2 2 9 , 261-264,274 H a n d e l n , sprachliches: 2 3 , 2 5 , 2 9 , 242 H a n d l u n g , sprachliche: 39—64 Handlungsaspekte: 3 9 - 4 5 H a n d l u n g s b e s c h r e i b u n g : 5 2 f., 5 5 f., 6 0 , 129 Handlungsbeteiligte: 64 H a n d l u n g s d u r c h f ü h r u n g (Art der): 23,24-35,41^14,46,49-52, 6 1 f., 6 4 f., 6 7 , 8 4 f., 1 1 4 f., 1 1 6 f., 1 2 3 , 1 3 3 f., 1 3 6 , 1 3 7 - 1 4 0 , 1 6 4 f., 1 7 2 - 1 9 7 , 2 2 7 , 2 5 2 , 2 6 7 , 2 7 8 f., 2 9 1 , 2 9 7 , 2 9 9 , 3 0 2 f., 3 1 7 , 3 2 6 H a n d l u n g s m u s t e r : 4 5 - 5 2 , 113, 1 4 7 , 1 4 9 f., 172 f., 2 5 2 H a n d l u n g s t h e o r i e : 7 1 f. H a n d l u n g s t y p : 3 1 f., 3 8 , 45,56 HEIRATSANNONCE: 143,217, 2 4 9 f. Hendiadyoin: 220, 298
364
Sachregister
Herausstellung: 67 Hintergrundbeschreibung: 99, 135 f., 1 3 8 - 1 4 0 , 1 5 8 , 1 7 6 , 1 7 8 - 1 8 0 , 1 8 5 f., 2 4 5 - 2 4 7 Historizität (des Stils): 24, 3 0 , 1 2 7 , 296-302,314-317,326-329 Hochsprache: 164,231, 270, 292 hoher Stil: 328 Idiolekt: 215 f. idiomatische Wendung: 68, 137, 209,238 Ikon: 105 Illokution: 25, 40, 58 f., 60, 96 f., 190 f., 283 f., 2 8 6 , 2 8 8 Illokutionshierarchie: 190 f. Imagearbeit: 186,191, 222, 246 f., 216,253,293 Implizites (des Stils): 131-140, 244,283, 303,324 Index: 107 f. Indexikalität: 31 f., 147, 216, 252-255,304 „indirekter" Sprechakt: 252—255, 304 Individualismus: 218 f. Individualstil s. a. Selbstdarstellung (Art der): 164f., 2 1 4 - 2 1 9 , 318 Institution: 26 f., 41 f., 239 f., 280 f., 3 0 6 - 3 0 9 , 3 1 1 f., 313 Intention: 61 f., 63 f., 217 f. Inventar s. Stilinventar: 43, 50 f. Ironie/IRONISIEREN: 50, 68 f., 9 5 , 1 5 0 , 1 7 1 f., 2 2 2 , 2 3 8 , 255-258,289,294 Kanal: 2 9 , 3 8 , 4 1 f., 122 f., 127, 268-276 Klimax: 225 kollokutionärer Akt: 56, 7 0 , 1 0 9 , 287 Kommunikation: 15 Kommunikationsprozeß: 14 Kommunikationsverfahren: 212
Kompetenz, stilistische: 24, 32, 45, 124,141-154 Konnotation: 84, 98, 107-109, 108f„ 125,161 f., 2 8 9 , 2 9 4 f., 296 f., 317 Kontext (sprachlicher): 9 7 - 1 0 0 , 108,110f.,285 Kontextualisierung: 3 2 , 1 1 3 , 118 f., 121-123 Kontiguität: 101-105, 126 Kooperativität: 227 KRITISIEREN: 222 KULTURNOTIZ: 188-191 LESERBRIEF: 184 f. Lexik: 111,114 literarische Prosa: 235 f., 2 6 9 - 2 7 2 literarischer Stil s. Stil, literarischer Litotes: 222 MÄRCHEN: 115 f., 134 f., 208 Märchenton: 302 Medien: 3 8 , 4 1 f., 9 9 , 1 2 2 f . , 127, 276-279,318-323 Mehrdeutigkeit: 60, 9 5 , 1 0 4 , 1 1 7 , 199 f., 251 Mehrstufigkeit (strukturelle): 103, 1 2 8 - 1 3 1 , 1 3 6 - 1 4 0 , 2 4 4 , 2 5 9 f., 268 f., 278 Metapher: 126,137, 200, 209, 223,225,231,238,251,285, 3 1 9 , 3 2 1 f., 331 Methode s. a. Paraphrasieren, Vergleichen: 1 6 , 4 9 , 5 2 , 7 4 - 7 6 , 85 f., 98 f., 1 1 5 , 1 1 7 , 1 2 8 , 1 3 1 , 135 f., 1 4 4 , 1 5 5 , 1 6 6 f., 171, 2 5 0 , 2 6 9 , 2 9 9 f., 315 f. Modalität: 1 1 7 , 2 3 1 , 2 8 1 f., 284 f., 291 f., 2 9 6 , 3 1 3 Modalpartikel: 217, 236, 247f., 2 5 3 , 2 8 7 f., 3 2 4 , 3 2 8 f. Modalverb: 253 Modalwort: 288 f. Moden, Modisches s. Historizität
5.2. Sachregister Motiviertheit (des Zeichens): 64 Mündlichkeit: 302 Musterimplementierung: 316 Mustermischung: 107, 110-116, 113,126,143,183 f., 188 f., 199,210,285,292 f., 310,313, 323,328 NACHRICHT: 318 Nebenwirkung (des Stils) s. Stilwirkung: 42, 67 Nominalisierung: 320 f. Norm: 324 f. OFFENER BRIEF: 220-222, 224-226 Parallelismus: 104 Paraphrase: 136 Paraphrasieren (als Methode): 60, 66 f., 101 f., 136,138 f., 256-258,288 Parataxe: 301 PARODIE: 110 f., 312 f. pars pro toto: 230 f., 238 Partikel: 247 f., 272,324 Performanz: 45, 124 Performanz, stilistische: 141-149, 152-154 Performativ: 254 f., 307 Periphrase: 225 Perlokution: 41, 70 f. Persönlichkeitsstil: 216 f. Perspektivübernahme: 227 f. 232-234,240,257,267 Persuasion: 233, 316-318 Phänomene, stilistische: 94—97, 99 f. Phorik: 58,135,232,238 Phraseologismus: 142 POLITISCHER KOMMENTAR 314 f. Prädikationsakt: 138,251,276,328 Präsupposition: 49, 57, 290, 297, 324
365
Pragmatik: 15, 39,169 Predigtstil: 317 Presse: 277-279 Prestige-Signale: 258-263, 267 Pronomen: 234 f., 238,250,302 Proposition: 57 f. propositionaler Gehalt: 25, 200 Prototypikalität: 115, 124, 194, 196,270,271,297,300 prototypische Stileinheiten: 149 Prozeß: 14,55, 76,149,202-209 Redekonstellation(styp): 37 f. Redewendung: 291 Referenzakt: 58, 133, 138, 235 f., 250,276,289,326 Regelsystem (stilistisches): 32 Register: 35 Reim: 312 Relationsstruktur: 95-100,105, 107,118,176,183,203 f., 210, 212 f., 252,256 f., 258, 269-272,281,284 Relevanzabstufung: 137 Rhetorik: 31,64,79, 81, 88, 204, 226,227 f. Rhythmus: 313,315,329 RICHTIGSTELLUNG: 184-191 Ritual: 148,232,239,250,286, 302-312,303-308,316,318, Rollenstil: 239 f. Routine: 148 Sachverhaltsdarstellung (Art der) s. a. Themenabhandlung (Art der): 38 f., 95,99,105-107, 123,136,140,164,197-213, 220,222 f., 226 f., 264,278, 291,318-323,326 Sachverhaltstyp: 231 Schema: 198, 209 Schlagzeile: 230 f. „schmückendes Beiwort": 220, 315
366
Sachregister
Schriftbild: 9 8 , 1 0 4 , 1 2 1 f., 1 3 7 f., 269 Schriftlichkeit: 1 3 9 f., 3 0 2 Schriftsprache: 2 7 0 - 2 7 7 , 3 0 2 Selbstdarstellung (Art der): 2 9 , 6 2 , 1 7 1 , 1 9 3 f., 2 1 4 - 2 2 7 , 2 5 0 f., 2 6 3 , 264,276,281,287 Semantik: 1 3 1 - 1 3 3 , 1 6 9 f., 1 7 1 f., 282,297 „semantische D i c h t e " : 101—105, 1 7 6 , 1 9 9 f., 2 1 0 , 2 8 6 , 2 9 2 Semiotik: 2 6 9 , 3 3 1 f. Sinn: 1 3 , 3 5 Sinn, kommunikativer: 9 7 , 9 8 f. Sinn, sozialer: 1 4 , 31—33, 3 5 , 4 1 Sinn, stilistischer:, 2 0 - 4 0 , 4 4 , 4 9 - 5 4 , 5 6 , 5 9 , 6 8 , 7 7 , 9 4 f., 9 9 f., 1 0 3 - 1 0 5 , 1 1 4 - 1 1 6 , 1 2 3 , 1 2 6 f., 1 3 0 , 1 7 4 f., 2 1 0 , 2 1 4 , 2 4 9 f., 2 5 2 , 2 8 9 - 2 9 2 , 2 9 5 , 301 f.,311,314,316 Sinnzuschreibung: 9 5 f., 1 2 4 f., 1 3 6 , 1 4 0 , 1 5 9 f., 1 8 5 f., 1 9 1 f., 2 5 9 , 3 0 2 f. Situation(styp): 2 7 , 2 9 , 4 0 , 4 1 f., 5 4 f., 6 9 , 7 1 , 8 4 , 8 7 , 9 4 - 9 9 , 1 3 4 f., 1 3 6 - 1 4 0 , 1 5 9 , 1 7 5 , 2 6 8 -
281
Skript: 1 9 8 Soziolekt: 1 6 4 , 2 5 8 Soziostilistik: 2 1 9 f., 2 3 1 f., 2 3 9 , 258-268 Spontanes Sprechen: 3 6 , 3 8 , 6 7 , 117,164,218,236,270-276, 302 Sprachfunktionen: 3 5 Sprachhandlungstheorie: 3 2 Sprachkritik: 3 3 4 sprachlich Handelnde: 2 1 , 2 8 f. sprachliches Handeln: 3 3 2 Sprachmagie: 3 1 7 Sprachspiel: 2 2 3
Sprechakt s. a. „indirekter" Sprechakt: 5 6 - 5 8 , 6 8 , 7 0 , 1 7 2 f., 242-244 Sprechakttheorie: 2 8 2 Sprechausdruck: 2 1 7 , 2 6 9 Stigma-Signale: 2 5 9 - 2 6 3 , 2 6 7 Stil s. „guter S t i l " : 34, 61, 2 1 3 , 3 2 5 , 3 3 2 f. Stil als W a h l : 3 2 , 4 2 ^ 4 , 1 1 5 f., 1 4 3 f., 1 5 8 f. Stil (als Zusätzliches): 3 1 - 3 3 Stil, literarischer: 6 8 , 1 3 3 f., 1 4 2 f., 1 6 5 - 1 6 9 , 2 1 2 f. Stilabsicht s. Stilintention, s. a. Wirkungsabsicht: 4 3 f., 6 2 , 7 2 - 7 4 Stilanalyse: 1 7 0 , 3 3 3 Stilauffassung: 1 5 7 - 1 6 4 Stilbegriff: 1 5 5 f., 2 1 8 f. Stilbeschreibung: 5 6 f. Stilblüte: 6 3 f., 8 9 , 1 0 5 f., 1 1 6 f., 1 3 3 , 1 4 4 , 1 5 2 f., 2 1 8 , 2 6 6 Stilbruch: 6 3 Stildefinition: 18 f., 3 0 , 3 5 , 1 5 5 f., 2 9 6 f. Stildidaktik: 3 3 4 Stilebene: 4 3 , 1 2 8 , 1 4 8 f., 1 5 2 , 2 6 0 f., 2 8 2 , 2 9 2 f., 3 2 6 , 3 3 1 Stilelement: 1 0 0 , 1 0 1 , 1 0 3 , 1 1 0 , 1 2 3 f., 1 5 0 , 1 5 1 , 1 6 3 , 3 3 1 f. Stilfehler: 6 2 f. Stilfiguren: 1 0 0 - 1 0 5 , 1 3 7 , 1 5 1 , 2 2 2 Stilfunktion(stypen): 1 8 f., 2 5 , 1 5 0 , 1 6 0 f., 1 6 5 , 1 6 7 f. Stilherstellen: 5 5 , 1 4 9 - 1 5 1 Stilideal: 2 6 4 - 2 6 6 Stilintention s. Stilabsicht: 6 2 , 7 9 Stilinventar s. Inventar: 4 3 , 1 1 3 , 1 3 0 , 1 4 8 f., 1 5 2 , 1 9 4 , 2 5 2 , 2 5 9 f., 3 3 1 Stilistik: 1 4 - 1 6 , 3 9 , 7 1 f., 1 2 3 f., 1 6 3 , 1 6 5 f., 1 6 9 f., 2 1 3 , 2 1 8 , 3 3 3 f.
5 . 2 . Sachregister Stilistik, linguistische: 1 5 5 , 1 6 5 f., 167 Stilistik, literaturwissenschaftliche: 1 6 6 f. stilistische Textstruktur s. Textstruktur, stilistische; s. a. Stilstruktur stilistischer Sinn s. Sinn, stilistischer Stilkompetenz s. Kompetenz, stilistische Stillogik: 2 0 6 Stilmittel s. Stilelement: 1 8 3 Stilmuster: 149,150,151, 229, 2 3 1 , 2 3 7 , 3 2 6 , 3 3 1 f. Stilnorm: 2 1 , 2 4 f., 1 5 4 , 1 7 0 , 260-268,296 Stilperformanz s. Performanz, stilistische: 2 4 , 1 5 1 f. Stilregeln (normative): 2 6 0 f., 2 6 7 Stilrezipieren: 5 5 , 1 6 1 Stilstruktur s. Textstruktur, stilistische: 18 f., 2 4 f., 9 9 - 1 0 3 , 1 3 0 f., 150,213,227,316,331 Stilstruktur, thematische: 1 9 9 f . , 2 0 8 Stilwechsel: 1 1 9 - 1 2 3 Stilwirkung: 2 4 f., 3 0 , 4 4 f., 5 2 - 5 4 , 5 6 , 6 1 - 6 5 , 6 5 - 9 4 , 9 9 f., 1 0 3 f., 1 0 8 f., 1 2 1 f., 1 2 3 , 1 2 6 f., 1 7 9 , 1 8 2 - 1 8 4 , 1 8 8 f., 1 9 6 , 2 0 5 f., 2 1 0 f., 2 1 8 , 2 2 0 , 2 3 5 f., 2 3 8 , 2 6 1 f., 2 6 9 f., 2 7 1 f., 2 7 6 , 2 7 8 , 2 9 0 , 2 9 2 , 2 9 6 f., 2 9 8 f., 3 1 3 , 317,323,325,326-330 Stilwirkungstypen: 5 5 , 6 5 , 7 4 , 7 6 - 8 8 , 9 0 , 1 5 1 f., 1 7 0 Struktur s. Stilstruktur strukturelle Mehrstufigkeit s. Mehrstufigkeit, strukturelle Strukturprinzipien: 114—123, 1 2 5 f., 3 3 1 Strukturtyp: 1 2 4 - 1 2 7 , 2 0 8 f., 2 2 7 , 3 2 5 f., 3 3 1
367
Strukturtyp (stilistischer) s. a. Relationsstruktur, „semantische D i c h t e " , Mustermischung, Ahnlichkeitsstruktur: 9 4 - 1 1 4 , 1 3 1 f. Subjektschub: 2 2 5 S y m p t o m : 6 2 , 6 9 , 2 1 7 f. Synonymie: 2 2 5 , 2 7 5 f., 2 8 5 Syntax: 9 5 f., 1 0 8 , 1 1 0 f., 1 1 4 , 1 2 1 f., 1 6 8 f., 1 7 9 , 1 8 2 , 2 0 5 - 2 0 7 , 2 2 2 , 2 2 5 , 2 2 7 f., 2 5 0 f., 2 5 4 f., 2 7 1 f., 2 7 4 f., 2 7 6 , 300,315,329 Technik: 1 4 9 , ISO, 2 3 6 , 3 1 7 , 3 1 9 , 3 2 2 f. T E L E F O N G E S P R Ä C H : 3 1 0 f. Tempus: 2 3 4 f. T e x t : 18 f., 4 1 , 4 3 , 8 0 f., 8 3 , 8 5 , 8 7 , 94, 9 6 - 1 0 2 , l l l f . , 1 1 5 , 1 3 0 , 1 3 5 , 1 4 5 f., 1 6 1 f., 1 7 3 f., 2 1 2 f., 297-299,302 Textherstellen: 8 0 , 8 5 , 8 7 Textmuster s.a. Textmusterstil: 5 1 f., 1 1 9 , 1 2 1 , 1 3 8 f., 1 4 7 f., 1731 9 3 , 1 9 4 - 1 9 6 , 2 0 0 f., 2 0 2 - 2 0 4 , 2 1 9 , 2 2 6 f., 2 3 1 , 2 5 2 f., 2 6 4 , 2 7 7 , 2 7 9 - 2 8 1 , 2 9 9 f., 3 0 3 f. Textmusterstil: 1 4 8 , 1 4 9 , 1 7 3 , 1 9 3 - 1 9 6 , 3 0 2 f . , 331 Textmustervarianten: 1 9 6 f., 2 7 5 f., 2 7 8 f. Textrezipieren: 8 1 f., 8 5 , 8 7 Textsorte: 1 7 2 f. Textsortenstil s. Textmusterstil: 3 9 Textstruktur, stilistische: 2 4 f., 176,186,189-192 THEATERKRITIK: 291 T h e m a : 6 5 , 8 2 f., 1 0 6 , 1 3 2 f., 1 8 5 , 1 8 8 , 1 9 7 , 1 9 9 , 2 0 1 - 2 0 4 , 2 0 9 f., 2 2 6 , 2 4 5 , 2 7 4 f., 2 8 9 , 3 1 3 , 3 2 8 Thema/Rhema-Gliederung: 2 0 8 Thematisieren: 1 9 8 , 2 0 0 f., 2 0 2 , 210,243
368
Sachregister
T h e m e n a b h a n d l u n g (Art der) s. a. S a c h v e r h a l t s d a r s t e l l u n g (Art der): 8 1 - 8 5 , 1 1 9 , 1 3 4 , 1 6 4 , 2 9 9 T h e m e n e n t f a l t u n g (Art der): 1 7 9 , 1 8 3 f., 1 9 3 f.,
202-209,227,
2 6 0 , 2 7 4 - 2 7 6 , 2 7 8 , 2 8 5 , 3 1 5 f. TISCHGEBET: 312 T y p e n stilistischen Sinns: 24—30, 3 8 , 5 5 , 9 0 , 1 5 1 , 1 5 2 , 1 7 0 f., 1 9 6 , 2 5 1 f., 2 5 8 f., 3 2 5 f. Typisieren: 1 4 7 f., 1 9 7 , 2 1 2 U m g a n g s s p r a c h e : 2 2 5 , 2 1 1 f., 3 1 0 U n i k a l i s i e r e n : 1 4 7 f., 1 8 9 , 1 9 7 , 212,227 Variation: 1 0 4 , 1 1 7 , 1 6 9 , 204, 266,313 V a r i a n t e n , stilistische: s. A l t e r n a t i ven V a r i e t ä t : 1 1 0 , 1 2 7 , 1 6 4 f., 2 0 7 , 2 1 5 f., 2 2 7 , 2 5 9 , 2 6 9 , 2 7 2 , 292-296,302,331 Vergleich: 2 0 9 f., 2 2 3 , 2 3 8 Vergleichen (als M e t h o d e ) : 4 9 f. V e r s t ä n d l i c h k e i t : 2 0 4 , 2 0 6 f., 2 2 9 , 237,264-268 V e r s t e h e n : 72 W A H L P L A K A T : 2 9 7 f. W E G A U S K U N F T : 193 Werbeslogan: 60, 142, 2 3 5 WERBUNG: 137-140,173-177, 1 9 8 - 2 0 4 , 2 3 3 f., 2 3 6 , 2 6 8 , 2 9 6 Werther-Stil: 3 1 5 f. W E T T E R B E R I C H T : 119 WIEDERHOLEN: 104,204
W i r k u n g s a b s i c h t : 7 0 , 7 2 f., 7 8 - 8 0 W i r k u n g s a b s i c h t , stilistische: 69-71 Wirkungsausdruck: 7 7 - 8 5 , 9 1 - 9 4 Wirkungstypen: 237 W i r k u n g s z u s c h r e i b u n g s. a. F u n k t i o n s z u s c h r e i b u n g : 7 5 f., 7 8 , 91-94,140,192 Wissen: 8 7 f., 1 0 2 , 1 1 1 , 2 1 3 , 2 1 5 , 3 0 2 , 3 2 6 , 3 2 9 f. W i s s e n (über Stil): 2 0 - 2 4 , 2 8 f., 3 4 W i s s e n s c h a f t s a u f f a s s u n g : 15 f. Wissensmuster: 1 1 3 , 1 7 3 , 1 9 8 , 2 2 3 W i s s e n s r a h m e n s. F r a m e : 21 f., 6 8 , 7 8 , 8 8 , 1 0 1 f., 1 2 6 , 1 3 8 , 1 4 2 f., 198-200,198,202,205,213, 3 1 5 f., 3 3 1 WÖRTERBUCHARTIKEL: 283-286,289 W o r t b i l d u n g : 115 f., 1 2 5 f., 2 0 2 ,
226 Wortfamilie: 104 Wortfeld: 1 0 1 , 1 0 4 W o r t s p i e l : 6 8 , 1 5 0 , 1 7 4 f., 2 0 2 , 2 2 2 , 2 8 9 f. W o r t s t e l l u n g : 2 0 4 f., 3 0 1 f. W o r t w a h l : 3 1 5 , 3 2 8 f. Zeitstil: 2 9 7 f . ZEITUNGSMELDUNG: 98,299 Z u s a t z h a n d l u n g : 5 9 f., 2 2 0 , 2 2 9 Z u s c h r e i b u n g von stilistischem Sinn s. S i n n z u s c h r e i b u n g Z u s c h r e i b u n g v o n Stil w i r k u n g s. W i r k u n g s z u s c h r e i b u n g
BARBARA SANDIG
Stilistik Sprachpragmatische Grundlegung der Stilbeschreibung Oktav. VIII, 2 0 1 Seiten. 1977. Kartoniert D M 42,ISBN 3 11 0 0 7 3 7 4 9 de Gruyter Studienbuch Diskussion des Stilbegriffs und seiner Voraussetzungen: Vergleich des pragmatischen Ansatzes mit anderen. Pragmatische Beschreibung einzelner Stilelemente und der Stileigenschaften von Texten auf dem Hintergrund der Darstellung allgemeinerer Grundlagen. Beispielbeschreibungen.
F E R D I N A N D D E SAUSSURE
Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft Herausgegeben unter Mitwirkung von Charles Bally, Albert Sechehaye, Albert Riedlinger, übersetzt von Herman Lommel Oktav. XVI, 2 9 4 Seiten. 6. Nachdruck der 2. Auflage 1967. 1982. Kartoniert D M 26,- ISBN 3 11 0 0 0 1 5 8 6 Inhaltsübersicht Einleitung — Prinzipien der Phonetik — Allgemeine Grundlagen — Synchronische Sprachwissenschaft — Diachronische Sprachwissenschaft — Geographische Sprachwissenschaft - Fragen der retrospektiven Sprachwissenschaft — Register — Nachwort von Peter von Polenz.
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SAMMLUNG GÖSCHEN HANS-JÜRGEN H E R I N G E R
Deutsche Syntax 2., völlig neubearbeitete Auflage Oktav. 107 Seiten, 1 Ausschlagtafel. 1972. Kartoniert D M 12,80 ISBN 3 1 1 0 0 4 0 1 5 8 (Band 5 2 4 6 ) J A N GOOSSENS
Deutsche Dialektologie Oktav. 147 Seiten, 13 Karten, 4 Abbildungen. 1977. Kartoniert D M 12,80 ISBN 3 11 0 0 7 2 0 3 3 (Band 2 2 0 5 ) PETER V O N POLENZ
Geschichte der deutschen Sprache Neubearbeitung der früheren Darstellung von H. Sperber 9., überarbeitete Auflage Oktav. 2 2 6 Seiten. 1978. Kartoniert D M 14,80 ISBN 3 11 0 0 7 5 2 5 3 (Band 2 2 0 6 ) PETER V O N POLENZ
Deutsche Satzsemantik Grundbegriffe des Zwischen-den-Zeilen-Lesens Oktav. 3 9 2 Seiten. 1985. Kartoniert D M 19,80 ISBN 3 11 0 1 0 2 0 9 9 (Band 2 2 2 6 ) J Ö R G JESCH
Grundlagen der Sprecherziehung 2., um ein Nachwort vermehrte Auflage Oktav. 107 Seiten, 8 Abbildungen. 1973. Kartoniert D M 10,80 ISBN 3 11 0 0 4 4 0 5 6 (Band 4 1 2 2 ) Preisänderungen vorbehalten
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