Steuern und Strategie: Theoretische Grundlagen von Steuerstrategie 3834911305, 9783834911308, 9783834936752

Eine effektive Steuerstrategie für Unternehmen, Unternehmer und Privatpersonen zu finden ist aufgrund der zahlreichen Be

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Ein Wort zuvor
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1: Management Summary
1.1 Zentrale Überlegungen
1.2 Ergebnisse
1.3 Große Linie
1.4 Empfehlungen
1.5 Ergänzende Systematisierungsbemühungen
2: Einführung: Gedankliche Linie zu einer Steuerstrategischen Konzeption
2.1 Ausgangspunkt: Bunkermentalität in deutschen Steuerlanden
2.2 Leitideen
2.2.1 Leitidee 1: Chancen
2.2.2 Leitidee 2: Pro-aktive Gestaltung
2.3 Gedankliche Linie zu einer Steuerstrategischen Konzeption
2.3.1 Strategie im Steuerbereich nicht existent
2.3.1.1 Steuerstrategie in Theorie und Praxis
2.3.1.2 Quod esset demonstrandum: Strategie ein Fremdwort in der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre
2.3.1.3 Strategie und Steuern – ein gewagter Versuch
2.3.2 Warum Strategie für Steuern?
2.3.2.1 Vorbemerkungen
2.3.2.2 Strategisches Sehen mit Beispielen aus dem Alltag
2.3.2.3 Strategie und Steuern: ein Widerspruch?
2.3.2.4 Strategisches Denken im Steuerbereich als Antwort
2.3.3 Strategie und Steuern zusammenbringen: Die 3 Stufen zur Entwicklung von Steuerstrategie
2.3.4 Der Weg zu einer Steuerstrategischen Konzeption
Literatur
3: Strategie in der betriebswirtschaftlichen Literatur
3.1 Strategie in der Allgemeinen BWL
3.2 Strategie in der Managementlehre
3.3 Strategie im Controlling
3.4 Strategie im Marketing
Literatur
4: Strategie als eigenständige betriebswirtschaftliche Disziplin
4.1 Entwicklungsstufen des strategischen Denkens
4.2 Definitionen und Strömungen
4.3 Strategiekonzeptionen
4.3.1 Klassische Strategiekonzeption
4.3.2 Mintzbergsche Strategiekonzeption: Strategy Safari
4.3.2.1 Vorbemerkungen
4.3.2.2 Strömungen und Denkschulen
4.3.2.3 Aufgaben und Bedeutung von Strategie
4.3.2.4 Die Denkschule von Mintzberg & Co.
4.3.2.5 Modelle der Strategieentwicklung
4.3.2.6 Kritische Würdigung
4.3.2.7 Resümee
4.3.3 Unternehmerische Strategieschule
4.3.3.1 Der Unternehmer im Fokus
4.3.3.2 Merkmale unternehmerischer Strategie
4.3.3.3 Kritische Würdigung
4.3.4 Verständnis von betriebswirtschaftlicher Strategie
Literatur
5: Zusammenfassung Stufe 1 Strategie und BWL
Literatur
6: Einordnung von Strategie und Steuern in der BWL
6.1 Stellung von Steuerstrategie im System der Corporate Strategy
6.2 Steuerstrategie im Aufgabensystem der steuerlichen BWL
6.3 Steuern als Kostenfaktor
6.4 Steuern als Umweltfaktor
6.5 Würdigung des Steuerbereichs
Literatur
7: Definition von Steuerstrategie
7.1 Vorgehen
7.2 Etymologische Ansatzpunkte
7.3 Die Marke Steuerstrategie
7.3.1 Bestimmung auf Basis der Mintzbergschen Definitionen von Strategie
7.3.2 Definition I: Die Marke Steuerstrategie
7.4 Grundsätze zur Wesensbestimmung
7.4.1 Vorbemerkungen
7.4.2 Grundsatz 1: Steuerstrategie ist richtungsorientiert
7.4.3 Grundsatz 2: Steuerstrategie ist zukunftsorientiert
7.4.4 Grundsatz 3: Steuerstrategie ist chancenorientiert
7.4.5 Grundsatz 4: Steuerstrategie ist werteorientiert
7.4.6 Definition II
7.5 Resümee
Literatur
8: Adaptionen und Festlegungen aus der betriebswirtschaftlichen Strategielehre
8.1 Das grundlegende betriebswirtschaftliche Verständnis
8.1.1 Klassisches Strategieverständnis: Steuerstrategie als planerische Konzeption
8.1.2 Weitere Adaptionen der Designschule
8.1.3 Die beiden Seiten von Steuerstrategie: Konfiguration und Transformation
8.1.4 Structure follows Strategy: Steuerstrukturierung folgt Steuerstrategie
8.1.4.1 Die These von Chandler
8.1.4.2 Strukturierung im Steuerbereich
8.1.4.3 Steuerstrukturierung gehört nicht zu Steuerstrategie
8.1.5 Ausgrenzung von Tax Compliance-, Tax Risk- und Tax Issue-Management
8.2 Die strategische Ebene der Steuerplanung
8.3 Steuerstrategische Planungsbereiche
8.4 Resümee: Steuerstrategie im System der Steuerplanung
Literatur
9: Entwicklung und Abgrenzung einer betriebswirtschaftlichen Steuerstrategiekonzeption
9.1 Steuerstrategie als Kern einer strategiebasierten Steuer-Konzeption
9.1.1 Ausgangsmodell
9.1.2 System einer Steuer-Konzeption
9.1.3 Wirtschaftliches Umfeld
9.1.4 Definition III: Steuerstrategie als inhaltliche Konzeption
9.1.5 Resümee
9.2 Grundmodell Steuerstrategische Planung
9.2.1 Modell
9.2.2 Bausteine
9.2.2.1 Analyse der Ausgangslage
9.2.2.2 Tax Mission Statement
9.2.2.3 Steuerstrategische Ziele
9.2.2.4 Steuerstrategische Optionen
9.2.3 Grundraster der steuerstrategischen Optionen
9.3 Steuerstrategische Planung als Prozess
9.3.1 Schritte und Schrittfolge
9.3.2 Betriebswirtschaftliche Erklärungsansätze – Grundlagen
9.3.3 Systematischer Planungsprozess versus Muddling Through oder Verstand versus Intuition
9.3.4 Ablauf in der Praxis: Drama in drei Akten
Literatur
10: Anwendbarkeit der Steuerstrategischen Konzeption
10.1 Die Bandbreite von Anwendungsmöglichkeiten
10.2 Der Ordnungscharakter
10.3 Steuerstrategie als Denkhaltung
10.3.1 Das Grundsatzprogramm
10.3.2 Gegenüberstellung von strategischem und klassischem Steuerverständnis
10.3.3 Bemerkungen zum steuerstrategischen Denken
Literatur
11: Steuerstrategie am Beispiel der Internationalen Steuerplanung
11.1 Standortentscheidung von Unternehmen aus betriebswirtschaftlicher und steuerstrategischer Sicht
11.2 Systematisierungsansätze in der Literatur
11.3 Steuerkonzeptionelle Systematisierung
11.3.1 Steuerstrategische Ebene in Abgrenzung zu steueroperativer Ebene
11.3.2 Steuerstrategische Aspekte der Erfolgslenkung: Allokationsstrategien
11.3.3 Die Ebenen der Internationalen Steuerplanung im Überblick
Literatur
12: Von der Planungs- zur Managementkonzeption
12.1 Steuerstrategie und Steuerstrategisches Management
12.1.1 Weitergehendes Verständnis von Steuerstrategie
12.1.2 Veränderung durch Steuerstrategisches Management
12.2 Das System einer Managementkonzeption von Steuerstrategie
12.3 Stufen der Entwicklung von Steuerlicher Strategie
Literatur
13: Zusammenfassung Stufe 2 Strategie und Steuern
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Steuern und Strategie: Theoretische Grundlagen von Steuerstrategie
 3834911305, 9783834911308, 9783834936752

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Heribert Keuler

Steuern und Strategie Theoretische Grundlagen von Steuerstrategie

Steuern und Strategie

Heribert Keuler

Steuern und Strategie Theoretische Grundlagen von Steuerstrategie

Heribert Keuler Steuerberater W+ST Steuerberatungsgesellschaft mbH Mainz, Deutschland

ISBN 978-3-8349-1130-8    ISBN 978-3-8349-3675-2 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-8349-3675-2 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar. © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, Wiesbaden 2023 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Vivien Bender Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Ein Wort zuvor

Das Buch hat eine lange Historie: Die Idee zu dem Buch ist bei einem Aufenthalt im Kloster Himmerod entstanden. Anlass war das negative Echo auf die Unternehmensteuerreform 2008, wo der Autor zu folgender Analyse gelangte: Wegen permanenter Änderungen im Steuerbereich herrscht kurzfristig ausgerichtetes Denken und Handeln, Orientierung an Risiken, Details; es wird reagiert, es gibt wenig Systematik, wenig Langfristigkeit. Besondere Ermutigung erfuhr das Projekt durch das Vortragsbuch „Besteuerungsmoral und Steuermoral“ des Grandseigneurs des Steuerrechts Klaus Tipke, wo unter anderem auf Seite 8 zu lesen ist: „Die weitaus meisten Beiträge in der Schwemme der Bücher und Aufsätze über Steuern befassen sich mehr oder minder prinzipienlos mit Detailfragen, an denen man sich dumm lesen und jede Orientierung verlieren kann.“

Das Buchprojekt geht der Frage nach „Braucht Steuern Strategie?“ und findet als Antwort ein klares Ja. Von dorther ist das zentrale Anliegen, die Erkenntnisse der betriebswirtschaftlichen Strategielehre für Steuern zu nutzen. Das Buch möchte dafür werben, über steuerjuristisches, von tausenden Paragrafen, Richtlinien, Erlassen eingeengtes Denken, das freie steuerökonomische Denken in Form von betriebswirtschaftlicher Strategie zu stellen. Es versteht sich als Kontrastprogramm zu Tax Compliance- und Tax Risk-Management. Im Fokus stehen nicht die Steuerrisiken sondern die Steuerchancen. Letztlich geht es darum, die Bahn zu brechen für betriebswirtschaftliche Strategie im Steuerbereich. Das Buchprojekt hat in diesem Band I zwar durchaus den Anspruch, einen theoretischen Beitrag zur betriebswirtschaftlichen Steuerlehre zu leisten, ist gleichzeitig für jeden erfahrenen Steuerpraktiker gut verständlich lesbar. Vorbild war das Buch des Strategiegurus Henry Mintzberg Strategy Safari. In jedem Fall bekommt der Leser • einen Überblick über betriebswirtschaftliche Strategie und • wie man diese im Steuerbereich anwenden kann.

V

VI

Ein Wort zuvor

Primäres Ziel ist die Sensibilisierung für strategisches Denken im Steuerbereich. Es richtet sich an Leser, die offen dafür sind, eine andere Perspektive einzunehmen: Panorama statt Zoom. Das Buchprojekt wurde in drei separate Bände aufgeteilt: Der erste Band führt in die Grundlagen betriebswirtschaftlicher Strategie in BWL und Steuern ein. Im zweiten Band wird ein umfassendes Steuerstrategisches Konzept – vorrangig für den Bereich der Ertragsteuern – vorgestellt. Dieses Konzept zeigt konkret, wie Steuerstrategische Planung in der Praxis aussehen kann. Band II ist für 2024 geplant. Im dritten Band wird die Planungskonzeption zur Managementkonzeption weiterentwickelt. Stehen im zweiten Band Fragen der Formulierung einer Steuerstrategie im Vordergrund, so wird der Fokus im dritten Band auf Fragen der Umsetzung der formulierten Strategie gerichtet. Der Band ist für 2025 geplant. Das Buch möchte ich meiner Frau Helena und meinen Kindern Steffi und David widmen. Mit großer Geduld und großem Verständnis haben sie mein sich über viele Jahre entwickeltes Projekt, was nun schon im zweiten Jahrzehnt läuft, mitgetragen. Herzlichen Dank an meine Sekretärin Klaudia Klein, die mir mit ihrer umsichtigen und strukturierten Vorgehensweise eine große Unterstützung war. Last, but not least möchte ich auch meinen Kollegen von der W+ST – allen voran Bernhard Ferring – Dank sagen für die Unterstützung in meinem Hauptjob, die mir ermöglichte, dieses Projekt „just by the way“ umzusetzen. Im Verlag Springer Gabler sind viele bedeutende Standardwerke zu betriebswirtschaftlicher Strategie veröffentlicht worden. So war es denn naheliegend, den Weg für das Buchprojekt, von dem der heutige Editorial Director Andreas Funk seinerzeit schon überzeugt war, auch dorthin zu suchen. Mainz, Deutschland Frühjahr 2023

Heribert Keuler

Inhaltsübersicht

1 Management Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   1 2 Einführung: Gedankliche Linie zu einer Steuerstrategischen Konzeption. . . .   9 3 Strategie in der betriebswirtschaftlichen Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  25 4 Strategie als eigenständige betriebswirtschaftliche Disziplin. . . . . . . . . . . . . .  37 5 Zusammenfassung Stufe 1 Strategie und BWL. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  61 6 Einordnung von Strategie und Steuern in der BWL. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  63 7 Definition von Steuerstrategie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  71 8 A  daptionen und Festlegungen aus der betriebswirtschaftlichen Strategielehre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  85 9 E  ntwicklung und Abgrenzung einer betriebswirtschaftlichen Steuerstrategiekonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 10 Anwendbarkeit der Steuerstrategischen Konzeption. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 11 Steuerstrategie am Beispiel der Internationalen Steuerplanung. . . . . . . . . . . 135 12 Von der Planungs- zur Managementkonzeption. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 13 Zusammenfassung Stufe 2 Strategie und Steuern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

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Inhaltsverzeichnis

1 Management Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   1 1.1 Zentrale Überlegungen����������������������������������������������������������������������������������   1 1.2 Ergebnisse ����������������������������������������������������������������������������������������������������   2 1.3 Große Linie ��������������������������������������������������������������������������������������������������   5 1.4 Empfehlungen ����������������������������������������������������������������������������������������������   7 1.5 Ergänzende Systematisierungsbemühungen ������������������������������������������������   7 2 Einführung:  Gedankliche Linie zu einer Steuerstrategischen Konzeption. . . .   9 2.1 Ausgangspunkt: Bunkermentalität in deutschen Steuerlanden��������������������   9 2.2 Leitideen ������������������������������������������������������������������������������������������������������  11 2.2.1 Leitidee 1: Chancen��������������������������������������������������������������������������  11 2.2.2 Leitidee 2: Pro-aktive Gestaltung ����������������������������������������������������  12 2.3 Gedankliche Linie zu einer Steuerstrategischen Konzeption������������������������  12 2.3.1 Strategie im Steuerbereich nicht existent������������������������������������������  12 2.3.1.1 Steuerstrategie in Theorie und Praxis��������������������������������  12 2.3.1.2 Quod esset demonstrandum: Strategie ein Fremdwort in der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre������������������������  13 2.3.1.3 Strategie und Steuern – ein gewagter Versuch ������������������  14 2.3.2 Warum Strategie für Steuern? ����������������������������������������������������������  14 2.3.2.1 Vorbemerkungen����������������������������������������������������������������  14 2.3.2.2 Strategisches Sehen mit Beispielen aus dem Alltag����������  15 2.3.2.3 Strategie und Steuern: ein Widerspruch? ��������������������������  16 2.3.2.4 Strategisches Denken im Steuerbereich als Antwort ��������  17 2.3.3 Strategie und Steuern zusammenbringen: Die 3 Stufen zur Entwicklung von Steuerstrategie������������������������������������������������������  18 2.3.4 Der Weg zu einer Steuerstrategischen Konzeption ��������������������������  19 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  22 3 Strategie  in der betriebswirtschaftlichen Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  25 3.1 Strategie in der Allgemeinen BWL��������������������������������������������������������������  25 3.2 Strategie in der Managementlehre����������������������������������������������������������������  30 3.3 Strategie im Controlling��������������������������������������������������������������������������������  31 IX

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Inhaltsverzeichnis

3.4 Strategie im Marketing���������������������������������������������������������������������������������  34 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  36 4 Strategie  als eigenständige betriebswirtschaftliche Disziplin. . . . . . . . . . . . . .  37 4.1 Entwicklungsstufen des strategischen Denkens��������������������������������������������  38 4.2 Definitionen und Strömungen ����������������������������������������������������������������������  39 4.3 Strategiekonzeptionen����������������������������������������������������������������������������������  43 4.3.1 Klassische Strategiekonzeption��������������������������������������������������������  43 4.3.2 Mintzbergsche Strategiekonzeption: Strategy Safari������������������������  46 4.3.2.1 Vorbemerkungen����������������������������������������������������������������  46 4.3.2.2 Strömungen und Denkschulen ������������������������������������������  47 4.3.2.3 Aufgaben und Bedeutung von Strategie����������������������������  51 4.3.2.4 Die Denkschule von Mintzberg & Co ������������������������������  52 4.3.2.5 Modelle der Strategieentwicklung ������������������������������������  53 4.3.2.6 Kritische Würdigung����������������������������������������������������������  53 4.3.2.7 Resümee����������������������������������������������������������������������������  56 4.3.3 Unternehmerische Strategieschule����������������������������������������������������  56 4.3.3.1 Der Unternehmer im Fokus ����������������������������������������������  56 4.3.3.2 Merkmale unternehmerischer Strategie ����������������������������  57 4.3.3.3 Kritische Würdigung����������������������������������������������������������  58 4.3.4 Verständnis von betriebswirtschaftlicher Strategie ��������������������������  59 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  60 5 Zusammenfassung  Stufe 1 Strategie und BWL. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  61 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  62 6 Einordnung  von Strategie und Steuern in der BWL. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  63 6.1 Stellung von Steuerstrategie im System der Corporate Strategy������������������  63 6.2 Steuerstrategie im Aufgabensystem der steuerlichen BWL��������������������������  65 6.3 Steuern als Kostenfaktor ������������������������������������������������������������������������������  67 6.4 Steuern als Umweltfaktor ����������������������������������������������������������������������������  67 6.5 Würdigung des Steuerbereichs����������������������������������������������������������������������  68 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  69 7 Definition von Steuerstrategie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  71 7.1 Vorgehen ������������������������������������������������������������������������������������������������������  71 7.2 Etymologische Ansatzpunkte������������������������������������������������������������������������  72 7.3 Die Marke Steuerstrategie����������������������������������������������������������������������������  74 7.3.1 Bestimmung auf Basis der Mintzbergschen Definitionen von Strategie��������������������������������������������������������������������������������������������  74 7.3.2 Definition I: Die Marke Steuerstrategie��������������������������������������������  78 7.4 Grundsätze zur Wesensbestimmung ������������������������������������������������������������  78 7.4.1 Vorbemerkungen ������������������������������������������������������������������������������  78 7.4.2 Grundsatz 1: Steuerstrategie ist richtungsorientiert��������������������������  78

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7.4.3 Grundsatz 2: Steuerstrategie ist zukunftsorientiert ��������������������������  79 7.4.4 Grundsatz 3: Steuerstrategie ist chancenorientiert����������������������������  80 7.4.5 Grundsatz 4: Steuerstrategie ist werteorientiert��������������������������������  81 7.4.6 Definition II��������������������������������������������������������������������������������������  82 7.5 Resümee��������������������������������������������������������������������������������������������������������  82 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  83 8 Adaptionen  und Festlegungen aus der betriebswirtschaftlichen Strategielehre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  85 8.1 Das grundlegende betriebswirtschaftliche Verständnis��������������������������������  85 8.1.1 Klassisches Strategieverständnis: Steuerstrategie als planerische Konzeption��������������������������������������������������������������������  85 8.1.2 Weitere Adaptionen der Designschule����������������������������������������������  86 8.1.3 Die beiden Seiten von Steuerstrategie: Konfiguration und Transformation����������������������������������������������������������������������������������  87 8.1.4 Structure follows Strategy: Steuerstrukturierung folgt Steuerstrategie����������������������������������������������������������������������������������  89 8.1.4.1 Die These von Chandler����������������������������������������������������  89 8.1.4.2 Strukturierung im Steuerbereich����������������������������������������  90 8.1.4.3 Steuerstrukturierung gehört nicht zu Steuerstrategie��������  93 8.1.5 Ausgrenzung von Tax Compliance-, Tax Risk- und Tax Issue-­­Management ��������������������������������������������������������������������  95 8.2 Die strategische Ebene der Steuerplanung����������������������������������������������������  97 8.3 Steuerstrategische Planungsbereiche������������������������������������������������������������ 100 8.4 Resümee: Steuerstrategie im System der Steuerplanung������������������������������ 101 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 103 9 Entwicklung  und Abgrenzung einer betriebswirtschaftlichen Steuerstrategiekonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 9.1 Steuerstrategie als Kern einer strategiebasierten Steuer-­Konzeption������������ 106 9.1.1 Ausgangsmodell�������������������������������������������������������������������������������� 106 9.1.2 System einer Steuer-Konzeption������������������������������������������������������ 107 9.1.3 Wirtschaftliches Umfeld ������������������������������������������������������������������ 109 9.1.4 Definition III: Steuerstrategie als inhaltliche Konzeption���������������� 111 9.1.5 Resümee�������������������������������������������������������������������������������������������� 112 9.2 Grundmodell Steuerstrategische Planung ���������������������������������������������������� 112 9.2.1 Modell ���������������������������������������������������������������������������������������������� 112 9.2.2 Bausteine������������������������������������������������������������������������������������������ 115 9.2.2.1 Analyse der Ausgangslage ������������������������������������������������ 115 9.2.2.2 Tax Mission Statement������������������������������������������������������ 117 9.2.2.3 Steuerstrategische Ziele ���������������������������������������������������� 117 9.2.2.4 Steuerstrategische Optionen���������������������������������������������� 117 9.2.3 Grundraster der steuerstrategischen Optionen���������������������������������� 118

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Inhaltsverzeichnis

9.3 Steuerstrategische Planung als Prozess������������������������������������������������������ 119 9.3.1 Schritte und Schrittfolge �������������������������������������������������������������� 119 9.3.2 Betriebswirtschaftliche Erklärungsansätze – Grundlagen������������ 121 9.3.3 Systematischer Planungsprozess versus Muddling Through oder Verstand versus Intuition������������������������������������������������������ 123 9.3.4 Ablauf in der Praxis: Drama in drei Akten ���������������������������������� 126 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 127 10 Anwendbarkeit  der Steuerstrategischen Konzeption. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 10.1 Die Bandbreite von Anwendungsmöglichkeiten���������������������������������������� 129 10.2 Der Ordnungscharakter������������������������������������������������������������������������������ 130 10.3 Steuerstrategie als Denkhaltung������������������������������������������������������������������ 131 10.3.1 Das Grundsatzprogramm�������������������������������������������������������������� 131 10.3.2 Gegenüberstellung von strategischem und klassischem Steuerverständnis�������������������������������������������������������������������������� 133 10.3.3 Bemerkungen zum steuerstrategischen Denken �������������������������� 134 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 134 11 Steuerstrategie  am Beispiel der Internationalen Steuerplanung. . . . . . . . . . . 135 11.1 Standortentscheidung von Unternehmen aus betriebswirtschaftlicher und steuerstrategischer Sicht���������������������������������������������������������������������� 135 11.2 Systematisierungsansätze in der Literatur�������������������������������������������������� 136 11.3 Steuerkonzeptionelle Systematisierung������������������������������������������������������ 137 11.3.1 Steuerstrategische Ebene in Abgrenzung zu steueroperativer Ebene�������������������������������������������������������������������������������������������� 137 11.3.2 Steuerstrategische Aspekte der Erfolgslenkung: Allokationsstrategien�������������������������������������������������������������������� 139 11.3.3 Die Ebenen der Internationalen Steuerplanung im Überblick������ 139 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 140 12 Von  der Planungs- zur Managementkonzeption. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 12.1 Steuerstrategie und Steuerstrategisches Management�������������������������������� 141 12.1.1 Weitergehendes Verständnis von Steuerstrategie�������������������������� 141 12.1.2 Veränderung durch Steuerstrategisches Management������������������ 142 12.2 Das System einer Managementkonzeption von Steuerstrategie ���������������� 143 12.3 Stufen der Entwicklung von Steuerlicher Strategie������������������������������������ 146 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 148 13 Zusammenfassung Stufe 2 Strategie und Steuern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1.1 Zentrale Überlegungen ����������������������������������������������������������������������������������  1 Abb. 1.2 Große Linie ����������������������������������������������������������������������������������������������������  5 Abb. 2.1 Die Stufen zur Entwicklung von Steuerstrategie�������������������������������������������� 19 Abb. 2.2 Der Weg zu einer Steuerstrategischen Konzeption ���������������������������������������� 21 Abb. 3.1 Abb. 3.2 Abb. 3.3 Abb. 3.4 Abb. 3.5 Abb. 3.6

Arten von Unternehmensplanung ������������������������������������������������������������������ 28 Gegenstände strategischer Analyse���������������������������������������������������������������� 29 Planungsebenen���������������������������������������������������������������������������������������������� 31 Phasen der strategischen Planung ������������������������������������������������������������������ 33 Hierarchie der strategischen Planungsebenen������������������������������������������������ 33 Die Konzeptionspyramide als Bezugsrahmen eines modernen Marketing-Managements�������������������������������������������������������������������������������� 35 Abb. 3.7 Abgrenzung von Strategischem und Operativem Planen ������������������������������ 35 Abb. 4.1 Strategien als hierarchisches Konstrukt. (Welge et al., 2017, S. 19; Becker, 2018, S. 67 nach Barney, 1997, S. 11)���������������������������������������������� 39 Abb. 4.2 SWOT-Konzept als Bestandteil einer Strategie���������������������������������������������� 40 Abb. 4.3 Die 5 Definitionen von Strategie�������������������������������������������������������������������� 42 Abb. 4.4 Strategietypen ������������������������������������������������������������������������������������������������ 42 Abb. 4.5 Kategorien von Strategien������������������������������������������������������������������������������ 43 Abb. 4.6 Genese von Strategien������������������������������������������������������������������������������������ 43 Abb. 4.7 Strategisches Controlling als Steuerungsfunktion������������������������������������������ 46 Abb. 4.8 Die Elemente von Strategie���������������������������������������������������������������������������� 46 Abb. 4.9 Die Schulen der Strategielehre ���������������������������������������������������������������������� 47 Abb. 4.10 Dimensionen wichtiger Denkschulen der Strategielehre�������������������������������� 50 Abb. 6.1 Stellung der Steuerstrategie im System der Unternehmensstrategie�������������� 64 Abb. 6.2 Stellung von Steuerstrategie in der steuerlichen BWL ���������������������������������� 66 Abb. 6.3 Der steuerliche Entscheidungsprozess������������������������������������������������������������ 66 Abb. 7.1 Die Marke Strategie nach Mintzberg�������������������������������������������������������������� 75 Abb. 7.2 Die Kernbotschaft von Strategie �������������������������������������������������������������������� 76 Abb. 7.3 Die Marke Steuerstrategie 1: Vorderseite ������������������������������������������������������ 77 XIII

XIV

Abbildungsverzeichnis

Abb. 7.4 Steuerstrategie als Kompass im Paragraphen-Dschungel����������������������������  79 Abb. 7.5 Die Marke Steuerstrategie 1: Rückseite��������������������������������������������������������  82 Abb. 8.1 Abb. 8.2 Abb. 8.3 Abb. 8.4 Abb. 8.5

Betriebswirtschaftliche Merkmale von Steuerstrategie��������������������������������  88 Die beiden Seiten von Steuerstrategie����������������������������������������������������������  89 Beispiel einer Strukturierung im Private Equity ������������������������������������������  91 Stellung von Steuerstrukturierung in der steuerlichen BWL������������������������  93 Steuerstrategie als Marke 2/Vorderseite: Ausgrenzung risikoorientierte Steuerbereiche��������������������������������������������������������������������  97 Abb. 8.6 Die Ebenen von Steuerplanung��������������������������������������������������������������������  99 Abb. 8.7 Steuerstrategie als Marke 2/Rückseite: Abgrenzung strategische und nichtstrategische Planung����������������������������������������������������������������������  99 Abb. 8.8 Die steuerstrategischen Planungsbereiche���������������������������������������������������� 101 Abb. 8.9 Linie der Festlegungen für Steuerstrategie �������������������������������������������������� 102 Abb. 8.10 Steuerstrategie im System von Steuerplanung���������������������������������������������� 102 Abb. 9.1 Abb. 9.2 Abb. 9.3 Abb. 9.4 Abb. 9.5 Abb. 9.6 Abb. 9.7

Umfeld von Steuerstrategie�������������������������������������������������������������������������� 106 Ausgangsmodell������������������������������������������������������������������������������������������� 107 System einer Steuer-Konzeption������������������������������������������������������������������ 109 Einordnung des steuerlichen Handelns�������������������������������������������������������� 110 Marke Steuerstrategie ���������������������������������������������������������������������������������� 113 Grundmodell der Steuerstrategischen Planung�������������������������������������������� 114 Beziehungen zwischen Umwelt- und Unternehmensanalysen und Zielen/1�������������������������������������������������������������������������������������������������� 116 Abb. 9.8 Beziehungen zwischen Analysen und Zielen/2�������������������������������������������� 116 Abb. 9.9 (nach Thommen et al., 2017, S. 523) Bereiche strategischer Erfolgspositionen������������������������������������������������������������������������������������������ 118 Abb. 9.10 Steuerstrategisches Grundraster�������������������������������������������������������������������� 119 Abb. 9.11 Steuerstrategischer Planungsprozess������������������������������������������������������������ 121 Abb. 9.12 Optionen als Herzstück des steuerstrategischen Planungsprozesses������������ 122 Abb. 9.13 Merkmale der synoptischen und der inkrementalen Planung. (nach Becker, 2018, S. 55)���������������������������������������������������������������������������� 123 Abb. 9.14 Anwendbarkeit von Steuerstrategie in verschiedenen Kontextsituationen ������ 125 Abb. 9.15 Steuerstrategie – ein Drama in drei Akten���������������������������������������������������� 127 Abb. 10.1 Matrix zur Bestimmung der steuerstrategischen Position���������������������������� 130 Abb. 10.2 Merkmale von strategischem und klassischem Steuerverständnis �������������� 133 Abb. 11.1 Was ist Steuerstrategie am Beispiel der Standortentscheidung�������������������� 140 Abb. 12.1 Das System von Steuerstrategie�������������������������������������������������������������������� 143 Abb. 12.2 Die verschiedenen Bedeutungen des Begriffs Steuerstrategie���������������������� 146 Abb. 12.3 Entwicklungsstufen von Steuerstrategie ������������������������������������������������������ 147 Abb. 13.1 Der Steuerbereich aus strategischer Sicht���������������������������������������������������� 152 Abb. 13.2 Die Entwicklung der Theoretischen Grundlagen von Steuerstrategie im Überblick ������������������������������������������������������������������������������������������������ 155

1

Management Summary

1.1 Zentrale Überlegungen Die Leitfragen und ihre Antworten werden in Abb. 1.1 präsentiert.

Leitfragen Strategie = betriebswirtschaftliche Strategie



Erkenntnis: fehlt im Steuerbereich



Versuch:

Welche Strategie ist gemeint?

Was ist der Ausgangspunkt?

Was ist das Ziel?

Steuern mit Strategie zusammenbringen

Abb. 1.1  Zentrale Überlegungen

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 H. Keuler, Steuern und Strategie, https://doi.org/10.1007/978-3-8349-3675-2_1

1

2

1  Management Summary

1.2 Ergebnisse Kapitel 2 Betriebswirtschaftliche Strategie ist kaum existent in der steuerlichen BWL. Sieht es auf den ersten Blick bei dem Begriffspaar Strategie und Steuern nach einem Widerspruch aus, so lässt der zweite Blick aber hoffen, dass Steuerstrategie bzw. mindestens steuerstrategisches Denken eine Antwort sein kann auf die hohe Komplexität der Umwelt im allgemeinen und des Steuerbereichs im Spezifischen. Deshalb wird der Versuch unternommen, Strategie mit Steuern zusammenzubringen. Kapitel 3 und 4 Betriebswirtschaftliche Strategie gibt es in mehreren Bereichen der BWL. Sie hat sich zu einer eigenständigen betriebswirtschaftlichen Disziplin entwickelt, für manche Autoren ist sie gar die Königsdisziplin der BWL. Die Lehre ist nicht einheitlich. Die unterschiedlichen Auffassungen lassen sich in zwei Strömungen ordnen: • klassische Richtung mit einem theoretisch begründeten Verständnis • Gegenposition mit empirisch begründetem Verständnis. Kapitel 6 Der Bereich Steuern macht lediglich einen kleinen Teil eines Unternehmens aus, ist eine untergeordnete Querfunktion. Dementsprechend ist Steuerstrategie als Funktional-­ Strategie ein Leichtgewicht, jedoch angesichts hoher Steuerbelastungen monetär ein Schwergewicht. Im Aufgabensystem der steuerlichen BWL ist Steuerstrategie dem Aufgabenbereich „planen“ zuzuordnen. Insofern ist der Ansatz hier ein „Planning Approach“. Kapitel 7 Steuerstrategie ist im Kern die große Handlungsrichtung für den Steuerbereich von Unternehmen und Unternehmern. Der richtungsweisende Plan wird „ummantelt“ von • • • •

Analyse Leitbild Adaption von Mustern und grundsätzlichem Verhalten gegenüber den maßgeblichen Stakeholdern.

Diese Definition I wird durch vier Grundsätze zur Wesensbestimmung in einer Definition II komplementiert: • • • •

Richtungsorientierung Zukunftsorientierung Chancenorientierung Werteorientierung.

1.2 Ergebnisse

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Damit wird Steuerstrategie als eine klar abgegrenzte Marke mit zwei Seiten (Definitionen) präsentiert. Kapitel 8 Das klassische Strategieverständnis eignet sich am besten für Steuern. Danach ist Steuerstrategie etwas grundlegend Anderes als Steuerstrukturierung. Steuerstrategie wird als separate eigene Planungsebene isoliert und streng abgegrenzt von der operativen Ebene verstanden. Diese separate Ebene wird unterteilt in vier Planungsbereiche. Im Ergebnis lässt sich Steuerplanung mithilfe betriebswirtschaftlicher Strategie systematisieren. Kapitel 9 Mit den betriebswirtschaftlichen Strategiegrundlagen lässt sich eine Planungskonzeption gewinnen. Zunächst wird der Steuerbereich – bzw. exakter der Steuerplanungsbereich – aus strategischer Sicht modelliert und systematisiert: • als Ausgangsmodell, das Steuerplanung als schlüssigen Leitplan versteht • als eine umfassende Steuer-Konzeption, die den Steuerbereich als ein betriebswirt­ schaftlich geordnetes System zeigt. Hieraus wird eine Definition III gewonnen, wonach Steuerstrategie eine Konzeption des Steuerbereichs von Unternehmen und Unternehmern ist, die umfassend das steuerliche Denken und Handeln nach betriebswirtschaftlich-strategischen Gesichtspunkten ordnet und inhaltlich bestimmt. Sodann wird ein Grundmodell Steuerstrategische Planung entwickelt mit den Bausteinen • • • •

Analyse der Ausgangslage Tax Mission Statement Steuerstrategische Ziele Steuerstrategische Optionen.

Herzstück des Grundmodells sind die Optionen, die in einem steuerstrategischen Grundraster dargestellt werden. Nur selten findet man Steuerstrategie in einer bewussten, streng festgelegten Abfolge in Form des vorgestellten idealtypischen Modells. Tatsächlich ist der Ablauf meist ein „Muddling Through“. Beispielhaft wird ein möglicher Ablauf in der Praxis als „Drama in drei Akten“ dargestellt. Kapitel 10 und 11 Für die entwickelte Steuerstrategische Konzeption gibt es eine Bandbreite von Anwendungsmöglichkeiten:

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1  Management Summary

von der Sensibilisierung für strategisches Denken im Bereich Steuern über die Ausbildung einer steuerstrategischen Haltung bis hin zur Formulierung einer umfassenden Steuerstrategie einschließlich eines entsprechenden Managements. Darüber hinaus hat die Konzeption Ordnungsfunktion a) im Sinne einer Empfehlung für ein geordnetes, sprich konzeptionelles Vorgehen und b) im Sinne einer systematischen Ordnung der Steuerplanung. Letzteres wird am Beispiel Internationaler Steuerplanung gezeigt. Die Ebenen des internationalen steuerlichen Agierens werden mit Hilfe  der Konzeption im Sinne betriebswirtschaftlicher Strategie geordnet und es wird ein System der Internationalen Steuerplanung gewonnen. Kapitel 12 Die vorgestellte Planungskonzeption kann zur Managementkonzeption weiterentwickelt werden. Das bedeutet: Erweiterung der Formulierung der Strategie um deren Implementierung und Steuerung. Diese Weiterentwicklung wird in einem Stufenmodell nach der historischen Entwicklung der Strategielehre dargestellt. In Band I war das noch viel Theorie. Dieses strategische Wissen und diese Theorie bilden die Grundlage, Steuern aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Dieser Ansatz wird konkreter und praxisnäher in Band II entwickelt. Nach den Stufen 1 „Strategie und BWL“ sowie 2 „Strategie und Steuern“ heißt es dann auf Stufe 3 „Steuern plus Strategie gleich Steuerstrategie“.

1.3  Große Linie

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1.3 Große Linie Der Gang der Untersuchung ist in Abb. 1.2 dargestellt. Strategie + BWL 1 was macht betriebswirtschaftliche Stategie aus?

2 wo und wie wird sie bereits angewendet?



wie kann das für Steuern aussehen?

Strategie + Steuern



Einordnung

Funktionalstrategie

Planungsaufgabe

 von der Wortverwendung

von den Wesensmerkmalen

Marke Steuerstrategie Vorderseite

Rückseite



Betriebswirtschaftliches Verständnis - klassisch = bewusst - separate Planungsebene - mit Ausgrenzung Steuerstrukturierung - mit verschiedenen Planungsbereichen - System von Steuerplanung



Abb. 1.2  Große Linie

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1  Management Summary

Strategische Planungskonzeption Strategisches System des Steuerbereichs Ausgangsmodell

Steuer-Konzeption



Grundmodell Steuerstrategie

Analyse Ausgangslage

Tax Mission Statement

Optionen Ziele

Steuerstrategisches Grundraster

Ablauf in der Praxis systematisch

muddling through



Anwendbarkeit Sensibilisierung

Systematisches SteuerstrategieManagement

Beispiel: Systematisierung Internationale Steuerplanung



Weiterentwicklung Managementkonzeption

Planung

Abb. 1.2 (Fortsetzung)

Umsetzung

Kontrolle

Steuerung

1.5  Ergänzende Systematisierungsbemühungen

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1.4 Empfehlungen Vor dem Hintergrund der Ergebnisse kann folgendes stichwortartig empfohlen werden: • die betriebswirtschaftlichen Ordnungs- und Handlungsprinzipien von Strategie verwenden und über steuerjuristisches Denken stellen • eine neue, andere Perspektive einnehmen: –– die standardmäßig kurzfristige Sicht durch ein strategisches Konzept für die Steuern im Rahmen von Unternehmens- und Unternehmerführung ergänzen und –– die rein steuerliche Sicht durch eine betriebswirtschaftliche Gesamtsicht ersetzen. • mehr strategisches Denken und Planen im Steuerbereich.

1.5 Ergänzende Systematisierungsbemühungen Als „Nebenprodukt“ des strategischen Nachdenkens sind einige interessante betriebswirtschaftliche Systematisierungen dargestellt bzw. entwickelt worden, die das Umfeld zeigen, in die Steuerstrategie eingebettet ist. Für folgende Bereiche/Gegenstände wurden Systematisierungen entwickelt, die auch grafisch dargestellt wurden: • betriebswirtschaftliche Unternehmensstrategien Abb. 6.1 System der Corporate Strategy • Aufgaben der steuerlichen BWL Abb. 6.2 Aufgabensystem der steuerlichen Betriebswirtschaft • Steuerbereich Abb. 9.3 System einer Steuer-Konzeption • Steuerstrategische Optionen Abb. 9.10 Das Steuerstrategische Grundraster • Steuerplanung allgemein Abb. 8.10 System von Steuerplanung • Internationale Steuerplanung Abb. 11.1 Systematisierung der Ebenen der Internationalen Steuerplanung • Anwendbarkeit Abb. 10.1 Matrix zur Bestimmung der steuerstrategischen Position • Managementkonzeption Abb. 12.1 Das System von Steuerstrategie

2

Einführung: Gedankliche Linie zu einer Steuerstrategischen Konzeption

Im einleitenden Kapitel geht es darum, die Linie darzustellen, wie eine Steuerstrategische Konzeption gefunden werden kann. Ausgangspunkt ist die wahrnehmbare sog. Bunker­ mentalität im Steuerbereich mit Fokussierung auf Probleme, Risiken, Hindernisse, Hür­ den. Hier soll ein anderer Ansatz verfolgt werden, der Chancen in den Mittelpunkt stellt. Zunächst wird eine Literaturdurchsicht bedeutender Monografien dargestellt, die zeigen soll, dass betriebswirtschaftliche Strategie ein Fremdwort ist und keinen Eingang in Theorie und Praxis gefunden hat. Darauf aufbauend wird mit „einfachen“ Überlegungen, so wie sie auch der Strategieprofessor Henry Mintzberg anstellt, gezeigt, dass Strategie für den Bereich Steuern Sinn macht. Es wird ein Plan erstellt, wie in drei Stufen Strategie und Steuern zusammengebracht werden können. Bevor eine konkrete Steuerstrategie (Band II) für die praktische Anwendung entwickelt wird, gilt es zunächst, eine Steuerstrategische Konzeption als theoretische Grundlage zu entwerfen. Der Weg dahin erfolgt in vier Schrit­ ten, dessen Linie abschließend in einer Übersicht dargestellt wird.

2.1 Ausgangspunkt: Bunkermentalität in deutschen Steuerlanden Der Ausgangspunkt für dieses Buch liegt schon einige Jahre zurück. Es war die Unterneh­ mensteuerreform1 2008 bzw. die fachliterarische Beschäftigung mit dieser. Vier typisch deutsche Trends ließen sich seinerzeit feststellen:

 Wenn von der Unternehmensteuerreform gesprochen wird, so ist damit auch die Reform der Be­ steuerung der Kapitalerträge (Abgeltungsteuer) gemeint. 1

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 H. Keuler, Steuern und Strategie, https://doi.org/10.1007/978-3-8349-3675-2_2

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10

2  Einführung: Gedankliche Linie zu einer Steuerstrategischen Konzeption

1. Überwiegend wurde „gejammert“, Unzufriedenheit gezeigt: • Die Reform verstößt gegen fundamentale Steuerprinzipien (Spengel, 2007, S. 85 ff.) • Die eigentlichen Ziele aus den Augen verloren (Pfnür, 2007, S. 72) • Der Immobilienwirtschaft drohen schwere Nachteile (Goepfert, 2007, S. 70) • Die Mär von der Steuerentlastung durch die Unternehmensteuerreform 2008 (Klein­ eidam & Liebchen, 2007, S. 409) • Die Schlechterstellung des inländischen Portfolioaktionärs (Rädler, 2007, S. 988) • Die Ausnahme: Der Betrieb unkt (Ackermann, 2007, S. I) „Die Unternehmensteu­ erreform 2008: eine Reform für Siegertypen“ • Die Überschrift ist aber mit einem Fragezeichen versehen 2. Die Belastungsberechnungen und Schlussfolgerungen waren so zahlreich wie die Stellungnahmen zur Unternehmensteuerreform. Beispiele: • International tätige Unternehmen mit einer guten Eigenkapitalausstattung und we­ nig Fremdkapital schnitten mit der Senkung des Steuersatzes gut ab (Ackermann, 2007, S. i). • Es zeigt sich, dass nach Inkrafttreten der Reform die Fremdfinanzierung der Eigen­ finanzierung stets überlegen ist (Homburg, 2007a, S. 686). • Gewinner sind mittelständische Kapitalgesellschaften (Spengel, 2007, S. 84). • … Personengesellschaften … – Ihre Belastungen gleichen künftig denen von Kapi­ talgesellschaften (Spengel, 2007, S. 84) • … sind die Personenunternehmen den Kapitalgesellschaften gegenüber weiterhin benachteiligt … (Thiel& Sterner, 2020, S. 1099) • … für Steuerpflichtige mit niedrigem Einkommensteuersatz ist … das Personen­ unternehmen die bessere Rechtsform … (Weber, 2008, S. 4540) 3. Überwiegend gab es eine Betrachtung aus rein steuerlicher Sicht. Die reine steuer­ liche Analyse der Unternehmensteuerreform führt zu unrealistischen und fehlerhaften Interpretationen. Beispielsweise Professor Homburg. Er kommt unter anderem zu fol­ genden Empfehlungen: • Steueroptimierte Kapitalgesellschaften sollten nur über das gesetzlich vor­ geschriebene Eigenkapital verfügen • Einzel- und Personenunternehmen sollten stets den gesamten Gewinn entnehmen (Homburg, 2007a, S. 689). Ein zweites Beispiel ist Weber, der die Auswirkungen der Unternehmensteuerreform 2008 auf die Rechtsformwahl auf umfangreichen 27 Seiten intensiv und eingehend analysiert, aber kein Wort darüber verliert, dass noch andere als steuerliche Aspekte bei der Rechtsformwahl eine Rolle spielen (Weber, 2008, S. 4540). 4. Überwiegend beschäftigte sich die Literatur mit den Problemen, insbesondere in der Anwendung und Interpretation der einzelnen Gesetzesvorschriften. Höhepunkt dieser Kampagne war ein dramatischer Aufruf von 37 Steuerprofessoren zur Abschaffung der Thesaurierungsrücklage (Der Betrieb, 2008, S. 1405 ff.).

2.2 Leitideen

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Der amerikanische Psychologieprofessor Martin Seligmann2 hat diese „Denke“ einmal sehr zutreffend als Bunkermentalität bezeichnet: Der Tagesbefehl lautet, sich auf alles zu konzentrieren, was falsch ist (Seligman, 2002, S. 75). Bezogen auf das Steuerrecht will das heißen: a) Fokussierung auf Problemwälzen engt das Denken ein. b) Rein steuerliche Betrachtungen sind banal. Nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen hat sich die steuerliche Sicht dem betriebswirtschaftlichen Ziel „Erfolg“ unterzuordnen. Mit dem hier vorliegenden Buch wird ein anderer Ansatz verfolgt, welchem die nach­ folgenden Leitideen zugrunde liegen.

2.2 Leitideen 2.2.1 Leitidee 1: Chancen Vorneweg dazu eine kleine Geschichte: Ein großes Passagierschiff gelangte einmal vor den Hafen und wartete auf die Einfahrt in die Flussmündung. Der alte Kapitän begrüßte den Lotsen, einen ganz jungen Mann, der gerade sein Examen bestanden hatte. Etwas besorgt fragte der Kapitän den jungen Lotsen: „Kennen sie denn auch alle Klippen und Gefahren, die Sandbänke und die flachen Stellen im Fluss?“ Der junge Lotse antwortete: „Nein, ich kenne nicht alle gefährlichen Stellen des Flus­ ses, aber ich kenne die Fahrrinne ganz genau, durch die hindurch ich ihr Schiff sicher in den Hafen leiten kann.“ Was hat diese Geschichte mit der Unternehmensteuerreform 2008 zu tun? Die Ge­ schichte kann uns lehren, wie wir mit ihr umgehen können: Nicht zuerst nach Problemen, Risiken und Fallstricken suchen sondern nach den Chancen. In der Geschichte: der gute Weg zum Ziel. Und was hat es nun mit den Chancen auf sich? Was ist damit gemeint? Bevor man also mit steuerrechtlichen Sezierzangen an Detailprobleme herangeht, ist es unseres Erachtens geboten, zunächst die Dinge aus be­ triebswirtschaftlicher Sicht zu betrachten, und zwar mit einer positiven Stimmung: „Positive Stimmung hingegen leitet; wie ein Leuchtfeuer die Seefahrer auf einen anderen Kurs des Denkens, der kreativ, tolerant, konstruktiv, großzügig, nicht defensiv und lateral ist. Diese Denkart richtet sich nicht auf das, was falsch, sondern auf das, was richtig ist.“ (Selig­ man, 2002, S. 75).

Das heißt, es gilt in erster Linie nach den großen Chancen zu suchen, die das Steuerrecht bietet, Chancen im Sinne von Möglichkeiten zur Steigerung des unternehmerischen Erfolgs.

2

 Begründer der Positiven Psychologie.

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2  Einführung: Gedankliche Linie zu einer Steuerstrategischen Konzeption

Betriebswirtschaftlich heißt: Kein rein steuerlicher Fokus sondern ganzheitliche Be­ trachtung aus betriebswirtschaftlicher, rechtlicher und steuerlichen Perspektive. Es geht nicht nur um „Steuern runter“, sondern auch um positive Auswirkungen auf Finanzierung, auf Bilanz, auf die Haftungssituation, auf den steuerlichen Erfolgt und auf das Kapital des Unternehmers etc., immer ausgerichtet an den ökonomischen Zielen des Unternehmens und des Unternehmers. A propos steuerrechtliche Detailprobleme: Der Teufel steckt nicht im Detail sondern Der Teufel ist das Detail! Strategie in diesem Sinne ist die Kunst, sich nicht vom Detail ablenken zu lassen sondern das Ziel im Auge zu behalten und dann aus der Fülle der Details Linien, Trends, Struktu­ ren zu erkennen und zu gestalten.

2.2.2 Leitidee 2: Pro-aktive Gestaltung Das Umweltdatum „Steuerrecht“ (Schneider, 2002, S. VI) sollte nicht diktieren, wo es mit dem Unternehmen hingeht – also nicht re-agieren. Sondern man sollte pro-aktiv gestalten im Rahmen einer Steuerstrategie, die sich an den Zielen des Unternehmens und des Unter­ nehmers  – das ist nicht Steuern sparen  – orientiert. Pro-aktives Denken stellt nicht die Frage „Was ist das Problem?“ sondern: „Was ist die Chance?“, heißt sich von Werten und Zielen leiten zu lassen, neue Möglichkeiten entdecken und Lösungen herbeiführen. Pro-aktive Steuergestaltung stellt ein „Muss“ dar (Jacobs, 2016, S. 887).

2.3 Gedankliche Linie zu einer Steuerstrategischen Konzeption 2.3.1 Strategie im Steuerbereich nicht existent 2.3.1.1 Steuerstrategie in Theorie und Praxis In Stufe 1 „Strategie und BWL“ (Kap. 3 und 4) wird gezeigt, dass sich Strategie als eigen­ ständige betriebswirtschaftliche Disziplin in der BWL etabliert hat. Bisweilen gilt sie als Königsdisziplin der Managementlehre. Sie hat auch Eingang gefunden in alle wesent­ lichen funktionalen Disziplinen der BWL. Vor der „Safari“ durch die eigentliche betriebs­ wirtschaftliche Disziplin Strategie, aber auch durch die Allgemeine BWL und einige spe­ zielle Fachbereiche ist zunächst die spannende Frage, wie sieht es mit Strategie im Steuerbereich aus. Ohne systematische Literaturdurchsicht, aber aus langer Erfahrung und auch aufmerk­ samer Beobachtungen seit einem Dutzend Jahren, wagt der Autor die These:

2.3  Gedankliche Linie zu einer Steuerstrategischen Konzeption

13

Steuern hat Strategie nicht auf dem Plan. Steuerliche Strategiethemen von grundlegender Art, wie in anderen BWL-Disziplinen, insbesondere bewusste, beabsichtigte umfassende Strategie statt Strategieplanung im klas­ sischen Strategieverständnis, ist eigentlich im deutschsprachigen Literaturraum nicht exis­ tent, weder in der Wissenschafts- noch in der Praxisliteratur. Existent sind aber sicher Strategien in der Praxis: So deuten neuere Untersuchungen (Neugebauer et al., 2020, S. 121 f.) darauf hin, dass die Bekämpfung von Gewinnverkürzung und -verlagerung durch die OECD, namentlich bekannt als BEPS-Projekt (base erosion and profit shifting-project) zur Folge hat, dass die „aggressivsten Steuerplanungsstrategien“ multinationaler Unternehmen beendet werden, andererseits aber wieder in der Folge „nationale Gestaltungsstrategien in den Fokus rü­ cken“, (Neugebauer et al., 2020, S. 121 f.) insbesondere die interkommunale Gewinnver­ lagerung von Konzernen in Gewerbesteueroasen durch Aufteilung von Unternehmen in gewinnschwache und gewinnstarke Unternehmenseinheiten. Der Begriff Steuerstrategie wird im übrigen oft missbraucht für kurzfristige reißerische Steuerthemen, die eigentlich nichts mit ernstlicher betriebswirtschaftlicher Strategie zu tun haben.

2.3.1.2 Quod esset demonstrandum: Strategie ein Fremdwort in der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre An dieser Stelle wird die behauptete mangelnde bewusste und grundlegende Beschäftigung mit Strategien kursorisch überprüft, und zwar mittels einfacher Suche des Begriffs Steuer­ strategie in Inhalts- und Stichwortverzeichnissen einschließlich der Suche nach Ersatz­ begriffen, hinter denen Strategisches stecken könnte. Willkürlich und pragmatisch wurden einige vom Autor für bedeutend gehaltene Werke ausgewählt, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Systematik erheben. Die folgenden Werke wurden durchgesehen: • • • • • • • • • • • • • •

Kußmaul, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung Beck’sches Handbuch der Kapitalgesellschaften Beck’sches Handbuch der Personengesellschaften Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform Fischer, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung Kessler et al. Konzernsteuerrecht Lüdicke, Sistermann, Unternehmensteuerrecht Schneeloch, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre Rose, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre Wöhe/Bieg, Betriebswirtschaftliche Steuerlehre Scheffler, Steuerplanung Kessler et al., Rechtsformwahl/-optimierung.

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2  Einführung: Gedankliche Linie zu einer Steuerstrategischen Konzeption

Diese Durchsicht bestätigt erstmal die Einschätzung aus den langjährigen Erfahrungen des Autors: Es gibt keine bewusste, grundlegende Beschäftigung mit betriebswirtschaftlicher Stra­ tegie im Steuerbereich. In den meisten vorgenannten Werken nimmt die Darstellung mit­ hilfe steuerjuristischer Methoden und Erkenntnisse einen sehr breiten Raum ein (Tipke, K., & Lang, J. 2000, S. 9). Zukunftsorientierung auf Basis spezifischer betriebswirtschaft­ licher Methoden und Erkenntnisse  – hier aus dem Bereich der betriebswirtschaftlichen Strategie – gehört nicht zum „Mainstream“ in den Werken.

2.3.1.3 Strategie und Steuern – ein gewagter Versuch Strategie scheint im Steuerbereich ein Fremdwort zu sein, ist dort noch nicht wirklich angekommen: • • • •

keine explizite Definition keine Einordnung keine konzeptionellen Grundlagen keine eigenständige strategische Planungsebene.

In neuerer Zeit gibt es in der betriebswirtschaftlichen Literatur zwar einige deskriptive Arbeiten zu steuerstrategischen „Praktiken“, aber keine präskriptiven Ansätze von Steuer­ strategie, die den Weg weisen zu systematischer Beschäftigung und Ideen liefern für die Praxis. Die „BWL-Bibel“ Wöhe, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, sieht erst nach über 50 Jahren betriebswirtschaftlicher Strategieforschung die Zeit gekommen, strategische Pla­ nung in den Fokus von Unternehmensführung zu stellen (Wöhe, 2020, S. VI). Da mag es nicht verwundern, dass Strategie im Sinne einer bewussten ökonomischen Strategie­ planung im Steuerbereich noch nicht wirklich Einzug gehalten hat; Strategie ist ein selten gesehener Gast in der betriebswirtschaftlichen Steuerliteratur. Vielleicht ist die Zeit noch nicht reif im deutschsprachigen Raum. Nichtsdestotrotz wagt der Autor den Versuch betriebswirtschaftliche Strategie mit Steuern zusammenzubringen: Strategie und Steuern – ein gewagter Versuch.

2.3.2 Warum Strategie für Steuern? 2.3.2.1 Vorbemerkungen Bevor grundlegende betriebswirtschaftlich-konzeptionelle Überlegungen zur Bestimmung und Ausgestaltung von Strategie im Bereich Steuern angestellt werden, wird mit „ein­ fachen“ Überlegungen eine Antwort auf die grundsätzliche Frage gesucht: Macht Strategie in herausgehobener Form – durch Abgrenzung, Separierung, Heraus­ hebung – nicht nur für Management, Marketing etc. sondern auch für Steuern Sinn, ins­

2.3  Gedankliche Linie zu einer Steuerstrategischen Konzeption

15

besondere mit der Einbindung in eine geschlossene SteuerKonzeption und dem Entwurf eines sachinhaltlichen Konzepts?

2.3.2.2 Strategisches Sehen mit Beispielen aus dem Alltag Statt einer fachlichen Argumentation werden Situationen aus dem „wirklichen“ Leben zur Veranschaulichung vorweggeschickt: Erstes Beispiel Der Autor ist leidenschaftlicher Mountainbiker – unter anderem ein wunderbarer Ausgleich zum Stress an der Steuerfront. Es kommt oft vor, dass er mit bis zu 40 km/h bergab im Wald über „Stock und Stein fliegt“. Da gibt es Wurzeln, Felsbrocken, Bäume, unverhoffte Ver­ tiefungen. Man möge sich vorstellen, was passiert, wenn sich der Blick bei einem solchen „Ritt über die Piste“ lediglich auf die nächsten 2 bis 5 m konzentrieren würde. Zweites Beispiel Oder noch ein kleiner Test: Man stelle sich vor, dass man mit dem Auto auf einer kurvenreichen, löchrigen und abschüssigen Strecke in den Bergen unterwegs sind. Der Fahrer ist ermüdet und möchte, dass der Beifahrer fährt. Der ist aber kurzsichtig und hat die Brille fürs Auto für weite Sicht vergessen. Ohne Brille kann der die Straße und Umwelt bis zu einer Entfernung von maximal 10 Metern sehen. Gretchenfrage: Sollte der Beifahrer das Steuer übernehmen? Drittes Beispiel Bei einer Rundwanderung führen quasi zwei Wege zum Ziel: einmal mit, einmal gegen den Uhrzeigersinn. Die Empfehlung am Wanderportal ist die Richtung im Uhrzeigersinn. Diese Alternative geht am kühlen Morgen durch den Wald und die zweite Weghälfte liegt dann am späten Vormittag voll in der Sonne. Gegen die empfohlene Richtung zu gehen, heißt am frühen Morgen, wenn es noch kühl ist, in der Sonne zu laufen und dann, wenn es warm wird, im kühlen Waldabschnitt zu laufen, wo man nicht die Hitze so spürt. Ohne über die Richtung nachzudenken, wäre der Weg an einem sonnigen, heißen Tag wesentlich anstrengender. Da ist es durchaus sinnvoll, über die richtige Richtung bzw. die richtige Strategie ­nachzudenken. Was lehren die Beispiele? Mintzberg bezeichnet strategisches Denken als eine Art des Sehens (Mintzberg et  al., 2004, S. 151 ff.) Das bedeutet vor allem erstmal nach vorn zu blicken und zwar den Blick weit nach vorn zu öffnen. Würde der Weg im ersten Beispiel eingeengt durch Sträucher und wäre er kurvig, so wird der weite Blick verstellt. Da ist es sinnvoll, wenn man sich vorher einen Überblick verschafft hat. Das Überblicken führt auch bei dem dritten Bei­

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2  Einführung: Gedankliche Linie zu einer Steuerstrategischen Konzeption

spiel zum strategischen Erfolg der richtigen Richtung. Und wenn es beim „Mountainbike-­ Ride“ steil, rutschig, abschüssig wird, da kommt es allerdings auf jeden Zentimeter an. Da muss der Blick aber auch nach unten gehen, zumindest für kurze Zeit. Und wenn ein Weg kreuzt, dann muss zur Seite geblickt werden. Im dritten Beispiel ist das Sehen insbesondere das Überblicken des ganzen Weges auf einer Karte. Oder um mit einer Metapher zu sprechen: Den Wald sehen, nicht die Bäume. Da geht es um die große Richtung, auch häufig be­ zeichnet mit Stoßrichtung. Zu einem Ziel gibt es häufig verschiedene Wege, d. h. das Haupt­ ziel ist identisch, aber in der Erreichung der Nebenziele unterscheiden sie sich gravierend. In einem Fall ist der Weg mühsam und anstrengend, kostet mehr Kraft als der Weg, der bei Hitze durch Schatten führt. Der Vergleich der beiden Wege zeigt, dass mit dem „anormalen“ Weg in umgekehrter Richtung weniger Kraft verbraucht wird. Kraft ist eine knappe Res­ source und mit der wird im zweiten Fall sorgsamer umgegangen. Das ist ein grundlegendes Prinzip, was auch betriebswirtschaftlich gilt (Wöhe, 2020, S. VI). Der Vergleich der beiden Wegalternativen zeigt, dass man mit dem zweiten auch das Nebenziel „möglichst wenig Hitze“ erreichen oder gar Kräfte sparen kann für die nächste Wanderung. Der umgekehrte Weg ist in diesem Fall effizienter als der normale Weg, der vielleicht mehr Dramatik bietet. Die Beispiele lehren, dass strategisches Denken durchaus was mit „sehen“ zu tun hat: • weit nach vorne schauen, weit zur Seite schauen, am besten vorher Überblick ver­ schaffen – überblicken • nicht nur bis zur „nächsten Ecke“ denken, sondern vorausdenken im Sinne eines be­ wussten, mittel- bis langfristig angelegten Denkens und • entsprechend der Leitgedanken sind das aber weniger die Schlaglöcher, der abschüssige Hang, sondern die Spur der Strategie ist der Weg. In diesem Sinne ist Strategie die Kunst, nur das Gute zu sehen und alles beiseite zu lassen, was uns nicht zum Ziel führt.3 Und typisch ist oft, dass es mehrere Wege zum Ziel gibt und da spielen die Erreichung der Nebenziele eine Rolle und weisen in die richtige Richtung.

2.3.2.3 Strategie und Steuern: ein Widerspruch? Ist Strategie im Steuerbereich überhaupt möglich? Angesichts der vielen ständigen Änderungen in der Steuergesetzgebung, -recht­ sprechung und -verwaltungspraxis ist dies sicher eine berechtigte Frage. Häufig hört man Bedenken: Wie kann ich mich steuerlich langfristig orientieren, wenn sich die steuerlichen Bedingungen täglich ändern? Auf den ersten Blick ist man geneigt, die Eingangsfrage zu verneinen. Die heute aufgestellte Strategie könnte ja durch grundlegende Änderungen der Steuerparameter morgen schon wieder hinfällig sein. So ist das Denken im Steuersektor 3

 Es handelt sich um ein abgewandeltes Zitat von Johannes XXIII. (Papst von 1958–1963).

2.3  Gedankliche Linie zu einer Steuerstrategischen Konzeption

17

denn häufig einseitig beherrscht vom Tagesgeschäft, von Einzelfällen, von Anwendungs­ problemen, von reaktiv-kurzfristigen und taktischen Maßnahmen. Da geht der Blick für Steuerplanung schnell verloren. Besonders im Steuerbereich gilt deshalb das Grahamsche Planungsgesetz: „Operativ dringende, aber für die Zukunftssicherung unwichtige Fragen verdrängen strate­ gisch wichtige, aber nicht dringende Entscheidungen.“ (Hopfenbeck, 2002, S. 555).

2.3.2.4 Strategisches Denken im Steuerbereich als Antwort Die permanenten Änderungen in den letzten 20–25 Jahren haben zu einer exponentiellen Verkomplizierung des Steuerrechts als Rahmenbedingung des steuerlichen Handelns geführt: a) im Vorwort der 20. Auflage des Tipke/Lang lesen wir im September 2009 vom „immer dichter werdenden Dschungel des Steuerrechts“ (Tipke & Lang, 2010, S. VII); b) im Vorwort zur 23. Auflage heißt es (Tipke & Lang, 2018, S. VII): „Die Regelung zur Steuerbegünstigung von Unternehmensvermögen der §§ 13a–13c ErbStG ist leider ein (weiterer) gesetzgeberischer Tiefpunkt. Die Komplexität und undurchsichtige Interdependenz der Normenbestandteile hat einen Grad erreicht („Hyperlexie“), der selbst vom fachkundigen Rechtsanwender nicht mehr be­ herrschbar ist.“

Aus steuerjuristischer Sicht sind es die Prinzipien und die Systematik, den Weg durch das Dickicht des Dschungels zu bahnen. Steuerökonomisch kann eine Antwort auf die sprunghafte Zunahme der steuerlichen Unsicherheiten, Ungewissheiten und Risiken vielleicht steuerstrategisches Denken sein. Das heißt vom rein steuerlichen Klein-Klein-Denken wegzukommen hin zu Themen mit langfristigem, konzeptionellem und gestaltendem Charakter, wie z. B.: • Wo sind die langfristigen großen Steuerchancen? • Was gibt es für nachhaltige Steueroptimierungsmodelle und wie steht es um die prakti­ sche Anwendbarkeit? • Welchen Einfluss und welche Bedeutung haben die Steuern auf die Finanzierung von Unternehmen? Die standardmäßig kurzfristige Sicht sollte vielleicht durch eine strategische Konzeption für die Steuern im Rahmen von Unternehmens- und Unternehmerführung ergänzt werden und die rein steuerliche Sicht sollte vielleicht durch eine betriebswirtschaftliche Gesamt­ sicht ersetzt werden. Das könnte man in folgender Kurzformel zusammenfassen:

18

2  Einführung: Gedankliche Linie zu einer Steuerstrategischen Konzeption

Mehr Panorama, weniger Zoom! Die Steuerumwelt ist geprägt von vielen komplexen teils hyperlexischen Steuergeset­ zen mit Richtlinien, Verordnungen, Anweisungen und einem übermächtigen sehr gut auf­ gestellten Stakeholder („Gegner“) Finanzverwaltung, der die Steuergesetze mehr im Sinne der fiskalischen Interessen des Staates auslegt, denn um Steuergerechtigkeit bemüht ist. Der Steuerbereich gleicht einem Dschungel, einem undurchdringlichen Paragraphen-­ Dickicht, mit vielen „wilden Tieren“ und vielen Fallen. Strategie kann helfen die „Steuer­ schätze“ im Dschungel (= Steuerumwelt) zu finden. Steuerstrategie heißt, sich nicht in den Dschungel des Steuerrechts zu verirren, vielleicht sogar: erst gar nicht hineingehen sondern umgehen. Steuerstrategie kann eine Orientierung im Steuerdschungel mit seinen v­ ielen Fallen und „bösen“ Feinden geben, soll aber weniger aber den Weg in verrufene Steueroasen weisen.

2.3.3 Strategie und Steuern zusammenbringen: Die 3 Stufen zur Entwicklung von Steuerstrategie Wenn denn Strategie für Steuern bzw. steuerstrategisches Denken Sinn macht, dann könnte ein erster Schritt sein, die betriebswirtschaftlichen Grundlagen, die im Teil „Strategie und BWL“ (Kap. 3 und 4) dargelegt werden, für den Steuerbereich zu nutzen, Strategie und Steuern zusammenzubringen durch Adaptionen und Festlegungen und daraus in einem weiteren Schritt ein inhaltliches Konzept von Steuerstrategie zu konstruieren. Die stufen­ weise Entwicklung von Steuerstrategie ist in Abb. 2.1 dargestellt. Dabei kann die Aufgabenstellung von Strategie und Steuern wie folgt beschrie­ ben werden: • betriebswirtschaftliche Strategie im querfunktionalen Unternehmensbereich Steuern etablieren • als strategische Planungsaufgabe und separate Planungsebene von Unternehmen und Unternehmern zu begreifen • Steuern als eine von vielen Kostenarten zu verstehen und wie andere Kosten zu managen: • Steuern steuern • steuerliche Ziele als Teil eines umfassenden strategischen Zielsystems zu begreifen: • Nicht mit Steuern steuern. Im Ergebnis sollte die Beschäftigung mit dem Thema Strategie und Steuern zu einem Konzept für Steuerstrategien in der Praxis führen:

Steuern und Strategie = Steuerstrategie

Dieses Gedankensystem (Mintzberg et al., 2004, S. 106) als theoretischer Unterbau in der Fassung einer formalen, idealtypischen Konzeption erscheint durchaus sinnvoll. Im Vordergrund der Entwicklung sollte nicht steuerjuristische Problemdiskussion sondern

2.3  Gedankliche Linie zu einer Steuerstrategischen Konzeption

19

Wo ist das zu finden?

Stufe 1

Strategie + BWL Strategie  in BWL etabliert

Kapitel 3–5

 Stufe 2

Strategie + Steuern Strategie  mit Steuern zusammenbringen

Kapitel 6–13

 Stufe 3

Steuern + Strategie  Steuerstrategie entwickeln

Band II

Abb. 2.1  Die Stufen zur Entwicklung von Steuerstrategie

betriebswirtschaftliche Chancensuche stehen. Eine solche theoretische Konzeption kann dann Ideen liefern für die Steuerpraxis (Mintzberg et al., 2004, S. 343).

2.3.4 Der Weg zu einer Steuerstrategischen Konzeption Strategisches Denken sucht man in offen-bewusster, geplanter, ökonomisch geprägter Form relativ selten bzw. man findet das Thema in Standardwerken der betriebswirtschaft­ lichen Steuerlehre (so z. B. Kußmaul, 2020, Abschn. 1.2) so gut wie gar nicht. Sicher gibt es das in Literatur wie Praxis in der ein oder anderen Form, etwa die Untersuchung von Neugebauer et al. zu „Gewerbesteueroptimierungsstrategien“ von DAX-Konzernen (Neu­ gebauer et al., 2020, S. 121), die auch als nationale Steueroptimierungsstrategie für die hier eher im Fokus stehenden mittelständischen Unternehmen in Frage kommen. Öko­ nomisch geprägte Steuerstrategie findet sich eher verdeckt, unbewusst, unbeabsichtigt, nicht systematisch. Betriebswirtschaftliche Strategie hat im Steuerbereich eigentlich keine Befürworter. Und so verwundert es auch nicht, dass die Ergebnisse der betriebswirtschaft­ lichen Strategieforschung keinen Eingang im Steuerbereich als Grundlage steueröko­ nomischer Strategie gefunden haben. Im Bereich der Steuerplanung von Unternehmen als

20

2  Einführung: Gedankliche Linie zu einer Steuerstrategischen Konzeption

zweite Aufgabenebene der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre4 wird keine separate Ebene „Strategische Planung, Entscheidung und Handlung“ gesehen. Vor diesem Hintergrund wird hier der „gewagte Versuch“ unternommen, eine bewusst-­ systematische Konzeption einer Ebene Strategie im Bereich Steuern einzuziehen, zu ent­ wickeln, in Abgrenzung • einerseits zu einer Ebene der Steuerstrukturierung mit dem Aufbau von Strukturen als langfristige Umsetzung und • andererseits zu einer Ebene des operativen Steuerbusinesses als kurzfristige Umsetzung. Ohne ein Gedankensystem als Grundlage lässt sich Steuerstrategie in Literatur und Praxis nicht fassen und entwickeln. Der weitere Weg zu einer Steuerstrategie lässt sich wie folgt skizzieren: 1. Zunächst werden Steuern und Strategie in den betriebswirtschaftlichen Kontext ein­ geordnet (Kap. 6). 2. „Es entspricht der Natur des Menschen, für jeden Begriff eine Definition zu suchen“ (Mintzberg et al., 2004, S. 343), sagt Henry Mintzberg. So wird als nächstes Begriff und Wesen von Steuerstrategie festgelegt und auf dieser Basis quasi eine „Marke“ Steuerstrategie entwickelt. Das ergibt die Definitionen I und II von Steuerstrategie im engeren Sinne (Kap. 7). Mittels eines konzeptionellen Ansatzes gelangt man zu einer Definition III von Steuerstrategie im weiteren Sinne in der Form eines einfachen Ge­ dankenmodells (Kap. 9 Abschn. 9.1.4). 3. Im dritten Schritt werden die betriebswirtschaftlichen Grundlagen aus der Strategie­ lehre adaptiert, Festlegungen getroffen, Abgrenzungen vorgenommen und so das grundlegende betriebswirtschaftliche Verständnis von Steuerstrategie bestimmt. 4. Schließlich wird eine betriebswirtschaftliche Konzeption dargestellt und abgegrenzt. Basis dafür sind die betriebswirtschaftlichen Strategiekenntnisse, die im Teil „Strategie und BWL“ dargelegt werden. Diese Erkenntnisse gilt es zu adaptieren und für den Be­ reich Steuern nutzbar zu machen. Natürlich reicht die bloße inhaltliche Formulierung, der Strategy Content, nicht aus. Viel­ mehr muss zur Planung die Umsetzung in Strukturen und operative Steuermaßnahmen im Rahmen eines Strategieprozesses hinzutreten. Die Ebene Steuerstrategie steht nicht iso­ liert da, sondern ist im Kontext zu den angrenzenden Ebenen bzw. im Strategieprozess als eine konzeptionelle Kette zu sehen. Aber zur Herausarbeitung des Kerns von Steuerstrategie ist die Ebene im ersten Schritt abzugrenzen und zu isolieren. Es werden strategische Überlegungen im Steuerbereich ein­ geführt und Strategie als ein eigenes von operativen Aktivitäten abzugrenzendes Ent­ scheidungsfeld entwickelt werden:  siehe Kap. 6 Abschn. 6.2 „Steuerstrategie im Aufgabensystem der steuerlichen BWL“.

4

2.3  Gedankliche Linie zu einer Steuerstrategischen Konzeption

21

• aus steuerökonomischer Sicht • nicht aus steuerjuristischer Sicht • mit Festlegung des Umfangs durch Abgrenzung. Das Planen auf struktureller und kurzfristiger Ebene ist fundamental steuerjuristisch ge­ prägt, während beim strategischen Planen steuerökonomische Überlegungen die Ober­ hand haben. Wertvolles Know-how der betriebswirtschaftlichen Strategieforschung wird durch Adap­ tionen in den Steuerbereich transformiert, es wird das grundlegende betriebswirtschaftliche Verständnis herausgearbeitet. Darauf aufbauend wird ein Grundmodell von Steuer­ strategie entwickelt und anschließend in den Kontext von betriebswirtschaftlichem Management gestellt. Dieser Weg zu einer Steuerstrategischen Konzeption ist im Über­ blick in Abb. 2.2 nachgezeichnet. Schritt

1

Kapitel

Einordnung – Steuern – Steuerstrategie

3

 2

Definition

4

 3

Betriebswirtschaftliche Grundlagen adaptieren

5

 4

Konzeption entwickeln

Abb. 2.2  Der Weg zu einer Steuerstrategischen Konzeption

6

22

2  Einführung: Gedankliche Linie zu einer Steuerstrategischen Konzeption

In der betriebswirtschaftlichen Strategie spielen Steuern bisher auch keine be­ sondere Rolle: Strategie hat Steuern nicht auf dem Plan. So kann es auch Ziel sein, Steuern im Bereich der Strategie zu positionieren.

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3

Strategie in der betriebswirtschaftlichen Literatur

In Kap.  3 wird exemplarisch in vier Standardwerken der BWL und in den Spezialdisziplinen Management, Controlling und Marketing gesichtet, inwieweit Strategie dort adaptiert wurde. Im Einzelnen wird anhand der Standardwerke gezeigt, wie dort das Thema Strategie bzw. strategisches Management präsentiert wird, und man bekommt einen ersten Eindruck von der noch recht jungen Disziplin Ökonomische Strategie. Während bei Steuern eigentlich nichts gefunden wurde, wird dargestellt, dass dem Strategiethema in den gesichteten BWL-Disziplinen ein beachtlicher Platz eingeräumt wird.

3.1 Strategie in der Allgemeinen BWL Sowohl die Allgemeine BWL als auch die Spezielle BWL beschäftigen sich seit den 60er-Jahren mit Strategie von Unternehmen. Insbesondere auch die Marketing-Literatur hat in der Folge strategische Aspekte aufgegriffen (Becker, 2019, S. 139). Ökonomische Strategie ist eine eher junge Disziplin der BWL, inzwischen aber in der betriebswirtschaftlichen Wissenschaft und Praxis viel beachtet und bedeutsam und es wird anerkannt, dass Strategie in den heutigen stürmischen Zeiten notwendig, manchmal gar überlebensnotwendig ist. Wenn man Standardwerke zur allgemeinen BWL durchforstet, so wird dem Strategiethema ein beachtlicher Platz eingeräumt. An vier Beispielen sei dargestellt, wo Strategie verortet ist: 1. Thommen et al., Allgemeine Betriebswirtschaftslehre (Thommen et al., 2017) In diesem Werk ist Strategie im Bereich Management zu finden. Dort unter dem Punkt Strategisches Management mit folgenden fünf Bereichen:

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 H. Keuler, Steuern und Strategie, https://doi.org/10.1007/978-3-8349-3675-2_3

25

26

3  Strategie in der betriebswirtschaftlichen Literatur

1 . Ziele und Aufgaben des strategischen Managements 2. Analyse der Ausgangslage 3. Unternehmensleitbild und Corporate Governance 4. Unternehmensstrategien 5. Strategische Erfolgsfaktoren. Dabei werden unter Strategischem Management sämtliche Entscheidungen verstanden, die das Verhalten des Unternehmens langfristig bestimmen. Charakteristische Merkmale von strategischen Entscheidungen sind: • • • • • • •

originäre, nicht abgeleitete Entscheidungen haben Charakter von Rahmenbedingungen fallen in den Aufgabenbereich der obersten Stufe der Unternehmensführung sind allgemein formuliert, beziehen sich auf das Unternehmen als Ganzes sind nicht operational, d. h. unmittelbar in ausführende Handlungen umzu-setzen sind langfristiger Natur sind ausgerichtet auf Kernkompetenzen des Unternehmens, die es befähigen im Vergleich zur Konkurrenz überdurchschnittliche Ergebnisse zu erzielen (strategische Erfolgspositionen).

Strategisches Management, verstanden als Problemlösungsprozess, hat folgende vier Elemente (Thommen et al., 2017, S. 523 ff.): 1. Analyse • Unternehmen (Stärken – Schwächen) und • Umwelt (Chancen – Risiken) 2. Unternehmensleitbild 3. Unternehmensziele 4. Unternehmensstrategien Dabei wird Unternehmensstrategie im engeren Sinne als die grundlegende Ausrichtung des Unternehmens verstanden. Der strategische Prozess umfasst neben der vorgenannten inhaltlichen Festlegung (Strategie im engeren Sinne) noch als weitere Schritte die • Strategische Implementierung • Strategische Überprüfung. 2. Albach, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre (Albach, 2000) In diesem Buch von Albach, der seine Gliederung zum Großteil an den Positionen der Gewinn- und Verlustrechnung orientiert, findet sich das Thema Strategie unter der Posi-

3.1  Strategie in der Allgemeinen BWL

27

tion Zukunftsaufwand. Es handelt sich nach Auffassung des Autors um Aktivitäten, mit denen die Zukunft des Unternehmens gesichert werden kann und die in einem strategischen Plan niedergelegt werden sollen. Strategische Planung wird insbesondere vor dem Hintergrund von strukturellen Änderungen in der Wirtschaft gesehen (Albach, 2000, S. 328): „Langfristig ist nur sicher, dass sich alles ändert.“ (Albach, 2000, S. 332). Ihre Grundprinzipien sind (Albach, 2000, S. 327): • • • •

Gedanken über zukünftige Entwicklung der Unternehmung ordnen Diskussion versachlichen Einigung auf Ziele ermöglichen Entscheidung über Maßnahmen vorbereiten.

3. Hopfenbeck, Allgemeine Betriebswirtschafts- und Managementlehre (Hopfenbeck, 2002) In diesem Werk findet sich die strategische Unternehmensführung als umfangreicher 5. Teil (Hopfenbeck, 2002, S. 553–757) in Abgrenzung zum operativen Führungssystem: • Die strategische Planung steckt den grundsätzlichen Orientierungsrahmen für zentrale Unternehmensentscheidungen ab. • „Die operative Planung stellt darauf ab, eine unter Berücksichtigung der strategischen Ziele konkrete Orientierung für das tägliche Handeln zu gewinnen.“ (Hopfenbeck, 2002, S. 567 mit Hinweis auf Steinmann & Schreyögg, 1999, S. 147). Strategische Planung soll die drei folgenden Grundfragen beantworten (Hopfenbeck, 2002, S. 571): • Tun wir die richtigen Dinge? („Effektivität“) • Tun wir die Dinge richtig? („Effizienz“) • Wie verändern wir die Dinge? Im Vordergrund der strategischen Planung steht das Auffinden von zukünftigen Erfolgsträgern (Produkten und/oder Dienstleistung), das sogenannte Erfolgspotential. Die Erhaltung von bestehenden und die Schaffung von neuen Erfolgspotentialen steht im Zentrum strategischer Planung bzw. Führung. Während bei strategischer Führung das Erfolgspotential die Steuerungsgröße ist, ist das operative Management auf die direkte Erfolgserzielung unter Wahrung der Liquidität ausgerichtet. Operative Steuerungsgrößen sind Erfolg und Liquidität.

28

3  Strategie in der betriebswirtschaftlichen Literatur

Strategisches Denken ist die Antwort auf die dynamische Entwicklung von Unsicherheiten im Umfeld des Unternehmens und damit sollen insbesondere die folgenden Herausforderungen angenommen werden: • • • • • •

langfristige Entwicklung frühzeitig identifizieren Chancen erkennen und nutzen Risiken erkennen und abwehren Fähigkeit zur Anpassung an Veränderungen erhöhen kurzfristige Sicht durch eine strategische Sicht ersetzen; dabei ist strategisch nicht mit langfristig gleichzusetzen: „Strategische Entscheidungen können einen überaus kurzfristigen Horizont haben, ohne auch nur im mindesten den Charakter eines operativen Plans anzunehmen. Man denke nur an den Erwerb einer Unternehmensbeteiligung, die überraschend angeboten wurde, oder an die dramatische Umsteuerung von Ressourcen (Turn around), um eine aufgetretene Krise zu bewältigen.“ (Steinmann & Schreyögg, 1999, S. 147).

4. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre (Wöhe, 2020) Im Wöhe finden wir Strategie im Kapitel Unternehmensführung, Abschnitt Planung und Entscheidung. In der aktuellen Auflage wird strategische Planung mit Blick auf die Corona-­Krise in den Mittelpunkt planerischer Überlegungen gestellt (Wöhe, 2020, S. V). Strategische Planung ist neben operativer, taktischer und Grundsatzplanung eine von vier Kategorien. Die Abgrenzung zu den anderen Kategorien orientiert sich vor allem am Planungszeitraum. In Abb.  3.1 sind die verschiedenen Kategorien von Unternehmensplanung aufgeführt.

Art der Planung

Bezeichnung

Zeithorizont

Grundsatz

zeitlich unbegrenzte Planung

gilt immer

strategisch

langfristige Planung

6-10 Jahre

taktisch

mittelfristige Planung

2-5 Jahre

operativ

kurzfristige Planung

bis 1 Jahr

Abb. 3.1  Arten von Unternehmensplanung

3.1  Strategie in der Allgemeinen BWL

29

Unter Grundsatzplanung wird verstanden: • die Entwicklung einer Unternehmensphilosophie bzw. eines Unternehmensleitbildes und zum anderen • die Planung der konstitutiven Elemente eines Betriebes (Thommen et  al., 2017, S. 21 ff.) wie –– Branche –– Größe –– technische Struktur –– ökonomische Struktur –– rechtliche Struktur –– Standort. Mit Strategie wird ein grob strukturierter Rahmenplan bezeichnet, der Vorgabecharakter für taktische und operative Planung hat. Dabei orientiert er sich am unternehmerischen Oberziel langfristige Gewinnmaximierung. Im Unterschied zu taktischer und operativer Planung arbeitet die Strategie nicht mit quantitativen Größen, sondern wegen des langen Planungszeitraumes mit qualitativen Größen in Form von Chancen und Risiken bzw. Stärken und Schwächen: „Die strategische Planung rechnet … mit – fast möchte man sagen – nebulösen Erfolgsbeiträgen, die man als Erfolgspotential bezeichnet.“ (Wöhe, 2020, S.  80) Strategische Analyse hat die Aufgabe, die Erfolgspotentiale langfristiger Projekte mit qualitativen Bewertungsmaßstäben zu prognostizieren (Wöhe, 2020, S. 81). Abb. 3.2 stellt diesen spezifischen Aspekt der strategischen Planung dar.

Strategische Analyse

Unternehmensanalyse

Umweltanalyse

Perspektive

Ressourcenorientierung

Marktumfeldorientierung

Beurteilungsmaßstab

Stärken und Schwächen

Chancen und Risiken

• • • •

Marktstruktur • Kundenwünsche • Lieferanten • Konkurrenten • Rahmenbedingungen – gesetzliche (z. B. Steuern) – gesellschaftliche

Teilaspekte

eigene Kernkompetenzen Unternehmensengpässe vorhandene Potenziale Entwicklungspotenziale des eigenen Unternehmens

Abb. 3.2  Gegenstände strategischer Analyse

30

3  Strategie in der betriebswirtschaftlichen Literatur

Im Hinblick auf die Corona-Krise hat Strategie auch Krisen mit einem Konzept (Plan B) vorzubeugen. Als bestes Mittel zur Krisenpräventation wird ein starkes Eigenkapitalpolster angesehen, das in der Lage ist, krisenbedingte Verluste aufzufangen (Wöhe, 2020, S. 87). Ein interessanter Ansatz, der aber auch dann eine strategische Größe darstellt, die durchaus auch quantifizierbar ist und die – wie später ausgeführt wird – eng mit der Steuerbelastung von Unternehmen und Unternehmern zusammenhängt.

3.2 Strategie in der Managementlehre Exemplarisch wird das Lehrbuch Steinmann/Schreyögg/Koch, Management (Steinmann et al., 2013) herausgegriffen. Die folgenden Managementfunktionen werden unterschieden (Steinmann et  al., 2013, S. 10): 1. 2. 3. 4. 5.

Planung (planning) Organisation (organizing) Personaleinsatz (staffing) Führung (directing) Kontrolle (controlling).

Strategie ist im Bereich der Planung angesiedelt. Unterschieden werden • strategische Planung und • operative Planung als Planungsaufgaben des Managements. Dazu gehört strategische Kontrolle, die die strategische Planung fortlaufend begleitet. Strategie bzw. strategisches Management ist heute in der Betriebswirtschaftslehre ein allgemein akzeptierter Bestandteil von Unternehmensmanagement. Manche Autoren sagen, dass es eine eigene akademische Disziplin neben Marketing, Finanzierung etc. sei (Mintzberg et  al., 2004, S.  33). Vielfach wird sie als die Königsdisziplin der BWL gerühmt: Strategische Planung ist eine wesentliche Aufgabe der Unternehmensleitung, die von einer Aura des besonderen, des für den Unternehmenserfolg essentiell umgeben ist (Weber & Schäffer, 2020, S. 395). In jedem Fall wird Strategie als eigenständige Planungsebene anerkannt. Angesichts der heutigen Komplexität und Dynamik der Wirtschaft ist es in der BWL eine unbestrittene Notwendigkeit, durch strategische Planung eine Handlungsorientierung

3.3  Strategie im Controlling

31

zu gewinnen. „Die allgemeine Handlungsorientierung soll dem Ideal nach aus den grundsätzlichen Unternehmenszielen (Vision) und dem strategischen Programm fließen.“ (Steinmann et al., 2013, S. 155). Sie gibt einen grundsätzlichen Orientierungsrahmen für „schwergewichtige“ Unternehmensentscheidungen. In Abgrenzung zu strategischer Planung „stellt die operative Planung darauf ab, eine unter Berücksichtigung der strategischen Ziele konkrete Orientierung für das tagtägliche Handeln zu gewinnen“ (Steinmann et al., 2013). Strategisch sollte allerdings nicht mit langfristig gleichgesetzt werden: „Strategische Pläne können einen überaus kurzfristigen Horizont haben, ohne auch nur im mindesten den Charakter eines operativen Plans anzunehmen. Man denke nur an den Erwerb einer Unternehmensbeteiligung, die überraschend angeboten wurde, oder an dramatische Umsteuerung von Ressourcen (Turn around), um eine aufgetretene Krise zu bewältigen. Es ist deshalb im Hinblick auf die hier interessierende Handlungsorientierung besser, die Planungsebenen der Sache nach zu unterscheiden, also zwischen der strategischen und der operativen Ebene, und getrennt davon nach dem zeitlichen Horizont.“ (Steinmann et al., 2013).

3.3 Strategie im Controlling Auch in der betriebswirtschaftlichen Disziplin Controlling (Weber & Schäffer, 2020, S. 391 ff.) finden wir die Beschäftigung mit Strategie wieder im Bereich Planung, übergeordnet der taktischen und operativen Planung, wobei sich Controller in der Welt der Strategie nicht unbedingt zu Hause fühlen (Weber & Schäffer, 2020, S. 426 f.). Nach dem Planungshorizont werden typischerweise 3 Planungsebenen unterschieden (siehe Abb. 3.3; Weber & Schäffer, 2020, S. 276 f.).

Planung

Planungshorizont in Jahren

Inhalt

strategische

4-10

Erfolgspotenziale Wettbewerbsstrategien strategische Programme

taktische

2-5

wie operative Planung

operative

Abb. 3.3 Planungsebenen

1

• Sachplanungwas soll das Unternehmen im kommenden Jahr machen (z. B. Absatzplan) • Formalplanungfinanzielle Abbildung der Sachplanung (z. B. Erlösplan)

32

3  Strategie in der betriebswirtschaftlichen Literatur

Strategische Planung wird als „bewusste Gestaltung der Zukunft trotz der dieser innewohnenden Unsicherheit definiert“ (Weber & Schäffer, 2020, S. 392). Insbesondere die große Unsicherheit unterscheidet sich von der Langfristplanung: • Langfristplanung ist eine langfristige operative Planung und geht von weitgehend gegebenen realen Bedingungen aus. Strategische Planung ist mehr als nur eine Verlängerung der taktischen Planung und umfasst mehr als nur die rechenbaren Aktivitäten (Weber & Schäffer, 2020, S. 276 f.). • strategische Planung hat dagegen zum Ziel Realität zu beeinflussen bzw. zu schaffen. Ablauf und Elemente strategischer Planung sehen im Idealfall so aus (Weber & Schäffer, 2020, S. 393 f.; siehe Abb. 3.4): • • • •

Ausgangspunkt: Formulierung von Grundsatzbedingungen im Sinne einer Vision bzw. Mission. Ziele erarbeiten, insbesondere als Basis für zu definierende Erfolge: Erfolgs- und Fähigkeitspotenziale erkennen und aufbauen (Wüthrich, 1991, S. 48). „Mit Erfolgspotenzialen sind abgrenzbare Produkt- (z.  B.  Telefonendgeräte), Markt(z.  B.  Mobilfunkmarkt) oder Kundensegmente (z.  B.  Geschäftskunden) gemeint, die dem ­Unternehmen für einen bestimmten (längeren) Zeitraum die Möglichkeit zur Erzielung von Erfolgen bieten. Sie werden organisatorisch zumeist als „Geschäftsfelder“ gekennzeichnet.“ (Weber & Schäffer, 2020, S. 358). „Fähigkeitspotenziale (häufig auch „Kernfähigkeiten“ bzw. „Kernkompetenzen“ genannt) beschreiben die Möglichkeiten, die ein Unternehmen besitzt, Erfolgspotenziale zu erschließen und zu nutzen. Hierunter findet sich die Beherrschung innovativer Techniken (z. B. Keramikverarbeitung) ebenso wie die Fähigkeit einer Organisation, sich schnell und flexibel Umweltänderungen anpassen zu können (z. B. mittels Teamstrukturen).“ (Weber & Schäffer, 2020, S. 391).

• weiteres  Element der Phase 2  ist die Strategieformulierung. Damit sind bestimmte Grundverhaltensweisen des Unternehmens am Markt gemeint: –– Kostenorientierung –– Differenzierung –– Fokussierung • die dritte Planungsphase „Strategische Programme“ beinhaltet konkrete Planungen für die Umsetzung und Durchsetzung des strategischen Konzepts • schließlich geht es in der 4. Phase darum, die vorgenannten Programme in Zahlen finanziell zu bestimmen. In der Praxis scheint das Strategiedurchsetzen entsprechend der Phase 3 und 4 schwieriger zu sein als das Strategiefinden (Weber & Schäffer, 2020, S. 395).

3.3  Strategie im Controlling

33

Phase 1 Grundsatzbedingungen

 Phase 2 Ziel- und Strategieformulierung

 Phase 3 Strategische Programme

 Phase 4 Strategische und operative Budgetierung

Abb. 3.4  Phasen der strategischen Planung

Hierarchisch werden im Wesentlichen 3 strategische Planungsebenen unterschieden (Weber & Schäffer, 2020, S. 393; siehe auch Macharzina & Wolf, 2018, S. 265; Welge et al., 2017, S. 470), wie sie in Abb. 3.5 aufgeführt sind.

ganzes Unternehmen



Gesamtstrategie

Geschäftsfelder



Teilstrategien Geschäftsfeld

Funktionen



funktionale Teilstrategien

Abb. 3.5  Hierarchie der strategischen Planungsebenen

34

3  Strategie in der betriebswirtschaftlichen Literatur

3.4 Strategie im Marketing In der Marketing-Literatur gibt es zwischenzeitlich das Verständnis, dass in Abgrenzung zum operativen Instrumenteneinsatz Marketingstrategie ein „Entscheidungsfeld ganz spezifischer Art“ (Becker, 2019, S. 140) ist. Zur Begründung wird angeführt, dass strategische Fragestellungen entweder überhaupt nicht behandelt oder mit operativen Aktivitäten vermischt wurden. Nach Meinung von Becker ist hier eine strenge Abgrenzung einerseits von und andererseits eine Verzahnung mit • Ziel- und • Instrumentenplanung sinnvoll. Strategie ist eine eigenständige Entscheidungsebene einer umfassenden Marketing-­ Konzeption, deren Notwendigkeit er wie folgt beschreibt: „Vor dem Hintergrund derartiger komplexer Umweltkonstellationen und ihrer hohen Veränderungsdynamik ist einsichtig, dass eine klare Kursbestimmung für Unternehmen immer wichtiger wird. Wenn Unternehmen „auf rauher See“ bestehen bzw. überleben wollen, so müssen sie zunächst wissen, wo sie stehen (was m. a. W. ihre Ausgangsposition ist) und welche „Wunschorte“ sie erreichen wollen. Erst dann können die optimale „Route“ bestimmt und die geeigneten „Beförderungsmittel“ festgelegt werden.“ (Becker, 2019, S. 4)

Seine Marketing-Konzeption hat drei Entscheidungsebenen: • Zielebene • Strategieebene • Marketingmixebene. Eine solche Konzeption setzt abgestimmte Entscheidungen auf allen drei Entscheidungsebenen voraus (= konzeptionelle Kette) (Becker, 2019, S. 4). „Konzeptionelles Vorgehen ist also dadurch gekennzeichnet, dass auf drei Ebenen jeweils spezifische Festlegungen getroffen werden. Die drei genannten Konzeptionsebenen können in dieser Hinsicht auch als drei logisch aufeinander folgende, aber zugleich interdependente Teilstufen eines konzeptionellen Gesamtprozesses aufgefasst werden.“ (Becker, 2019, S. 5).

Grafisch hat das Becker in einer Konzeptionspyramide dargestellt (Abb.  3.6; Becker, 2019, S. 5). Strategisches Planen grenzt sich durch eine andere Grundorientierung vom operativen Planen ab (Becker, 2019, S. 143), wie Abb. 3.7 verdeutlicht.

3.4  Strategie im Marketing

35

Konzeptionsebenen

Konzeptionelle Grundlagen

Marketingziele

1. Ebene

(= Bestimmung der „Wunschorte“)

2. Ebene

Marketingstrategien (= Festlegung der „Route“)

3. Ebene

Marketingmix (= Wahl der „Beförderungsmittel“)

Wo wollen wir hin? Wie kommen wir dahin?

Was müssen wir dafür einsetzen?

Abb. 3.6  Die Konzeptionspyramide als Bezugsrahmen eines modernen Marketing-Managements

Strategisches Planen

Operatives Planen

Merkmale: – strukturbestimmend (konstitutiv) – echte (Wahl-)Entscheidungen

Merkmale: – ablaufbestimmend (situativ) – Routineentscheidungen (habituelles Verhalten) – kurzfristig orientiert – „sofort“ wirksam – leicht korrigierbar

– mittel-/langfristig orientiert – verzögert bzw. in Stufen wirksam – schwer korrigierbar

Entscheidungssituation: – komplexes, schlecht strukturiertes Entscheidungsfeld (Unsicherheitsgrad hoch) – heute werden (Grundsatz-)Entscheidungen für morgen getroffen – ganzheitliches Denken notwendig (Unternehmen als Ganzes umfassend) – makro-betonte, eher qualitative Betrachtungsweise

Entscheidungssituation: – überschaubares, gut strukturiertes Entscheidungsfeld (Unsicherheitsgrad niedrig) – heute werden (Problemlösungs-) Entscheidungen für heute getroffen – partikulares Denken steht im Vordergrund (einzelne Aktionsbereiche des Unternehmens betreffend) – mikro-betonte, eher quantitative Betrachtungsweise

Grundorientierung insgesamt: Effektivitätskriterium  „die richtigen Dinge machen“

Grundorientierung insgesamt: Effizienzkriterium  „die Dinge richtig machen“

Abb. 3.7  Abgrenzung von Strategischem und Operativem Planen

36

3  Strategie in der betriebswirtschaftlichen Literatur

Literatur Albach, H. (2000). Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Gabler. Becker, J. (2019). Marketing-Konzeption. Grundlagen des ziel-strategischen und operativen Marketing-­Managements. Franz Vahlen. Hopfenbeck, W. (2002). Allgemeine Betriebswirtschafts- und Managementlehre. Verlag Moderne Industrie. Macharzina, C., & Wolf, J. (2018). Unternehmensführung. Springer Gabler. Mintzberg, H., Ahlstrand, B., & Lampel, J. (2004). Strategy Safari, Eine Reise durch die Wildnis des strategischen Managements. München: Finanzbuchverlag. Steinmann, H., & Schreyögg, G. (1999). Management. Wiesbaden: Springer Gabler Verlag. Steinmann, H., Schreyögg, G., & Koch, J. (2013). Management. Springer Gabler. Thommen, J.-P., Achleitner, A.-K., Gilbert, J. U., Hachmeister, D., & Kaiser, G. (2017). Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Umfassende Einführung aus managementorientierter Sicht. Springer Gabler. Weber, J., & Schäffer, U. (2008). Einführung in das Controlling. Schäffer-Poeschel. Weber, J., & Schäffer, U. (2020). Einführung in das Controlling. Schäffer-Poeschel. Welge, M.  K., Al-Laham, A., & Eulerich, M. (2017). Strategisches Management, Grundlagen-­ Prozess-­Implementierung. Springer Gabler. Wöhe, G. (2000). Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Franz Vahlen. Wöhe, G. (2020). Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Franz Vahlen. Wüthrich, H. A. (1991). Neuland des strategischen Denkens. Gabler.

4

Strategie als eigenständige betriebswirtschaftliche Disziplin

Das Basiswissen zu betriebswirtschaftlicher Strategie wird in Kap.  4 vertieft. Zunächst wird ein kleiner historischer Aufriss der Entwicklung des strategischen Denkens in der BWL präsentiert. Die unterschiedlichen Auffassungen werden in zwei Strömungen mit ihren Grundzügen dargestellt: • einmal theoretisch begründetes Strategieverständnis (klassische Richtung); danach ist Strategie ein rationaler Plan mit vier Ebenen • einmal empirisch fundiertes Verständnis als Gegenposition, die zeigt, dass Strategie nicht nur durch bewusste Planung zustande kommen kann, sondern dass sich Strategien in der Praxis unbewusst herausbilden können. Nach einem Überblick über die vielen Strategiekonzeptionen – Mintzberg unterscheidet zehn – werden die für Steuerstrategie besonders relevant gehaltenen vorgestellt: • eine klassische Strategiekonzeption, wie es der deutsche Forscher Welge vertritt; inhaltlich umfasst die Konzeption fünf Prozessphasen, deren Inhalt im Einzelnen dargestellt wird • eine integrative Strategiekonzeption wie von der Schule um Henry Mintzberg entwickelt. Diese Konzeption wird auf Basis einer Strategy Safari umfassend beleuchtet. Es wird versucht, alle Denkrichtungen der Strategiedisziplin zu integrieren. • die unternehmerische Strategieschule, die besondere Bedeutung für die Zielgruppe der KMU hat. Den Abschluss bildet eine Bewertung der Konzeptionen mit einer Festlegung auf dasjenige Verständnis, das am geeignetsten als Grundlage für den Bereich Steuern gehalten wird.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 H. Keuler, Steuern und Strategie, https://doi.org/10.1007/978-3-8349-3675-2_4

37

38

4  Strategie als eigenständige betriebswirtschaftliche Disziplin

4.1 Entwicklungsstufen des strategischen Denkens Unternehmensstrategie ist eine junge Disziplin in der BWL.  Sie nahm in den 1960er-­ Jahren ihren Ursprung. Strategie als Konzept hingegen gab es schon lange vor der Entste­ hung der ersten Unternehmen. Militärführer nutzten Strategien, um ihre Feinde in der Schlacht zu besiegen. Sun Tzu schrieb vor über 2000 Jahren sein Standardwerk über Mi­ litärstrategie „Die Kunst des Krieges“ (Der Atlas des Managements 2006, S. 76). Die Entwicklung strategischer Denkansätze wird zumeist in vier Stufen eingeteilt (Welge et al., 2017, S. 11 mit weiteren Nachweisen, Wüthrich, 1991, S. 42 ff.; Becker, 2018, S. 34 f.): Stufe 1: Finanzplanung – 50er-Jahre Bis Mitte der 50er-Jahre gab es die traditionelle Unternehmensplanung als Jahresplanung: • ausschließlich finanzwirtschaftlich orientiert • mit relativ stabilen Umweltbedingungen. Stufe 2: Langfristplanung – 60er-Jahre Es wurde langfristiger (5 Jahre und mehr) geplant mit Hilfe von Trendextrapolationen. Stufe 3: Strategische Planung – 70er-Jahre Als das Umfeld von Unternehmen zunehmend instabiler wurde, verlagerte sich der Schwerpunkt der Planung auf Analyse von Umwelt und deren Gestaltung mit Hilfe von geeigne­ ten Grundverhaltensweisen, sogenannten Strategien, vor allem im Wettbewerb am Markt. Im Mittelpunkt des strategischen Denkens stand die Formulierung von Strategieinhalten unter gleichzeitiger Vernachlässigung der Umsetzung in der Praxis. Bildlich gesprochen wurden Ferraris entwickelt, jedoch ohne Lenker und vier Räder. Stufe 4: Strategisches Management – ab 80er-Jahre Die strategische Planung wurde um Implementierung, Kontrolle und Steuerung erweitert, damit die entwickelten Strategiepapiere nicht nur Papier blieben. Dem Ferrari wurden vier Räder verpasst, damit er auf die Strecke gehen konnte und ein Lenker, mit dem er gesteu­ ert werden konnte. Das strategische Denken befasste sich nicht nur mit der Gestaltung der externen Umwelt sondern auch mit den internen Systemen des Unternehmens. Die Betonung liegt in dieser Stufe auf der • • • •

Prozessorientierung: Prozess statt Inhalt (Müller-Stewens & Lechner, 2016, S. 12) Managementorientierung: Management statt Planung.

4.2  Definitionen und Strömungen

39

4.2 Definitionen und Strömungen Sowohl in der Wissenschaft wie in der Praxis wird unter Strategie Unterschiedliches verstanden. Diese unterschiedlichen Auffassungen von Strategie lassen sich in zwei Strömungen ordnen (Welge et al., 2017; Becker, 2018, S. 46, 66): 1. Theoretisch begründete Verständnisse (klassische Richtung) „Die präskriptiv-normative Strategieforschung thematisiert im Kern Verhaltensvorschriften zu Unternehmensführung, die prinzipiell eine rationale strategische Führung ermöglichen sollen. Sie ist eher langfristig orientiert, fokussiert neben dem Top-Down-Prinzip auch auf die rationale, umfassende Strategieentwicklung.“ (Becker, 2019, S. 46)

2. Empirisch begründete Verständnisse (Gegenpositionen) „Die empirisch-deskriptive Strategieforschung konzentriert sich oft auf fallstudienartig angelegte Prozessanalysen. Diese beschreiben die vorgefundenen Bedingungen des strategischen Prozesses und versuchen die Beziehungen dieser Bedingungen induktiv zu erklären. Von daher ist dieser Ansatz eher mittel- bis kurzfristig orientiert und auf aktuelle Teilprobleme konzentriert. Emergente (unbeabsichtigte, aber realisierte) Strategien sowie das Bottom-­up-­ Prinzip stehen im Vordergrund.“ (Becker, 2019, S. 46)

Die erste Richtung basiert auf der Annahme, dass Strategie ein Ergebnis formaler, rationaler Planungen ist. Nach diesem Strategieverständnis sind (klassische Definition von Chandler) (Chandler, 2001, S. 23, zitiert in Welge et al., 2017, S. 18) Strategien Teil eines umfassenden Plans mit vier Entscheidungsebenen. Abb. 4.1 stellt dar, wie der Plan aufgebaut ist.

Leitbild  Ziele  Strategien  taktische und operative Aktivitäten

Abb. 4.1  Strategien als hierarchisches Konstrukt. (Welge et al., 2017, S. 19; Becker, 2018, S. 67 nach Barney, 1997, S. 11)

40

4  Strategie als eigenständige betriebswirtschaftliche Disziplin

Das Leitbild beinhaltet die grundsätzliche Sichtweise, in welche Richtung das gesellschaftlich verantwortliche, betriebliche Agieren gehen soll. Ziele sind die Vorgaben, die das Leitbild konkretisieren. Strategien stellen Routen dar, auf denen die Ziele erreicht werden sollen. Taktische und operative Aktivitäten werden wiederum aus den Strategien abgeleitet und legen fest, welche Ressourcen konkret eingesetzt werden müssen. Darüber hinaus beinhalten Strategien • Analysen der Umwelt in Form von Chancen und Risiken • Analysen des Unternehmens in Form von Stärken und Schwächen. Diese Analysen sollen als Element von Strategien die Positionierung des Unternehmens in ihrer Umwelt, insbesondere am Markt, bestimmen. Ziel von Strategien eines Unternehmens ist, auf der Analyse aufbauend, einen Fit herzustellen (Mintzberg et al., 2004, S. 38) zwischen • Stärken und Schwächen des Unternehmens einerseits und • Chancen und Risiken der Umwelt andererseits. Abb.  4.2 veranschaulicht diese Konstellation (Barney, 1997, S.  22; zitiert nach Welge et al., 2017, S. 21).

Analyse Unternehmen

Analyse Umfeld

Stärken

Chancen

FIT

Schwächen

Abb. 4.2  SWOT-Konzept als Bestandteil einer Strategie

Risiken

4.2  Definitionen und Strömungen

41

Die zweite Richtung der Strategieauffassung hat ihren Ausgangspunkt in der Kritik an dem klassischen Strategieverständnis, wonach bewusst geplante Strategien (intended strategies) nur unter Vorliegen einer Reihe von Bedingungen sinnvoll sind, insbesondere stabile Umweltbedingungen. Die kritische Gegenposition vertritt insbesondere die Schule um Mintzberg. Für ihn bildet die einfache Definition nicht die Wirklichkeit bzw. die Verwendung des Begriffs in der Praxis ab. Nach seiner Auffassung erfordert Strategie eine ganze Reihe von Definitionen, von denen insbesondere fünf von Bedeutung sind (Mintzberg et al., 2004, S. 22 ff.): (1) Strategie ist ein Plan für die Zukunft, eine Richtung, ein „Aktionskurs für die Zukunft, ein Weg, der von hier nach dort führt“ (Mintzberg et al., 2004, S. 22). In der Praxis zeigt sich, dass diese Definition von Strategie eine typische Definition ist, die in abweichenden Bedeutungen verwandt wird. (2) Strategien als emergentes Phänomen Nach diesem Verständnis entwickeln sie sich ohne Absicht aus den Aktivitäten, zu denen Unternehmen wiederkehrend neigen, die sich so quasi aus dem taktischen und operativen Verhalten eines Unternehmens bilden und bewusst werden im Sinne sogenannter emergenter Phänomene. Die Phänomene sind im Nachhinein als bestimmte strategische Verhaltensmuster erkennbar. Vergangenheitsbezogen lässt sich Strategie also als ein Verhaltensmuster definieren. Die Gegenüberstellung der beiden Definitionen zeigt: Die erste ist eine beabsichtigte Strategie. Die zweite ist eine realisierte Strategie. Soweit die beabsichtigte Strategie realisiert wurde, kann sie als bewusste Strategie bezeichnet werden. Neben den bewussten Strategien werden noch unbewusste, sich im Zeitablauf herausbildende Strategien, sogenannte emergente Strategien unterschieden. (3) Strategie als Positionierung Diese empirisch beobachtete Strategieform stellt den Fokus auf die Positionierung bestimmter Produkte auf bestimmte Märkten, besonders im Verhältnis zu den Konkurrenten am Markt. Diese Strategieform kann sowohl geplant sein als sich auch durch Zufall ergeben. (4) Strategie als Perspektive Nach der vierten Definition ist Strategie eine Perspektive: Strategie wird als spezifische Denkhaltung, als Einstellung des Managements verstanden, wie man die Entwicklung des Unternehmens maßgeblich lenkt aus der großen Vision des Unternehmers heraus. (5) Strategie als List Schließlich zählt Mintzberg als begriffsbestimmenden Grundpfeiler noch die List auf, mit der versucht wird, einen Konkurrenten reinzulegen. Die fünf Definitionen von Strategie nach Mintzberg werden in Abb. 4.3 nochmal im Überblick wiedergegeben.

42

4  Strategie als eigenständige betriebswirtschaftliche Disziplin Sichtweise des Unternehmens

Definition Strategie = Plan Strategie = Muster Strategie = Positionierung Strategie = Perspektive Strategie = List

    

Vorausblick Rückblick Blick von oben (nach unten) Blick von unten (nach oben)

Abb. 4.3  Die 5 Definitionen von Strategie Charakteristika geplante Strategien

bewusst

ungeplante Strategien

unbewusst, emergent

Abb. 4.4 Strategietypen

Besonders hervorzuheben am Mintzbergschen Strategieverständnis, das er aus empirischen Beobachtungen gewonnen hat, ist, dass Strategie nicht nur durch Planung zustandekommen kann, sondern dass sich Strategien auch und vor allem in der Praxis unbewusst herausbilden können.  Unter dem Aspekt der Planung lassen sich zwei grundlegende Strategietypen mit ihrem jeweiligen spezifischen Charakteristikum unterscheiden (siehe Abb. 4.4; Becker, 2019, S. 62 f.). Dabei konnten auf Basis empirischer Beobachtungen die geplanten Strategietypen noch unterteilt werden in solche, die realisiert werden, nach Mintzberg eher selten vorzufinden und solche, die nicht realisiert werden. Ungeplante Strategien sind immer realisierte Strategien. Das ist nochmal im Überblick in Abb. 4.5 dargestellt. Die Genese von Strategien mit der Ausbildung der unterschiedlichen Strategietypen wird in Abb. 4.6 gezeigt (siehe auch Mintzberg et al., 2004, S. 26, Schaubild 1.2, S. 26; Welge, S. 22; Macharzina, S. 260).

4.3 Strategiekonzeptionen

43

Strategien

geplante = bewusste

ungeplante = emergente

nicht realisierte realisierte

Abb. 4.5  Kategorien von Strategien

geplante Strategien

realisierte Strategien bewusste Strategien

nicht realisierte Strategien

ungeplante Strategien (= sich herausbildende, emergente)

Abb. 4.6  Genese von Strategien

4.3 Strategiekonzeptionen 4.3.1 Klassische Strategiekonzeption Im deutschsprachigen Raum proklamiert Welge (Welge et al., 2017, S. 194) die Grundkonzeption der klassischen Strömung in der Tradition des Havard-Modells, die die erste Gesamtkonzeption eines strategischen Managements darstellte. Die Mintzbergsche Fun­ damentalkritik (Welge et al., 2017, S. 38)

44

4  Strategie als eigenständige betriebswirtschaftliche Disziplin

• einer Planung, die eher normativ orientiert ist, d.  h. Gestaltungsempfehlungen ohne eine empirische Forschung abgibt • der strengen Trennung von Strategieformulierung und -implementierung • der sogenannten Structure-Follows-Strategy-These (Welge et al., 2017, S. 1817 ff.) • der fehlenden konzeptionellen Öffnung • der fehlenden Integration empirischer Erkenntnisse ist seiner Meinung „heute obsolet geworden“ (Welge et al., 2017, S. 42). Trotzdem gibt es eine breite Strömung deskriptiver Ansätze in Form von empirisch gestützten Beschreibungen der tatsächlichen Strategiepraxis in Unternehmen, die ein Bild zeichnen, das von den theoretischen Konzeptionen  – präskriptiven Ansätzen in Form idealtypischer Gestaltungsempfehlungen – abweicht. Inhaltlich umfasst die Konzeption fünf Prozessphasen. Nachfolgend ist der „strategy content“ der einzelnen Elemente dargestellt: 1. Zielplanung Dabei wird unterschieden zwischen Unternehmenspolitik, Leitbild und strategischen Zielen. Zu berücksichtigen sind nach dem Havard-Ansatz nicht nur ökonomische Zielvorstellungen sondern auch ethische Wertvorstellungen. 2. Analyse Folgende Aktivitäten und Einflussgrößen sind nach dem Havard-Ansatz relevant (Welge et al., 2017, S. 36): • Identifizierung von Chancen und Risiken in der Umwelt eines Unternehmens • Analyse des Ressourcen-Potenzials eines Unternehmens, insbesondere • Offenlegung von Stärken und Schwächen. Dabei sollte die Analyse auch auf Prognose basieren (Welge et  al., 2017, S.  419) die Trends und Veränderungen erkennen sollte. Im Mittelpunkt von Analyse steht die Identifizierung von Potenzialen. 3. Entwicklung einer Strategie (im engeren Sinne) (Welge et al., 2017, S. 459) Das ist der inhaltliche Kernbereich. Das Ziel dieser Phase ist die optimale Strategieoption zu gewinnen. Diese Phase wird auch als Strategieformulierung bezeichnet und steht unter dem Motto „are we doing the right things“. Die Strategieentwicklung wird verstanden als eine schöpferische, aber auch intuitive Aufgabe unter Beachtung einiger zentraler Prinzipien. Sie wird differenziert nach folgenden Planungsebenen entwickelt:

4.3 Strategiekonzeptionen

45

• Unternehmen (corporate strategy) • Geschäftsbereiche (business strategy) • Funktionalbereiche (functional strategy). Es werden grundsätzliche strategische Alternativen erarbeitet. Die gewonnenen Strategieoptionen (Welge et al., 2017, S. 736) werden bewertet aufgrund quantitativer und qualitativer Kriterien und die optimale Strategieoption wird ausgewählt. 4. Umsetzung einer Strategie Strategieimplementierung war im ursprünglichen Havardansatz konzeptionell streng abgegrenzt von der Strategieformulierung. Nach Welge et  al ist diese Phase heute als ein Lern- und Veränderungsprozess zu verstehen. Diese Phase ist im Havardansatz in drei Teilaktivitäten untergliedert: • Strukturierung Umsetzung der Strategie in (Aufbau-)Strukturen: structure follows strategy • organisatorische Gestaltung der Unternehmensführung • Gestaltung verhaltensbezogener Komponenten wie z. B. Kontrollsysteme. Die Strategieumsetzung geht der Frage nach: are we doing the things right? Sie soll dafür sorgen, dass das operative Handeln des Unternehmens strategiegeleitet vonstatten geht. 5. Strategische Kontrolle Diese soll fortlaufend prüfen und überwachen, inwieweit • die strategische Planung auch effizient umgesetzt wird • aber auch inwieweit der strategische Kurs bzw. die strategische Planung verändert werden muss. Begriffen wird diese Phase weniger als Überwachung, sondern vielmehr als strategisches Controlling im Sinne einer Steuerungsfunktion (siehe Abb.  4.7; Welge et al., 2017, S. 973). Abb. 4.8 zeigt die Elemente der Grundkonzeption von strategischem Management klassischer Prägung im Überblick. Stellungnahme: Strategie ist zunächst mal eine Konzeption. Umsetzung und Kontrolle gehören u. E. nicht zu Strategie, sondern sollten die praktische Folge sein.

46

4  Strategie als eigenständige betriebswirtschaftliche Disziplin

Planung

 Kontrolle

 Steuerung

Abb. 4.7  Strategisches Controlling als Steuerungsfunktion

1

Leitbild + Ziele

2

Analyse extern und intern

3

Entwicklung und Auswahl von Strategieoptionen (-alternativen)

4

Umsetzung der ausgewählten Strategie

5

Kontrolle der Umsetzung

Abb. 4.8  Die Elemente von Strategie

4.3.2 Mintzbergsche Strategiekonzeption: Strategy Safari 4.3.2.1 Vorbemerkungen Die Mintzbergsche Konzeption ist eigentlich mehr als eine Gegenposition zum klassischen Strategieverständnis. Es versucht einen kompletten Überblick über die Strategiedisziplin zu bieten und alle Denkrichtungen der strategischen Forschung und Praxis zu berücksichtigen: „Das Gebiet des strategischen Managements darf nicht abgegrenzt, sondern muss weiter geöffnet werden.“ (Mintzberg et al., 2004, S. 9 f.). So gesehen liefert diese sehr tiefgründige Konzeption eine „möglichst vielfältige Ideengrundlage“ (Mintzberg et al., 2004, S. 34) für strategisches Denken.

4.3 Strategiekonzeptionen

47

4.3.2.2 Strömungen und Denkschulen Mintzberg identifiziert die folgenden drei Strömungen (Mintzberg et al., 2004, S. 17 ff.): • präskriptiv = vorschreibend • deskriptiv = beschreibend und • integrativ = zusammenführend. Im Zentrum des präskriptiven Strategieverständnisses geht es darum, wie Strategien formuliert werden sollen. Sie erklären, wie das idealtypische strategische Verhalten sein sollte. Die deskriptiven Denkrichtungen beschreiben, wie sich Strategien in der Praxis tatsächlich herausbilden. Die dritte Gruppe lässt die bestehenden unterschiedlichen, oft gegensätzlichen, Denkrichtungen zu und versucht sie zu verbinden. Die einzelnen Strömungen repräsentieren im Wesentlichen zehn verschiedene Denkschulen der strategischen Planung (Abb. 4.9; Mintzberg et al., 2004, S. 17). Wie Mintzberg die zehn Schulen beschreibt, veranschaulicht ein Originalauszug aus Mintzberg et al. (Mintzberg et al., 2004, S. 17 ff.; siehe Kasten 4.1; Müller-Stewens & Lechner, 2016, S. 56 ff.).

Denkschule

Charakteristikum

Strömung

Designschule

Strategieentwicklung als konzeptioneller Prozess Strategieentwicklung als formaler Prozess Strategieentwicklung als analytischer Prozess

präskriptiv (normativ)

Strategieentwicklung als visionärer Prozess Strategieentwicklung als mentaler Prozess Strategieentwicklung als sich herausbildender Prozess Strategieentwicklung als Verhandlungsprozess Strategieentwicklung als kollektiver Prozess Strategieentwicklung als reaktiver Prozess

deskriptiv

Strategieentwicklung als Transformationsprozess

zusammenführend

Planungsschule Positionierungsschule

Unternehmerschule Kognitive Schule Lernschule Machtschule Kulturschule Umweltschule Konfigurationsschule

Abb. 4.9  Die Schulen der Strategielehre

48

4  Strategie als eigenständige betriebswirtschaftliche Disziplin

Kasten 4.1 Kasten 2.1 Beschreibung der zehn Denkschulen nach Mintzberg et al. Die ersten präskriptiven Denkschulen, die in den sechziger Jahren die Grundlagen schuf, auf denen dann die beiden anderen aufbauten, betrachtet Strategieentwicklung als informellen Ent wurf, als Konzeption. Die zweite Schule, die sich parallel dazu in den sechziger Jahren entwickelte, sorgte für eine Formalisierung dieser Sichtweise. Sie betrachtet Strategieentwicklung nämlich als einen etwas abgehobenen, systematischen Prozess der formellen Planung. Diese Schule wurde in den achtziger Jahren von der dritten präskriptiven Schule weitgehend ersetzt, einer Denkrich tung, die sich weniger mit dem Prozess der Strategieentwicklung als mit dem eigentlichen Inhalt der Strategien befasst. Diese Schule bezeichnen wir als Positionierungsschule, weil sie sich mit der Wahl jener strategischen Positionen befasst, die für die jeweiligen wirtschaftlichen Bedingungen geeignet sind. Die nächsten sechs Denkschulen konzentrieren sich jeweils auf spezifische Teilbereiche des Strategieentwicklungsprozesses. Sie diktieren nicht, worin das „ideale“ strategische Verhalten bestehen sollte, sondern sie beschreiben, wie Strategien tatsächlich zustande kommen. Einige prominente Autoren assoziieren Strategie seit langem mit Unternehmertum. Sie schildern den Prozess der Strategieentwicklung als Erzeugung einer Vision durch den „großen Unternehmensführer“. Doch wenn Strategie eigentlich eine personalisierte Vision ist, muss Strategieentwicklung als Prozess der Konzeptbildung im Kopf eines einzelnen Menschen verstanden werden. Folgerichtig hat sich deshalb eine kleine, aber einflussreiche kognitive Schule herausgebildet, die sich mit Hilfe der kognitiven Psychologie Zugang zum Kopf des Strategen zu schaffen versucht. Jeder der nächsten vier Schulen ist es dagegen ein Anliegen, den Prozess der Strategieentwicklung über den einzelnen hinaus auf andere Kräfte und Akteure auszudehnen. Der Lernschule erscheint die Welt zu komplex, als dass Strategien auf einmal als klare Pläne oder Visionen entwickelt werden könnten. Ihr zufolge müssen sich Strategien in kleinen Schritten im Zuge des ‚Lernens‘ oder der Anpassung einer Organisation herausbilden. Von einer ähnlichen Sichtweise geht die Machtschule aus, die Strategieentwicklung als Prozess des Verhandelns betrachtet – ob zwischen gegnerischen Gruppen innerhalb einer Organisation oder zwischen Organisationen, die mit ihrer jeweiligen Außenwelt konfrontiert sind. Im Gegensatz dazu meint eine weitere Denkschule, dass Strategieentwicklung in der Kultur einer Organisation wurzle. Sie geht deshalb davon aus, dass der Strategieentwicklungsprozess ohne jede Einschränkung kollektiver und kooperativer Natur sein muss. Und dann sind da noch die Vertreter der Umweltschule, jene Organisationstheoretiker, welche die Strategieentwicklung als reaktiven Prozess betrachten, bei dem die Initiative nicht innerhalb der Organisation liegt, sondern in einem externen Kontext angesiedelt ist. Deshalb interessiert sich diese Schule vor allem für den mannigfaltigen Druck, dem Organisationen ausgesetzt sind. Unsere letzte Gruppe besteht nur aus einer Schule, obwohl man argumentieren könnte, dass sie in Wirklichkeit alle anderen in sich vereint. Wir nennen sie die Konfigurationsschule. Im Bestreben, die bestehenden Denkrichtungen zu integrieren, gruppieren die Anhänger dieser Schule die einzelnen Teile unseres Tieres – den Strategieentwicklungsprozess, den Inhalt der Strategien, die Organisationsstrukturen und ihren jeweiligen Kontext – beispielsweise in verschiedene Stadien oder Episoden, etwa des Unternehmenswachstums oder der stabilen Reife, manchmal versetzt im Zeitablauf, um die Lebenszyklen von Organisationen zu beschreiben. Wenn jedoch Organi sationen stabile Stadien erreichen, hat Strategieentwicklung den Sprung von einem Zustand zu einem anderen zu beschreiben. Und so wird dieser Prozess von einem anderen Teil der Konfigurationsschule als Prozess der Transformation gesehen, auf den sich auch ein Großteil der umfangreichen präskriptiven Literatur und der Praxis aus dem Bereich des ‚strategischen Wandels‘ bezieht.

4.3 Strategiekonzeptionen

49

Die Designschule betrachtet Strategieentwicklung als informellen Entwurf, also als Konzeption. Für die Planungsschule ist Strategieentwicklung ein abgehobener, systematischer Prozess der formellen Planung. Die Positionierungsschule befasst sich mit der Wahl jener strategischen Positionen, die für die jeweiligen wirtschaftlichen Bedingungen geeignet sind. Mit der Unternehmerschule wechselt Mintzberg zu den deskriptiven Strömungen über. Bei dieser Schule treibt eine Unternehmerpersönlichkeit eine Vision, die von ihr halb bewusst, halb intuitiv entwickelt wurde, wie „besessen“ voran. Die kognitive Schule sieht Strategiebildung als mentalen Prozess an. Die Lernschule sieht Strategieentwicklung als emergenten Prozess an. Ihr zufolge müssen sich Strategien in kleinen Schritten herausbilden. Die nächste Schule, die Machtschule, sieht Strategieentwicklung als einen Akt der Machtausübung an. Im Gegensatz dazu meint die Kulturschule, dass Strategieentwicklung in der Kultur einer Organisation wurzele. Die Vertreter der Umweltschule sehen Strategieformierung als reaktiven, von der Umwelt getriebenen Prozess. Die letzte Schule, die Konfigurationsschule, will die Ansätze aller vorhergehenden Schulen möglichst integrieren. Als Konfiguration wird dabei eine spezifische Kombination von Charakteristika einer Organisation bezeichnet. Diese Konfiguration ist meist über einen gewissen Zeitraum hin relativ stabil. Dann kommt es allerdings zu periodenstarker Veränderungen und der Übergang in eine neue Konfiguration findet statt. Anschließend kommt es wieder zu einer Periode der Stabilität. Für die Strategieentwicklung ergibt sich aus diesem Ansatz die Konsequenz, sie je nach Zeit und Kontext entweder als konzeptionelles Design, formelle Planung, kollektive Sozialisation, passive Reaktion etc. zu verstehen. Die Dimensionen der verschiedenen Denkschulen hat Mintzberg in einer Tabelle (Mintzberg et al., 2004, S. 396–401) übersichtsweise zusammengestellt. In Abb. 4.10 wurde ein Auszug für drei Denkschulen, je eine exemplarisch steht für eine Forschungsströmung, • Designschule • unternehmerische Schule • Konfigurationsschule erstellt. Er soll einen Überblick geben über die drei Schulen, denen für die Steuerstrategie die größte Bedeutung zugemessen wird. Aus der Analyse und Kritik der zehn Denkschulen generiert Mintzberg zum einen eine Definition, die weiter oben schon dargestellt wurde und die mehrere Denkrichtungen umfasst. Zum anderen identifiziert Mintzberg bei aller Unterschiedlichkeit auch einige zen­ trale Merkmale des Wesens und Festlegungen bezüglich des Umfangs von Strategie, die sich übereinstimmend bei allen Schulen ableiten lassen (Mintzberg et al., 2004, S. 30): Strategie ist • • • •

bedeutsam komplex nicht immer bewusst analytisch und konzeptiv.

50

4  Strategie als eigenständige betriebswirtschaftliche Disziplin

Designschule

Unternehmensschule

1. Grundlegende Dimensionen der Schulen 1.1 Quellen

1.2 Ausgangsdisziplin 1.3 Wichtigster Vertreter

1.4 Beabsichtigte Botschaft 1.5 Tatsächliche Botschaft 1.6 Wahlspruch 1.7 Schlüsselworte

Selznick 1957 (möglicherweise auch frühere Arbeiten, beispielsweise von Newman), weiter Andrews 1965 Keine (Architektur als Metapher)

Schumpeter 1950, Cole 1959, weitere Ökonomen

Keine (obwohl die frühen Arbeiten von Wirtschaftswissenschaftlern stammen) Auf Fallstudien speWirtschaftspresse, romantizialisierte Lehrende sche Individualisten, Kleinun(insbesondere in oder von ternehmer in aller Welt, vor Harvard), Führungsanhän- allem aber in Lateinamerika ger, vor allem in den USA und unter den Auslandschinesen Abstimmen = FIT Vorstellungen entwickeln Nachdenken (Strategiegestaltung als Fallstudie) „Schau hin, bevor du den Sprung wagst.“ Kongruenz/Abstimmung, distinktive Kompetenz, Wettbewerbsvorteil, Stärken-Schwächen-Analyse, Formulierung/Implementierung

Zentralisieren (und dann hoffen) „Bring uns zu deinem Anführer.“ Kühner Handstreich, Vision, Einblick

Chandler 1962, McGill-Gruppe (Mintzberg, Miller usw. Ende der siebziger Jahre; Miles und Snow 1978) (Wirtschafts-)Geschichte „Kategorisierer“ (lumpers) und Integratoren im allgemeinen sowie Befürworter von Veränderungen; die Konfiguration ist in den Niederlanden und in Deutschland vielleicht am populärsten, die Transformation in den USA Integrieren, umwandeln Kategorisieren, revolutionieren (statt zu nuancieren und sich anzupassen) „Alles hat seine Zeit …“ Konfiguration, Archetypus, Phase, Stadium, Lebenszyklus, Transformation, Revolution, Turnaround, Revitalisierung

2. Gehalt und Prozessbezogene Merkmale der Schulen 2.1 Strategie

Geplante Perspektive, einzigartig 2.2 Grundlegender Geistig, einfach und inforProzess mell, voreingenommen, beabsichtigt (präskriptiv) 2.3 Veränderung 2.4 Zentrale(r) Akteur(e) 2.5 Organisation

2.6 Führung 2.7 Umwelt

Persönliche, einzigartige Perspektive (Vision) als Nische Visionär, intuitiv, im wesentlichen beabsichtigt (als Gesamtkonzept, wobei sich die Spezifika herausbilden) (deskriptiv) Gelegentlich, opportunistisch, revolutionär Führer

Gelegentlich, Quantensprünge Unternehmensleiter (als „Architekt“) Geordnet, nachgiebig (bei Formbar, einfach der „Implementierung“), „Gefäß“ der gegebenen Stärken und Schwächen Dominant, durchdacht Dominant, intuitiv Zweckdienlich (sei es als Quelle von Bedrohungen oder Chancen)

Alles in den Spalten zur Linken, je nach Kontext Integrativ, episodisch, in einer Abfolge, sowie alle Eigenschaften zur Linken (je nach Kontext deskriptiv bei Konfigurationen, beabsichtigt und präskriptiv bei Transformationen) Gelegentlich und revolutionär (zu anderen Zeiten schrittweise) Alles zur Linken, je nach Kontext (Unterneh mensleiter insbesondere in der Transformation) Alles zur Linken, hin und wieder wandelbar und solange wie kategorisch

Phasenweise Veränderungsmakler sowie alles zur Linken, soweit es kategorisch ist Gibt Raum für Manöver, voller Alles zur Linken, sofern kategorisch Nischen

3. Kontextdimensionen der Schulen 3.1 Situation(beste Umweltanpassung 3.2 Organisationsform (unausgesprochen bevorzugt) 3.3 Stadium (wahrscheinlichstes)

Abgrenzbar (in wirtschaftlich, technisch, sozial usw.) und stabil Maschinenorganisation (zentralisiert, in gewissem Maß formalisiert)

Dynamisch, aber einfach Alles zur Linken, sofern kategorisch (damit für den Führer verständlich) Aufstrebendes Jungunterneh- Jede zur Linken, sofern kategorisch, bevorzugt men (einfach, zentralisiert) „Adhocratie“ und missionarisch für Transformation

Neukonzeption

Start, Turnaround, dauerhaft kleine Größe

Besonderes Augenmerk auf Transformation (z. B. Turnaround, Revitalisierung), ansonsten alles zur Linken, isolierbar, bevorzugt in klare Sequenz eingeordnet

Abb. 4.10  Dimensionen wichtiger Denkschulen der Strategielehre

4.3 Strategiekonzeptionen

51

Strategie betrifft • sowohl Inhalt als auch Prozess • sowohl das Unternehmen als auch seine Umwelt • sowohl das gesamte Unternehmen als auch die Geschäftsbereiche.

4.3.2.3 Aufgaben und Bedeutung von Strategie Mintzberg misst Strategie im wesentlichen vier Aufgaben zu: 1. Strategie gibt eine Richtung vor (Mintzberg et al., 2004, S. 29). Das ist die Hauptfunktion von Strategie: Den Kurs weisen, den das Unternehmen nehmen sollte, vergleichbar mit dem Stern der 3 Könige in der Bibel. Die Gestaltung einer Unternehmensstrategie zielt darauf ab, die Richtung (Mintzberg et al., 2004, S. 340) zu ändern, die Strategie selbst stabilisiert. Nachteil:  Mintzberg weist auf einen eventuellen Scheuklappen-Effekt hin. Man sieht die Gefahren nicht: „Ein festgesetzter Kurs führt in unbekannten Gewässern oft geradewegs auf den Eisberg zu.“ (Mintzberg et al., 2004, S. 30). Das bedeutet bezogen auf die Leitgeschichte: Der junge Lotse würde, ehe er sich in unbekannte Gewässer wagt, erstmal nach einer möglichen Fahrrinne suchen. Da muss er sich sicher auch mit potenziellen Eisbergen beschäftigen. Aber die Beschäftigung mit den Eisbergen (Risiken) sollte nicht im Zentrum stehen. Da gelten aber auch mal die folgenden Devisen: „Wer nichts wagt, nichts gewinnt“ oder „Dem Weg folgen, nicht dem Ziel““ 2. Strategie reduziert Komplexität Strategie sorgt für Orientierung im täglichen Dickicht der Umwelt und vereinfacht die Umwelt und erleichtert das Handeln. Aber es sollte stets an die Warnung von Whitehead gedacht werden: Strebe nach Einfachheit und misstraue ihr (Mintzberg et al., 2004, S. 30). 3. Strategie erleichtert aber auch den Mitarbeitern die Orientierung im Unternehmen und wirkt sinnstiftend und definiert das Unternehmen. Alle laufen nicht in verschiedene Richtungen, sondern folgen – mit Ausnahmen natürlich – einem Weg, der Route der Strategie. 4. Strategie sorgt für Kontinuität, weil für eine gewisse Zeit bestimmte Dinge als selbstverständlich festgesetzt werden. Zwar hat die Strategiegestaltung erforderlichenfalls auch die Veränderung der Richtung im Sinn. Der Kern der Strategie selbst ist Kontinuität, hat gerade nichts mit Veränderung zu tun. Lediglich die Gestaltung der ­Strategie kann auf Veränderung der Richtung des Unternehmens abzielen (Mintzberg et al., 2004, S. 340). In diesem Sinne ist die Aufgabe von Strategie in einem Satz formuliert:

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4  Strategie als eigenständige betriebswirtschaftliche Disziplin

Strategie „löst die großen Fragen, so dass sich die Menschen mit den Details befassen können“ (Mintzberg et al., 2004, S. 29). Es sollte aber immer bedacht werden, dass Strategie nur Realität abbildet. Diese Abbildung kann aber auch Realität verzerren oder gar verfälschen.

4.3.2.4 Die Denkschule von Mintzberg & Co. Die Ursprünge dieser Schule liegen im Jahre 1962 als Alfred D. Chandler sein wirschaftshistorisches Buch „Strategy and Structure“ veröffentlichte. Diese Denkrichtung des strategischen Managements nennt Mintzberg die Konfigurationsschule. Ihr Credo: Alle anderen Denkschulen werden im Sinne eines evolutionistisch-systemischen Denkens aufgegriffen, integriert und miteinander in Einklang gebracht mit der Einschränkung, die Mintzberg mit den biblischen Worten von Koholet beschreibt „alles hat seine Zeit“, also jede Schule hat ihre Zeit in der jeweils passenden Anwendungssituation. Beispielsweise ist typisch für neugegründete Unternehmen eine starke Führungspersönlichkeit (Unternehmer) mit visionärer Strategie, aber einfachen Strukturen. Zweitens ist der Konfigurationsschule wichtig, wie sich die Modelle im Laufe der Zeit verändern. So ist in dem Beispiel häufig zu beobachten, dass nach der Gründungsphase des Un­ ternehmens eine reife Phase mit ausgeprägten Strukturen unter Leitung von Managern erfolgt. Die Schule hat zwei Flügel: • Konfiguration • Transformation. Der Konfigurationsschule geht es darum, wie sich verschiedene Elemente eines Unternehmens zusammenfügen zu „Zustände“ (Modellen, Strukturen).1 Die Transformationsschule sieht in Strategien in erster Linie den Aspekt des Prozesses der Veränderung eines Unternehmens. Strategie bewirkt die Veränderung der Strukturen, sodass Unternehmen in einen neuen Zustand übergehen können. Die Transformationsschule legt den Fokus auf diesen Veränderungsprozess von Zuständen. Beliebte Begriffe dafür sind turnaround, down-sizing oder Revitalisierung. Die Unterschiede der beiden Seiten von Strategie lassen sich wie folgt auf den Punkt bringen: • • • •

bei Konfiguration geht es um theoretische Konzepte; Theoretiker liefern die Ideen bei Transformation geht es um die praktische Umsetzung der Konzepte; Praktiker setzen die Ideen um.

Beides gehört zusammen, wie Pferd und Karren. Der Karren (= Zustand) wird von Zeit zu Zeit vom Pferd (= Prozess) weitergezogen.

 Konfigurieren: aus verfügbaren Möglichkeiten jene auswählen, die am besten passen.

1

4.3 Strategiekonzeptionen

53

Oder ausgedrückt mit einer moderneren Metapher: Da gehören Ferrari (= Konfiguration) und Räder (= Transformation) zusammen. Der beste Ferrari kommt ohne Reifen nicht vorwärts. Das beste Konzept nützt nichts ohne Umsetzung. Mintzberg kombiniert verschiedene Schulen zu einem einzigen Strategieentwicklungsprozess, in dessen Mittelpunkt die eigentliche Gestaltung der Strategie (im engeren Sinne) steht. Dies ist in Kasten 4.2 mit einem Original-Auszug aus seinem Buch Strategy Safari belegt (Mintzberg et al., 2004, S. 414–416).

4.3.2.5 Modelle der Strategieentwicklung Seine Vorstellung, wie Strategie sich entwickelt bzw. die Entwicklung gemanagt wird, hat er im sogenannten Grassroots-Modell beschrieben (siehe Kasten 4.3; Mintzberg et al., 2004, S. 226 f.2). Als Kontrapunkt stellt er das Modell der präskriptiven Denkschulen dagegen (vgl. dazu Kasten 4.4; Mintzberg et al., 2004, S. 227). Beide Modelle sind als Extrempositionen zu verstehen, um die unterschiedlichen Ansätze zu verdeutlichen. Jedes wirklich strategische Verhalten muss bewusste Steuerung mit emergenten Phänomenen verbinden (Mintzberg et al., 2004, S. 222). 4.3.2.6 Kritische Würdigung Während die klassische Strategieströmung sich um konzeptionelle Geschlossenheit bemüht, zeichnet sich die insbesondere von Mintzberg geprägte zweite Strömung durch konzeptionelle Offenheit aus. Sein großer Verdienst ist sicher die durch empirische Beobachtung gewonnene Erkenntnis, dass neben bewusst geplanten Strategien eben auch unbewusst entstehende Strategien in der Praxis vorzufinden sind. Die Strategien zeichnen sich durch emergente Phänomene aus, also dass aus ungeordneten Verhältnissen geordnete Strategien selbstorganisiert entstehen. Dieses selbst organisierte Entstehen einer geordneten Struktur aus Unordnung wird mit dem Begriff Emergenz belegt. Die konzeptionelle Offenheit führt im Extremfall dazu, dass jede Entscheidung im Unternehmen als „strategisch“ bezeichnet werden kann: Keine bewusste Strategie ist auch eine! Mintzberg ersetzt das eher mechanistische Denken anderer Schulen durch ein evolutionistisch-­synergetisches Denken. In Kurzform lässt sich sein Ansatz im Verhältnis zu anderen Strategieschulen wie folgt auf den Punkt bringen: Von jedem das Beste. Alles hat seine Zeit. Dem ist geschuldet, dass sein Denkansatz nicht unbedingt zur Komplexitätsreduktion beiträgt, weil es keine einfache Konzeption gibt, die Orientierung gibt auf der Strategy Safari. Seine Konzeption ist eher synthetisch-künstlich, denn originär-authentisch. Aber seine Arbeiten sind im wahrsten Sinne des Wortes grundlegend und ganzheitlich. Sie sind ein wahres Idea Lab.

 Tz. 1 bis 6 sind alles Originalzitate.

2

54

4  Strategie als eigenständige betriebswirtschaftliche Disziplin

Kasten 4.2 Kasten 2.2 Aufgliederung des Strategieentwicklungsprozesses Umweltschule Kullturschule

Positionierungsschule

Kognitive Schule

Planungsschule

Design Schule

Unternehmerische Schule

Lernschule Machtschule

Im Mittelpunkt steht die eigentliche Gestaltung der Strategie, die als schwarzer Kasten dargestellt ist, um zu zeigen, wie sie von den meisten Schulen tatsächlich behandelt wird. Nur die kognitive Schule versucht wirklich, ins Innere des Prozesses vorzudringen, allerdings ohne großen Erfolg, wie wir in Kapitel 6 gesehen haben. Lernschule und Machtschule unternehmen diesbezüglich zaghafte Versuche. Alle anderen Schulen beziehen nach unserer Einschätzung rund um diesen schwarzen Kasten Position, sei es nun darüber, darunter, davor, dahinter oder außerhalb (womit sich der Kreis zwischen diesem Diagramm und dem in Kapitel 5 vorgestellten zum Thema „Strategisches Denken als Sehen“) schließt. Die Positionierungsschule blickt zurück auf die feststehenden (historischen) Daten, die sie einer Analyse unterzieht, um dann den schwarzen Kasten der Strategiegestaltung damit zu füttern. Auf der anderen Seite gehen nacheinander die Planungs-, Design- und die unternehmerische Schule aus dem schwarzen Kasten hervor. Die Planungsschule blickt voraus, allerdings eben nur voraus, um die Strategien, die irgendwie auf andere Art entstanden sind, in ein Programm zu verwandeln. Der Blick der Designschule ist weiter voraus gerichtet. Sie hat eine strategische Sichtweise, während die unternehmerische Schule sowohl darüber hinaus als auch zur Seite blickt, die unmittelbaren Hindernisse hinter sich lässt und sich eine einzigartige Zukunftsvision zu eigen macht. Lern- und Machtschule blicken hinab und versinken in den Details. Sie konzentrieren sich eher auf die Bäume als auf den Wald. Die Lernschule sieht auf den Boden und untersucht manchmal sogar die Graswurzeln. In gewissem Sinne sucht die Machtschule noch weiter unten (wobei sie jedoch nicht tiefer blickt): unter den Steinen, manchmal sogar unter der Erde, wobei sie Orte erforscht, welche die Organisationen oft nur ungern enthüllen. Die Kulturschule betrachtet die Strategieentwicklung von oben herab aus den Wolken der Vorstellungswelt. Noch ein gutes Stück höher bezieht die Umweltschule Position. Und im Gegensatz zur kognitiven Schule, die versucht, in den Prozess vorzudringen (wobei sie im Gegensatz zu dem Teleskop, dessen sich die Umweltschule bedient, durch ein Mikroskop sieht), hat die Konfigurationsschule den Blick darauf gerichtet – wir könnten auch sagen, sie betrachtet den Prozess von allen Seiten. Wir können daraus schließen, dass sich unsere zehn Schulen ein und denselben Prozess aus jedem erdenklichen Blickwinkel ansehen. Gemeinsam ermöglichen sie es den Managern hoffentlich, diesen Prozess zu durchschauen.

4.3 Strategiekonzeptionen

Kasten 4.3 Kasten 2.3 Das Grassroots-Modell der Strategieentwicklung 1. Strategien werden zu Beginn nicht wie Tomaten im Gewächshaus kultiviert, sondern wuchern wie Unkraut im Garten. 2. Diesen Prozess zu managen bedeutet nicht, Strategien im voraus zu konzipieren, sondern zu erkennen, wie sie sich herausbilden, und gegebenenfalls einzugreifen. 3. Die Strategien können an allen möglichen Orten wurzeln, denn es gibt praktisch überall Menschen, die fähig sind zu lernen und über die Mittel zur Unterstützung dieser Fähigkeit verfügen. 4. Solche Strategien werden zu Strategien der Organisation, wenn sie kollektiv werden, das heißt, wenn sich die Muster derart ausbreiten, dass sie auf das Verhalten der gesamten Organisation übergreifen. 5. Die Prozesse der Ausbreitung können, müssen sich jedoch nicht bewusst vollziehen, ebenso können sie, müssen aber nicht gesteuert werden. 6. Organisationen können wie Gärten die biblische Maxime übernehmen, dass es eine Zeit zu säen und eine Zeit zu ernten gibt. Zeiten der Konvergenz, in denen die Organisation ihre vorherrschenden, etablierten Strategien nutzt, werden meist von Zeiten der Divergenz durchbrochen, in denen sie mit neuen strategischen Themen experimentiert und sie in der Folge akzeptiert.

Kasten 4.4 Kasten 2.4 Das Treibhausmodell der Strategieentwicklung 1. Es gibt nur einen Strategen, und das ist der Unternehmensleiter (andere Manager können sich beteiligen; Planer haben Unterstützungsfunktion.) 2. Der CEO formuliert Strategien in einem bewussten, kontrollierten Denkprozess, etwa so, wie Tomaten in einem Gewächshaus kultiviert werden. 3. Diese Strategien kommen voll entwickelt aus dem Prozess heraus, um dann formal und ausdrücklich festgehalten zu werden, so wie reife Tomaten gepflückt und auf den Markt gebracht werden. 4. Diese expliziten Strategien werden formal implementiert (wozu die Entwicklung der notwendigen Budgets und Programme sowie die Konzeption der geeigneten Struktur gehört). 5. Diesen Prozess zu managen bedeutet, die entsprechenden Daten zu analysieren, im voraus durchdachte Strategien zu erstellen und diese dann sorgfältig einzupflanzen, zu pflegen und beim Wachsen nach Plan zu beobachten.

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56

4  Strategie als eigenständige betriebswirtschaftliche Disziplin

Die großartigen Arbeiten von Mintzberg haben zumindest in der Literatur der Allgemeinen BWL im deutschsprachigen Raum keinen großen Eingang gefunden.

4.3.2.7 Resümee Strategien müssen umfassend betrachtet und „angegangen“ werden: • • • •

geplant und ungeplant Inhalt und Prozess außen und innen statisch und dynamisch.

Strategie ist nicht immer beabsichtigt. Strategie ist nicht immer emergent, Strategie ist beabsichtigt-herausbildend (Mintzberg et al., 2004, S. 221).

4.3.3 Unternehmerische Strategieschule 4.3.3.1 Der Unternehmer im Fokus Es wird nochmal auf die sogenannte unternehmerische Schule eingegangen, weil dieses Buch nicht nur von Unternehmen, sondern auch von Unternehmern handelt. Die von Mintzberg so bezeichnete Denkschule ist besonders bedeutsam für kleine und mittlere Unternehmen, sogenannte KMU, meist in der Form von Familienunternehmen, aber auch aufstrebende Jungunternehmen, wie z. B. Internet-Start-Ups. An der Spitze dieser Unternehmen steht regelmäßig ein Unternehmer. Unternehmer sowie KMU stehen im Mittelpunkt dieses Buchprojektes. Nach dieser Denkrichtung ist der Kern von Strategie Perspektive, nämlich den Blick nach oben zur großen Vision des Unternehmens zu richten (Mintzberg et al., 2004, S. 27). Für die Vertreter der unternehmerischen Denkschule ist Strategie das Gefühl für die langfristige Richtung, die Vision von der Zukunft des Unternehmens. Strategie ist hier vor allem Sache des Unternehmers. Bemerkenswert ist, dass der Ausgang dieser Strategieschule bei einem deutschsprachigen Volkswirt angesiedelt wird, nämlich Joseph Schumpeter. Er war der zukunftsweisende Mann, der die Unternehmer in den Fokus rückte. Für ihn ist der Unternehmer nicht notwendig jemand, der das Kapital zur Verfügung stellt oder das neue Produkt erfindet, sondern derjenige, der die Geschäftsidee hat (Mintzberg et al., 2004, S. 150): „Sie  verwenden die bestehenden Produktionsmittel anders, besser und vorteilhafter. Sie führen ‚neue Kombinationen ein‘ (Schumpeter, 1934, S. 132 nach Mintzberg et al., 2004) … Und ihr Gewinn … ist ein unternehmerischer Gewinn.“ Für Schumpeter ist das Erfolgsgeheimnis eines „echten Unternehmers“ die „neue Kombination“: „Tun neuer Dinge oder im andersartigen Tun von Dingen, die bereits getan wurden“ (Schumpeter, 1947, S. 151 nach Mintzberg et al., 2004).

4.3 Strategiekonzeptionen

57

War es bei Schumpeter noch mehr der Unternehmensgründer, der im Fokus stand, so wurde der Begriff des Unternehmers in der späteren Literatur der Denkschule ausgedehnt und verallgemeinert. Bei Mintzberg finden wir folgende Charakterisierung einer unternehmerischen Persönlichkeit in Abgrenzung zur administrativen Persönlichkeit: • der „ständig nach Veränderungen in der Umwelt Ausschau hält, die auf eine positive Chance hindeuten können, während der [Administrator] … bestrebt ist, die Ressourcen zu schützen, und defensiv auf die mögliche Gefahr ihrer Ausbeutung reagiert“. Darüber hinaus „gehen Unternehmer rasch von der Entdeckung einer Chance zu ihrer Nutzung über. Sie sind die Straßenhändler, die beim ersten fernen Donnergrollen wie aus dem Nichts mit Regenschirmen auf der Manhattan Street auftauchen“. Daher sind ihre Handlungen meist „revolutionär und kurzfristig ausgerichtet“, während die Handlungen der Administratoren „evolutionär mit einer langfristigeren Ausrichtung“ sind. • dass Unternehmer in ihren Entscheidungen bisweilen sehr einseitig sind: Sie neigen zu „übermäßigem Optimismus“ und einer „zu starken Verallgemeinerung von neuen Merkmalen oder Beobachtungen“. Trotzdem kann „übermäßiger Optimismus sehr hilfreich sein, wenn es um die Implementierung einer spezifischen Entscheidung und darum geht, andere ebenfalls zu begeistern“. Tatsächlich wäre „das Chancenfenster zu dem Zeitpunkt, an dem alle notwendigen Informationen für eine rationalere Entscheidung zur Verfügung stehen, oft schon wieder geschlossen“. • dass „Unternehmer Szenarien erheblich positiver bewerten als [ihre] andere Untergebene … d. h., Unternehmer nahmen mehr Stärken als Schwächen, mehr Chancen als Bedrohungen und mehr Aussichten auf Erfolg als Misserfolgspotential wahr“. • Bird führte diesen Gedanken weiter, indem er die Unternehmerpersönlichkeit im Guten und im Schlechten mit dem römischen Gott Merkur gleichsetzte. Empirische Studien haben ergeben, dass viele Unternehmer die Eigenschaften Merkurs zeigen; sie sind gesellschaftlich gewandte, autonome Persönlichkeiten mit einem unterdurchschnittlich ausgebildeten Bedürfnis nach Kollegialität, Konformität, Beistand und persönlicher Zuneigung.

4.3.3.2 Merkmale unternehmerischer Strategie Was sind nun die Merkmale von unternehmerischer Strategie? Im Zentrum unternehmerischer Strategie steht die • Suche nach neuen Chancen, will heißen im steuerlichen Bereich die Steuerchancen. • Die möglichen Probleme sind zweitrangig. Das beschreibt der Management-Guru Peter Ferdinand Drucker3 so: „ Unternehmertum verlangt, dass die wenigen verfügbaren guten Leute eingesetzt werden, um die Chancen wahrzunehmen, statt ihre Energie für die ‚Problemlösung‘ zu verbrauchen.“

3

 Noch ein Ökonom mit deutschsprachigen Wurzeln.

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4  Strategie als eigenständige betriebswirtschaftliche Disziplin

• Vision statt formaler Pläne • Dass sich nicht viele Entrepreneure die Mühe machen, genaue Pläne auszuarbeiten – und das aus gutem Grund. Sie reüssieren in sich rasant verändernden Industrien und Nischen, welche die etablierten Unternehmen abschrecken. Und unter diesen fließenden Bedingungen ist die Fähigkeit, sich auf die jeweiligen Gegebenheiten einzustellen, viel wichtiger als sorgfältige Planung … • starke Stellung des Unternehmers in der Unternehmensorganisation • Expansion als vorrangiges Ziel, und zwar häufig in großen Sprüngen. Es wurde viel von Visionen gesprochen. Was versteht die Unternehmerische Schule darunter? Eine Unternehmensvision ist etwas, was ein Unternehmen von allen anderen abhebt und sie zu einer einzigartigen Institution macht. Es ist weit mehr als die Nummer 1 auf einem Markt zu sein oder eine Super-Eigenkapitalrendite zu erzielen. Man muss die Visionen nicht niederschreiben. Sie ist so stark und beherrschend, dass der Unternehmer sie nie vergisst. Sie gibt das Gefühl für die langfristige Richtung. Sie ist ein Ziel, das verlockt. Sie wird nicht umgesetzt durch Pläne und Programme sondern durch „Ärmel aufkrempeln“.

4.3.3.3 Kritische Würdigung Nach Mintzberg trägt diese Schule zu einigen wichtigen Aspekten von Strategie bei: • vor allem das hohe Maß an Richtung, das die gewählte Vision bewirken kann • die Originalität und Einzigartigkeit der Strategie im Gegensatz zu der weit verbreiteten Strategie, erfolgreiche Unternehmen einfach zu kopieren. Die von einem einzigen Unternehmer geprägte und getragene Strategie ist mit hohen Risiken verbunden, weil die ganze Strategie mit einem einzigen Menschen steht und fällt. Besser ist es ein Unternehmen aufzubauen, das unabhängig von der Schaffenszeit eines Unternehmers durch alle seine Lebenszyklen hindurch erfolgreich sein kann. Die unternehmerisch geprägte Strategie ist vor allem für folgende Unternehmenssituationen geeignet: • neu gegründete Unternehmen (Start-Ups) • Kleinunternehmen. Als interessantes Beispiel nennt Mintzberg den Einzelhandel in der Form des lokalen Unternehmens in einer klar abgegrenzten räumlichen Nische, das das Standardrezept der Branche adaptiert. Diese Unternehmen unterscheiden sich nur durch ihren Standort, also z. B. die Tankstelle an einer bestimmten Ortsausfahrt (Mintzberg et al., 2004, S. 173).

4.3 Strategiekonzeptionen

59

Interessant ist, dass in diesem Zusammenhang der Begriff „Steuern“ (die einzige Stelle im Buch) fällt, nämlich bezogen auf Finanzämter als Beispiel für eine Organisation, die Steuern eintreiben und die sich in strategischer Hinsicht nur durch ihren Standort unterscheiden, hier nämlich die Steuern in einem bestimmten Land einzutreiben (Mintzberg et al., 2004, S. 173). Da ist es thematisch nicht weit zu dem Thema, auf das der Fokus des Buches gerichtet ist.

4.3.4 Verständnis von betriebswirtschaftlicher Strategie Was die Bewertung der Konzeptionen angeht, so liegt die Wahrheit, wie so häufig, in der Mitte: In der Praxis sind Strategien eine Mischung aus geplanten und emergenten Komponenten. Sicher können aus empirisch beobachteten emergenten strategischen Erfolgen wichtige Kenntnisse für die strategische Planung gewonnen werden (Kritisch Macherzina & Wolf, 2018, S. 648 f.). Allerdings können emergente Strategiephänomene ohne einen theoretischen Überbau nicht erkannt, eingeordnet bzw. gefördert werden. Deshalb hält es Welge (Welge et al, 2017, S. 23, 41) für sinnvoll zuerst eine formale, idealtypische Konzeption von Strategie zu entwickeln, mit der dann auch die emergenten strategischen Entwicklungen „eingefangen“ und unterstützt oder unterbunden werden können. So steht am Anfang denn folgerichtig eine Festlegung, was den Namen Strategie aus betriebswirtschaftlicher Perspektive verdient: Basierend auf dem klassischen Strategieverständnis wird Strategie verstanden als eine grundsätzliche, langfristige Orientierung eines Unternehmens gegenüber ihrer Umwelt zur Verwirklichung langfristiger Ziele (Welge et al., 2017, S. 24), die durch einen bewussten Planungs- und Entscheidungsprozess gewonnen wird. Hinter Strategie verbirgt sich ein spezifisches Denken • wo es um die Richtung, den Kurs, eines Unternehmens geht • wo es um Themen von signifikanter Relevanz für Unternehmen geht (Müller-Stewens & Lechner, 2016, S. 22 f.). Vorrangig geht es in einem ersten Schritt um die inhaltliche Formulierung von Strategie. Kurz gesagt: Strategie ist eine Orientierung für das Handeln von Unternehmen und Unternehmern, die vor allem planerisch erarbeitet wird. Demgegenüber wird unter Strategischem Management der Prozess verstanden, in dessen Mittelpunkt die Umsetzung von Strategiekonzepten in Unternehmen, aber auch beim Unternehmer, steht und mit dem angestrebt wird, die Entwicklung von Unternehmen zu gestalten (Müller-Stewens & Lechner, 2005, S. 20).

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4  Strategie als eigenständige betriebswirtschaftliche Disziplin

Literatur Barney, J. B. (1997). Gaining and sustaining competitive advantage. Pearson Education. Becker, F. G. (2018). Strategische Unternehmensführung. Erich Schmidt. Becker, J. (2019). Marketing-Konzeption. Grundlagen des ziel-strategischen und operativen Marketing-­Managements. Franz Vahlen. Crainer, S., & Dearlove, D. (2006). Der Atlas des Managements: Navigationshilfen für die Reise durch die Business-Welt. Landsberg: Verlag Moderne Industrie. Macharzina, C., & Wolf, J. (2018). Unternehmensführung. Springer Gabler. Mintzberg, H., Ahlstrand, B., & Lampel, J. (2004). Strategy Safari, Eine Reise durch die Wildnis des strategischen Managements. Wirtschaftsverlag Carl Ueberreuter. Müller-Stewens, G., & Lechner, C. (2005). Strategisches Management. Schäffer-Poeschel. Müller-Stewens, G., & Lechner, C. (2016). Strategisches Management. Schäffer-Poeschel. Schumpeter, J. A. (1934). The theory of economic development. University Press. Schumpeter, J. A. (1947). “The creative response in economic history”, The Journal of Economic History, 7, 149–159. Welge, M.  K., Al-Laham, A., & Eulerich, M. (2017). Strategisches Management, Grundlagen-­ Prozess-­Implementierung. Springer Gabler. Wüthrich, H. A. (1991). Neuland des strategischen Denkens. Gabler.

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Zusammenfassung Stufe 1 Strategie und BWL

Strategie hat heute Eingang gefunden, sowohl in die Allgemeine BWL als auch in Diszi­ plinen wie Management, Controlling, Marketing, nicht aber wirklich in Steuern. Strategie ist inzwischen auch eine eigenständige betriebswirtschaftliche Disziplin, die sich seit den 60er-Jahren stürmisch entwickelt hat von einer zunächst verlängerten opera­ tiven Planung zu einer strategischen Planung, die sich deutlich von formaler Planung un­ terscheidet, mit verschiedenen Strömungen: • mit unterschiedlichen Definitionen, Festlegungen, Abgrenzungen –– mit oder ohne Visionen –– mit oder ohne Ziele –– mit oder ohne Struktur –– mit oder ohne Umsetzung • mit unterschiedlichem Umfang an Planung –– geplante und/oder –– ungeplante Strategien • mit unterschiedlichen – auch ländertypischen – Schwerpunkten und Konzeptionen –– mehr Inhalt, mehr Konfiguration oder –– mehr Prozess, mehr Transformation –– mehr präskriptiv, mehr deskriptiv. In der Allgemeinen BWL und in der Steuer-BWL im besonderen tut man sich indes nicht so leicht mit der Anerkennung und Integration der Forschungsergebnisse der betriebswirt­ schaftlichen Strategiedisziplin: So findet die strategische Planung in der „Bibel“ der deutschen Allgemeinen BWL erst richtig Beachtung in der 27. Auflage im Jahr 2020 anlässlich der weltweiten Coronakrise:

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 H. Keuler, Steuern und Strategie, https://doi.org/10.1007/978-3-8349-3675-2_5

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5  Zusammenfassung Stufe 1 Strategie und BWL „Der zweite Überarbeitungsschwerpunkt betrifft das Kapitel ‚Planung und Entscheidung‘ im Zweiten Abschnitt. Im Mittelpunkt stehen jetzt die Ziele und Instrumente strategischer Pla­ nung. Die jüngsten Erfahrungen mit der Corona-Pandemie haben gezeigt, wie schnell externe Schocks operative und taktische Unternehmenspläne zur Makulatur werden lassen. Die stra­ tegische Planung wird zum Stabilitätsanker in stürmischen Zeiten: Sie dient der strategischen Krisenprävention und der Entwicklung von Geschäftsmodellen, die auch in Krisenzeiten Be­ stand haben.“ (Wöhe, 2020, S. VI)

Gemeinsam ist allen Beschäftigungen mit Strategie eine Orientierung für unternehme­ risches Handeln zur Sicherung der Existenz zu gewinnen. Und daran schließt sich die spezifische Frage an, inwieweit Beschäftigung mit Strategie im Steuerbereich einen Bei­ trag dazu leisten kann.

Literatur Wöhe, G. (2020). Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Franz Vahlen.

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Einordnung von Strategie und Steuern in der BWL

Im Fokus des Kap. 6 steht als erster Schritt zur Entwicklung von theoretischen Grundlagen für eine steuerliche Strategie die Überlegung, wo diese verortet ist. Das wird anhand von vier Dimensionen dargestellt: • Wo ist Steuerstrategie im System der Unternehmensstrategie einzuordnen? • Wo ist Steuerstrategie im Aufgabensystem der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre einzuordnen? • Wo ist Steuerstrategie in der Gewinn- und Verlustrechnung einzuordnen? • Wo ist Steuerstrategie in der Umwelt des Unternehmens einzuordnen? Vor dem Hintergrund der vorgenommenen Einordnungen wird abschließend die Bedeu­ tung des Steuerbereichs gewürdigt im Hinblick darauf, inwieweit eine separate steuerstra­ tegische Planung ihre Berechtigung hat.

6.1 Stellung von Steuerstrategie im System der Corporate Strategy Während es auf Stufe 1 unter anderem darum ging, wo Strategie in der BWL verortet ist, ist es nun von Interesse zu schauen, wo die Steuern bzw. deren Strategie in der BWL einzuordnen sind. Unter funktionalen Aspekten sind die Steuern im Unternehmen der Querfunktion Recht zuzuordnen (Thommen et al., 2017, S. 19). Bei dieser Unternehmensfunktion geht es zum einen um die Einhaltung der steuergesetzlichen Vorschriften, zum anderen um die Wahrnehmung von Chancen, die sich durch Ausnutzung steuerrechtlicher Gestaltungs-

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 H. Keuler, Steuern und Strategie, https://doi.org/10.1007/978-3-8349-3675-2_6

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6  Einordnung von Strategie und Steuern in der BWL

möglichkeiten bei der Realisierung der Leistungserstellung eines Unternehmens ergibt; und zwar grundsätzlich in allen Funktionsbereichen, im Besonderen hier im Bereich der Steuern. Betriebswirtschaftlich werden regelmäßig drei strategische Planungsebenen unterschieden: • • • •

Gesamtunternehmen (Corporate Strategy) Geschäftsbereiche (Business Strategy) Funktionen (Functional Strategy) (Welge et al., 2017, S. 469; Macharzina & Wolf, 2018, S. 304, 465; Weber & Schäffer, 2020, S. 393; Steinmann et al., 2013, S. 162; Homburg, 2000, S. 12 f.).

Die beiden letzten Strategien werden auch als abgeleitete Strategien bezeichnet. Darüber gibt es die Corporate Strategy, auch als Normstrategien bezeichnet, die die generelle Stoßrichtung des Gesamtunternehmens festlegt (Homburg, 2000, S. 12 f.). Steuerstrate­ gie ist in der Klasse der funktionalen Strategien einzuordnen neben grundfunktionalen Strategien, wie z. B. Marketingstrategien, neben querfunktionalen Strategien, wie Perso­ nalstrategien. Die Stellung der Steuerstrategie im System der Corporate Strategy macht Abb. 6.1 deutlich.

Corporate Strategy







Abgeleitete Strategien Funktionalstrategien

  

Beschaffungsstrategie

Produktionsstrategie

Marketingstrategie

Geschäftsbereichsstrategien

Operative Planung

Abb. 6.1  Stellung der Steuerstrategie im System der Unternehmensstrategie

Steuerstrategie

6.2  Steuerstrategie im Aufgabensystem der steuerlichen BWL

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6.2 Steuerstrategie im Aufgabensystem der steuerlichen BWL In der BWL wird der Steuerbereich als Teilgebiet der Allgemeinen BWL aufgefasst, also keine spezielle BWL, wie z.  B. die Bankbetriebslehre, sondern eine steuerliche BWL (Kußmaul, 2020, S. 1). Der Hauptgrund für die Ausgliederung des Steuerbereichs in eine betriebswirtschaftlichen Steuerlehre liegt in der hohen Komplexität, die die Steuergesetze mit sich bringen. Dabei hat die betriebswirtschaftliche Steuerlehre vor allem folgende Aufgaben (Rose, 1992, S. 16 ff.; Schneider, 2002, S. 100; Kußmaul, 2020, S. 1 f.): 1. Wirkungen von Steuern auf Entscheidungen von Unternehmen und Unternehmern untersuchen und bestimmen 2. Auf Basis der Kenntnis der Steuerwirkungen und dem Ziel von Unternehmen und Unternehmern, das Nettoergebnis des unternehmerischen Handelns zu maximieren, d. h. die Steuern so zu planen, dass die Steuerbelastung minimiert wird. Dieses Tax Planning ist zukunftsgerichtet und orientiert sich an spezifisch betriebswirtschaftlichen Kenntnissen oder Prinzipien und Methoden. Unternehmen müssen Steuergesetze und die Wirkungen der Steuern auf die betrieblichen Bereiche kennen bzw. die Auswirkungen von bedeutsamen betrieblichen Entscheidungen auf die Steuerbelastung. Besondere Auswirkungen haben die folgenden Entscheidungen (Scheffler, 2020, S. V): • Entscheidung über die Rechtsform eines Unternehmens • Investitionsentscheidungen • Entscheidungen über die Finanzierung • Gewinnausweisentscheidung (Steuerbilanzpolitik) • Entscheidungen über die Standortwahl. Auf dieser Basis soll der Kapitalwert der Steuerbelastung mit betriebswirtschaftlich orientierten Gestaltungen minimiert werden. 3. Zur Umsetzung der betriebswirtschaftlichen Steuerplanung sind unter Rückgriff auf steuerjuristische Kenntnisse und Methoden entsprechende tatsächliche und rechtliche Strukturen und Konstellationen (Konstitutionen; Rose, 1992, S. 75 ff.) zu suchen und zu formen, wobei zu beachten ist, dass der Steuerfaktor in ein betriebswirtschaftliches Entscheidungssystem eingebunden wird: Unternehmen werden nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen gesteuert, es darf nicht nach Steuern gesteuert werden (Albach, 2000, S. 468). Steuerstrategie ist dem zweiten Aufgabenbereich „Planen“ zuzuordnen. Der Zusammenhang zwischen diesen drei Aufgaben der steuerlichen BWL, speziell für die Zielgruppen dieses Buches, Unternehmen und Unternehmer, lässt sich formal als hierarchisches System darstellen (vgl. Abb. 6.2).

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6  Einordnung von Strategie und Steuern in der BWL

Aufgabenbereich

Tätigkeit

Steuerwirkungen

analysieren

 Steuerplanung, Ausrichtung, Ziele und Optionen



planen

Steuerstrategie

 Steuerliche Strukturen und Konstellationen

gestalten

Abb. 6.2  Stellung von Steuerstrategie in der steuerlichen BWL

Im Aufgabensystem der steuerlichen BWL ist Steuerstrategie auf der Ebene der Steuerplanung verortet. Insofern ist der Ansatz von Steuerstrategie hier ein „Planning ap­proach“ (Scholes et al., 2009, S. 3). Aus der Hierarchie der Aufgaben leitet sich der steuerliche Entscheidungsprozess ab (Wöhe, 2020, S. 46),1 der in Abb. 6.3 dargestellt ist.

Schritte 1

Analyse

2

Planung

3

Gestaltung

4

Entscheidung

5

Handeln

6

Kontrolle

7

Steuerung

Abb. 6.3  Der steuerliche Entscheidungsprozess

1

 Mit Verweis auf Gutenberg.

6.4 Steuern als Umweltfaktor

67

6.3 Steuern als Kostenfaktor Albach ordnet die BWL nach der Gewinn- und Verlustrechnung (Albach, 2000, S. IX– XVII). Nachdem das Unternehmen das Betriebsergebnis erwirtschaftet hat, kommen die einzelnen Stakeholder mit ihren Ansprüchen an das Unternehmen. Unter anderem auch der Staat als Stakeholder mit seinen Ansprüchen auf Steuern. In der GuV zeigt die Position „Steuern vom Einkommen und Ertrag“ an, dass der Staat am Erfolg des Unternehmens beteiligt ist. Für Personengesellschaften gilt, dass in den Gewinnentnahmen regelmäßig „verdeckt“ die Einkommensteuern enthalten sind, die die Unternehmer bzw. Gesellschafter zahlen müssen. Demgegenüber repräsentieren Steuern für Scholes et al. einfach eine von vielen „business costs“ (Scholes et al., 2009, S. 2). Jacobs spricht von „Steuerkosten“ und zitiert: „Steuern, die vermieden werden können, sind unnötige Kosten“ (Haarmann, 2015, S. 26 in Jacobs, 2016, S. 885). Nach Rose sind Steuern regelmäßig ein bedeutender Kostenfaktor (Rose, 1992, S. 3). Die Albachsche Einordnung als Verteilung des Gewinns2 (siehe Wagner, 2021, S. 303 f.) geht einher mit der landläufigen Auffassung, dass sich diese Ausgaben der Beeinflussung durch das Management entziehen. Das drückt sich ebenso in der Ergebnisgröße EBIT aus, die als zentrale Größe für das Management des Unternehmens angesehen wird, weil davon ausgegangen wird, dass bis zu dieser GuV-Größe der Unternehmer/Manager Erlöse und Kosten maßgeblich durch entsprechendes Management beeinflussen kann, also nur Management „before tax“. Das impliziert, dass die Position Tax als wenig beeinflussbar angesehen wird, ja, dass es bei Tax nur um ein Gewinnverteilungsthema, nicht um ein Gewinnfaktorthema geht. Wenn Steuern, wie nach Scholes oder Jacobs als eine Kostenart unter Vielen angesehen werden, so steckt dahinter die Auffassung, dass Steuern wie andere Kosten einem Management unterzogen werden können, insbesondere auch einem strategischen Steuermanagement, wie die Untersuchung es proklamiert: Regelmäßig können bzw. sollen Kosten beeinflusst werden (Jacobs, 2016, S. 2, 885). Die Steuerkosten können wie andere Kosten gemanagt werden (Menner & Tauser, 2002, S. 307). Für die Steuern gilt dann die Maxime: Steuern steuern!

6.4 Steuern als Umweltfaktor Bei der betriebswirtschaftlichen Betrachtung der Umwelt des Unternehmens sind ein Aspekt die Stakeholder- bzw. Anspruchsgruppen (Thommen et al., 2017, S. 12; Müller-­Stewens & Lechner, 2016, S. 25 f.),3 wobei unter Stakeholder jeder zu verstehen ist, der einen Anspruch an das Unternehmen hat. Was Steuern angeht, so ist der Stakeholder der Staat,4 der  Normativer Stakeholder-Ansatz.  Nach Wagner, StuW 4/2021, S. 311 wird „der Fiskus von der Stakeholder-Analyse nicht beachtet“, weder vom normativen noch vom instrumentellen Ansatz. 4  Daneben gibt es noch die Kirche, die indirekt Ansprüche via Kirchensteuer hat. 2 3

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6  Einordnung von Strategie und Steuern in der BWL

• die Einhaltung der Steuergesetze verlangt und • aus denen finanzielle Ansprüche auf Steuerzahlungen resultieren. Der Staat tritt auf mit diversen steuerorientierten Institutionen: • Finanzministerien und anderen Finanzbehörden mit den handelnden Personen; an vorderster Front die Finanzämter mit ihren Beamten • aber auch in Form von Steuergerichten. Die Ansprüche manifestieren sich in Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien, Erlassen, Urteilen etc. Diese stellen für Unternehmen das Umweltdatum „Steuerrecht“ dar (Schneider, 2002, S. VI). Die Beziehungen zwischen Unternehmen und ihrer Umwelt sind von hoher Komplexität und Dynamik geprägt. Das trifft auch für die Steuersphäre zu. Es können Differenzen bezüglich der Ziele oder der Erwartung zwischen Unternehmen und dem Stakeholder-­Staat auftreten: Konkret handelt es sich um steuerliche Risiken, wie z. B. die Aufdeckung stiller Reserven, die Hindernisse auf dem Weg zum Ziel darstellen und die bei der Umsetzung der Steuerstrategischen Planung einbezogen werden müssen. Das aktive Management dieser Konstellation wird als Issue-Management bezeichnet (Thommen et  al., 2017, S. 14 f.). Speziell für den Steuerbereich erscheint ein aktives steuerstrategisch orientiertes Issue-­ Management sinnvoll, um durch ständige Beobachtung der Steuerumwelt frühzeitig steuerliche Probleme zu erkennen. Aus der vorgenannten Perspektive ist die Steuerumwelt ein Segment, ein Datum der Umwelt von Unternehmen (Schneider, 2002), eine Art strategisches Geschäftsfeld (Welge et al., 2017, S. 475), für das es einer besonderen Strategie auf Basis einer spezifischen Analyse von Chancen und Risiken (Mintzberg et al., 2004, S. 44 f.) bedarf5 (siehe Wagner, 2021, S. 304).

6.5 Würdigung des Steuerbereichs Der Bereich Steuern macht eigentlich nur einen ganz kleinen Teilbereich eines Unternehmens aus: eine untergeordnete Querfunktion. Und der Staat ist einer von vielen Stakeholdern mit vielen Ansprüchen, und einer von den Ansprüchen sind die Steuern. Demgegenüber schlägt sich dieser Bereich monetär aber in der Gewinn- und Verlustrechnung angesichts hoher Steuerbelastungen als ein wirkliches Schwergewicht (Rose, 1992, S. 15) nieder. Auf den Punkt gebracht: Steuern sind • funktional ein Leichtgewicht • monetär ein Schwergewicht. 5

 Instrumenteller Stakeholder-Ansatz.

Literatur

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Literatur Albach, H. (2000). Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Gabler. Beeck, V. (2007). Grundlagen der Steuerlehre. Gabler. Haarmann, W. (2015). Steuerrecht 2014/2015 – eine Anamnese. dfv Mediengruppe. Homburg, C. (2000). Quantitative Betriebswirtschaftslehre. Gabler. Jacobs, O. H. (2016). Internationale Unternehmensbesteuerung. C.H. Beck. Kußmaul, H. (2020). Betriebswirtschaftliche Steuerlehre. De Gruyter/Oldenbourg. Macharzina, C., & Wolf, J. (2018). Unternehmensführung. Springer Gabler. Menner, S., & Tauser, K. (2002). Unternehmenssteuerreform – Unternehmenskauf, Stapled Stocks, Tracking Stocks, Private Equity und Stock Options in Booz Allen Hamilton/Strategic Corporate and Finance, S. 307–408. Wirtschaftsverlag Carl Ueberreuter. Mintzberg, H., Ahlstrand, B., & Lampel, J. (2004). Strategy Safari, Eine Reise durch die Wildnis des strategischen Managements. Wirtschaftsverlag Carl Ueberreuter. Müller-Stewens, G., & Lechner, C. (2016). Strategisches Management. Schäffer-Poeschel. Rose, G. (1992). Betriebswirtschaftliche Steuerlehre. Gabler. Scheffler, W. (2020). Besteuerung von Unternehmen III, Steuerplanung. C.F. Müller. Schneider, D. (2002). Steuerlast und Steuerwirkung, Einführung in die steuerliche Betriebswirtschaftslehre. R. Oldenbourg. Scholes, M. S., Wolfson, M. A., Erickson, M., Maydew, E. L., & Shevlin, T. (2009). Taxes and business strategy, a planning approach. Pearson Education. Steinmann, H., Schreyögg, G., & Koch, J. (2013). Management. Springer Gabler. Thommen, J.-P., Achleitner, A.-K., Gilbert, J. U., Hachmeister, D., & Kaiser, G. (2017). Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Umfassende Einführung aus managementorientierter Sicht. Springer Gabler. Tipke, K., & Lang, J. (2018). Steuerrecht. Verlag Dr. Otto Schmidt. Wagner, F.  W. (2021). Hat die Stakeholder-Theorie die Unternehmensbesteuerung übersehen? Steuer und Wirtschaft, 98(4), 298–312. Weber, J., & Schäffer, U. (2020). Einführung in das Controlling. Schäffer-Poeschel. Welge, M.  K., Al-Laham, A., & Eulerich, M. (2017). Strategisches Management, Grundlagen-­ Prozess-­Implementierung. Springer Gabler. Wöhe, G. (2000). Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Franz Vahlen. Wöhe, G. (2020). Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Franz Vahlen. Wöhe, G., & Bieg, H. (1995). Grundzüge der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre. Franz Vahlen.

7

Definition von Steuerstrategie

In diesem Kapitel geht es darum, Festlegungen zu treffen, was den Namen Steuerstrategie im betriebswirtschaftlichen Sinne verdient. Grundlagen dazu werden aus zweierlei Sicht geschaffen: • einmal auf Basis der Definition von Mintzberg mit ihren fünf Grundpfeilern, die sich sehr gut für Steuerstrategie eignen • zum anderen über vier für relevant gehaltene Wesensmerkmale, die den genetischen Code von Steuerstrategie darstellen. Aus beiden Ansätzen wird eine Definition als Ergebnis gewonnen, die beschreibt, was aus betriebswirtschaftlicher Sicht unter Steuerstrategie zu verstehen ist. Die beiden Ansätze werden verdichtet zu einer Marke als bildliche Vorstellung mit klarer Kontur, die eine Vorder- und Rückseite hat.

7.1 Vorgehen „Über Begriffe lässt sich trefflich streiten. Doch ist eine Sprachregelung unverzichtbar darüber, welche Inhalte einzelnen Begriffen beigelegt werden.“ (Schneider, 2002). Eine Definition schlechthin gibt es nicht. In Kap. 4, Abschn. 4.2 wurde dargelegt, dass der Strategieprofessor Henry Mintzberg neben der klassischen Definition vier weitere Definitionen identifiziert hat. Der Begriff der Steuerstrategie kommt in Wissenschaft und Praxis nur vergleichsweise selten vor. Wenn der Begriff denn überhaupt in der Steuerwissenschaft und -praxis verwandt wird, dann in unterschiedlichster Bedeutung und in einem hier nicht gewollten Sinn. In der Praxis wird er oft missbraucht; weil ihn eine Aura des Besonderen umgibt kann man mit ihm „Staat machen“. Das liegt auch daran, „dass Strategie eines jener Wörter ist, die wir gern auf

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 H. Keuler, Steuern und Strategie, https://doi.org/10.1007/978-3-8349-3675-2_7

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7  Definition von Steuerstrategie

eine bestimmte Weise definieren, jedoch auf eine anderen Weise verwenden“ (Mintzberg et al., 2004, S. 23). Die Folge ist ein sehr diffuser Begriff. Genauso wie dem Metermaß aber als Maßstab die Einheit „Meter“ zugewiesen wurde, ist es deshalb sinnvoll als Basis dem Begriff eine Bedeutung zuzuschreiben. So wird denn am Anfang eine Festlegung getroffen, was den Namen Steuerstrategie im betriebswirtschaftlichen Sinne verdient. Die Begriffsbestimmung wird aus fünf verschiedenen Blickwinkeln angegangen: ( 1) Zunächst wird der Wortentwicklung und dem Wortsinn nachgespürt. (2) Ein weiterer Ansatz ist aus der betriebswirtschaftlichen Strategie die mehrschichtige Definition von Mintzberg, die zu einer Marke Steuerstrategie verdichtet wird. Es zeigt sich, dass die fünf Grundpfeiler der Mintzbergschen Definition sehr gut für den Bereich Steuern adaptiert werden können. (3) Der dritte Ansatz versucht den Begriff über Merkmale zu bestimmen, die als zentral und bedeutend für den Begriff angesehen werden. Steuerstrategie wird ausgezeichnet mit vier zentralen Wesensmerkmalen. Hieraus lässt sich eine erste Definition ableiten, die mit „Steuerstrategie im engeren Sinne“ bezeichnet wird. Das ist der genetische Code der Steuerstrategischen Konzeption und der Maßstab für „steuerstrategisch“. (4) Der vierte Ansatz arbeitet die Bedeutung von Steuerstrategie anhand eines einfachen Modells heraus. (5) Im letzten Ansatz wird eine Definition über die Elemente von Steuerstrategie aus konzeptioneller Sicht gesucht (Homburg, 2000, S. 12). Dieser Ansatz geht aus vom steuerlichen Umfeld von Steuerstrategie. Mit diesem wird versucht, Steuerstrategie konzeptionell einzuordnen bzw. abzugrenzen. Ausgangspunkt ist die betriebswirtschaftliche schlüssige Strukturierung des steuerlichen Bereichs von Unternehmen und Unternehmern, die als Steuer-Konzeption bezeichnet wird. In der Steuer-­ Konzeption werden die verschiedenen betriebswirtschaftlich-steuerlichen Planungsberei­ che bzw. deren Bestandteile in eine logische Ordnung gebracht. Der Einordnung ins steuerliche Umfeld folgt die Einordnung ins wirtschaftliche Umfeld von Unternehmen und Unternehmern. Als Ergebnis der konzeptionellen Strukturierungsbemühungen wird eine Definition abgeleitet, mit der Steuerstrategie im umfassenden Sinne begrifflich und inhaltlich bestimmt wird. Die definitorischen Bemühungen zeigen, dass das strategische Steuerverständnis sich grundlegend vom klassischen Steuerverständnis unterscheidet.

7.2 Etymologische Ansatzpunkte Steuerstrategie ist eine Wortschöpfung, die aus den beiden Wörtern „Steuer“ und „Strategie“ besteht. Entsprechend der überragenden Bedeutung für die Arbeit fangen wir mit der begrifflichen Untersuchung für das Wort „Strategie“ an:

7.2  Etymologische Ansatzpunkte

73

Etymologisch ist Strategie auf griechisch strat-êgia zurückzuführen, was so viel bedeu­ tet wie geschickte Heerführung oder Feldherrenkunst (Müller-Stewens & Lechner, 2016, S. 8; Baum et al., 2007, S. 1). Der Begriff hat also militärische Wurzeln, hat mit Krieg zu tun und ist insofern ein negativ beladener Begriff. „Der Gipfel der Kunst besteht darin, die feindlichen Kräfte kampflos zu unterwerfen“ schrieb der chinesische Philosoph Sun Tzu bereits vor über 2000 Jahren in seinem Werk „Die Kunst des Krieges“ (Der Atlas des Managements, 2006, S. 76). Was kann für die Steuerstrategie mitgenommen werden: vor allem, dass Strategie eine Kunst ist. Übersetzt in den Bereich der Steuerpraxis: Ist Steuerstrategie vielleicht die hohe Kunst der Steuerberatung? Das klingt ganz nett, gibt aber nicht sonderlich viel für unser Bemühen herauszufinden, was mit Steuerstrategie gemeint ist, her. Als allgemeine Definition können wir im Duden (Duden, Bedeutungswörterbuch, 1985, S. 619) lesen: Genauer Plan für ein Verhalten, der dazu dient, ein … Ziel zu erreichen, und in dem man diejenigen Faktoren, die in die eigene Aktion hineinspielen könnten, von vornherein einzukalkulieren versucht.

Diese Definition gibt schon mehr her. Danach ist Strategie ein Plan (Duden, Bedeutungswörterbuch, 1985, S. 619), der wiederum definiert wird als Überlegungen, die sich auf die Verwirklichung eines Zieles richten. Besonderheit dieses Planes ist die Einbeziehung von externen Faktoren, die die Zielerreichung stören können (Störfaktoren). Im 19.  Jahrhundert ragen die Ausführungen zur Militärwissenschaft von Clausewitz heraus. „Er zieht Parallelen zwischen Militär und Wirtschaft und öffnet damit der Übertra­ gung militärischen Gedankenguts in die Ökonomie die Tür“ (Müller-Stewens & Lechner, 2016, S. 8). In der BWL tritt der Begriff ab 1947 in den Überlegungen von Oskar Morgenstern und John von Neumann auf, die aus einem spieltheoretischen Kontext den Strategiebegriff einführen. Strategien werden hier als Maßnahmen verstanden, die es dem Unternehmen erlauben, Umfeldveränderungen zu antizipieren bzw. flexibel hierauf zu reagieren (Baum et al., 2007, S. 2). Das soll zunächst mal so stehen bleiben. In Gablers betriebswirtschaftlichem Lexikon findet sich folgende Definition (Stichwort Strategie, 2023): Strategie wird definiert als die grundsätzliche langfristige Verhaltensweise … der Unterneh­ mung und relevanter Teilbereiche gegenüber ihrer Umwelt zur Verwirklichung der langfristen Ziele.

Der Begriffsteil Steuer ist rechtlich definiert. In §  3 Abs.  1 AO sind Steuern danach (Zimmermann & Henke, 2005; Schneider, 2002, S. 4):

74

• • • •

7  Definition von Steuerstrategie

Geldleistungen ohne Anspruch auf Gegenleistung für ein öffentlich-rechtliches Gemeinwesen die allen auferlegt werden.

Die Definition in Gablers Wirtschaftslexikon1 (Stichwort Steuern, 2023) liest sich so: Abgaben, die ein Gemeinwesen kraft Zwangsgewalt in einseitig festgesetzter Höhe und … ohne Gewährung einer Gegenleistung … erhebt.

Da kann man den Bogen wieder zur Strategie im militärischen Sinne spannen: • es wird Geld mit Gewalt und Zwang eingefordert • ohne Gegenleistung • vom Gemeinwesen einseitig festgelegt. Das fordert geradezu eine geschickte Feldherrenkunst zur Abwehr von Zwangseingriffen heraus.

7.3 Die Marke Steuerstrategie 7.3.1 Bestimmung auf Basis der Mintzbergschen Definitionen von Strategie Die fünf Definitionen von Mintzberg sind nebeneinander gestellt auf den 1. Blick eigentlich ein Sammelsurium aus verschiedenen Richtungen. Das ist dann im Verhältnis zur klassischen Definition (Strategie gleich Plan) wie brand stretching, aber „overstretched“. Die Markendehnung funktioniert nicht mehr. Seine Definition hat nicht wirklich einen Markenkern, einen genetischen Code. Allzu viel Offenheit führt zu „zerfleddern“, es gibt keine klare Kontur (siehe bildliche Darstellung in Abb. 7.1). Demgegenüber wird hier eine klare Kontur angestrebt, die eine Marke (zur Definition von Marke siehe Meffert, 2000, S. 847) „Strategie“ sein soll, gleichzeitig versehen mit dem Etikett „Steuer“. Das ist nur möglich mit einem klar abgegrenzten Begriff, dessen Definition so einfach wie möglich ist und eine stets präsente Leitlinie im Kopf von Unternehmern und Managern ist. Deshalb wird von folgendem klassischen Strategieverständnis ausgegangen: Als Ergebnis der betriebswirtschaftlichen Darlegungen im Abschnitt „Strategie und BWL“ wurde Strategie definiert als eine grundsätzliche, langfristige Orientierung und  Gablers Wirtschaftslexikon, Stichwort  Steuern, https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/ Steuern 45766/Version-266920(abgerufenam31.07.2023). 1

7.3  Die Marke Steuerstrategie

75

1. Plan

5. List

Strategie 2. Muster

4. Perspektive

3. Position

Abb. 7.1  Die Marke Strategie nach Mintzberg

gegenüber ihrer Umwelt zur Verwirklichung langfristiger Ziele (Welge et al., 2017, S. 24), die durch einen bewussten Planungs- und Entscheidungsprozess gewonnen wird. Hinter Strategie verbirgt sich ein spezifisches Denken • wo es um die Richtung, den Kurs, eines Unternehmens geht • wo es um Themen von signifikanter Relevanz für Unternehmen geht (Müller-Stewens & Lechner, 2016, S. 22 f.). Strategie ist ein Plan für die Zukunft, • • • •

wo entscheidende Weichen gestellt werden wo eine Ausrichtung auf lange Sicht erfolgt wo der Kurs wie bei einem Schiff in rauer See festgelegt wird wo ein Weg, der von hier nach dort führt (Macharzina & Wolf, 2018, S.  256), festgelegt wird.

Und à propos Weg: Das Sprichwort „Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg“ könnte man abwandeln in „Wo eine Strategie ist, da ist auch ein Weg“. Und das Übertragen in den Steuerbereich ergibt dann Steuerstrategie.  Die Kernbotschaft lautet auch für den Bereich „Steuern“: Strategie soll – wie in Abb. 7.2 veranschaulicht – die große Handlungsrichtung vorgeben (Mintzberg et al., 2004, S. 29; Baum et al., 2007, S. 2). Steuerstrategie soll wie eine Marke ein Bild im Kopf erzeugen. Markenkern ist ein konzeptioneller Gedankenteil, der versucht, ein System in die „Un“-ordnung der Praxis zu

76

7  Definition von Steuerstrategie

Große Handlungsrichtung

 Orientierung im Steuerdschungel

Abb. 7.2  Die Kernbotschaft von Strategie

bringen. Die davon verschiedenen Ansätze anderer Schulen weisen aber Übereinstimmungen (Mintzberg et al., 2004, S. 30; Steinmann et al., 2013, S. 160) bezüglich zentraler Merkmale des Wesens steuerlicher Strategie auf, die auch für das Konzept des Buches zu­grundegelegt werden: Steuerstrategie ist • • • • •

bedeutsam komplex nicht immer bewusst; siehe Untersuchungen von Mintzberg analytisch und konzeptiv ist nicht identisch mit langfristiger Planung.

Steuerstrategie betrifft • sowohl Inhalt (hier: Band II) als auch Prozess (hier: Band III) • sowohl das Unternehmen als auch seine Umwelt; hier: steuerliche Verhaltensstrategien • sowohl das Gesamtunternehmen als auch die Geschäftsbereiche; hier: auch Teilstrategien. Der richtungsweisende Plan soll das Herzstück der hier vorgestellten Steuerstrategischen Konzeption sein. Die anderen Mintzbergschen Definitionen  • Position • Perspektive

7.3  Die Marke Steuerstrategie

77

• Muster • List werden als spezifische Bestandteile eines Plans verstanden und sind für eine umfassendere Betrachtung von Steuerstrategie hilfreich: (1) Der Grundpfeiler Position wird als Analyse interpretiert, als Ausgangspunkt eines steuerstrategischen Projektes, der die Ist-Situation bestimmt. (2) Dem Grundpfeiler Perspektive wird eine besonders große Rolle beigemessen. Der lässt sich adaptieren für eine Strategische Ausrichtung des steuerlichen Denkens von Unternehmen, aber auch von Unternehmern bzw. allgemein des Steuerbereichs. (3) Angesichts vieler Unsicherheiten im Steuerrecht, wie z. B. unterschiedliche, widersprüchliche Interpretationen von steuergesetzlichen Normen oder unvollständige und fehlerhafte Regelungen, aber auch im Verhalten der Finanzbehörden und der Rechtsprechung, wie z. B. Rechtsstreite, die sich über Jahre hinziehen, sind strategische Musterrouten sehr wichtig. Dabei kann es sich um steuerliches Verhalten handeln, das sich im Rückblick bewährt hat. (4) Schließlich macht es bis zu dem 5. Grundpfeiler von Mintzberg – List – ebenfalls zu adaptieren als grundsätzliches Verhalten gegenüber dem „Gegner“ Finanzverwaltung. Steuerstrategie lässt sich als Marke bildlich darstellen. Abb. 7.3 zeigt die Vorderseite dieser Marke.

3 P = A osi n

n tio se aly

= Ve r steu halte Li erl ich n 5

4

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2

Plan= Große Handlungsrichtung imBereich Steuern 1

P = S e r sp teu e

Abb. 7.3  Die Marke Steuerstrategie 1: Vorderseite

r ten ste Rou

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r übe st egen welt g Um er

78

7  Definition von Steuerstrategie

7.3.2 Definition I: Die Marke Steuerstrategie Steuerstrategie ist im Kern die große Handlungsrichtung im Steuerbereich. Sie ist betriebswirtschaftlich fundiert. Dieser Kern wird „ummantelt“ • • • •

von der Analyse der internen und externen Ausgangssituation von einer steuerphilosophisch geprägten Ausrichtung von der Adaption bewährter steuerstrategischer Muster von der Festlegung des grundsätzlichen Verhaltens gegenüber den steuerlichen Gegnern.

7.4 Grundsätze zur Wesensbestimmung 7.4.1 Vorbemerkungen Aufbauend auf den Ausführungen der vorhergehenden Abschnitte seien die zentralen Merkmale, die hier dem Verständnis von Steuerstrategie zugrunde liegen, als Grundsätze zur Wesensbestimmung formuliert. Diese Grundsätze bestimmen, was das bewusste strategische Denken im Steuerbereich ausmachen soll. Mit diesen lässt sich auch der steuerstrategische Charakter von Maßnahmen, Plänen, Aufsätzen, Büchern etc. einordnen.

7.4.2 Grundsatz 1: Steuerstrategie ist richtungsorientiert Wenn mit Strategie im betriebswirtschaftlichen Sinne die grundsätzliche, langfristige Verhaltensweise festgelegt wird (Welge et al., 2017, S. 24), so heißt das für den Bereich der Steuern: Steuerstrategie soll die große Handlungsrichtung eines Unternehmens oder eines Un­ ternehmers im Steuerbereich festlegen. Das ist das herausragende Merkmal von Steuerstrategie (Mintzberg et al., 2004, S. 29). Es geht nicht um einzelne Maßnahmen, das ist die operative Ebene steuerlichen Handelns, sondern um den „Überbau“ oder die große Linie, das ist die strategische Ebene steuerlichen Handelns. Bildlich gesprochen ist das komplexe und komplizierte deutsche Steuerrecht mit einem Dschungel zu vergleichen, durch den der Weg zu einem Ziel gefunden werden soll. Steuer-

7.4  Grundsätze zur Wesensbestimmung

79

Abb. 7.4  Steuerstrategie als Kompass im Paragraphen-Dschungel

strategie soll durch diesen Paragraphen-Dschungel hindurchführen und Unternehmen und Unternehmern Orientierung geben. Steuerstrategie ist insoweit ein Kompass (vgl. Abb. 7.4).

7.4.3 Grundsatz 2: Steuerstrategie ist zukunftsorientiert Das meint: • Zukunftsorientierung – und zwar langfristig – des Steuerdenkens • mit System, d. h. vor allem, aber nicht immer, bewusst • auf ein langfristiges Ziel ausgerichtet. Langfristige Zukunftsorientierung bedeutet über einen Zeitraum von mindestens 5–10 Jahren nachdenken: • Wie stelle ich mich steuerlich auf? • Welche steuerlich relevanten langfristigen Dispositionen plane ich? • Welche Disposition bezüglich meiner potenziellen Steuerlasten treffe ich für diesen Planungszeitraum? Das klassische Steuerdenken – auch in der Steuerberatungsbranche – ist traditionell rückwärtsgerichtet; sei es auf die Erledigung der steuerlichen Ermittlungs- und Erklärungspflichten (Deklarationsberatung), sei es auf die Durchsetzung der Abwehr von steuerlichen Ansprüchen (Durchsetzungsberatung). Heute noch ist diese Denkweise – zumindest bei KMU – vorherrschend. Steuerstrategie bedeutet, die Zukunft ins Visier zu nehmen. Nicht im Oktober eines Jahres für Gestaltungen zum Jahresende oder für die Planung der Vorauszahlungen des nächsten Veranlagungsjahres. Das ist kurzfristige Steuerplanung. Nein, steuerstrategisches

80

7  Definition von Steuerstrategie

Denken richtet sich auf die mindestens mittel- oder besser noch langfristige Zukunft. Steuerstrategie ist langfristig gepolt. Aber oben wurde dargestellt, dass sie mehr ist als langfristige Planung:2 Trotz der Langfristigkeit können steuerstrategische Entscheidungen einen überaus kurzfristigen Horizont haben, ohne auch nur im Mindesten den Charakter steueroperativen Handelns anzunehmen. Man denke nur an gravierende Änderungen der Steuergesetze kurz vor Jahresende. Da sind möglicherweise kurz-fristige Entscheidungen – z. B. zur Änderung der steuerlichen Aktivitätssphäre  – mit strategisch bedeutsamem Charakter notwendig. Strategische Entscheidungen haben eine hohe Bedeutung für die Vermögens- und Er­ folgslage von Unternehmern und Unternehmen. Es handelt sich um „große“ Entscheidungen (Steinmann et al., 2013, S. 155, 163; Hopfenbeck, 2002, S. 567). Klassisch ist auch das Aktivwerden, wenn es neue Steuergesetze gibt. Das ist sicher nicht verkehrt. Aber systematisch heißt unabhängig von Aktivitäten des Gesetzgebers Beschäftigung mit langfristigen Aspekten des Steuerbereichs zu Zeiten, in denen es nach eigener Ansicht sinnvoll ist, sich damit zu beschäftigen: • und zwar regelmäßig, d. h. in wiederkehrenden Zeitabständen • und möglichst umfassend.

7.4.4 Grundsatz 3: Steuerstrategie ist chancenorientiert Klassisches Steuerdenken ist auf die aktuellen Probleme ausgerichtet, steuerstrategisches Denken ist grundlegend anders. Nicht zuerst nach Problemen, Risiken und Fallstricken suchen, sondern nach den „großen Steuerchancen“ (Mintzberg et al., 2004, S. 158); Chancen verstanden als Möglichkeiten im steuerlichen Sinne Erfolge zu erreichen, langfristige steuerliche Ziele zu realisieren. In diesem Sinne gibt Steuerstrategie Antwort auf die Fragen: • In welchem Umfang nutze ich das Angebot an bedeutenden steuerlichen Vorteilen? • Wie realisiere ich die Vorteile? Ein Grundprinzip strategischen Handelns ist die Freiheit von Unternehmen und Unternehmern zum Handeln (Wüthrich, 1991), nämlich zu entscheiden, Steuerchancen wahrzunehmen und die Steuerbelastung positiv zu beeinflussen. Heute herrscht die Tendenz die Mentalität vor, vorrangig die steuerrechtlichen Einschränkungen, wahrzunehmen. Regelmäßig wird die steuerökonomische Freiheit unterschätzt oder gar übersehen.

 Siehe Kap. 3 Abschn. 3.3.

2

7.4  Grundsätze zur Wesensbestimmung

81

7.4.5 Grundsatz 4: Steuerstrategie ist werteorientiert Größtenteils wird akzeptiert, dass der Staat uns von unserem finanziellen Erfolg nicht alles lässt und wir sehen Steuern nicht mehr wie Thomas von Aquin als einen „rapax licita“ (er­ laubter Raub) (Albach, 2000, S. 467). Das Bundesverfassungsgericht hat auch eine Grenze gezogen, wonach dem Staat nicht mehr als 50 % unseres finanziellen Erfolges als Steuerbelastung zugestanden wird. Die Abgabenlast ist durch „verdeckte Abgaben“,3 denen keine direkten produktiven Gegenleistungen gegenüberstehen, oft wesentlich höher. So ist die subjektive Schmerzschwelle von Unternehmern  – nicht zuletzt durch rein op­ portunistisch-­fiskalisch orientiertes Verhalten in der Steuerlegislative und -exekutive – oft überschritten. Das zeigen immer wieder spektakuläre Fälle von Steueropponenten. So ist eine ganze Industrie von Beratern entstanden, die nach immer neuen S ­ teuerschlupflöchern suchen – oftmals auch jenseits der legalen Grenzen, wie z. B. die vielen aufgedeckten unseriösen Gestaltungen via Liechtensteinische Stiftungen zeigen. Mit Steuerstrategie sind nicht solche Steuerschlupflöcher gemeint. Diese sind grenzwertiges oder grenzüberschreitendes Ausnutzen der Steuergesetze, das moralisch niedrig angesiedelt ist. Bei Steuerstrategie geht es um das Nutzen „berechtigter“ Steueroasen (Neugebauer et  al., 2020, S. 132), wie z. B. nationale Gewerbesteueroasen für die Situation Investition und/ oder Darlehenstilgung aus möglichst niedrig versteuerten Gewinnen einsetzen. Es geht um die zentrale Frage, ob Unternehmer und Unternehmen Steuern lediglich als Kostenfaktor ansehen und/oder Steuern als gesellschaftliche Verpflichtung akzeptiert werden sollen (Jacobs, 2016, S.  887). Hier werden beide Seiten gesehen, d.  h. neben rein steuerökonomischen Erwägungen ist auch eine Orientierung an ethischen Werten gefordert, die zu einer positiven Einstellung zu Gesellschaft und Steuern führen (Überblick zum Thema „wertfrei“ siehe Wöhe, 2000, S. 52 ff.). Steuerstrategie von Unternehmen und Unternehmer sollte sich an „Werten“ orientieren. Das sind Leitvorstellungen über das, was wir für wünschenswert und bedeutsam halten. Als Quellen kommen z. B. die klassischen moralischen Tugenden infrage, wobei Tugenden definierte Eigenschaften sind, die traditionell als gut gelten. Für Unternehmen geht es insbesondere darum, über den engen Horizont der Gewinn- und Unternehmenswertmaximierung hinauszuschauen und ihrem Wirtschaften einen höheren Sinn zu geben (Grün, 2006, S.  8). Danach sollten Unternehmen und Unternehmer nicht nur Verantwortung für sich selbst spüren, sondern z. B. auch Verantwortung zeigen für das Gemeinwesen mindestens in dem Sinne, dass sie Steuern als selbstverständliche Notwendigkeit zur Erhaltung des Gemeinwesens ansehen. So gesehen ist eine für Unternehmen und Unternehmer einerseits existenzsichernde und lebenserhaltende aber andererseits auch staatsbejahende Steuerstrategie zu proklamieren. In diesem Sinne ist Steuerstrategie sauber und positiv.

3

 Z. B. Sozialversicherungsabgaben, Schwerbehindertenabgaben, Arbeitsplatzabgaben etc.

82

7  Definition von Steuerstrategie

Zukunft

2

Richtung 1 4 rte We

Cha nce n

3

Abb. 7.5  Die Marke Steuerstrategie 1: Rückseite

7.4.6 Definition II Die vorgenannten Grundsätze lassen sich in folgender Definition zusammenfassen: Steuerstrategie ist die große Handlungsrichtung, die Unternehmen und Unternehmern Orientierung im steueroperativen Handeln gibt, damit das langfristige Ziel möglichst niedriger Steuerkosten und -ausgaben unter Beachtung der gesellschaftlichen Verpflichtung erreicht wird, und zwar mittels systematischer Suche nach den großen Steuerchancen. Das kann grafisch verdichtet werden als die Rückseite der Marke Steuerstrategie (Abb. 7.5).

7.5 Resümee Einerseits wird der Begriff Steuerstrategie – wenn denn überhaupt – in oft missbräuchlicher und missverständlicher Weise verwendet. Andererseits gibt es für den Begriff Strategie die verschiedensten Definitionen. Vor diesem Hintergrund wird bestimmt, aus fünf verschiedenen Perspektiven mit verschiedenen Definitionsansätzen, was aus betriebswirtschaftlicher Sicht unter Steuerstrategie zu verstehen ist. Der erste begriffliche Ansatz definiert Steuerstrategie als die große • Handlungsrichtung • Linie • Route

Literatur

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von einer strategischen Ist-Position zu einer Soll-Position. Das ist aber nur der genetische Code von Steuerstrategie. Dieser Kern wird „ummantelt“ von • • • •

Analyse Leitbild Muster und Umwelt

und ergibt andererseits die Marke Steuerstrategie als bildliche Vorstellung des „inneren Auges“ (Mintzberg et al., 2004, S. 392). Das ist die eine Seite der Medaille, die gezeigt wurde. Die andere Seite zeigt die zen­ tralen Wesensmerkmale von Steuerstrategie (Definition II): • • • •

richtungsweisend als zentrales Merkmal zukunftsorientiert chancenorientiert werteorientiert.

Der begriffliche Ansatz zeigt jedoch nicht das ganze „wilde Tier“ (Metapher von Mintzberg et al., 2004, S. 392).4 Das vermittelt eher die Begriffsbestimmung aus konzeptioneller Sicht (Definition III; siehe Kap. 9 Abschn. 9.1.4).

Literatur Albach, H. (2000). Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Gabler. Baum, H.-G., Coenenberg, A. G., & Günther, T. (2007). Strategisches controlling. Schäffer-Poeschel. Crainer, S., & Dearlove, D. (2006). Der Atlas des Managements: Navigationshilfen für die Reise durch die Business-Welt. Landsberg: Verlag Moderne Industrie. Duden. (1985). Bedeutungswörterbuch. Dudenverlag. Gablers Wirtschaftslexikon. https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/Strategie-­43591/Version-­266920. Stichwort Strategie (abgerufen am 31.07.2023) Grün, A. (2006). Menschen führen – Leben wecken. Deutscher Taschenbuch. Homburg, C. (2000). Quantitative Betriebswirtschaftslehre. Gabler. Hopfenbeck, W. (2002). Allgemeine Betriebswirtschafts- und Managementlehre. Verlag Moderne Industrie. Jacobs, O. H. (2016). Internationale Unternehmensbesteuerung. C.H. Beck. Macharzina, C., & Wolf, J. (2018). Unternehmensführung. Springer Gabler. Meffert, H. (2000). Marketing. Gabler. Mintzberg, H., Ahlstrand, B., & Lampel, J. (2004). Strategy Safari, Eine Reise durch die Wildnis des strategischen Managements. Wirtschaftsverlag Carl Ueberreuter.

4

 Bei ihm das „wilde“ Tier bezeichnenderweise ein Elefant.

84

7  Definition von Steuerstrategie

Müller-Stewens, G., & Lechner, C. (2016). Strategisches Management. Schäffer-Poeschel. Neugebauer, C., Omaid-Quraischi, M., & Oster, S. (2020). Profit Shifting und „Gewerbesteuer-­ Oasen“ im Kontext interkommunaler Konzernstrukturen. Steuer und Wirtschaft, 2, 121–139. Schneider, D. (2002). Steuerlast und Steuerwirkung, Einführung in die steuerliche Betriebswirtschaftslehre. R. Oldenbourg. Steinmann, H., Schreyögg, G., & Koch, J. (2013). Management. Springer Gabler. Welge, M.  K., Al-Laham, A., & Eulerich, M. (2017). Strategisches Management, Grundlagen-­ Prozess-­Implementierung. Springer Gabler. Wöhe, G. (2000). Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Franz Vahlen. Wüthrich, H. A. (1991). Neuland des strategischen Denkens. Gabler. Zimmermann, H., & Henke, C.-D. (2005). Finanzwissenschaft. Franz Vahlen.

8

Adaptionen und Festlegungen aus der betriebswirtschaftlichen Strategielehre

In Kap. 8 wird auf Basis von Adaptionen aus der Strategielehre das grundlegende betriebs­ wirtschaftliche Verständnis einer theoretischen Steuerstrategischen Konzeption erarbeitet, und zwar im Sinne einer bewussten idealtypischen Planung. Dabei wird der Fokus zu­ nächst auf den Inhalt und die Formulierung gelegt (Konfiguration) in strikter Abgrenzung zur  Implementierung der Konzeption (Transformation). Auf der Grundlage des klas­ sischen Strategieverständnisses wird Steuerstrategie verstanden und entwickelt als • eine separate Ebene von Steuerplanung • mit verschiedenen Planungsbereichen und • verschiedenen Zielgruppen. Dabei wird sie in Anlehnung an die klassische Strategietheorie streng abgegrenzt von steu­ erjuristisch geprägter Strukturierung einerseits und risikoorientiertem Tax Management andererseits. Den Abschluss bildet die Präsentation einer dreidimensionalen Systematisie­ rung von Steuerplanung, die Steuerstrategische Planung in Abgrenzung zum operativen Tax Planning zeigt.

8.1 Das grundlegende betriebswirtschaftliche Verständnis 8.1.1 Klassisches Strategieverständnis: Steuerstrategie als planerische Konzeption Wie dargestellt gibt es in der betriebswirtschaftlichen Strategiedisziplin zwei grundle­ gende Strömungen. Der vorliegende Ansatz entspringt den präskriptiven Strömungen in Abgrenzung zu den deskriptiven Schulen. Es geht darum, was unter Strategie verstanden

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 H. Keuler, Steuern und Strategie, https://doi.org/10.1007/978-3-8349-3675-2_8

85

86

8  Adaptionen und Festlegungen aus der betriebswirtschaftlichen Strategielehre

werden und wie Strategie formuliert werden soll. Das kann dann Basis für deskriptive Analysen sein, die nicht vorgeben, wie das „ideale“ steuerstrategische Verhalten aussehen sollte, sondern sie beschreiben, welche Steuerstrategien in der Praxis zu beobachten sind und wie sie in tatsächlicher Hinsicht zustande kommen. Empirische Studien sind wichtig im Sinne von offen sein für „von Anderen zu lernen“, wie die das erfolgreich machen. Dieses Buch schließt sich also dem klassischen Verständnis von betriebswirtschaftli­ cher Strategie an. Die Konzeption ist Ergebnis des Studiums betriebswirtschaftlicher Stra­ tegieliteratur und vor allem eigener Überlegungen sowie langjähriger unsystematischer opportunistischer empirischer Beobachtungen einschließlich der Anwendung dieses Sys­ tems in der Praxis. Strategie ist nach dem Verständnis hier ein Gedankensystem in die Zukunft hinein, das zu einer besseren Orientierung im steuerlichen Handeln führen soll. In der hier vorge­ stellten Form ist Steuerstrategie ein idealtypisches System, das in der Anwendung – sprich in einer Lebensphase, einem Stadium von Unternehmen und Unternehmer, in dem sie sich befinden – eine unternehmens- und situationstypische Gestalt bekommt, aber immer mit dem Markenkern Strategie wie oben dargestellt. Im erweiterten Sinne ist Steuerstrategie so der Name für eine umfassende Konzeption, und zwar entsprechend der Einordnung ins Aufgabensystem der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre eine strategische Steuerplanung oder auch – wenn man so will – als Steuer­ strategische Planung bezeichnet. Steuerstrategie ist, basierend auf Basis des bahnbrechen­ den Buches von Chandler, Teil eines umfassenden Plans, der sich aus verschiedenen Bau­ steinen zusammensetzt. Sie ist hierarchisch aufgebaut und eine Komponente des strategie­ orientierten Managements. Herzstück  dieses Systems ist die Bestimmung der großen Handlungsrichtung, eines Weges von hier nach dort, eben die Strategie im engeren Sinne, die zur Beseitigung der begrifflichen Überschneidung mit „Steuerstrategische Rou­ tenoptionen“ bezeichnet werden soll.

8.1.2 Weitere Adaptionen der Designschule Ob der Bedeutung der Designschule1 für diese Arbeit sollen noch einige Thesen genannt werden, die auch für Steuerstrategie gelten sollen (vergleiche Mintzberg et al., 2004, S. 43 f.): • Die Entwicklung einer Steuerstrategie sollte ein eher bewusster, denn intuitiver Prozess sein, wenn auch das „intuitive Denken“, eine wichtige Rolle spielt; z. B. bei der Erfor­ schung des steuerstrategischen Leitbildes. • Die Verantwortung für die Steuerstrategie liegt beim Unternehmensleiter, bei KMU re­ gelmäßig die Unternehmerpersönlichkeit, die hinter dem oder den Unternehmen steht und als Richtungsgeber fungiert.

1

 Siehe Kap. 4 Abschn. 4.3.2.2.

8.1  Das grundlegende betriebswirtschaftliche Verständnis

87

• Steuerstrategie muss einfach und informell gehalten werden, als Konzept, das von jedermann verstanden werden kann. Das große Bild muss deutlich werden. Eine Steuer­ strategie soll das komplexe Gebiet des Steuerrechts vereinfachen. • Steuerstrategie sollte auf den individuellen Fall zugeschnitten sein. • Steuerstrategien können erst dann implementiert werden, wenn sie explizit und end­ gültig formuliert sind. Dem Handeln geht das Denken voraus. • Steuerstrategie ist erstmal ein Modell mit einer Abfolge von spezifischen Schritten, das das bisweilen hektische steuerliche Handeln, getrieben von Drang zum Steuern sparen, in das ökonomische Umfeld einbinden will. Deshalb passt die Methode der Design­ schule „Erst denken, dann handeln“ für Steuerstrategie, und dieses Denken ist vor­ rangig ein ökonomisches, nicht ein steuerjuristisches Denken. • Steuerstrategie besteht in der Suche nach externen Steuerchancen, die zu internen öko­ nomischen Gegebenheiten passen. Dieser Fit zwischen Steuern und Betriebswirtschaft ist das Prädikat, das eine kluge Steuerstrategie auszeichnet, ganz im Gegensatz zu der landläufigen Meinung von Steuerplanung: „Durch zielgerichtetes Einstellen des unternehmerischen Geschehensablaufs auf das steuer­ liche Umfeld versucht der (typische) Steuerplaner, die Besteuerung dem Grunde, der Höhe und/oder dem Zeitpunkt nach zu beeinflussen, so dass die nach Steuern verbleibenden Ein­ zahlungsüberschüsse maximiert werden“ (Jacobs, 2016, S.  885 mit Hinweis auf Scheffler, 2020, S. 2).

Um es nochmals mit Albach zu formulieren: Nicht mit Steuern steuern! In Schaubild 5–1 sind nochmal die zentralen Merkmale, mit denen Steuerstrategie cha­ rakterisiert werden kann, zusammengefasst (Abb. 8.1).

8.1.3 Die beiden Seiten von Steuerstrategie: Konfiguration und Transformation Strategie ist betriebswirtschaftlich mehr als nur eine Zusammenstellung und Hierarchie von Elementen mit Inhalten, Strategie ist auch ein Prozess, mit dem die Konzepte um­ gesetzt werden (Mintzberg et al., 2004, S. 340). Betriebswirtschaftliche Strategie hat zwei Seiten: Konfiguration ist der Teil, der die Ideen für strategische Konzepte liefert. Bei der Trans­ formation geht es um die Umsetzung bzw. Implementierung dieser Konzepte. Die Strategie­ konfiguration zielt darauf ab, die Richtung zu bestimmen, zu gestalten, zu ändern. Demge­ genüber geht es bei Strategietransformation darum, die entwickelte Richtung zu stabilisieren. Bezogen auf die Steuern heißt das: aus diversen Elementen eine Strategie konfigurie­ ren, die es dann in der Praxis zu transformieren gilt.

88

8  Adaptionen und Festlegungen aus der betriebswirtschaftlichen Strategielehre

initiativ planerisch konzeptionell konfigurativ zwischen Steuern (extern) und  Fit Betriebswirtschaft (intern) herstellen  Nicht mit Steuern steuern bewusst von oben einfach individuell explizit formuliert

Abb. 8.1  Betriebswirtschaftliche Merkmale von Steuerstrategie

Entsprechend dieser Unterscheidung der betriebswirtschaftlichen Strategielehre wird Steuerstrategie in zwei Teile aufgeteilt: Der 1. Teil soll Konfiguration von Steuerstrategie sein, in dessen Mittelpunkt ein Kon­ zept steht in Form einer Steuerstrategischen Planung, das inhaltsorientiert ist. Es geht um Steuereffektivität: Die richtigen Dinge tun. Für den 1. Teil wäre die exakte Bezeichnung Steuerstrategische Planung. Hier wird für dieses theoretische Konzept, das die Steuer­ strategische Planung inhaltlich bestimmt, vereinfachend der Begriff Steuerstrategie ge­ prägt. Dieser Teil wird in Band II behandelt. Im 2. Teil geht es um die Praxis, um die Umsetzung des Konzepts, vor allem um das Management des steuerstrategischen Prozesses. Im Gegensatz zum ersten Teil steht hier die Steuereffizienz im Mittelpunkt: Die Dinge richtig tun. Für den 2. Teil ist Steuer­ strategisches Management (Tax Strategy Management2) die passende Bezeichnung. Die­ ser Teil bleibt einem Band III vorbehalten. Diesem Teil wird auch die Erweiterung des Strategieverständnisses um unbewusste, unbeabsichtigte Strategien zugeordnet. Der Ansatz des 1. Teils lässt sich vereinfacht mit dem „Strategischen Sehen“ nach Mintzberg (Mintzberg et al., 2004, S. 26 f., S. 151 ff.) wie folgt entwickeln: 1. Zunächst gibt es einen Rückblick: a) nach außen, auf die Umwelt b) nach innen, in das Unternehmen der uns eine Analyse der Ausgangssituation vermittelt. 2. Im zweiten Schritt geht der Blick nach oben auf der Suche nach einem Stern, dem man wie die Hl. 3 Könige folgen kann; das ist Steuer-Vision und -Philosophie 3. Im dritten Schritt kommt der Vorausblick in Form eines Plans. Da gilt es das Ziel und den Weg dahin in den Blick zu nehmen. 2

 In Anlehnung an die Anglizismen Tax Compliance und Tax Risk Management.

8.1  Das grundlegende betriebswirtschaftliche Verständnis

Fokus

zielt auf

Konfiguration

Formulierung eines Konzepts

Richtung bestimmen, verändern

Planung

Steuerstrategische Planung

Transformation

Implementierung des Konzepts

Richtung stabilisieren

Management

Steuerstrategisches Management

Betriebswirtschaftliche Strategie

Adaption im Steuerbereich

89

Terminologie

Abb. 8.2  Die beiden Seiten von Steuerstrategie

Der Zusammenhang von Konfiguration und Transformation lässt sich mit folgenden Metaphern verdeutlichen: Der 1. Teil Steuerstrategische Planung bzw. Steuerstrategische Konzeption ist vergleich­ bar mit der Konstruktion eines Ferrari, während der 2. Teil Steuerstrategisches Manage­ ment die Reifen und den Lenker des Ferrari repräsentiert. Erst die Reifen bringen den Fer­ rari zum Laufen und mit dem Lenker kann der dann gesteuert werden. Oder mit der Mintzbergschen Metapher vom Karren (Zustand) und dem Pferd (Prozess): Das Pferd muss den Karren von Zeit zu Zeit weiterziehen (Mintzberg et al., 2004, S. 341). Konfiguration wird meist von Theoretikern beschrieben, während Transformation von Geschäftsführern und Managern angewandt wird. In Deutschland wird der Schwerpunkt auf Konfiguration gelegt, während in USA Transformation im Mittelpunkt steht. Abb. 8.2 zeigt die beiden Seiten von Steuerstrategie im Überblick.

8.1.4 Structure follows Strategy: Steuerstrukturierung folgt Steuerstrategie 8.1.4.1 Die These von Chandler Das erste Buch, was sich umfassend mit Strategie beschäftigte, schrieb der Wirtschafts­ historiker Alfred D. Chandler (2013). Das 1962 erschienene bahnbrechende Buch „Stra­ tegy and Structure“ ist der Ausgangspunkt der Entwicklung von betriebswirtschaftlicher

90

8  Adaptionen und Festlegungen aus der betriebswirtschaftlichen Strategielehre

Strategie im klassischen Verständnis (Mintzberg et al., 2004, S. 397).3 Chandler definierte Strategie wie folgt: „Strategy can be defined as the determination of the basic long-term goals and objectives of an enterprise, and the adoption of courses of action and the allocation of resources necessary for carrying out these goals.“ (Chandler, 2013, S. 13).

im Unterschied zu Structure: „Structure can be defined as the design of organization through which the enterprise is admi­ nistered.“ (Chandler, 2013, S. 14)

und kommt aufgrund seiner wirtschaftshistorischen Untersuchung zu folgendem Schluss: „The thesis … is then that structure follows strategy … structure is the result of the conca­ tenation of several basic strategies.“ (Chandler, 2013, S. 14)

Für Chandler steht Strategie vor Struktur. Wenn Unternehmen ihre Strategie entwickelt haben, passen sie anschließend die Strukturen optimal daran an. Später wird die These von Chandler als problematisch angesehen; übrigens genauso wie der umgekehrte Grundsatz „Strategy follows Structure“. Moderne Konzeptionen for­ dern die gegenseitige Abstimmung von Strategie und Struktur (Macharzina & Wolf, 2018, S. 391). Die These von Chandler hat für den Steuerbereich besondere Relevanz. Übersetzt für Steuern kann man formulieren: Steuerstrukturierung folgt auf Steuerstrategie. Will vor allem heißen: Steuerstrategie hat zunächst Mal nichts mit Steuerstrukturierung zu tun. Das sollte strikt getrennt werden.

8.1.4.2 Strukturierung im Steuerbereich Strukturierung ist im steuerlichen Bereich sehr ausgeprägt in zwei Formen: • Neustrukturierung oder einfach Strukturierung, d. h. Strukturen schaffen • Umstrukturierung, d. h. Strukturen anpassen. Beispielhaft seien als steuerliche Strukturierungen genannt: • Konzernstrukturierung • Holding-Strukturierung  Allerdings reklamiert die moderne Strömung der Konfigurationsschule Chandler auch als Quelle und sein akademisches Fach Wirtschaftsgeschichte als Ausgangsdisziplin. 3

8.1  Das grundlegende betriebswirtschaftliche Verständnis

91

• • • • •

Strukturierung anlässlich der Entwicklung von Immobilienprojekten Strukturierung von Unternehmenskäufen Strukturierung von unentgeltlichen Betriebsübertragungen Strukturierung von Umwandlungen Strukturierung von Übertragungen von Einzelwirtschaftsgütern zwischen verschiede­ nen Gesellschaften • Strukturierung von Finanzierung • Strukturierung im Private-Equity-Bereich: die  von Private-Equity-Fonds verwendeten Organisationsstrukturen sind regelmäßig stark von steuerlichen Überlegungen dominiert (Eilers et al., 2009, S. 339). Abb. 8.3 zeigt eine beispielhafte Organisationsstruktur (Beck’sches Holding-Handbuch, 2016, S. 15). Kußmaul widmet in seinem Werk Betriebswirtschaftliche Steuerlehre der „Umstrukturie­ rung“ den größten Teil seines Buches neben dem Rechnungswesen als erstem Teil (Kuß­ maul, 2020, S. XIX bis XXI). Die Unterscheidung zwischen Steuerstrukturierung und Steuerstrategie sei an folgen­ dem Beispiel, das eine Gestaltung zur Nutzung von Verlusten zum Thema hat, dargestellt. Steuerstrategisch gibt es die folgenden grundsätzlichen Möglichkeiten zur Nutzung von Verlusten: • Option 1: Verlagerungen zwischen Gesellschaften (Lüdicke & Sistermann, 2018, S. 912) –– Gewinnpotenzial auf eine Verlustgesellschaft –– Verlustpotenzial auf eine Gewinngesellschaft

PE-Fonds

Hybride Finanzierung

LuxCo Gesellschafterfinanzierung

Luxemburg Deutschland

Gesellschafterfinanzierung

HoldCo

Bankdarlehen

HoldCo Akquisition

Bankdarlehen

ZielCo

Abb. 8.3  Beispiel einer Strukturierung im Private Equity

92

8  Adaptionen und Festlegungen aus der betriebswirtschaftlichen Strategielehre

• Option 2: Verlagerungen zwischen Gesellschaften und Gesellschaftern –– Verlustpotenzial von Gesellschafter auf Gewinngesellschaft –– Gewinnpotenzial von Gesellschafter auf Verlustgesellschaft • Option 3: Realisierung von steuerlichen Gewinnen bei der Verlustgesellschaft. • Option 4: • Liquidation. Wenn die Entscheidung für eine der steuerstrategischen Optionen getroffen wurde, muss im zweiten Schritt eine Struktur gesucht werden, mit der das Ziel „Nutzung der Verluste“ erreicht werden kann. Konkrete Strukturierungsinstrumente können z.  B. sein (Kessler et al., 2002, S. 178 f.): a) bei Personengesellschaften • Begründung eines Organschaftsverhältnisses zu einer Gewinngesellschaft • Verlagerung von Verlusten eines Kommanditisten in den Sonderbetriebsver­ mögensbereich • Erhöhung der Einlage, Haftsumme oder gesamthänderisch gebundene Rücklage (Kapitalkonto im Sinne des § 15 a EStG) b) bei Kapitalgesellschaften • Übertragung eines Teilbetriebs durch Ausgliederung oder Abspaltung unter den Voraussetzungen der §§ 15 bzw. 20 UmwStG • Verzicht auf zukünftige Vergütungen und Vereinbarung von leistungsbezogenen Vergütungselementen bei Leistungsbeziehung zwischen Gesellschafter und Ge­ sellschaft Der zweite Schritt ist konkrete Steuerstrukturierung zur Umsetzung der gewählten steuerstrategischen Option.  Der erste Schritt ist geprägt von betriebswirtschaftlich-­ konzeptionellen Überlegungen. Der zweite Schritt muss „steuerjuristisch“ sitzen, d. h. es müssen z. B. bei der Übertragung eines Teilbetriebs die dezidierten Voraussetzungen eines Teilbetriebs erfüllt sein. Steuerstrategisch muss die große Linie zur Lösung gefunden wer­ den. Steuerstrukturell muss auf dieser Linie eine konkrete Gestaltungsstruktur aufgesetzt werden, bei der sich steuerjuristisch erweisen muss, dass der steuerstrategische Weg ein gangbarer Weg ist. Ein paar Sätze noch zur Charakterisierung von Steuerstrukturierung: • hat mit Strukturen zu tun, das sind tragende Elemente • Steuerstrukturierung ist ein betriebswirtschaftlicher, nicht ein rechtstechnischer Begriff (Kessler et al., 2018, S. 402) • Steuerstrukturierung bezieht sich meist auf betriebliche Sondervorgänge (Tipke & Lang, 2018, S. 721), regelmäßig als aperiodische Vorgänge bezeichnet (Kessler et al.,

8.1  Das grundlegende betriebswirtschaftliche Verständnis

Aufgabenbereich

Tätigkeit

Steuerwirkungen

analysieren

93

 Steuerplanung, Ausrichtung, Ziele und Optionen

planen

 Steuerliche Strukturen und Konstellationen

gestalten



Steuerstrukturierung

Abb. 8.4  Stellung von Steuerstrukturierung in der steuerlichen BWL

2018, S.  221; Jacobs, 2016, S.  385), in Abgrenzung zu dem laufenden operativen Steuerbusiness.  Kessler unterscheidet folgende Grundtypen (Kessler et  al., 2018, S. 221, 267 f.): –– Umstrukturierungen –– Unternehmenskauf und -verkauf –– Unternehmernachfolge • Es geht darum, die gewünschte strategische Richtung in Aktivitäten zur Gestaltung der Strukturen zu übertragen. Im Aufgabensystem der Steuer-BWL (Kap. 6 Abschn. 6.2) ist Strukturierung der dritten Aufgabenebene zuzuordnen (vgl. Abb. 8.4). Terminologisch ist Steuerstrukturierung ab­ zugrenzen von Steuergestaltung: Unter Steuergestaltung wird verstanden sowohl • das „Formen“ von Strukturen als auch • dem steueroperativen Handeln eine Form geben.

8.1.4.3 Steuerstrukturierung gehört nicht zu Steuerstrategie In der betriebswirtschaftlichen Strategie ist Strukturierung Teil eines umfassenden Strategieprozesses, und zwar von Implementierung. Die Struktur folgt der Strategie in der Weise „wie der rechte Fuß dem linken beim Gehen“ (Mintzberg et al., 2004, S. 50). Beide bedingen einander wechselseitig. Die bestehende Struktur geht auch in Strategie ein, ist nur bis zu einem gewissen Grad formbar.

94

8  Adaptionen und Festlegungen aus der betriebswirtschaftlichen Strategielehre

Für den Steuerbereich gibt es gute Gründe Strukturierung nicht als Element von Steuer­ strategischer Planung anzusehen: • Durch Abspaltung kann der Kern von Strategie herausgehoben und sichtbarer ge­ macht werden. • Strukturierung ist eine betriebswirtschaftliche Angelegenheit, die aber im Bereich Steuern sehr steuerjuristisch geprägt ist; die hat erstmal nichts mit dem Markenkern einer großen Handlungsrichtung zu tun, sondern verlangt steuerjuristische Präzi­ sion pur. In der Praxis ist Steuerstrategie aber allenfalls Beiwerk, wird eigentlich nur beiläufig zwi­ schen den Zeilen erwähnt. Steuerstrukturierung ist herausgehoben. Gerade deshalb macht die Ausgrenzung bzw. strikte Unterscheidung von Steuerstrukturierung aus Steuer­ strategie Sinn. Theoretisch soll also die Steuerstrategie herausgehoben werden und in Chandlers Hie­ rarchie eingeordnet werden. Steuerstrategie steht in der Hierarchie über Steuer­ strukturierung. Structure follows Strategy. Die Trennung von Steuerstrategie und Steuerstrukturierung ist nicht mehr als eine theoretische Festlegung. Man kann es so oder so sehen. Aber gerade wegen der Domi­ nanz von Strukturierung im Steuerbereich, gepaart mit Risikoorientierung und dem Andersgearteten von Steuerstrategie ist die Heraushebung durch Abspaltung sinnvoll. Für den Steuerbereich wird deshalb festgelegt: • Structure isn’t Strategy und • Structure follows Strategy. Gleichwohl sind Steuerstrukturierung und Steuerstrategie untrennbar verbunden, so dass als weitere These formuliert werden kann: • Structure must follow Strategy. Ohne Steuerstrukturierung kommt Steuerstrategie nicht „auf die Piste“. Das heißt sie ist sehr wichtig für Steuerstrategie. Im Aufgabensystem der steuerlichen BWL ist sie aber auf einer anderen Ebene angesiedelt, nämlich auf der Ebene „Formen und Gestalten“4. So ge­ sehen gehört Steuerstrukturierung zum steuerstrategischen Prozess dazu, allerdings unter der Bedingung, dass sie abgeleitet wird aus einer Steuerstrategie. Wenn dem so ist, ver­ dient sie auch die Bezeichnung „Steuerstrategische Strukturierung“. Aber es sollte immer beachtet werden:

4

 Siehe Kap. 6 Abschn. 6.2.

8.1  Das grundlegende betriebswirtschaftliche Verständnis

95

• Steuerstrategie ist Steuerstrategie und • Steuerstrukturierung ist Steuerstrukturierung.

8.1.5 Ausgrenzung von Tax Compliance-, Tax Risk- und Tax Issue-­Management Noch mehr als Strukturierung dominiert das Thema Risiken das Denken und Handeln im Steuerbereich, und zwar in Form von • Tax Compliance-Management und • Tax RiskManagement. Tax Compliance im eigentlichen Sinne ist als Handeln im Einvernehmen mit den gelten­ den Steuergesetzen zu verstehen (Kessler et al., 2018, S. 24): • vorrangig bei der korrekten und pünktlichen Erfüllung der Steuererklärungspflichten • aber auch bei der Einhaltung der steuerrechtlichen Vorschriften bei Steueroptimierungs­ aktivitäten. Tax Compliance scheint auf den ersten Blick ein quasi selbstverständlicher Selbstzweck – bei entsprechend werteorientierter Steuerphilosophie  – zu sein. Regeltreue scheint aber dann doch nicht so selbstverständlich zu sein, wenn die Tax Compliance die „Überhand über die Steuerquotenminimierung“ hat (Jacobs, 2016, S. 887). Orientierung zur Gestaltung dazu findet sich im steuerphilosophischen Leitbild, wo auch festgelegt werden kann, inwieweit das Thema Steuer nur als Kosten oder auch als ge­ sellschaftliche Verpflichtung verstanden wird (Jacobs, 2016, S. 887; Weber & Schäffler, 2020, S. 224 f.). Letzteres gilt insbesondere für internationale Großunternehmen, die im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Im erweiterten Sinne wird zu Compliance auch die sogenannte Compliance-Kultur ge­ zählt. Das sind Grundeinstellungen und-verhaltensweisen zur Beachtung von Regeln, ins­ besondere externen gesetzlichen Regularien. Mithilfe eines Sicherungssystems sollen die steuerrechtlichen Risiken aus Nichteinhal­ ten der gesetzlichen Regeln systematisch beherrscht werden. Ein solches Sicherungssys­ tem (Kessler et al., 2018, S. 24 f.) wird als Tax Compliance Management bezeichnet. Es zielt auf Vermeidung von steuerrechtlichen und natürlich auch steuerstrafrechtlichen Ri­ siken durch ein Denken und Handeln im Einvernehmen mit dem geltenden Steuerrecht. Während beim Tax Compliance Management das gesetzestreue Handeln im Rampen­ licht steht, sind dies beim Tax Risk Management die steuerlichen Risiken. Das Management der Tax Risks verfolgt das Ziel Risiken aufzudecken, die Wahrscheinlichkeit und Höhe zu ermitteln und Aktivitäten zur Vermeidung zu bestimmen (Kessler et al., 2018, S. 25). Dabei

96

8  Adaptionen und Festlegungen aus der betriebswirtschaftlichen Strategielehre

sollte die Entdeckungswahrscheinlichkeit kein Entscheidungskalkül sein, da im vor­ liegenden Werk das Einhalten von steuergesetzlichen Regeln als grundlegende, „selbstver­ ständliche“ Prämisse gesehen wird. Drittes Tax Management-­System ist das betriebswirtschaftliche Tax Issue Manage­ ment. Darunter wird die Entwicklung von Maßnahmen verstanden, die mit der Be­ wältigung von ­Problembereichen in Unternehmen verstanden, hier insbesondere steuer­ liche Problembereiche. Das steuerliche Issue Management zeichnet sich aber durch ein aktives Beobachten und Planen der steuerlichen Umwelt mit ihren spezifischen Brenn­ punkten aus. Der Fokus liegt auf Problemen, Risiken aus der steuerlichen Umwelt. Steuerstrategie ist vom Ansatz dieses Buches vorrangig chancenorientiert (siehe Leitidee). Bei der Transformation von Steuerstrategie ist zu beachten, dass Gestaltungs­ risiken nicht zum Tragen kommen und Hindernisse mittels entsprechender Gestaltungen „umschifft“ werden. Tax Compliance ist in erster Linie reaktive Handlungsvorgabe für das operative Ge­ schehen, sei es strukturelles, sei es tägliches dispositives Handeln; wichtiger ist für Steuer­ strategie die steuerstrategische Philosophie in Form einer Einstellung zu Staat und Steu­ ern, die umfassende Orientierung gibt. Tax Risk Management ist ebenfalls risikoorientiert und zeigt gerade in die falsche Richtung, nämlich der alleinigen Orientierung am Risiko. Vielleicht ist es die Nähe von steuerlichem Handeln zu Steuerrecht; letzteres ist eher risikoorientiert ist, während (ideal­ typisches) ökonomisches Denken eher auf die Ergreifung von Chancen, hier in Form von Kostenvorteilen, fokussiert ist. Betriebswirtschaftlich sind alle drei Systeme dem Managementbereich Kontrolle zuzu­ rechnen (Steinmann et al., 2013, S. 252), sei es auf der strategischen, sei es auf der opera­ tiven Ebene.  Wegen der Risikoorientierung werden alle drei Bereiche nicht der steuer­ strategischen Konzeptionsebene zugeordnet. Im Rahmen der Umsetzung mittels steuer­ strategischem Management kann untersucht werden, inwieweit insbesondere ein Tax Risk- bzw. Tax Issue-Management hilfreich für die Umsetzung bzw. Implementierung von Steuerstrategie ist. Steuerstrategie hat die Suche und Wahrnehmung von Steuerchancen im Fokus. Dem­ gegenüber werden als wichtigste Aufgaben der Steuerabteilung die ordnungsgemäße Er­ füllung der gesetzlichen Vorschriften – Tax Compliance Management- und das Vermeiden von Risiken – steuerliches Risikomanagement – angesehen (Jacobs, 2016, S. 887). Diese Fo­ kussierung setzt der Steuerstrategie Grenzen bzw. lässt sie erst gar nicht aufkommen. Tax Compliance-Management und steuerliches Issue-Management sind sicher not­ wendig, aber sollten umgekehrt dominiert werden von einem steuerstrategischen Überbau (hierarchisch übergeordnete Ebene), dessen Fokus auf die Steuerchancen gerichtet ist. Wo nur

8.2  Die strategische Ebene der Steuerplanung

Tax C

ss sine rbu ue

Steuerstrategie Fokus:Chancen

Ris i

nt me ge na ncen Cha

Steu erStr u Chance n

Ris i

Risik o-M a

ung ier ur kt

n ke

n ke

97

täg e l i c h anc es pli Ste om Chancen Risiken

Abb. 8.5  Steuerstrategie als Marke 2/Vorderseite: Ausgrenzung risikoorientierte Steuerbereiche

„steuerliche Probleme“ gesehen werden, ist der Blick auf die Steuerchancen verstellt.5 Abb. 8.5 hebt die hier vorgenommene Abgrenzung – im Sinne von Steuerstrategie als eine Marke – nochmal deutlich hervor.

8.2 Die strategische Ebene der Steuerplanung Steuerstrategie ist nach dem hier zugrundegelegten Verständnis der Ebene „Steuer­ planung“ im System der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre zuzuordnen. Von den fünf möglichen Definitionen nach Mintzberg wurde das zentrale begriffliche Verständnis von Steuerstrategie als ein Plan festgelegt. Die Planungsebene wird klassisch mindestens in zwei Unterebenen aufgeteilt (Stein­ mann et al., 2013; Weber & Schäffer, 2020, S. 276 f.): • strategische Planung • operative Planung. Weber unterscheidet nach dem Planungshorizont operative, taktische und strategische Planungsebene. Bei Homburg (2000, S. 6) und Thommen (Thommen et al., 2017, S. 43 f.)

 Sogenannte Bunkermentalität laut Kap. 2 Abschn. 2.1.

5

98

8  Adaptionen und Festlegungen aus der betriebswirtschaftlichen Strategielehre

findet sich zusätzlich noch die dispositive Planung. Bei Wöhe gibt es noch die Grundsatz­ planung, die keinen Planungshorizont hat, sondern eigentlich immer gelten soll (Wöhe, 2020, S. 73 f.). In jedem Fall – das wurde im Teil „Strategie und BWL“ dargelegt – wird eine eigenständige Planungsunterebene Strategie anerkannt. Im Bereich Steuern werden strategische Fragestellungen nicht systematisch, d. h. auf Basis eines Systems, behandelt oder aber mit operativen Aspekten vermischt. So erscheint es naheliegend auch für den Bereich Steuern Strategische Planung als eigenständige Planungsebene, als Entscheidungsfeld ganz spezifischer Art, einer idealer­ weise umfassend entwickelten Steuer-Konzeption, einzuführen. Wann Unternehmen und Unternehmer im „Dschungel“ des Steuerbereichs oder – um mit der Metapher der „Leit­ idee“ zu argumentieren – im Fluss zur Hafeneinfahrt sich zurechtfinden und bestehen wollen, brauchen sie eine klare Kursbestimmung. Dabei sollten sie zunächst festlegen, wohin sie wollen. Um die optimale Route zu finden, ist es dann notwendig, zur Kurs­ bestimmung zunächst den Standort zu bestimmen. Steuerstrategische Planung unterscheidet sich inhaltlich und formal deutlich von ope­ rativer Planung: Steuerungsgrößen sind nicht wie bei der operativen Planung Erfolg und Liquidität, sondern Erfolgspotenziale, im Steuerbereich z. B. in Form von großen Steuer­ chancen. Hinzu kommt das Merkmal einer hohen Planungsunsicherheit, die es gilt zu be­ rücksichtigen. Steuerstrategische Planung ist nicht eine quasi langfristige operative Pla­ nung. Strategische Sicht ist nicht identisch mit langfristiger Sicht. Im Zentrum steuer­ strategischer Überlegungen geht es im ersten Schritt dann um • Chancen zu erkennen und im zweiten Schritt • die Unsicherheit mit vielen Risiken zu bewältigen. Auf den Punkt gebracht: Steuerstrategische Planung soll Orientierung für zentrale Ent­ scheidungen geben, während operative Planung Orientierung für das tägliche Handeln sein  soll. Vor diesem Hintergrund erscheint es angebracht, Steuerstrategie als separate Planungsunterebene isoliert und streng abgegrenzt von der operativen Ebene zu ent­ wickeln. Erst im zweiten Schritt ist die enge Verzahnung mit steueroperativem Planen sinnvoll. Weiter vor wurde auf die Strukturierungsplanung im Steuerbereich eingegangen. Sie wurde der operativen Planung zugeordnet, die es damit steuerlich in zweierlei Form gibt: • Strukturplanung = Planung konstitutiver Elemente und steuerlicher Strukturen in Abstimmung mit Steuerstrategie • „normale“ operative Planung hier als dispositive Planung bezeichnet.

8.2  Die strategische Ebene der Steuerplanung

99

Beide Formen sind stark juristisch geprägt. Steuerstrategie dagegen ist ein durch und durch ökonomisches Planen, das in präzise steuerjuristische Modelle umgesetzt werden muss. Langfristplanung, Risikoplanung und taktische Planung werden als besondere Formen der normalen operativen Planung angesehen. Die von Wöhe angeführte Grundsatzplanung wird der strategischen Ebene zugeordnet, so dass zu unterscheiden sind zwei Ebenen mit verschiedenen Planungsformen und Charakteristika, was in Abb. 8.6 präsentiert wird. Daraus lässt sich die Marke Steuerstrategie als eigenständiges Entscheidungsfeld gegenüber anderen Planungsformen abgrenzen (vgl. Abb. 8.7).

Ebenen

Steuerchancen/ -vorteile

Dominanz Methode

Wirkungshorizont

strategisch

Identifizierung

steuerökonomisch

langfristig

operative

Nutzung

steuerjuristisch

kurzfristig

Planungsformen Grundsatzplanung Planung steuerstrategischer Optionen

Langfristplanung Strukturierungsplanung Risikoplanung Taktische Planung dispositive Planung

Abb. 8.6  Die Ebenen von Steuerplanung

Abb. 8.7 Steuerstrategie als Marke 2/Rückseite: Abgrenzung strategische und nicht­ strategische Planung

100

8  Adaptionen und Festlegungen aus der betriebswirtschaftlichen Strategielehre

8.3 Steuerstrategische Planungsbereiche Auf der strategischen Ebene lassen sich beim Unternehmen folgende grundsätzlichen Planungsbereiche unterscheiden (Steinmann et  al., 2013, S.  162; Becker, 2019, S.  12; Welge et al., 2017, S. 469): (1) Gesamtunternehmen (2) Geschäftsfelder/-bereiche wie Märkte, Produkte (3) Funktionen wie Beschaffung, Marketing, Produktion. Bezogen auf Steuerstrategie gibt es dementsprechend: • ungeteilte Gesamtstrategien und • Strategien, die sich in verschieden große Planungsfelder parzellieren lassen; hier als Teilstrategien bezeichnet. Die klassische Aufteilung der Strategie-BWL soll hier für die Steuerstrategische Konzep­ tion in zweierlei Richtungen erweitert werden: (1) um den Bereich Unternehmer bzw. Gesellschafter einschließlich der zu­ gehörigen Familie (2) um den Bereich Unternehmensgruppen bzw. Konzern. Steuerstrategisch ist das insbesondere für KMU sinnvoll: a) Da gibt es meist den oder die unternehmerische Kraft in der gesellschaftsrechtlichen Funktion als Gesellschafter-Geschäftsführer, dem mit seiner Familie ein hohes steuer­ liches Einkommen zuzuordnen ist. b) Erfolgreiche Unternehmer haben ihre vielfältigen wirtschaftlichen Aktivitäten oft  – auch aus Haftungsgründen – in diversen Gesellschaften organisiert. Da ist es sinnvoll natürlich auch die gesamte Unternehmensgruppe als größten Bereich in den Fokus zu nehmen. Abb. 8.8 stellt die identifizierten steuerstrategischen Planungsbereiche in einer Matrix für die jeweiligen Zielgruppen zusammen.

8.4 Resümee: Steuerstrategie im System der Steuerplanung

Bereiche Strategische Zielgruppen

101

Steuerstrategischer Planungsbereich Gesamt

Teil

Gruppenstrategie

Strategie für Untergruppen

Unternehmen

Corporate Strategy

Teilstrategien für Geschäftseinheiten

Unternehmer und Familie

UnternehmerManagerGesellschafter- und Familienstrategie

Teilstrategien für Vermögensbereiche

Unternehmensgruppen/ Konzern

Abb. 8.8  Die steuerstrategischen Planungsbereiche

8.4 Resümee: Steuerstrategie im System der Steuerplanung Die wesentlichen Adaptionen und Festlegungen aus der betriebswirtschaftlichen Strategie­ lehre lassen sich in einer Entwicklungslinie darstellen (Abb. 8.9). Abb. 8.10 zeigt den Kontext, in den Steuerstrategie gestellt wurde. Sie ist dem Auf­ gabenbereich Steuerplanung zuzuordnen. Der wurde zu diesem Zweck aus steuer­ strategischer Sicht kategorisiert und systematisiert. Darüber hinaus ist festgelegt worden, dass Steuerstrategie zunächst theoretisch als idealtypischer Planungsprozess entwickelt werden soll nach dem Motto: Theorien sind dafür da, Ideen für die Praxis zu liefern. Es ist ein Gedankensystem in die weite Zukunft hinein. Im folgenden Kapitel werden nunmehr für die Steuerstrategische Planung die In­ halte in Form von Elementen und die Abfolge auf der Grundlage einer strategiebasierten Konzeption bestimmt.

102

8  Adaptionen und Festlegungen aus der betriebswirtschaftlichen Strategielehre

Steuerstrategie

 ist Steuerplanung

 auf separater Planungsebene

 mit bewusster Planung

 zu Steuerungsidee

 in verschiedenen Bereichen



im System der Steuerplanung

Abb. 8.9  Linie der Festlegungen für Steuerstrategie

Bereiche

Zielgruppen

Strategische Steuerplanung

Operative Steuerplanung

GrundStruktuDispoDetail- LangfristRisiko- Taktische satzrierungssitive planung planung planung Planung planung planung Planung

Unternehmensgruppen/ Konzern

Unternehmen

Unternehmer und Familie

Abb. 8.10  Steuerstrategie im System von Steuerplanung

Literatur

103

Literatur Becker, J. (2019). Marketing-Konzeption. Grundlagen des ziel-strategischen und operativen Marketing-­Managements. Franz Vahlen. Chandler, A.  D. (2013). Strategy and structure. Nachdruck des Originals aus 1962. Martino Pu­ blishing. Eilers, S., Kofka, N. M., & Makenson, M. (2009). Private-equity. C.H. Beck. Hasselbach, K., Nawroth, C., & Rödding, A. (2016). Beck’sches Holding-Handbuch. C.H. Beck. Homburg, C. (2000). Quantitative Betriebswirtschaftslehre. Gabler. Jacobs, O. H. (2016). Internationale Unternehmensbesteuerung. C.H. Beck. Kessler, W., Schiffers, J., & Teufel, T. (2002). Rechtsformwahl, Rechtsformoptimierung. C.H. Beck. Kessler, W., Kröner, M., & Köhler, S. (2018). Konzernsteuerrecht. C.H. Beck. Kußmaul, H. (2020). Betriebswirtschaftliche Steuerlehre. De Gruyter/Oldenbourg. Lüdicke, J., & Sistermann, C. (2018). Unternehmensteuerrecht. C.H. Beck. Macharzina, C., & Wolf, J. (2018). Unternehmensführung. Springer Gabler. Mintzberg, H., Ahlstrand, B., & Lampel, J. (2004). Strategy Safari, Eine Reise durch die Wildnis des strategischen Managements. Wirtschaftsverlag Carl Ueberreuter. Mintzberg, H., Ahlstrand, B., & Lampel, J. (2012). Strategy Safari, Eine Reise durch die Wildnis des strategischen Managements. Finanzbuchverlag. Scheffler, W. (2020). Besteuerung von Unternehmen III, Steuerplanung. C.F. Müller. Steinmann, H., Schreyögg, G., & Koch, J. (2013). Management. Springer Gabler. Thommen, J.-P., Achleitner, A.-K., Gilbert, J. U., Hachmeister, D., & Kaiser, G. (2017). Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Umfassende Einführung aus managementorientierter Sicht. Sprin­ ger Gabler. Tipke, K., & Lang, J. (2018). Steuerrecht. Verlag Dr. Otto Schmidt. Weber, J., & Schäffer, U. (2020). Einführung in das Controlling. Schäffer-Poeschel. Welge, M.  K., Al-Laham, A., & Eulerich, M. (2017). Strategisches Management, Grundlagen-­ Prozess-­Implementierung. Springer Gabler. Wöhe, G. (2020). Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Franz Vahlen.

9

Entwicklung und Abgrenzung einer betriebswirtschaftlichen Steuerstrategiekonzeption

Nach der Einordnung von Steuerstrategie in den betriebswirtschaftlichen Kontext, den be­ grifflichen Bestimmungen und der Darlegung des grundlegenden betriebswirtschaftlichen Verständnisses befasst sich Kap.  9 mit der Entwicklung einer betriebswirtschaftlichen Konzeption. Zunächst werden die Grundlagen der Steuer-Konzeption in einem einfachen Ausgangs­ modell dargestellt und Steuerstrategie im erweiterten Sinne bestimmt. An die Erläuterun­ gen anhand des Modells schließt sich die verbale Beschreibung der strategiebasierten Steuer-Konzeption an. Im ersten Schritt wird das steuerliche Umfeld von Steuerstrategie im engeren Sinne inhaltlich systematisiert. Im zweiten Schritt ist das wirtschaftliche Um­ feld zu beobachten. Als Ergebnis der konzeptionellen Bemühungen wird 1. eine Definition von Steuerstrategie mithilfe des konzeptionellen Ansatzes präsen­ tiert und 2. ein Grundmodell von Steuerstrategie als Planungssystem mit Beschreibung der Ele­ mente und Festlegung der Planungsabfolge vorgestellt, das Basis ist für die Entwick­ lung einer Steuerstrategischen Konzeption. Der Kern dieses Ansatzes ist in einem Steuerstrategischen Grundraster dargestellt. Der entwickelte Planungsprozess ist als theoretische Grundlage idealtypisch. Dieser Dar­ stellung wird der inkrementale Planungsansatz gegenübergestellt, der den Planungspro­ zess als „muddling through“ beschreibt. Auf den Punkt gebracht geht es bei den unter­ schiedlichen Ansätzen um Verstand versus Intuition. Den Abschluss bildet eine Metapher zum Ablauf in der Praxis mit dem Titel „Steuerstrategie – ein Drama in drei Akten“.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 H. Keuler, Steuern und Strategie, https://doi.org/10.1007/978-3-8349-3675-2_9

105

106

9  Entwicklung und Abgrenzung einer betriebswirtschaftlichen …

9.1 Steuerstrategie als Kern einer strategiebasierten Steuer-­Konzeption Der konzeptionelle Ansatz zur Bestimmung von Steuerstrategie nimmt seinen Ausgangs­ punkt vom „Umfeld“, denn steuerstrategisches Handeln findet nicht in luftleerem Raum statt. Unterschieden wir das direkte steuerliche Umfeld und das wirtschaftliche Umfeld (vgl. Abb. 9.1).

9.1.1 Ausgangsmodell Basis für ein Ausgangsmodell ist das dargestellte klassische Strategieverständnis mit den Komponenten, • goals • course of action • policies, die in einem hierarchischen Verhältnis zueinanderstehen. Siehe die Ausführungen in Kap. 4 Abschn. 4.3.2.2. Für den Marketingbereich hat das Becker in einer Konzeptionspy­ ramide umgesetzt (Becker, 2019, S.  4), die für den Steuerbereich adaptiert wurde. In Schaubild 9.2 ist das Grundmodell für eine strategiebasierte Steuer-Konzeption dargestellt, das wie folgt beschrieben werden kann: Wenn Unternehmen sich im Dickicht des Steuerdschungels zurechtfinden wollen, dann müssen sie zunächst wissen, wo sie stehen und wo sie hinwollen. Dann kann die optimale Route zum Ziel bestimmt werden. Schließlich ist das geeignete Vehikel zu wählen. Unter konzeptionellen Gesichtspunkten stellt sich als erstes die Frage, ob Steuerziele zur Steuerstrategie dazugehören sollen. Im engeren Sinne ist Steuerstrategie als Hand­

Steuerstrategie steuerliches Umfeld wirtschaftliches Umfeld

Abb. 9.1  Umfeld von Steuerstrategie

9.1  Steuerstrategie als Kern einer strategiebasierten Steuer-Konzeption

Ebenen Steuer-Konzeption

107

Grundfragen

Steuerziele

1. Ebene

2. Ebene

(=Bestimmung der „Wunschorte“)

Steuerstrategien

Wie kommen wir dahin?

Steuerbusiness

Was müssen wir dafür einsetzen?

(= Festlegung der „Route“)

3. Ebene

Wo wollen wir hin?

(= Wahl der „Vehikel“)

Abb. 9.2 Ausgangsmodell

lungsrichtung bzw. als „Route“ im Sinne von Jochen Becker zu verstehen. Da sind die Ziele etwas Separates. Wenn wir Steuerstrategie im begrifflichen Sinne als die große, lang­ fristig orientierungsgebende Handlungsrichtung definiert haben (Definition II, Kap.  7 Abschn. 7.4.6), dann heißt das: Steuerstrategie richtet alle Handlungen von Unternehmen auf die steuerlichen Ziele aus. Eine Route kann nur angegeben werden, wenn auch vorher ein Ort bestimmt ist, wo es hingehen soll. In diesem Sinne sind die steuerlichen Ziele notwendige Voraussetzung, um überhaupt eine Handlungsrichtung formulieren zu können. Insofern ist die Steuerstrategie im engeren Sinne untrennbar mit Zielen verbunden bzw. ist ohne Ziele eigentlich nicht mög­ lich. Das steuerpolitische Handeln von Unternehmen kann nur dann eine bewusste Richtung erhalten, wenn vorher bestimmt ist, wo es denn eigentlich hingehen soll. Unter konzeptionellen Gesichtspunkten sollten Ziele deshalb Bestandteil von Steuerstrategie sein. Das gilt ebenso für den Ausgangspunkt: Bevor Unternehmen das Ziel bestimmen können, müssen sie zunächst ihren Standort kennen. Wenn das auf die Metapher Steuerwelt = Urwald bezogen wird, dann wird schnell deutlich, dass ohne Ausgangsposition kein Weg bestimmt werden kann. Nicht Bestandteil von Steuerstrategie ist die 3. Ebene operatives Steuerbusiness. Alle 3 Ebenen zusammen ergeben das Modell der Steuer-Konzeption.

9.1.2 System einer Steuer-Konzeption Wenn für Unternehmen und Unternehmer der gesamte Steuerbereich „durchgeplant“ wird als einheitliche, durchgängige Konzeption, dann kann das als Steuer-Konzeption bezeich­ net werden. Das ist als schlüssiger Leitplan zu verstehen, der seinen Ausgangspunkt im

108

9  Entwicklung und Abgrenzung einer betriebswirtschaftlichen …

strategischen Planen und seine Fortsetzung in der operativen Umsetzung hat. Diese Kon­ zeption umfasst im Idealfall alle Ebenen steuerlichen Planens, Entscheidens und Handelns (Becker, 2019, S. 5): • Angefangen mit einer steuerlichen Mission, (Barney, 1997 in Welge et al., 2017, S. 19; Becker, 2018), Vision, und der grundlegenden Ausrichtung des steuerlichen Verhaltens, hier bezeichnet mit steuerstrategischem Leitbild bzw. Tax Mission Statement • daraus abgeleitet strategische Ziele und • geeignete Routen, die zu den Zielen führen können und Orientierung im steuerlichen Handeln geben • hin zur Umsetzung der strategischen Planungen in operative Planungen und • dem täglichen steuerlichen Handeln, um die Strategie zu implementieren. Dabei hat der operative Teil des Planens, der der Implementierung des strategischen Plan­ teils dient, im steuerlichen Bereich eine spezifische Ausformung: Damit „hochfliegende“ steuerstrategische Ziele eines Unternehmens nicht nur Papier bleiben, müssen in einem ersten Umsetzungsschritt entsprechend unseren Adaptionen und Festlegungen aus Kap. 8 Steuerstrukturen im Unternehmen geschaffen werden. Structure follows Strategy. Steuerstrukturierung ist ein wichtiges Element zur Umsetzung der Steu­ erstrategie (Albach, 2000, S. 492; Weber & Schäffer, 2020, S. 48, 51). Beispiele für solche Steuerstrukturen: • Rechtsform des Unternehmens • „Vehikel“ für Investitionen im Immobilienbereich, wie z. B. separate Projekt- und Be­ sitzgesellschaft, Halten der Investitionen im steuerlichen Betriebsvermögen • Rechtsstruktur von Transaktionen, wie z. B. Einlage oder Verkauf. Es geht um grundlegende und bedeutende „Dinge“, die in sogenannten Steuerstrukturen dargestellt werden. Diese Steuerstrukturen bilden dann das Gerüst für die kurzfristige Pla­ nung mittels steueroperativer Instrumente. Abb. 9.3 zeigt wie das steuerliche Umfeld von Steuerstrategie dann inhaltlich systema­ tisiert werden kann. Aus der grafischen Darstellung ist auch die hier getroffene Festlegung zum Umfang von Steuerstrategie als Teil einer Steuer-Konzeption zu sehen: Steuerstrate­ gie beinhaltet nicht nur strategische Routen als sogenannte Strategie im engeren Sinne, sondern auch • das steuerstrategische Leitbild als Überbau und • auch Ziele aber nicht • steuerliches Strukturieren • steuerliches Business in der Form von operativem Planen, Entscheiden, Handeln.

9.1  Steuerstrategie als Kern einer strategiebasierten Steuer-Konzeption

109

Leitbild Strategische Ziele

Strategischer Bereich

Steuerstrategie

Strategische Routen

Handlungsgerüst

Steuerstrukturierung

SteuerKonzeption Operativer Bereich

Handeln

Steuerbusiness

Abb. 9.3  System einer Steuer-Konzeption

9.1.3 Wirtschaftliches Umfeld Ausgangssituation: In Deutschland hat Steuersparen einen hohen Stellenwert. Das ist deshalb so, weil für den finanziellen Erfolg von Unternehmen und Unternehmer nicht entscheidend ist, was verdient wurde, sondern was einem der Staat davon lässt – sei es für Investitionen, sei es für Konsum. Steuersparen im Privatbereich: Damit möglichst viel übrigbleibt, werden immer neue Instrumente erfunden. „Es scheint so, dass man nur die richtigen Produkte kaufen muss – und schon ist die Steuerlast weg.“ (May, 2006). Da mutiert Steuersparen zuweilen zum Selbstzweck. Böse Zungen behaupten gar, dass der Steuerspartrieb von uns Deutschen größer sei als unser Sexualtrieb. Steuersparen im Unternehmensbereich: Da ist es auch nicht viel besser. Auch hier steht die kurzfristige Reduzierung der Steuer­ last im Vordergrund – oft ohne Beachtung wirtschaftlicher Sinnhaftigkeit. Die Situation in der steuerlichen Fachwelt: Da gibt es vier negative, typisch deutsche Trends, herausragend vor allem die regel­ mäßig rein steuerliche Betrachtung der Dinge. Die Überbewertung des Steuersparens führt dazu, dass es zum Selbstzweck wird. Nicht die Reduzierung der Steuerlast sollte aber das oberste Ziel von Unternehmen sein, sondern die Steigerung des wirtschaftlichen Erfolges. „Man sollte sich daher stets der Tatsache be­

110

9  Entwicklung und Abgrenzung einer betriebswirtschaftlichen …

wusst sein, dass Unternehmen im marktwirtschaftlichen System am Markt erfolgreich sein müssen und nicht nur beim Finanzamt.“ (Kessler et al., 2002, S. 33). Das heißt regel­ mäßig, eigentlich sollte das unternehmerische Streben auf mehr Steuern gerichtet sein. Steuersparen in diesem Sinne ist dann nur so zu verstehen, dass die Steuerlast minimiert wird, ohne dass die wirtschaftlichen Ziele beeinträchtigt werden.  Deshalb sollte sich steuerliches Management im Kontext einer übergeordneten Strategie bewegen: • und zwar im Rahmen des Unternehmens, • aber auch im Rahmen der finanziellen Sphäre von Unternehmern. Im Unternehmen muss Steuerstrategie Teil der Unternehmensstrategie sein. Denn die Unternehmensführung hat das Unternehmen in erster Linie nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu führen. Das Steuermanagement hat sich dem betriebswirtschaftlichen Er­ folg unterzuordnen. Die Unternehmensleitung darf das Unternehmen „nicht nach Steuern steuern“ (Albach, 2000, S. 468). Typisch für kleine und mittlere Unternehmen ist das Vorhandensein eines Unter­ nehmers. Für diese Gruppe ist dann auch die Strategie des Unternehmers zu beachten. „Steuerstrategie muss integraler Bestandteil der Vermögensstrategie des Unternehmers sein.“ (May, 2006, S. 105). Hieraus leitet sich auch ab: Die Auswirkungen von Steuerstrategie auf andere Bereiche müssen beachtet werden, und ganz oben ist dies die Kapitalbeschaffung des Unternehmens. Unter konzeptionellen Gesichtspunkten ist das steuerliche Handeln von Unternehmen und Unternehmern unter das Regiment einer Steuerstrategie zu stellen. Diese wiederum hat sich einzuordnen in die übergeordnete Strategie von Unternehmen und Unternehmern. Das ist bildlich in Abb. 9.4 verdeutlicht.

Unternehmens-/Unternehmerstrategie einordnen



Steuerstrategie einordnen



Steuerliches Handeln

Abb. 9.4  Einordnung des steuerlichen Handelns

9.1  Steuerstrategie als Kern einer strategiebasierten Steuer-Konzeption

111

9.1.4 Definition III: Steuerstrategie als inhaltliche Konzeption Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ergibt sich folgende Definition für Steuer­ strategie im konzeptionellen Sinne: Steuerstrategie ist eine inhaltliche Konzeption für den Steuerbereich von Unternehmen und Unternehmern, • in der die strategische Ausrichtung bestimmt wird • aus der die strategischen Ziele abgeleitet werden • und sodann die große Handlungsrichtung in Form von steuerstrategischen Routen fest­ gelegt wird. Sie dient der bewusst-systematischen, strategischen Orientierung des Denkens und Han­ delns im Steuerbereich von Unternehmen und Unternehmern und ist Basis für die Ge­ staltung von Steuerstrukturen. Dabei hat sie sich in die allgemeine betriebswirtschaftliche Strategie von Unternehmen und Unternehmern einzuordnen. Verhältnis der Definitionen I und II einerseits und III andererseits zueinander: Steuerstrategie soll die große Richtung des steuerlichen Handelns angeben, die aber nur Sinn macht, wenn sie aus der steuerstrategischen Positionierung abgeleitet ist und auf Umsetzung via Strukturgestaltung, die das Gerüst für das kurzfristig ausgerichtete Steuer­ business ist, ausgerichtet ist. Die große Handlungsrichtung – Definition II, Steuerstrategie im engeren Sinne – ist insofern nur der Markenkern oder „genetische Code“ von Steuer­ strategie. Definition III ist das, was im vorliegenden Buch mit Steuerstrategie gemeint ist und was betriebswirtschaftlich die sinnvolle Definition ist. Definition II wird hier mit „Steuerstrategie im engeren Sinne“ oder „Steuerstrategische Route“ bezeichnet. In diesem Sinne ist Steuerstrategie der Begriff für eine inhaltliche Konzeption mit einem langfristigen, konzeptuell geprägten Strategieplan. Eine solche Steuerstrategie könnte man auch • Strategische Steuerkonzeption oder • Strategische Steuerplanung nennen. Steuerstrategie ist der griffigere und theoretisch angehauchte Begriff. Strategische Steuerkonzeption wurde umfassender definiert. Strategische Steuerplanung ist eigentlich der passende Begriff, wird aber heute prozess- und umsetzungsbezogener verwandt im Sinne von Steuerplanungsrechnung. International hat sich der Begriff Tax Planning (Lie­ senhoff et al., 2021, S. 50) als Synonym etabliert, der als Teilbereich von Tax Controlling verstanden wird. Tax Planning unterstützt im Rahmen des Steuerstrategiemanagements die Entwicklung und die Implementierung von Steuerstrategien (Scholes et al., 2009, S. 3).

112

9  Entwicklung und Abgrenzung einer betriebswirtschaftlichen …

9.1.5 Resümee Der begriffliche Ansatz (Kap. 7 Abschn. 7.4.6) zeigt nicht das ganze „wilde Tier“ (Mintz­ berg et al., 2004, S. 392).1 Das vermittelt eher die Begriffsbestimmung aus konzeptioneller Sicht (Definition III). Danach wird Steuerstrategie verstanden als Teil eines schlüs­ sigen Leitplans, der hier mit Steuer-Konzeption betitelt wird, der sich aus inhaltlicher Formulierung als eine Seite der Medaille und Implementierung, Umsetzung desselben als zweite Seite der Medaille zusammensetzt. Steuerstrategie ist eine Konzeption des Steuerbereichs von Unternehmen und Unter­ nehmern, die umfassend das steuerliche Denken und Handeln nach betriebswirtschaftlich-­ strategischen Gesichtspunkten ordnet und inhaltlich bestimmt. Dabei werden aus der Ge­ winnung einer steuerstrategischen Positionierung die zielführenden steuerstrategischen Routen abgeleitet. Zum Verhältnis der beiden Definitionsansätze: Die Definitionen I und II sagen, welche Eigenschaften Kennzeichen sind als not­ wendige Voraussetzung, dass etwas den Namen Steuerstrategie bzw. die Bezeichnung „steuerstrategisch“ verdient hat. Nach Definition III ist Steuerstrategie der Name für eine Konzeption, die ein zentraler Bestandteil von steuerstrategischem Management ist und als Grundvoraussetzung die mit den Definitionen I und II beschriebenen Eigenschaften hat. Die beiden Ansätze lassen sich bildlich in zwei Marken mit je zwei Seiten kompri­ mieren (vgl. Abb. 9.5).

9.2 Grundmodell Steuerstrategische Planung 9.2.1 Modell Das nachfolgend vorgestellte Grundmodell Steuerstrategischer Planung geht auf das Literaturstudium zahlreicher Prozessmodelle (Barney, 1997, in Welge et al., 2017, S. 19 und Becker, 2018, S. 67; Designschule in Mintzberg et al., 2004, S. 40 f. und Welge et al., 2017, S. 36; Mintzberg et al., 2004, S. 415; Welge et al., 2017, S. 195; Steinmann et al., 2013, S. 163; von Becker, 2018, adaptiert auf S. 61; Müller-Stewens & Lechner, 2016, S. 24; Weber & Schäffer, 2020, S. 393; Thommen et al., 2017, S. 524; Macharzina & Wolf, 2018, S. 390; Diederichs, 1992, S. 31; Heinen, 1985, S. 22 f.) der betriebswirtschaftlichen Strategie zurück, die ihren Niederschlag in den vorhergehenden konzeptionellen Grund­ lagen gefunden haben und die in Kap. 12 als Basis für eine Managementkonzeption von Steuerstrategie dienen. Auf Basis der steuerkonzeptionellen Überlegungen lassen sich die folgenden Elemente von Steuerstrategischer Planung identifizieren:

1

 Metapher von ihm für Strategie, bei dem das „wilde“ Tier bezeichnenderweise ein Elefant ist.

9.2  Grundmodell Steuerstrategische Planung

113

• Marke 1 - Vorderseite: die fünf von Mintzberg adaptierten Definitionen - Rückseite: die vier Wesensmerkmale

2

2

Richtung 1 4 te er W

4

P = A osi n

n tio se aly

P =S ersp teu e

• Marke 2 - Vorderseite: Abgrenzung Konfiguration und Transformation - Rückseite: Abgrenzung strategische und nichtstrategische Planung

a

cen

Ta xC

e an c p li

Chancen

tägli che sS

i

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Risiken

Abb. 9.5  Marke Steuerstrategie

nt

Steuerstrategie Fokus: Chancen

om

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Cha nc en

3

Plan = Große Handlungsrichtung im Bereich Steuern 1

3

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Zukunft

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114

• • • •

9  Entwicklung und Abgrenzung einer betriebswirtschaftlichen …

Analyse Ausrichtung Ziele Optionen → dargestellt in einem Grundraster.

Das Grundmodell präsentiert nicht nur die Elemente sondern auch die Schrittfolge und er­ gibt so den schematischen Aufriss des steuerstrategischen Planungsprozesses. Es gibt die Struktur von Band II „Steuerstrategie – Planung“ vor und ist im Schaubild 9.6 festgehalten

Analyse der Ausgangslage

extern

Aufgaben

wo stehen wir

Bestimmung der steuerstrategischen Ist-Position

was wollen wir

Festlegung der strategischen Ausrichtung

wo wollen wir hin

Bestimmung der Soll-Position

intern

Tax Mission Statement

Leitbild

Grundfragen

Verhaltensstrategie

Steuerstrategische Ziele

Strategische Optionen / Routen

Festlegung der

wie kommen wir dahin Handlungsrichtung zur Soll-Position

Abb. 9.6  Grundmodell der Steuerstrategischen Planung

9.2  Grundmodell Steuerstrategische Planung

115

und dort ergänzt um die zentralen Fragestellungen und die sich daraus ergebenden Auf­ gaben (siehe Definition Chandler, 2013, S. 13). Die Ebenen Analyse, Mission und Ziele können unter dem Begriff der Steuerstrategischen Positionierung zusammengefasst werden.

9.2.2 Bausteine 9.2.2.1 Analyse der Ausgangslage Steuerstrategie findet nicht im luftleeren Raum statt (Becker, 2018, S. 141 f.). Zu Beginn der Erstellung einer Steuerstrategie ist die steuerstrategische Ausgangssituation zu ana­ lysieren, und zwar sowohl die • steuerstrategische „Umwelt“-Situation als auch die • Situation von Unternehmen und Unternehmern selbst: Was ist der Ist-Zustand? Was ist die Aufgabe? • soll für einen Teilbereich eine Steuerstrategie gesucht und formuliert werden, etwa für die betrieblichen Immobilien • oder  ist es Aufgabe, eine ganzheitliche Steuerstrategie für Unternehmer und seine Unternehmen zu erstellen • oder geht es darum eine bestehende Steuerstrategie zu überprüfen oder zu erweitern. In Abhängigkeit von der Aufgabe sind alle steuerlich relevanten Daten zu sammeln und geordnet darzustellen. Das ist der erste Baustein der Steuerstrategie. Einer der wichtigsten Ansatzpunkte sind entsprechend unserer Leitidee die „großen Steuerchancen“. Das sind vor allem persönliche, sachliche, räumliche und zeitliche Steuerbefreiungen einerseits und in der zweiten Kategorie aber auch Steuersätze, die nicht als belastend empfunden werden. In der Designschule der betriebswirtschaftlichen Strategieforschung ist die strategische Analyse das Herzstück des strategischen Planungsprozesses, da sie die informatorischen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Strategieformulierung schafft. Abb. 9.7 (Grafik von Becker, S. 93, leicht modifiziert) macht deutlich, dass die Analyse der Ausgangssituation als Basis für die Zielbildung zu verstehen ist. Zunächst wird die Position mittels Analyse bestimmt: • einmal die Analyse der Situation in der steuerlichen Umwelt • zum anderen die Analyse der steuerlichen Ausgangssituation im Unternehmen selbst. In dem Analyseprozess kristallisieren sich dann die steuerlichen Ziele heraus.

116

9  Entwicklung und Abgrenzung einer betriebswirtschaftlichen …

Abb. 9.7  Beziehungen zwischen Umwelt- und Unternehmensanalysen und Zielen/1

Abb. 9.8  Beziehungen zwischen Analysen und Zielen/2

Die Beziehung zwischen Analysen als Ist-Position und Zielen als Soll-Position stellt die Abb. 9.8 vor. Die Ergebnisse der Unternehmens- und Umweltanalyse können in einer SWOT-­ Analyse zusammengefasst werden: • steuerliche Unternehmenssituation –– strengths –– weaknesses

9.2  Grundmodell Steuerstrategische Planung

117

• steuerliche Umweltsituation –– opportunities = Steuer-Chancen –– threats = Steuer-Risiken.

9.2.2.2 Tax Mission Statement Bevor konkrete Ziele formuliert und steuerstrategische Optionen gesucht werden, ist es sinnvoll, zunächst auf Basis der Vision/Mission von Unternehmen und Unternehmern ein steuerstrategisches Leitbild, ein Tax Mission Statement, zu entwickeln und zu formulieren und die grundlegende Ausrichtung für das zukünftige steuerliche Handeln gegenüber der steuerlichen Umwelt und den steuerlichen Akteuren von der anderen Seite festzulegen. Beides zusammen ergibt die „Steuerstrategische Ausrichtung“, die in einem Leitbild fest­ gehalten wird und die immer im Kopf der steuerlichen Akteure von Unternehmen und Unter­ nehmern sein sollte. Es stellt die dauerhafte Basis dar und gilt nicht nur für einen be­ stimmten Zeitraum, sondern für unbestimmte Zeit, ist weitestgehend zeitinvariant. Bezo­gen auf die Metapher Rundwanderung2 heißt das zum Beispiel: Gehen wir linksrum oder gehen wir rechtsrum? 9.2.2.3 Steuerstrategische Ziele Auf der Basis des steuerstrategischen Leitbildes sind die Ziele abzuleiten, auf die sich das steuerliche Handeln ausrichten soll. Diese Ziele sollten aus den betriebswirtschaftlichen Zielen von Unternehmen und Unternehmern abgeleitet werden. Es geht darum, das steuerstrategische Denken und Handeln darauf auszurichten, steuerstrategische Erfolgspositionen zu erkennen, zu erarbeiten und zu nutzen. Dabei ist unter einer steuerstrategischen Erfolgsposition die Fähigkeit zu verstehen, im Ver­ gleich zur Konkurrenz überdurchschnittliche Ergebnisse zu erzielen. Strategische Erfolgspositionen können in jedem Bereich aufgebaut werden, insbesondere am Markt. Aber auch der Teilbereich Steuern soll seinen Erfolgsbeitrag leisten, wie aus Abb. 9.9 zu ersehen. 9.2.2.4 Steuerstrategische Optionen Sodann ist die steuerstrategische Route zum Ziel zu bestimmen. Das ist die Steuerstrategie im engeren Sinne. Zunächst werden die möglichen Grundrichtungen sowie die Ansatz­ punkte und Anpassungsformen zur Gestaltung dieser Routen besprochen. Anschließend werden die grundlegenden steuerstrategischen Handlungsoptionen untersucht und bestimmt. Basis dieser Untersuchungen sind die Schlüsselfaktoren für den steuerstrategischen Erfolg. Die Kombination von Handlungsoptionen ergibt für eine be­ stimmte steuerstrategische Kontur. Der ganzheitlichen steuerstrategischen Route – hier mit Gesamtstrategien bezeichnet – für den Gesamtbereich eines Unternehmens bzw. Unternehmers werden sogenannte Teilstrategien gegenübergestellt. Das sind einzelne abgegrenzte Strategiefelder, wie ­ 2

 Kap. 2 Abschn. 2.3.2.2.

118

9  Entwicklung und Abgrenzung einer betriebswirtschaftlichen …

Bereiche strategischer Erfolgspositionen Unternehmensfunktionen • Klassiche Funktionen - Marketing - Produktion - Beschaffung -…

Beispiele • Fähigkeit, bestimmte Distributionskanäle am besten zu erschließen und zu besetzen (z. B. Direktvertrieb) • Fähigkeit, durch laufende Innovationen schneller als die Konkurrenz neue, überlegene Produkte auf den Markt zu bringen • Fähigkeit, überlegene Beschaffungsquellen zu erschließen und zu sichern • Fähigkeit, effizienter und kostengünstiger als die Konkurrenz zu produzieren • Fähigkeit, die bestqualifizierten Mitarbeiter zu rekrutieren und zu halten

• Querfunktionen -… -… -… - Steuern

Fähigkeit, steuereffektiver als die Konkurrenz zu arbeiten  niedrigere Steuerbelastungsquote

Abb. 9.9  (nach Thommen et al., 2017, S. 523) Bereiche strategischer Erfolgspositionen

z.  B.  ­Unternehmensnachfolge, stille Reserven oder Verluste, für die ebenfalls unter­ nehmerisch strategische Handlungsoptionen entwickelt wurden. Es geht darum, erfolgversprechende Wege zu den angestrebten Zielen zu finden auf Basis der festgelegten steuerstrategischen Ausrichtung. Die Entwicklung und die Wahl dieser Optionen sind hier das Herzstück der Steuerstrategischen Planung. Und die Grundlagen dieses Herzstücks „Steuerstrategische Optionen“ sind in dem nachfolgend beschriebenen steuerstrategischen Grundraster dargestellt.

9.2.3 Grundraster der steuerstrategischen Optionen Für die Gewinnung von steuerstrategischen Optionen werden fünf Strategiedimensionen und -formen unterschieden,3 die in Form eines Grundrasters (Abb. 9.10) strukturiert wer­ den. Die verschiedenen Formen von Steuerstrategie werden detailliert in Band II ent­ wickelt und beschrieben. Aus der Bandbreite möglicher steuerstrategischer Optionen ist in einer Bewertung diejenige Option auszuwählen, die den größtmöglichen steuerstrategischen Erfolg verspricht.

 Die Ableitung wird eingehend in Band II dargestellt.

3

9.3  Steuerstrategische Planung als Prozess

119

Nr. Steuerstrategische Dimension

Leitfragen

Strategieform

1

Steuersubjekte

Wo ist das Steuersubjekt mit den niedrigsten Steuerbelastungen?

Steuersubjektstrategien

2

Art der steuerlichen Sphäre

Welcher SteuervermögensSteuersphärenbereich verspricht die niedrigste strategien Steuerbelastung?

3

Zeit/Lebenszyklus

In welcher Lebensregion/ Steuerliche Zeit- und -periode ist die Steuerbelastung Lebensstrategien am niedrigsten?

4

Steuerregion

In welcher räumlichen Region lässt sich eine niedrige Steuerlast erreichen?

Arealstrategien

5

Grad der Bearbeitung des Steuerareals

In welchem Entscheidungsfeld lassen sich steuerstrategische Erfolge erzielen? Bringt ganzheitliche Steuer strategie mehr als steuerliche Teilstrategie?

Parzellierungsstrategien

Abb. 9.10  Steuerstrategisches Grundraster

9.3 Steuerstrategische Planung als Prozess Trotz Fokussierung auf Inhalt darf nicht übersehen werden, dass Steuerstrategie sich als Prozess vollzieht, der in Gang gesetzt werden muss und der auf verschiedenen Ebenen abläuft.

9.3.1 Schritte und Schrittfolge Die im Grundmodell gewählte Reihenfolge kann auch anders festgelegt werden. Zum Bei­ spiel könnte das Tax Mission Statement an den Anfang gesetzt werden:

120

9  Entwicklung und Abgrenzung einer betriebswirtschaftlichen …

Zuerst die ethischen Werte und das grundsätzliche Verhalten im Steuerbereich, was wollen wir? Dann den Fragen nachgehen: • Wo stehen wir? • Wo wollen wir hin? Analyse und Ziele sind dann als Ist- und Sollpositionen enger zusammen. Das Tax Mission Statement wird man regelmäßig am Anfang festlegen, meist für lange Zeit („ewig“). Situationsanalysen und darauf angepasste Ziele wird man häufiger machen. Letztere können sich auf einzelne strategische Situationen beziehen, die sich in regel­ mäßiger Form ergeben. Die hier dargestellte Schrittfolge im strategischen Planungsprozess ist als theoretisches Gebäude idealtypisch konstruiert. In der Praxis läuft es wahrscheinlich bei jedem Unter­ nehmen anders ab: • die Reihenfolge kann anders sein • nach dem dritten Schritt gibt es vielleicht neue Ideen zum ersten Schritt. Die Schritte stehen nicht jeder für sich, sondern hängen zusammen, es gibt Rück­ kopplungen, Änderungen in der Reihenfolge wie z. B. Vorziehen eines Schrittes, parallele Bearbeitung etc.  So oder so sind die Schritte nicht als gleichgewichtig zu werten. Das Schwergewicht ist der Schritt Strategische Optionen: • Entwicklung • Formulierung • Auswahl von steuerstrategischen Routen.  Das ist der Kern des steuerstrategischen Planungs­ prozesses, die anderen Schritte sind quasi „Beiwerk“. Das sei noch einmal mit Grafik 9.11 verdeutlicht. Auch die Aufteilung des Planungsprozesses in vier Schritte ist nicht zwingend. Bei manchen Strategieautoren ist das Mission Statement Teil des Schrittes Ziele, bei manchen ist der Schritt Ziele überhaupt nicht zu finden, bei manchen ist der Schritt Optionen auf­ geteilt in Formulierungen und strategische Wahl. Werte und Grund-sätze werden gerade im Steuerbereich hier für enorm bedeutend gehalten – eine gute Steuermoral gehört zu einer guten Steuerstrategie. Tax Mission Statement ist etwas elementar Anderes als Ziele, ist wie der Stern für die drei Könige in der Bibel und gehört theoretisch eigentlich an den Anfang. Aus praktischen Gründen wurde aber eine andere Reihenfolge gewählt: • Wir schauen uns zunächst um und • dann „kramen“ wir unsere Werte hervor.

9.3  Steuerstrategische Planung als Prozess

121

Abb. 9.11  Steuerstrategischer Planungsprozess

Die Essenz ist, dass • die strategischen Optionen das Herzstück des steuerlichen Planungsprozesses sind und • die Reihenfolge der Schritte nicht zwingend und nicht von eigentlicher Be­ deutung ist, was in Grafik 9.12 veranschaulicht wird.

9.3.2 Betriebswirtschaftliche Erklärungsansätze – Grundlagen Im Grundmodell wurden die Bausteine schon in eine sachlogische Reihenfolge gebracht und es wurde auch über den Tellerrand hinausgeschaut: Es genügt nicht alleine, Steuerstrategie als „Zustand“ zu formulieren, zu konfigurie­ ren, sondern sie muss sich auch in Transformation niederschlagen. Dieser Prozess der Veränderung wurde mit steuerstrategischem Management bezeichnet und zunächst in der Betrachtung außer Acht gelassen. Der steuerstrategische Prozess, der Ablauf, die Um­ setzung und Kontrolle sowie die Rückkopplung der Steuerstrategischen Konzeption blei­ ben einem Band III vorbehalten. Im Vordergrund stehen zunächst mehr die Content-, denn

122

9  Entwicklung und Abgrenzung einer betriebswirtschaftlichen …

Analyse extern

Analyse intern

Ökonomische Ziele

Steuerliche Ziele

Optionen

Werte

Verhalten

Abb. 9.12  Optionen als Herzstück des steuerstrategischen Planungsprozesses

die Process-­Aspekte. Nichtsdestotrotz macht es Sinn, sich mit einigen Aspekten des Ab­ laufs in der Phase der Strategieformulierung, insbesondere auch in der Praxis, zu be­ schäftigen. Bei idealtypischer Betrachtung bilden die vier Bausteine nicht eine bloße Liste in be­ liebiger Reihenfolge, sondern stehen systematisch in Beziehung. Das klassische Strategie­ verständnis ordnet sie in einer strikten logischen Abfolge, sodass die Vorstellung eines idealtypischen Prozesses entsteht. Die Bausteine von Steuerstrategie werden so als eine Abfolge von zu lösenden Aufgaben angesehen. In der Praxis läuft das aber so nicht ab, sagen die Anhänger des sogenannten inkremen­ talen Ansatzes. Der strategische Prozess läuft weniger bewusst ab. Eher bildet er sich un­ bewusst heraus, ist also von emergenter Natur. Die beiden betriebswirtschaftlichen Erklärungsansätze seien kurz vorgestellt: Der idealtypische Ansatz hält ein bewusstes Vorgehen für sinnvoll und möglich, ist umfassend und ganzheitlich und stellt den Fokus stärker auf Visionen, Ziele und Optionen. Im Idealfall wird die Strategie quasi „auf der grünen Wiese“ gebaut. Demgegenüber ist die Richtung des Vorgehens beim inkrementalen Ansatz eher: Soll die bereits – meist unbewusst – verfolgte Strategie verändert werden. Im Zentrum der Überlegungen steht die Transformation. Ziele spielen keine Rolle, das Thema wird weniger ganzheitlich angepackt. In Abb. 9.13 sind die wesentlichen Merkmale der unterschiedlichen Planungsansätze gegenübergestellt.

9.3  Steuerstrategische Planung als Prozess

123

Charakteristika

Synoptische Planung

Inkrementale Planung

Entscheidungs- und Planungsverhalten

stärker antizipativ und zielorientiert

eher reaktiv auf drängende Problemaspekte

Zielorientierung

spezifiziert, dominant eher Extremierung

unbestimmt,nachrangig, eher Satisfizierung

Zeitlicher und sachlicher Problemhorizont

eher längerfristig, umfassend

eher kurzfristig, auf aktuelle Teilprobleme begrenzt

Alternativenzahl

mehrere Alternativen nur eine Alternative (grundsätzlich alle denkbaren) (begrenzte Anzahl)

Bewertungsprozess von Alternativen

eher bewusst, umfassend

eher intuitiv, politischer Prozess

Kontinuität der Planung

integrierte, kontinuierliche Schritte

serielle, unverbundene Schritte

Flexibilität der Planung

begrenzt

adaptiv

Abb. 9.13  Merkmale der synoptischen und der inkrementalen Planung. (nach Becker, 2018, S. 55)

9.3.3 Systematischer Planungsprozess versus Muddling Through oder Verstand versus Intuition Empirische Untersuchungen kamen zum Ergebnis, dass ein systematischer Planungs­ ansatz größere Veränderungen bestehender Strategien bewirken kann. Von daher ist viel­ leicht auch für den Steuerbereich, der mit der „unsystematischen“, aber auch hektischen, chaotischen Steuerumwelt (Steuerdschungel) zu kämpfen hat, eine bewusst-systematische Konzeption „Steuerstrategie“ sinnvoll für ein strategisches Vorankommen im Steuer­ bereich. So verstanden ist Steuerstrategie das Ergebnis eines bewussten Planungsprozesses, der Steuerstrukturierung, Risiko-Management und steueroperativer Planung voran­ gehen sollen. Das ist aber eine idealtypische Form, die nach Mintzberg vollkommen an der gelebten Praxis vorbeigeht. Er wendet ein, dass ein bestehendes Unternehmen außer am Anfang einer Neugründung nicht ein „völlig unbeschriebenes Blatt“ ist. Im Steuerbereich heißt das, dass meist Steuerstrukturierung und -business in „Hülle und Fülle“ vorhanden sind, sei es in der Form von Planungsarbeit oder täglichem steuerlichem Handeln und vor allem unbewusst und auch unbeabsichtigt. Das kann nicht ausgeblendet, beiseite ge­ schoben werden.

124

9  Entwicklung und Abgrenzung einer betriebswirtschaftlichen …

Wenn überhaupt, ist in der Steuerpraxis der Planungsprozess eher anders: (1) Die Reihenfolge ist erstmal umgedreht: Strategy follows Structure. Die Notwendigkeit von Steuerstrategie ist eher eine sich in der Praxis aus strukturie­ rendem und operativem Planen und Handeln herausbildende Überzeugung, dass es die braucht. (2) Bewusste Steuerstrategische Planungen gibt es nur in Ansätzen; vorherrschend ist in­ tuitives, unbewusstes, untergründiges strategisches Agieren. (3) Risiko- und Compliance-Orientierung ist übermächtig und in gut aufgestellten Unter­ nehmen gibt es von Zeit zu Zeit Steuerstrukturierungen. Strategische Grundfragen – und das gilt besonders auch für den Steuerbereich – werden eher mehr intuitiv denn mittels eines systematisch-bewussten Planungsprozesses gelöst (Steinmann et al., 2013, S. 161). Nur selten wird eine streng systematische Abfolge zu fin­ den sein. In Band I und II soll der Rahmen so festgelegt werden, dass im Fokus nur bewusst ge­ plante Strategien als Basis von Steuerstrategie stehen. In einem zweiten Schritt ist die Be­ schäftigung mit unbewussten, emergenten Steuerstrategien sicher auch sinnvoll, auch und vor allem via empirische Beobachtung. Steuerstrategische Planung führt also nicht erst Steuerstrategien ein, sondern fördert und systematisiert unbewusste, intuitive, emergente steuerstrategische Ansätze und Ent­ wicklungen der Praxis. Nur selten zeigen sich Steuerstrategien in einer streng festgelegten Abfolge wie bei ei­ nem idealtypischen Modell oder wie bei der Planung eines Hauses. Steuerstrategische Ent­ scheidungsprozesse finden immer in einem vorhandenen Umfeld von ökonomischem Ge­ schehen und internen wie externen steuerlichen Gegebenheiten statt (Steinmann et al., 2013). Aber: Das von Mintzberg entdeckte Emergenzprinzip ist kein „Handlungsprinzip und daher für Strategiezwecke unbrauchbar“ (Schreyögg & Koch, 2020, S. 399 f., zitiert nach Müller-Stewens & Lechner, 2005, S. 77). Vielmehr bedarf es eines Handlungsprinzips für die Entwicklung „einer Steuerungsidee“, die dem unbewussten, ungeordneten steuer­ strategischen Verhalten in der Praxis eine Orientierung gibt, wo die Reise hingehen soll. Das entspricht einem systematischen Herangehen an ungeordnete, unsystematische Ver­ hältnisse in der Praxis. Die Hauptaufgabe in diesem Sinne ist es, eine zentrale Orientierungskonzeption für Steuerstrategie zu entwickeln: Das ist ein steuerökonomisch geprägter Entwurf in Form einer eigenständigen Steuer­ planungsebene, der in Abstimmung mit den ökonomischen Gegebenheiten Steuer­ reduzierungspotenziale sucht und daraus eine große Handlungsrichtung, einen Kurs ab­ leitet. ­Dabei sind die Elemente und die Abfolge des steuerstrategischen Prozesses als Orientierung für die Praxis zu verstehen. Die Konzeption soll mehr oder weniger vorgeben, wie Steuerstrategien gebaut werden sollten und die folgenden Aufgaben von Steuerstrategie lösen:

9.3  Steuerstrategische Planung als Prozess

125

• Richtung vorgeben, Kurs für Unternehmen weisen  Strategie = Handlungsrichtung = Weg zum Ziel = Kern • Komplexität reduzieren • Orientierung für Mitarbeiter/Organisationen geben • für Kontinuität sorgen • die großen Fragen lösen. Daneben soll eine Terminologie entwickelt werden, die der Thematik eine gewisse Ord­ nung gibt. Steuerstrategie hat die vorgenannten Aufgaben in verschiedenen Kontextsituationen zu lösen: Besonders geeignet ist diese Konzeption natürlich bei der Neugründung von Unter­ nehmen. Da kann in der Tat eine Steuerstrategie erstmalig konzipiert werden. In diesem Stadium kann der theoretische Entwurf noch am weitestgehenden idealtypisch umgesetzt werden. Das ist nur eine von vielen Kontextsituationen. In Abb. 9.14 werden noch einige andere im Vergleich zur Neugründung aufgezählt.

Situation

Anwendbarkeit

Neugründung

Steuerstrategie idealtypisch anwendbar Umsetzung durch Strukturierung

Bestehende Unternehmen

Steuerstrategische Planung hilft unbewusste Strategie zu lenken Motto: nur bewusste Strategieinitiativen bringen Unternehmen und Unternehmer weiter Umsetzung durch Strukturierung Alternative: unbewusste Strategien aufdecken Strategie komplett neu aufsetzen

Projekte

idealtypisches Angehen möglich Steuerstrategische Konzeption als Orientierung für Vorgehen und als Checkliste

Alltag

das steuerliche Handeln unter das Primat eines steuerstrategischen „Umdenkens“ stellen

allgemein

Ideengrundlage und Anleitung für steuerstrategisches Denken

Abb. 9.14  Anwendbarkeit von Steuerstrategie in verschiedenen Kontextsituationen

126

9  Entwicklung und Abgrenzung einer betriebswirtschaftlichen …

Ziel der beiden letzten Kontextsituationen kann eine steuerstrategische Denkhaltung sein (Kap. 10 , Abschn. 10.3). Conclusio: Synoptische Totalplanung ist für den Steuerbereich von Unternehmen und Unter­ nehmern wichtig, wohlwissend, dass es am Ende gilt, einen dritten Weg zu finden, der irgendwo zwischen einem sich evolutionär entfaltenden „muddling through“ und einem systematisch exakt festgelegten steuerstrategischen Prozess liegt (Müller-Stewens & Lechner, 2005, S. 78; siehe auch Becker & Fallgatter 2007, S. 57, Abb. Die geplante Evo­ lution nach Kirsch, 1997, S. 45). In jedem Fall sollte mehr Verstand, gleich bewusste Steuerstrategische Planung, zu mehr Steuerstrategie führen. Und das vor allem, weil im Steuerbereich das strategische Verständnis unterentwickelt ist. Es gilt die Devise: Mit Verstand zu mehr Steuerstrategie!

9.3.4 Ablauf in der Praxis: Drama in drei Akten In Anlehnung an Tichy und Sherman (1993, S. 305 in Mintzberg et al., 2004, S. 374 f.) kann der Ablauf der Entwicklung einer Steuerstrategie mit der Metapher eines Theater­ stücks beschrieben werden, als Kontrapunkt zum idealtypisch geplanten Ablauf. Dieses Drama ist in Abb. 9.15 dargestellt. Im I. Akt ist das Motto zunächst: Der Plan ist kein Plan. Als Initiative ist jeder Impuls im Unternehmen zu verstehen, vornehmlich als bewusster Impuls, aber auch als un­ bewusster, nicht beabsichtigter Impuls. Ab dem II. Akt kommt in jedem Fall der „Verstand“ ins Spiel, der dem Ganzen einen entscheidenden „Stups“ zu einer Veränderung gibt. Die beginnt mit der Entwicklung eines Leitbildes einer Ausrichtung, bzw., sofern eine vorhanden ist, mit dem Überdenken und ggf. Verändern der bisherigen – meist unterschwelligen – steuerstrategischen Aus­ richtung. Die Formulierung einer neuen Steuerstrategie im III. Akt könnte wie folgt ablaufen: • • • • •

Es wird zunächst eine Ist-Aufnahme gemacht: Zustand (Position) feststellen Der Sollzustand(-position) wird festgelegt: Welche steuerstrategische Ausrichtung? Welche steuerstrategischen Erfolgspotenziale nutzen? Auf dieser Basis wird eine umfassende Steuerstrategie entwickelt: –– Konzept Neukonfigurierung –– Umsetzung (Veränderung) planen und dann handeln Jährlich gibt es eine Kontrolle der Umsetzung. • Alle drei bis fünf Jahre wird das Konzept überprüft.

Literatur

127

I. Akt Böses Erwachen

Es gibt keine bewusste Strategie, nur unbewusstes steuerliches Handeln



Auslöser = Erwachen z. B. unerwartete „Steuernachzahlung“, die zu Liquiditätsschwierigkeiten führt



II. Akt Entwicklung einer Vorstellung

Initiative

 

Leitbild/Strategische Ausrichtung (envisioning)

III. Akt Neukonzeption

Formulierung einer Steuerstrategie

Abb. 9.15  Steuerstrategie – ein Drama in drei Akten

Literatur Albach, H. (2000). Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Gabler. Barney, J. B. (1997). Gaining and sustaining competitive advantage. Pearson Education. Becker, J. (2019). Marketing-Konzeption. Grundlagen des ziel-strategischen und operativen Marketing-­Managements. Franz Vahlen. Becker, F. G. (2018). Strategische Unternehmensführung. Erich Schmidt. Becker, F.G., & Fallgatter, M. J. (2007). Strategische Unternehmensführung. Erich Schmidt. Chandler, A.  D. (2013). Strategy and Structure. Nachdruck des Originals aus 1962. Martino Pu­ blishing. Diederichs, H. (1992). Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. W. Kohlhammer. Heinen, E. (1985). Einführung in die Betriebswirtschaftslehre. Gabler. Kessler, W., Schiffers, J., & Teufel, T. (2002). Rechtsformwahl, Rechtsformoptimierung. C.H. Beck. Kirsch, W. (1997). Strategisches Management: Die geplante Evolution von Unternehmen. Herrsching. Liesenhoff, J., Jungen, A., & Pottebaum, D. (2021). Steuern steuern  – ein literaturbasierter Vor­ schlag für Instrumente in einem ganzheitlichen Tax Controlling-System. Steuer und Wirtschaft, 1, 46–60.

128

9  Entwicklung und Abgrenzung einer betriebswirtschaftlichen …

Macharzina, C., & Wolf, J. (2018). Unternehmensführung. Springer Gabler. May, P. (2006). Der Unternehmer als Chef, Manager und Privatperson. Campus. Mintzberg, H., Ahlstrand, B., & Lampel, J. (2004). Strategy Safari, Eine Reise durch die Wildnis des strategischen Managements. Wirtschaftsverlag Carl Ueberreuter. Müller-Stewens, G., & Lechner, C. (2005). Strategisches Management. Schäffer-Poeschel. Müller-Stewens, G., & Lechner, C. (2016). Strategisches Management. Schäffer-Poeschel. Scholes, M. S., Wolfson, M. A., Erickson, M., Maydew, E. L., & Shevlin, T. (2009). Taxes and business strategy, a planning approach. Pearson Education. Schreyögg, G., & Koch, J. (2020). Management. Springer Gabler. Steinmann, H., Schreyögg, G., & Koch, J. (2013). Management. Springer Gabler. Thommen, J.-P., Achleitner, A.-K., Gilbert, J. U., Hachmeister, D., & Kaiser, G. (2017). Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Umfassende Einführung aus managementorientierter Sicht. Sprin­ ger Gabler. Weber, J., & Schäffer, U. (2020). Einführung in das Controlling. Schäffer-Poeschel. Welge, M.  K., Al-Laham, A., & Eulerich, M. (2017). Strategisches Management, Grundlagen-­ Prozess-­Implementierung. Springer Gabler.

Anwendbarkeit der Steuerstrategischen Konzeption

10

In welchen Formen die entwickelten theoretischen Grundlagen in der Praxis angewendet werden können, steht im Zentrum von Kap.  10. Zunächst wird die Bandbreite der Anwendungsmöglichkeiten gezeigt. Dazu wird ein Tool präsentiert, mit dem die steuerstrategische Ausgangs- und Zielposition bestimmt werden kann. Dann wird auf die Ordnungsfunktion der steuerstrategischen Konzeption eingegangen, um dem Steuerplaner eine bessere Orientierung zu geben. Daran anschließend wird auf die Gewinnung einer steuerstrategischen Denkhaltung eingegangen als einer inneren Einstellung, die regelmäßige Beschäftigung und ein grundlegendes Verständnis voraussetzt, das als eine Art Grundsatzprogramm präsentiert wird. Dieses strategische Steuerverständnis wird zum Abschluss durch Gegenüberstellung mit dem klassischen Steuerverständnis nochmals deutlich konturiert.

10.1 Die Bandbreite von Anwendungsmöglichkeiten Steuerstrategie im definierten Sinne ist im Idealfall Muster für die Formulierung einer umfassenden Strategie eines Unternehmens. Das hier vorgestellte steuerstrategische Gedankensystem kann aber auch einfach „nur“ dafür gut sein, den Leser für Strategie im steuerlichen Bereich eines Unternehmens zu sensibilisieren (Welge et al., 2017, S. 193). Diese beiden Alternativen markieren die Bandbreite möglicher Anwendbarkeit von Steuerstrategie. Sie kann ein einmaliges Gesamt- oder auch Teilprojekt sein. Sie kann aber auch eine fortlaufende Aufgabe sein. Die Kombination von Steuerstrategietiefe und -breite wird in Abb. 10.1 in einem Matrixtool dargestellt. Mit Hilfe der Matrix kann die steuerstrategische Position bestimmt werden: Je weiter die Koordinatenposition unten bzw. rechts liegt, umso steuerstrategischer ist das Unternehmen bzw. der Unternehmer. Alternativ könnte die Position auch mit Hilfe  eines

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 H. Keuler, Steuern und Strategie, https://doi.org/10.1007/978-3-8349-3675-2_10

129

130

10  Anwendbarkeit der Steuerstrategischen Konzeption

Steuerstrategiebreite

einmalig

regelmäßig

Steuerstrategietiefe Nachdenken

P

Denkhaltung steuerstrategische Ausrichtung

Z

steuerstrategisches Management

Abb. 10.1  Matrix zur Bestimmung der steuerstrategischen Position

„Steuerstrategie-­Index“ bestimmt werden. Anhand der Matrix kann überlegt werden, ob die Position P hin zu einer Zielposition Z verändert werden soll. Die Bandbreite der Anwendbarkeit reicht so einerseits von der Schärfung des steuerstrategischen Denkens über eine geänderte Denkhaltung bis hin zu der Implementierung eines systematischen Steuerstrategiemanagements, andererseits von einmaliger Beschäftigung anlässlich eines Sondervorgangs wie dem Kauf eines Unternehmens bis hin zu laufenden steuerstrategischen Initiativen.  Im Hinblick auf den derzeitigen Stand der ­Entwicklung von Steuerstrategie ist alleine schon eine steuerstrategische Denkhaltung ein großer Fortschritt.

10.2 Der Ordnungscharakter Mithilfe des hier vorgestellten theoretischen Entwurfs von Steuerstrategie können Sachverhalte aus der Praxis, aber auch steuerliche • • • •

Modelle, Instrumente, Vehikel, Gestaltungen, Strukturierungen, Planungen, Optionen

10.3  Steuerstrategie als Denkhaltung

131

eingeordnet werden (Mintzberg et al., 2004, S. 367). Und es kann gezeigt werden, was Steuerstrategie im hier definierten Sinne ausmacht. Das wird im nachfolgenden Kapitel am Beispiel von Standortentscheidungen gezeigt. Steuerstrategie hat auch Ordnungscharakter im Sinne einer Empfehlung für ein geordnetes, sprich konzeptionelles, Vorgehen: Erst bestimmen, wo Unternehmen mit ihrer Steuerbelastung hinwollen (Ziel), dann den Weg als große Handlungsrichtung bestimmen und schließlich die Strukturen mithilfe von In­ strumenten und Modellen wählen, mit denen die Steuerstrategie implementiert werden kann. Das steuerliche Planen eines Unternehmens verdient dann den Namen geordnet, wenn die Entscheidungen von oben nach unten abgeleitet werden und aufeinander abgestimmt sind im Sinne einer steuerkonzeptionellen Kette. Das heißt, dass sie schlüssig sind. Aber auch vollständig sollte der „Steuer-Fahrplan“ als geeignete Handlungsgrundlage sein, indem er sowohl Ziel, Route als auch operative Businessentscheidungen enthält. Es ist sinnvoll, Steuerplanung systematisch zu ordnen, das heißt, die verschiedenen Planungsebenen zu differenzieren, die strategischen von operativen Ebenen zu separieren. Vor allem um die steuerstrategischen Aspekte als Instrument der Richtungsvorgabe über die steuerstrukturellen und die laufenden operativen Aktivitäten herauszuheben, so wie das schon in der Allgemeinen und den Speziellen Betriebswirtschaftslehren für andere Funktionen eines Unternehmens vorgemacht wurde. Das gibt dem Steuerplaner • eine klarere Orientierung • vermeidet ein Verirren im Steuerdschungel und • vermeidet ein muddling through.

10.3 Steuerstrategie als Denkhaltung 10.3.1 Das Grundsatzprogramm Steuerstrategische Denkhaltung als innere Einstellung setzt eine grundlegende regelmäßige Beschäftigung und ein grundlegendes Verständnis voraus: 1. Das steuerliche Denken orientiert sich an den gesamtstrategischen Zielen von Unternehmen und Unternehmern. Der Steuerbereich soll seinen Beitrag dazu leisten. Steuerstrategie versteht sich als Teil einer übergeordneten betriebswirtschaftlichen Strategie von Unternehmen und Unternehmern und hat als Basis bewusste nachhaltige Steuerziele im Auge. Ziel der Unternehmensstrategie ist die langfristige Sicherung der Existenz, der Gewinnerzielung und des Wertes des Unternehmens. Ziel der Unternehmerstrategie ist die langfristige Sicherung der finanziellen Grundlagen, • sei es das Vermögen des Unternehmers, • seien es die Einnahmen für private Lebensführung hieraus.

132

10  Anwendbarkeit der Steuerstrategischen Konzeption

Um diese Ziele zu erreichen, müssen Unternehmen und Unternehmer wirtschaftlich erfolgreich sein, indem sie ihre Erfolgspotenziale auf- und ausbauen und sichern. Zu diesen gesamtstrategischen Zielen sollte auch das steuerstrategische Denken beitragen: • durch strukturelle Ordnung der steuerrechtlichen Komplexität mit Prinzipien und Systematik • durch systematische Identifizierung und Nutzung von nachhaltigen Steuersparpotenzialen im Rahmen der vorgegebenen Maximen von Unternehmen und ­Unternehmern und der daraus abgeleiteten Handlungsrichtung. Die Steuersparpotenziale sind dabei als Erfolgspotenziale des Bereichs Steuern zu verstehen. • durch Generierung von langfristigen Handlungsoptionen • durch mehr Steuerflexibilität im Sinne einer besseren Anpassungsfähigkeit an unerwartete Änderungen der steuerlichen Parameter. 2. Steuerliches Denken ist • zukunftsorientiert, • planmäßig, • längerfristig orientiert. 3. Das steuerliche Denken orientiert sich an den Steuerchancen als große Handlungsrichtung. Permanente Änderungen im Steuerrecht und langfristiges, steuerstrategisches Denken und Handeln schließen sich nicht aus, sind kein Widerspruch. Im Gegenteil: Gerade wegen der vielen Änderungen im Steuerrecht ist es schwierig, die langfristige Orientierung im Auge zu behalten. Genauso wie im schwierigen Gelände der Blick „weit nach vorne“ notwendig ist, genauso ist das auch für den Steuerbereich von Unternehmen und Unternehmern: • damit die Orientierung in der komplexen und dynamischen Steuerumwelt (Paragrafen-­Dschungel) nicht verloren geht; Steuerstrategie ist quasi der Steuerkompass, der uns an den Steuerfallen vorbei zu den großen Steuerchancen führt; in diesem Sinne ist Steuerstrategie kein kleinkariertes Steuersparen zum Erhaschen von ein paar Steuerpeanuts, aber auch kein Suchen von Steuerschlupflöchern am oder über dem Rande der Legalität. • damit das tägliche steuerliche Handeln nicht die betrieblichen und privat-­finanziellen Ziele negativ beeinflusst. 4. Steuerliches Denken orientiert sich an bedeutsamen ethischen Leitvorstellungen. Weil Steuerstrategie in diesem Sinne • nicht auf Probleme sondern auf Steuerchancen und damit auf die Reduzierung der Steuerbelastung fokussiert ist • gleichwohl werteorientiert und staatsbejahend ist und damit grundlegend positiv gestimmt an die steuerlichen Dinge herangeht im Gegensatz zu einer von Bunkermentalität1 bestimmten Sichtweise –, könnte man diese Konzeption einer Steuerstrategie auch mit dem Wörtchen „positiv“ titulieren. Das soll im Übrigen auch dem leicht negativen Touch von Steuerstrategie entgegenwirken, 1

 Siehe Kap. 2 Abschn. 2.1.

10.3  Steuerstrategie als Denkhaltung

133

• der von der etymologischen Bedeutung, sprich Herkunft, aus dem militärischen Bereich und • der negativen Immanenz in Form von Steuerausweichung herrührt. 5. Steuerliches Denken zielt auf Umsetzung von steuerstrategischen Positionen ab.

10.3.2 Gegenüberstellung von strategischem und klassischem Steuerverständnis Positiver Steuerstrategie liegt ein anderes Steuerverständnis als dem klassischen Steuerdenken zugrunde. In Abb. 10.2 wird das „andere“ Verständnis dem klassischen Steuerverständnis gegenübergestellt; und zwar werden gegenübergestellt die Merkmale, die das Wesen steuerstrategischen Denkens ausmachen. Die Merkmalausprägungen betreffen eigentlich eine komplette Bandbreite. Zur Verdeutlichung wurden hier die „Enden“ der jeweiligen Bandbreite beschrieben. In der Steuerpraxis sind die Merkmale, insbesondere des klassischen Steuerverständnisses, nicht durchgehend so „extrem“ ausgeprägt. Die Kennzeichnung des strategischen Steuerverständnisses ist eher idealtypisch.

Strategisches Steuerverständnis

Klassisches Steuerverständnis

• zukunftsorientiert • langfristig • planmäßig • bewusst • regelmäßig • proaktiv • umfassend

• rückwärtsgerichtet • kurzfristig • unsystematisch • unbewusst • opportunistisch • reaktiv • detailorientiert

• große Linie • chancenorientiert • steuereffektiv • werteorientiert • staatsbejahend • positiv gestimmt • zielorientiert • betriebswirtschaftlicher Fokus • auf Anpassung ausgerichtet

• ohne Linie • risiko-/problemorientiert • steuereffizient • rein finanzielle Orientierung • staatsneutral oder negierend • Bunkermentalität • ad-hoc-Aktivitäten • rein steuerlicher Fokus • eher unflexibel

Abb. 10.2  Merkmale von strategischem und klassischem Steuerverständnis

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10  Anwendbarkeit der Steuerstrategischen Konzeption

10.3.3 Bemerkungen zum steuerstrategischen Denken Denkhaltung und Denken alleine richtet den Steuerbereich nicht strategisch aus. Zu viel steuerstrategisches Denken kann auf Kosten der Handlungsfähigkeit gehen: Paralyse durch Analyse (Mintzberg et al., 2012, S. 495 f.). Die große Frage, die hinter dieser kritischen Haltung steckt, ist: Wie kann man bei der Entwicklung einer Steuerstrategie Denken mit Handeln verbinden? Aber da steckt auch die Grundsatzfrage dahinter: Was ist „strategisches Denken“ überhaupt? Wie läuft das psychologisch und synergetisch ab? Und kann das einfach für den Steuerbereich adaptiert werden oder gibt es hier Spezifika, die zu beachten sind? Diesen Fragen und Themen soll später in Band III „Steuerstrategie  - Management“ nachgegangen werden.

Literatur Becker, F. G. (2018). Strategische Unternehmensführung. Erich Schmidt. Becker, J. (2019). Marketing-Konzeption. Grundlagen des ziel-strategischen und operativen Marketing-­Managements. Franz Vahlen. Mintzberg, H., Ahlstrand, B., & Lampel, J. (2004). Strategy Safari, Eine Reise durch die Wildnis des strategischen Managements. Wirtschaftsverlag Carl Ueberreuter. Mintzberg, H., Ahlstrand, B., & Lampel, J. (2012). Strategy Safari, Eine Reise durch die Wildnis des strategischen Managements. Finanzbuchverlag. Weber, J., & Schäffer, U. (2020). Einführung in das Controlling. Schäffer-Poeschel. Welge, M.  K., Al-Laham, A., & Eulerich, M. (2017). Strategisches Management, Grundlagen-­ Prozess-­Implementierung. Springer Gabler. Wüthrich, H. A. (1991). Neuland des strategischen Denkens. Gabler.

Steuerstrategie am Beispiel der Internationalen Steuerplanung

11

Kap.  11 widmet sich der konstitutiven betriebswirtschaftlichen Entscheidung „Standort des Unternehmens“, die sich im Steuerbereich in nationaler oder internationaler Steuer­ planung manifestiert. Zunächst wird die steuerliche Behandlung des Themas in zwei Stan­ dardwerken im Überblick gezeigt. Im zweiten Schritt geht es darum zu zeigen, wie die Steuerstrategische Konzeption auf die Internationale Steuerplanung angewendet werden kann. Die Standortwahl eines Unternehmens als betriebswirtschaftliches Entscheidungs­ feld wird als ein hierarchisches System von betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Ent­ scheidungen präsentiert, das die Steuerstrategie als sinnvollen Überbau von Steuerstruktu­ rierung und steuerlich motivierter Erfolgslenkung zeigt. Zum Abschluss werden die Ebe­ nen des internationalen steuerlichen Planens in einer Übersicht vorgestellt.

11.1 Standortentscheidung von Unternehmen aus betriebswirtschaftlicher und steuerstrategischer Sicht Das Grundmodell von Steuerstrategie und steuerstrategischem Management mit den ver­ schiedenen konzeptionellen Ebenen sei am Beispiel der Standortentscheidung eines Un­ ternehmens dargestellt. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wird unter Standort eines Unternehmens der geogra­ fische Ort verstanden, an dem dieses seine Produktionsfaktoren einsetzt (Thommen et al., 2017, S. 38). Es gibt verschiedene Gründe, warum ein Unternehmen an mehreren Stand­ orten präsent ist. Insbesondere bei Konzernen verteilen sich die Tochtergesellschaften re­ gelmäßig auf verschiedene Standorte. Im Rahmen der Globalisierung der Wirtschaft kann sich für ein Unternehmen die Frage nach einem Standort im Ausland stellen. Unter steuerstrategischen Gesichtspunkten geht es darum, Standorte zu suchen und auszuwählen, die einerseits den betriebswirtschaftlichen Erfordernissen gerecht werden,

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 H. Keuler, Steuern und Strategie, https://doi.org/10.1007/978-3-8349-3675-2_11

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136

11  Steuerstrategie am Beispiel der Internationalen Steuerplanung

gleichzeitig auch möglichst niedrige Steuerlasten(-kosten) versprechen (Jacobs, 2016, S. 1056). In der Praxis ist zu beobachten, dass angesichts des hohen inländischen Steuer­ belastungsniveaus Inlandskonzerne ihre Aktivitäten im Ausland erhöhen.

11.2 Systematisierungsansätze in der Literatur In seinem Standardwerk „Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre“ ordnet Fi­ scher die damit verbundenen Planungen und Entscheidungen im Hinblick auf die steuerli­ che Relevanz grundlegend wie folgt ein (Fischer et al., 2005, S. 571 f.). Zunächst sind Grundentscheidungen zu treffen: 1. Im ersten Schritt ist eine Entscheidung über den Standort zu treffen, das heißt, in wel­ chem Land und in welchem Ort. 2. In einem zweiten Schritt ist zu entscheiden, ob dort die Unternehmenstätigkeit als rechtlich unselbstständige Betriebsstätte oder in einer rechtlich selbstständigen Toch­ tergesellschaft betrieben wird. Diese beiden Entscheidungen verdienen es nach Meinung von Fischer, als „Grundtatbe­ stände“ bezeichnet zu werden, da mit ihnen der konstitutive Handlungsrahmen der Tätig­ keit eines Inlandsunternehmens im Ausland weitestgehend bestimmt wird. Neben diesen Grundentscheidungen werden dann zwei weitere Entscheidungskatego­ rien unterschieden: • organisationsstrukturelle Entscheidungstatbestände und • erfolgslenkende Entscheidungstatbestände. Die organisationsstrukturellen Entscheidungen betreffen weniger den Aufbau des aus­ ländischen Standorts, denn die Anpassungen des konstitutiven Handlungsrahmens und Anpassungen aufgrund externer oder interner Veränderungen. Konkret werden in diese Entscheidungskategorie zusammengefasst: • Holdingstrukturen • Funktionsverlagerungen • Umstrukturierung durch Einbringungen, Formwechsel, Verschmelzung und Spaltung, wobei mindestens die beiden ersten Fälle auch schon beim Standortaufbau Gegenstand von Planungen sein können. Bei erfolgslenkenden Entscheidungstatbeständen geht es weniger um steuerlich mo­ tivierte Verlagerung von Gewinnen in niedriger besteuernde Staaten. Vielmehr meint das die betriebswirtschaftlich sinnvolle, heißt verursachungsgerechte, Allokation des gesamt­

11.3  Steuerkonzeptionelle Systematisierung

137

unternehmerischen Erfolges auf die einzelnen Unternehmenseinheiten mit ihren unter­ schiedlichen Standorten. Fischer zählt dazu die folgenden Instrumente: • Vermögensausstattung der ausländischen Unternehmenseinheit • Verrechnungspreise für Leistungen zwischen den Unternehmenseinheiten und die • Konzernumlagen. Zum Vergleich finden sich im Werk von Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, im 6. Teil „Grenzüberschreitende Steuerplanung“ (Jacobs, 2016, S. 885–1357) als Kern­ bereiche von Internationaler Steuerplanung (Jacobs, 2016, S. 888 f.): • Planung Gruppenstruktur • Steuerung der Bemessungsgrundlagen • Vermeidung interner Gewinnrealisierung. Als typisch „steuergestaltende“ Möglichkeiten innerhalb dieser drei Kernbereiche werden folgende Themen abgehandelt: • • • • • •

Rechtsformwahl Finanzierungen Holdinggesellschaften Verrechnungspreise und Konzernumlagen Strukturierung Akquisitionen, Kooperationen und Umstrukturierungen Nutzung von Qualifikationskonflikten.

Diese Themen von Steuerplanung sind aber nicht im Sinne einer systematischen Hierar­ chie geordnet. Vor dem Hintergrund der im Grundmodell niedergelegten konzeptionellen Festlegun­ gen werden die Entscheidungen von Fischer bzw. die Themen von Jacobs nachfolgend eingeordnet.

11.3 Steuerkonzeptionelle Systematisierung 11.3.1 Steuerstrategische Ebene in Abgrenzung zu steueroperativer Ebene Die Wahl der räumlichen Region, die ein Unternehmen trifft, ist als große strategische Richtungsentscheidung zu verstehen. Nach dieser Entscheidung stehen zur konkreten Im­ plementierung der ausländischen Geschäftstätigkeit – oder auch Veränderung – folgende Instrumente zur Verfügung:

138

11  Steuerstrategie am Beispiel der Internationalen Steuerplanung

• Direktgeschäfte • indirekte Geschäfte via –– Betriebsstätte –– Trägerunternehmen • Personengesellschaft oder • Kapitalgesellschaft. Diese Folgeentscheidung, die zu treffen ist, gehört auf die operative Ebene Strukturierung, da sie nicht mehr einen Charakter von „großer Handlungsrichtung“ hat, wie in den Grund­ sätzen zur Wesensbestimmung von Steuerstrategie festgelegt. Es ist offenbar, dass es bei dieser Planungsebene um Strukturierung der ausländischen Geschäftstätigkeit geht. Steuer­ strukturierung oder Strukturieren im steuerlichen Sinne ist vorrangig steuerjuristische Umsetzungsarbeit, die dem betriebswirtschaftlich orientierten steuerstrategischen Über­ bau untergeordnet wird. Demzufolge bezieht sich Steuerstrategie auf die Bestimmung eines Standorts. Seien es • neue Standorte oder • Verlagerungen bisheriger Standorte, gleich, ob ökonomisch motiviert oder steuerlich induziert. Steuerstrategische Optionen sind lokale, regionale, nationale, internationale oder mul­ tinationale Standorte. Mittels Standortanalyse ist der konkrete Standort, sprich die Ge­ meinde, Straße, Hausnummer zu bestimmen. Nicht mehr zur „reinen“ Steuerstrategie gehören • die finanzielle Strukturierung • das ist Vermögensausstattung und deren Finanzierung des ausländischen Standorts, die sich aus der geplanten technisch-ökonomischen Struktur ergibt • das Thema Rechtsformen –– mit/ohne Rechtsform bzw. –– wenn mit • Personengesellschaft oder • Kapitalgesellschaft. • der Bereich der „organisationsstrukturellen Entscheidungstatbestände“ • wie Etablierung Holdingstruktur, Umstrukturierung durch Einbringung, Formwechsel, Verschmelzung und Spaltung. Nachgelagert bzw. noch eine Ebene tiefer finden sich • die Gestaltung von Abrechnungssystemen in der Form von Verrechnungspreisen • und Umlagen. • Diese Ebene wird bezeichnet mit Business und meint das „tägliche Steuergeschäft“.

11.3  Steuerkonzeptionelle Systematisierung

139

11.3.2 Steuerstrategische Aspekte der Erfolgslenkung: Allokationsstrategien Die erfolgslenkenden Entscheidungstatbestände im Sinne von Fischer haben auch einen steuerstrategischen Aspekt. Bevor Erfolge gelenkt werden, muss über die steuerstrategische Richtung entschieden werden, nämlich wieviel an welchen Realstandorten realisiert und besteuert werden soll. Diese Steuerstrategische Planung, die an den steuerlichen Be­ messungsgrundlagen orientiert ist, wird zu Recht mit Allokationsstrategie (Jacobs, 2016, S. 1055) betitelt. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht – und die sollte Vorrang haben – geht es zunächst mehr um die „verursachungsgerechte geografische Allokation des gesamtunternehmeri­ schen Erfolgs“ (Fischer et al., 2005, S. 572), weniger um die Ausschöpfung sämtlicher Möglichkeiten, möglichst viele Gewinne in die am niedrigsten besteuerten Standorte zu lenken. Vorrangiger Maßstab für die Aufteilung ist die ökonomische Allokation von Res­ sourcen, Funktionen, Chancen und Risiken (Jacobs, 2016, S. 1056). Steuerstrategie res­ pektiert das als vorrangig und optimiert diese Allokation dann steuerlich innerhalb der betriebswirtschaftlich vorgegebenen Unternehmensstrategie. Die betriebswirtschaftlich-­ strategischen Standortüberlegungen orientieren sich in erster Linie an Chancen zur Ver­ besserung der Wettbewerbs- und/oder Kostensituation. Insofern ist die Gewinnaufteilung eine Aufgabe, die den organisationsstrukturellen und erfolgslenkenden Entscheidungen vorausgeht und eng mit der Fixierung des Standorts verbunden ist. In diesem Sinne ist Standortstrategie auch Allokationsstrategie. Nicht zu verleugnen ist aber, dass es in der Praxis auch stark steuerlich motivierte Allokationsstrategien gibt, die das internationale Steuergefälle ausnutzen und Gewinne aggressiv in Niedrigsteuerländer (Steueroasen) lenken. Eigentlich stecken hinter diesen Strategien betriebswirtschaftliche Überlegungen, die die Steuern als Kostenfaktor an­ sehen. So gesehen ist Steuerstrategie eine Variante, die Kosten zu senken und im inter­ nationalen Wettbewerb zu bestehen. Am Beispiel der Standortwahl eines Unternehmens mittels geostrategischer Aus­ richtung und Allokation der Ressourcen soll deutlich werden, wo Steuerstrategie anknüpft. Die ist Überbau für Strukturierung und steuerlich motivierte Erfolgslenkung. Damit Steuerstrukturierung richtig aufgesetzt und Erfolge steuerlich in die richtige Richtung ge­ lenkt werden, sollte die Richtlinienkompetenz von Steuerstrategie beachtet werden.

11.3.3 Die Ebenen der Internationalen Steuerplanung im Überblick Die drei Ebenen des internationalen steuerlichen Agierens sind in der Abb.  11.1 zu­ sammengestellt als hierarchisches System von Internationaler Steuerplanung.

140

11  Steuerstrategie am Beispiel der Internationalen Steuerplanung

Einordnung Wahl des Standorts • Grundentscheidungen zur räumlichen Standortwahl Basisoptionen: Inland Ausland - EU - Drittstaaten - Steueroasen - Hochsteuerland - DBA-/Nicht-DBA-Staat • Allokation von Ressourcen und Gewinnen Welcher Standort kriegt welche Gewinne zugewiesen Basisoptionen: - Verlagerung - Umleitung - Umformung

Steuerstrategie in der Form von Arealstrategie

Wahl der Rechtsstruktur • Strukturierung von Vermögen und Finanzierung • Rechtsform - Direktgeschäfte - Betriebsstätte - selbständige Tochtergesellschaften • Holdingstruktur • Umstrukturierung

Operative Steuerstrukturierung

Sonstige Entscheidungen bezüglich Standort • Vehikel zur Umsetzung von Allokationsstrategie - Verrechnungspreise - Umlagen

Operatives Steuerbusiness

Abb. 11.1  Was ist Steuerstrategie am Beispiel der Standortentscheidung

Literatur Fischer, L., Kleineidam, H.-J., & Warneke, P. (2005). Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre. Erich Schmidt. Grotherr, S. (Hrsg.). (2011). Handbuch der internationalen Steuerplanung. NWB. Jacobs, O. H. (2016). Internationale Unternehmensbesteuerung. C.H. Beck. Rist, P. M. (2007). Steuergestaltung durch Nutzung des internationalen Steuergefälles. IDW. Rose, G. (1999). Grundzüge des Internationalen Steuerrechts. Gabler. Thommen, J.-P., Achleitner, A.-K., Gilbert, J. U., Hachmeister, D., & Kaiser, G. (2017). Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Umfassende Einführung aus managementorientierter Sicht. Sprin­ ger Gabler.

Von der Planungs- zur Managementkonzeption

12

Nach der Erarbeitung der theoretischen Grundlagen der Steuerstrategischen Planung steht im Mittelpunkt ein Ausblick auf die Weiterentwicklung zur Managementkonzeption. Zunächst wird in Anlehnung an die betriebswirtschaftliche Strategielehre Steuerstrategie als ein System einer umfassenden Managementkonzeption abgebildet, die in Band  II und Band III vorgestellt wird. Dazu werden die geplanten Inhalte aufgeführt. Den Abschluss bildet der Prozess hin zu einem steuerstrategischen Managementsystem in der Praxis, dessen Entwicklung in Stufen gezeigt wird.

12.1 Steuerstrategie und Steuerstrategisches Management 12.1.1 Weitergehendes Verständnis von Steuerstrategie Bis hierhin wurde Steuerstrategie als Planungskonzeption verstanden, mit der diese formuliert wird. In der betriebswirtschaftlichen Strategie- und Managementlehre ist es eindeutige Auffassung, dass zu Strategie nicht nur Planung der Strategie sondern auch Umsetzung gehört einschließlich Themen von Kontrolle und Steuerung (siehe z. B. Thommen et al., 2017, S. 524; Welge et al., 2017, S. 14 f., 37). Das Konzept zur integrativen Verzahnung von Strategieplanung und -umsetzung wird als Strategisches Management bezeichnet (Macharzina & Wolf, 2018, S. 386). Analog kann auch für den Bereich Steuern das Verständnis von Steuerstrategie erweitert werden: Die dargestellte betriebswirtschaftliche Steuerstrategiekonzeption ist Basis für eine zielgerichtete Formulierung und Bewertung von Steuerstrategien. Diese versprechen für sich allerdings noch keinen nachhaltigen steuerlichen Beitrag zum Unternehmenserfolg.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 H. Keuler, Steuern und Strategie, https://doi.org/10.1007/978-3-8349-3675-2_12

141

142

12  Von der Planungs- zur Managementkonzeption

Ein solcher steuerlicher Erfolgsbeitrag wird sich nur dann einstellen, wenn die formulierten Steuerstrategien konsequent implementiert werden. Auch im Steuerbereich gilt, dass das beste Strategiepapier nichts wert ist, wenn es nicht mit bzw. in konkreten Aktionen umgesetzt wird. Steuerstrategie muss also nicht nur formuliert sondern auch implementiert werden und auch die Steuerung dieses ganzen Prozesses gehört dazu. Letztlich ist es Definitionssache, ob Steuerstrategie nur Planung oder auch die Implementierung und die prozessbegleitende Steuerungsfunktion umfasst. In An­ lehnung an die betriebswirtschaftliche Strategielehre könnte dieses weitergehende Verständnis aber nicht mehr als Steuerstrategie, sondern als Steuerstrategisches Management bezeichnet werden, dessen Kern aber Steuerstrategie ist. Steuerstrategie in diesem Sinne ist nicht mehr eine Planungs-, sondern eine Managementkonzeption.

12.1.2 Veränderung durch Steuerstrategisches Management Unterstellt, dass betriebswirtschaftliche Steuerstrategische Planung bzw. Steuerstrategi­ sches Management im hier definierten Sinne wenig verbreitet ist, geht es vorrangig darum, das zu verändern. Da reicht es nicht, einen großartigen Steuerstrategischen Plan zu entwerfen, dessen Umsetzung nur in Bruchstücken erfolgt. Ziel von Steuerstrategie muss Veränderung sein. Veränderung bedeutet nicht nur Veränderung von sachlichen Strukturen, an oberster Stelle die Rechtsform von Unternehmen, seien es Einzelunternehmen, seien es Unternehmensgruppen, sondern Veränderung muss auch und vor allem bei den verantwortlichen Menschen in deren Köpfen stattfinden. Und da wird steuerliche Veränderung erst mal weniger als Chance denn als Risiko angesehen. Neben den sachlichen Herausforderungen der Veränderung treten zusätzlich personelle Hürden der Veränderung hinzu. Diese ergeben sich auch, weil das spezifische Wissen bzw. das Talent für Steuern bei Unternehmern oder Managern regelmäßig nicht oder nur schwach angesiedelt ist. Zum Abbau dieser personellen Hürden in Form von eingeengtem Risikodenken kann zum Beispiel das Instrument der verbindlichen Zusage dienen. Das wichtige Thema der Transformation in der Praxis bleibt einem späteren Band III vorbehalten. Im ersten Schritt ist die Aufgabe gestellt, eine Planungskonzeption zu entwickeln. So liegt das Schwergewicht dieser Arbeit zunächst auf Steuerstrategie als separater Planungsebene (Planning Approach) (Scholes et al., 2009, S. 3). Das wird entwickelt in Band II „Steuerstrategie – Planung“.

12.2  Das System einer Managementkonzeption von Steuerstrategie

143

12.2 Das System einer Managementkonzeption von Steuerstrategie Das System einer Managementkonzeption von Steuerstrategie lässt sich dann wie folgt beschreiben: Steuerstrategie ist oberster Begriff in der Begriffshierarchie. Er beinhaltet: 1. die planerische Entwicklung einer Steuerstrategie, kurz auch Steuerstrategische Planung genannt 2. die planerische Umsetzung in konkreten Gestaltungen und die Implementierung der Gestaltungen im Unternehmen bzw. beim Unternehmer durch konkrete Aktionen, seien es notarielle Verträge, Beschlüsse, Anweisungen etc., bis hin zu konkretem, darauf basierendem Handeln und 3. die übergreifende Steuerung der ganzen Prozesse durch Kontrolle und Führung der steuerlich Handelnden. Das Fundament der Managementkonzeption sind theoretische Grundlagen in der Form eines Gedankengerüstes. Mit diesem Gerüst werden Begriffe bestimmt, Adaptionen versucht, Festlegungen getroffen und Einordnungen und Beziehungen vorgenommen, auf deren Basis Aussagen getroffen werden können, die zueinander passen. Das System von Steuerstrategie lässt sich für einen besseren Überblick grafisch darstellen (Abb. 12.1). Die Überschrift lautet Steuerstrategie.

Steuerstrategie

Theorie

Planung

Umsetzung

Abb. 12.1  Das System von Steuerstrategie

Management

Kontrolle

Steuerung

144

12  Von der Planungs- zur Managementkonzeption

Indem zur Planung Implementierung und Prozesssteuerung hinzutreten, wird daraus entsprechend der betriebswirtschaftlichen Strategielehre Strategiemanagement (Macharzina & Wolf, 2018, S. 38). Wir belassen den Begriff Steuerstrategie hier aber als die Klammer über allen Teilen bzw. Bänden. Als Managementkonzeption ist Steuerstrategie nicht nur Planung, sondern auch Umsetzung und Steuerung. Beides braucht theoretische Grundlagen. Diese Systematik schlägt sich auch in der Gestaltung dieser Arbeit nieder: Band I: Strategie und Steuern – Theoretische Grundlagen von Steuerstrategie Band II: Steuerstrategie – Planung Hier geht es um folgende Inhalte: • Bausteine –– Analyse der Ausgangslage –– Tax Mission Statement –– Steuerstrategische Ziele –– Steuerstrategische Routen – Grundlagen • Steuerstrategische Routen als zentraler Baustein –– Steuersubjektstrategien –– Steuersphärenstrategien –– Steuerliche Zeit- und Lebensstrategien –– Arealstrategien –– Parzellierungsstrategien –– Steuerstrategische Kombinationen Band III: Steuerstrategie – Management Das könnten Inhalte von Management im Überblick sein: • Grundlagen des Steuerstrategischen Managements –– Grundmodell und Prozessmodell –– Inhalte von Implementierung –– Steuerung des Prozesses • Steuerstrategische Strukturierung –– Abgrenzung/Definition/Anforderungen/Strukturoptionen –– Ziele und Ausgangssituationen von Umstrukturierung –– Instrumentarium (Der steuerstrategische Werkzeugkasten) –– Gestaltung von Steuerstrukturen • für Unternehmen • für Unternehmer –– Ausgewählte strategische Strukturgestaltungen –– Rechtliche Strukturierung und Rechtsformwahl

12.2  Das System einer Managementkonzeption von Steuerstrategie

145

–– Kernbereiche internationaler Steuerstrukturierung –– Gewerbesteueroptimierungsstrategien • Hindernisse und Risiken und deren Umgehungsmöglichkeiten –– Tax Risk Management • Stille Reserven • Beschränkungen Verlustverrechnung • Nichtabzugsfähigkeit von Finanzierungskosten • Wegfall der erweiterten Grundstückskürzung • Grunderwerbsteuer • Nachbesteuerung Thesaurierungsbegünstigung • Internationale Hindernisse/Aggressive Steuerplanung • Transaktionskosten –– Tax Issue Management • Management –– Ablauf/Strategischer Prozess –– Steuerbelastung als Grundlage steuerstrategischer Entscheidungen –– Die großen Steuerchancen –– Strukturen der Steuerpraxis • Steuerstrukturen und • Steuermodelle der Steuerpraxis –– Erfolgsfaktoren • Steuerplanung als notwendige Voraussetzung • Psychosynergetische Grundlagen des Steuerstrategischen Denkens • Die 10 wichtigsten Empfehlungen –– Erfolgstreppe zum Steuerstrategen –– Tools/betriebswirtschaftliche Methoden –– Fallstudien Alternativ könnte man für Band II folgende Bezeichnungen festlegen: 1. Formulierung 2. Konfiguration oder 3. Entwicklung und für Band III: 1. 2. 3. 4.

Transformation Umsetzung Implementierung Realisierung.

Mit dieser Systematisierung ist der Begriff der Steuerstrategie allerdings vierfach belegt. Abb. 12.2 stellt im Überblick die verschiedenen Inhalte des Begriffs Steuerstrategie nochmal nebeneinander.

146

12  Von der Planungs- zur Managementkonzeption

Verwendung Begriff

Bedeutung

alternative Bezeichnungen

Steuerstrategie im definitorischen Sinne

= große Handlungsrichtung = genetischer Code

Markenkern von Steuerstrategie

Steuerstrategie im konzeptionell-engeren Sinne

= Steuerstrategische Routen

Steuerstrategische Optionen

Steuerstrategie im konzeptionell-weiteren Sinne

= Planung (Formulierung)

Steuerstrategie

Steuerstrategie im Managementverständnis

= Planung + Umsetzung + Steuerung

SteuerstrategieManagement Steuerstrategisches Management

Abb. 12.2  Die verschiedenen Bedeutungen des Begriffs Steuerstrategie

12.3 Stufen der Entwicklung von Steuerlicher Strategie In Anlehnung an die Entwicklung von betriebswirtschaftlicher Strategie lässt sich die Entwicklung von Steuerstrategien hin zu einem systematischen Steuerstrategischen Management in der Praxis, aber auch in der Literatur (Theorie), in Stufen wie folgt skizzieren: • Stufe 1: Jahres-Steuerplanung • Stufe 1 ist bei einigen Unternehmen regelmäßig anzutreffen sein, ist aber keine Selbstverständlichkeit. In der Steuerpraxis gibt es häufig ungeplante Steuernachzahlungen. Diese sind dann unangenehm, wenn sie nicht eingeplant sind. • Bei KMU ist Unternehmensplanung in 1-Jahres-Form noch nicht einmal die Regel, Steuerplanungen noch weniger. • Stufe 2: Mehrjahres-Steuerplanung/Tax Planning • Mehrjahres-Planungen sind bei KMU entsprechend selten, weder für das gesamte Unternehmen noch für den Bereich Steuern zu finden. • Bei Großunternehmen sollten sowohl Stufe 2 als auch Stufe 1 als Standard ausgeprägt sein. Regelmäßig handelt es sich im Kern um Steuerplanungsrechnungen, die eher finanzwirtschaftlich orientiert sind und wenig strategischen Charakter haben. Daneben kommen auch finanzökonomische Wirtschaftlichkeitsberechnungen vor zu besonderen Anlässen, wie z. B.

12.3 Stufen der Entwicklung von Steuerlicher Strategie

147

–– die Entscheidung eines Kapitalanlegers zwischen einer Immobilien- und einer Finanzinvestition (Scheffler, 2020, S. 138) –– Finanzierung des Kapitalbedarfs einer Kapitalgesellschaft durch a) Außenfinanzierung via Ausgabe einer Anleihe oder durch Aufnahme eines Darlehens b) Eigenfinanzierung via Kapitalerhöhung (Scheffler, 2020, S. 152 f.). Im Optimalfall handelt es sich um ein systematisches Tax Planning als Vorstufe von Steuerstrategie (Liesenhoff et al., 2021, S. 50). • Stufe 3: Steuerstrategische Planung Das ist der erste Schritt in der strategischen Ausrichtung von steuerlichem Handeln. Schwerpunkt ist Strategieinhalt bezogen auf das Beispiel aus Kap. 4, Abschn. 4.3.2.4: Zunächst einen Ferrari konzipieren. • Stufe 4: Steuerstrategisches Management Um bei dem Beispiel Ferrari zu bleiben: Dann im zweiten Schritt Räder und Lenker an den Ferrari anbringen und auf die Piste setzen. Schwerpunkt in der Entwicklungsstufe 4: Umsetzungs- und Prozessorientierung Dies bleibt Band III vorbehalten. Eine Übersicht über die Entwicklungsstufen gibt noch einmal die Tabelle der Abb. 12.3.

Stufe

1

29 30

Bezeichnung

Finanzplanung

Schwerpunkt

Anwendung im Steuerbereich

Charakter

Jahresplanung finanzwirtschaftlich orientiert

KMU29

GU30

unsystematisch

systematisch

selten

regelmäßig

2

Langfristplanung Mehrjahresplanung

3

Strategische Planung

Elemente Inhalte

Konfiguration nie

selten

4

Strategisches Management

Umsetzung Prozess

Transformation

fast nie

Klein- und Mittelunternehmen Großunternehmen

Abb. 12.3  Entwicklungsstufen von Steuerstrategie

nie

148

12  Von der Planungs- zur Managementkonzeption

Literatur Liesenhoff, J., Jungen, A., & Pottebaum, D. (2021). Steuern steuern  – ein literaturbasierter Vorschlag für Instrumente in einem ganzheitlichen Tax Controlling-System. Steuer und Wirtschaft, 1, 46–60. Macharzina, C., & Wolf, J. (2018). Unternehmensführung. Springer Gabler. Scheffler, W. (2020). Besteuerung von Unternehmen III, Steuerplanung. C.F. Müller. Scholes, M. S., Wolfson, M. A., Erickson, M., Maydew, E. L., & Shevlin, T. (2009). Taxes and business strategy, a planning approach. Pearson Education. Thommen, J.-P., Achleitner, A.-K., Gilbert, J. U., Hachmeister, D., & Kaiser, G. (2017). Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Umfassende Einführung aus managementorientierter Sicht. Springer Gabler. Welge, M.  K., Al-Laham, A., & Eulerich, M. (2017). Strategisches Management, Grundlagen-­ Prozess-­Implementierung. Springer Gabler.

Zusammenfassung Stufe 2 Strategie und Steuern

13

Die 1. Stufe zur Entwicklung von Steuerstrategie – Strategie und BWL – hat gezeigt, dass die betriebswirtschaftliche Strategielehre eine eigenständige Disziplin der BWL ist und als relativ junge Forschungsrichtung eine sehr beachtliche Entwicklung hinter sich hat. Auf Stufe 2 werden die betriebswirtschaftlichen Grundlagen präsentiert, die für eine Berücksichtigung im Steuerbereich infrage kommen; die beschäftigt sich mit Steuern und Strategie. Es geht darum, Strategie mit Steuern zusammenzubringen. Literaturstudium und Praxis­ erfahrungen zeigen, dass kein ernstlicher Versuch unternommen wurde, die Erkenntnisse der betriebswirtschaftlichen Strategielehre wie für andere betriebliche Funktionen für den Steuerbereich zu adaptieren und nutzbar zu machen. Strategie ist eigentlich ein Fremdwort in der steuerlichen BWL. Mit Stufe 2 wird deshalb der gewagte Versuch unternommen, theoretische Grundlagen von Steuerstrategie zu schaffen, die auf den Erkenntnissen der betriebswirtschaftlichen Strategielehre basieren. Dies erfolgt in vier Schritten: Schritt 1: Einordnung Zunächst wird eine Einordnung von Steuerstrategie vorgenommen. Da zeigt sich, dass sie im System der betriebswirtschaftlichen Strategien in die Klasse der funktionalen Strategien einzuordnen ist, die hier im Bereich der Querfunktion Recht angesiedelt sind (Abb.  6.1 Stellung der Steuerstrategie im System der Corporate Strategy, Kap.  6, ­Abschn. 6.1). In der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre ist Steuerstrategie dem Aufgaben­ bereich Planen zuzuordnen (Abb.  6.2 Stellung von Steuerstrategie im System der be­ triebswirtschaftlichen Steuerlehre, Kap. 6, Abschn. 6.2). Dabei werden Steuern hier als Kostenfaktor verstanden, nicht als Gewinnverteilung, die genauso wie andere Kosten ge­ managt werden können.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 H. Keuler, Steuern und Strategie, https://doi.org/10.1007/978-3-8349-3675-2_13

149

150

13  Zusammenfassung Stufe 2 Strategie und Steuern

Des Weiteren können Steuern im betriebswirtschaftlichen Sinn als ein Umweltfaktor angesehen werden, wobei der Staat der Stakeholder ist, der Ansprüche an Unternehmen und Unternehmer hat. Die Steuerumwelt ist eine Art Strategisches Geschäftsfeld, für das es einer besonderen Strategie – eben einer Steuerstrategie – bedarf. Im Ergebnis zeigt die Einordnung in Schritt 1, dass Steuern funktionalstrategisch ein Leichtgewicht sind, monetär aber sind sie ein wahres Schwergewicht. Schritt 2: Definition Steuerstrategie wird über zwei Ansätze definiert: (1) Auf der Basis der fünf Grundpfeiler der Definition von Henry Mintzberg wird eine Definition I gewonnen, die zu einer Marke verdichtet wird. Danach ist Steuerstrategie im Kern die große Handlungsrichtung im Steuerbereich, die betriebswirtschaftlich fundiert sein sollte und die Orientierung geben soll im Wirrwarr des operativen Steu­ erbusiness. Dieser Kern wird „ummantelt“ • von der Analyse der internen und externen Ausgangssituation • von einer steuerphilosophisch geprägten Ausrichtung • mit der Adaption bewährter steuerstrategischer Muster • mit der Festlegung des grundsätzlichen Verhaltens gegenüber den steuerlichen Gegnern. (2) In einem weiteren Ansatz wird der Begriff über Merkmale bestimmt, die für zentral und bedeutend gehalten werden. Danach sind neben dem herausragenden Merkmal der „großen Handlungsrichtung“ folgende Wesensmerkmale relevant: • Zukunftsorientierung Es geht um langfristige, strategisch bedeutsame Entscheidungen • Chancenorientierung Nicht Fokus auf Risiko • Werteorientierung Das heißt, unter Beachtung gesellschaftlicher Verpflichtungen Schritt 3: Betriebswirtschaftliche Grundlagen adaptieren Als grundlegendes betriebswirtschaftliches Verständnis von Steuerstrategie wird das klas­ sische Verständnis der Strategielehre angenommen, wonach Strategie ein bewusster Plan ist, der sich aus verschiedenen Bausteinen zusammensetzt und hierarchisch aufgebaut ist. Damit wird vorrangig der Designschule gefolgt: • Strategie ist eher ein bewusster, denn intuitiver Prozess • dem Handeln geht das Denken voraus • spezifisch steuerlich ist Strategie vorrangig ökonomisch geprägt, nicht steuerjuristisch. Auf der Basis der berühmten These von Chandler „Structure follows Strategy“ wird für den Steuerbereich eine klare Unterscheidung von Strategie und Struktur vorgeschlagen:

13  Zusammenfassung Stufe 2 Strategie und Steuern

151

Steuerstrategisch muss die große Linie zur Lösung gefunden werden, steuerstrukturell muss auf dieser Linie eine konkrete Gestaltungsstruktur aufgesetzt werden, bei der sich steuerjuristisch erweisen muss, dass der steuerstrategische Weg gegangen werden kann. Wegen der Andersartigkeit und auch der Dominanz von Steuerstrukturierung in der Praxis ist eine Heraushebung von Steuerstrategie gegenüber Steuerstrukturierung sinnvoll: • Steuerstrategie ist nicht Steuerstrukturierung und • Steuerstrukturierung soll im Sinne der These Chandlers der Steuerstrategie folgen. Aber es gilt auch: Steuerstrukturierung muss der Steuerstrategie folgen wie der linke Fuß dem rechten. Folgt man den betriebswirtschaftlichen Abgrenzungsgrundsätzen, so gehören neben der Steuerstrukturierung auch die Bereiche Tax Compliance-, Tax Risk- und Tax Issue-­ Management nicht zu Steuerstrategie. Diese Bereiche sind nicht chancen-orientiert, son­ dern werden dominiert vom Problem- und Risikodenken. Auf der Grundlage dieses betriebswirtschaftlichen Verständnisses wird Steuerplanung als Aufgabenbereich der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre dreidimensional systematisiert: 1. Dimension: Ebenen Insbesondere wird die Unterscheidung in eine strategische und eine operative Ebene adaptiert. Dabei unterscheidet sich strategische von operativer Planung gravierend: • Die Steuerungsgrößen sind andere. • Es dominieren steuerökonomische gegenüber steuerjuristischen Methoden. Danach gehört zur steuerstrategischen Ebene • Grundsatzplanung • Detailplanung strategischer Optionen, während Langfristplanung, Strukturplanung, Risikoplanung, taktische und dispositive Planung als „unstrategische“ Planungsbereiche der steueroperativen Ebene zugewiesen werden (Abb. 8.6 Ebenen von Steuerplanung, Kap. 8, Abschn. 8.2). Die separate Ebene Steuerstrategische Planung gibt es bisher in der Steuerlitera­ tur nicht. 2. Dimension: Bereiche Neben der 1. Dimension der Steuerplanung „Ebenen“ werden mit der 2. Dimension folgende steuerstrategische Planungsbereiche unterschieden: • Gesamtstrategie • Teilstrategien. 3. Dimension: Zielgruppen Weitere Dimension eines Systems der Steuerplanung sind die strategischen Zielgruppen: nicht nur Unternehmen, sondern auch Unternehmensgruppen und der Unternehmer mit seiner Familie (Abb.  8.10 Steuerstrategie im System der Steuerplanung, Kap.  8, ­Abschn. 8.4).

152

13  Zusammenfassung Stufe 2 Strategie und Steuern

Schritt 4: Konzeption entwickeln Im nächsten Schritt wird Steuerstrategie aus konzeptioneller Sicht angegangen – in Weiter­ entwicklung der definitorischen Bestimmung in Kap. 7. Auf Basis des steuerlichen und wirtschaftlichen Umfeldes von Steuerstrategie wird als Ausgangspunkt ein Modell für den Steuerbereich vorgestellt (Abb.  9.2 Ausgangsmodell, Kap.  9, Abschn.  9.1.1), das die Grundfragen: • Wo wollen wir hin – Steuerziele • Wie kommen wir dahin – Strategische Routen • Was müssen wir dafür einsetzen – Operative Vehikel darstellt. Aus diesem Modell lässt sich eine grundlegende Konzeption des Steuerbereichs als schlüssiger Leitplan ableiten (Abb. 9.3 System einer Steuer-Konzeption, Kap. 9, Abschn. 9.1.2). Wie der Steuerbereich aus strategischer Sicht konzeptionell festgelegt wird, das zeigt Abb. 13.1. Dabei hat Steuerstrategie sich hierarchisch einzuordnen in die Unternehmens- bzw. Unternehmerstrategie. Sie ist damit integraler Bestandteil der betriebswirtschaftlich übergeordneten Strategie, ebenso wie Steuerstrukturierung und sonstiges operatives Planen und Handeln sich der Steuerstrategie „unterzuordnen“ hat (Abb. 9.4 Einordnung des steuerlichen Handelns, Kap. 9, Abschn. 9.1.3). Mit Hilfe der strategiebasierten Steuer-Konzeption wurden für die Entwicklung einer Steuerstrategie die folgenden Bausteine identifiziert: • • • •

Analyse der Ausgangslage Leitbild Ziele Optionen.

Die vier Elemente in der aufgeführten Reihenfolge geben den schematischen Aufriss des steuerstrategischen Planungsprozesses wieder (Abb.  9.6 Grundmodell, Kap.  9, Abschn. 9.2.1). Diese Schrittfolge ist als theoretische Grundlage idealtypisch. In der Praxis Strategiebasierte STEUER-KONZEPTION Strategischer Bereich - Leitbild - Ziele - Routen Operativer Bereich - Handlungsgerüst - Handlungen

Abb. 13.1  Der Steuerbereich aus strategischer Sicht

13  Zusammenfassung Stufe 2 Strategie und Steuern

153

wird dieser Prozess nicht so systematisch ablaufen. Im worst case wird es ein unsystematisches, unbewusstes, intuitives „muddling through“ sein. Der Ablauf in der Praxis lässt sich metapho­ risch als Drama in drei Akten darstellen: I. Akt: Böses Erwachen II. Akt: Entwicklung einer Vorstellung III. Akt: Neukonzeption (Abb. 9.14 Steuerstrategie – ein Drama in drei Akten, Kap. 9, Abschn. 9.3.4). Das Herzstück von Steuerstrategie ist der Baustein „Steuerstrategische Optionen“. Diese Optionen werden in einem neu entwickelten Steuerstrategischen Grund-raster mit den fünf Dimensionen • • • • •

Steuersubjekte Art der steuerlichen Sphäre Zeit/Lebenszyklus Steuerregion Grad der Bearbeitung des Steuerareals

dargestellt (siehe Abb. 9.10 Steuerstrategisches Grundraster, Kap. 9, Abschn. 9.2.3). Zur Anwendbarkeit der Steuerstrategischen Konzeption Die Bandbreite der Anwendbarkeit reicht einerseits von der Sensibilisierung für steuer­ strategisches Denken über eine Änderung der Denkhaltung bis hin zur Implementierung eines systematischen Steuerstrategischen Managements, andererseits von einmaliger Be­ schäftigung anlässlich eines Sondervorgangs bis hin zu laufenden steuerstrategischen Ini­ tiativen. Anhand einer Matrix kann die steuerstrategische Position bestimmt werden, aber auch eine Zielposition, wohin sich der Nutzer steuerstrategisch weiterentwickeln will (Abb. 10.1 Matrix zur Bestimmung der steuerstrategischen Position, Kap. 10, Abschn. 10.1). Die entwickelte Steuerstrategische Konzeption hat auch Ordnungs- und Systematisierungsfunktion und erfüllt damit einerseits den Zweck, ein geordnetes Vor­ gehen zu gewährleisten. Andererseits hilft es bei der klaren Bestimmung, was ist strate­ gisch, was ist operativ. Das gibt für die Steuerplanung eine klarere Orientierung. Letzteres wird am Beispiel von Standortentscheidungen – vor allem internationalen – gezeigt. Zunächst werden die steuerplanerischen Ansätze in zwei bedeutenden Werken • Fischer, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre • Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung vorgestellt. Die Entscheidungskategorien von Fischer und die zentralen Themen inter­ nationaler steuerlicher Standortplanungen von Jacobs werden analysiert und in das ent­

154

13  Zusammenfassung Stufe 2 Strategie und Steuern

wickelte strategiebasierte System von Steuerplanung eingeordnet. Dabei hat sich gezeigt, dass in beiden Werken keine betriebswirtschaftlich-strategischen Aspekte zugrunde gelegt wurden. Abschließend werden die Ebenen des internationalen Steuerplanens in einer sys­ tematischen Übersicht dargestellt (Abb.  11.1 Was ist Steuerstrategie am Beispiel der Standortentscheidung, Kap. 11, Abschn. 11.3.3). Ein Anwendungsbereich ist auch Steuerstrategie als Denkhaltung. Für diese innere Einstellung ist die Orientierung an Grundsätzen wichtig. Das Programm für eine solche Haltung wird in fünf Grundsätzen niedergelegt mit Orientierung an • • • • •

gesamtstrategischen Zielen, längerfristiger Zukunft, Steuerchancen, ethischen Werten, Realisierung.

Weitere Hilfestellungen für die Gewinnung einer steuerstrategischen Denkhaltung ist die Gegenüberstellung der Merkmale von strategischem Steuerverständnis einerseits und dem klassischen Steuerverständnis andererseits (Abb. 10.2 Merkmale von strategischem und klassischem Steuerverständnis, Kap. 10, Abschn. 10.3.2). Von der Planungs- zur Managementkonzeption In Anlehnung an die betriebswirtschaftliche Strategielehre genügt es nicht, eine Steuer­ strategische Planung zu entwickeln, sondern die muss auch umgesetzt werden. Dement­ sprechend ist Steuerstrategie zu verstehen als Teil eines umfassenden steuerstrategischen Managementprozesses, in dem es als ersten Teil um die inhaltliche Festlegung geht (Kon­ zeption Stufe 1). Weitere Teile eines solchen Management-systems sind • Implementierung und • in inhaltlicher Sicht gehören zur Implementierung von Steuerstrategien vor allem Strukturierung und Risikomanagement • Prozesssteuerung (Management im engeren Sinne). • damit die steuerstrategischen Aufgaben zielgerecht bearbeitet werden können, bedarf es einer Steuerungsfunktion, die den steuerstrategischen Prozess lenkt Auf Basis der skizzierten Weiterentwicklung der Planungs- zur Managementkonzeption wird eine Systematisierung der Bereiche von Steuerstrategie und deren Management vorgenommen (Abb. 12.1 Das System von Steuerstrategie, Kap. 12, Abschn. 12.2). In Anlehnung an die Entwicklungsgeschichte von betriebswirtschaftlicher Strategie wird die Entwicklung von Steuerstrategien hin zu einem steuerstrategischen Management in vier Stufen, getrennt für KMU und Großunternehmen, dargestellt (Abb.  12.3 Ent­ wicklungsstufen von Steuerstrategie, Kap. 12, Abschn. 12.3). In Abb.  13.2 wird die Entwicklung der theoretischen Grundlagen grafisch auf einer Seite komprimiert präsentiert.

13  Zusammenfassung Stufe 2 Strategie und Steuern

155

Schritte

Kapitel Negative Ausgangssituation und Entwicklung

2

Strategie im Steuerbereich nicht existent. Kann aber Sinn machen. Steuern und Strategie zusammenbringen in vier Schritten:

 1

Einordnung Funktionalstrategie

Planungsaufgabe

6

Steuern = Kosten/ funktional leicht, nicht Gewinnvermonetär schwer. teilung

 2

7 I Marke

II Wesen

 Grundlegendes betriebswirtschaftliches Verständnis

3

8

Adaptionen und Festlegungen aus der betriebswirtschaftlichen Strategielehre  Steuerstrategie als inhaltliche Konzeption

 4

Konzeption Steuerstrategische Planung Prozess

Grundmodell Modell

Bausteine

9

Grundraster

Schritte

Bandbreite

Ablauf: Drama in drei Akten

 Abb. 13.2  Die Entwicklung der Theoretischen Grundlagen von Steuerstrategie im Überblick

156

13  Zusammenfassung Stufe 2 Strategie und Steuern

Schritte

Kapitel Anwendbarkeit Ordnung

Bandbreite

Vorgehen

Systematisierung

10–11 Denkhaltung

Beispiel Internationale Steuerplanung

 Weiterentwicklung der Konzeption Managementsystem Steuerstrategie

Abb. 13.2 (Fortsetzung)

12