Staatskunst oder Kulturstaat?: Staatliche Kunstpolitik in Österreich 1848–1914 9783205204572, 9783205202356


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Staatskunst oder Kulturstaat?: Staatliche Kunstpolitik in Österreich 1848–1914
 9783205204572, 9783205202356

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Schriftenreihe des Österreichischen Historischen Instituts in Rom Herausgegeben von Andreas Gottsmann Band 1 Wissenschaftlicher Beirat  : Emilia Hrabovec (Bratislava), Jochen Johrendt (Wuppertal), Luca Lecis (Cagliari), Andreas Pülz (Wien), Sebastian Schütze (Wien), Antonio Trampus (Venedig)

Andreas Gottsmann

Staatskunst oder Kulturstaat? Staatliche Kunstpolitik in Österreich 1848–1914

2017 BÖHLAU VER LAG W IEN KÖLN WEIM AR

Gedruckt mit der Unterstützung durch: MA 7, Kulturabteilung der Stadt Wien Amt der N.Ö. Landesregierung

© 2017 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Umschlagabbildung  : ÖNB, KO 2013C Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat  : Helga Loser-Cammann, Köln Eingbandgestaltung  : Michael Haderer, Wien Satz  : Michael Rauscher, Wien Druck und Bindung  : Generaldruckerei, Szeged Gedruckt auf chlor- und säurefrei gebleichtem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-205-20235-6

Inhalt

Vorwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung  : Kunstpolitik in der Donaumonarchie. . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Die staatliche Kunstpolitik.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1

1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.3.6 1.3.7 1.3.8 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.4.5

Die Ära Thun und die Grundlagen der Kunstpolitik im Neoabsolutismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Reform der Wiener Akademie der bildenden Künste . . . . . Experimentierfeld Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »Kunstverein« und »Staatsausstellungen«  : Liberalismus versus Etatismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kunstförderung durch Stipendien.. . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Österreichische Museum und die Anfänge der »ästhetischen Versöhnung«.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Gründung des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Ära Scala . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Wiener Kunstgewerbeschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Wiener Ringstraße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das große Erbe  : Der Historismus als staatspolitische Aufgabe . . Organisatorische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ideologe und Motor  : Rudolf Eitelberger von Edelberg . . . . . . Die Wiener Kunstakademie .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Förderung der graphischen Künste.. . . . . . . . . . . . . . . Auszeichnungen von Künstlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausstellungen und Kunstförderung. . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Wiener Künstlerhaus und die Genossenschaft bildender Künstler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Politik der Denkmäler – Denkmalpolitik. . . . . . . . . . . . . . . Modernisierung und Secession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kunstrat und Moderne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Entdeckung der Musik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Musikfeste, Auszeichnungen, Förderungen . . . . . . . . . . . . . Der Museumsboom der Jahrhundertwende . . . . . . . . . . . . . Die Gründung des »Modernen Museums – Österreichische Staatsgalerie« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . 19 . . 21 . . 24 . . 29 . . 33 . . 35 . . . . . . . . . . .

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35 41 48 54 61 61 64 69 81 83 88

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97 98 105 105 107 113 118

. . 121

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Inhalt

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Die Sicherung des Kulturerbes  : Die k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale. . . . . . . . . . . . . 1.5.1 Die Entstehung des modernen Denkmalschutzes. . . . . . . . . . . 1.5.2 Archäologie im Dienste staatlichen Prestiges . . . . . . . . . . . . . 1.5.3 Die Bemühungen um ein Denkmalschutzgesetz.. . . . . . . . . . . Die regionale Kunstpolitik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Die Aufwertung der Provinz und ihrer Metropolen. . . . . . . . . . 2.1.1 Theaterwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Landes- und Nationalmuseen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Musikvereine und Musikschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4 Kunstvereine und Kunstschulen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Der Aufstieg Böhmens zum kulturellen Zentrum. . . . . . . . . . . 2.2.1 Die böhmischen Kunstvereine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Die Prager Kunstakademie.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Die Prager Museen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Theater und Musik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Vom Denkmalschutz zum Heimatschutz.. . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Denkmalschutz als regionale Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Die Heimat als politischer Wert  : Heimatschutz, Naturschutz und Tourismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

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. 213

Resümee  : Die Kunst im Dienst des habsburgisch-österreichischen Gesamtstaatsgedankens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Bibliographie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

Archive.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238

Vorwort

Die Idee zur Ausarbeitung einer Monographie zur staatlichen Kunstpolitik des habsburgischen Österreich ist aus meiner Beschäftigung mit dem Band X zur Kulturgeschichte des von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften veröffentlichten Reihenwerks »Die Habsburgermonarchie 1848–1918« entstanden. Im Rahmen dieses Publikationsvorhabens verfasste ich einen Beitrag zur Kunstpolitik der Wiener Regierung. Dieses Thema wurde lange Zeit vernachlässigt. Das mag überraschen, denn die staatliche Kunstpolitik ist in den Quellen sowohl zeitlich als auch inhaltlich bestens dokumentiert, die Behandlung dieses Themas in einer größeren Publikation daher naheliegend. Hinzu kommt, dass sich durch die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stärker an föderalen Kriterien ausrichtende Kunstpolitik ein zusätzlicher Aspekt ergab, der eine umfassende Darstellung der Forschungsergebnisse in Form einer Monographie sinnvoll erscheinen ließ. Ich bin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und insbesondere dem Institut für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung zu Dank verpflichtet, das mir die Möglichkeit gab, die umfangreichen Archivforschungen durchzuführen. Besonderer Dank gilt Andrea Sommer-Mathis und Stefan Malfèr für die Lektüre des Manuskripts und zahlreiche inhaltliche Hinweise. Die Endphase der Abfassung des vorliegenden Bandes erfolgte am Österreichischen Historischen Institut in Rom, das ich seit Ende 2013 leite. Als Ergänzung zu den bereits bestehenden Publikationsreihen des Instituts wird mit diesem und dem Folgeband, der den Beziehungen zwischen Italien und Österreich in der Zwischenkriegszeit gewidmet ist, eine neue Buchreihe eingeleitet, die vor allem jüngeren Forscherinnen und Forschern, die – meist im Rahmen eines Stipendienaufenthalts – für einige Zeit am römischen Institut tätig waren, ein Publikationsforum bieten soll. Die von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften vergebenen Stipendien bieten Nachwuchswissenschafter/-innen die Möglichkeit, unter Einbeziehung römischer Archive, Bibliotheken und Museen ihre Abschlussarbeiten auszuarbeiten. Unter den früheren Stipendiatinnen und Stipendiaten befinden sich viele später bedeutende Persönlichkeiten, wie auch der in dieser Arbeit behandelte Kunsthistoriker Alois Riegl. Mit dieser neuen Buchreihe sollen in wesentlichen Teilen am Österreichischen Historischen Institut in Rom entstandene Forschungen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht werden und in Österreich das Wissen über diese traditionsreiche Forschungseinrichtung gestärkt werden. Darüber hinaus ist zu hoffen, dass mit dieser Reihe ein Beitrag geleistet werden kann, das Interesse an der Ge-

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Vorwort

schichte bzw. den multilateralen Beziehungen und Verflechtungen zu stärken, die seit der Antike den Alpen- und Donauraum mit dem italienischen Kulturraum verbinden. Rom, im März 2017

Einleitung  : Kunstpolitik in der Donaumonarchie

Im Jahre 1897 ließ sich Erzherzog Franz Ferdinand eine genaue Aufstellung der Ausgaben für Kunstzwecke vorlegen. Der Thronfolger galt in Kunstangelegenheiten als äußerst konservativ und intolerant, Kunst und Denkmalschutz hatten aber für ihn einen hohen Stellenwert. Der Erzherzog interessierte sich vor allem für die Zuwächse im Kunstbudget des Unterrichtsministeriums seit 1885. Die Zahlen sind beeindruckend und lassen politische Überlegungen erkennen. Die Kunstausgaben waren in diesen zwölf Jahren um mehr als 150 % gestiegen, von 243.000 auf 614.000 Gulden. Das Kunstbudget des Unterrichtsministeriums setzte sich aus den Subventionen für Kunstschulen und Konservatorien, Stipendien, Unterstützungen von Künstlern, Kunstaufträgen, Ankäufen sowie Subventionen für Denkmalschutz und Ausgrabungen zusammen1. Hinzuzurechnen sind Leistungen für Kunstzwecke aus anderen Ressorts – so erfolgte die künstlerische Ausschmückung der Ringstraßengebäude aus dem beim Innenministerium angesiedelten Stadterweiterungsfonds – sowie größere Restaurierungsvorhaben, etwa der Burg Karlstein bei Prag, die direkt aus dem Budget des Finanzministeriums bezahlt wurden. Ebenfalls nicht eingerechnet wurden die Aufwendungen des Unterrichtsministeriums für den Kunstgewerbeunterricht, aber auch für die kunstgewerblichen Museen in den Kronländern sowie für das Österreichische Museum für Kunst und Industrie – Summen, die zusammengerechnet den oben genannten Betrag mehr als verdoppeln. Doch damit nicht genug. Auch in dem folgenden Jahrzehnt bis 1907 stiegen die Kunstausgaben nochmals um 150 % an. 54 % des Budgets wurden 1907 zur Förderung von Musik und Literatur sowie für Kunststipendien, Ankäufe und Unterstützungen aufgewendet, 26 % für den Denkmalschutz und 20 % für Archäologie. Aus den Vergleichswerten des Jahres 1895 ergibt sich eine 10 %-ige Steigerung der öffentlichen Subventionen für Musik und ein 20 %-iger Rückgang beim Denkmalschutz, der allerdings nicht auf Einsparungen, sondern auf alternative Finanzierungsmodelle und die 1898 erfolgte Gründung des Österreichischen Archäologischen Instituts zurückzuführen ist, was eine Umstrukturierung der Denkmalschutzausgaben – zu denen auch archäologische Grabungen zählten – zur Folge hatte2. Die Ausgaben für Kunst und Kunstförderung erfuhren an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert also einen gewaltigen Anstieg, was selbst angesichts der Tatsache bemerkenswert ist, dass das 1 2

AVA, Unterricht-Präs., 1155/1897. AVA, Unterricht-Allg., Fasz. 2967, Z 13149/1907.

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Einleitung  : Kunstpolitik in der Donaumonarchie

Ausgangsniveau im Vergleich zu anderen öffentlichen Finanzierungsbereichen sehr niedrig war. Die Wiener Moderne wäre ohne das große künstlerische Potential nicht möglich gewesen, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden war. Allerdings war auch die jahrzehntelange finanzielle Förderung durch den Staat eine wesentliche Voraussetzung für diese künstlerische Blüte. Welche Überlegungen standen hinter dem Kunstboom der Jahrhundertwende, warum investierte die Habsburgermonarchie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verstärkt in die Kunst, und warum erhielt Kunstförderung nun auch eine politische Bedeutung  ? Auf diese Fragen möchte ich in dieser Studie eingehen. Die Vielfalt der Bereiche, die hier behandelt werden, lässt zwangsläufig Raum für weiterführende Studien. Herausgearbeitet werden sollen jedenfalls die wichtigsten Tendenzen der Kunstpolitik der zu Ende gehenden Habsburgermonarchie. Zu allen hier besprochenen Themenbereichen liegt eine Fülle von Quellenmaterial vor, das der Bearbeitung harrt. Ich habe mich vor allem auf die Vorträge des Unterrichtsministers sowie auf die Spezialbestände des Unterrichtsministeriums zu Kunstangelegenheiten konzentriert. Viele Bereiche müssen ausgespart bleiben, wie die Bestände anderer Ministerien, insbesondere des Finanzministeriums zu den Details der finanziellen Gebarung. Sinnvoll wären auch weitere Forschungen in den reichhaltigen Beständen der Landes- und Statthaltereiarchive. Dies kann aber nur durch ein größer angelegtes Forschungsprojekt erfolgen, wie das kürzlich für Preußen durchgeführt wurde3. Politik ist eng verbunden mit Vorstellungen und Konzeptionen von Staatlichkeit und Staatswesen sowie – meist negativ besetzt – von Macht und Machtausübung. Als Zweck der Politik kann wertneutral die Regelung des Zusammenlebens der Menschen gesehen werden, verbunden mit mehr oder weniger großen Eingriffen in individuelle und kollektive Freiheiten und einer Normierung von Entscheidungsprozessen. Diese allgemeinen Betrachtungen zum Politikbegriff gelten mit Einschränkungen auch für die Kunstpolitik. Sie wurde erst spät, im Gefolge der Aufklärung, und auch dann nur schrittweise und in regional unterschiedlicher Ausprägung zu einem Feld staatlichen politischen Handelns. Dies, obwohl Kunst – und vor allem der Besitz von Kunst – seit dem Altertum ein wichtiger Wert persönlicher Repräsentation war. Insbesondere in der Neuzeit begannen sich bei den Herrschern persönliche und staatliche Interessen zu überlagern, was sich vor allem in der Architektur, in den Prachtbauten, aber auch in fürstlichen Gemäldegalerien und selbst im höfischen Musikleben ausdrückte. Es zeigen sich hierin aber nur bedingt Ansätze einer modernen Kunstpolitik. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts kam es zu einem qualitativen Wandel, seither 3

http://actaborussica.bbaw.de/, letzter Zugriff  : 20.12.2016.



Einleitung  : Kunstpolitik in der Donaumonarchie 

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wird Kunstpolitik als eine der zentralen Säulen staatlicher Macht und staatlichen Handelns wahrgenommen, während die fürstliche (und teilweise auch die großbürgerliche) Selbstdarstellung ihre frühere Bedeutung verlor. Auch inhaltlich kam es zu Verschiebungen, die Repräsentationsfunktion rückte in den Hintergrund, Kunst als Instrument der Erziehung der Bürger und einer positiven Beeinflussung im Sinne des Gemeinwesens trat in den Vordergrund. Diese Tendenzen moderner Kunstpolitik sind eng im Zusammenhang mit den Entwicklungen im zweiten großen Bereich der Kulturpolitik zu sehen, dem Erziehungsund Unterrichtswesen. Die Erziehung und Formierung guter Staatsbürger und Staatsdiener war im 18. Jahrhundert zu einem Ziel staatlichen Handelns geworden, dessen Bedeutung im 19. Jahrhundert noch zunahm, denn durch die immer größer werdenden politischen Partizipationsmöglichkeiten (Meinungsfreiheit, Zeitungs- und Buchmarkt, Vereinswesen, Allgemeines Wahlrecht) wurde die Formierung staatlichen Bewusstseins in breiten Bevölkerungsschichten zu einer Hauptaufgabe politischer Bildung. Auch das religiöse und konfessionelle Leben wurde zumindest in seinen staatspolitischen Belangen darauf ausgerichtet. Die Staatsmacht war bemüht, die konservativen und reformerischen Tendenzen im Kulturbereich zu fördern sowie neue intellektuelle und kulturelle Strömungen zu integrieren. Das gelang in der Donaumonarchie auf gesamtstaatlicher Ebene weitgehend, auf regionaler Ebene war dies schwieriger. Die starken regionalen Gegensätze, die sich in unterschiedlichen sozialen, kulturellen, konfessionellen und historischen Traditionen manifestierten, verhinderten eine kohärente Politik. Die Suche nach der Einheit in der Vielfalt wurde zur politischen Maxime, die aus der Notwendigkeit erwachsen war, eine systemimmanente Schwäche in einen Vorteil umzudeuten. Die Habsburgermonarchie sollte durch Originalität und Schaffung neuer Elemente von Modernität und Avantgarde nach außen an internationalem Prestige gewinnen und im Inneren revolutionäre Ideen in staatsnahe Reformströmungen integrieren. Damit konnte auch die international vergleichsweise verspätete Entwicklung der Donaumonarchie in diesem Bereich kompensiert werden, denn obwohl Österreich im 18. Jahrhundert im Bildungswesen eine Vorreiterrolle hatte und die katholische Kirche durch den Josephinismus stärker an den Staat gebunden wurde, hatten viele westliche Staaten auch die Kunstförderung sehr viel früher als politisches Feld wahrgenommen. In der Donaumonarchie verharrte die Kunstförderung hingegen auch noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einem regionalen und von den Ständen geprägten Rahmen, erst das Jahr 1848 brachte den Durchbruch auf die staatliche Ebene. Da auf regionaler Ebene bereits eine gut entwickelte Infrastruktur vorhanden war, konnte sich sehr schnell eine große Dynamik entfalten. Innerhalb weniger Jahre wurde der Anschluss an die modernen Strömungen der Zeit vollzogen, die in England, Frankreich und zum Teil

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Einleitung  : Kunstpolitik in der Donaumonarchie

in Deutschland dominierten. Eingeleitet von Unterrichtsminister Leo Thun und seinem Bruder Franz Anton, war es neben den alten Eliten und der Hochbürokratie vor allem das moderne Bürgertum, das zum Motor der neuen Kunstpolitik wurde. Das neue Mäzenatentum verband seine Kunstförderung fast selbstverständlich mit den Interessen des Staates, mit dem man sich identifizierte – die Ringstraße wurde zum Symbol des Zusammenwirkens und des kunstpolitischen Übergangs von Hof, Staat und bürgerlichen Eliten. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht nicht der Kulturbegriff als – nach Moritz Csàky – Arsenal gemeinsamer Erfahrungen, Erinnerungen, Bezugspunkten, Symbolen oder Metaphern, die sich zu einem »mehrdeutigen Kommunikationsraum« verdichteten4. Diese kulturelle Gemengelage war die Basis, von der politisches Handeln auszugehen hatte  : Die Nichtexistenz homogener Nationalkulturen in der Donaumonarchie sollte von der Politik nicht als defizitär, sondern als positiver Faktor gesehen werden. Nicht das »Crossing und Re-Crossing« 5 und die zugrundeliegenden unterschiedlichen kulturellen Einflüsse sollen hier untersucht werden. Nicht die Geschichte von unten – das Narrativ kulturhistorischer Verflechtungen, Symbiosen und Kontraste – steht hier im Mittelpunkt, sondern eine von den politischen Eliten geprägte Geschichte von oben. Nicht die Kunstschaffenden stehen im Zentrum, auch nicht die Adressaten der Kunst, sondern die Organisatoren, die politischen Führungspersönlichkeiten, leitende Beamte, Minister und Ministerialräte, Museumsdirektoren und Akademierektoren. Es ist überraschend, dass – abgesehen von meist anlassbezogenen Einzeluntersuchungen6 – bisher kaum die Frage nach den politischen Akteuren und den damit verbundenen Zusammenhängen, in deren Rahmen sie agierten, gestellt wurde. Die Vielschichtigkeit und Komplexität der Situation der Habsburgermonarchie mag hierfür ein Grund sein. Die gewaltigen Leistungen, die auf diesem Gebiet erbracht wurden – und zwar im Regelfall von Einzelpersonen, die Charisma und Durchsetzungsfähigkeit hatten – blieben somit unterbelichtet. Es handelt sich um einen kleinen Kreis von Personen, die ihre Epoche prägten und denen es durch ihr Engagement gelang, künstlerischen Entwicklungen eine Linie zu geben und Kunstpolitik als Aufgabe des Staates zu etablieren und damit in diesem Bereich zum Entstehen eines modernen Kulturstaates beizutragen, der bereit war, erhebliche finanzielle Mittel in die neue politische Strategie zu investieren. 4 Moritz Csáky, Das Gedächtnis der Städte, Kulturelle Verflechtungen – Wien und die urbanen Milieus in Zentraleuropa (Wien 2010), insbesondere 89–127. 5 Ebd., 14. 6 Vor allem 100 Jahre Unterrichtsministerium  : 1848–1948. Festschrift des Bundesministeriums für Unterricht in Wien (Wien 1948)  ; Peter Noever, Hanna Egger, Rainald Franz (Hgg.), Kunst und Industrie. Die Anfänge des Museums für angewandte Kunst in Wien (Ausstellungskatalog, Wien 2000).



Einleitung  : Kunstpolitik in der Donaumonarchie 

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Die Folgen  : Einerseits ein künstlerisches Aufblühen, das sich in der Moderne explosionsartig innerhalb weniger Jahre entwickelte. Andererseits wurde auch schon von vielen Zeitgenossen negativ angemerkt, dass die österreichische Kunst in eine allzu große Staatsnähe und damit in eine Abhängigkeit vom Staat gedrängt wurde – gerade auch in finanzieller Hinsicht – und selbst private Aufträge sich nicht selten durch eine gewisse Affinität zum Staat auszeichneten. Dennoch wäre es weit über das Ziel hinausgeschossen, die damalige österreichische Kunst als Staatskunst zu bezeichnen, da es geradezu zentrale Strategie und staatspolitisches Bestreben war, weitgehende Vielfalt sowie künstlerische Spontanität und Kreativität zu ermöglichen. Keineswegs behindert – im Gegenteil, meist gefördert – wurden lokale künstlerische Strömungen. Diese standen unter Druck einer nationalpolitischen Politisierung, die sich in ihren radikalen Ausformungen jedoch kaum in das staatlich vorgegebene Schema der Einheit in der Vielfalt integrieren ließen. Vieles war geplant, vieles war aber auch Zufall – und zwar abhängig von der Existenz kunstpolitischer Ideengeber. Es war das Glück des Wiener Kulturlebens, dass die besten Kulturadministratoren gerade dann auftauchten, als sie am dringendsten benötigt wurden, denn wie kaum in einem anderen politischen Bereich hing diese Entwicklung von einigen wenigen Persönlichkeiten ab. Wien als Kulturstadt, die österreichische Hochkultur – das waren ohne Zweifel politisch motivierte Konstruktionen, doch auch Konstruktionen benötigen solide Fundamente. Diese waren in früheren Jahrhunderten in Musik, Architektur, darstellender und bildender Kunst geschaffen worden. Die Konstrukteure des neuen Mythos des österreichischen Kulturstaats und der deklariert österreichischen Kunst sind die Protagonisten dieses Buches. Es gelang ihnen nicht nur, der Kunst einen neuen Stellenwert zu verschaffen, durch den der Staat innen- und außenpolitisches Prestige erhielt, es gelang ihnen vor allem – und das war die nachhaltige Leistung – Kunst im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Das österreichische Staats- und Reichsproblem, das den Staat nach 1867 in zwei Reichshälften zerfallen ließ, betrifft auch dieses Thema. Während nämlich bis zum Ausgleich zumindest ansatzweise eine reichsweite Behandlung möglich und auch gerechtfertigt erscheint, ändert sich das nach 1867. Das liegt nur zum geringeren Teil an der mir fehlenden Kenntnis des Ungarischen – denn zumindest die zentralen Akten der kaiserlich-königlichen Kabinettskanzlei sind in deutscher Übersetzung vorhanden, während die Originalakten des ungarischen Staatsarchivs weitgehend verloren gegangen sind7 –, viel mehr liegt es daran, dass Österreich und Ungarn in der Kunstpolitik völlig unabhängig agierten und sehr 7

Siehe dazu den Beitrag von Orsolya Hessky, Staatliche Kulturpolitik Ungarns 1867–1914, in  : Die Habsburgermonarchie 1848–1918, Band XI  : Kultur, Politik und Gesellschaft, in Druck.

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Einleitung  : Kunstpolitik in der Donaumonarchie

schnell unterschiedliche ideologische Zugangsweisen entstanden, auch die Behördenstrukturen waren nicht vergleichbar. So wurde im Königreich Ungarn ein wesentlicher Teil der Kunstförderung über den Hofaufwand finanziert, die Bereiche Hof und Staat sind in der ungarischen Kunstpolitik also noch schwieriger zu trennen als in der cisleithanischen Reichshälfte. Der Bereich des Hofes – also die Kunstförderung des Obersthofmeisteramts – wurde aus der vorliegenden Untersuchung ausgeklammert, und zwar aus dem folgenden Grund  : Es soll die Entstehung einer staatlichen, unabhängig vom Hof agierenden und einer eigenen Logik folgendenKunstpolitik aufgezeigt werden. Hierzu ist eine klare Abgrenzung von der Kunstförderung des Monarchen nötig. Geht man von den administrativen Rahmenbedingungen der Zeit aus, ist diese Abgrenzung, zumindest in Cisleithanien, möglich8. Graubereiche bleiben jedoch bestehen. So beim Stadterweiterungsfonds, der zwar staatlich und dem Innenministerium untergeordnet war, der aber keiner direkten parlamentarischen Kontrolle unterstand und vor allem zur Finanzierung der Prachtbauten des Hofes diente. Dennoch, in der Praxis war man auch hier bemüht, finanziell-administrative Grenzen zwischen Hof und Staat zu ziehen. Auch die vom Obersthofmeisteramt vorgegebene Kunstförderung des Hofes orientierte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend an staatlichen Vorgaben, zu größeren Konflikten zwischen dem Obersthofmeisteramt und dem Ministerium kam es nicht, trotz allen Beharrens auf einer Autonomie der Hofbehörden anerkannten diese die politische Führungsrolle der staatlichen Behörden. Ideologisch ist die Grenzziehung schwieriger, denn die kaiserlichen Prachtbauten der Ringstraße, die Hoftheater und die Hofmuseen dienten eben nicht nur der privaten fürstlichen Repräsentation, sondern waren zugleich auch Symbole des Habsburgerstaates. Dennoch ist die hier versuchte Abgrenzung zwischen der Kunstpolitik des Staates und des Hofes für die Beantwortung der Frage – Wie entstand die staatliche Kunstpolitik und welche Schwerpunkte wurden gesetzt  ? – notwendig. Die zweite Abgrenzung ist noch schwieriger und liegt in der Definition des Staates begründet  : Wird der Staat nur im engeren Sinne des Zentralstaates gesehen oder im weiteren Sinn als öffentliche Hand unter Einschluss von Ländern und Gemeinden  ? Die Antwort ist naheliegend, denn eine derartige Analyse wäre unter Ausschluss der Kronländer unvollständig. Die Gemeinden können – mit Ausnahme des Sonderfalls Wien – aufgrund des relativ geringen Finanzierungsvolumens eher ausgespart bleiben – hier wären noch eingehende regionale Untersuchungen nötig, um eine endgültige Beurteilung zu erlauben –, die stark (neu-) ständisch geprägte Kunstförderung durch die Länder war hingegen bis zum Ende der Monarchie ein wesentlicher Faktor der Kunstpolitik. Ich habe die re8

Siehe dazu Werner Telesko, Der Kaiser und die dynastische Kunstpolitik, in  : ebd.



Einleitung  : Kunstpolitik in der Donaumonarchie 

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gionale Kulturförderung anhand von drei Fällen exemplarisch durch Dokumente der Landesarchive (Statthalterei und autonome Landesregierung) untersucht  : Niederösterreich, Steiermark und Tirol. Das wichtigste Kronland wäre eigentlich Böhmen, könnte man einwenden, vor allem aufgrund seiner überdurchschnittlich hohen Finanzkraft. Gerade in diesem Fall ist die Entwicklung aber anhand der im Wiener Verwaltungsarchiv erhaltenen Archivalien fast lückenlos nachvollziehbar. Das ist der großen Bedeutung des Landes innerhalb der Habsburgermonarchie geschuldet – und des damit einhergehenden überdurchschnittlich großen Interesses an Böhmen in der Wiener Reichszentrale – sowie, damit im Zusammenhang, mit dem von Wien geförderten Modell einer böhmischen kulturellen Autonomie – oder genauer gesagt, einer stark tschechisch geprägten Autonomie als Ersatz für die verweigerte politische Selbstständigkeit des Landes, auch wenn dies so nie klar ausgesprochen wurde. Gleichzeitig drängte man auf eine höchstmögliche Gleichberechtigung der im Lande lebenden Nationalitäten. Böhmen wurde für die Zentralverwaltung zu einer Modellregion für die weitere politische Entwicklung der Donaumonarchie und stand unter besonderer Beobachtung Wiens. Der Modellfall Böhmen hat damit eine für die Behandlung dieses Themas zentrale Bedeutung. Die Analyse erfolgte, wegen des Fehlens grundlegender Vorstudien, weitgehend auf Basis von Quellen, und zwar – abgesehen von den genannten Landesarchiven – aufgrund von einschlägigen Beständen aus dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv sowie aus dem Allgemeinen Verwaltungsarchiv. Die von mir gesichteten Bestände der Zentralbehörden sind äußerst umfangreich, sodass eine Bearbeitung der Quellen der Unterbehörden den zeitlichen und logistischen Rahmen gesprengt hätte. Da sich diese Studie weitgehend auf Quellen stützt, wurde ein vollständiger Literaturüberblick im Sinne eines Handbuchs nicht angestrebt. Angeführt sind somit nur die Werke, die auch tatsächlich verwendet wurden, wovon einige maßgeblichen Einfluss auf die inhaltliche Konzeption dieser Studie hatten. Vor allem soll auf die äußerst innovative Arbeit von Marlies Raffler zur historischen Museologie am Beispiel der Entstehung der Landes- und Nationalmuseen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hingewiesen werden9, ferner auf die beiden Politik- und Kunstgeschichte des langen 19. Jahrhunderts verbindenden Bände von Werner Telesko10 sowie auf die musikgeschichtlich grundlegende Stu 9 Marlies Raffler, Museum – Spiegel der Nation  ? Zugänge zur Historischen Museologie am Beispiel der Genese von Landes- und Nationalmuseen in der Habsburgermonarchie (Wien 2007). 10 Werner Telesko, Geschichtsraum Österreich. Die Habsburger und ihre Geschichte in der bildenden Kunst des 19. Jahrhunderts (Wien–Köln–Weimar 2006) sowie ders., Kulturraum Öster­ reich. Die Identität der Regionen in der bildenden Kunst des 19. Jahrhunderts (Wien–Köln– Weimar 2008).

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die von Martina Nußbaumer11. Hervorzuheben sind außerdem der Ausstellungskatalog zum 150 Jahr-Jubiläum des »Museums für Kunst und Industrie« sowie die Studie von Theodor Brückler zu Erzherzog Franz Ferdinand als Denkmalpfleger12. Schließlich soll auch noch die erst kürzlich erschienene hervorragende Arbeit von Diana Reynolds Cordileone über Alois Riegl Erwähnung finden13. Für die Moderne ist darüber hinaus vor allem das Buch von Bastiaan van Heerde14 zu nennen, in dem diese Epoche in ihren vielfältigen Aspekten umfassend aufgearbeitet und dokumentiert wird. Weitere Einzeluntersuchungen werden in der Arbeit genannt, in den meisten Abschnitten stütze ich mich aber auf die umfangreiche archivalische Dokumentation, ohne die es mir nicht möglich gewesen wäre, dieses Thema zu bearbeiten. Es werden zahlreiche Details zu Tage gefördert, die nicht immer vordergründig politisch relevant scheinen. Sie unterstreichen in ihrer Gesamtheit jedoch die politischen Tendenzen und sind für weiterführende Forschungen von Interesse. Detailinformationen, die für die Analyse nicht unbedingt nötig erscheinen, werden im Anmerkungsapparat behandelt. Ich sehe mich einem historisch-politischen Zugang verpflichtet, keinem kunsthistorischen oder gar kunsttheoretischen Zugang – das muss Berufeneren überlassen bleiben. Tatsächlich bietet das von mir gesichtete Quellenmaterial auch hierfür interessante Informationen, die Quellen müssten dann aber stärker mit den Schriften der führenden Kunsttheoretiker der Zeit – vor allem Rudolf Eitelberger und Alois Riegl – konfrontiert werden. Ich habe dies nicht als meine Aufgabe gesehen, mein Ziel war es vielmehr, die administrativ-politische Seite zu analysieren und mögliche politische Motivationen aufzuspüren. Es wäre natürlich verfehlt, würde man hinter jeder politischen Entscheidung einen klar erkennbaren Masterplan vermuten. Politik ist nicht zuletzt auch das Resultat von Zufällen, Einzelentscheidungen und aus der Not des Moments getroffenen Lösungsversuchen – manchmal sogar von eklatanter Planlosigkeit. Erst im Nachhinein werden Entscheidungsfäden deutlich, die in dieser Form den Zeitgenossen möglicherweise gar nicht bewusst waren. Größere Strukturen, in die sich die Einzelentscheidungen einfügen, offenbaren sich häufig erst aus dem Blickwinkel späterer Zeiten. Umgekehrt konnte der am Beginn stehende Thun’sche Masterplan der fünfziger und frühen sechziger Jahre nur in Teilen durchgesetzt werden und wurde damit auch nicht in allen Bereichen politisch relevant. In den folgenden 11 Martina Nussbaumer, Musikstadt Wien. Die Konstruktion eines Images (Wien 2007). 12 Theodor Brückler, Thronfolger Franz Ferdinand als Denkmalpfleger. Die »Kunstakten« der Militärkanzlei im Österreichischen Staatsarchiv – Kriegsarchiv (Wien–Köln–Weimar 2009). 13 Diana Reynolds Cordileone, Alois Riegl in Vienna 1875–1905. An Institutional Biography (Ashgate 2014). 14 Jeroen Bastiaan van Heerde, Staat und Kunst  : staatliche Kunstförderung 1895–1918 (Wien u.a. 1993).



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Jahrzehnten wird es dann immer schwieriger, einen über gewisse Grundsatzaussagen hinausgehenden und klar definierten politischen Plan zu erkennen – es überwiegt scheinbar die Konzeptlosigkeit und das individuelle Agieren, oder positiv formuliert  : die Fähigkeit, auf neu entstandene Situationen zu reagieren und im Sinne des Staatsganzen lenkend einzugreifen.

1 Die staatliche Kunstpolitik

1.1 Die Ära Thun und die Grundlagen der Kunstpolitik im Neoabsolutismus Im Vormärz stand das Unterrichtswesen unter Leitung der von Maria Theresia eingerichteten Studienhofkommission, die kirchlichen Angelegenheiten wurden vom geistlichen Department der Hofkanzlei verwaltet, oberste Kunstbehörde war die kaiserliche Akademie der bildenden Künste, deren Aufgaben als Kunstschule, Kunstgesellschaft und Kunstbehörde 1812 in einem Statut festgelegt wurden. Diese drei Agenden wurden im März 1848 in dem neu gegründeten »Ministerium für Cultus und Unterricht« zusammengeführt, in dem Kunst und Kunstpolitik zunächst nur eine untergeordnete Rolle spielten. Weder im Titel des Ministeriums noch in der Geschäftseinteilung schien Kunst als eigener Aufgabenbereich auf. Da aber auch die Wiener Kunstakademie dem Ministerium unterstellt wurde und damit ihre beherrschende Stellung im österreichischen Kunstleben verlor, übernahm das neue Ministerium wichtige kunstpolitische Kompetenzen. Weniger spektakulär als die große Unterrichtsreform und von der Historiographie wenig beachtet, legte Unterrichtsminister Leo Thun im Bereich der Kunstpolitik und Kunstförderung in den fünfziger Jahren die organisatorischen und inhaltlichen Grundlagen einer modernen staatlichen Kulturpolitik fest. Mastermind hinter dem Reformplan war sein Bruder, Franz Anton, der selbst künstlerisch tätig war und bereits seit Jahren in seiner böhmischen Heimat kunstpolitische Maßstäbe setzte. Der Minister hatte offenbar von Beginn an geplant, seinen Bruder mit der Leitung der Kunstangelegenheiten zu betrauen 1. Dieser war führendes Mitglied der Gesellschaft patriotischer Kunstfreunde und 1839 federführend an der Gründung des Kunstvereins für Böhmen beteiligt, wobei er sich vor allem für die architektonische Ausgestaltung Prags engagierte. Darüber hinaus war er Direktionsmitglied des Nationalmuseums und des Prager Musikvereins. Auch der Prager Dombauverein verdankte seine Gründung und sein finanzielles Fortkommen der Initiative Thuns. Selbst nach seiner Berufung nach Wien überließ er das Rampenlicht der politischen Bühne seinem Bruder. Seine Ernennung zum Ministe1

MR v. 5.8.1850/VI, in  : Die Protokolle des österreichischen Ministerrats 1848–1867, Abteilung II  : Das Ministerium Schwarzenberg, Band 3, bearbeitet von Thomas Kletečka und Anatol Schmied-Kowarzik unter Mitarbeit von Andreas Gottsmann (Wien 2006), 191.

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1  Franz Anton Thun

rialrat im Oktober 1850 war daher nicht der Beginn einer politischen Karriere, wohl aber eines Jahrzehnts, in dem er an der Seite seines Bruders die Kunstpolitik der Habsburgermonarchie nachhaltig prägte2. 2

Franz Anton II. von Thun-Hohenstein wurde am 13. Juni 1809 in Prag geboren. Er absolvierte die damals für einen Hochadeligen übliche Ausbildung und besuchte anschließend juridische Vorlesungen an der Prager Karlsuniversität. Von Anfang an zeigte er ausgeprägtes künstlerisches Interesse, er nahm schon als Kind Zeichenunterricht und konzentrierte sich später vor allem auf die Landschaftsmalerei. Auch auf der für einen jungen Adeligen üblichen Europareise – sie führte ihn nach England, Frankreich und in Italien bis nach Neapel – standen Kunststudien im Mittelpunkt seines Interesses. Privat hatte Franz Anton innerhalb der Familie durch seine Heirat mit einer Bürgerlichen eine schwierige Position und musste auf seine Beteiligung am Familienbesitz verzichten. Mit dem politischen Wandel 1861 hin zum Liberalismus und der Abberufung Leo Thuns verließ auch Franz Anton Wien und kehrte nach Prag zurück, wo er sich wieder im Prager Dombauverein engagierte. Ab 1862 war er als böhmischer Konservator für die Zentralkommission tätig. Seine konservatorische Einstellung entsprach dem damaligen Verständnis von Denkmalschutz, wobei nicht das Konservieren, sondern das bauliche Gestalten im Vordergrund stand, zum Beispiel bei den neugotischen Ergänzungen am Prager St.-Veits-Dom. Dieser Konzeption folgend, gelang es Franz Anton Thun, den Wiener Akademieprofessor und



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Der Schwerpunkt der Kulturpolitik Leo Thuns lag nicht so sehr auf der Kunst, sondern in den Bereichen, denen traditionell eine größere politische Bedeutung beigemessen wurde  : In der Kirchenpolitik setzte er durch das Konkordat von 1855 einen deutlichen politischen Akzent und in der Bildungspolitik durch seine Universitäts- und Gymnasialreform. Das Verständnis von Kunst als Aufgabe der Politik war relativ jung, obwohl bereits seit dem Barock der öffentlich-staatliche Aspekt neben dem dynastischen sichtbar geworden war. Im Vormärz wagte Kaiser Franz I. einen organisatorischen Neubeginn und machte die Wiener Akademie der bildenden Künste zur Obersten Kunstbehörde – doch die Kunstschule war mit dieser Aufgabe überfordert, für politisches Handeln war sie nicht geeignet. Das war der Ansatzpunkt für die Thun’sche Reform, durch die die Kunstpolitik auf völlig neue Grundlagen gestellt werden sollte. 1.1.1 Die Reform der Wiener Akademie der bildenden Künste

Am 1. März 1850 berichtete die »Wiener Zeitung« von Expertengesprächen über eine Neuordnung der Kunstförderung in der Habsburgermonarchie. Namhafte Vertreter des Kunstlebens waren zur Beratung des Unterrichtsministers berufen worden  : Neben Franz Anton Thun waren es Erwin Graf Nostiz, der spätere Akademiedirektor Christian Ruben, die Maler Joseph Führich, Leopold Kupelwieser und Franz Habermann, die Architekten Hermann Bergmann, Carl Roesner, Eduard van der Nüll, Paul Eduard Sprenger sowie das Ehrenmitglied der Akademie, der Kunstmäzen Rudolph Arthaber. Das als Grundlage dieser Beratungen dienende Memorandum wurde in der »Wiener Zeitung« abgedruckt, ohne den Namen des Autors zu nennen3. Es stammte aus der Feder von Franz Anton Thun. Eine Kunstförderung nach dem Gießkannenprinzip sollte es demnach nicht mehr geben. Bisher hatte der Hof eine bestimmte Summe für Bestellungen von Kunstwerken veranschlagt. Im Gegensatz zu der bisherigen Praxis sollte die Entscheidung über die Vergabe dieser Fördermittel nun nicht mehr durch die Kunstakademie erfolgen, sondern in Zusammenarbeit mit Experten direkt durch das Ministerium. Es sollte prinzipiell hinterfragt werden, »wie die Kunst überhaupt aus Staatsmitteln zu unterstützen wäre«4. Den Dombaumeister Friedrich Schmidt für die neugotische Umgestaltung der böhmischen Königsburg Karlstein zu gewinnen. Im Jahre 1870 verstarb Thun im Alter von nur 61 Jahren. Constantin von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich (Wien 1856–1891), Band XLV, 43–47. 3 Wiener Zeitung Nr. 52 v. 1. März 1850, 639 ff. und Nr. 53 v. 2. März 1850, 652–654. 4 Siehe dazu Leo Thun im MR v. 20.3.1850/4, ÖMR II, Band 2, bearbeitet von Thomas Kletečka und Anatol Schmied-Kowarzik unter Mitarbeit von Andreas Gottsmann (Wien 2005), 319.

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Experten schwebte ein völlig neues Verständnis von Kunstförderung und eine Aufwertung des Kunstgewerbes vor  : »Der Einfluss der Kunst auf Industrie und Gewerbe ist aber bei uns noch nicht genügend gewürdigt, das Bedürfnis eines gewissen Grades von Kunstbildung für eine große Klasse von Staatsbürgern, die nicht Künstler im engeren Sinne des Wortes sind, noch gar nicht erkannt worden.« Die österreichische Kunstgewerbeproduktion war am internationalen Markt nicht konkurrenzfähig, weil den Gewerbetreibenden nicht die Möglichkeit geboten wurde, »ihren Geschmack und Kunstsinn zu bilden, und die für sie oft so wünschenswerte und nötige Fertigkeit im Zeichnen und Modellieren zu erwerben«. Es sei die Aufgabe des Staates, durch gezielte Förderung und durch Reformen im Bildungssystem »den allgemeinen Geschmack und Kunstsinn anzuregen«. Durch einen allgemeinen Zeichenunterricht ab der Volksschule und spezialisierte Schulen in den Hauptstädten sollten Industrie und Gewerbe ein großes Reservoir an künstlerisch ausgebildeten Personen zur Verfügung gestellt werden. Angepeilt wurde ein die gesamte Monarchie umspannendes Netz von Kunstförderung und -ausbildung  : »So wie der Staat für das Bedürfnis der Wissenschaft auch in den Provinzen durch Errichtung von Universitäten Sorge trägt, so sollte er auch die Brennpunkte für Kunst vermehren.«5 Im August stellte Thun die Grundzüge seiner Reform im Ministerrat vor. Die Akademie der bildenden Künste leiste »bei einem sehr bedeutenden Aufwande für die Künste doch nur sehr wenig«, kritisierte er, das bestehende System führe zur Heranbildung mittelmäßiger Künstler ohne Beschäftigung. Der Minister schlug die Neugründung einer vom Elementarunterricht und von allen »unproduktiven Unterrichtsfächern« befreiten Kunstakademie vor. Nach einer dreijährigen Grundausbildung sollten sich die Schüler einen Lehrer wählen, bei dem sie die weitere praktische Ausbildung absolvierten. Die Zahl von Preisen und Förderungen sollte reduziert werden, weil diese »der wahren Kunst nichts nützen und ein Künstlerproletariat erzeugen«6. Leo und Franz Anton Thun ging es um eine Konzentration und Effizienzsteigerung der zur Verfügung stehenden Mittel. Kunstförderung wurde nicht länger als soziale Unterstützung mittelmäßiger und erwerbsunfähiger Künstler gesehen, sondern als Instrument zur Hervorbringung international anerkannter Künstler. Die Thun’schen Reorganisierungsvorschläge wurden im Oktober 1850 als »Grundzüge zur Organisation des höheren und niedern Kunstunterrichts« vom Kaiser sanktioniert7. Gleichzeitig wurde Franz Anton Thun zum Kunstreferenten 5 6 7

Siehe dazu den Aktenbestand in AVA, Unterricht-Präs., 77/1850. MR v. 5.8.1850/5, ÖMR II/3, 190 f. Ah. E. v. 8.10.1850 auf den Vortrag Thun v. 29.9.1850 – HHStA, Kab. Kanzlei, 4023/1850. Zur Reform der Kunstakademie siehe Helmut Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bil-



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ernannt. Der Staat nahm nun die Kunstangelegenheiten selbst in die Hand, wenn auch in dem im April 1852 fixierten Wirkungskreis des Ministeriums der bildungspolitische Aspekt im Vordergrund stand, also die administrative Betreuung der Kunstschulen von Wien, Mailand und Venedig sowie des Mailänder Musikkonservatoriums8. Andere Bereiche blieben dem Hof vorbehalten – Hofmuseen, Hofbibliothek, Hoftheater, Kunstankäufe – und auch die 1850 gegründete »k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale« gehörte nicht in den Kompetenzbereich des Unterrichtsministeriums, sondern diese wurde zunächst beim Handelsministerium eingerichtet. Neben dieser organisatorischen Neustrukturierung war vor allem eine Personalentscheidung von großer Bedeutung  : Der bisherige Direktor der Prager Malerakademie, Christian Ruben, wechselte für zunächst sechs Jahre nach Wien und übernahm die Leitung der Akademie der bildenden Künste – Thun bezeichnete die Ernennung Rubens als wichtigste personelle Maßnahme der Akademiereform9. Seine ursprüngliche Herkunft von der Münchener Kunstakademie zeigt deutlich, woran man sich in Wien orientierte. Ruben gelang es mit Unterstützung des Ministeriums, innerhalb kürzester Zeit Missbräuche abzustellen und die Qualität des Unterrichts zu heben. Die Befristung Rubens wurde 1854 aufgehoben, er stand der Akademie bis 1872 vor. Sehr schnell leitete er eine Strukturreform ein  : Mit dem Studienjahr 1852/53 wurde innerhalb der Vorbereitungsschule eine Elementarzeichen- und Modellierschule eingerichtet. Neu eingeführt wurden der Zeichenunterricht nach dem lebenden Modell sowie Abendkurse, um berufstätigen Menschen eine künstlerisch-akademische Ausbildung zu ermöglichen10. Die wichtigsten Berufungen erfolgten zunächst aber nicht in Wien, sondern an den italienischen Akademien, vor allem in Mailand, wo der Deutsche Albert Zimmermann den Lehrstuhl für Landschaftsmalerei übernahm. 1859 wechselte er nach Wien, wo nun erstmals nach vielen Jahren wieder dieses Fach unterrichtet werden konnte, denn Thun hatte sich lange Zeit gegen eine Nachbesetzung ausgesprochen. Auch der Architekt Friedrich Schmidt kam über Mailand nach dungswesens  : Erziehung und Unterricht auf dem Boden Österreichs, Band 4  : Von 1848 bis zum Ende der Monarchie (Wien 1986), 256–259.   8 Dazu z.B. Hof- und Staatshandbuch 1858. Zur organisatorischen Einteilung siehe Ernst Mayrhofer, Anton Pace, Handbuch für den politischen Verwaltungsdienst in den im Reichsrate vertretenen Königreichen und Ländern mit besonderer Berücksichtigung der in diesen Ländern gemeinsamen Gesetze und Verordnungen, 8 Bde. (Wien 51895–1903), Eintragung »Wirkungskreis des Ministeriums für Cultus und Unterricht in Bezug auf Kunst und Wissenschaft«, Bd. 1 (Wien 1903), 922–925.   9 Vortrag Thun v. 14.4.1853 – HHStA, Kab. Kanzlei 1252/1853. 10 Vortrag Thun v. 16.8.1853 – ebd., 1933/1853.

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Wien. 1857 berufen, lehnte er 1859 das Angebot der piemontesischen Regierung ab, in Mailand zu bleiben und ging nach Wien, wo er bis 1871 an der Akademie lehrte und als Dombaumeister und beim Ringstraßenbau tätig war11. 1.1.2 Experimentierfeld Italien

Die beiden italienischen Kunstakademien in Mailand und Venedig sollten nach Wiener Vorbild reformiert werden, Marchese Pietro Selvatico Estense, der Sekretär der Venezianer Akademie, legte 1852 einen Statutenentwurf vor. Doch Thun zögerte, denn er wollte zunächst die Ergebnisse der Reform der Wiener Kunstakademie abwarten, nur die ärgsten Missstände sollten beseitigt werden, auf nicht unbedingt notwendige Wiederbesetzungen sollte verzichtet werden12. Das Engagement des österreichtreuen Selvatico blieb unbedankt, die von ihm angestrebte Ernennung zum Akademiepräsidenten verweigerte die Regierung, worauf er 1857 zurücktrat und den Weg frei machte für ein neues Konzept  : Im Juli 1858 wurde mit einem kaiserlichen Handschreiben an Generalgouverneur Ferdinand Maximilian die Reform der Akademien in Venedig und Mailand eingeleitet. Beide Akademien sollten organisatorisch in die bestehenden »Istituti di Scienze, Lettere ed Arti« eingegliedert werden, als Abteilungen, aber mit einem eigenen Präsidenten und mit jeweils zur Hälfte besoldeten und unbesoldeten Mitgliedern. Zur Hebung des künstlerischen Niveaus waren eigene Förderprogramme vorgesehen, mit vom Kaiser gestifteten Preisen, über deren Vergabe die Akademie zu entscheiden hatte. Weiters sollte die Akademie Gutachten zu Bestellungsvorschlägen sowie generell zu Fragen der Kunst abgeben sowie geeignete Kandidaten für die Vergabe von Stipendien vorschlagen, eine besondere Förderung sollte der Architektur zukommen13. Realisiert wurden diese Pläne allerdings nicht. Erzherzog Ferdinand Maximilian stellte zwar noch im April 1859 den diesbezüglichen Vortrag, doch nach dem Verlust der Lombardei wurde das Vorhaben Ende 1860 sistiert14. Kunstakademien hatten eine universitätsähnliche Struktur und auch der Vorgang der Professorenernennungen war mit den Ernennungen an den Universitäten vergleichbar. Die Entscheidung traf der Minister – der Kaiser stimmte in den meisten Fällen zu –, und er hatte damit die Möglichkeit, in künstlerische Belange 11 Vortrag Thun v. 31.10.1859 – ebd., 3818 und 3819/1859. Zu seiner Pensionierung Vortrag Stremayr v. 9.1.1871 – ebd., 358/1871. 12 Vortrag Thun v. 7.5.1852 – ebd., 1479/1852. 13 Handschreiben an Ferdinand Maximilian v. 17.7.1858 – ebd., 2503/1858. 14 Vortrag Ferdinand Maximilian v. 15.4.1859 – ebd., 1975/1859. Die Sistierung erfolgte mit Ah. E. v. 11.11.1860 auf den Vortrag Helfert v. 7.11.1860 – ebd., 3642/1860.



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2  Friedrich Schmidt

einzugreifen. Politische Überlegungen spielten eine geringe Rolle, viel wichtiger war die Förderung des in Wien vorherrschenden künstlerischen Geschmacks. Zudem hatte Thun eine sehr restriktive Auffassung von Kunstausbildung, denn Kunstakademien waren seiner Meinung nach dazu berufen, die Hauptzweige der bildenden Kunst zu pflegen. Er trat immer wieder dafür ein, traditionsreiche Unterrichtsgegenstände abzuschaffen, wenn sie nicht mehr zeitgemäß waren  : Der Berufung Zimmermanns nach Mailand stimmte er dennoch zu, um dort der Landschaftsmalerei einen neuen Impuls zu verleihen. Wichtiger war ihm aber die Hebung des Architekturunterrichts. Franz Anton Thun zeigte sich nach einer Reise in das lombardo-venezianische Königreich negativ beeindruckt  : Dort verharre die Architektur noch immer bei den Heroen der Renaissance, daher hielt Thun die Ernennung eines moderne Strömungen vertretenden Architekturlehrers für nötig. Nach einem wenig rühmlichen Zwischenspiel des Sizilianers Saverio Cavallari – 1856 trat er im Zuge eines Disziplinarverfahrens zurück – und langwierigen Überlegungen reiste Franz Anton Thun persönlich nach Köln, um den am Dombau beschäftigten Friedrich Schmidt für Mailand zu gewinnen. Leo Thun maß dieser Ernennung entscheidende Bedeutung bei, er erwartete sich ei-

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nen architektonischen Aufschwung für ganz Oberitalien, denn es gehe darum, »dem dringenden Bedürfnisse der modernen italienischen Kunst und Wissenschaft deutschen Ernst und Gründlichkeit zuzugesellen«15. Künstlerisch sollte sich Schmidt in Mailand vor allem mit der Restaurierung von Sant’Ambrogio beschäftigen. Zwei weitere bedeutende Kirchen trugen bald seine Handschrift  : Schmidt leitete die Restaurierung von S. Giacomo Maggiore in Vicenza und von Santa Maria dell’Orto in Venedig. Es handelte sich aber um keine einseitige Beeinflussung der italienischen Kunst durch die deutsche Architekturtradition, sondern um einen wechselseitigen künstlerischen Austausch, denn Schmidt ergänzte seine rheinländischen Erfahrungen mit Elementen der italienischen Gotik16. 1859 verließen Schmidt und Zimmermann Mailand, 1866 folgte ihnen Carl Blaas aus Venedig, um in Wien eine Spezialschule für Historienmalerei zu übernehmen. Doch auch abseits der Kunstakademien versuchte Thun Akzente zu setzen. So engagierte er sich für die äußerst aufwendige und kostspielige Restaurierung des Letzten Abendmahls von Leonardo da Vinci. Auch in anderen Bereichen zeigt sich die Tendenz der österreichischen Regierung, die künstlerischen Traditionen Italiens zu würdigen. Am 18. August 1852 wurde in der Frari-Kirche in Venedig das eineinhalb Jahrzehnte zuvor von Kaiser Ferdinand gestiftete und von Schülern Antonio Canovas ausgeführte monumentale Grabdenkmal für Tizian geweiht17. Die Errichtung eines Denkmals für Leonardo da Vinci in Mailand verzögerte sich dagegen. An der Mailänder Akademie wurde eine Kommission gebildet, die den Auftrag hatte, ein detailliertes Programm auszuarbeiten. Der für die Ausführung des Projekts am besten geeignete Künstler sollte im Zuge einer öffentlichen Ausschreibung ermittelt werden18. Der Aufstellungsort war zunächst unklar, erst später schlugen die Mailänder Munizipalkongregation und das Akademiepräsidium den Platz vor der Mailänder Scala vor, wo das Denkmal noch heute steht19. Fertiggestellt wurde das Werk allerdings erst eineinhalb Jahrzehnte später unter italienischer Verwaltung durch den Mailänder Bildhauer Pietro Magni, der sich mit seinen Arbeiten 1855 auf der Pariser Weltausstellung einen Namen gemacht hatte. Bei Kunstankäufen legte die Staatsverwaltung großen Wert darauf, die Kunstwerke in Italien zu belassen, auch wenn damit auf die Schließung kunsthistorischer Lücken in den Wiener Sammlungen verzichtet werden musste. Das galt 15 Ah. E. v. 23.11.1857 auf den Vortrag Thun v. 12.11.1857 – ebd., 4512/1857. 16 Zu Friedrich (von) Schmidt u.a. die Eintragung in Neue Deutsche Biographie, Band 23 (Berlin 2007), 186 f. 17 Vortrag Thun v. 16.8.1852 – HHStA, Kab. Kanzlei, 2623/1852. 18 Vortrag Thun v. 30.7.1857 – ebd., 3089/1857. 19 Vortrag Thun v. 26.10.1858 – ebd., 3918/1858.



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auch für die im Besitz des Amortisationsfonds in Venedig befindlichen Gemälde, also Kunstwerke, die aus unterschiedlichen Gründen dem Staat zugefallen waren. Überlegt wurde die Gründung einer eigenen Gemäldegalerie in Padua oder aber die Eröffnung kleinerer Galerien in den Provinzhauptstädten20. Diese Politik wurde auch beim Ankauf zeitgenössischer Werke verfolgt. So wurde 1861 ein Auftragswerk in Venedig – dargestellt wurde die Begegnung von Tizian und Veronese am Markusplatz – vom Staat erworben und, da es sich bei dem Maler – es handelte sich um Antonio Zona – um einen früheren Schüler der Akademie handelte, in der Akademiegalerie ausgestellt21. Der umfangreichste Ankauf erfolgte in den fünfziger Jahren in Venedig und war über viele Jahre ein kunstpolitisches Thema. Es handelte sich um die Galerie Manfrin. Der Preis war zu hoch für das Staatsbudget, daher wollte die kaiserliche Regierung nur einen Teil der Bilder erwerben, verhängte aber ein Ausfuhrverbot. Thun bestand in Überschreitung seiner Kompetenzen auf dem Ankauf der sechs wertvollsten Gemälde für das Belvedere, doch der Kunsthistoriker Rudolf Eitelberger warnte  : In Venedig werde man sehr enttäuscht sein, wenn die Regierung sich nicht für die Rettung heimischer Kunstschätze einsetze. Nach langen Diskussionen entschied Kaiser Franz Joseph gegen den Willen seines Ministers, dass die für die kaiserliche Galerie angekauften Gemälde der Akademiegalerie in Venedig überlassen werden sollten22, für die anderen Gemälde wurde eine Ausfuhrgenehmigung erteilt. 1866 bei den Friedensverhandlungen mit Italien war die Erwerbung dieser Gemälde für Venedig auf Seiten der österreichischen Verhandler ein wesentliches Argument und ein Beweis dafür, dass die österreichische Verwaltung mit den Kunstschätzen des Landes sehr rücksichtsvoll umgegangen war – dass damals nur ein kleiner Teil der Gemälde im Land geblieben war, erwähnte man nicht23. Gemäß der kulturpolitischen Prioritätensetzung der fünfziger und sechziger Jahre griff der Staat vor allem in den Bereich der bildenden Kunst lenkend und fördernd ein. Gerade in Zusammenhang mit der italienischen Kultur kamen aber auch der Musik und dem Musiktheater traditionell große Bedeutung zu. So wurden noch Mitte des 19. Jahrhunderts an der Wiener Hofoper (Kärntnertortheater) große Summen investiert, um den hohen Standard und damit das Prestige 20 21 22 23

Vortrag Schmerling v. 28.2.1861 – ebd., 756/1861. Vortrag Schmerling v. 6.9.1861 – ebd., 2946/1861. Vortrag Thun v. 27.11.1856 – ebd., 4299/1856. Privatschreiben Burgers aus Mailand v. 3.8.1867 – HHStA, PA XI, Karton 72, Mappe Varia 1867, fol. 90 ff. Die italienischen Unterhändler betonten, in den Verhandlungen auf die vollständige Rückstellung der Kunstgegenstände und Archivmaterialien gedrängt zu haben. Es sei aber ein brauchbarer Kompromiss gefunden worden, umso bedauerlicher sei die Entscheidung der italienischen Regierung, – ebd., fol. 90 ff.

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der italienischen Oper in Wien – der Stagione italiana – zu erhalten, andererseits wurde aber auch versucht, durch die Zusammenführung der italienischen Theater und die stärkere Anbindung der italienischen Stagione des Kärntnertortheaters an die Mailänder Scala künstlerische und ökonomische Synergieeffekte zu nützen. Kürzungen im Bereich der italienischen Oper wurden von Innenminister Bach mit dem Hinweis abgelehnt, dass eine Einschränkung des italienischen Musiktheaters in Wien von patriotischen Italienern als Affront gegen die italienische Nation gesehen und propagandistisch verwertet werden würde24. Zum Modell sollte das Mailänder Konservatorium werden. Diese in napoleonischer Zeit gegründete Institution basierte noch auf Statuten aus dem Jahr 1824, die nun in eine modernere Form gebracht wurden. Erhalten wurde es nicht direkt vom Staat, sondern aus dem Landesfonds25, die Professoren wurden aber vom Kaiser ernannt26. Angeschlossen war dem Konservatorium ein Konvikt, in dem 24 Studienplätze unentgeltlich zur Verfügung standen, die vom Monarchen auf Vorschlag der Landesbehörden vergeben wurden. Während die Staatsverwaltung große Summen für italienische Kunstinstitutionen bereitstellte, war man in anderen Kronländern weniger freigiebig, Musikschulen wurden, wenn überhaupt, nur durch Bagatellebeträge unterstützt, und selbst das Wiener Konservatorium des Musikvereins musste sich mit einem Bruchteil der Subventionen zufriedengeben, die in das Mailänder Konservatorium flossen. Es zeigt sich, dass auch nach 1848/49 die Italiener als Angehörige einer führenden Kulturnation anerkannt waren. Viele staatliche Funktionäre – bis hin zu Radetzky – schätzten und achteten die italienische Kultur. Der politischen Instrumentalisierung der Italianità durch die italienische Nationalstaatsidee wurde die kulturelle Eigenständigkeit der österreichischen Italiener entgegengesetzt. Das kam in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens zum Ausdruck, so auch in der Förderung der italienischen Schulbildung oder in der Reform der Universität Padua. Dass es nach 1866 nicht gelingen sollte, eine italienische Universität für die in Österreich verbliebenen Italiener zu gründen – immerhin bekannten sich 1910 fast 800.000 Menschen zur italienischen Sprache und Kultur – wurde zu einem Symbol des Scheiterns der Politik einer Italianità austriaca. In der österreichischen Verwaltung setzte sich die Strömung durch, die eine den Ansprüchen der Austro-Italiener entgegenkommende Kulturpolitik verhinderte, da man darin zu große Risken sah. 24 Vortrag Bach v. 23.5.1855 – ebd., 1151/1855. 25 Das war die Bedingung des Finanzministers gewesen, der andernfalls nur der Einrichtung von befristeten Professorenstellen zustimmen wollte – HHStA, Kab. Kanzlei, 3160/1855. Siehe dazu MR.-Prot. v. 11.8.1855/III, in  : Die Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848–1867, Abt. III. Das Ministerium Buol-Schauenstein, Band 4, bearbeitet von Waltraud Heindl (Wien 1987), 127. 26 Siehe den Vortrag Thun v. 11.12.1858 – HHStA, Kab. Kanzlei, 5090/1858.



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Dabei waren die Anfänge in den fünfziger und sechziger Jahren durchaus vielversprechend gewesen. Mit dem Verlust Lombardo-Venetiens – und nach 1859 der Abtretung Venetiens – wurde nicht spekuliert, im Gegenteil, es war das Ziel der habsburgischen Politik, durch die Förderung eines italienischen Schwerpunktes innerhalb des Reiches die supranationale Bedeutung des Gesamtstaates zu betonen. Die Entstehung einer kulturellen Autonomie der italienischen Gebiete und deren Beitrag zu einer österreichischen Reichskultur sollte Modellwirkung für andere Regionen des Reiches haben – vor allem für Ungarn und Böhmen. Umgekehrt hatte die Marginalisierung der Identità italo-austriaca nach 1866 negative Rückwirkungen auf die Realisierung einer übernationalen habsburgischen Gesamtstaatsidee. 1.1.3 »Kunstverein« und »Staatsausstellungen«  : Liberalismus versus Etatismus

Die »Staatsausstellungen« unter Leitung der Akademie der bildenden Künste waren im Vormärz ein wichtiges kunstpolitisches Steuerungsinstrument gewesen. Die erste Akademieausstellung hatte 1813 stattgefunden, ab 1822 wurden die Ausstellungen alle zwei Jahre abgehalten27. Sie boten jungen Künstlern die Möglichkeit, ihre Werke öffentlich auszustellen und sich auf diese Weise in der Kunstwelt einen Namen zu machen. Diese Ausstellungen fielen Anfang der fünfziger Jahre der Entmachtung der Akademie zum Opfer, 1857 wurde die Tradition wiederbelebt. Das war ein erstes Anzeichen für die Wiederaufwertung der Rolle der Akademie im Kulturleben der Habsburgermonarchie. Die Ausstellungen sollten nun aber im Gegensatz zu früher – und darauf legte Thun Wert – nicht nur den jungen Künstlern dienen, sondern auch Werke arrivierter und ausländischer Künstler sollten in den Staatsausstellungen gezeigt werden, um die Studenten der Kunstakademie anzuspornen und »vor Selbstüberschätzung zu schützen«. Anlass für diese kunstpolitische Kurskorrektur war, dass die von dem neu gegründeten Österreichischen Kunstverein organisierten Ausstellungen – sie hatten die früheren Akademieausstellungen ersetzt – aus Sicht Leo Thuns nicht das gebracht hatten, was er sich erhofft hatte. Die Ausstellungen, so der Kunstminister, seien zu kommerziell und dienten nicht den Interessen der heimischen Kunst  : »Sie müssen, ohne Rücksicht auf wirklichen Kunstwert, das bieten, was Effekt macht, dadurch wird die Kunst der Mode dienstbar, während sie doch den Ge27 Telesko, Geschichtsraum, 330. Über die Ausstellungen im Vormärz und die Ankaufspolitik des Hofes siehe Thomas Kletečka, Staatliche Kunstförderung zu Beginn der franzisko-josephinischen Epoche, in  : Milan Hlavačka, Magdaléna Pokorná, Tomáš W. Pavlíček u.a. (Hgg.), Collective and Individual Patronage and the Culture of Public Donation in Civil Society in the 19th and 20th Centuries in Central Europe (Prag 2010) 90–129, hier 93–99.

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schmack wandeln soll.« Der Verein überschwemme den österreichischen Markt »mit ausländischen Kunsthändlerwaren von sehr zweifelhaftem Werte«. Er diktiere damit nicht nur den Kunstmarkt, sondern auch den Kunstgeschmack. Die von ihm selbst veranlasste Privatisierung des Ausstellungswesens hielt Thun nun für einen Fehler, diesbezüglich sollte die Akademie wieder ihre frühere Aufgabe erfüllen. Direktor Ruben war ihm Garant für die Verwirklichung seiner Vorstellungen. Staatliche Preise wurden gestiftet, um die besten Künstler des In- und Auslandes für die jährlichen Ausstellungen zu gewinnen. Zudem wurden für Ankäufe in der Ausstellung 10.000 Gulden zur Verfügung gestellt. Dadurch sollte »nach und nach eine Galerie von Werken der vorzüglichsten lebenden Künstler« geschaffen werden. Eine neue – moderne – Gemäldegalerie sei »unentbehrlich zum Verständnisse des Standpunktes und der Verdienste der neueren Kunst«. Damit war Thun seiner Zeit voraus, denn dieser Gedanke wurde erst ein halbes Jahrhundert später fast mit dem gleichen Wortlaut durch die Gründung der »Modernen Galerie« verwirklicht. Ganz neu war die Idee allerdings schon damals nicht. Thun selbst verwies auf Galerien moderner Kunst in anderen Hauptstädten Europas und sprach davon, dass Österreich Gefahr laufe, eine wichtige Entwicklung zu verschlafen. Thun schwebte aber kein eigenes Museum vor, die angekauften Werke sollten in die kaiserliche Gemäldegalerie eingegliedert werden. Die Vermengung einer neu gegründeten Staatsgalerie mit der bestehenden kaiserlichen Gemäldegalerie stieß jedoch beim Oberstkämmerer auf Widerstand – nicht aus prinzipiellen Gründen, sondern weil er eine Reduzierung seines Ankaufsbudgets von jährlich 10.500 Gulden befürchtete. Die staatlichen Ankäufe aus den Ausstellungen sollten von einer Kommission unter dem Vorsitz des Kunstreferenten im Unterrichtsministerium entschieden werden  ; dieser Kommission sollten der Direktor der kaiserlichen Gemäldegalerie, zwei Kustoden sowie der Akademiedirektor und zwei Professoren der Akademie angehören. Es wird deutlich, dass die Akademie wieder einen kunstpolitischen Einfluss auf die Ankäufe erhalten sollte. Bei Verwirklichung dieses Plans wäre sie erneut zu einer zentralen Institution der bildenden Kunst in der Habsburgermonarchie geworden, es war das damit ein kleiner kunstpolitischer Paradigmenwechsel in der Ära Thun. Allerdings misslang der große Wurf. Finanzminister Bruck sah den Misserfolg wohl voraus, als er davor warnte, dass die Bemühungen ins Leere gehen würden, wenn kein »läuternder Einfluss auf die Kunstanschauungen des Publikums« geübt werde28. 1857 kam keine Ausstellung zustande, die erste Akademieausstellung fand erst 1858 statt. Die Kommission schlug Ankäufe in der Höhe von 12.321 Gulden vor, was das vorgesehene Budget zwar überstieg, der Mehrbetrag wurde aber aus den 28 Vortrag Thun v. 28.6.1856 – HHStA, Kab. Kanzlei, 2381/1857.



Die Ära Thun und die Grundlagen der Kunstpolitik im Neoabsolutismus 

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im Vorjahr nicht genutzten Präliminarien beglichen29, der restliche ungenützte Betrag wurde gestrichen30. Nachdem die Besucherzahlen bei der Ausstellung des Jahres 1859 extrem niedrig waren, verzichtete die Akademie 1860 auf eine weitere Ausstellung  ; sie sollten ab sofort nur mehr alle drei Jahre stattfinden, schlug die Akademieleitung vor. Doch Thun zog nicht nur die Finanzierung für 1860 ein31, er sistierte die Ausstellungen völlig. Erst 1864 sollte es wieder zu einer Akademieausstellung kommen. Staatsminister Schmerling ging damals bewusst von den von Thun seinerzeit festgelegten Kriterien ab, denn der Ankauf ausländischer Kunstwerke bei den Ausstellungen von 1858 und 1859 habe den heimischen Künstlern geschadet, hieß es, deshalb sollten nun wieder junge österreichische Künstler gefördert werden32. Hauptzweck der Ausstellung und der Ankäufe war nun von Neuem – wie schon im Vormärz – die Förderung jüngerer Talente, auch wenn diese »noch nicht jene Höhe der Ausbildung erreicht haben, welche ihre Arbeiten als Meisterwerke in der wahren Bedeutung dieses Wortes erscheinen ließen«. Doch auch dieser Paradigmenwechsel in der staatlichen Kunstförderung hatte keine praktische Bedeutung, denn es kam zu keinen weiteren Ausstellungen. Im Ministerium setzte sich nämlich die Meinung durch, dass diesen eine neuerliche Reform der Akademie der bildenden Künste voranzugehen habe und die Errichtung des Künstlerhauses abgewartet werden sollte, um den Ausstellungen einen geeigneten organisatorischen und ausstellungstechnischen Rahmen zu bieten. Das Projekt der »Staatsausstellungen« bzw. einer Kunstförderung, die von Ausstellungen getragen wurde, kann hinsichtlich der Ära Thun als gescheitert betrachtet werden. Weder war es Thun gelungen, den Kunstgeschmack seiner Zeit zu beeinflussen, noch konnte er aufgrund des Widerstands seiner Ministerkollegen den Kunsthandel einer staatlichen Lenkung unterwerfen. Auch gelang es ihm nicht, die stärkste private Kunstvereinigung dieser Jahre, den »Österreichischen Kunstverein«, auszuschalten. Dieser war 1850 von Rudolph von Arthaber und anderen Gleichgesinnten mit dem Ziel gegründet worden, der Kunst zu größerer Freiheit zu verhelfen 33. 1855 sollten die Statuten erstmals angepasst werden, doch Unterrichtsminister Thun äußerte prinzipielle Bedenken gegen den Verein und sah sich durch ein Gutachten der Akademie der bildenden Künste bestärkt. Der Verein diene nicht der »wahren Kunst«, sondern fördere nur den Kunsthandel und die »Schaulust des Publikums«. Dass die Akademie dem »Österreichischen Kunstverein« wenig gewogen war, kann nicht überraschen, da er mit seinen auf privater Basis organisierten jähr29 30 31 32 33

Vortrag Thun v. 22.4.1858 – ebd., 1385/1858. Vortrag Thun v. 23.2.1858 – ebd., 685/1859. Vortrag Thun v. 24.3.1860 – ebd., 978/1860. Vortrag Schmerling v. 16.4.1864 – ebd., 1120/1864. Zum Österreichischen Kunstverein Thomas Kletečka, Kunstförderung, 116–119.

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lichen Ausstellungen eine frühere Kernkompetenz der Akademie übernommen hatte. Thun war von der von ihm selbst eingeleiteten Privatisierung des Ausstellungswesens nicht mehr überzeugt und verlangte, dem Verein die Konzession zu entziehen. Er scheiterte aber an dem für das Vereinswesen zuständigen Innenminister Bach, der Thun entgegenhielt, dass der Staat sich in seinem Handeln nicht von idealistischen Vorstellungen leiten lassen dürfe. Private Kunstvereine verfügten nur über beschränkte Mittel, sie seien daher gezwungen, auch kommerzielle Interessen zu berücksichtigen, es dürfe kein unerreichbarer Maßstab an sie angelegt werden, begründete Bach seinen Standpunkt34. Erst 1859, vier Jahre später, wurden die Statuten genehmigt, der Fortbestand des Vereins war damit gesichert35. Thun war also innerhalb weniger Jahre zu einem entschiedenen Gegner von privaten Kunstvereinen geworden, da sie ihre Tätigkeit nicht »auf eine der wahren Kunst förderliche Weise« ausübten. Junge Künstler würden in eine Bahn gelenkt, in der sie »eben dem herrschenden, oft sehr schalen Modegeschmack huldigen, die höheren geistigen Tendenzen der Kunst, zumal der christlichen und der historischen, gänzlich aus dem Auge verlieren«. Den Aktionären von Kunstvereinen, so Thun, gehe es nicht um Förderung höherer Kunstinteressen, sondern nur um Gewinne und den Kunsthandel. Für Thun waren die Kunstvereine ein »gemeinschaftlicher Verkaufsladen der Kunsthändler«, ausgestellt würden nicht vielversprechende heimische Künstler, sondern ausländische Modekünstler, die sich gut verkauften, auch die Kunstkritik werde »durch bezahlte Organe tyrannisch« beherrscht. Allerdings blieb er mit dieser Ansicht innerhalb der Regierung isoliert  ; seine wirtschaftsliberalen Ministerkollegen verteidigten die private Kunstförderung, die dort eine Lücke schließe, wo der Staat nicht in der Lage sei, die nötige Infrastruktur aufzubauen und zu erhalten, wie das auch bei den privat finanzierten Kunst- und Musikschulen der Fall war36. Zwei kontroverse Standpunkte prallten aufeinander  : Auf der einen Seite der patriarchalisch-etatistische Standpunkt Thuns, wonach in erster Linie der Staat den Kunstgeschmack vorzugeben und zu formen hätte, auf der anderen Seite die liberale Anschauung, dass der freie Kunstmarkt das Urteil des mündigen Bürgers herausfordere, der Kunstgeschmack sich auf der Grundlage des freien Wechselspiels der Kräfte zu entwickeln habe. Das war die mehrheitliche Regierungslinie, der sich schließlich auch Thun fügen musste37. 34 Vortrag Thun v. 27.11.1856 – HHStA, Kab. Kanzlei, 4299/1856. Die Angelegenheit wurde am 20.10.1855 im Ministerrat besprochen – MR II v. 20.10.1855/1, ÖMR II, Band 4, bearbeitet von Thomas Kletečka unter Mitarbeit von Anatol Schmied-Kowarzik (Wien 2011), 152–157. 35 Ah. E. v. 4.10.1859 auf den Vortrag Gołuchowski v. 16.9.1859 – ebd., 3282/1859. 36 MR v. 19.7.1853/9, ÖMR III/2, 214 ff. 37 MR II v. 20.10.1855, ÖMR III/4, 152 –157. Siehe auch Elisabeth Springer, Geschichte und Kulturleben der Wiener Ringstraße (Wien 1979), 44–50 sowie Vortrag Bach v. 10.11.1855 – HHStA, Kab. Kanzlei, 3587/1855.



Die Ära Thun und die Grundlagen der Kunstpolitik im Neoabsolutismus 

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1.1.4 Kunstförderung durch Stipendien

Künstlerstipendien waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die wichtigste kunstpolitische Förderungsschiene gewesen. Sie blieb es bis zum Ende der Monarchie, verlor allerdings gegenüber anderen Förderungsmöglichkeiten etwas an Bedeutung. Die Behandlung von Stipendienanträgen war Angelegenheit des Unterrichtsministeriums, im Neoabsolutismus wurde zusätzlich jedes einzelne Stipendium vom Monarchen sanktioniert, später fiel die Entscheidung über die Vergabe in den autonomen Wirkungskreis des Unterrichtsministers. Stipendien waren im Gegensatz zu staatlichen Kunstaufträgen an eine Altersgrenze gebunden, »da Kunststipendien nur als Mittel und Sporn zur Förderung der Studien junger, talentvoller und aufstrebender Individuen betrachtet werden müssen und daher nicht bestimmt sein können, an Leute verliehen zu werden, die […] zwar mittellos, aber ohne hervorragende Fähigkeit [sind] und […] erst die untersten Stufen zu ihrer Ausbildung in einem Alter erreicht haben, wo die mächtigen Hebel des Kunststudiums, die Begeisterung und der Eifer der Jugend, in der Regel zu wirken aufgehört haben.«38 Die hochdotierten Stipendien waren mit 1200 Gulden die sogenannten »Reisestipendien« für einen mehrjährigen Studienaufenthalt in Rom. Thun begründete deren außergewöhnlich gute Dotierung mit dem hohen Preisniveau in der Ewigen Stadt und mit dem finanziellen Aufwand, den die jungen Künstler dort zu bestreiten hätten39. Er wollte diese Stipendien allerdings nicht mehr ausschließlich an Rom binden, um den Künstlern zu ermöglichen, »sich mit den Kunstleistungen anderer Nationen bekannt zu machen, und insbesondere ist den Architekten das Studium der deutschen, romanischen und englischen Bauwerke notwendig.«40 Da Reisestipendien meist nur besonders talentierte Künstler erhielten, handelt es sich um eine folgenreiche kunstpolitische Entscheidung, weil sich die österreichische Kunst damit neuen Kunstströmungen öffnen sollte. Dennoch, die meisten Stipendiaten wählten auch weiterhin Rom oder zumindest Italien als Studienort. Eine der wenigen Ausnahmen war der Wiener Kupferstecher Leopold Schmidt, der nach London und Paris reiste. Thun drängte ihn dazu, auch weil er – sein Bruder Franz Anton hatte selbst eine Kupferstecherausbildung absolviert – großen Wert auf die Förderung der Kupferstecherei legte, da sie »namentlich in Österreich beinahe im Erlöschen begriffen ist«41. Ähnliche grundlegende kunstpolitische Entscheidungen werden auch in anderen Fällen deutlich. 38 39 40 41

Vortrag Thun v. 3.4.1857 – ebd., 1256/1857. Vortrag Thun v. 14.1.1852 – ebd., 226/1854. Verlängerung um zwei Jahre 1422/1856. Vortrag Thun v. 8.8.1851 – ebd., 2825/1851. Vortrag Thun v. 29.12.1858 – ebd., 47/1859.

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Franz Dobyaschofsky wurde sein Romstipendium 1855 mit der Begründung verlängert, dass er sich der in Österreich vernachlässigten Historienmalerei widmete42. Viele der Romstipendiaten erlangten später Berühmtheit, unter ihnen der Wiener Landschaftsmaler Joseph Sellény. Sein Stipendienantrag wurde von der Kunstakademie unterstützt, er wurde als sehr talentiert, aber auch als eigensinnig beschrieben. Er solle »durch eine Reise nach Italien zu einer richtigen Kunstanschauung zurückgeführt und so für die vaterländische Kunst gerettet werden«. Da Sellénys Werke bereits damals auf Kunstausstellungen präsentiert wurden, hielt es Thun für nicht vertretbar, »wenn man ein solches vaterländisches Talent durch Ausartung verkommen und in sich verkümmern ließe, ohne ihm Gelegenheit zur Abklärung und Regelung zu geben.«43 Ein anderer Romstipendiat dieser Jahre war der Historienmaler Eduard Engerth44. Auch der vielversprechende, dann aber 1856 jung verstorbene Historienmaler Adam Vogler erhielt ein Romstipendium45, ebenso Josef Matthias Trenkwald. Die finanzielle Förderung der Historienmalerei galt als wichtiges staatspolitisches Anliegen, da diese Kunstgattung ohne Staatshilfe nicht bestehen konnte46. Ein weiterer Historienmaler, der nach Rom gesandt wurde, war ein Schüler Führichs, Bonaventura Emler. Die Kunstakademie befürwortete sein Ansuchen, allerdings wurde empfohlen, Emler solle nur ein Jahr in Rom bleiben, im zweiten Jahr solle er andere Städte Europas besuchen47. Auch der Sohn des Historienmalers Carl Blaas, Eugen, erhielt ein Romstipendium48, ebenso der Bildhauer Carl Kundmann49, um nur einige der prominentesten Beispiele zu nennen. Doch nicht nur Maler und Bildhauer, auch Architekten nützten die Möglichkeiten, die Reisestipendien boten. Gerade in der Architektur wurden durch die breitere geographische Streuung der Reiseziele im Neoabsolutismus die Grundlagen für die Blüte des Historismus in der Ringstraßenzeit gelegt. Unter den damaligen Stipendiaten befand sich Anton Barvitius, der später als Architekt in der Bausektion des Handelsministeriums tätig war. Auch Heinrich Ferstel erhielt im Hinblick auf sein großes Talent ein einjähriges Reisestipendium für Studien in Frankreich50. Josef Hlávka, der das Architekturstudium an der Wiener Akade42 Vortrag Thun v. 18.5.1855 – ebd., 1549/1855. Zur Bedeutung der Historienmalerei siehe Thomas Kletečka, Kunstförderung, 101–115. 43 Vortrag Thun v. 27.8.1852 – HHStA, Kab. Kanzlei, 2764/1852. 44 Vortrag Thun v. 15.4.1853 – ebd., 1266/1853. 45 Vortrag Thun v. 7.12.1853 – ebd., 4111/1853. 46 Vortrag Thun v. 22.1.1856 – ebd., 315/1856. Verlängerung 2243/1858. 47 Vortrag Thun v. 14.4.1857 – ebd., 1449/1857. 48 Ebd., 921/1864. 49 Ebd., 296/1865. 50 Vortrag Thun v. 15.8.1854 – ebd., 2707/1854.



Das Österreichische Museum und die Anfänge der »ästhetischen Versöhnung« 

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mie mit ausgezeichnetem Erfolg absolviert hatte, hielt sich zwei Jahre in Rom auf51, ein weiteres Jahr verbrachte er mit Architekturstudien in Frankreich und Deutschland, um sich dort mit dem »für unsere Verhältnisse am meisten passenden romanischen und gotischen Baustil näher bekannt zu machen«52. Der neben den Reisestipendien zweite große Stipendienbereich betraf die Wiener Kunstakademie. Diese Möglichkeit stand jungen Künstlern aus allen Teilen des Habsburgerstaates offen. Die Stipendien waren mit 600 Gulden deutlich geringer dotiert als die Romstipendien. 1857 wurden an der Wiener Akademie zusätzlich drei Staatsstipendien à 400 Gulden für ungarische Staatsbürger geschaffen, die bis zum Ende der Monarchie bestanden53. Die Thun’schen Reformen legten in den fünfziger Jahren die Grundlagen für die Kunstpolitik bis zur künstlerischen Blüte der Jahrhundertwende. Das Ziel Thuns war die Heranbildung von gut ausgebildeten Künstlern, die sich auf dem internationalen Kunstmarkt behaupten konnten. Die Reform der Kunstakademie, die Berufung Franz Anton Thuns zum Kunstreferenten und die Ernennung des Thun’schen Vertrauensmanns Christian Ruben zum Akademiepräsidenten zeigen den etatistisch geprägten Ansatz der Reform, der allerdings bald von einer pragmatischeren Haltung abgelöst wurde. Dafür gibt es mehrere Gründe. Einige Maßnahmen brachten nicht den erhofften Erfolg, und die Vertrauensstellung, die Ruben beim Minister genoss, ermöglichte wieder eine stärkere Einbeziehung der Akademie. Nicht zuletzt durch die vom Ministerium mit klaren Zielsetzungen getroffenen Professorenernennungen gelangen über die eigentlichen Reformen hinaus wichtige kunstpolitische Weichenstellungen, vor allem hinsichtlich der Verankerung der Historienmalerei sowie des Historismus – vor allem der Neogotik – in der Architektur. Thun scheiterte aber mit dem Anspruch, den Kunstgeschmack seiner Zeit zu prägen. 1.2 Das Österreichische Museum und die Anfänge der »ästhetischen Versöhnung« 1.2.1 Die Gründung des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie

Die wichtigste staatliche Museumsgründung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war das »Österreichische Museum für Kunst und Industrie«. Vorbilder waren die englischen Institutionen zur Förderung der Kunstindustrie, Motor die neuen »Fenster des Fortschritts« – die Weltausstellungen, die internationale 51 Vortrag Thun v. 12.3.1854 – ebd., 925/1854. 52 Vortrag Thun v. 24.6.1858 – ebd., 2298/1858. 53 Vortrag Thun v. 1.5.1857 – ebd., 1695/1857.

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Vergleichbarkeit ermöglichten. Der Wiener Kunsthistoriker Rudolf Eitelberger nannte sie friedliche Schlachtfelder, die militärische Konflikte sublimierten54. So, wie in den Nationalmuseen das engere Umfeld abgebildet wurde, präsentierte sich auf den Weltausstellungen die Welt als globales Dorf  ; sie wurden zum Forum für die Präsentation nationalen Selbstverständnisses auf internationaler Ebene. In London organisierte die Royal Society of Arts ab 1847 jährlich Ausstellungen mit Objekten aus kunstgewerblicher und industrieller Produktion. 1851 entstand daraus die erste Londoner Weltausstellung. Im Stadtteil South-Kensington wurde ein Grundstück erworben, auf dem ein Museum – das heutige Victoria & Albert Museum – und Lehranstalten errichtet wurden. Die Londoner Weltausstellung wurde zum Ausgangspunkt für den künstlerischen Wandel in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, erstmals wurde Kunst in ihrem gewerblich-industriellen Zusammenhang gesehen. 1855 folgte die zweite Weltausstellung in Paris, 1862 dann wieder eine in London. 1863 berichtete Eitelberger, der im Auftrag der österreichischen Regierung die Londoner Industrieausstellung besucht hatte, von Erfolgen der österreichischen Aussteller, bemängelte aber die in Österreich unzureichende Verschränkung von Wissenschaft und Industrie, vor allem das Fehlen einer für eine kunstgewerbliche Massenproduktion notwendigen Verbindung zwischen Kunst und Gewerbe. Als neuen Impuls schlug er die Gründung eines »Österreichischen Museums für Kunst und Industrie« vor, wobei die im Museum gesammelten kunstgewerblichen Arbeiten den Künstlern als Anschauungsobjekte zur Verfügung stehen sollten. Sie wurden größtenteils aus den bestehenden kaiserlichen Sammlungen entnommen und in einen neuen Zusammenhang gestellt. Eitelberger erklärte sich bereit, das Museum innerhalb von acht Monaten einzurichten, wobei der laufende Betrieb durch den Verkauf von Eintrittskarten, Katalogen und Fotos finanziert werden sollte. Übrigens gab es noch eine weitere Verbindung zu England, nämlich über den Ringstraßenarchitekten Gottfried Semper. Er hatte 1851 an der Londoner Weltausstellung und an der Innengestaltung des Crystal Palace sowie an der Planung des South-Kensington-Museums mitgearbeitet und symbolisierte eine im Vergleich zu Friedrich Schmidt modernere, nicht an der reinen Lehre des Historismus orientierte Richtung55. Doch nicht nur in England, auch in der Habsburgermonarchie gab es Anknüpfungspunkte. Seit 1829 fanden in Böhmen und ab 1835 in Wien Gewerbe54 Diana Reynolds Cordileone, Alois Riegl, 68. 55 Rainald Franz, Das System Gottfried Sempers. Reform des Kunstgewerbes und Grundlagen für ein Museum für Kunst und Industrie in ihren Auswirkungen auf das Österreichische Museum, in  : Peter Noever et al. (Hgg.), Kunst und Industrie, 41–52. Auch Otto Wagner und Adolf Loos beriefen sich auf ihn als Vorreiter der Moderne.



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3  Erzherzog Rainer

ausstellungen statt, der niederösterreichische Gewerbeverein entstand 1839, und schon 1851 wurde von den Künstlervereinigungen die Errichtung eines eigenen Kunst- und Gewerbemuseums als der bürgerlichen Aufklärungsidee verpflichtetes »nützliches Museum« der »nützlichen Künste« gefordert56. Die Regierung Rainer-Schmerling unterstützte die Idee Eitelbergers, das neue Museum sollte einen Prestigegewinn bringen und gleichzeitig einem von der Prager Handelsund Gewerbekammer protegierten Museumsprojekt national-tschechischer Orientierung zuvorkommen57. Erster Direktor wurde Rudolf Eitelberger, Erzherzog Rainer war dann 35 Jahre Protektor des Museums58. Zunächst wurde ein Museums-Komitee gegründet, dem neben Eitelberger auch der für Kunstbelange zuständige Sektionschef Gustav Heider angehörte59. Das Museum wurde vorübergehend in der Hofburg, im ehemaligen Ballhaus, un56 Kathrin Pokorny-Nagel, Zur Gründungsgeschichte des k. k. Österreichischen Museums für Kunst und Industrie, in  : ebd., 56–63, hier auch eine ausführliche Biographie Eitelbergers. 57 Helena Koenigsmarkova, Kunst und Industrie. Wien – Prag, in  : Noever et al. (Hgg.), Kunst und Industrie, 235–242, hier 255. 58 Ebd., 70. 59 Ah. E v. 7.3.1863 auf den Vortrag Rainer v. 3.3.1863 – HHStA, Kab. Kanzlei 757/1863. Dazu auch das Handschreiben an Ehzg. Rainer v. 9.3.1863 – AVA, Unterricht-Präs., 1971/1863.

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4  Heinrich Ferstel

tergebracht60. Für die architektonische Adaptierung war Heinrich Ferstel zuständig, der dann auch den Auftrag zur Errichtung des endgültigen Museumsgebäudes erhielt. Die Eröffnung erfolgte im Mai 186461. Eitelberger war die möglichst rasche Errichtung eines eigenen Gebäudes wichtig, um die Dauerausstellung aus dem Kontext der Hofsammlungen herauszulösen und als eigenständiges staatliches Museum zu etablieren62. Der Bauplatz beim Stubentor – er gehörte dem Stadterweiterungsfonds – wurde 1867 wegen seiner zentralen Lage gewählt. Im Gegensatz zu seinen früheren Objekten plante Ferstel das Museumsgebäude im Stil der Neorenaissance63. Die Baukosten waren mit 600.000 Gulden zwar vergleichsweise gering64, wurden jedoch erheblich überschritten und belasteten das 60 Vortrag Rainer v. 8.6.1863  – HHStA, Kab. Kanzlei, 1864/1863. Dazu auch AVA, Unterricht-Präs., 4771/1863. 61 AVA, Unterricht-Präs., 2973/1864. Zunächst für den 9. Mai geplant, musste sie dann auf den 21. Mai verschoben werden. Dazu der Bericht Eitelbergers an Schmerling v. 6.5.1864 – AVA, Unterricht-Präs., 3325/1864. 62 AVA, Unterricht-Präs., 8626/1864. 63 Rainald Franz, Vom Kaiserforum zum Exerzierplatz. Die Errichtung und Architektur des k. k. Österreichischen Museums für Kunst und Industrie am Stubenring, in  : Noever et al. (Hgg.), Kunst und Industrie, 90–102. 64 Vortrag Taaffe v. 20.7.1867 – HHStA, Kab. Kanzlei, 2763/1867. Wegen eines auf dem Grund-



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5  Das Österreichische Museum für Kunst und Industrie

Budget bis 187165. Das Österreichische Museum für Kunst und Industrie war das erste seiner Art auf dem Kontinent, Wien erfüllte damit eine Vorreiterrolle66. Die Dotierung war allerdings deutlich geringer als die seines englischen Vorbilds, und es bestand deshalb ständig die Gefahr einer Abwerbung von Führungskräften67. Eitelberger schlug für das Museum Ankäufe internationaler und nationaler Provenienz vor – etwa aus dem Wiener Neustädter Neukloster und der Wiener stück befindlichen Abwasserkanals musste das Museumsgebäude leicht versetzt werden. Vortrag Giskra v. 9.3.1968 – ebd., 954/1868. 65 Vortrag Hasner v. 20.5.1868 – HHStA, Kab. Kanzlei, 1900/1868. 1870 erhöhten sich die Kosten neuerlich  : Vortrag Stremayr v. 18.7.1870 – ebd., 2802/1870. 66 Tanja Prisig-Marshall, London – Wien. Einfluß und Wirkung der englischen Idee. Das Vorbild South Kensington Museum, in  : Noever et al. (Hgg.), Kunst und Industrie, 30–40, hier 37. 1864 wurden die Schwerpunkte der Sammlungstätigkeit festgelegt  : Flechtkunst, spezielle textile Kunst und ihre Nachbildungen, Lackierarbeiten, Mosaik, Glasmalerei, Malerei (Wandmalerei, Miniaturen, kirchliche Verwendung etc.), Schrift, Druck und graphische Künste, Bijouterie (edle Steine), Graveurkunst, Ornamentales Zeichnen für Reliefausführungen, Bauskulptur. 67 Als 1871 der stellvertretende Direktor des Museums, Jakob von Falke, das Angebot erhielt, als Direktor des neugegründeten Gewerbemuseums nach Nürnberg zu wechseln – mit einem Jahresgehalt von 6000 Gulden – wurde, um ihn zum Bleiben zu bewegen, sein Wiener Gehalt von 1400 auf 2400 Gulden erhöht und Falke zum Regierungsrat ernannt. Vortrag Jireček v. 3.11.1871 – HHStA, Kab. Kanzlei, 3894/1871.

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Porzellanmanufaktur68. 1867 wurden Kunstgegenstände aus der Pariser Weltausstellung im Wert von 20.000 Gulden angekauft69. Eine eigene Zeitschrift wurde gegründet, die »Mitteilungen des Museums«, die zunächst unregelmäßig, ab 1865 monatlich erschien70. In der Museumspädagogik bzw. in der schulischen Vermittlung sah Eitelberger eine wesentliche Aufgabe, um »durch eine richtig geleitete Anschauung den theoretischen Kunst- und Zeichenunterricht zu ergänzen und den Geschmack zu bilden«. Der schulische Zeichenunterricht sollte durch die Mustersammlungen des Museums gefördert und ergänzt werden. Das Museum orientierte sich prinzipiell in den Öffnungszeiten an den Schulen, durch erweiterte Abendöffnungszeiten sollte aber zusätzlich Publikum angelockt werden – immerhin kamen im ersten Jahr seines Bestehens knapp 8000 Besucher71. Um die Resonanz des Museums in der Öffentlichkeit zu erhöhen, wurde eine populär gehaltene Vortragsreihe eingeführt72. So sprach im Wintersemester 1864/65 Anton Schrötter über Optik und Farbenchemie, Ferstel über die Perspektive und Falke über Theorie und Geschichte der Ornamentik73. Auch Kontakte mit ähnlich gelagerten Initiativen in den Kronländern – etwa dem steiermärkischen Verein für Kunstindustrie oder dem geplanten »Museo patrio« in Venedig – sah Eitelberger als wichtig an und förderte dies durch Leihgaben von Ausstellungsgegenständen aus dem Fundus des Museums74. Diese Idee und auch die dann realisierten Wanderausstellungen in der Provinz, die ein möglichst großes Publikum erreichen sollten, gingen wie so vieles auf das South-Kensington-Museum zurück75. Eitelberger selbst reiste in die Provinz, »zum Zwecke einer näheren Verbindung dieser Kronländer mit dem Museum und der Durchforstung dortiger Sammlungen nach geeigneten Gegenständen der Kunst- und Kunstindustrie«76. Allein im Sommer 1869 wurden sechs verschiedene Kunstgewerbeausstellungen in größeren österreichischen Städten aus den Sammlungen des Museums beschickt, die Lehrmittelsammlung wurde erheblich ausgebaut77 und neues Perso-

68 AVA, Unterricht-Präs., 2821/1864. 69 Vortrag Becke v. 31.5.1867 – HHStA, Kab. Kanzlei, 2187/1865. 70 Im ersten Heft wurden die Statuten und das Museumsreglement veröffentlicht. Bericht Eitelbergers an Schmerling v. 16.4.1864 – AVA, Unterricht-Präs., 2753/1864 sowie 4881/1865. 71 AVA, Unterricht-Präs., 3941/1864 sowie 6851/1864. 72 AVA, Unterricht-Präs., 4166/1864. 73 AVA, Unterricht-Präs., 7541/1864. 74 AVA, Unterricht-Präs., 4683/1864. 75 Tanja Prisig-Marshall, London-Wien, 36. 76 AVA, Unterricht-Präs., 6601/1864. 77 Vortrag Plener v. 8.1.1870 – HHStA, Kab. Kanzlei, 81/1870. Das Grundstück wurde 1873 an das Museum übergeben  ; Vortrag Lasser v. 2.8.1872 – ebd., 3018/1872.



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nal angestellt78, sodass schon vor Vollendung des Rohbaus an Erweiterungsmöglichkeiten gedacht werden musste79. Die an das Museum angrenzenden und im Besitz des Stadterweiterungsfonds befindlichen Gründe von der Stubentor- bis zur Radetzkybrücke wurden für Museumszwecke reserviert. In den siebziger Jahren wurden die Sammlungen weiter ausgebaut und es wurde eine chemisch-technische Versuchsanstalt errichtet, die nach Meinung der Unterrichtsverwaltung, »einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung des Kunstgewerbes in der Donaumonarchie haben wird«80. Es zeigt sich das Bemühen, alle wichtigen kunstgewerblichen Initiativen in der Habsburgermonarchie mit dem Museum zu verbinden. Unter diesem Aspekt ist auch der Plan einer Erweiterung der Gumpendorfer Webschule zu einer Lehranstalt für Kunstweberei und Zeugdruck zu sehen, die in enger Verbindung zum Museum und zur Kunstgewerbeschule stehen sollte81. Eitelberger betonte 1878, dass trotz Erweiterungen in einzelnen Bereichen das Programm des Museums in den ersten eineinhalb Jahrzehnten seines Bestands erhalten geblieben sei82. 1.2.2 Die Ära Scala

1885 musste sich Direktor Eitelberger aus Gesundheitsgründen zurückziehen, er starb wenig später. Vizedirektor Jakob von Falke wurde zunächst nur interimistisch mit der Führung der Direktionsgeschäfte betraut, denn Minister Conrad hielt ihn für ungeeignet83. Das Kuratorium bestand jedoch auf der Berufung Falkes und protestierte gegen die Absicht des Ministeriums, sich über einen Direktor seiner Wahl stärker in operative Angelegenheiten des Museums einzumischen84. Aufgrund eines Regierungswechsels – neuer Unterrichtsminister war Paul Gautsch – wurde im November doch Falke zum Direktor ernannt, sein Stellvertreter wurde Bruno Bucher. Falke war seit 1864 als Direktor-Stellvertreter am Museum tätig und hatte sich in der Kunstwelt einen Namen gemacht. Er repräsentiere »alle jene Traditionen auf dem Gebiete der Reform des Geschmackes und der Entwicklung des Kunstgewerbes«, durch die das Museum berühmt geworden sei, meinte Minister Gautsch. Da Falke auch ein Gehalt als Direktor der Fürstlich Liechtensteinischen Sammlungen bezog, konnte er finanziell ver78 Vortrag Stremayr v. 9.7.1870 – ebd., 1427/1870. 79 Vortrag Giskra v. 11.4.1870 – ebd., 1515/1870. 80 Vortrag Stremayr v. 23.3.1876 – ebd., 1281/1876. 81 AVA, Unterricht-Präs., 764/1880. 82 Rudolf Eitelberger von Edelberg, Die Kunstbewegung in Österreich seit der Pariser Weltausstellung im Jahre 1867 (Wien 1878), 83–95. 83 Vortrag Conrad v. 22.2.1885 – HHStA, Kab. Kanzlei, 741/1885. 84 Vortrag Conrad v. 8.5.1883 – ebd., 1779/1885

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lockende Angebote aus dem Ausland ablehnen und sich mit den vergleichsweise geringen Bezügen als Direktor des Österreichischen Museums und seiner Ernennung zum Hofrat begnügen85. 1895 wurde Falke nach erfolgreicher Tätigkeit pensioniert und sein Stellvertreter Bruno Bucher zum Nachfolger ernannt. Da dieser seit 1869 am Museum tätig war, sollte seine Ernennung Kontinuität vermitteln86. Es handelte sich allerdings um eine Übergangslösung, denn Bucher wurde nur zwei Jahre später pensioniert  ; am 1. August 1897 wurde mit der Ernennung Arthur von Scalas und seines Stellvertreters Eduard Leisching, der seit 1891 an der Kunstgewerbeschule tätig und ab 1895 Kustos am Museum war87, eine neue Ära eingeleitet. Scala hatte bisher das aus der Wiener Weltausstellung hervorgegangene »Orientalische Museum« geleitet  ; der dahinterstehende großzügig subventionierte Museumsverein hatte den Auftrag, die Handelsbeziehungen Österreich-Ungarns mit den Ländern des Orients und Ostasiens zu fördern, wobei besonderes Gewicht auf die kunstgewerbliche Produktion gelegt wurde88. Scala hatte in Wien Technik und Wirtschaft studiert, sich länger in England aufgehalten, war 1867 als Berichterstatter zur Pariser Weltausstellung entsandt worden und hatte an einer handelspolitischen Expedition nach Ostasien teilgenommen. 1873 gestaltete er die orientalische Abteilung der Wiener Weltausstellung und übernahm in der Folge die Direktion des »Orientalischen Museums«89. Er war hierin äußerst erfolgreich90, seine Pläne zur Errichtung eines eigenen Museumsgebäudes scheiterten aber 1884 aus finanziellen Gründen91. Das Handelsministerium drängte zudem auf eine völlige inhaltliche Neuausrichtung, 1887 wurde das »Orientalische Museum« in »k. k. österreichisches Handelsmuseum« umbenannt92. Arthur von Scala blieb zwar Direktor und erhielt weitere Ehrungen, darunter das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens. Gewürdigt wurde Scalas »gediegenes, fachliches Wissen, vereint mit rastlosem Arbeitseifer«, wobei besonders die »Veranstaltung 85 Vortrag Gautsch v. 30.11.1885 – ebd., 4262/1885. Auch die Ernennung Falkes an Stelle der von mehreren Seiten geforderten Berufung einer internationalen Spitzenkraft hatte vor allem finanzielle Hintergründe. Vortrag Gautsch v. 12.1.1886 – ebd., 271/1886. Auch die ehemalige Dienstwohnung Eitelbergers wurde eingezogen. 86 Wie seine Vorgänger Eitelberger und Falke wurde auch Bucher zum Hofrat ernannt. Vortrag Madeyski v. 7.1.1895 – ebd., 274/1895. 87 Vortrag Gautsch v. 18.8.1895, Ah. E. v. 6.8.1895 – AVA, Unterricht-Präs., 1669/1895. 88 Vortrag Banhans v. 31.8.1874 – HHStA, Kab.Kanzlei, 3682/1874. 89 HHStA, Kab. Kanzlei, Vortrag Banhans v. 5.1.1875 – ebd., 144/1875. 90 1878 wurde er zum Regierungsrat ernannt  : HHStA, Kab. Kanzlei, Vortrag Chlumecky v. 24.7.1878 – ebd., 2654/1878. 91 Vortrag Taaffe v. 16.2.1884 – ebd., 718/1884. 92 Vortrag Taaffe v. 15.5.1887 – ebd., 1978/1885.



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instruktiver Fachausstellungen« hervorgehoben wurde sowie die Abhaltung vieler interessanter Vorträge, die zum Ansehen des von ihm geleiteten Museums beigetragen hätten93. Die nunmehr ausschließlich handelspolitische Orientierung94 machte 1897 den Wechsel des Kunstmanagers Scala an das Österreichische Museum zu einem logischen Schritt. Unterrichtsminister Gautsch hielt ihn dafür wegen »seines hervorragenden organisatorischen Talentes, seiner reichen Erfahrungen auf dem Gebiete des Kunstgewerbes und seiner bewährten Leitungsgabe« für besonders geeignet. Sein logischer Stellvertreter (und Konkurrent) war Alois Riegl, der aber vom Minister mit der Begründung übergangen wurde, er »sei schwerhörig und wolle sich übrigens ganz der akademischen Laufbahn zuwenden«95. Der tatsächliche Grund war aber wohl, dass sich Riegl mit seiner Kritik an der am Historismus orientierten Kunstpolitik des Museums zu sehr exponiert hatte96. Er »schied daher 1897 als unglücklicher Mann aus dem Museum«97, schrieb sein Kollege, der Kunsttheoretiker Max Dvořák, 1905 in einem Nachruf. Riegl lehnte die Positionierung des Österreichischen Museums als Leitungsinstanz des kunstgewerblichen Stils ab und plädierte für größere künstlerische Freiräume. Er empfahl dem Museum, »den Plan einer Beeinflussung der zeitgenössischen Kunstproduktion fallen zu lassen«. Er stand damit im Gegensatz zu Falke und Bucher, denn Riegl war der Ansicht, dass sich ein neuer Kunststil nur dann einstelle, wenn er am wenigsten erwartet werde – er blieb jedoch ungehört98. Sein Urteil, der Historismus sei im Kunstgewerbe erfolglos geblieben, das Museum habe sein Ziel verfehlt, eine künstlerische Renaissance herbeizuführen, war überzogen und wird der Bedeutung dieser Einrichtung für die künstlerische Entwicklung der späten Habsburgermonarchie nicht gerecht. Riegl, selbst Kunsthistoriker, warf der Kunstgeschichte – und ihrem Übervater Eitelberger – vor, ein rückwärtsgewandtes Diktat des »guten Geschmacks« geschaffen zu haben. Die Künstler trauten sich nicht zu, etwas Neues zu schaffen und das Museum war zum Komplizen in der Suche nach historischen Stilen geworden. Riegl – in Anspielung auf das Diktum Nietzsches vom »Übermaß der Historie«, das dem Lebendigen schade – sah im Historismus ein Zeichen einer allgemeinen kulturellen Krise, die Dominanz der Kunstgeschichte habe eine rückwärtsgewandte 93 Vortrag Bacquehem v. 17.12.1891 – ebd., 5130/1891. 94 Vortrag Handelsminister Call v. 31.1.1901 – ebd., 346/1901. 95 Vortrag Gautsch v. 30.5.1897 – ebd., 2259/1897. Einen ausführlichen Akt über Riegl und seiner Tätigkeit als Kustos-Adjunkt in AVA, Unterricht-Präs., 2050/1895. 96 Dazu ausführlich Diana Reynolds-Cordileone, Alois Riegl. 97 Diana Reynolds, Vom Nutzen und Nachteil des Historismus für das Leben, in  : Peter Noever et al. (Hgg.), Kunst und Industrie, 20–29, hier 28. 98 Ebd., 28 f.

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Kultur geschaffen. Rekonstruktion und das Wiederaufleben historischer Stile seien an die Stelle von freien und zukunftsorientierten Schöpfungen getreten99. Das Museum war nach Riegl in dieser Form eine Fehlkonstruktion – was es mit seinem großen Vorbild, dem South-Kensington-Museum verband, nämlich die Annahme, dass durch das Studium alter Kunstwerke das ästhetische Empfinden geläutert und das kunstgewerbliche Schaffen gefördert werden könne. Auch wenn der große kunsthistorische Paradigmenwechsel nicht auf eine einzige Person reduziert werden kann, so steht doch außer Frage, dass Riegl in seiner Ablehnung des Historismus die Tür zur Moderne öffnete. Riegl erinnert in seiner Argumentation gegen den Historismus an Ferdinand Waldmüller – ein halbes Jahrhundert zuvor. Beide verloren wegen ihrer Kritik am Historismus am Ende ihres Lebens ihre berufliche Stellung und starben verbittert. Mit Waldmüller in den Anfängen schließt Riegl damit am Ende die von Eitelberger dominierte historistische Klammer der Ringstraßenzeit100. In der Praxis war dieser Übergang, wie er in der Secession zum Ausdruck kommt, aber doch evolutionärer, als es den Anschein hat. Dieser Paradigmenwechsel hatte zwei weitere Aspekte, die über dessen kunsthistorische Bedeutung hinausgehen. Er führte – und hier war der Einfluss Riegls noch größer – zu einer völligen Neuorientierung des Denkmalschutzes in einer gegenläufigen Entwicklung  : weg vom Modernisieren, hin zum Konservieren. Die moderne Theorie Riegls hatte also auch eine starke konservative Komponente, die dem modernisierungsfeindlichen Erzherzog Franz Ferdinand entgegenkam. Die dritte Komponente war eine politische  : Die Ablösung der Ringstraßenzeit durch die Moderne war von einer künstlerischen und kunstpolitischen Dezentralisierung begleitet. Während in der Ringstraßenzeit am Österreichischen Museum für Kunst und Industrie die Orientierung auf Wien mit einem impliziten Deutschzentralismus vorherrschte, wurde diese nun durch eine künstlerische Gleichberechtigung früherer Peripherien abgelöst. Hier, in den Kronländern, hofften die Theoretiker den wahren »österreichischen Stil« zu finden. Die Frage allerdings, ob dies in weiterer Folge zu einer »Einheit in der Vielfalt« oder zu einer künstlerischen Regionalisierung und Nationalisierung geführt hätte, kann nicht endgültig beantwortet werden.  99 Ebd., 23–27. 100 Zum Konflikt zwischen Waldmüller und Eitelberger siehe Michael Krapf, Wissenschaft für das Museum – Museum für die Wissenschaft, in  : Hadwig Kräutler, Gerbert Frodl (Hgg.), Das Museum. Spiegel und Motor kulturpolitischer Visionen 1903–2003. 100 Jahre Österreichische Galerie Belvedere (Wien 2003), 133–146, hier 133 f. Als wichtigste Schriften Riegls sind für diese Themenstellung zu nennen Alois Riegl, Stilfragen, Grundlegungen zu einer Geschichte der Ornamentik (Berlin 1893) sowie ders., Volkskunst, Hausfleiß und Hausindustrie (Berlin 1895).



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6  Alois Riegl

Der vom Museum in der Moderne propagierte und geförderte »österreichische Stil« war jedenfalls ein multinationaler und wurzelte in der Volkskunst, hatte also eine im Vergleich zu anderen Staaten und vor allem zum Konkurrenten Deutschland – wo ein rigider Historizismus dominierte – sehr originelle Komponente. Außerdem kam es in Verbindung damit zu einer Neubewertung des Biedermeiers und seiner Adaption in der Möbelkunst der Wiener Werkstätten101. In veränderter Weise blieb man hierdurch den Zielen Eitelbergers einer »ästhetischen Versöhnung« zur Sublimierung politischer Konflikte in der Donaumonarchie treu. Allerdings hatte sich die Strategie geändert und der vom Museum vorgegebene Geschmackskanon verlor seinen Absolutheitsanspruch. Eitelberger hatte die ästhetische Mission des Museums – die Erziehung des Publikumsgeschmacks – mit der politischen Mission, österreichische Staatsbürger heranzubilden, verbunden. Diese Strategie musste aufgegeben und größere Viel101 Diana Reynolds, Die österreichische Synthese. Metropole, Peripherie und die kunstgewerblichen Fachschulen des Museums, in  : Peter Noever et al. (Hgg.), Kunst und Industrie, 203– 217, hier 205 sowie dies., Riegl, 177–198.

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falt zugelassen werden, ohne aber vom grundlegenden Ziel der Schaffung eines »österreichischen Stils« und der »ästhetischen Versöhnung« abzugehen. Ganz freiwillig geschah das nicht, denn die Gewerbefachschulen waren zu Orten der Auseinandersetzung zwischen der von Wien verkündeten österreichischen Idee und den lokalen national konnotierten kulturellen Ausprägungen geworden, die sich den Wiener Hegemoniebestrebungen und dem vom Museum erstellten Geschmackskanon widersetzten102. Eitelberger hatte in der durch die Fachschulen vermittelten Integrierung der Volkskunst eine Chance gesehen  ; die Wertschätzung des bäuerlichen Kunsthandwerks war seit jeher ein wesentliches Element in den Bemühungen des Museums um eine österreichische kulturelle Identität in Abgrenzung zum Deutschen Reich gewesen103. Der kunstpolitische Paradigmenwechsel lag also im Verschwinden eines die künstlerische Entwicklung behindernden Führungsanspruchs Wiens, war aber keineswegs gleichbedeutend mit dem Aufgeben der Vision der Schaffung eines österreichischen künstlerischen Stils. In diese Zeit einer kunstpolitischen Neuorientierung fällt die Ära Scala. Unter seiner Direktion wurde eine vom Unterrichtsministerium subventionierte Monatsschrift unter dem Titel »Kunst und Kunsthandwerk« als Nachfolgeschrift der bisherigen »Mitteilungen des k. k. Öster­reichischen Museums für Kunst und Industrie« geschaffen, die über das Unterrichtsministerium an den kunstgewerblichen Fachschulen verteilt wurde. Für Minister Latour war die neue Zeitschrift ein Beispiel dafür, wie »Scala den ihm als Leiter des hervorragendsten kunstgewerblichen Museums Österreichs anerkannten Aufgaben gerecht zu werden bestrebt ist«104. Auch im Rücktritt des langjährigen Protektors des Museums, Erzherzog Rainer, wird die grundlegende museumspolitische Veränderung deutlich. Sowohl diese Position als auch das alte Kuratorium wurden abgeschafft  ; an dessen Stelle trat ein aus wenigen international anerkannten Experten zusammengesetzter Beirat, der den Direktor in einer prinzipiellen Änderung der Museumspolitik unterstützen sollte. Zum ersten Präsidenten wurde aufgrund seiner Bemühungen um das Museum und die Kunstgewerbeschule der frühere Unterrichtsminister Gautsch ernannt105. Sein Nachfolger als Unterrichtsminister, Artur von By102 Diana Reynolds, Österreichische Synthese, 210. 103 Ebd., 212. 104 Vortrag Latour v. 23.1.1898 – HHStA, Kab. Kanzlei, 372/1898. Scala überreichte Kaiser Franz Joseph alljährlich einen Jahrgang der Zeitschrift. Ferner ebd., 539/1899, 626/1900, 467/1901, 670/1902, 653/1903, 653/1904, 679/1905. 105 Vortrag Bylandt-Rheidt v. 30.11.1898 – ebd., 4280/1898. Er wurde 1905 kurzfristig durch Friedrich Graf Schönborn ersetzt, nach dessen Ableben im Jahre 1907 folgte ihm wieder Gautsch. Dazu Vortrag Hartel v. 2.1.1905 – ebd., 52/1905 sowie Vortrag Marchet v. 7.2.1908 – ebd., 528/1908. 1911 wurde das langjährige Kuratoriumsmitglied Leopold Graf von Gudenus



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7  Eduard Leisching

landt-Rheidt, unterstützte eine prinzipielle kunstpolitische Neuorientierung des Museums, denn »heute kann die Tätigkeit des Österreichischen Museums nicht mehr allein darauf gerichtet sein, den Geschmack des Publikums und der Kunstgewerbetreibenden zu heben und ihnen tunlichste Kenntnis früherer Kunstepochen zu vermitteln«106. Im März 1909 wurde Scala in den Ruhestand versetzt, zu seiner Nachfolge schlug der Beirat dessen Stellvertreter Eduard Leisching vor, der Kontinuität vermittelte107. Er führte das Museum in den letzten Jahren der Monarchie im Sinne Arthur von Scalas. zum Präsidenten ernannt. Vortrag Marek (öff. Arbeiten) v. 19.7.1911 – ebd., 2364/1911. Nach dessen Ableben folgte ihm 1914 Fürst Franz Liechtenstein – Präsident der Zentralkommission und Kuratoriumsmitglied – nach. Vortrag des Ministers für öffentliche Arbeiten Trnka v. 11.3.1914 – ebd., 641/1914. 106 Vortrag Bylandt-Rheidt v. 22.11.1898 – ebd., 4217/1898. 107 In Würdigung seiner Leistungen für die Pariser Weltausstellung war er im Jahre 1900 zum Regierungsrat ernannt worden. Anlässlich des sechzigjährigen Regierungsjubiläums Kaiser Franz Josephs wurde er mit dem Orden der Eisernen Krone III. Klasse geehrt. Neben seiner Tätigkeit am Museum unterrichtete er auch als Dozent für Kunstgeschichte an der Kunstgewerbeschule.

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1.2.3 Die Wiener Kunstgewerbeschule

Eng verbunden mit dem Museum war die Kunstgewerbeschule, die aus vier Fachschulen und einer Vorbereitungsschule für Zeichnen bestand. Die Fachschulen für Architektur ( Josef Storck), Malerei und Zeichnen (Ferdinand Laufberger), Bildhauerei (Otto König) und Ornamentik (Ferdinand Sturm) waren auf die Bedürfnisse des täglichen Lebens ausgerichtet108. Die Zahl der Schüler jeder Fachschule wurde auf 40 beschränkt, einer der fünf Lehrer sollte die Schule leiten. Die Verbindung zwischen Schule und Museum war sehr eng, von den fünf Aufsichtsratsmitgliedern des Museums gehörten vier auch dem Museumskuratorium an. Die Schule wurde 1868 eröffnet, die jährlichen Kosten beliefen sich auf bis zu 16.000 Gulden, obwohl Schulgeld eingehoben wurde109. Durch zunächst zehn Stipendien in der Höhe von 300 Gulden sollten möglichst viele Schüler aus den Kronländern für die Kunstgewerbeschule gewonnen werden110. Die Lehrer waren schlechter bezahlt als ihre Kollegen an der Kunstakademie  ; erst als die Gefahr einer Abwanderung ins Ausland bestand, wurden sie gehaltsmäßig den Akademieprofessoren gleichgestellt111. Besonders gewürdigt wurde Josef Storck, »welcher durch seine glänzenden Leistungen auf dem Gebiete der Kleinkunst sich einen weit über die Grenzen Österreichs hinausgehenden Ruf erworben hat«. Nicht zuletzt seinem Engagement war es zu verdanken, dass sich die österreichische Kunstindustrie neben der englischen international etablieren konnte. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, und 1875 wurde ihm der kaiserliche Dank ausgesprochen, dass er sich auf völlig uneigennützige Weise so sehr für das »für den österreichischen Namen ruhmvolle Werk« eingesetzt habe112 – seine Ernennung zum Direktor war daher naheliegend.

Vortrag Ritt v. 28.4.1909 – ebd., 1723/1909. Leisching erhielt 1911 den Hofratstitel, Vortrag Ritt v. 19.12.1910 – ebd., 94/1911. Zum Vizedirektor wurde Moriz Dreger ernannt – Vortrag Ritt v. 23.7.1909 – ebd., 2695/1909. 108 Ulrike Scholda, Die ausführende Hand der Theoretiker. Die Verbindung von Kunstgewerbeschule und k. k. Österreichischen Museum für Kunst und Industrie unter ihrem Direktor Josef von Storck, in  : Peter Noever et al. (Hgg.), Kunst und Industrie, 219–234, hier 219. 109 Vortrag des Leiters des Unterrichtsministeriums (Hye) v. 17.8.1867 – HHStA, Kab. Kanzlei, 3385/1867. Zur Anstellung der Lehrer (mit Ausnahme des Sachsen Otto König waren alle österreichische Staatsbürger) Vortrag Hasner v. 30.5.1868 – ebd., 2030/1868. 110 Vortrag Handelsminister Plener v. 31.5.1869 – ebd., 1961/1869 sowie Vortrag Possinger v. 9.8.1871 – 2861/1871. 111 Vortrag Jireček v. 21.9.1871 – ebd., 3371/1871, Vortrag Stremayr v. 28.3.1873 – ebd., 1975/1873 sowie v. 8.3.1875 – ebd., 1025/1875. Zu den Anfängen der Kunstgewerbeschule siehe Gottfried Fliedl, Kunst und Lehre am Beginn der Moderne  : Die Wiener Kunstgewerbeschule 1867–1918 (Salzburg – Wien 1986). 112 Vortrag Stremayr v. 15.7.1875 – HHStA, Kab. Kanzlei, 2989/1875.



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8  Josef Storck

Die Wiener Kunstgewerbeschule erwarb sich sehr schnell einen guten Ruf, und mehrere bekannte Künstlerpersönlichkeiten starteten hier ihre Karriere. Mitte der 1870er Jahre konnte ein eigenes Schulgebäude errichtet werden113 und sie stellte auch auf der Münchener Kunstgewerbeausstellung 1876 aus. Minister Stremayr sprach von einer neuen vom Kunstgewerbe getragenen Kulturepoche, die durch die Ringstraßenbauten, das Österreichische Museum für Kunst und Industrie und die Kunstgewerbeschule zum Durchbruch gelangt sei  : Geschäftliche und künstlerische Erfolge schlossen einander nicht länger aus, »mit dem Auge des Produzenten hat sich auch das Auge des kaufenden Publikums gebildet«. Stremayr vertrat klassische historistische Grundsätze, die moderne Kunst müsse »bei der Vergangenheit in die Schule gehen«. Vorbilder sollten in früheren Zeiten und bei anderen Völkern gesucht werden, denen es gelungen sei, »Zweck und Form 113 Vortrag Lasser v. 12.3.1874 – ebd., 1159/1874. Das Grundstück kam aus dem Stadterweiterungsfonds. Vortrag Lasser v. 2.8.1875 – ebd., 3233/1875. Zum Projekt Ferstels Vortrag Stremayr v. 6.10.1874 – ebd., 4335/1874. Vortrag des Unterrichtsministers v. 20.7.1874 – ebd., 3137/1874. Architekt Ferstel musste sein ursprüngliches Projekt – veranschlagt waren 600.000 Gulden – im Auftrag von Unterrichtsminister Stremayr vereinfachen. Vortrag Lasser v. 12.3.1874 – ebd., 1159/1874. Das Grundstück kam aus dem Stadterweiterungsfonds. Vortrag Lasser v. 2.8.1875 – ebd., 3233/1875. Zum Projekt Ferstels Vortrag Stremayr v. 6.10.1874 – ebd., 4335/1874.

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in volle Übereinstimmung zu bringen«. Stremayr sah es als Aufgabe der österreichischen Unterrichtsverwaltung an, »das junge Kunstgewerbe Österreichs so zu rüsten«, dass es sich nach der Wirtschaftskrise nicht einer neuen Gefahr gegenüber sehe, nämlich »der erstarkten Konkurrenzkraft Deutschlands«, das durch das verbreitete Mäzenatentum und das hohe Niveau des Schulwesens stark aufhole. Dieses Ziel sollte durch eine deutliche Erhöhung des Ankaufsbudgets des Museums, eine Personalaufstockung und die zusätzliche Vergabe von Stipendien erreicht werden114. 1884 wurde zur Verbesserung der Holzschneidekunst ein Kurs für Xylographie eröffnet  ; aus München wurde Wilhelm Hecht verpflichtet, die nötigen Räumlichkeiten konnten allerdings erst nach und nach geschaffen werden 115. Raummangel war aufgrund der ständig steigenden Zahl der Schüler ein generelles Problem. Sie stieg von 58 im Jahr 1868 auf 93 im Jahr 1872116 und 286 Schüler im Jahr 1877117. Weiterhin versuchte man, vor allem Schüler aus den Kronländern nach Wien zu ziehen. Zehn zusätzliche Professuren wurden geschaffen, und 1880 wurden Fachkurse für schulische Zeichenlehre und für »weibliche Arbeiten« eingerichtet. Die hohe Qualität des Zeichenunterrichts schon in den Volksschulen galt als Voraussetzung für die kunstgewerbliche Produktion, es wurden daher u.a. ein Abendzeichenkurs und eine Professur für Methodik des Zeichenunterrichts eingerichtet. Die Umsetzung des ambitionierten Reformprogramms, das sich auf vergleichbare Einrichtungen in England, Frankreich und Preußen stützte, stieß allerdings auf finanzielle Schwierigkeiten118, denn 1877 kosteten der Betrieb des Museums und der Schule den Staat bereits knapp 80.000 Gulden119, eine Vergrößerung des Lehrkörpers war dennoch unvermeidlich120. Durch eine Statutenänderung erhielt die Kunstgewerbeschule nun auch de jure eine Sonderstellung unter den Kunstgewerbeschulen der Monarchie  : »Maßgebend hierbei war die bisherige leitende und führende Stellung dieses hervorragenden Staatsinstitutes und der Umstand, dass dasselbe seit seiner Gründung durch das Unterrichtsministerium in erster und letzter Instanz verwaltet wird«121. Aus 114 Vortrag Stremayr v. 19.5.1876 – ebd., 2000/1876. 115 Vortrag Conrad v. 22.9.1884 – ebd., 3413/1884. 116 Vortrag Stremayr v. 12.1.1872 – ebd., 460/1872. 117 Rudolf Eitelberger von Edelberg, Kunstbewegung in Österreich, 98. 118 Vortrag Stremayr v. 19.5.1876 – HHStA, Kab. Kanzlei, 2000/1876 sowie Vortrag Stremayr v. 3.5.1877 – ebd., 1758/1877. 119 Vortrag Conrad v. 3.3.1881 – ebd., 1006/1881. 120 Vortrag Conrad v. 13.5.1881 – ebd., 2409/1881. 121 Das Handelsministerium entsandte allerdings einen Vertreter in den Aufsichtsrat der Kunstgewerbeschule. Vortrag Conrad v. 24.4.1882 – ebd., 924/1882.



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9  Karl Stremayr

Anlass ihres 25-jährigen Bestandes wurden 1888/89 mehrere Persönlichkeiten geehrt, die sich um die Kunstgewerbeschule verdient gemacht hatten, darunter der Vizepräsident des Wiener Kunstgewerbevereins, Alois Hanusch, die Professoren Hermann Herdtle und Oskar Beyer, Otto König, die Direktoren Falke und Storck sowie Bruno Bucher122. Doch neuerlich war eine Reform nötig, da nach Unterrichtsminister Gautsch die Schule »im Hinblick auf die erfreuliche Entwicklung der österreichischen Kunstindustrie« und des gewerblichen Bildungswesens in den Kronländern nicht mehr den geänderten Bedürfnissen gerecht wurde123. Die Kunstgewerbeschule wurde zur zentralen Ausbildungsstätte für die Lehrkräfte an den gewerblichen Fachschulen, die überall gegründet wurden. 1877 waren es erst 77 Fachschulen, zur Jahrhundertwende bereits über 200 Schulen124. Bei den Schulgründungen orientierte man sich an der lokalen Produktion, so war etwa die Glasfachschule in Steinschönau in Böhmen eng mit 122 Vortrag Gautsch v. 27.3.1889 – ebd., 1259/1889. Vortrag Gautsch v. 26.9.1893, Ah. E. v. 3.10. 1893 – Unterricht-Präs., 1704, 1705 und 1750/1893. Vortrag Gautsch v. 25.3.1889 – ebd., 1250/1889. 123 Vortrag Gautsch v. 20.7.1888 – HHStA, Kab. Kanzlei 2945/1888. Dazu auch Vortrag Gautsch v. 4.10.1891 – ebd., 4152/1891 sowie Vortrag Gautsch v. 10.10.1891 – ebd., 4238/1891. 124 Vortrag Gautsch v. 26.9.1893 – ebd., 4226/1893  ; Diana Reynolds, Die österreichische Synthese, 203 sowie Rudolf Eitelberger von Edelberg, Kunstbewegung in Österreich, 102 ff.

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dem Glashersteller Lobmeyr verbunden125. Für die Überwachung dieser Schulen war die »Central-Commission für Angelegenheiten des gewerblichen Unterrichts« zuständig, die sich aus Mitgliedern des Unterrichts- und des Handelsministeriums zusammensetzte. Das System war hierarchisch, die unterste Ebene bildeten die Fachschulen zur Ausbildung von Handwerkern und Facharbeitern, darüber standen in den regionalen Zentren die Staatsgewerbeschulen zur Ausbildung von Künstlern und Lehrern, zentraler Abschluss war die Kunstgewerbeschule in Wien126. Das System förderte den künstlerischen Austausch, denn die an der Kunstgewerbeschule ausgebildeten Lehrer kehrten wieder in die lokalen Schulen zurück, und das Museum kaufte die besten Schülerarbeiten und Beispiele regionaler Volkskunst für seine Sammlungen in Wien. So wirkte einerseits der von Wien ausgehende Historismus in die Kronländer, gleichzeitig strömten von dort volkskundliche Motive zurück, beides hatte einen entscheidenden Anteil an der Entstehung der Moderne – Reynolds nennt das die »österreichische Synthese«127. Das dichte Netz der Fachschulen demonstrierte einerseits die Toleranz und Großzügigkeit des Staates gegenüber der Vielfalt seiner Völker und diente andererseits der Integration der Nationalitäten in ein kulturell definiertes Österreich128. Das Abklingen des Historismus machte allerdings eine Neuausrichtung nötig. Die Historismuskritik lehnte das strenge Festhalten an Formen aus früheren Zeiten ab, wodurch die künstlerische Unbekümmertheit, Selbständigkeit und Entfaltung unterbunden werde – auch die Kunstindustrie verlangte nach selbständigen künstlerischen Ideen und war auf der Suche nach Neuem129. »Wie viel Schaden während dreier Jahrzehnte durch diese Lehrer angestiftet wurde, die jede künstlerische Regung verpönten und nur das sklavische Kopieren gelten ließen.« – schrieb der Kunstkritiker Ludwig Hevesi130. Das Ableben des historistischen Übervaters Eitelberger im Jahr 1885 löste bei vielen Kunstschaffenden Erleichterung aus, und auch im Ministerium war man sich bewusst, dass ein grundlegender Wandel nötig war131. Unter dem Titel »Vertrauliche Denkschrift über die Lage am k. k. Österreichischen Museum für Kunst und Industrie« schrieb der Referent des Gewerbeschulwesens im Ministerium, Armand Freiherr von Dumreicher, eine Anklageschrift gegen das Museum  : Man habe von Seiten des Ministeriums schon länger die Entfremdung zwischen 125 Diana Reynolds, Österreichische Synthese, 206. 126 Ebd., 208. 127 Ebd., 205. 128 Ebd., 217 f. 129 Ulrike Scholda, Kunstgewerbeschule, 222. 130 Zitiert nach ebd., 222. 131 Note an Erzherzog Rainer v. 24.4.1885 – AVA, Unterricht-Präs., 412/1885.



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Schule und Kunstindustrie zu verringern getrachtet und zu diesem Zweck die Gründung des Wiener Kunstgewerbevereins unterstützt, der aber ebenfalls vom Museum dominiert werde. Direktor Falke verteidigte sich gegen den Vorwurf zu großer Passivität  : Dumreicher vergesse, »in welchem Zustande der Erregbarkeit und Reizbarkeit sich Hofrat von Eitelberger Jahre hindurch befunden hat, und dass nur eine gewisse Zurückgezogenheit im Stande war, den inneren Frieden zu bewahren«, schrieb er. Eitelberger habe sich die Ankäufe vorbehalten und alle Entscheidungen allein getroffen. Den Vorwurf Dumreichers, Museum und Kunstgewerbeschule hätten sich den Kunstgewerbetreibenden entfremdet und die Reformvorstellungen des Ministeriums ignoriert – die vom Ministerium gewünschte Aufnahme von Frauen an die Schule sah Dumreicher übrigens als Nachteil –, wies Falke zurück132. Trotz dieser scharfen Zurückweisung ministerieller Kritik wird deutlich, dass auch am Museum und an der Schule ein Umdenkprozess im Gang war. 1888 wurde die praktische Ausbildung verbessert, um eine bessere Zusammenarbeit zwischen Schule und Industrie zu erreichen, weitere Reformen folgten. Selbst der noch weitgehend dem Historismus verhaftete Direktor Storck sprach 1896 von einer »Selbstbefreiung vom Kopierzwange«  : Er verglich alte Stile mit alten Sprachen, die zwar studiert, aber im Alltag nicht mehr verwendet werden. Der Wechsel zur Moderne erfolgte jedoch erst mit der Pensionierung Storcks und der Ernennung von Felician Freiherr von Myrbach-Rheinfeld zum Direktor, der Josef Hoffmann für den Architekturlehrstuhl und die Secessionisten Arthur Strasser, Koloman Moser und Alfred Roller für die Kunstgewerbeschule gewann133. Myrbach, 1853 als Sohn des Landespräsidenten der Bukowina geboren, hatte die Militärakademie absolviert, am Militärgeographischen Institut gearbeitet und sich hier als Illustrator des Buches »Unter den Fahnen  : die Völker Österreich-Ungarns in Waffen« einen Namen gemacht 134. Da dieses Werk in den 1890er Jahren in die meisten Sprachen der Monarchie übersetzt und an den staatlichen Schulen verteilt wurde, fand es weite Verbreitung und Myrbach wurde als Künstler allgemein bekannt135. Er hatte parallel zu seiner militärischen Laufbahn an der Akademie der bildenden Künste studiert und als freischaffender Künstler für einige Zeit in Paris gelebt. 1897 wurde er Professor an der Wiener Kunstgewerbeschule. Nach seiner Bestellung zum Direktor erwies er sich als tat132 AVA, Unterricht-Präs., 1082/1885. 133 Ulrike Scholda, Kunstgewerbeschule, 233. 134 Dafür wurde ihm 1889 das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens verliehen. AVA, Unterricht-Präs., 1242 und 1503/1888. 135 Übrigens wie die ebenfalls illustrierte österreichische Volkshymne, die in den jeweiligen Sprachen an den Schulen Cisleithaniens verteilt wurde Unterricht-Präs., 638, 1019, 1051, 1179, 1283 und 1029/1890.

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kräftiger Reformer und lieferte »durch zielbewusste Energie« den Beweis, dass er »im Hinblicke auf die bevorstehende Reorganisierung der Anstalt« der am besten geeignete Mann war. Im Auftrag von Minister Wilhelm Hartel studierte Myrbach ähnliche Einrichtungen in anderen Ländern und arbeitete gemeinsam mit dem Kuratorium die Grundzüge einer Reform aus. Die »Kunstgewerbeschule des k. k. Österreichischen Museums für Kunst und Industrie in Wien« sollte lose mit dem Museum verbunden bleiben, der Museumsdirektor, »welcher durch seinen steten Kontakt mit dem Kunstgewerbe berufen erscheint, Einfluss auf die praktischen Ziele der Kunstgewerbeschule zu nehmen«, übte eine begleitende Kontrolle – ohne Weisungsrecht – aus136, die Schule sollte sich ausschließlich auf ihre Aufgabe als Unterrichtsanstalt konzentrieren137. Auch die Prager Kunstgewerbeschule machte damals eine ähnliche Restrukturierung durch  : Mit dem Architekten Georg Stibral war hier 1897 ebenfalls ein neuer Direktor ernannt worden, der künstlerisch und organisatorisch neue Wege ging138, die Reformen der beiden Kunstschulen wurden aufeinander abgestimmt. Myrbach galt als erfolgreicher Reformer, das Ende seiner Karriere war allerdings unrühmlich. Anlässlich der österreichischen Beteiligung an der Weltausstellung in St. Louis wurde er 1904 nach Amerika entsandt. Dort flammte seine Rheumatismuserkrankung, die er sich im Militärdienst zugezogen hatte, wieder auf. Er blieb deshalb in Kalifornien – wie sich herausstellte, war er dort mit einer Schülerin unterwegs – und suchte von Amerika aus um seine Pensionierung an. Mittlerweile wurden finanzielle Unregelmäßigkeiten größeren Stils in der Kunstgewerbeschule bekannt, sodass Myrbach unter dem Druck der Verhältnisse schließlich doch nach Wien zurückkehren musste. Ein Disziplinarverfahren verlief ergebnislos, Myrbach wurde aber pensioniert. Zu seinem Nachfolger wurde Oskar Beyer ernannt, der seit 1878 an der Kunstgewerbeschule als Zeichenprofessor tätig war139. 1.2.4 Die Wiener Ringstraße

Die Wiener Ringstraße könnte als steinernes Symbol für den kulturpolitischen Wandel in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelten. Am Anfang stand am 20. Dezember 1857 die kaiserliche Anordnung zur Schleifung der Festungsanlagen. In der an deren Stelle errichteten Ringstraße sollte noch einmal das Prinzip der höfischen Repräsentation baulich auferstehen. Ökonomisch war das 136 Vortrag Bylandt-Rheidt v. 20.10.1898 – HHStA, Kab. Kanzlei, 3836/1898. 137 Vortrag Hartel v. 18.2.1900  – ebd., 588/1900. Zur Gehaltseinstufung Myrbachs ebd., 3441/1901. 138 Vortrag Hartel v. 24.6.1901 – ebd., 1704/1901. 139 Vortrag Hartel v. 28.3.1905 – ebd., 1087/1905.



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10  Wiener Ringstraße

nur durch die Beteiligung des Wirtschaftsbürgertums möglich, der Hof und zunehmend auch die Staatsverwaltung behielten sich jedoch die Entscheidungskompetenz vor. Daher wurde das Angebot der Gemeinde Wien abgelehnt, für 12 Millionen Gulden einen großen Teil der Grundstücke zu übernehmen140. Die Ringstraße blieb also ein vorwiegend höfisches Projekt, das wohlhabende Bürgertum beschränkte sich auf eine repräsentative Beteiligung in Form der bürgerlichen Palais und auf die Symbolik des Rathauses. Der Staat zog sich nicht nur auf eine wichtige Koordinationsfunktion zurück, sondern war durch das Parlament und das Österreichische Museum für Kunst und Industrie von Anfang an auch architektonisch prominent vertreten. In den frühen sechziger Jahren ging man daran, den ehemaligen Glacisbereich zu verschönern. Eine der ersten Arbeiten war die Ausgestaltung der Elisabethbrücke über den Wienfluss, in Verlängerung der Kärntner Straße. Acht Statuen von Persönlichkeiten aus der Geschichte Wiens wurden aufgestellt, sie wurden zum Teil aus dem Stadterweiterungsfonds bezahlt, zum Teil wurden sie durch den »Verein zur Beförderung der bildenden Künste« finanziert141. Für die 140 Vortrag Gołuchowski v. 24.4.1860 – ebd., 1321/1860. 141 Vortrag Lasser v. 10.3.1863 – ebd., 848/1863. Die Kosten beliefen sich auf 4500 Gulden pro Statue, die zunächst mit 4000 Gulden subventioniert wurden, allerdings mussten 1868 zusätzliche 1000 Gulden pro Statue genehmigt werden. Vortrag Taaffe v. 17.10.1867 – ebd., 3944/1867.

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Aspernbrücke schuf Franz Melnitzky vier Statuen zu den Themen Krieg, Ruhm, Friede und Wohlfahrt142. Die Ausschmückung des Danubiusbrunnen an der Augustinerbastei fiel ebenfalls in diese Zeit143, doch die bedeutendsten Denkmäler in dieser ersten Phase – als es die Ringstraße eigentlich noch nicht gab – waren die beiden Reiterstandbilder am Heldenplatz, für die über 100.000 Gulden aufgebracht werden mussten144. Von den eigentlichen Ringstraßenbauten hatte die Errichtung des neuen Opernhauses höchste Priorität145. Der Bau wurde auf Drängen des Hofes sehr schnell vorangetrieben, sodass man sich ab 1865 bereits mit der Innenausgestaltung sowie mit der plastischen Außengestaltung beschäftigen konnte146. Die Eröffnung war für Herbst 1867 geplant, verzögerte sich dann aber um zwei Jahre. Die schnelle Errichtung des Opernhauses hatte mehrere Gründe. Erstens war das alte Kärntnertortheater zu klein und für einen modernen Theaterbetrieb ungeeignet, und zweitens waren die finanziellen Kapazitäten des Stadterweiterungsfonds nicht unerschöpflich. Um die Zahlungsfähigkeit des Fonds zu erhalten, konnten nicht alle Gebäude gleichzeitig errichtet werden. Gerade beim Opernbau schien eine rigide begleitende Finanzkontrolle nötig, um eine Kostenexplosion zu verhindern. 1867 wurde der Kostenaufwand für die Herstellung des Gebäudes mit 4,1 Millionen, für die dekorative und technische Innen- und Außengestaltung mit 1,4 Millionen Gulden angegeben147. Erst nach Fertigstellung der Hofoper wurde das nächste Projekt angegangen – die beiden Hofmuseen. Aus Kostengründen überlegte man, zunächst nur eines der beiden Zwillingsmuseen zu errichten, auch an die Unterbringung des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie im Komplex der Hofmuseen war zunächst gedacht148. Das wurde allerdings schnell wieder verworfen, denn beim Museum handelte es sich um ein staatliches Prestigeprojekt, das nicht zu einer Unterabteilung der kaiserlichen Sammlungen degradiert werden sollte. Außerdem kam es beim Bau der beiden 142 Auch hier überstiegen die Kosten die Voranschläge bei Weitem, und dem Künstler musste eine zusätzliche Subvention von 4000 Gulden aus dem Stadterweiterungsfonds gewährt werden. HHStA, Kab. Kanzlei, Vortrag Giskra v. 5.6.1869 – ebd., 2116/1868. 143 Vortrag Lasser v. 3.7.1865 sowie Vortrag Belcredi v. 9.12.1865 – ebd., 1838 und ebd., 3813/1865. Zur Errichtung des sogenannten »Albrechtsbrunnens« siehe auch die Vorträge Giskras v. 7.5.1869 und v. 4.1.1870 – ebd., 1648/1869 und 49/1870. 144 Vortrag Larisch v. 27.10.1865 – ebd., 3305/1865. 145 Vortrag Gołuchowski v. 18.1.1860 – ebd., 234/1860. 146 Vortrag Belcredi v. 18.8.1865, 15.10., 27.11., 26.11., 23.12.1865 – ebd., 2466, 3152, 3673, 3674, 3064/1865 sowie v. 7.3.1866 – 820/1866. 147 Vortrag Taaffe v. 28.4.1867 – ebd., 1775/1867. Zur Endausgestaltung des Opernhauses siehe auch seinen Vortrag v. 20.7., 2.11.1867 – 2897, 4174/1867. 148 Vortrag Belcredi v. 2.2.1866 – ebd., 441/1866.



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Museen zu unerwarteten Verzögerungen, weil sich die zu diesem Zweck eingesetzte Kommission nicht auf einen Projektvorschlag einigen konnte. Ferstel, Hasenauer, Hansen und Löhr hatten Pläne eingereicht, das Projekt Löhrs galt als das technisch geeignetste, war aber in ästhetischer Hinsicht mangelhaft. Löhr und Hasenauer wurden aufgefordert, ihre Projekte zu überarbeiten und nochmals der Kommission vorzulegen149. Hansen protestierte gegen diese Bevorzugung und legte ebenfalls ein überarbeitetes Projekt vor150, während Ferstel den Auftrag zur Planung des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie erhielt, das dann wesentlich früher fertiggestellt werden konnte als die beiden Hofmuseen. Der Hof plädierte für das Projekt Hasenauers, die Baukommission und Innenminister Giskra lehnten es aber wegen der zu kostspieligen Fassadengestaltung ab und traten für das kostengünstigere Projekt Löhrs ein. Der Kaiser vertagte Ende 1868 die Entscheidung151. Der gordische Knoten wurde durch die Einbeziehung Sempers und die damit erfolgte Adaptierung des Hasenauer-Projekts zerschlagen, das Architektenteam Hasenauer–Semper erhielt 1869/70 den Auftrag. Die feierliche Eröffnung der beiden Museen fand 1889 (Naturhistorisches Museum) und 1891 (Kunsthistorisches Museum) statt. Mittlerweile war das Österreichische Museum für Kunst und Industrie bereits im Rohbau fertiggestellt, die Kosten für den Museumsbau beliefen sich auf 700.000 Gulden  ; für die Architekturdekorationen wurden 70.000, für die Inneneinrichtung und Beleuchtung wurden 35.000 Gulden veranschlagt152. Wesentlich teurer kam das von Theophil Hansen geplante gleichzeitig errichtete Gebäude der Kunstakademie. Die Kosten waren ursprünglich mit 1,2 Millionen Gulden berechnet worden. Durch eine räumliche Ausweitung stiegen sie aber schon im Vorfeld auf 1,7 Millionen153. Dieses Gebäude ist in seinem politisch-­ ideologischen Zusammenhang zu sehen, denn die Kunstakademie sollte sich als künstlerisch wichtigste Institution der Ringstraße etablieren und verlangte »im Interesse der Akademie und des öffentlichen Kunstunterrichts«154 eine stärkere 149 Vortrag Taaffe v. 10.8.1867 – ebd., 3168/1868. Die Architekten hatten für ihre Pläne 2000 Gulden erhalten, Löhr und Hasenauer wurden nun jeweils weitere 800 fl. für die Umarbeitung der ursprünglichen Pläne zugesprochen. Vortrag Taaffe v. 3.11.1867 – 4166/1867. 150 Vortrag Taaffe v. 19.11.1867 – ebd., 4308/1867. 151 Vortrag Giskra v. 22. 12. 1867 – ebd., 4795/1868. Der Vortrag wurde nicht resolviert. 1870 ersuchte Löhr im Hinblick auf die gesundheitsschädigende Tätigkeit bei der Erstellung der Pläne für das Museum um eine Entschädigung. Innenminister Giskra, der den Wert seiner Arbeit für das Museumsprojekt betonte, stimmte einer Überweisung von 4000 Gulden aus dem Stadterweiterungsfonds zu. Vortrag Giskra v. 8.4.1870 – ebd., 1388/1870. 152 Vortrag Stremayr v. 18.7.1870 – ebd., 2802/1870. 153 Vortrag Stremayr v. 5.2.1863 – ebd., 619/1873. 154 Vortrag Stremayr v. 7.5.1874 – ebd., 2052/1874.

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Beteiligung ihrer Künstler an der Innenausgestaltung der Ringstraßengebäude. Auch die Votivkirche war zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz fertig, und es mussten für die weitere Ausgestaltung 500.000 Gulden aus dem Stadterweiterungsfonds bereitgestellt werden155. Die Finanzierung der Ringstraßenbauten erfolgte in einer sehr speziellen Mischform. Die Förderung von Projekten durch den im Innenministerium verwalteten Stadterweiterungsfonds hatte den Vorteil, dass dafür keine parlamentarische Genehmigung und somit keine budgetäre Vorsorge im engeren Sinne nötig war, die Gelder konnten flexibel eingesetzt werden. Innenminister Taaffe bezeichnete den Stadterweiterungsfonds im Juli 1870 als »politischen Fonds«, der immerhin einer indirekten Kontrolle des Reichsrates unterstand, weil der Innenminister dem Parlament über die Gebarung des Fonds Rechenschaft ablegen musste. Die Verwaltung oblag dem Staat, es waren also die Regierung und das Innenministerium, die über die Genehmigung von Geldmitteln für Hofbauten zu entscheiden hatten – der Hof konnte über die Gelder nicht frei verfügen. Die Frage, ob die Hofmuseen oder die Hoftheater damit Eigentum des Staates oder des Hofes waren, war kaum zu klären und Eduard Taaffe hielt eine Diskussion darüber für wenig zielführend. Klar war jedoch  : Der Stadterweiterungsfonds durfte aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen nur zur Entlastung des Staatsbudgets herangezogen werden, die Zivilliste oder gar habsburgisches Eigentum durften aus diesem Fonds nicht finanziert werden156. Die Eigentumsfrage wurde nie zweifelsfrei geklärt und tauchte immer wieder auf, wie beim Bau der Hofmuseen, wobei es zu einer Blockade zwischen Hof und Staat kam. Der Hof hielt an dem teureren Projekt Hasenauers fest, die Regierung am Entwurf Löhrs. Aus der Argumentation wird deutlich, dass Taaffe die Ring­straßengebäude als Staatseigentum betrachtete und dem Hof nur die Nutzung der von ihm beanspruchten Gebäude zugestand. Auf einen Konflikt mit den Hofbehörden wollte er sich aber nicht einlassen und vermied daher eine prinzipielle Entscheidung. Besonders deutlich wurde die mangelnde Abgrenzung zwischen Staat und Hof bei der Errichtung des Hofoperntheaters. Die Generalintendanz der Hoftheater legte 1871 ein Verzeichnis der außerordentlichen Auslagen vor, die von Jänner bis Oktober 1870 – also nach der am 12. Mai 1869 erfolgten Übertragung des fertiggestellten Opernhauses an das Hofärar – getätigt worden waren, und ersuchte um Ersatz von über 86.000 Gulden aus dem Stadterweiterungsfonds. Der größte Teil dieser Auslagen rührte aus Anschaffungen her, die aufgrund älterer Abmachungen vom Hofärar zu tragen gewesen wären. Dennoch 155 Vortrag Lasser v. 24.4.1873 – ebd., 1809/1873. 156 Vortrag Taaffe v. 14.7.1870 – ebd., 2737/1870.



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war Innenminister 1891 zu einem Kompromiss bereit  : Diejenigen Kosten, die im Zusammenhang mit der baulichen oder dekorativen Gestaltung standen, sollten vom Stadterweiterungsfonds getragen werden, insgesamt handelte es sich um rund 23.600 Gulden – wofür aber, wie Hohenwart betonte, »strenge genommen keine Verbindlichkeit des Fonds besteht«. Die Abrechnung ergab zudem ein Guthaben des Hofes beim Stadterweiterungsfonds von knapp 6000 Gulden. Hohenwart stimmte zu, damit nachträgliche technische Adaptionen zu bezahlen, den Wunsch des Obersthofmeisteramtes allerdings, dieses Guthaben an die Hoftheaterkasse zu übertragen, lehnte Innenminister Hohenwart ab157. Er zeigte sich also wie bereits sein Vorgänger Taaffe in praktischer Hinsicht kompromissbereit, stellte aber auch klar, dass der Fonds rein rechtlich »aller weiteren Haftungen und Kosten bezüglich des Opernhausbaues an das k. k. Hofärar enthoben ist«158. Nur ein kleiner Nachhang blieb ausständig, nämlich die Bezahlung der durch verspätete Lieferung des Bildhauers Julius Haehnel entstandenen Mehrkosten für den Bronzeguss der fünf Loggiafiguren des neuen Opernhauses  ; 1200 Gulden aus dem Stadterweiterungsfonds mussten an die Gießerei überwiesen werden159. Nach demselben organisatorischen Muster erfolgte 1874 bis 1888 die Errichtung des Hofburgtheaters nach Plänen von Gottfried Semper, unter Beteiligung von Carl von Hasenauer. Auch wenn die Hoftheater und Hofmuseen durch die Übertragung an das Hofärar aus den finanziellen Obliegenheiten des Fonds ausschieden, blieb doch die Herstellung der Plätze um diese Gebäude herum ganz oder teilweise Angelegenheit des Stadterweiterungsfonds. Besonders teuer war die Platzgestaltung um das Hofburgtheater, dafür fielen 150.000 Gulden an  ; wesentlich günstiger kam die Gartenanlage bei dem an die Gemeinde Wien übertragenen Volkstheater, dafür leistete der Stadterweiterungsfonds nur einen Zuschuss von 8000 Gulden160. Die Eigentumsfrage wurde bis zum Ende der Monarchie nicht klar geregelt und, als Anfang des 20. Jahrhunderts im zweiten Stock des Kunsthistorischen Hofmuseums Umbauarbeiten nötig wurden und das Oberstkämmereramt die Kosten an den Staatserweiterungsfonds abwälzen wollte, wies dies Innenminister Bylandt-Rheidt mit der Begründung ab, dass das Museum zwar aus Staatsmitteln errichtet worden war, aber die laufenden Kosten – auch bauliche Veränderungen – mit der Übertragung an das Hofärar im Jahre 1891 aus diesem zu bestreiten wären. Die Schlussfolgerung des Innenministers war dennoch überraschend  : »Im Hinblick auf das öffentliche Interesse für die Unterbringung der kaiserlichen 157 158 159 160

Vortrag Hohenwart v. 21.6.1871 – ebd., 2159/1871. Vortrag Hohenwart v. 21.7.1871 – ebd., 2615/1871. Vortrag Lasser v. 2.2.1873 – ebd., 528/1873. Vorträge Taaffe v. 18.11.1885 und v. 2.4.1889 – ebd., 4134/1885 und 1649/1889.

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11  Artur Bylandt-Rheidt

Kunstschätze wird der Stadterweiterungsfonds jedoch ausnahmsweise die Kosten übernehmen.«161 Zu Querfinanzierungen aus dem Stadterweiterungsfonds an den Hof kam es bis zum Ende der Monarchie immer wieder. So sollte nach dem Tod des Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand seine in der Neuen Hofburg untergebrachte Estensische Sammlung sowie die Sammlungen von seiner Weltreise dem Hof für eine halbe Million Kronen überlassen werden. Da der Hof sich finanziell dazu außerstande sah, sprang einmal mehr der Stadterweiterungsfonds ein, mit der eher fadenscheinigen Begründung, dass die Sammlungen bereits zu den Einrichtungsgegenständen der Neuen Hofburg zählten und somit eine Erwerbung für die kaiserlichen Sammlungen durch den Stadterweiterungsfonds gerechtfertigt erschien162. Festzuhalten ist, dass es keine klaren Regelungen hinsichtlich der Eigentumsrechte an den höfischen Ringstraßengebäuden gab, dass sie offenbar aber als Staatseigentum betrachtet wurden und nur deren Erhaltung und die Betriebskos161 Vortrag Bylandt-Rheidt v. 19.1.1905 – ebd., 263/1905. 162 Vortrag Heinold v. 9.11.1914 – ebd., 2439/1914.



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ten vom Hof – als Eigentümer der hier untergebrachten Sammlungen bzw. als Theaterbetreiber – übernommen wurden. Die Wiener Ringstraße wurde damit zum architektonischen Symbol für den kulturpolitischen Wandel in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der geprägt war von der Ablösung höfischer Repräsentation durch eine mit bürgerlicher Selbstdarstellung verbundene staatliche Kulturpolitik. Als architektonischer – und politischer – Gegenpol zu den raumplanerisch von den antiken Kaiserforen inspirierten, mit dem kaiserlichen Palast architektonisch lose verbundenen Museen, wurde in den Jahren 1874 bis 1883 das Parlamentsgebäude von Theophil Hansen im klassischen griechischen Stil errichtet. Für den Bau wurden Materialien aus fast allen Kronländern verwendet, wodurch alle »im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder« symbolisiert wurden – wieder tritt uns hier eine in Stein gemeißelte österreichische Synthese entgegen. Die bürgerliche Komponente kam in den Monumentalbauten durch das 1872 bis 1883 im Stil der flämischen Gotik errichtete Rathaus zum Tragen. Das Grundstück – der militärischen Zwecken vorbehaltene Paradeplatz – hatte die Gemeinde Wien unter dem liberalen Bürgermeister Cajetan Felder dem Hof abgerungen, der über 100 Meter hohe Turm wurde zum Sinnbild bürgerlichen Selbstbewusstseins. Der eng mit dem Aufstieg des Bürgertums verbundene Aufschwung der Wissenschaften erhielt durch das von Heinrich von Ferstel in den Jahren 1877 bis 1884 im Stil der Neorenaissance errichtete Universitätsgebäude sein architektonisches Symbol. Anfang des 20. Jahrhunderts bekam auch die Moderne mit dem von Otto Wagner erbauten Postsparkassengebäude eine würdige Vertretung im zusammengewürfelten Gesamtkunstwerk Ringstraße. 1.3 Das große Erbe  : Der Historismus als staatspolitische Aufgabe 1.3.1 Organisatorische Grundlagen

Dem Kultusministerium oblag – zunächst für die gesamte Monarchie, ab 1867 nur mehr für Cisleithanien – die oberste Leitung und Aufsicht über das gesamte Unterrichts- und Erziehungswesen sowie über Wissenschaft und Kunst. Als oberste staatliche Behörde unterstanden ihm die Universitäten, Bibliotheken und Forschungsinstitute163. Hinsichtlich der privaten Anstalten und Gesellschaften 163 Die geologische Reichsanstalt, die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, die österreichische Kommission für die internationale Erdmessung und das österreichische Gradmessungsbureau, die Lehranstalt für orientalische Sprachen, das Institut für österreichische Geschichtsforschung, das Historische Institut in Rom, das Österreichische Museum für Kunst und Industrie, das Technologische Gewerbemuseum, das Österreichische Archäologische Institut, die archäologischen Museen in Aquileja und Spalato sowie die zoologische Station in Triest.

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(Kunstvereine, Musikschulen, Sammlungen und Museen) beschränkte sich seine Wirksamkeit auf die Oberaufsicht und finanzielle Unterstützungen. Eine besondere Stellung nahmen die Kunstakademien in Wien, Krakau und Prag ein, deren Organisation zwar auf speziellen Statuten beruhte, die aber fixe staatliche Dotationen erhielten und zum Ministerium ressortierten164. Dem Ministerium unterstanden zwölf öffentliche Bibliotheken  : die Universitätsbibliotheken von Wien, Graz, Prag, Innsbruck, Krakau und Lemberg sowie Studienbibliotheken in Salzburg, Linz, Klagenfurt, Laibach, Görz und Olmütz  ; hinzu kam 1875 die Universitätsbibliothek Czernowitz. Diese Bibliotheken galten als Landesbibliotheken mit Ablieferungspflicht  ; bis zum Ende der Monarchie erhöhte sich deren Zahl, nur die Hofbibliothek blieb bis zuletzt außerhalb des staatlichen Rahmens165. Organisatorisch war das Ministerium in einzelne Fachdepartements und in das Budget- und Rechnungsdepartement gegliedert. Nach der Wiedererrichtung des Ministeriums für Cultus und Unterricht im Jahr 1867 gab es drei Sektionen  : Kultus (Departement I-III), Unterricht (Departement IV-XI, darunter das Departement VII, das Kunstdepartement) sowie die Sektion für allgemeine Angelegenheiten (XII-XV, letztere hatte als Budgetdepartement auch über das Kunstbudget zu befinden). Den einzelnen Departments bzw. Sektionen übergeordnet war das Präsidium, das als Kontaktstelle zum Minister und zu den anderen Ministerien fungierte und das die zentralen Angelegenheiten betreute. In beratender Funktion wurden Experten von außen hinzugezogen und spezielle Kommissionen gegründet, so die »Zentralkommission für Angelegenheiten des gewerblichen Unterrichts« oder die »ständige Kommission für Kunstangelegenheiten«. Zusätzlich waren als beratende Organe des Ministeriums ab 1899 (bis 1905) der Kunstrat sowie das 1903 errichtete Komitee für die moderne Galerie in Wien tätig166. Unterrichtsminister Stremayr war bestrebt, die Rolle des Ministeriums als Kunstbehörde zu stärken und drängte, bei Staatsbauten das Einvernehmen mit dem Unterrichtsministerium zu suchen, um den »ästhetischen Anforderungen« 164 Ernst Mayrhofer, Anton Pace, Handbuch für den politischen Verwaltungsdienst in den im Reichsrate vertretenen Königreichen und Ländern, Eintragung »Wirkungskreis des Ministeriums für Cultus und Unterricht in Bezug auf Kunst und Wissenschaft«, Bd. 1, 922-925. An der Krakauer Kunstschule gab es eine Mal- und eine Zeichenschule, nicht aber eine Bildhauerschule, für die es nach Meinung Eitelbergers keinen Bedarf gab. Vortrag Stremayr v. 20.1.1876 – HHStA, Kab. Kanzlei, 351/1876. 165 Josef Bick, Die staatlichen Bibliotheken Österreichs 1848–1948, in  : 100 Jahre Unterrichtsministerium, 101–113. 166 Eintragung »Ministerium für Cultus und Unterricht«, in  : Ernst Mischler, Joseph Ulbrich, Österreichisches Staatswörterbuch. Handbuch des gesamten österreichischen öffentlichen Rechtes (Wien 21905–1909), 325–330.



Das große Erbe  : Der Historismus als staatspolitische Aufgabe 

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gerecht zu werden – sowie generell, dass »bei Erledigung von wichtigen Angelegenheiten, in welchen ein Interesse der Kunst wesentlich mit berührt wird, von Seiten der Ministerien ein Gutachten des Ministeriums für Cultus und Unterricht eingeholt werde«167. Durch Ministerialerlass vom 3. August 1887 wurde eine »Zentraldirektion der k. k. Schulbücherverlage« und zusätzlich im Ministerium eine eigene Kommission für die Angelegenheiten des Schulbücherwesens geschaffen. Durch die Approbation von Schulbüchern beeinflusste das Ministerium die kulturelle Entwicklung der einzelnen Kronländer nachhaltig, die tatsächlichen Wirkungen sind allerdings nur schwer zu fassen168. Auf den Kunstreferenten der fünfziger Jahre, Franz Anton Thun, folgte im Jahre 1861 Adolf Heider, der als Ministerialrat die Kunstangelegenheiten betreute169. Unter Staatsminister Schmerling – von 1861 bis 1866 war das Unterrichtsministerium Teil des Staatsministeriums – wurden 1863 nicht nur erstmals 10.000 Gulden für Künstlerstipendien bereitgestellt, sondern es wurde auch eine Kunstkommission ins Leben gerufen, die das Ministerium unter dem Vorsitz des für Kunstangelegenheiten zuständigen Sektionschefs hinsichtlich der Vergabe der Künstlerstipendien, der Subventionen an Künstlervereinigungen, dem Ankauf von Kunstwerken sowie bei Kunstaufträgen beraten sollte. Die Kommission gliederte sich in drei Sektionen (Bildende Kunst, Literatur, Musik und Architektur) und war bis 1918 das beständigste Beratungsorgan des Ministeriums in Kunstangelegenheiten. Jährlich fanden vier bis sechs Sitzungen statt, zusätzlich wurden einzelne Mitglieder ad hoc zu Konsultationen gebeten. Zu ihnen zählten u.a. Eduard Hellmer, Carl Moll, Felician Myrbach, Caspar Zumbusch, Vatroslav Jagić und Antonín Dvořák. Für gewöhnlich wurden zur Beschleunigung der Geschäfte in Wien wohnhafte Persönlichkeiten in die Kunstkommission berufen, was einen Zéntralisierungseffekt mit sich brachte und die Kulturpolitik auf Wien ausrichtete. In der Literatursektion hielten sich deutschsprachige und slawische Mitglieder die Waage. Die Literatur- und Musiksektionen beschäftigten sich überwiegend mit Ansuchen um Stipendien und Subventionen. Es fanden nur selten Beratungen statt, dagegen war die Arbeit der Sektion für bildende Kunst intensiver  ; regelmäßig wurden Sitzungen unter Vorsitz des Sektionschefs, des Kunstreferenten oder des Ministers abgehalten. 167 Vortrag Stremayr v. 2.6.1872 – AVA, Unterricht-Präs., 391/1872. 168 Viktor Fadrus, Österreichs Schulbücher im Wandel zweier Jahrhunderte, in  : 100 Jahre Unterrichtsministerium, 194–222. Dazu auch Ernst Bruckmüller, Patriotismus und Schulunterricht. Lehrpläne und Lehrbücher als Instrumente eines übernationalen Gesamtstaatsbewusstseins in den Gymnasien der späten Habsburgermonarchie, in  : Vincenc Rajšp (Hg.), Pravo-Zgodovina-Narod – Recht-Geschichte-Nation. In memoriam Sergij Vilfan (Ljubljana 1999), 511 ff. 169 Leodegar Petrin, Die bildende Kunst in Österreich und ihre Förderung, in  : 100 Jahre Unterrichtsministerium, 342–354.

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Die staatliche Kunstpolitik

1.3.2 Ideologe und Motor  : Rudolf Eitelberger von Edelberg

Rudolf Eitelberger wurde 1817 in Olmütz geboren. Er widmete sich zunächst philologischen Studien, dann aber dem Aufbau der Kunstgeschichte an der Universität Wien, wo er 1847 zum ersten Dozenten dieses Faches berufen wurde und 1864 einen eigenen Lehrstuhl einrichten konnte. Neben seiner Tätigkeit für das Österreichische Museum engagierte er sich intensiv für den Denkmalschutz und 1872 für eine Reform der Akademie170. Eitelberger wurde zum künstlerischen Ideologen der Ringstraße – sie galt ihm als wichtiger Impuls für die Kunst und den Städtebau in der gesamten Monarchie im Sinne eines »historistischen Monarchiestils«. Eng verbunden damit war die Ausgestaltung öffentlicher Plätze durch Denkmäler, was überall zu einem Aufschwung der Bildhauerei sowie der Erz- und Marmortechnik führte171. Eitelberger war felsenfest von sich und seinen Initiativen überzeugt  : 1878 meinte er, es sei ihm gelungen, das kulturelle Bild der Habsburgermonarchie nachhaltig zu verändern  ; im Kunstgewerbe sei Österreich vom Nachahmer zum Vorbild geworden172. Abgesehen von dieser Selbstüberschätzung und der Tatsache, dass seine drei Jahrzehnte andauernde Dominanz im österreichischen Kunstleben auch kritisiert wurde – vor allem weil Eitelberger ihm nicht genehme Strömungen nicht zur Geltung kommen ließ –, bleiben doch seine Leistungen für die Entwicklung von Kunst und Kunstgewerbe sowie generell für die Kunstpolitik des Historismus unbestritten. Über seine Funktion als Museumsdirektor hinaus engagierte er sich für den Ausbau des Zeichenunterrichts an den Schulen und arbeitete Anfang der sechziger Jahre eine Reform der Lehrerausbildung und der Lehrpläne aus. Der Unterricht werde »nach verschiedenen Methoden betrieben, [was] den Erfolg des Unterrichtes empfindlich beeinträchtigt«, kritisierte er  ; regelmäßige Leistungsschauen in den Hauptstädten und in Wien sollten eine bessere Vergleichbarkeit ermöglichen173. Auch wenn Eitelberger selbst die Förderung eines österreichischen Staatpatriotismus in den Mittelpunkt seines Handelns stellte, wird bei ihm ebenso eine 170 Österreichisches Biographisches Lexikon, Bd. 1 (Wien 1957), 239 f. 171 Rudolf Eitelberger von Edelberg, Kunstbewegung in Österreich, 65. 172 Ebd., VII. 173 Eitelberger an Schmerling v. 25.10.1864 sowie die Stellungnahme Schmerlings im Entwurf – AVA, Unterricht-Präs., 7435/1864. In seiner Kritik an den Zeichenlehrern war er unversöhnlich  : Als 1872 der ehemalige Linzer Zeichenlehrer J. M. Kaiser – er hatte mittlerweile gekündigt und war als freischaffender Künstler tätig, seine Arbeiten wurden auch von Adalbert Stifter gelobt – für das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens vorgeschlagen wurde, verweigerte Eitelberger ein Gutachten und verhinderte damit die Ordensverleihung. AVA, Unterricht-Präs., 301/1872.



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nationale Komponente deutlich. Dies insbesondere in einem Vortrag, den er unter dem Eindruck des Deutsch-Französischen Krieges im Jahre 1870 unter dem Titel »Die österreichische Kunstindustrie und die heutige Weltlage« hielt und der auch in gedruckter Form erschien174. Nur die unleugbare Superiorität der französischen Kunstindustrie habe dem germanischen Geist Einhalt gebieten können, schrieb er. Im nüchternen deutschen Geschmack würden Fleiß und Ausdauer des deutschen Volkes deutlich werden. Das deutsche Kaiserreich sei keine Gefahr für Österreich, der Feind der österreichischen Kunstindustrie sei die französische Kunstgewerbeproduktion. In Deutschland eröffne sich Österreich hingegen ein neuer Markt, den man ausbauen müsse, denn  : Die Zukunft Österreichs liege nicht bei den Slawen, sondern bei den Deutschen. Eitelberger sprach von einem »geistigen Ineinanderleben Österreichs und Deutschlands«, wobei es die Aufgabe des Österreichischen Museums sei, durch die geistige Verbindung mit dem deut174 Rudolf Eitelberger von Edelberg, Die österreichische Kunstindustrie und die heutige Weltlage. Vortrag, gehalten im k. k. Österreichischen Museum am 27. Oktober 1870 (Wien 1871).

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schen Nachbarstaat die österreichische Kunstindustrie zu formen, ihre Exportfähigkeit zu erhöhen und ihre dominierende Stellung zu sichern. 1878 verglich Eitelberger anlässlich der Pariser Weltausstellung die Fortschritte der Österreichischen Kunstindustrie mit der Situation um 1867, als ebenfalls Paris Ort der Weltausstellung gewesen war175. Kein Staat habe seither auf dem Gebiet des Kunstgewerbes und des Unterrichtswesens derartige Fortschritte gemacht wie Österreich, größere Defizite sah er jedoch in der Ausbildung weiblicher Fachkräfte. Es habe sich einmal mehr gezeigt, dass im Kunstgewerbe kein Staat in Umfang und Qualität an die Leistungen Frankreichs herankomme. Auch nicht Japan, das wesentlich billiger produziere als die europäischen Länder. An die dritte Stelle reihte Eitelberger England, das zwar wenig Neues ausstelle, doch »jeder, der die englische Ausstellung betritt, fühlt, dass er es hier mit der Weltproduktion der reichsten Nation zu tun hat«. An vierter Stelle sah Eitelberger bereits Österreich  : »Die Fortschritte, die Österreich auf dem Gebiete der Kunst und des Geschmackes aufweist, sind ganz außerordentlich. Man fühlt es auf der Ausstellung, dass ein Institut da ist, welches den Industriellen direkt oder indirekt Impulse gibt. Der wilde Naturalismus und die Verwirrung der Stilbegriffe, die Österreich seit 15 Jahren beherrscht haben, sind, wenn auch nicht ganz, so doch zum größten Teil verschwunden, und so ist es möglich geworden, die österreichische Abteilung in einem vornehmeren und einheitlichen Charakter zu repräsentieren.« Blickfang der Pariser Kunstausstellung war das Gemälde Makarts vom Einzug Karls V. in Antwerpen, auf dem Gebiet der Kunstindustrie dominierten die Firmen Ludwig Lobmeyr und Philipp Haas. Ihre Präsentation sei »eine ganz unvergleichliche«, schrieb Eitelberger, der vor allem die Leistungen der Bronzeindustrie hervorhob. Dennoch sei sie aus technischen und finanziellen Gründen der französischen Konkurrenz nicht gewachsen. Auch auf anderen Gebieten des Kunstgewerbes verkaufe sich die österreichische Produktion unter ihrem Wert. »Die Ausstellung Lobmeyrs ist unvergleichlich, nach welcher Richtung hin man auch dieselbe betrachten mag.« Die böhmische Glasindustrie sei hingegen wie die böhmische Keramikindustrie sehr schlecht vertreten, ebenso die Kunsttischlerei. Darin sah Eitelberger ein großes Manko, da der englische und amerikanische Geschmack bei Möbeln nicht dem französischen entspreche und österreichische Unternehmen ihre Chance nicht nützten. Auch die Textilbranche war – abgesehen von der Firma Philipp Haas – schlecht vertreten. Die größten Lücken meinte Eitelberger auf malerisch-dekorativem Gebiet zu erkennen. Dennoch habe die Pariser Weltausstellung zu einer weiteren Verbesserung der Stellung Österreichs im Kunstgewerbe beigetragen. 175 Eitelberger an Stremayr v. 8.6.1878 – AVA, Unterricht-Präs., 370/1878. Die folgenden Zitate stammen aus diesem Vortrag.



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1884 wurde das Kunstbudget erstmals kumuliert ausgewiesen. Eitelberger nützte diesen Umstand wenige Monate vor seinem Tod zu einer Bestandsaufnahme176. Das Interesse für Kunst sei in der Öffentlichkeit stark gestiegen, was er als Erfolg der von ihm betriebenen Einführung des obligatorischen Zeichenunterrichts an den Volksschulen und der Schaffung eines dichten Netzes von kunstgewerblichen Fachschulen sah. Eitelberger hielt die Höhe des Kunstbudgets (einschließlich der Ausgaben für archäologische Zwecke) mit 265.280 Gulden für äußerst moderat, da darin auch die Ausgaben für die Akademien in Wien und Krakau sowie die Subventionen für Musikinstitute und für Kunststipendien enthalten waren. Er forderte eine finanzielle Ausweitung und die Gründung einer österreichischen Staatsgalerie für moderne österreichische Kunst als Ergänzung zu den Landesmuseen, die die Kunstbedürfnisse der Kronländer abdecken und großzügig staatlich subventioniert werden sollten – verwirklicht wurde dies, in vergleichsweise kleinem Rahmen, erst zwei Jahrzehnte später. Wie sehr Eitelberger mit seinen Ideen die Kulturpolitik seiner Zeit prägte, wurde nach seinem Tod deutlich, denn nun fehlte der Ministerialbürokratie eine zentrale Persönlichkeit, die in der Lage gewesen wäre, die kunstpolitischen Ziele vorzugeben. Minister Conrad schlug 1889 den Archäologen Otto Benndorf als Berater des Ministeriums vor. Aufgrund der Prüfung des Kunstbudgets durch den Reichsrat und den Budgetausschuss bestehe im Ministerium der Wunsch nach einem »fachmännischen Beirat […], welcher je nach Bedarf zu den administrativen Verfügungen des Ministeriums beigezogen werden kann und dieselben mit seiner beruflichen Autorität unterstützt«. Benndorf schien dafür geeignet, weil er durch seine »Forschungsreisen nach Kleinasien Erhebliches zum Ruhme der österreichischen Wissenschaft beigetragen habe«. Minister Conrad war sich zwar klar darüber, dass Benndorf »nicht Kunstgelehrter und Kunstverständiger in dem Sinne [sei], wie es etwa der verstorbene Direktor des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie, Hofrat von Eitelberger, gewesen ist«. Dennoch traute er ihm zu, »dass er auf allen Zweigen des Kunstlebens und des Kunststudiums jenes Verständnis und jene Erfahrung besitzt, welche von einem Fachmanne gefordert werden müssen«. Benndorfs Beratertätigkeit wurde ihm mit 1200 Gulden abgegolten, doch erfüllte er die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht  : Weder sind weitreichende Vorschläge von ihm überliefert noch nahm er allgemein zu Kunst- und Kulturfragen Stellung, sondern er beschränkte sich auf Expertisen zu seinem Forschungsfeld, der Archäologie177. Nur eine einzige – erfolglose – Initiative Benndorfs ist überliefert  : 1889 schlug er die Gründung einer Kommission für die Errichtung öffentlicher Denkmä176 Rudolf Eitelberger von Edelberg, Bemerkungen über das österreichische Kunstbudget aus Anlass des Staatsvoranschlags 1884 (Wien 1884). 177 Vortrag Conrad v. 28.4.1889, Ah. E. v. 2.5.1889 – AVA, Unterricht-Präs., 760/1888.

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ler vor. Die Neugestaltung der Stadt habe zu einem Aufschwung der bildenden Künste geführt, der auch den anderen Städten der Monarchie zu Gute gekommen sei. Die Finanzkrise und das Ende der Stadterweiterung gefährdeten jedoch die künstlerische Blüte, zudem entstanden durch den Tod Ferstels, Eitelbergers, Makarts und Canons personelle Lücken – die großen Architekten zogen sich von Wien zurück. Die bildenden Künstler litten unter der geringen Zahl an Staatsaufträgen, daher schlug Benndorf vor, mit einem Budget von jährlich 20.000 Gulden die Errichtung von Denkmälern zu subventionieren und der bildenden Kunst hierdurch einen neuen Impuls zu geben, um damit – schrieb Benndorf – das Heimatgefühl zu vertiefen und die patriotische Empfindung zu stärken. Dieser Vorschlag stammte vom 29. Dezember 1889 – verwirklicht wurde er nie, denn die Epoche der großen Denkmäler war mit dem Historismus zu Ende gegangen, die entstehende Moderne hatte andere Prioritäten178.

178 AVA, Unterricht-Präs., 1921/1893.



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1.3.3 Die Wiener Kunstakademie

Die Ernennung von Kunstprofessoren war ein wichtiges kulturpolitisches Steuerungselement, das von den Unterrichtsministern intensiv genützt wurde, meist im Sinne einer Stärkung der vorherrschenden Kunstströmungen. Das wurde unter Leo Thun deutlich und gilt auch für seinen Nachfolger Anton Schmerling. Damals ging es vor allem um die Kupferstecherei, die der Konkurrenz neuer Techniken (Lithographie, Photographie) nicht gewachsen war. In Mailand und Venedig waren die Kupferstecherschulen schon in den fünfziger Jahren aufgelassen worden, in Wien sah die Kunstakademie ihre Aufgabe hingegen darin, »das völlige Erlöschen eines so wichtigen Kunstzweiges zu verhüten«, doch gab es weder studentische Nachfrage noch einen Kandidaten für den Lehrstuhl179. Man suchte daher im Ausland eine Persönlichkeit, die in der Lage sein sollte, diesen Kunstzweig wiederzubeleben und ihn für die Kunstindustrie nutzbar zu machen. Schmerling entschied sich für den aus einer jüdischen Familie stammenden Preußen Louis Jacoby, der Minister bezeichnete ihn als Künstler und Lehrer als Idealbesetzung180. Jacobys zwei Jahrzehnte dauernde Tätigkeit in Wien war erfolgreich, es gelang ihm, die Kupferstecherkunst in Österreich wieder zu etablieren und »seine Schüler für die Aufgaben seines Faches zu begeistern«181. Auch in der Bildhauerkunst gab es Defizite, es konnten kaum einheimische Künstler für die Dekorationen der Ringstraßenbauten gefunden werden. Eitelberger und der Opernarchitekt van der Nüll drängten daher zur Berufung eines ausländischen Künstlers182. Große Bedeutung maß der Minister der nach dem Tod Leopold von Kupelwiesers 1862 nötigen Neubesetzung des Lehrstuhls für Malerei bei, wobei ein Experte für Historienmalerei – »sei es in romantischer oder antiker Richtung« – gesucht wurde. Schmerling setzte diesbezüglich die Politik seines Vorgängers Thun fort, durch Vorträge zur »vaterländischen Geschichte« sollte die Geschichtskennt179 Vortrag Helfert v. 18.10.1860 – HHStA, Kab. Kanzlei, 3495/1860. 180 Ernennung mit Ah. E. v. 12.10.1863 auf den Vortrag Schmerlings v. 7.10.1863  – ebd., 3204/1863. Gleichzeitig förderten Akademie und Ministerium aber auch alternative Techniken wie die Übertragung von Fotos auf Metallplatten für den Buchdruck, eine von Paul Pretsch in Wien erfundene Methode. Dazu Vortrag Schmerling v. 16.3.1864 – ebd., 833/1864. 181 Vortrag Conrad v. 2.7.1882 – ebd., 2699/1882. 182 AVA, Unterricht-Präs., 6903/1861 sowie 4806/1863. Ausführliches Memorandum Eitelbergers zur Situation der Bildhauerei in Österreich 5399/1863. Die Berufung in- und ausländischer Kapazitäten machte eine Gehaltsreform nötig. Zunächst verordnete Schmerling pauschal eine Zulage von 400 fl. Vortrag Schmerling v. 8.1.1862 – HHStA, Kab. Kanzlei 114/1862. Das sollte aber nur der erste Schritt zu einer großen Gehaltsreform sein. Vortrag Schmerling v. 22.1.1863 – ebd., 322/1863.

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nis der Künstler verbessert werden183. Andererseits hatte die Historienmalerei mit der Schwierigkeit zu kämpfen, dass nationale Themen – da nicht im Sinne der Staatsraison – weitgehend ausgeschlossen waren und dynastische Themen überproportional im Vordergrund standen184. Schmerling befürwortete die Berufung Karl Rahls, der mit seinen Arbeiten auf breite bürgerliche Schichten wirkte. Rahl war ein international gefragter Maler, seine Berufung war 1850 aber aus politischen Gründen gescheitert. Er hatte sich damals ins Privatleben zurückgezogen und ohne staatliche Förderung eine erfolgreiche Schule für Monumentalmalerei ins Leben gerufen185. Schmerling sah in seiner Berufung daher auch einen »Akt moralischer Genugtuung«186. Im Vordergrund stand aber die Stärkung der Historienmalerei als Ergänzung zu den Professoren Ruben und Führich, die sich auf historische bzw. religiöse Themen konzentrierten187. 1866 wurde die Historienmalerei durch den Wechsel von Karl Blaas von Venedig nach Wien weiter gestärkt188. 1865 erhielt die Akademie ein neues Statut, wodurch sie insgesamt gestärkt werden sollte. Die über den Lehrbetrieb hinausgehenden Angelegenheiten wurden einem »akademischen Rat«, bestehend aus Professoren, Künstlern und Mäzenen, unter Leitung eines Präsidenten, überantwortet189. Vertreter der Historienmalerei im Rat waren zunächst Fritz L’Allemand, dann Ferdinand Laufberger190. Zum ersten Akademiepräsidenten wurde der Chef der Kunstsektion im Staatsministerium, Gustav Heider, ernannt191. Heider war nicht nur Beamter, sondern auch studierter Kunsthistoriker und hatte selbst Arbeiten über mittelalterliche Kunstdenkmale verfasst. Unterrichtsminister Hasner betonte anlässlich 183 AVA, Unterricht-Präs., 3765/1862. 184 Werner Telesko, Geschichtsraum, 330. 185 Österreichisches Biographisches Lexikon, Band 8 (Wien 1983), 391. 186 Die Ernennung Rahls erfolgte mit Ah. E. v. 17.2.1863 auf den Vortrag Schmerling v. 3.12.1863 – HHStA, Kab. Kanzlei, 3692/1863. 187 AVA, Unterricht-Präs., 6635/1862. Unter 1386/1863 der oben zitierte Vortrag Schmerling v. 3.12.1863. 188 Vortrag Belcredi v. 17.4.1866 – HHStA, Kab. Kanzlei, 1381/1866. Blaas war schon 1851 Professor an der Vorbereitungsschule gewesen. 189 Die Funktionsdauer der Räte war auf drei Jahre beschränkt, sie konnten aber wiederbestellt werden. Das neue Statut wurde mit Ah. E. v. 17.10.1865 auf den Vortrag Belcredi v. 30.8.1865 genehmigt – ebd., 2616/1865. 190 Vortrag Belcredi v. 29.12.1866 – ebd., 15/1866. 191 Vortrag Belcredi v. 28.1.1866 – ebd., 354/1866. Die Bestätigung der Wahl der Mitglieder des akademischen Rates erfolgte mit Ah. E. v. 1.5.1866 auf den Vortrag Belcredi v. 25.4.1866 – ebd., 1534/1866. Der Präsident wurde mit einer Funktionszulage von 1000 Gulden ausgestattet. Vortrag Hasner v. 20.3.1868 – ebd., 976/1868. Siehe auch AVA, Unterricht-Präs., 161/1868 sowie Unterricht Allg. 1091/1868, Fasz. 2858. Zu seiner Wiederbestellung Vortrag Hasner v. 25.2.1869 – ebd., 704/1869 sowie Vortrag Stremayr v. 17.2.1872 – ebd., 727/1872.



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der Verleihung des Franz-Joseph-Ordens im Jahre 1869 an ihn, dass es Heider in seinen beiden Funktionen in Ministerium und Akademie gelungen sei, »die außerhalb stehenden Künstler aus dem früheren Verhältnis der Entfremdung und Abgeschlossenheit zu einem harmonischen Zusammenwirken zu führen, welches für das Kunstleben in Wien und in Österreich überhaupt nicht anders als von glücklichen Folgen sein kann und schon dermalen in manchen Richtungen sich in erfreulicher Weise bemerkbar macht«192. Die Amtszeit von Unterrichtsminister Leopold Hasner war von der Umsetzung der Akademiereform (Statuten, Neugestaltung des Lehrplanes für das Architekturstudium) geprägt193, nachhaltigen Einfluss auf die künstlerischen Entwicklungen seiner Zeit übte er aber nicht aus. Die Verwaltung mehrerer Fonds, die sie unter Minister Thun verloren hatte, wurde der Akademie von Hasner wieder zugewiesen, weil ihr durch die letzte Reform »ihr früherer Charakter als allgemeines Kunstinstitut« wiedergegeben und ihr eine »beinahe autonome Stel192 Vortrag Hasner v. 12.4.1869, Ah. E. v. 16.4.1869 – AVA, Unterricht-Präs., 200/1869. 193 Vortrag Hasner v. 24.2.1868 – ebd., 787/1868.

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lung eingeräumt worden« sei194. Nach der zu Ende gegangenen Ära der Architekten van der Nüll, Sicardsburg und des nach Meinung des liberalen Hasner zu sehr auf kirchliche Baukunst spezialisierten Carl Roesner leiteten nun Friedrich Schmidt die Meisterschule für Baustile des Mittelalters und Theophil Hansen die Meisterschule für Baukunst der Antike und der Renaissance195. Unter Hasner begann auch die Tradition der Ernennung von Ehrenmitgliedern, unter ihnen Francesco Hayez, Franz Defregger, Joseph Führich, Hans Makart, Louis Dubois und Josef Tautenhayn. Es gab später regelrechte Ernennungsschübe, so 1878, 1884 (u.a. Theophil Hansen) und 1888 (Carl Graf Lanckoroński-Brzezie, Adalbert Ritter von Lanna, Ludwig Lobmeyr, Carl König, Emil Jacob Schindler, Eduard Charlemont, Eugen Blaas, Fritz August Kaulbach, Victor Lothar Tilgner und Rudolf Weyr)196. Anlässlich seines 80. Geburtstages wurde 1871 sogar Franz Grillparzer zum Ehrenmitglied der Akademie gewählt, denn dieser verfolge »ideale Ziele auf dem Gebiete geistigen Schaffens«197. In späteren Jahren wurden auch Gustav Klimt, Max Klinger und Carl Kundmann zu Ehrenmitgliedern ernannt. Hasners Nachfolger im Amt des Unterrichtsministers, Karl Stremayr, sollte die österreichische Kunstpolitik über ein ganzes Jahrzehnt dominieren. Wie seine Vorgänger verschrieb auch er sich der Förderung der Historienmalerei. Aufgrund der unerträglich gewordenen Raumsituation im St. Anna-Gebäude, wo die Akademie untergebracht war, wurde ihr 1870 ein Grundstück auf dem ehemaligen Kalkmarkt zur Errichtung eines neuen Gebäudes überlassen198, den Auftrag erhielt Theophil Hansen. Sein Projekt wurde zunächst als sehr gelungen bezeichnet, allerdings musste Hansen die veranschlagten Kosten durch Vereinfachungen um fast eine Million auf 1,2 Millionen Gulden senken199. Auch die Kosten für die Innenausstattung mussten erheblich reduziert werden200. Das neue Akademiegebäude wurde 1877 fertiggestellt, die beteiligten Künstler erhielten Auszeichnungen201, nur Hansen wurde übergangen, denn seine Arbeit galt nun als missglückt. Der um sein Urteil befragte Eitelberger nahm Hansen in Schutz  : »Nichts ist schwieriger als ein architektonisches Werk richtig zu beurteilen, nichts ist schwieriger als die Bedeutung eines Architekten gehörig zu würdigen.« Die öffentliche Meinung dürfe »bei keinem architekto194 195 196 197 198 199 200 201

Vortrag Hasner v. 15.12.1869 – ebd., 4671/1869. Vortrag Hasner v. 20.3.1868 – ebd., 1008/1868. Ebd., 4252/1878, 4659/1884, 2296/1888. Ebd., 215/18771 – AVA, Unterricht-Allg., Fasz. 2858. Vortrag Giskra v. 2.3.1870 – HHStA, Kab. Kanzlei, 894/1870. Vortrag Fidler (Leiter des Unterrichtsministeriums) v. 6.11.1871 – ebd., 4050/1871. Von 200.000 fl. auf 106.000 fl. Vortrag Stremayr v. 24.1.1876 – ebd., 361/1876. Vortrag Stremayr v. 27.3.1877 – ebd., 1193/1877 sowie AVA, Unterricht-Präs., 213/1877.



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nischen Werk der maßgebende Faktor« sein. Die Übergehung Hansens wäre eine Niederlage für die Architektur, »und das würde wesentlich ins Gewicht fallen, da die Architekten die einzigen sind, welche einem Zweige der bildenden Kunst in Wien einen Weltruf verschafft haben« 202. Eitelbergers Stimme war so gewichtig, dass Hansen schließlich doch noch eine Auszeichnung erhielt  : den Stern zum Komturkreuz des Franz-Joseph-Ordens – allerdings nicht in Würdigung des Akademiegebäudes, sondern für seine Leistungen als Lehrer und Architekt 203. Stremayr nützte das Instrument der Professorenernennung gezielt, er wollte dadurch für die Kunstentwicklung der Habsburgermonarchie richtungweisende Entscheidungen treffen. Auf den Lehrstuhl für Landschaftsmalerei wurde als Nachfolger von Albert Zimmermann der gebürtige Wiener Eduard von Lichtenfels nominiert, der seine Ausbildung teilweise im Ausland erhalten hatte204. Für Malerei wurde August Eisenmenger – ein Schüler Carl Rahls – berufen, weil er »sich der an einer Kunstakademie vor allem zu pflegenden Historienmalerei« widmete. Führich – nach Stremayr der bedeutendste Historienmaler des deutschen Sprachraums, »geradezu eine Größe, auf welche Österreich stolz sein kann«205 – musste aus Gesundheitsgründen pensioniert werden206. Stremayr sah sich nicht in der Lage, als Nachfolger eine »geeignete Persönlichkeit des Inlandes namhaft« zu machen207. Seine Wahl fiel auf den in Rom ansässigen Deutschen Anselm Feuerbach. Wie bei Makart zeichneten sich seine Arbeiten durch das dekorativ-malerische Element aus, »und durch seine Anstellung würde an der Akademie gewissermaßen dasjenige ergänzt, was eben Makart vollständig fehlt«. Feuerbach, so Minister Stremayr, »vertrete die große ideale Kunst […] und es solle seine Berufung […] allen ein Anzeichen sein, dass die große Kunst in Öster­reich eine Stütze haben werde«208. 202 Eitelberger v. 13.5.1877 – AVA, Unterricht-Präs., 326/1877. 203 Ah. E. v. 11.6.1877 auf den Vortrag Stremayr v. 9.6.1877 – HHStA, Kab. Kanzlei, 389/1877. Die Bildhauerateliers wurden, wegen der gewünschten Aussicht ins Grüne, nicht in der Akademie, sondern im obersten Teil des botanischen Gartens auf der Landstraße errichtet, »weil derselbe frei und hoch gelegen, gegen den Garten zu das absolut notwendige Nordlicht bietet, vom Akademiegebäude nicht allzu weit entfernt ist und wegen der Nähe der Gürtelstraße die Zufuhr der Steinblöcke erleichtert« Die Baukosten beliefen sich auf 100.000 fl. Vortrag Stremayr v. 10.6.1872 – ebd., 2664/1872. 204 Vortrag Stremayr v. 6.6.1872 – ebd., 2217/872. 205 Er war bereits Träger des Ritterkreuzes dieses Ordens sowie des Ordens der eisernen Krone III. Klasse. Vortrag Stremayr v. 2.1.1872 – ebd., 71/1872. 206 Vortrag Stremayr v. 8.8.1870 – ebd., 3203/1870. Dies war mit einer deutlichen Erhöhung seiner Bezüge verbunden. 207 Vortrag Stremayr v. 28.3.1872 – ebd., 1252/1872. 208 Feuerbach blieb allerdings nicht lange an der Akademie, denn er trat im Jahre 1877 aus Gesundheitsgründen von seiner Position zurück. Vortrag Stremayr v. 6.3.1877 – ebd., 899/1877.

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Die wichtigen Lehrstühle waren nun im Sinne Stremayers besetzt  : Feuerbach, Eisenmenger sowie die Bildhauer Zumbusch und Kundmann waren die Wahl des Ministers209. Die Ernennung von Carl Kundmann war unumstritten, Stremayr sah sich aber außer Stande, noch einen weiteren geeigneten inländischen Kandidaten ausfindig zu machen und nahm mit Caspar Zumbusch in München Kontakt auf, der dem Ruf nach Wien folgte, »weil er daselbst einen weit günstigeren Boden für sein künstlerisches Wirken zu finden erwartet« als in München, wo es an großen Aufträgen mangelte. Der Deutsche Zumbusch – 1830 in Westfalen geboren – hatte seine künstlerische Ausbildung in München und Rom erhalten210. Diese Personalveränderungen im Sinne des Ministers bildeten die Grundlage für eine neuerliche Umstrukturierung der Akademie. Der akademische Rat wurde aufgelöst, neue Statuten wurden ausgearbeitet, aber auch die Öffnung des Kunststudiums für Frauen und eine Reform der Kunstausstellungen standen zur Diskussion. Stremayr berief Eitelberger ins Ministerium, der »durch seine bisherige Tätigkeit, sein glänzendes organisatorisches Talent und seine tiefe Einsicht in die Bedürfnisse der Kunst und des kunstgewerblichen Unterrichtes in Österreich« ganz besonders dafür geeignet schien, neue Statuten zu entwerfen und das künstlerische Niveau der Akademie zu heben211. An die Stelle des bisherigen Direktors sollte ein aus dem Professorenkollegium gewählter Rektor treten, die Aufnahmebedingungen für Studenten sollten nach dem Vorbild Münchens verschärft werden. Neue Spezialschulen wurden eingerichtet und das Ausstellungswesen wurde neu geregelt, »da es unerlässlich erscheint, das Institut der Ausstellungen wieder von Staats wegen in die Hand zu nehmen«. Wichtig war Stremayr eine stärkere Einbeziehung der Kronländer, denn »die bisherigen ›internationalen‹ Ausstellungen hatten leider immer einen lokal-wienerischen Charakter«. Die Verwaltung der Aushilfs-, des Kunstausstellungsfonds und des Stiftungs- und des Stipendienfonds wurde wieder vom Ministerium übernommen212. Im Gegenzug wurden Stipendien und Preise in der Höhe von 20.000 Gulden gestiftet213, und die Professorengehälter wurden deutlich angehoben214. Die alte Konstruktion mit Gustav Heider als Akademiepräsident hatte ausgedient215, Heider wurde zum Sektionschef für die außeruniversitäre Forschung ernannt, unter anderem 209 Vortrag Stremayr v. 12.7.1872 – ebd., 2995/1872. 210 Vortrag Stremayr v. 19.4.1872 – ebd., 1569/1872. 211 Vortrag Stremayr v. 2.6.1872 – ebd., 2135/1872. 212 Vortrag Stremayr v. 3.8.1872 – ebd., 3081/1872. 213 Rudolf Eitelberger von Edelberg, Kunstbewegung in Österreich, 48 ff. 214 Vortrag Stremayr v. 30.8.1872 – ebd., 3617/1872. Dazu auch 4418/1874 sowie sein Vortrag v. 5.2.1875 – ebd., 785/1875. 215 Vortrag Stremayr v. 23.8.1872 – ebd., 3254/1872. Siehe auch AVA, Unterricht-Präs., 576/1872.



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mit Zuständigkeit für die Akademie der Wissenschaften und die Geologische Reichsanstalt216. Die Akademiereform bedeutete auch das Ende der Ära von Christian Ruben, der bei vollen Bezügen pensioniert wurde217. Die Akademie verlor durch diese Reform endgültig ihren Status als »Kunstbehörde«. Zeichenunterricht und Kunstgewerbe wurden ausgegliedert, die Akademie sollte sich ausschließlich der Kunstausbildung widmen, und zwar in den Hauptfächern Malerei, Skulptur, Architektur, Graveur- und Medailleurkunst sowie Kupferstecherei. Als Hilfsfächer wurden Anatomie, Perspektive und Stillehre geführt. Das machte weitere Professorenernennungen nötig, für architektonische Hilfswissenschaften wurde auf Empfehlung Hansens der 31-jährige Hannoveraner Georg Niemann ernannt218. Für die kirchliche Historienmalerei wurde der Direktor der Prager Kunstakademie, Josef Matthias Trenkwald, berufen. Es war nicht der erste Aufenthalt des Pragers in Wien, bereits 1852 hatte er Ruben hierher begleitet, nach einem fünfjährigen Studienaufenthalt in Italien war er aber nach Prag zurückgekehrt und wurde 1863 zum Direktor der dortigen Kunstschule ernannt219. Trotz aller Erneuerung auf anderen Gebieten blieb die Historienmalerei weiterhin im Fokus des Ministers  : 1875 berief er den aus Oldenburg stammenden Christian Griepenkerl als Professor der allgemeinen Malerschule nach Wien. Griepenkerl galt als einer der besten Schüler Rahls, »dieses glänzenden Repräsentanten der Historienmalerei in Österreich«220. 1877 wurde Feuerbach aus Gesundheitsgründen pensioniert, zu seinem Nachfolger wurde Heinrich von Angeli an die Spezialschule für Historienmalerei berufen221. Auch der Professor an der allgemeinen Malerschule, Eduard Engerth, zog sich zurück, da er sich auf seine Tätigkeit als Direktor der kaiserlichen Sammlungen konzentrieren wollte222. Engerth war bereits 1871 zum Direktor der kaiserlichen Gemäldegalerie ernannt worden, hatte damals aber seine Akademieprofessur behalten223. 1878 wurde Hans Makart zum Professor ernannt, nachdem 216 Eine jährliche Personalzulage von 1000 fl. sollte ihm diesen Schritt erleichtern. AVA, Unterricht-Präs., 389/1872. 217 Vortrag Stremayr v. 19.9.1872 – HHStA, Kab. Kanzlei, 3656/1872. 218 Vortrag Stremayr v. 13.9.1872 – ebd., 3619/1872. Zum ordentlichen Professor wurde er allerdings erst mit Vortrag Gautsch v. 10.4.1893 ernannt – ebd., 1649/1893. 219 Trenkwald wechselte mit seinem Prager Gehalt von 2400 Gulden nach Wien. »In seinen religiösen Gemälden spricht sich das eigentümliche Wesen dieses Künstlers aus, welcher für das Stille, Friedliche und Duldsame einen besonders glücklichen und überzeugenden Ausdruck zu finden weiß  ; sie geben aber auch ein glänzendes Zeugnis von strenger Zeichnung, edler und harmonischer Komposition sowie von tiefer und inniger Religiosität.« Vortrag Stremayr v. 25.9.1872 – ebd., 3778/1872. 220 Vortrag Stremayr v. 11.3.1875 – ebd., 995/1875. 221 Vortrag Stremayr v. 13.3.1877 – ebd., 1021/1877. 222 Vortrag Stremayr v. 2.5.1877 – ebd., 1671/1877. 223 Vortrag Jireček v. 5.6.1871 – ebd., 2003/1871.

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sein Konkurrent Defregger eine Berufung an die Münchener Akademie erhalten hatte224. Zum Professor für Graveur- und Medailleurkunst wurde Josef Tautenhayn ernannt225. Er war bisher am Hauptmünzamt beschäftigt gewesen, das ähnlich wie das »Staatsnotenatelier« als hochwertige künstlerische Einrichtung galt226. Ausgeprägte kunstpolitische Akzente hinsichtlich der Ernennungen von Akademieprofessoren im Sinne einer Förderung konservativer Stilrichtungen und des Denkmalschutzes setzte auch Unterrichtsminister Sigmund Conrad von Eybesfeld. Für die allgemeine Bildhauerschule wurde Edmund Hellmer ernannt, der bereits seit Jahren Lehrveranstaltungen an der Akademie hielt. Der in Wien geborene Hellmer hatte sich auf der internationalen Kunstausstellung in München einen Namen gemacht, durch ein Staatsstipendium wurde ihm ein Romaufenthalt ermöglicht. Die Architektur wurde unter Conrad um eine Professorenstelle gekürzt227, weil Architektur an vier Institutionen – an der Baugewerbeschule, der Technischen Hochschule, der Kunstgewerbeschule und an der Akademie – angeboten wurde, einheitliche Lehrpläne fehlten jedoch 228. Zur Nachfolge für den pensionierten Theophil von Hansen – nunmehr Ehrenmitglied der Akademie229 – wurde Carl Hasenauer berufen230. Nachfolger Friedrich von Schmidts wurde 1891 Viktor Luntz von der Technischen Hochschule, dem im Sinne des Denkmalschutzes eine möglichst »stilgerechte und pietätsvolle Erhaltung und Ausgestaltung der in Österreich vorhandenen mittelalterlichen Bauwerke« zugetraut wurde. Er wurde auch in die Zentralkommission für die Kunst- und historischen Denkmale berufen231. Damit kam es zu einer stärkeren Berücksichtigung des Denkmalschutzes an der Akademie – eine Novität in ihrer 200-jährigen Geschichte232, die sich allerdings schon durch Friedrich von Schmidt angekündigt hatte233. 224 Vortrag Stremayr v. 29.11.1878 – ebd., 2416/1878. 225 Vortrag Conrad v. 15.10.1881 – ebd., 4089/1881. 226 Es unterstand dem Finanzministerium, wurde aber vom Professor an der Kunstgewerbeschule Josef Storck geleitet. Vortrag Szlávy v. 11.1.1882 – ebd., 215/1882. 1901 wurde die Schließung überlegt, es wurde jedoch vom damaligen Finanzminister Böhm-Bawerk gerettet. Vortrag Böhm-Bawerk v. 18.4.1901 – ebd., 1120/1901. 227 Vortrag Conrad v. 29.10.1882 – ebd., 4205/1882. 228 Ein diesbezügliches Memorandum wurde von 56 Architekten unterschrieben und von Eitelberger am 1.5.1884 dem Minister präsentiert – AVA, Unterricht-Präs., 447/1884. 229 Vortrag Conrad v. 19.12.1884 – ebd., 4659/1884. 230 Vortrag Conrad v. 16.7.1884 – ebd., 2614/1884. 231 Vortrag Gautsch v. 27.11.1891 – ebd., 4928/1891. 232 1892 wurde des 200-jährigen Bestandes der Wiener Kunstakademie gedacht und »im Hinblick auf die große kulturelle und patriotische Bedeutung dieses Erinnerungstages« eine Gedenktafel für Kaiser Leopold I. enthüllt. Vortrag Gautsch v. 3.10.1892 – ebd., 4348/1892. 233 Für die Kupferstecherschule wurde 1882 als Nachfolger für den pensionierten Louis Jacoby der Nürnberger Johannes Sonnenleiter ernannt, der in den fünfziger Jahren über Triest und Venedig



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15  Sigmund Conrad von Eybesfeld

nach Wien gekommen war, wo er mit Louis Jacoby zusammengearbeitet hatte. Sonnenleiter galt als hervorragender Kupferstecher. Vortrag Conrad v. 10.11.1882 – ebd., 4320/1882. Die Notwendigkeit eines Lehrstuhls für Kupferstecherei stand nun außer Frage. 1882 wurde Karl Ritter von Blaas nach über 30-jähriger Lehrtätigkeit pensioniert  ; Conrad warf ihm vor, seine Unterrichtstätigkeit vernachlässigt zu haben. Seine früheren Leistungen waren mit der Goldenen Medaille für Kunst und Wissenschaften und dem Komturkreuz des Franz-Joseph-Ordens gewürdigt worden. Vortrag Conrad v. 7.1.1882 – 3893/1882. Zu seinem Nachfolger ernannte Conrad auf Vorschlag der Akademie Sigmund L’Allemand – den Neffen des Schlachtenmalers Fritz L’Allemand –, den er zu den »tüchtigsten vaterländischen Künstlern« zählte. Der 1840 in Wien geborene L’Allemand hatte bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter das goldene Verdienstkreuz mit der Krone, die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft sowie das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens. Conrad sah in dessen Berufung an die Akademie den »wohlverdienten Lohn rastlosen und hervorragenden künstlerischen Wirkens«. Conrad hoffte mit L’Allemand die Malerei wieder in konservativere Bahnen lenken zu können, »in einer Zeit, in der koloristischer Effekt und Vernachlässigung der strengen Konturen in fast bedenklicher Weise zu überwuchern drohen«. Vortrag Conrad v. 10.4.1883 – ebd., 1385/1883. Ferner wurden der mit 37 Jahren noch junge aus Böhmen stammende Franz Rumpler (Vortrag Conrad v. 10.10.1885 – ebd., 3671/1885) und Julius Berger berufen (Vortrag Gautsch v. 16.7.1887 – ebd., 2904/1887). Die Allgemeine Malerschule war mit 101 Studenten die bei Weitem größte Abteilung der Kunstakademie, Entscheidungen in diesem Bereich waren daher wegweisend. In der Allgemeinen Bildhauerschule studierten 28 Personen, in der Spezialschule für Historienmalerei 29 (davon 9 bei Eisenmenger, 11 bei Trenkwald, 2 bei Griepenkerl und 7 bei Müller), in der Spezialschule für Landschaftsmalerei 8, für Tiermalerei 6, für Kupferstecherei 4, für Graveurund Medailleurkünste 4, in der Spezialschule für Architektur 42 (davon 19 bei Schmidt und

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Nachfolger Leopold Carl Müllers auf dem Lehrstuhl für Historienmalerei wurde 1894 Kazimierz Pochwalski. Der Krakauer Pochwalski hatte an der dortigen Kunstschule und dann in München studiert, mehrere internationale Studienreisen unternommen und für seine Arbeiten nationale und internationale Auszeichnungen erhalten. Er war eigentlich Porträtmaler – ein Zeichen, dass die große Zeit der Historienmalerei nun endgültig vorbei war. Seine Ernennung durch Unterrichtsminister Stanisław Madeyski erfolgte gegen den Willen des Professorenkollegiums, das Gustav Klimt empfohlen hatte, weil dieser sich »in stetig aufsteigender, ruhiger und bewusster künstlerischer Entwicklung befinde und durch eine größere Zahl von Arbeiten im Fache der Monumentalmalerei seine Befähigung unzweifelhaft erwiesen habe«. Die Moderne kündigte sich dennoch an, und zwar durch die Ernennung von Otto Wagner auf den Lehrstuhl für Architektur. »Seine zahlreichen Bauten bekunden Geschmack und Originalität«, meinte Madeyski, und seine Entwürfe wurden bei der internationalen Kunstausstellung in Wien im Jahre 1894 mit der kleinen goldenen Staatsmedaille prämiert. Der Minister erwartete »von seinem tüchtigen technischen und künstlerischen Können sowie von seiner Energie und Initiative« eine günstige Wirkung auf die Kunstakademie234. Die Ernennung Wagners setzte einen Kontrapunkt zu der zwei Jahre zuvor erfolgten Berufung von Luntz – damals Denkmalschutz, nun Aufbruch in die Moderne235. 23 bei Hasenauer), in der Spezialschule für Bildhauerei 25 (davon 10 bei Kundmann und 15 bei Zumbusch) – insgesamt 247 Hörer, hinzu kamen 51 Gasthörer (Quelle  : Frequenzausweis der Akademie für das SS 1886/87). 1877 wurde Leopold Carl Müller für die Historienmalerei ernannt (Vortrag Stremayr v. 10.6.1877 – ebd., 2230/1877), der allerdings seiner Lehrverpflichtung wegen seiner vielen Orientreisen nicht nachkommen konnte und daher um seine Enthebung ersuchte. Als Müller aufgrund einer Augenerkrankung nicht mehr reisen konnte, übernahm er 1886 auf Drängen Conrads die nach dem Tod Makarts verwaiste Spezialschule für Historienmalerei. Conrad folgte damit der Tradition seiner Vorgänger, weil »auf dem Gebiete der großen Historienmalerei seit dem Ableben Makarts und Canons im Kreise der österreichischen Künstler außer Müller kaum jemand gefunden werden dürfte, der dieses Fach an der Akademie entsprechend vertreten könnte« (Vortrag Gautsch v. 20.12.1886 – ebd., 4961/1886). Müller blieb bis zu seinem Tod im August 1892 an der Akademie tätig. 234 Vortrag Madeyski v. 7.7.1894 – ebd., 3246/1894. 235 1895 wurde der »hochbegabte Künstler und hingebungsvoll tüchtige Lehrer« und für seine Kupferstiche mehrfach ausgezeichnete Johannes Sonnenleiter pensioniert  ; zu seinem Nachfolger wurde der Professor für Radierkunst an der Kunstgewerbeschule, William Unger, bestellt. Er genoss als Meister seines Faches Weltruf »und zählt zu den bedeutendsten modernen Vertretern seiner Richtung«. Man hielt ihn als Meister der Radierkunst, »der zugleich Proben seiner Tüchtigkeit als Kupferstecher abgelegt hat«, für besonders geeignet, die Kupferstecherschule »in ersprießlicher und zeitgemäßer Weise zu leiten«. Für Bildhauerei wurde Hans Bitterlich berufen, der Schöpfer des Wiener Gutenberg-Denkmals. Vortrag Hartel v. 25.1.1902 – ebd., 340/1902. Berufung zum o. Prof. durch Vortrag Hartel v. 13.1.1904 – ebd., 212/1904.



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Auch Unterrichtsminister Wilhelm Hartel hätte sich durch Pensionierungen die Möglichkeit geboten, über Ernennungen zukunftsweisend in die Zusammensetzung des Professorenkollegiums einzugreifen, doch im Gegensatz zu vielen seiner Vorgänger gelang ihm das nicht. Nachdem Berufungen aus dem Ausland gescheitert waren, konnte er den Wiener Maler Heinrich Lefler gewinnen, der an der Wiener und der Münchener Akademie studiert und sich auf Genrebilder spezialisiert hatte, als Illustrator tätig war und für die künstlerische Ausgestaltung des Wiener Rathauskellers verantwortlich zeichnete. Lefler war Mitglied des Künstlerbundes »Hagen« und langjähriger Leiter des Ausstattungswesens der beiden Hoftheater, er war Mitglied von Kunstrat und Kunstkommission, war also politisch und künstlerisch hervorragend vernetzt. Auch der ebenfalls zum Professor ernannte Maler Rudolf Bacher hatte an der Wiener Kunstakademie studiert  ; er galt als ausgezeichneter Zeichner und Porträtist und war Mitglied der Genossenschaft bildender Künstler Österreichs. Unterrichtsminister Hartel war überzeugt, durch die Ernennung von Lefler und Bacher den künstlerischen Anforderungen der Kunstakademie entsprochen zu haben236. Nach dem Ableben von Luntz wurde 1904 der bisherige Professor an der Kunstgewerbeschule, Friedrich Ohmann, auf den Architekturlehrstuhl ernannt. Ohmann ging aus der Schule Friedrich von Schmidts hervor und war über die Prager Kunstgewerbeschule nach Wien gekommen, wo er an der dekorativen Ausgestaltung der Wienflussregulierung mitarbeitete und die Bauleitung der Hofburgerweiterung übernahm  ; er war gemeinsam mit Bitterlich auch der Schöpfer des Kaiserin-Elisabeth-Denkmals im Volksgarten und Architekt des Museums Carnuntinum237. Mit Wagner und Ohmann lehrten damit die beiden renommiertesten Architekten der Moderne in Wien238. 236 Vortrag Hartel v. 27.6.1903 – ebd., 1876/1903. 237 Hierfür wurde ihm die kaiserliche Anerkennung ausgesprochen. Vortrag Hartel v. 13.10.1904 – ebd., 2903/1904. 238 1909 wurde Carl Kundmann pensioniert, der Autor des Schubert- und des Tegetthoff-Denkmals, der auch die allegorischen Figuren »Kunstindustrie« und »Architektur« am Hofmuseum geschaffen hatte. Vortrag Stürgkh v. 18.8.1909 – ebd., 2868/1909. Bisherige Ehrungen  : 11.7.1877, Z. B27c anlässlich der Errichtung des Tegetthoff-Denkmals in Pola Eiserne Krone III. Klasse, 5.10.1886, 3793/1886 Tegetthoff-Denkmal in Wien Komturkreuz des FJ-Ordens, 6.9.1897, 875/1897 österreichisch-ungarische Ehrenzeichen für Kunst und Wissenschaft. Ah. Anerkennung am 28.10.1888, 10. Juni 1889 und 22.10.1891. Seine Position übernahm Hans Bitterlich, diesem folgte Josef Müllner nach, ein Schüler von Hellmer und Zumbusch, der bereits mehrfach mit Preisen und Stipendien ausgezeichnet worden war. Er wurde insbesondere von Rektor Edmund Hellmer empfohlen. Vortrag Stürgkh v. 29.9.1910 – HHStA, Kab. Kanzlei, 3215/1910. Siehe auch den Vortrag Hussarek v. 29.3.1912 – ebd., 872/1912. Nach den Pensionierungen von Heinrich Lefler und Christan Griepenkerl wurde Alois Delug vom Professorenkollegium als Nachfolger Leflers und Albin Egger als Nachfolger Griepenkerls vorgeschlagen,

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Die staatliche Kunstpolitik

16  Wilhelm Hartel

Zum Nachfolger Otto Wagners wurde 1913 Leopold Bauer auf den Lehrstuhl für Architektur berufen. Das entsprach nicht der Empfehlung des Professorenkollegiums, das als einzigen Kandidaten Jože Plečnik vorgeschlagen hatte. Erst nach Aufforderung durch Minister Hartel wurde Leopold Bauer an zweiter Stelle nominiert. Hussarek lehnte die Berufung Plečniks ab  : »In Berücksichtigung des Umstandes, dass Plečnik – bei aller Begabung – sich einstweilen doch nur in einseitiger Weise künstlerisch betätigt hat und eher als werdender Künstler denn als ausgereifter Meister bezeichnet zu werden vermag«, trat er zur Wahrung des Ansehens der akademischen Architekturschule für die Ernennung Bauers ein. Dieser stammte aus Schlesien und war ein Schüler Hasenauers und Wagners, seine die beide im »Kunstleben Wiens eine bedeutende Rolle« spielten. Ernannt wurden jedoch die Zweitgereihten Rudolf Jettmar und Josef Jungwirth, weil sie als Lehrer besser geeignet schienen. Jettmar hatte seine Ausbildung bei Eisenmenger erfahren und hatte an der Wiener Akademie studiert. Alois Delug wurde mit der Leitung einer Spezialschule für Malerei betraut. Vortrag Stürgkh v. 11.10.1910 – ebd., 3507/1910.



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berufliche Tätigkeit hatte er als Mitarbeiter seines früheren Lehrers Otto Wagner beim Bau der Wiener Stadtbahn begonnen239. Zum Ordinarius für graphische Künste wurde 1908 Ferdinand Schmutzer ernannt240, doch in diesem Fach war mittlerweile eine neue aufstrebende und von der Akademie unabhängige Kunstschule entstanden. 1.3.4 Die Förderung der graphischen Künste

Den graphischen Künsten wurde seit jeher von der Staatsverwaltung große Bedeutung beigemessen. Diesbezügliche Meisterwerke waren die Illustrationen der »Österreichisch-ungarischen Monarchie in Wort und Bild« – das sogenannte »Kronprinzenwerk« –, wofür 1885 ein eigenes xylographisches Institut in der Hof- und Staatsdruckerei eingerichtet wurde. Es wurden insgesamt 4529 Illustrationen in Form von Holzschnitten hergestellt241. Die Hof- und Staatsdruckerei legte 1902 aus Anlass der Fertigstellung des »Kronprinzenwerkes« eine Sammlung von 100 Stück besonders schöner auf chinesischem Papier bestellter Erstlingsdrucke auf, die Kaiser Franz Joseph überreicht wurden242. Zwei Jahre vor der Gründung dieses Instituts hatte 1883 in Wien eine graphische Spezialausstellung stattgefunden. Eitelberger hatte sich damals für die Berufung von Wilhelm Hecht an die Kunstgewerbeschule eingesetzt, wo ein Kurs für Xylographie eingerichtet wurde243. 1886 erfolgte die Gründung einer eigenen Lehranstalt für Photographie und Reproduktionsverfahren. Es gab bereits eine Vorgängerinstitution in der Salzburger Staatsgewerbeschule, die nun als eigenständige »Lehr- und Versuchsanstalt« nach Wien verlegt wurde, nachdem sich die Stadt Wien bereit erklärt hatte, die Infrastruktur dafür zur Verfügung zu stellen, denn die Stadtverwaltung erhoffte sich positive Rückwirkungen auf die moderne Kunstindustrie244. Am 27. August 1887 – gleichzeitig fand die erste internationale graphische Ausstellung in Wien statt245 – wurde die graphische Lehr- und Versuchsanstalt durch kaiserliche Entschließung gegründet  ; sie nahm mit 1. März 1888 ihren Betrieb auf. Ziel war die Ausbildung von Photographen, Retoucheuren, Lichtdruckern und Photolithographen sowie die Durchführung wissenschaftlicher Forschungsprojekte. Die Schule bestand zunächst aus zwei Sektionen  : einer Lehranstalt für Photographie und Reproduktionsverfahren so239 Vortrag Hussarek v. 27.10.1913 – ebd., 2613/1913. 240 Vortrag Marchet v. 11.9.1908 – ebd., 2930/1908. 241 Werner Telesko, Geschichtsraum, 324. 242 Vortrag Böhm-Bawerk v. 5.7.1902 – HHStA, Kab. Kanzlei, 1934/1902. 243 AVA, Unterricht-Präs., 607, 755 und 812/1884. Dazu auch HHStA, Kab. Kanzlei 3413/1884. 244 AVA, Unterricht-Präs., 1327/ und 1840/1886 sowie 472/1887. 245 AVA, Unterricht-Präs., 623/1887.

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wie einer Versuchsanstalt für Photochemie und graphische Druckverfahren  : 1897 kam eine Sektion für Buch- und Illustrationsgewerbe hinzu246 und die Sammlungen wurden in einer weiteren Sektion zusammengefasst. Dem von 1905 bis 1914 geführten Spezialkurs für Lithographie und Steindruck sind die ersten Originallithographien von berühmten Künstlern wie Luigi Kasimir oder Tina Blau zu verdanken. Der erste Standort der Schule befand sich in der Westbahnstraße. Besonderen Einfluss auf die Gründung der Anstalt hatte die in Braunschweig ansässige Firma Voigtländer und Sohn genommen. Die Firma Voigtländer war 1756 in Wien gegründet und 1849 nach Braunschweig verlegt worden247. Der Auslandsösterreicher Friedrich Ritter von Voigtländer – der Urenkel des Gründers – stattete die Lehr- und Versuchsanstalt mit den erforderlichen Fotoobjektiven aus. Er erhielt für seine Bemühungen um die Schule einen kaiserlichen Orden248, und auch Direktor Josef Maria Eder, der wesentlich zu der erfolgreichen Entwicklung in den ersten Jahren ihres Bestehens beigetragen hatte, wurde durch hohe Auszeichnungen geehrt249. Der Versuch zur Gründung einer »Akademie der graphischen Kunst« – ein Verein bestand bereits –, die »durch Vermittlung eines höheren Unterrichtes, durch praktische Betätigung und mannigfaltige, zweckdienliche Vorkehrungen und Veranstaltungen zur Entwicklung und Förderung der graphischen Kunst« beitragen sollte, wurde von Minister Hartel nicht unterstützt. Er lobte zwar den patriotischen Zweck der Initiative, befürchtete aber, dass sie die bestehenden Einrichtungen in diesem Bereich konkurrenzieren würde250. Das war neben der »Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt« und der Kunstgewerbeschule vor allem die Medailleurschule, die sich 1904 von der Akademie abgespalten hatte. Hartel hatte nämlich als Nachfolger des pensionierten Professors Josef Tautenhayn dessen Schüler Rudolf Marschall zum Professor auf dem Lehrstuhl für Medailleurkunst ernannt251. Das erfolgte gegen den Willen des Professorenkollegiums, das für die Auflösung der Spezialschule für Graveur- und Medailleurkunst eintrat. Minister Hartel betrieb daher, unterstützt vom Kunstrat, die Gründung einer eigenen Anstalt für Graveur- und Medailleurkunst, nicht zuletzt auch, weil sich Marschall ständigen Angriffen seiner Professorenkollegen ausgesetzt sah. Für die neue Medailleurschule sollten die gleichen Aufnahmekriterien gelten wie für die Akademie. Die Spezialschule für Graveur- und Medailleurkunst wurde 1905 als 246 247 248 249 250 251

AVA, Unterricht-Präs., 2029/1897. AVA, Unterricht-Präs., 675/1888. AVA, Unterricht-Präs., 404/1890. AVA, Unterricht-Präs., 1455 und 1600/1893. Vortrag Hartel v. 15.10.1900 – HHStA, Kab. Kanzlei, 2900/1900. Vortrag Hartel v. 29.10.1904 – ebd., 2904/1904.



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eigenständige Hochschule mit einem eigenen Statut in Wien errichtet, Rudolf Marschall wurde zu deren Leiter ernannt252. 1914 wurde sie in »Akademische Spezialschule für Medailleurkunst« umbenannt, um die Gleichrangigkeit mit der Akademie der bildenden Künste zum Ausdruck zu bringen253. 1.3.5 Auszeichnungen von Künstlern

Ehrungen von Künstlern waren zunächst selten  : Eine der ersten war die von Ferdinand Waldmüller, dem unter Hinweis auf seine Verdienste als Künstler und Professor die Erhöhung seiner Pension zugestanden wurde254. Allerdings ist darin weniger eine Ehrung als eine Rehabilitierung zu sehen. Und sie kam spät, 1864, wenige Monate vor seinem Tod. Waldmüller war schon im Vormärz und noch mehr im Neoabsolutismus gegen die offizielle Kunstpolitik aufgetreten und engagierte sich im Gegensatz zur historistischen Maxime Eitelbergers gegen das zwanghafte Kopieren alter Meister und für ein verstärktes Naturstudium. Waldmüller selbst sprach von »Verfolgungen und moralischen Misshandlungen« und von einem akademischen Unterricht, der »kunsttötend und nicht kunstbelebend« sei. In der Originalität des Schaffens sei das höchste Ziel der Kunst zu sehen, nicht im Kopieren und im Plagiat. 1857 muste er sich aufgrund dieser Kritik einem Disziplinarverfahren stellen und wurde von der Akademie suspendiert. Er sei den Brüdern Thun und ihren Schmeichlern unbequem gewesen, stellte Waldmüller später fest255. Verdienstvolle Künstler wurden ab den sechziger Jahren immer häufiger mit kaiserlichen Orden oder Titeln geehrt, so 1861 die Künstler, die am Bau der Altlerchenfelder Kirche beteiligt waren, unter ihnen Führich und van der Nüll256. Anlass für Ordensverleihungen an Künstler war meist die Fertigstellung eines bedeutenden staatlichen Repräsentationsgebäudes, oder es wurden verdiente Professoren an den Kunstschulen der Monarchie ausgezeichnet. Wahre Ordensregen prasselten auf die Künstler aller Sparten anlässlich der Fertigstellung von Ringstraßenbauten nieder, kaum jemand ging leer aus, auch nicht daran beteiligte Verwaltungsbeamte. Die Verleihung erfolgte dennoch nicht nach dem Gießkannenprinzip  ; so wurde zum Beispiel Hansen eine Auszeichnung für das angeblich misslungene Akademiegebäude verweigert, und der Bildhauer Viktor Oskar 252 253 254 255

Vortrag Hartel v. 15.7.1905 – ebd., 1952/1905. Vortrag Hussarek v. 10.6.1914 – ebd., 1645/1914 (Ah. E. v. 9.7.1914). Vortrag Schmerling v. 30.7.1864 – ebd., 2355/1864. AVA, Unterricht-Präs., 6486/1862. Dazu auch Werner Telesko, Das 19. Jahrhundert. Eine Epoche und ihre Medien (Wien 2010), 165. 256 Vortrag Schmerling v. 9.9.1861 – HHStA, Kab. Kanzlei, 2902/1861.

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Tilgner wurde nicht geehrt, weil »Tilgners Kunstrichtung manieriert sei«257 – Staatsaufträge erhielt er dennoch258. Die meisten Auszeichnungen wurden beim Bau der Hoftheater, der Hofmuseen und beim Parlamentsgebäude vergeben. Deutlich wird eine Konzentration auf Wien, nur ausnahmsweise wurden Werke in anderen Kronländern prämiert  : So wurde Carl Roesner 1865 für seine Leistungen bei der Errichtung der romanischen Kirche im Prager Carolinenthal zum Oberbaurat ernannt, und 1883 wurde der Tiroler Kunsttischler Josef Trenkwalder für seine Leistungen bei den Arbeiten am Fürstenchor der Innsbrucker Hofkirche mit dem goldenen Verdienstkreuz ausgezeichnet259. Eine international übliche Form der Anerkennung künstlerischer Werke waren Preise und Medaillen, die meist in Zusammenhang mit Ausstellungen vergeben wurden. 1857 regte Unterrichtsminister Thun die Wiedereinführung der 1850 sistierten Hofpreismedaillen an260. Prämiert werden sollten ausschließlich herausragende Kunstwerke261, eine definitive Regelung der Kriterien erfolgte aber erst 1867. Die Vergabe fand alle drei Jahre statt, es sollten jeweils drei goldene und drei silberne Medaillen für Malerei, Bildhauerei und Architektur überreicht werden262. Auch Titelverleihungen waren eine Möglichkeit, die Wertschätzung des Staates für verdienstvolle Künstler auszudrücken. So erhielt August Ritter von Pettenkofen den Professorentitel in Anerkennung seines Lebenswerkes, weil er »durch seine Bilder der österreichischen Kunst so viel Ehre gemacht« habe263. 257 Vortrag Stremayr v. 9.6.1877 – ebd., 2156/1877, hinsichtlich des Akademiegebäudes siehe seinen Vortrag v. 1.6.1877 – ebd., 2095/1877. 258 Ebd., 1290/1883. 259 Ebd., 1275/1883. 260 Vortrag Thun v. 28.6.1856 – ebd., 2381/1857. 261 Vortrag Thun v. 4.3.1858 – ebd., 883/1858. 262 Vortrag des Unterrichtsministeriums (prov. Leiter Adolph Ritter v. Kriegsau) v. 16.3.1867 – ebd., 1284/1867. 263 Vortrag Stremayr v. 8.1.1880 – ebd., 161/1880. 1882 drängte das Außenministerium zu einer Auszeichnung für den mährischen Maler Eduard Charlemont, der an der Wiener Akademie bei Engerth und Makart studiert hatte und nun als gefeierter Künstler in Paris lebte. Da ihm das Ritterkreuz der französischen Ehrenlegion verliehen wurde, sollte er im Hinblick auf das Prestige der Habsburgermonarchie auch das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens bekommen (AVA, Unterricht-Präs., 987/1882). Eine Ehrung für sein Lebenswerk – den Stern zum Komturkreuz – erfuhr 1910 der Historienmaler Heinrich von Angeli. Wenig später bekam Franz Matsch »im Hinblicke auf das bedeutende künstlerische Schaffen« und weil sein »künstlerischer Ruf seiner Heimat zur Zierde gereicht« – er hatte u.a. im Hofburgtheater und im Achilleon in Korfu gearbeitet – einen kaiserlichen Orden. Im Zuge der Errichtung des Wiener Elisabeth-Denkmals wurde Hans Bitterlich und Friedrich Ohmann im Jahre 1907 der Orden der Eisernen Krone verliehen (Vortrag Bienerth v. 31.5.1907 – HHStA, Kab. Kanzlei, 1674/1907). Hermann Kloth, der federführend an den Elisabeth-Denkmälern in Meran und Budapest tätig war, erhielt mehrere Ehrungen, darunter für »die ganz hervorragende künstleri-



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Auch Erhebungen von Künstlern in den Adelsstand kamen vor – beispielsweise bei Friedrich Schmidt oder Edmund Hellmer –, meist beschränkte man sich aber auf profanere Titel. So wurde Otto Wagner, nachdem er mehrere Orden erhalten hatte, zum Oberbaurat und schließlich – im Alter von mehr als 70 Jahren – zum Hofrat ernannt. Wagners Werke seien zwar »oft umstritten«, jedoch »stets interessanter Art«, schrieb Minister Hussarek in seiner Begründung, in der vor allem dessen Leistungen als Lehrer hervorgehoben wurden  : »Infolge seiner markanten künstlerischen Individualität übte er auf die Entwicklung der Baukunst einen Richtung gebenden Einfluss aus.«264 Möglich waren auch Unterstützungen erwerbsunfähiger Künstler, wie des böhmischen Historienmalers Karel Javůrek, dem eine jährliche Gnadengabe von 800 Kronen gewährt wurde, nachdem er aufgrund seines hohen Alters (er war 87 Jahre alt) und eines Arbeitsunfalls – er war beim Malen eines Großgemäldes von der Leiter gefallen – seinen Beruf nicht mehr ausüben konnte265. sche und patriotische Bedeutung der Statue weiland Ihrer Majestät der Kaiserin in Budapest« (Vortrag Ritt v. 4.3.1909 – ebd., 780/1909). 264 Vortrag Hussarek v. 19.19.1912 – ebd., 2568/1912. 265 Vortrag Hartel v. 11.9.1902 – ebd., 2399/1902. Großausstellungen im In- und Ausland wa-

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Der seltene Fall, dass ein Dichter von der öffentlichen Kunstpolitik wahrgenommen wurde, ereignete sich anlässlich des 80. Geburtstags von Franz Grillparzer am 15. Jänner 1871. Doch weniger seine dichterische Leistung stand im Mittelpunkt, sondern der »unerschütterliche Freund Österreichs, welcher die Gefühle der Liebe und des Vertrauens zu seinem Vaterlande mit jenen ewigen Formen, die sein Genius schuf, umkleidet hat«. Im Vortrag Minister Conrads klingen durchaus poetische Worte an, wenn er schreibt  : »Selbst jene, welche dem Fluge seines Geists zu folgen nicht vermochten, haben doch die Stimme seines patriotischen Herzens vernommen, und das Lied, das nicht nur als Österreich von äußeren und inneren Frieden bedrängt war, tröstend und ermutigend von Grillparzers Munde klang, ist zur Parole geworden und wird leben, so lange Österreich besteht.« Zu seinem 80. Geburtstag verlieh der Kaiser »dem gefeierten Dichter, dem echten Patrioten, dem Greise mit dem treuesten Herzen für das österreichische Vaterland und seinen Fürsten« das Großkreuz des Franz-Joseph-Ordens und ließ ihm außerdem aus seiner Privatschatulle 3000 Gulden zukommen266. Wie Grillparzer war auch der Schriftsteller Eduard Bauernfeld jahrelang im Staatsdienst tätig gewesen, er hatte ebenfalls »seine Liebe zu seinem Vaterland mehrfach bewiesen, hat ein echt österreichisches Herz«, lebte allerdings völlig verarmt, weshalb auch er 1871 nicht nur mit einem Orden ausgezeichnet wurde, ren immer wieder Anlass für eine Welle von Ordensverleihungen, insbesondere bei der Wiener Weltausstellung – ebd., 4025/1873. So erhielt der Professor an der Wiener Akademie, Paul Burian, 1874 aufgrund der von ihm für die Weltausstellungen von London 1862, Paris 1867 und Wien 1873 geleisteten Dienste das silberne Verdienstkreuz mit Krone (Vortrag Stremayr v. 16.6.1874 – HHStA, Kab. Kanzlei, 2596/1874). Auch anlässlich der Pariser Weltausstellung wurden zahlreiche Auszeichnungen für hervorragende Leistungen vergeben (Vortrag Innenminister Taaffe v. 19.9.1879 – ebd., 3843/1879). Eitelberger, der 1871 bereits anlässlich der Fertigstellung des Österreichischen Museums zum Hofrat ernannt worden war, erhielt aufgrund seiner Leistungen für die Wiener Weltausstellung 1873 das Ritterkreuz des Leopoldordens, Vizedirektor Jakob Falke bekam aus dem gleichen Anlass den Orden der Eisernen Krone. Auch die Professoren der Kunstgewerbeschule Storck, Laufberger und Otto König wurden ausgezeichnet (Vortrag Schmerling v. 23.12.1863 – ebd., 4769/1873). Eitelberger, Ludwig Lobmeyr und Josef Storck wurde 1876 »für ihre von unermüdlichem Eifer und regem patriotischen Streben beseelte sehr erfolgreiche Tätigkeit« anlässlich der vom Österreichischen Museum für Kunst und Industrie organisierten und koordinierten Beteiligung der Habsburgermonarchie an der Kunst- und Kunstgewerbeausstellung in München die kaiserliche Anerkennung ausgesprochen (Vortrag Chlumecky v. 5.10.1876 – ebd., 3698/1876). 1907 wurde Arthur von Scala mit dem Komturkreuz des Franz-Joseph-Ordens ausgezeichnet. In diesem Fall gab es keinen konkreten Anlass, begründet wurde dies mit seinen großen Verdiensten um die Organisation von Ausstellungen im In- und Ausland (Vortrag Marchet v. 26.3.1907 – ebd., 1162/1907). 266 Vortrag Stremayr v. 29.12.1870, Ah. E. v. 13.1.1871 – AVA, Unterricht-Präs., 629/1870.



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sondern auch seine Pension wurde verdoppelt267. Im darauffolgenden Jahr 1872 erhielt der hebräische Schriftsteller Max Emanuel Stern anlässlich seines Schriftstellerjubiläums eine kaiserliche Auszeichnung. Schon 1846 hatte er die kaiserliche Medaille »pro litteris et artibus« erhalten, nun war es – auch als Zeichen an die jüdische Gemeinschaft – das goldene Verdienstkreuz mit der Krone268. Häufiger als Schriftsteller wurden Schauspieler für ihr Lebenswerk geehrt, unter ihnen der Hofopernsänger Josef Tichatschek 269. Hierin schimmert dann doch wieder der Einfluss des Hofes durch, denn verdienstvolle Hofschauspieler sollten durch Auszeichnungen geehrt werden. 1905 wurden aber auch zwei Mitglieder des böhmischen Nationaltheaters – im Dokument als »Landestheater« bezeichnet – mit dem Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens ausgezeichnet 270. 1910 erhielt der Wiener Volksschauspieler Alexander Girardi das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens, und zwar wegen seiner gemeinnützigen Tätigkeit 271. Nicht geehrt wurde hingegen Max Reinhardt. Reinhardt stammte aus Baden bei Wien, doch war er durch seinen Preßburger Vater ungarischer Staatsbürger. Minister Khuen-Hédérváry schlug im September 1911 die Verleihung des Adelsprädikats vor  : »Seine Verdienste auf dem Gebiete der Schauspielkunst sowie seine ungarischen Beziehungen, sowohl was seine Persönlichkeit als auch seine Kunst betrifft, lassen ihn würdig erscheinen, mit der ag. [allergnädigsten] Verleihung des ungarischen Adels ausgezeichnet zu werden.« Kaiser Franz Joseph lehnte die Ehrung – aus nicht bekannten Gründen – ab272. Da auf Vorschlag des Ministers alle Orden vom Kaiser vergeben wurden, verschwimmt in diesem Bereich die Grenze zwischen Hof und Staat. Auch 1887 kam der Antrag auf Stiftung eines ausschließlich zur »Anerkennung hervorragender Leistungen auf dem Gebiete der Wissenschaft und der Kunst bestimmten Ehrenzeichens« vom Hof, nämlich von Oberstkämmerer Graf Trauttmannsdorff. Der Unterrichtsminister begrüßte die Initiative, weil die bestehende Medaille »für Wissenschaft und Kunst« bedeutungslos sei und nur für zweitrangige Ehrungen verwendet werde – etwa 1887 anlässlich des 40-jährigen Bestands der »Salzburger Lieder267 AVA, Unterricht-Präs., 17/1872, diesbezügliches Ah. Handschreiben an Stremayr unter 24/1872. Aufgrund seiner »loyalen und patriotischen Gesinnung« wurde Ferdinand von Saar – der ebenfalls lange Zeit im Staatsdienst gestanden war – vom Ministerium finanziell unterstützt und erhielt 1890 einen kaiserlichen Orden. Unterricht-Präs., 805/1890. 268 Ah. E. v. 1.6.1872 auf den Vortrag Stremayr v. 26.5.1872 – HHStA, Kab. Kanzlei, 2079/1872. 269 Vortrag Beust v. 10.1.1870 – ebd., 118/1870. 270 Vortrag Bylandt-Rheidt v. 27.11.1905 – ebd., 3462/1905. 271 Vortrag Haerdtl v. 11.12.1910 – ebd., 4019/1910. 272 Die Notiz des Kaisers ist mit Ischl, 20.9.1911 datiert. Auf der ersten Seite des Vortrags fügte er jedoch handschriftlich hinzu  : »Ist mir in Wien wieder vorzulegen« – was dann offenbar nicht geschah. Vortrag Khuen-Héderváry v. 13.9.1911 – ebd., 2455/1911.

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tafel« 273. Die Notwendigkeit zur Schaffung einer eigenen staatlichen Auszeichnung wurde erkannt, denn das Instrument der kaiserlichen Orden hatte sich als unpraktisch erwiesen, weil sich deren Grad nicht aus den wissenschaftlichen oder künstlerischen Leistungen, sondern aus der sozialen Stellung des Geehrten ergab. Die Schaffung einer Auszeichnung, »die unabhängig von einer bestimmten Stellung lediglich hohes wissenschaftliches oder künstlerisches Verdienst anerkennt«, sei daher dringend nötig, meinte man im Unterrichtsministerium274. Das neue Ehrenzeichen sollte auch Frauen offenstehen, die bisher für hervorragende wissenschaftliche oder künstlerische Leistungen nur mit einem Verdienstkreuz geehrt werden konnten275. Da das neue Ehrenzeichen für beide Reichshälften gedacht war, musste es allerdings dem Oberstkämmereramt bzw. der Hofverwaltung zugeordnet werden276. Die Grenze zwischen Hof und Staat blieb also unscharf. Im Unterschied zu den bisherigen Auszeichnungen sollte das Ehrenzeichen ausschließlich an Kunstschaffende, nicht an Kunstförderer verliehen werden277. Einer der ersten Preisträger war der Architekt Hasenauer 278. 1891, ein Jahr vor seinem Tod, wurde der erblindete Maler Leopold Carl Müller mit dem Ehrenzeichen gewürdigt 279  ; 1892 erhielt es Caspar Zumbusch anlässlich der Vollendung des Radetzky-Denkmals280. 1.3.6 Ausstellungen und Kunstförderung

Auf Drängen der Künstler sollte die Tradition der Staatsausstellungen 1863 wieder aufgenommen werden, Staatsminister Schmerling stellte das für Ankäufe nötige Budget zur Verfügung281. Doch die Zeit war zu knapp, die Ausstellung musste auf 1864 verschoben werden 282. Die schon budgetierten Mittel wurden aber nicht eingezogen, sondern zur Unterstützung österreichischer Künstler durch staatliche Aufträge sowie für Ankäufe für die Belvedere-Galerie und Museen in den Kronländern eingesetzt283, wobei aus »politischen Rücksichten«

273 274 275 276 277 278 279 280 281 282 283

780 und 865/1887. AVA  ; Unterricht-Präs., 728/1880. AVA, Unterrichts-Präs., 364/1887. Statutenentwurf ebd., 591/1887, die endgültigen Statuten unter 1186 und 1187/1887. AVA, Unterrichts-Präs., 879/1887. Ebd., 2005/1888. Ebd., 407 und 516/1891. Ebd., 705, 861 und 869/1892. Vortrag Schmerling v. 23.1.1863 – HHStA, Kab. Kanzlei, 308/1863. Vortrag Schmerling v. 11.7.1863 – ebd., 2368/1863. Vortrag Schmerling v. 24.9.1863 – ebd., 3073/1863.



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außerhalb Wiens tätige Künstler besondere Berücksichtigung finden sollten 284. 1864 fand die nunmehr dritte Akademieausstellung statt, die Auswahlkommission schlug 18 Gemälde im Wert von über 12.000 Gulden zum Ankauf vor, wobei bewusst von den von Thun seinerzeit festgelegten Kriterien abgegangen wurde und nicht ausländische Arbeiten, sondern vor allem Kunstwerke junger heimischer Künstler gekauft wurden285. Hauptzweck der Ausstellung und der Ankäufe war nun also wieder – wie schon im Vormärz – die Förderung jüngerer Talente, auch wenn diese »noch nicht jene Höhe der Ausbildung erreicht haben, welche ihre Arbeiten als Meisterwerke in der wahren Bedeutung dieses Wortes erscheinen ließen«. Dieser Paradigmenwechsel in der staatlichen Kunstförderung hatte allerdings zunächst kaum praktische Bedeutung, denn es kam zu keinen weiteren Ausstellungen, weil man die Schaffung eines geeigneten Ausstellungsraums im Künstlerhaus abwarten wollte. 1868 legte Unterrichtsminister Hasner fest, dass die Ausstellungen prinzipiell nur mehr alle drei Jahre stattfinden sollten und »von der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens auf eigene Kosten und Verantwortung, und zwar als Ausstellungen dieser Genossenschaft veranstaltet« werden sollten. Die für Herbst 1868 in Wien geplante »allgemeine deutsche Kunstausstellung« galt als erste Ausstellung in dieser Reihe, bei der auch staatliche Ankäufe getätigt wurden286. Die Künstlergenossenschaft war mit dem Dreijahresrhythmus überfordert, 1872 wurde daher wieder die Akademie mit der Veranstaltung »größerer Kunstausstellungen von Staatswegen« beauftragt. Eine solche fand 1877 anlässlich der Fertigstellung des Akademiegebäudes am Schillerplatz statt, sie sollte einen »vorwiegend historischen und österreichischen Charakter« haben. Die Vertreter aller Kunstschulen der Monarchie wurden eingeladen, die Ausstellung sollte ein Bild der Kunstleistungen der Akademie seit ihrer Gründung geben und stand unter dem Ehrenschutz des Unterrichtsministers und von Gönnern der Akademie, darunter Nikolaus Dumba und Hans Wilczek. Unterrichtsminister Stremayr sah in der Ausstellung einen großen Erfolg, weil erstmals »die Gesamtheit der vaterländischen Kunstbestrebungen in geschlossenem Bilde zur Anschauung« gelangt sei, bedauerte aber auch die durch die »misslichen wirtschaftlichen Verhältnisse« in viel zu geringem Maße zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel. Das Urteil Eitelbergers – er sollte im Auftrag des Ministeriums eine Liste der zum Ankauf geeigneten Werke zusammenstellen – war vernichtend  : Der Staat kaufe ungeplant Kunstwerke an, ohne dass es eine geeignete öffentliche Galerie dafür gäbe  : »Eine öffentliche Galerie ist gewissermaßen eine 284 Vortrag Schmerling v. 1.4.1864 – ebd., 1021/1864. 285 Vortrag Schmerling v. 16.4.1864 – ebd., 1120/1864. 286 Vortrag Hasner v. 19.6.1868 – ebd., 2260/1868.

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Schule, ein Element der Volksbildung, und es ist im höchsten Grade zu bedauern, wenn Jahrzehnte hindurch für öffentliche Galerien prinzipienlos Ankäufe gemacht werden.« Eitelberger plädierte für Ankäufe von Werken jüngerer und noch unbekannter Künstler  : »Wo kommen wir in Österreich hin, wenn bei Ankäufen für öffentliche Galerien diese jüngeren Künstler gänzlich unbeachtet bleiben  ?« 287 Das Instrument der Staatsausstellungen wurde generell als sinnvoll angesehen288. Auch Eitelberger sah darin die Chance, »die in Bayern und im Ausland lebenden Künstler durch das Institut der Staatsausstellungen enger an Österreich anzuschließen. Denn, ich kann mir nicht vorstellen, dass es im Interesse einer österreichischen Staatsregierung liegen könne, die im Auslande lebenden österreichischen Künstler immer mehr dem österreichischen Staatsgedanken zu entfremden.«289 Im April 1881 schrieb Eitelberger an Conrad, dass mit der Fertigstellung des Künstlerhauses die Voraussetzungen für die Abhaltung einer großen Staatsausstellung gegeben seien. Die Staatsverwaltung solle Ankäufe in der Höhe von 60.000 bis 80.000 Gulden tätigen – eine extrem hohe Summe, doch Eitelberger hielt sie für nötig, um ausländische Künstler nach Wien zu locken. »Gelingt aber die erste Ausstellung aus dem Grunde nicht, weil ihr von Seite des Staates und des Hofes nicht eine entsprechende Förderung zu Teil wurde, so ist auch die Sache für die Zukunft verloren«, und Österreich werde hinter die aufstrebenden Kunstausstellungszentren München und Berlin zurückfallen290. Die Malerei in der Habsburgermonarchie, replizierte Conrad die Berichte Eitelbergers, könne sich nicht nur nicht mit Paris oder München messen, sondern reiche kaum an Düsseldorf und Berlin heran. Für die 1882 im Künstlerhaus geplante Ausstellung stellte er daher 30.000 Gulden für Ankäufe bereit 291. Das stieß auf den heftigen Widerstand von Finanzminister Dunajewski, den Luxus einer derartig ausufernden Kunstförderung könnten sich »nur finanziell sehr günstig situierte Staaten leisten«292. Eitelberger wies darauf hin, dass in Österreich seit 1812 staatliche Kunstausstellungen stattfanden, auch in wirtschaftlich schlechteren Zeiten, nicht zuletzt mit dem Ziel der Förderung des österreichischen Staatsgedankens  : »Dass alle in der österreichischen Monarchie lebenden Künstler sich als nationale Künstler, d.h. als österreichische Künstler fühlen sollen, ist eine Anforderung, die 287 Vortrag Stremayr v. 6.2.1875 – ebd., 543/1875 sowie v. 2.1.1877 – ebd., 195/1877. 288 AVA, Unterricht-Präs., 469/1880. 289 Eitelberger an Conrad v. 10.10.1880 – ebd., 735/1880. 290 Eitelberger an Conrad v. April 1881 – ebd., 394/1881. Um ihr möglichst große internationale Publizität zu verschaffen, sollte die Bekanntmachung über die Kanäle des Außenministeriums erfolgen – ebd., 486/1881. Aufgrund der mangelnden Kapazitäten der Künstlergenossenschaft sollte die Akademie die Ausstellung ausrichten – ebd., 281/1881. 291 Vortrag Conrad v. 7.8.1881 – HHStA, Kab. Kanzlei, 3267/1881. 292 Vortrag Dunajewski v. 7.6.1881 – AVA, Unterricht-Präs., 676/1881.



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man heutigen Tages mehr als je betonen muss. Es würde einen großen Rückschritt im Kunstunterricht Österreichs bedeuten, wenn Staatsausstellungen, in denen die Künstler der einzelnen Kronländer sich zusammenfinden sollen, fallen gelassen würden. Denn man müsste blind sein, wenn man heutigen Tages nicht sehen würde, dass in keiner Berufsklasse so energische Vertreter des Nationalitätenprinzips existieren, als gerade unter den Künstlern. Mehr noch als die Schriftsteller sind die Künstler schon ihrer unabhängigen Stellung nach besonders geeignet, Vertreter des Nationalitätenprinzips zu sein, dessen letzte Konsequenzen, wie ja allgemein bekannt, am Ende nur auf eine Art Zerbröckelung der Monarchie hinauslaufen.« Für Eitelberger war die Kunstförderung also auch ein wichtiges Mittel zur Entschärfung nationaler Streitigkeiten  : »Die Interessen der Künstler dienen auch den Interessen des Wohlstandes, und jeder wird anerkennen müssen, dass die Hebung ganzer Industriezweige in Österreich nur dadurch hervorgerufen wurde, dass Kunst und Industrie in engen Kontakt gebracht wurde. Es ist nicht möglich, Kunst und Kunstausstellungen als Luxus im Staatsleben anzusehen. Alle Hoffnungen würden begraben, wenn der vom Finanzminister aufgestellte Grundsatz akzeptiert werden würde. Auch Staaten, welche sich in finanziell schlechterer Lage befinden als Österreich, haben solche Ausstellungen veranstaltet und die akademischen Staatsausstellungen haben auch zu Zeiten stattgefunden, wo Österreich in einer viel kritischeren Lage sich befand, als es gegenwärtig der Fall ist. Ist es klug, der Welt bekannt zu geben, unsere Finanzen seien so schlecht situiert, dass Österreich auf Staatsausstellungen verzichten müsse  ? Und werden unsere Finanzen besser, wenn man den Künstlern sagt, stellt Eure Werke aus, wo Ihr wollt, der österreichische Staat kann Euch kein Heim in Österreich, kein Heim in der Residenzstadt der Monarchie bieten  ?« Der Finanzminister verhöhne und beleidige damit die österreichischen Künstler, schrieb Eitelberger an Unterrichtsminister Conrad293. Dieser definierte die Subvention schließlich als Sonderzahlung, der Betrag musste in anderen Bereichen des Ministeriums eingespart werden294. 293 Stellungnahme Eitelbergers v. 23.6.1881 – ebd., 676/1881. 294 Stellungnahme Dunajewskis v. 5.8.1881 – ebd., 887/1881. Für die nächste Großausstellung – die Jubiläumsausstellung zum 40-jährigen Regierungsjubiläum Kaiser Franz Josephs im Jahr 1888 – ersuchte die Genossenschaft der bildenden Künstler wieder um eine Subvention von 30.000 Gulden sowie um die Widmung von 30 goldenen Staatsmedaillen. Vortrag Gautsch v. 19.9.1887 – HHStA, Kab. Kanzlei, 3535/1887. Gautsch beantragte für Ankäufe und Medaillen aber nur 13.000 Gulden, weil er für diesen Zweck auch aus dem ordentlichen Kunstvoranschlag des Jahres 1888 einen namhaften Betrag widmen konnte. Das Gesuch wurde vom Protektor des Vereins, Erzherzog Karl Ludwig, dringend befürwortet. Dazu auch Unterricht-Präs., 996 und 1126/1887. Die Subvention wurde allerdings auf 13.000 fl. gekürzt. AVA, Unterricht-Präs., 1320/1887.

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Ab den späten achtziger Jahren spielte sich das System der Staatsausstellungen im Künstlerhaus ein, und die Künstlergenossenschaft erhielt in der Ausstellungsorganisation eine Monopolstellung. Anlässlich der von der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens im Jahre 1898 veranstalteten Jubiläums-Kunstausstellung wurden mehrere Mitglieder der Genossenschaft geehrt295, und bei der Jubiläums-Kunstausstellung im Jahre 1908 aus Anlass des sechzigjährigen Thronjubiläums Kaiser Franz Josephs erschien der von der Genossenschaft herausgegebene Katalog mit dem Kaiseradler, um die Verbundenheit der Ausstellung mit dem Staat und dem Kaiserhaus zu dokumentieren296. Auch die Teilnahme an Kunstausstellungen im Ausland wurde von der Regierung subventioniert. Über die Statthaltereien und Kunstvereine wurden österreichische Beteiligungen an Kunstausstellungen bekanntgemacht und dafür geeignete Werke gesucht297. Eine der ersten dieser Ausstellungen war die des Münchener Gewerbevereins im Jahre 1875, bei der das österreichische Kunstgewerbe besonderen Stellenwert hatte, weil dort die englische und französische Kunstindustrie nicht vertreten war und man daher die Chancen auf dem deutschen Markt nützen wollte298. Die nächste Gelegenheit einer internationalen Präsentation der österreichischen Kunst und Kunstindustrie – nach einer deutlich kleineren Kunstgewerbeausstellung in Amsterdam 1877299 – bot sich 1878 auf der Pariser Weltausstellung. Da die österreichischen Künstler nicht in der Lage waren, »auf eigene Kosten für eine würdige Vertretung zu sorgen«, schlug der Handelsminister vor, der Staat solle fördernd eingreifen300. Die Ausstellung wurde in Wien genau beobachtet, ihr wurde als internationaler Leistungsschau große Bedeutung beigemessen301. Die österreichische Beteiligung an Kunstgewerbeausstellungen wurde vom Österreichischen Museum für Kunst und Industrie, diejenige an Kunstausstellungen von der Genossenschaft der bildenden Künstler in Wien koordiniert. Die Genossenschaft erhielt damit auch eine entscheidende Position bei der Ausstellungsorganisation bei ausländischen Ausstellungen, war aber auf hohe staatliche Subventionen angewiesen. Anlässlich der Teilnahme Österreichs an der Kunstausstellung in Antwerpen wurden etwa 12.500 Gulden benötigt, wobei 295 296 297 298

Vortrag Bylandt-Rheidt v. 29.7.1898 – HHStA, Kab. Kanzlei, 2969/1898. Vortrag Bienerth v. 7.2.1908 – ebd., 445/1908. Steiermärkisches Landesarchiv, Statthalterei, 1. Geschäftsordnung, 24 – 36702/1895. Vortrag Stremayr v. 7.12.1875 – HHStA, Kab. Kanzlei, 5165/1875. Dazu auch AVA, Unterricht-Präs., 579 und 645/1875 sowie 554/1875, hier eine Stellungnahme Eitelbergers. 299 AVA, Unterricht-Präs., 654, 688 und 700/1876. 300 Vortrag Handelsminister Chlumecky v. 7.11.1876 – HHStA, Kab. Kanzlei, 4059/1876. 301 AVA, Unterricht-Präs., 502/1877. Das Österreichische Museum kaufte für etwa 20.000 Gulden Exponate an – AVA, Unterricht-Präs., 140/1878.



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allein 4500 Gulden auf Versicherungskosten und Frachtspesen entfielen302. 1886 erhielt sie für die Teilnahme an der »Akademischen Jubiläums-Kunstausstellung« in Berlin 10.000 Gulden303, 1888 ersuchte sie um die gleiche Summe für die Beschickung der Münchner internationalen Kunstausstellung – eine besondere organisatorische und finanzielle Leistung, weil die Münchner Ausstellung mit der Jubiläumsausstellung in Wien zusammenfiel. Zwei Jahre zuvor war in einem ähnlichen Fall anders entschieden worden  : Damals war auch eine Kunstausstellung in Wien geplant gewesen, man hatte aber auf dringendes Ersuchen der deutschen Regierung darauf verzichtet, weil zeitgleich eine Ausstellung in Berlin stattfand. Die dafür veranschlagte hohe Subvention – der Unterrichtsminister hatte ursprünglich sogar 15.000 Gulden beantragt – wurde gegenüber dem Finanzministerium wirtschaftspolitisch motiviert, weil die Berliner Ausstellung den heimischen Künstlern neue Absatzmärkte erschließen werde304. Die Liste der österreichischen Künstler, die von Preußen ausgezeichnet wurden, liest sich wie ein Almanach der österreichischen Kunstwelt  : Unter ihnen befanden sich Heinrich von Angeli, Viktor Tilgner, Rudolf Alt, Josef Tautenhayn, Josef Václav Myslbek, Emil Jacob Schindler, Otto Wagner, Anton Müller, Rudolf Weyr und Tina Blau305. Daraus wird ersichtlich, welch großen Stellenwert in Wien der Beschickung der Berliner Ausstellung beigemessen wurde. Doch in den folgenden Jahren wurde die Finanzierung schwieriger  : Für die Münchner Ausstellung wurden nur 5000 Gulden bewilligt – die Hälfte dessen, was die Genossenschaft beantragt hatte306. Allerdings mussten diese Förderungen nach und nach erhöht werden307. Auf eine Teilnahme an der Münchener Ausstellung wollte man aber keinesfalls verzichten, die Künstlergenossenschaft bezeichnete München als direkte Rivalin in Kunstangelegenheiten, weshalb Österreich dort unbedingt präsent sein müsse308. Dennoch blieb die österreichische Kunst auf der Münchener internationalen Kunstausstellung 1888 unterrepräsentiert  : Die Habsburgermonarchie stellte 110 Kunstwerke aus, Italien hingegen 302 Werke, Deutschland (ohne Bay302 AVA, Unterricht-Präs., 278 und 357/1885. Schließlich floss eine Subvention von 8000 fl., zuzüglich 2000 fl. privater Subventionen von Kaiser Franz Joseph und des Fürsten Johann von Liechtenstein. Die Rede war allerdings von einem Defizit in der Höhe weiterer 8000 fl. Schließlich wurden der Genossenschaft zusätzliche 2000 fl. zugesprochen, womit insgesamt annähernd die ursprünglich veranschlagte Summe erreicht wurde. AVA, Unterricht-Präs., 1102/1885. 303 Vortrag Gautsch v. 10.4.1886 – HHStA, Kab. Kanzlei, 1521/1886. 304 AVA, Unterricht-Präs., 301/1886. 305 AVA, Unterricht.Präs. 1306 und 1357/1886 sowie 608/1887. 306 Vortrag Gautsch v. 19.9.1887 – HHStA, Kab. Kanzlei, 3535/1887. Zum ursprünglichen Antrag siehe Unterricht-Präs., 1320/1887. 307 Ebd., 2143/1888. 308 Ebd., 368/1899.

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ern) gar 386309. Diese deutliche Unterrepräsentation der österreichischen Kunst hängt allerdings wesentlich mit der gleichzeitig stattfindenden Kaiser-Franz-Joseph–Jubiläumsausstellung in Wien zusammen – mit der Beschickung von zwei Großausstellungen hatte man sich doch etwas übernommen. 1892 beteiligte sich die Habsburgermonarchie auf Drängen der spanischen Regierung an der Madrider kulturhistorischen Ausstellung »anlässlich des Jubiläums der Entdeckung und Eroberung Amerikas«. Eine intensive Beteiligung Österreichs wurde als wünschenswert bezeichnet, »um die innigen Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu betonen«. Mit der Organisation wurde in diesem Fall nicht die Künstlergenossenschaft, sondern das Österreichische Museum für Kunst und Industrie beauftragt310. Dargestellt werden sollte der Kulturzustand Europas Ende des 15. Jahrhunderts, was die österreichischen Organisatoren, aufgrund des Mangels an geeigneten Ausstellungsobjekten, vor erhebliche Schwierigkeiten stellte311. Im gleichen Jahr fand in Paris eine Ausstellung zum Thema »Exposition des Arts de la Femme« statt, wobei es vor allem um die weibliche Gewerbeproduktion und den gewerblichen Unterricht für Frauen ging. Vier österreichische Einrichtungen und Persönlichkeiten, darunter das Österreichische Museum für Kunst und Industrie, wurden mit Medaillen geehrt312. 1892 wurden für die Münchner Ausstellung wie schon vier Jahre zuvor wieder nur 5000 Gulden zur Verfügung gestellt, denn neuerlich gab es zwei Ausstellungen gleichzeitig  : Auch die im gleichen Jahr stattfindende internationale Kunstausstellung in Berlin wurde von österreichischen Künstlern beschickt und benötigte eine staatliche Unterstützung. Als 1896 aus Anlass des 200-jährigen Bestehens der königlichen Akademie der Künste in Berlin wieder eine internationale Kunstausstellung ausgerichtet wurde, ersuchte die Genossenschaft um eine Subvention in der Höhe von 12.000 Gulden. Minister Gautsch hielt eine Teilnahme Österreichs an dieser Veranstaltung für wichtig, »als in Anbetracht der besonders festlichen Veranstaltung auch die anderen Staaten sich angelegen sein lassen dürften, die Ausstellung möglichst glänzend zu beschicken«. Diesmal wurde der beantragte Betrag nicht reduziert, weil die Genossenschaft drohte, im Falle einer neuerlichen Subventionskürzung den Auftrag nicht zu übernehmen313. Es folgten Kunstausstellungen in München und in Dresden, die österreichische Beteiligung wurde wieder von der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens koordiniert, die Subvention belief sich wieder auf 12.000 Gulden314. 309 310 311 312 313 314

Ebd., 2345/1888. Ebd., 1500 und 1711/1891. Ebd., 1888/1891. Ebd., 1459 und 1557/1892. Vortrag Gautsch v. 15.10.1895 – HHStA, Kab. Kanzlei, 4844/1895. Vortrag Gautsch v. 24.8.1896 – ebd., 3874/1896.



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Die Planungen für die österreichische Beteiligung an der Pariser Weltausstellung 1900 begannen bereits Ende 1895, als sich die Genossenschaft bildender Künstler bereit erklärte, die Beschickung zu organisieren315. Es zeichnete sich jedoch ab, dass Kunst und Kunstgewerbe auf den Weltausstellungen nicht mehr die frühere Bedeutung hatten. Auf den Weltausstellungen traten nun immer mehr handelspolitische Überlegungen in den Vordergrund. Da aufgrund des amerikanischen Protektionismus kein kommerzieller Erfolg für die österreichischen Handelstreibenden zu erwarten war, hielt sich das Interesse an einer Teilnahme an der Weltausstellung in St. Louis 1904 in Grenzen. Die Teilnahme Österreichs an der Ausstellung sei jedoch ein »Gebot des staatlichen Prestiges«, meinte der Handelsminister, denn Österreich könne es sich nicht leisten, in St. Louis zu fehlen. Die Beteiligung sollte aber weniger auf einen ökonomischen oder handelspolitischen Mehrwert ausgerichtet sein, sondern vorwiegend repräsentativen Charakter haben316. Damit erhielt noch einmal die heimische Kunstproduktion auf einer Weltausstellung einen Ehrenplatz  : Im österreichischen Pavillon waren Räume von secessionistischen Architekten, darunter Jože Plečnik, zu bewundern und die Prager und Wiener Kunstgewerbeschulen waren durch herausragende Arbeiten repräsentiert. Außerdem gab es einen Saal des Hagenbundes, der Krakauer Künstlervereinigung Sztuka und einen von Jan Kotěra gestaltete Querschnitt der böhmischen Kunst. Die Ausstellung in St. Louis sollte die Vielfalt und Blüte der nationalen Kulturen der Donaumonarchie und deren kulturelle Stärke veranschaulichen317. In künstlerischer Hinsicht wurden die Weltausstellungen nun schrittweise durch internationale Kunstausstellungen abgelöst. 1895 fand die erste Biennale in Venedig statt, die als weltweit orientierte Kunstausstellung konzipiert war. Es war dies ein Konzept, das vor allem von den Secessionisten verfochten wurde318. 1910 folgten in Buenos Aires und in Santiago de Chile Kunstausstellungen aus Anlass der Hundertjahrfeier der Unabhängigkeit der beiden Staaten. Auch in Österreich wurde vom Ministerium und den Kunstvereinen für eine Beteiligung geworben. Da diese aber nicht subventioniert und der Transport von Kunstwerken nach Südamerika sehr kostspielig war, fand die Einladung bei den Künstlern kaum Resonanz. Daran konnte auch das Versprechen der beiden südamerikanischen Regierungen, möglichst viele Kunst315 AVA, Unterricht-Präs., 912/1896. 316 Vortrag Call v. 19.12.1903 – HHStA, Kab. Kanzlei, 3329/1903. 317 Jeroen Bastiaan Van Heerde, Die versöhnende Kraft der Kunst. Die Gründung der österreichischen Galerie im Belvedere als Exponent dynamischer habsburgischer Kulturpolitik, in  : 100 Jahre Österreichische Galerie Belvedere, 149–152. 318 Werner Telesko, Das 19. Jahrhundert. Eine Epoche und ihre Medien (Wien–Köln–Weimar 2010), 172.

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Die staatliche Kunstpolitik

18  Der österreichische Pavillon auf der Kunstausstellung in Rom (Josef Hoffmann, 1911)

werke aus den Ausstellungen für die staatlichen Museen zu erwerben, nichts ändern319. Das kulturelle Prestige der Teilnehmerländer stand auch auf der internationalen Kunstausstellung im Jahre 1911 in Rom – übrigens aus Anlass des fünfzig-Jahr-Jubiläums der Gründung Italiens – im Vordergrund. Zum Generalkommissär wurde der Direktor der österreichischen Staatsgalerie, Friedrich Dörnhöffer, ernannt  ; der österreichische Pavillon wurde von Josef Hoffmann gestaltet. Unterrichtsminister Hussarek betonte, dass Dörnhöffer »einer der bedeutendsten österreichischen Kunstgelehrten« sei und über die Grenzen der Habsburgermonarchie hinaus Bekanntheit erlangt habe. Anlässlich der römischen Kunstausstellung und angesichts des großen Erfolges des österreichischen Ausstellungsbeitrags wurde er zum Regierungsrat ernannt, ebenso Josef Hoffmann, der seit 1899 als Professor für Architektur an der Wiener Kunstgewerbeschule lehrte320. Im Rahmen der allgemeinen Ausstellung fand auch eine spezielle Architekturausstellung statt, auf der Rekonstruktionen von bedeutenden Gebäuden 319 Niederösterreichisches Landesarchiv, Statthalterei, Karton 2329, XVI-233d, Z 3561. 320 Vortrag Hussarek v. 9.2.1912 – HHStA, Kab. Kanzlei, 364/1912.



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und Architekturdekorationen gezeigt wurden, die in den Jahren 1901–1910 entstanden waren321. 1.3.7 Das Wiener Künstlerhaus und die Genossenschaft bildender Künstler

1861 beantragten die Vertreter der bildenden Künstler Wiens die Überlassung eines Bauplatzes aus dem Stadterweiterungsfonds für die Errichtung eines »Künstlervereins- und Kunstausstellungsgebäudes«. Damit sollte den Künstlern Wiens die Möglichkeit geboten werden, ihre Werke in einem geeigneten Rahmen zu präsentieren. Die erforderlichen Mittel für den Bau – sie wurden mit 100.000 Gulden veranschlagt – sollten durch Künstler und Kunstfreunde aufgebracht werden. Staatsminister Schmerling unterstützte das Gesuch vor allem deshalb, weil durch den Bau eines Künstlerhauses der bisherigen Aufsplitterung der österreichischen Künstler in kleine Gruppen und dem Mangel an Ausstellungsräumen in Wien ein Ende gesetzt werden sollte. Der Bauplatz wurde den Künstlern unter der Bedingung überlassen, dass das Gebäude auf Dauer dem ursprünglichen Zweck gewidmet blieb322. Als Beitrag zu den Baukosten wurde der Genossenschaft – wie dem Wiener Musikverein einige Jahre zuvor – ein Teil der Erträge aus der Staatswohltätigkeitslotterie zum Geschenk gemacht, »mit Rücksicht auf die Notwendigkeit der Förderung der Kunst und ihrer Mittel in der Hauptstadt des Reiches«. Im Gegenzug musste die Genossenschaft ihre Räumlichkeiten für periodische Kunstausstellungen zur Verfügung stellen und die Staatsverwaltung beteiligte sich auch an der Planung des Gebäudes323. Das Ausstellungsgebäude entstand somit aus privater Initiative, aber unter finanzieller und organisatorischer Beteiligung des Staates. 1868 wurde das Künstlerhaus fertiggestellt, die Baukosten beliefen sich auf 200.000 Gulden324. Der Kaiser selbst legte auf Bitte des Trägervereins den Schlussstein, als Zeichen seiner Verbundenheit mit der Kunst im Allgemeinen und dem Künstlerhaus im Speziellen325. Das war aber auch ein Symbol für die Staatsnähe dieser Institution. Im Herbst 1868 wurde das Künstlerhaus wie geplant mit der »dritten allgemeinen deutschen Kunstausstellung« eröffnet. Hasner nannte das Künstlerhaus eine der »glücklichsten Schöpfungen auf dem Gebiete der Architektur im neuen Wien«, und mehrere verdiente Mitglieder der Künstlergenossenschaft erhielten kaiserliche Orden326. 321 322 323 324 325 326

Niederösterreichisches Landesarchiv, Statthalterei, Karton 2329, XVI-233d, Z 3224. Vortrag Schmerling v. 4.2.1861 – HHStA, Kab. Kanzlei, 404/1861. Vortrag Lasser v. 6.6.1865 – ebd., 1587/1865. Vortrag Taaffe v. 9.5.1870 – ebd., 1842/1870. Vortrag Beust v. 2.7.1868 – ebd., 2371/1868. Vortrag Hasner v. 14.11.1868 – ebd., 4241/1868. Schon Anfang der achtziger Jahre erwies sich der Ausstellungsraum als zu klein, und die Genossenschaft bildender Künstler ersuchte um

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Die Genossenschaft bildender Künstler Wiens engagierte sich durch die Gründung eines Pensionsfonds auch für erwerbsunfähig gewordene Künstler und deren mittellose Angehörige. Dieser Fonds sollte aus der jährlichen Verlosung von Kunstgegenständen gespeist werden327. Ab 1891 vergab die Genossenschaft im Rahmen ihrer großen Ausstellungen goldene und silberne »Staatspreismedaillen«, die einen Anreiz für österreichische Maler bieten sollten, in der bildenden Kunst gegenüber München, Dresden und Berlin aufzuholen. Der Rückstand Öster­reichs gegenüber Deutschland wurde nicht zuletzt auf den Mangel an Ehrenpreisen – es gab den Reichel-Preis, die Erzherzog Carl Ludwig-Medaille sowie den 400-Dukaten-Preis – zurückgeführt. Die Kosten für die ab 1891 jährlich verliehenen vier goldenen und sechs silbernen »Staatspreismedaillen« wurden mit 826 Gulden beziffert, sie sollten aber nur an »würdige Künstler« vergeben werden  ; wenn es keine geeigneten Kandidaten gab, sollte auf eine Vergabe verzichtet werden. Jeder Künstler sollte nur einmal Preisträger sein, im Falle einer neuerlichen Prämierung trat an die Stelle der Medaille ein – ebenfalls nur einmaliges – Ehrendiplom des Unterrichtsministeriums328. 1911 wurden zahlreiche Mitglieder und Angestellte der Genossenschaft bildender Künstler Wiens anlässlich ihres fünfzigjährigen Bestands mit kaiserlichen Auszeichnungen geehrt, der Bildhauer Rudolf Weyr – dem es als Vorstand gelungen war, den Verein finanziell zu konsolidieren – wurde in den Ritterstand erhoben329. 1.3.8 Politik der Denkmäler – Denkmalpolitik

Denkmäler sind in den politisch-kulturellen Zusammenhang ihrer Zeit eingebettet, durch sie werden historische Ereignisse und Persönlichkeiten für die spätere Zeit markiert. Aufgrund der Vielzahl nationaler und regionaler Identitäten in der Habsburgermonarchie wurden von staatlicher Seite vor allem Denkmäler für die gemeinsamen Symbole der Monarchie – Armee und Dynastie – gefördert, um ein gesamtstaatliches Bewusstsein zu schaffen330. Denkmäler werden im 19. Jahrhundert zur öffentlichen Aufgabe und erhielten dadurch eine staatspolitische Bedeutung. Diese Entwicklung ist zeitlich und künstlerisch eng mit dem Historismus verbunden. In Abstimmung mit der historistischen Ausgestaltung der Städte Genehmigung zur Verbauung eines Teils des das Künstlerhaus umgebenden Parks, um weiterhin internationale Kunstausstellungen abhalten zu können. Vortrag Taaffe v. 25.3.1881 – ebd., 1232/1881. 327 Vortrag Holzgethan v. 18.11.1871 – ebd., 4086/1871. 328 Vortrag Tautsch v. 7.7.1890 – ebd., 3365/1890. 329 Vortrag Stürgkh v. 12.5.1911 – ebd., 1571/1911. 330 Werner Telesko, Kulturraum, 103–170.



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wurden Denkmäler an städtebaulich wichtigen Orten errichtet. Eine historische Figur stand damit stellvertretend für die Tradition einer Nation331. Das konnten Künstler ebenso wie politische Persönlichkeiten in ihrer nationalen oder in ihrer übernationalen Ausprägung sein. In der Habsburgermonarchie wurde insbesondere der dynastische Aspekt des Reichsbegriffs durch Denkmäler zum Ausdruck gebracht. Die Herstellung von in Metall gegossenen Denkmälern war sehr aufwendig, und aufgrund des Fehlens einer eigenen Erzgießerei wurden die Statuen lange Zeit im Ausland hergestellt332. Die Gründung einer eigenen Wiener Kunsterzgießerei rechnete sich selbst im Denkmalboom der Ringstraßenepoche wirtschaftlich nicht, wurde aber Anfang der sechziger Jahre zum staatlichen Prestigeprojekt. Der renommierte Wiener Bildhauer Anton Ritter von Fernkorn wurde ihr erster Direktor  ; er musste sich allerdings krankheitsbedingt schon 1866 von der Direktion dieser Anstalt zurückziehen und die Leitung des Betriebs ging auf seine beiden Mitarbeiter, Franz Pönninger und Josef Röhlich, über. Fernkorn nutzte die Gießerei weiterhin für seine Arbeiten, doch war der Betrieb von Anfang an defizitär333. Die Gießerei unterstand dem Finanzministerium, das sie nicht länger erhalten wollte – doch die von den beiden Direktoren angestrebte Unterstellung unter das Unterrichtsministerium wurde abgelehnt334. Anfang der achtziger Jahre warf der niederösterreichische Gewerbeverein ein Auge auf die Anstalt und schlug vor, sie an das Technologische Gewerbemuseum anzuschließen  ; sie sollte zum Kern der Sektion für Metallindustrie werden335. Die Pläne konkretisierten sich, und 1883 stand das Gußhaus vor seiner Schließung als künstlerische Anstalt. Minister Conrad hielt die Kunsterzgießerei als Kunstinstitut für überholt und empfahl ihre Umwandlung in eine technische Werkstätte sowie deren völlige Privatisierung336. Nicht nur Conrad, auch die von ihm befragten Experten hielten eine metall-technische Anstalt für wichtiger als eine Kunsterzgießerei337. Doch unter den Bildhauern regte sich Widerstand, das Kuratorium des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie forderte die Übernahme 331 Werner Telesko, 19. Jahrhundert, 145 ff. 332 So wurde 1860 ein Marmordenkmal Andrea Palladios aus Rom nach Vicenza gebracht, und 1865 kam die Veroneser Statue Dante Alighieris ebenfalls aus einer italienischen Gießerei. Vortrag Bruck v. 1.2.1860 – HHStA, Kab. Kanzlei, 393/1860 sowie Vortrag Plener v. 15.5.1865 – ebd., 1307/1865. 333 Vortrag Belcredi v. 10.2.1866 – ebd., 500/1866. 334 Vortrag Pretis v. 14.3.1879 – ebd., 1115/1879. 335 Handschreiben an Finanzminister Dunajewski, B54c. sowie Vortrag Dunajewski v. 27.1.1882 – ebd., 487/1882. 336 Vortrag Conrad v. 25.2.1883 – ebd., 889/1883. 337 Vortrag Conrad v. 25.4.1883 – ebd., 1582/1883.

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durch den Staat. Conrad zögerte und trat nun für eine Kombination technischer und künstlerischer Interessen ein338. Der niederösterreichische Gewerbeverein hatte unter dieser Voraussetzung jedoch kein Interesse mehr an einer Übernahme, und Minister Conrad sah sich gezwungen, die Entscheidung auf unbestimmte Zeit zu vertagen339. Anfang 1896 stellten die Akademie der bildenden Künste, das Museum für Kunst und Industrie sowie die Genossenschaft der bildenden Künstler Gesuche an Kaiser Franz Joseph »zur Sicherung des Bestandes einer entsprechend organisierten Kunsterzgießerei in Wien«. Pönninger hatte »in Folge irrationeller Geschäftsführung« die Gießerei Ende 1895 in eine schwere ökonomische Krise geführt, ihre Schließung stand einmal mehr im Raum. Der Industrielle Arthur Krupp übernahm nun die Kunsterzgießerei »auf eigene Kosten und Gefahr«, und die Staatsverwaltung konnte sich auf diese Weise der ungeliebten und teuren Gießerei entledigen, ohne sie schließen zu müssen. Krupp übernahm im Februar 1896 auch die Schulden Pönningers. Bei den Detailverhandlungen kam es zwar noch zu Differenzen, schließlich konnte aber ein für beide Seiten befriedigendes Übereinkommen unterzeichnet werden340. Ein Jahrzehnt später, Ende Oktober 1908, wurde der Betrieb der Kunsterzgießerei endgültig eingestellt. Das Übereinkommen mit Krupp war Ende 1906 ausgelaufen, Verhandlungen über eine Verlängerung scheiterten341. Der Aufwand rechtfertigte aus Sicht des Ministeriums den Weiterbetrieb der Kunsterzgießerei nicht, sie wurde – nun ohne Proteste aus Künstlerkreisen – geschlossen342. Die Errichtung von Denkmälern war auch ein willkommener Anlass für die Erteilung von Auszeichnungen an verdiente Künstler und Organisatoren. Anlässlich der Aufstellung des Erzherzog-Albrecht-Denkmales in Arco wurden zum Beispiel ausschließlich Politiker und Unternehmer, ja sogar der Kurarzt ausgezeichnet, nicht aber der künstlerische Schöpfer des Denkmals343. Hieraus wird deutlich, wie sehr politische Überlegungen hinter der Errichtung von Denkmälern stand  ; vor allem ging es um die Förderung des Reichspatriotismus durch möglichst in ganz Cisleithanien anerkannte Persönlichkeiten. Künstler und insbesondere Musiker eigneten sich dafür in besonderer Weise. Große Bedeutung erhielt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Maria Theresia und ihre Rolle als Landesmutter, die durch zahlreiche Denkmäler gewürdigt wurde, wobei vor 338 Vortrag Conrad v. 12.5.1883 – ebd., 1794/1883. 339 Vortrag Conrad v. 19.12.1883 – ebd., 4769/1883. 340 Vortrag Gautsch v. 15.3.1897 – ebd., 1163/1897. S.a. AVA, Unterricht-Allg. Fasz. 3071. Verträge mit Krupp 49662/1908. 341 Vortrag Hartel v. 19.12.1904 – HHStA, Kab. Kanzlei, 3439/1904. 342 Vortrag Kaněra v. 2.7.1.1909 – ebd., 469/1909. 343 Vortrag Heinold v. 17.3.1914 – ebd., 691/1914.



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allem das Maria-Theresien-Denkmal Caspar von Zumbuschs zu erwähnen ist. Besonders nach dem Ausgleich mit Ungarn erhielt die Regentin die Funktion einer integrativen Symbolfigur344. Zunehmend deutlich wurde aber auch die nationale Kodierung, etwa bei den Denkmälern in Prag, wo mit dem Wenzelsdenkmal am Wenzelsplatz und dem Hus-Denkmal am Altstädter Ring in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg anschauliche Zeichen eines nationalen tschechischen Selbstbewusstseins gesetzt wurden. Die für die Staatsverwaltung kostengünstigste Variante einer Unterstützung bei der Errichtung von Denkmälern waren Lotterien. So wurde 1872 für die Errichtung des Tegetthoff -Denkmals in Marburg die Ausgabe von 200.000 Losen à 50 Kreuzer genehmigt345. Abgelehnt wurde 1891 aufgrund des zu erwartenden Scheiterns dagegen eine Lotterie zur Errichtung eines Radetzky-Denkmals in Linz346. Beliebtes Motiv für Denkmäler waren historische, manchmal auch zeitgenössische Mitglieder des Kaiserhauses. Auf Maria Theresia wurde bereits hingewiesen. 1852 wurde am Gipfel des Berges Gaina im Distrikt Körösbanya in Siebenbürgen ein Denkmal errichtet, das an die Besteigung dieses Berges durch Kaiser Franz Joseph erinnern sollte. Es bestand aus einer Pyramide, die oben mit einem vergoldeten gusseisernen Adler verziert war347. Ein ähnliches Projekt am Ortler – anlässlich des 40-jährigen Thronjubiläums sollte am Gipfel des Ortlers ein Obelisk errichtet werden, Hofsteinmetz Eduard Hauser erhielt den Auftrag – wurde vom Innenministerium als zu gefährlich eingestuft und untersagt348. Im gleichen Jahr wurde im küstenländischen Isola ein Denkmal errichtet, das an einen Besuch von Kaiser Franz Joseph erinnerte349. Besonders deutlich wird der Personenkult um Kaiser Franz Joseph in der großen Zahl an Kaiserporträts. Diese waren häufig anlassbezogen. So wurden 1858 anlässlich einer Reise des Monarchen nach Lombardo-Venetien mehrere Kaiserporträts für lokale staatliche Behörden angefertigt350. Anlässlich des 500-jährigen Jubiläums der Universität Krakau wurde ihr ein lebensgroßes Bildnis des Kaisers zum Geschenk gemacht. Die Kosten des Gemäldes sollten vom Krakauer Studienfonds getragen werden. Um sie allerdings möglichst gering zu halten, wurde das Kaiser-Gemälde aus dem Prager Landtag kopiert351. Die Darstellungen des Kaisers intensivierten sich vor allem zu 344 Werner Telesko, Geschichtsraum, 84–102. 345 Vortrag Pretis v. 8.2.1872 – HHStA, Kab. Kanzlei, 539/1872. 346 Vortrag Steinbach v. 7.7.1891 – ebd., 2945/1891. 347 Vortrag Bach v. 5.10.1852 – ebd., 3135/1852. 348 Vortrag Taaffe v. 17.11.1888 – ebd., 4239/1888. 349 Vortrag Bach v. 7.12.1852 – ebd., 3936/1852. 350 Vortrag Bruck v. 7.3.1858 – ebd., 797/1858. 351 Vortrag Schmerling v. 18.5.1863 – ebd., 1731/1863.

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den Thronbesteigungsjubiläen der Jahre 1898 und 1908. Zahlenmäßig dominieren Darstellungen Kaiser Franz Josephs in Uniform – das Heer wurde damit als eine der Hauptstützen des Kaiserhauses präsentiert352. 1877 wurde das Erzherzog-Johann-Denkmal in Graz errichtet 353, und überall in der Monarchie wurden nach der Ermordung der Kaiserin Elisabeth-Denkmäler errichtet  : in Triest 354 und Wien wurden sie über Lotterien finanziert, steuerbefreit, mit »Rücksicht auf den äußerst patriotischen Zweck des Unternehmens«355. Auch in kleineren Orten wurden Denkmäler in Erinnerung an die ermordete Kaiserin errichtet, so in Přivoz bei Ostrau356 und in Pola357. 1910 war die Errichtung eines Denkmals für Rudolph von Habsburg geplant  ; das Denkmalkomitee stand unter der Leitung Franz Ferdinands, Finanzminister Biliński genehmigte eine Lotterie358  – zur Erbauung des Denkmales kam es aber nicht mehr. Es wird deutlich, dass die große Zeit der Denkmäler vorüber war, in der Moderne galten sie nur mehr bedingt als geeignetes Mittel zur Förderung des Reichspatriotismus und der Staat zog sich in der Folge aus diesem Bereich fast völlig zurück, die Errichtung von Denkmälern wurde Privatinitiativen überlassen. Exkurs  : Denkmalfinanzierung durch den Stadterweiterungsfonds

In Wien konnte man bei der Errichtung von Denkmälern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf staatliche Zuschüsse aus dem Stadterweiterungsfonds zurückgreifen. Anlässlich der Errichtung des Schiller-Denkmals – es bestand ein Finanzbedarf von 30.000 Gulden – war 1872 eine prinzipielle Entscheidung getroffen worden  : Der Stadterweiterungsfonds sei aufgrund seiner Widmung zur »Verschönerung der kaiserlichen Residenz zur Förderung derartiger Unternehmen berufen«359. Zwei Jahre später wurde das nächste Gesuch gestellt, diesmal ging es um das von Caspar von Zumbusch gestaltete Beethoven-Denkmal. Das Denkmalkomitee hatte 40.000 Gulden aufgebracht, aus dem Stadterweiterungsfonds wurde ein Zuschuss von insgesamt 6000 Gulden, aufgeteilt auf drei Jahre, geleis-

352 353 354 355 356 357 358 359

Zu den Porträts von Kaiser Franz Joseph Werner Telesko, Geschichtsraum, 205–241. Vortrag Finanzminister Pretis v. 15.3.1877 – HHStA, Kab. Kanzlei, 1014/1877. Vortrag Böhm-Bawerk v. 11.7.1902 – ebd., 1883/1902 sowie v. 26.9.1904 – ebd., 2635/1904. Vortrag Böhm-Bawerk v. 16.3.1903 – ebd., 815/1903. Vortrag Hartel v. 4.4.1903 – ebd., 960/1903. Vortrag Bylandt-Rheidt v. 10.5.1905 – ebd., 1405/1905. Vortrag Biliński v. 28.5.1910 – ebd., 1877/1910. Vortrag Lasser v. 6.3.1872 – ebd., 944/1872. Zum Schiller-Denkmal Werner Telesko, Kulturraum, 171 ff.



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tet360. 1880 wurde das Beethoven-Denkmal vollendet  ; Zumbusch erhielt einen Orden, zudem wurde sein Entwurf auf der Pariser Weltausstellung mit der goldenen Medaille ausgezeichnet361. Da sich die Gemeinde Wien weigerte, die das Denkmal umgebende Gartenanlage auf ihre Kosten herzustellen, mussten dafür weitere 3000 Gulden aus dem Stadterweiterungsfonds flüssig gemacht werden362. Das Innenministerium war bemüht, die Denkmäler möglichst schnell in die Obhut der Gemeinde zu übertragen, und zwar einschließlich des sie umgebenden Platzes und der Grünflächen, um die Belastungen für den Fonds zu reduzieren363. 1883 und 1884 wurden jeweils 5000 Gulden für das Mozart-Denkmal zur Verfügung gestellt, und zwar mit der ausdrücklichen Begründung, dass es ein Anliegen des Stadterweiterungsfonds sei, die »Errichtung von Monumenten für hochverdiente, berühmte Personen« zu fördern364. Das galt auch für das Türkenbefreiungsdenkmal im Stephansdom, für das ebenfalls 10.000 Gulden bereitgestellt wurden365. Das Grabmal Beethovens auf dem Zentralfriedhof wurde mit 2000 Gulden größtenteils aus dem Stadterweiterungsfonds finanziert, die fehlenden 1000 Gulden wollte die Gesellschaft für Musikfreunde durch Beiträge der Gemeinde Wien und der Philharmoniker aufbringen366. In einem Fall kam es sogar zur Förderung eines Denkmals außerhalb Wiens, nämlich beim Denkmal für Matthias Konstantin Wickenburg in Gleichenberg, das der Kurort seinem Gründer stiftete. Wickenburg war über 22 Jahre Präsident des Stadterweiterungsfonds gewesen, das Denkmal wurde mit 1000 Gulden gefördert. Für das Tegetthoff-Denkmal am Praterstern gab es hingegen keine staatlichen Beiträge  : immerhin wurde dem Bildhauer Carl Kundmann und dem Architekten Carl Hasenauer die kaiserliche Anerkennung ausgesprochen, weil die beiden Künstler bei Verwirklichung dieses Projekts erhebliche technische Schwierigkeiten zu überwinden gehabt hatten367. 1886 wurde das Liebenberg-Denkmal mit 2000 Gulden gefördert, zwei Jahre später wurden dafür weitere 3000 Gulden genehmigt, »weil das Denkmal, welches die Vaterlandsliebe der Wiener Bürger und des ehemaligen Bürgermeisters Liebenberg […] verewigen wird«, einen patriotischen Inhalt hatte368. Die Gesamtkosten für dieses Denkmal beliefen sich auf 22.000 Gulden. 360 361 362 363 364 365 366 367 368

Vortrag Lasser v. 5.5.1874 – HHStA, Kab. Kanzlei, 1992/1874. Vortrag Conrad v. 26.4.1880 – ebd., 1604/1880. Dazu Werner Telesko, Kulturraum, 174 f. Vortrag Taaffe v. 19.9.1879 – HHStA, Kab.Kanzlei, 3843/1879. Vortrag Lasser v. 1.2.1873 – ebd., 692/1873. Vortrag Taaffe v. April 1883 – ebd., 1540/1883. Zum Mozart-Denkmal Werner Telesko, Kulturraum, 177 f. Vortrag Taaffe v. 7.4.1884 – HHStA, Kab. Kanzlei, 1317/1884. Vortrag Taaffe v. 7.5.1886 – ebd., 1952/1886. Vortrag Gautsch v. 29.9.1886 – ebd., 3793/1886. Vortrag Taaffe v. 3.5.1888 – ebd., 1652/1888.

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Eine Verbindung zwischen Denkmalförderung und Ehrung eines großen Künstlers der Ringstraßenzeit stellt der Zuschuss von 2000 Gulden für das Denkmal für Friedrich von Schmidt dar. Die staatliche Subvention wurde mit dessen Verdiensten um die Ringstraße und bei der Restaurierung des Stephansdomes begründet369. Direkt von der Unterrichtsverwaltung übernommen wurden die Kosten für die Denkmäler von Leo Thun sowie von Franz Exner und Hermann Bonitz. Der Bildhauer Kundmann wurde beauftragt, »auf Kosten der dem Unterrichtsminister für Kunstzwecke« zur Verfügung stehenden Mittel ein Marmordenkmal um 16.000 Gulden zu planen, das anlässlich der 42. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner, die im Mai 1893 in Wien stattfand, enthüllt werden sollte370. Weitere Denkmäler, die teilweise aus Mitteln des Stadterweiterungsfonds errichtet wurden, waren das Gutenberg-Denkmal und das Raimund-Denkmal. Innenminister und Ministerpräsident Badeni begründete den Kostenbeitrag des Stadterweiterungsfonds damit, dass dieser »seit jeher allen Werken, welche geeignet erscheinen, zur künstlerischen Ausgestaltung Wiens beizutragen, eine wohlwollende Förderung entgegen gebracht« habe. Vor allem das Raimund-Denkmal wurde gefördert, weil es wegen seiner Lage bei den Museen »zum künstlerischen Schmucke gereichen wird und die Ehrung einem Manne gilt, dem Wien nicht nur die Stätte der Geburt und seines Wirkens war, sondern dessen Schöpfungen auch tief im Boden seiner Heimat wurzeln«371. Ebenfalls gefördert wurde das Denkmal für Anzengruber, doch Innenminister und Ministerpräsident Koerber machte bei dieser Gelegenheit deutlich, dass er diese Beiträge eigentlich nicht als Verpflichtung des Stadterweiterungsfonds betrachtete372. Koerber ließ damit eine Änderung in der Förderungspolitik des Stadterweiterungsfonds anklingen, weil sein Vorgänger Badeni in diesen Zuschüssen kein prinzipielles Problem gesehen und im Gegenteil die Errichtung von Denkmälern sogar als zentrale Aufgabe des Fonds begriffen hatte373. Bis zum Ende der Monarchie wurden Denkmäler aus Mitteln des Stadterweiterungsfonds unterstützt, allerdings blieb es nun bei eher symbolischen Beiträgen, darunter 4000 Kronen für das Hamerling-Denkmal (bei Gesamtkosten von 80.000 Kronen  !374) und ebenfalls 4000 Kronen für das Johann-Strauß-Denkmal375. 369 370 371 372 373 374 375

Vortrag Taaffe v. 3.6.1891 – ebd., 2403/1891. Vortrag Gautsch v. 22.3.1893 – ebd., 1270/1893. Vortrag Badeni v. 23.2.1897 – ebd., 872/1897. Vortrag Koerber v. 8.5.1901 – ebd., 1224/1901. Vortrag Koerber v. 19.4.1903 – ebd., 1070/1903. Vortrag Bylandt-Rheidt v. 29.1.1906 – ebd., 3727/1906. Vortrag Bienerth v. 1.6.1908 – ebd., 1876/1908.



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1.4 Modernisierung und Secession 1.4.1 Kunstrat und Moderne

Bereits seit den neunziger Jahren wurde kritisiert, dass die regionale und nationale Vielfalt der Donaumonarchie in der Kunstpolitik zu wenig Berücksichtigung fand, und schon im November 1883 hatte Eitelberger – als Deutschliberaler und Verfechter eines Wienzentralismus ein unverdächtiger Zeuge – anlässlich der Errichtung des Prager Nationaltheaters bemängelt, dass die Leistungen der am Bau beteiligten Künstler nicht ausreichend gewürdigt wurden  : »Es scheint mir nicht ganz recht, wenn die Leistungen der Künstler in den Kronländern von Seiten der Zentral-Regierung in Wien unbeachtet gelassen werden und hervorragende Leistungen von Künstlern und Industriellen ohne jede öffentliche Anerkennung bleiben.«376 Diese Mahnungen blieben ungehört  ; erst ein Jahrzehnt später schlug Unterrichtsminister Bylandt-Rheidt die Errichtung eines Gremiums vor, in dem die unterschiedlichen kunstpolitischen Interessen besser zur Geltung kommen sollten. Mit kaiserlicher Entschließung vom 17. Juli 1898 wurde der »Kunstrat« als zweites, das Ministerium in Kunstangelegenheiten beratendes Organ bestellt. Er setzte sich aus bildenden Künstlern, Kunstgelehrten und Kunstfreunden – 42 Mitglieder aus den verschiedensten Teilen der Monarchie – zusammen und traf einmal jährlich zusammen, den Vorsitz führte der Minister bzw. der zuständige Sektionschef. In seinen Wirkungskreis gehörten staatliche Kunstaufträge, Kunstankäufe sowie die Prüfung der jährlichen Berichte des Kunstdepartements. Darüber hinaus war er auch für die Durchführung und Subventionierung von Kunstausstellungen, die Förderung künstlerischer und kunstgeschichtlicher Publikationen sowie sonstige künstlerische Unternehmungen, die Erteilung von Stipendien an bildende Künstler und Kunstforscher sowie allgemeine Fragen des Kunstunterrichtes, der Kunstund Denkmalpflege und des Museumswesens zuständig. Die Ausweitung der Aufgaben der Kunstverwaltung hatte dieses neue Beratungsorgan nötig gemacht. Der Budgetposten für Kunst und Kunstförderung war von 235.712 Gulden im Jahre 1887 auf 679.559 Gulden im Jahre 1898 gestiegen, der darin enthaltene Betrag für Kunstaufträge und -ankäufe von 20.000 auf 52.000 Gulden. Die Kunstkommission hatte zwar klingende Namen unter ihren Mitgliedern – Otto Wagner, Nikolaus Dumba und Antonín Dvořák – doch waren es zu viele Fachleute und zu wenige Kunstmanager und regionale Experten, lautete das Urteil von Minister Bylandt-Rheidt. Die »Kunstkommission« blieb allerdings bestehen, wobei sich die beteiligten Personen teilweise mit dem »Kunstrat« überschnitten. Zu dessen Mitgliedern zählten u.a. August Eisenmenger, Sigmund L’Allemand, Caspar Zumbusch, Edmund Hellmer, Jo376 Eitelberger v. 30.11.1883 – AVA, Unterricht-Präs., 1199/1883.

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sef Josef Václav Myslbek, Otto Wagner, Friedrich Ohmann, Emil Förster, Otto Benndorf, Josef Helfert, Arthur von Scala, Nikolaus Dumba, Zdenko Thun und Josef Hlávka377. Im Mittelpunkt stand die bildende Kunst, denn bei Literatur und Musik sah man zunächst weniger Handlungsbedarf. Da der Kunstrat nur einmal jährlich tagte, konnte er nur konzeptionelle Leitlinien vorgeben. Obwohl es zwischen 1899 und 1905 nur fünf Sitzungen gab, gingen vom Kunstrat wichtige kulturpolitische Impulse aus. In der zweiten Sitzung im Jahr 1900 war etwa Kunstreferent Karl von Wiener bemüht, den Vorwurf zu entkräften, das Ministerium benachteilige die tschechische Kunst. Für die Beschickung der Pariser Weltausstellung wurden deshalb nicht nur in Wien, sondern auch in Prag und Krakau Komitees gegründet, die repräsentative Werke böhmischer und polnischer Künstler ausfindig machen sollten. Der Kunstrat nahm außerdem eine Resolution an, wonach zu allen Entscheidungen künstlerischen Inhalts von den anderen Ministerien die Zustimmung des Unterrichtsministeriums eingeholt werden musste, was das Gewicht des Ministeriums als Entscheidungsinstanz in staatlichen Kunstangelegenheiten verstärken sollte378. Zusätzlich zur »Kunstkommission« und zum »Kunstrat« wurden fallweise Kommissionen mit beschränktem Wirkungskreis zur Beratung des Ministeriums für bestimmte Ereignisse oder Aufgaben (z.B. Weltausstellung) eingesetzt379. Die Gründung des Ministeriums für öffentliche Arbeiten führte 1911 zu einer Neuverteilung der Kompetenzen. In dem neuen Ministerium wurden alle Angelegenheiten »technischer Natur« gebündelt, vor allem das Handelsministerium trat mehrere Aufgaben ab. Alle Agenden »zur Förderung von Industrie und Gewerbe« wurden in dem neuen Ministerium vereinigt, nur das »Österreichische Museum« und die Kunstgewerbeschule blieben als vorwiegend künstlerische Einrichtungen beim Unterrichtsministerium380. Überlegt wurde die Schaffung eines zentralen Gremiums für Musikpflege, was aber von den zuständigen Ministerialbeamten abgelehnt wurde, und zwar mit Hinweis auf den schon seit Jahren nicht mehr einberufenen »Kunstrat«, der »sich als eine recht überflüssige und hemmende Institution erwiesen« habe und mit gutem Grund nicht mehr einberufen worden sei, weil sich kleine und dezentralisierte Einheiten als effizienter erwiesen hätten. Das Urteil der Zeitgenossen über die Leistungen des Kunstrats war also negativ, und so konnte sich letztlich dann doch wieder die 377 Vortrag Bylandt-Rheidt v. 5.7.1898 – ebd., 2747/1898. 378 Zur Bedeutung des Kunstrats für das Kulturleben der Habsburgermonarchie in der Moderne siehe die ausführliche Studie von Jeroen Bastiaan van Heerde, Staat und Kunst, 75–92 sowie Elisabeth Springer, Geschichte und Kulturleben der Wiener Ringstraße, 599–603. 379 Eintragung »Kunstpflege«, in  : Ernst Mischler, Joseph Ulbrich, Österreichisches Staatswörterbuch, 322–326. Siehe auch Jeroen Bastiaan van Heerde, Staat und Kunst, 66 ff. 380 Vortrag Stürgkh v. 15.11.1911 – HHStA, Kab. Kanzlei, 3345/1911.



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ständige Kunstkommission als zentrales kunstpolitisches Beratungsgremium des Ministeriums durchsetzen381. Der Kunstrat blieb weiter bestehen  ; es wurden auch neue Mitglieder berufen, Sitzungen fanden jedoch keine mehr statt382. 1.4.2 Die Entdeckung der Musik

Die Gründung des »Ministeriums für Cultus und Unterricht« war langfristig auch für das Musikleben von Bedeutung. Die 1812 in Wien gegründete »Gesellschaft der Musikfreunde« erhielt bereits ab 1846 eine staatliche Subvention in der Höhe von 3000 Gulden. Der Austritt vieler Mitglieder und das Ausbleiben der Subvention hätten die Gesellschaft im Revolutionsjahr fast in den Ruin getrieben, wäre Thun – gegen den Widerstand des Finanzministers – nicht im letzten Moment eingeschritten383. Die von der Gesellschaft erbetene Übernahme des Konservatoriums durch das Unterrichtsministerium wurde allerdings mit der wirtschaftsliberalen Begründung abgewiesen, dass der Staat vor allem die Aufgabe habe, günstige Bedingungen für das Gedeihen des Kulturlebens zu schaffen, ihm aber nicht die Last der Erhaltung solcher Institutionen aufgebürdet werden könne. Doch es sollte sich sehr schnell zeigen, dass Privatinitiative nicht ausreichte – die Gründung einer »Akademie der Tonkunst« als Konkurrenzunternehmen zum Musikverein scheiterte384 –, und das Konservatorium des Musikvereins wurde in den folgenden Jahrzehnten zu einem der größten Subventionsempfänger in der Habsburgermonarchie. Zunächst hielt man sich an die im Vormärz festgesetzten 3000 Gulden – zuzüglich 2000 Gulden von der Gemeinde Wien385 –, ab 1872 jedoch, als der Finanzbedarf des Konservatoriums explodierte, musste die Subvention auf 10.000 Gulden und mehr erhöht wer381 AVA, Unterricht-Allg. Fasz. 3072, 1911/15 Kunstwesen in genere, »Kunstkommission« 46326/11 und 2903/15. Hier auch Akten über die Berufung von Mitgliedern der Kunstkommission, Sitzungsprotokolle etc. 382 AVA, Unterricht-Allg., Fasz. 3073. 383 Dazu MR v. 10.11.1849/VI, in  : Die Protokolle des österreichischen Ministerrats 1848–1867, Abteilung II  : Das Ministerium Schwarzenberg, Band 1, bearbeitet von Thomas Kletečka (Wien 2002), 823 sowie v. 4.1.1850/V, 964. 384 Sie erfolgte auf Initiative eines Angestellten der Gesellschaft der Musikfreunde. Als Vorstand konnte Hofkapellmeister Ignaz Aßmayer gewonnen werden. In dem von der Gesellschaft der Musikfreunde dominierten Wiener Musikleben stieß der neue Verein jedoch auf Ablehnung, und Minister Thun warf den führenden Vereinsmitgliedern vor, sich bereichern zu wollen, die sogenannte »Akademie der Tonkunst« habe keinen Nutzen für das Musikleben Wiens und Österreichs. Thun lehnte deshalb sowohl das Subventionsgesuch als auch die Bitte um Gewährung des Titels »Franz-Joseph-Akademie« ab. Vortrag Thun v. 9.1.1854 – ebd., 248/1854. 385 Diese Subvention wurde für sechs Jahre zugesprochen – Ah. E. v. 29.1.1854 auf den Vortrag Thun v. 9.1.1854 – ebd., 248/1854.

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den. Der Musikverein geriet dadurch in eine immer stärkere Abhängigkeit vom Staat. Die Notwendigkeit einer staatlichen Förderung begründete Unterrichtsminister Thun schon 1851 mit dem Prestige Wiens als kaiserliche Residenzstadt und Zentrum des Reiches und verwies auf ähnliche – zum Teil staatlich unterstützte – Einrichtungen in anderen Kronländern386. Die jährlichen 3000 Gulden reichten für eine Qualitätssicherung nicht aus – Thun erinnerte an das weitaus höher subventionierte Mailänder Konservatorium387 –, eine Subventionserhöhung war aber wegen der schlechten Lage der Staatsfinanzen nicht möglich. Dennoch rief der Musikverein 1854 einen eigenen Chor ins Leben – er wurde zum Singverein der Gesellschaft, wenig später wurde auch eine Singakademie gegründet388. Regelmäßig, so auch 1857, ersuchte die Gesellschaft der Musikfreunde um eine Verdoppelung der staatlichen Unterstützung. Der Großteil der Schüler wurde unentgeltlich unterrichtet, zahlreiche Schüler bezahlten zudem nur das halbe Schulgeld, aus diesen Einnahmen konnte das Konservatorium also nicht erhalten werden389. Doch nicht einmal die Umwandlung der 1000 Gulden, die Kaiser Franz Joseph aus seiner Privatschatulle der Gesellschaft widmete, in eine dauernde Finanzierung konnte durchgesetzt werden390. 1860 wurde der Wiener Musikverein durch eine Statutenänderung in noch größere Nähe zum Staat gebracht, ein Regierungskommissar, der auch Vereinsbeschlüsse sistieren konnte, überwachte nun die Gebarung des Vereins391. Ende 1862 stellte die Gesellschaft den Antrag auf unentgeltliche Überlassung eines Grundstücks im Ringstraßenbereich  : Argumentiert wurde mit dem Fehlen eines Konzertsaals, vor allem aber mit dem steigenden Raumbedarf des Konservatoriums. Die Finanzierung des Baus war nur mit staatlicher Unterstützung möglich, der Gesellschaft wurde die Hälfte des Reinertrags aus zwei Staatslotterien, insgesamt etwa 100.000 Gulden, überlassen392. Eine Subventionserhöhung konnte jedoch auch unter der Regierung Schmerling nicht durchgesetzt werden393. 386 »[…] und glaubt das gegenwärtige Einschreiten umso mehr unterstützen zu sollen, als Wien der Mittelpunkt des Kaiserstaates, bei seinen Kunstmitteln und Kräften eines Kunstinstitutes entbehrt, dessen sich die bei weitem weniger reichen Hauptstädte der Kronländer erfreuen.« Vortrag Thun v. 18.5.1851 – ebd., 1779/1851. Der Vortrag wurde mit Ah. E. v. 29.5.1851 resolviert. 387 Vortrag Thun v. 1.12.1854 – ebd., 3741/1854. 388 Karl Wisoko-Meytsky, Staat und Musik, in  : 100 Jahre Unterrichtsministerium, 321–332, hier 326. 1884 wurden die Leistungen des Singvereins mit einer kaiserlichen Medaille gewürdigt – AVA, Unterricht-Präs., 18 und 485/1884. 389 Vortrag Thun v. 13.7.1857 – HHStA, Kab. Kanzlei, 2809/1857. 390 Vortrag Thun v. 4.1.1858 – ebd., 81/1858. 391 Vortrag Gołuchowski v. 14.11.1860 – ebd., 3723/1860. 392 Karl Wisoko-Meytsky, Staat und Musik, 326. Vortrag Becke v. 11.7.1867 – HHStA, Kab. Kanzlei, 2735/1867. 393 Ah. E. v. 23.11.1862 auf den Vortrag Rainer v. 20.11.1862 – ebd., 3578/1862. Da die Sicherung



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19  Das Wiener Musikvereinsgebäude (Theophil Hansen, 1870)

Das neue Musikvereinsgebäude wurde 1869 fertiggestellt. Im Jahr 1872 erhielt der Große Musikvereinssaal eine vom Kaiser gespendete Orgel, die durch Anton Bruckner eingeweiht wurde394. Die Kosten für die zehn Standbilder an der Hauptfassade wurden vom Stadterweiterungsfonds übernommen395. In den folgenden Jahren wurden zahlreiche Mitglieder und Lehrer der Gesellschaft durch hohe Auszeichnungen geehrt396. Anlässlich der 40-Jahrfeier zur Wiedereröffnung des Konservatoriums im Jahre 1891 erhielt Hellmesberger den Orden der Eisernen Krone in Anerkennung seiner vierzigjährigen Tätigkeit als Direktor des Konservatoriums. Besonders gewürdigt wurde sein Einsatz für die Hofmusikkappelle, vor allem aber sollte es eine Anerkennung sein für die seit 41 Jahren bestehenden, von ihm organisierten Streichquartettabende397. der Grundfinanzierung des Baues die Voraussetzung für die Überlassung eines unentgeltlichen Grundstückes war, musste der Antrag neu gestellt werden und wurde mit Ah. E. v. 27.2. 1863 auf den Vortrag Rainer v. 25.2.1863 – ebd., 671/1863, genehmigt. Die bisherige Subvention von 3.000 fl. wurde auf weitere zwei Jahre bewilligt, Vortrag Schmerling v. 29.4.1863 – ebd., 1362/1863 sowie Vortrag Schmerling v. 3.9.1864 – ebd., 2699/1864. 394 Karl Wisoko-Meytsky, Staat und Musik, 326. 395 Vortrag Taaffe v. 9.4.1879 – ebd., 1511/1879. 396 Vortrag Stremayr v. 5.2.1871 – ebd., 340/1871. 397 Ebd., 993/1890 sowie 2072, 2074 und 2148/1890. Der Vortrag v. 20.12.1891, Ah. E. v.

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Mit der Eröffnung des neuen Musikvereinsgebäudes wurde die Erhaltung des Konservatoriums aufgrund des Raum- und Personalzuwachses immer kostspieliger, weshalb die staatliche Subvention auf 10.000 Gulden erhöht wurde. Damit wollte man honorieren, dass »die Gesellschaft der Musikfreunde das bisherige Konservatorium in neuester Zeit zu einer förmlichen Hochschule der Tonkunst erhoben, den ganzen Unterricht reorganisiert und die früher bloß musikalische in eine allgemeine künstlerische Ausbildung der Zöglinge umgewandelt« habe398. Doch auch mit der erhöhten Subvention konnten die latenten Probleme der Schule nicht gelöst werden. Bis 1887 verschlechterte sich die finanzielle Lage der Gesellschaft der Musikfreunde derart, dass sie zum Sanierungsfall wurde. Über eine Erhöhung des Schulgeldes waren keine zusätzlichen Mittel zu lukrieren, weil es weiterhin 60 Freiplätze gab, und talentierte und materiell schlechter gestellte Studenten vom Schulgeld befreit waren. Der Verein ersuchte einmal mehr um Verstaatlichung des Konservatoriums und um die Gewährung eines Darlehens aus dem Stadterweiterungsfonds. Unterrichtsminister Conrad betonte die »Wichtigkeit und Unentbehrlichkeit des Konservatoriums« und stellte eine Subventionserhöhung auf 15.000 Gulden in Aussicht, eine Verstaatlichung sei aber erst »bei einer günstigeren Finanzlage« möglich. Ein Darlehen aus dem Stadterweiterungsfonds wurde abgelehnt399. Parallel zu der andauernden Finanzkrise wurde die Bedeutung des Konservatoriums für die Ausbildung von Musiklehrern immer größer400. Einzelne Professoren wurden zwar für ihre Tätigkeit geehrt401, doch konnte der hohe Anspruch kaum aufrechterhalten werden. Das zeigte sich bei internationalen Wettbewerben, bei denen die Schüler des Wiener Konservatoriums der internationalen Konkurrenz unterlegen waren. Unterrichtsminister Hartel forderte deshalb eine »durchgreifende Reorganisation« des Klavierunterrichts  ; als Lehrkräfte sollten »hervorragende Meister des Klavierspieles für die Anstalt gewonnen werden«. Zwei Meisterschulen wurden eingerichtet, für die der sächsische Kammervirtuose Emil Sauer sowie der preußische Kammervirtuose Alfred Grünfeld gewonnen werden konnten. Die Gesellschaft der Musikfreunde finanzierte die Anstellung

398 399 400 401

27.12.1891 – HHStA, Kab. Kanzlei, 3373/1891. Übrigens hielt man damit verbunden auch die Ehrung des Direktors des Prager Konservatoriums, Anton Bennewitz, für nötig. Siehe dazu auch Vortrag Stremayr v. 5.2.1871 – ebd., 340/1871 sowie Vortrag Stremayr v. 1.1.1877 – ebd., 13/1877. Vortrag Jireček v. 18.9.1871 – ebd., 3388/1871. Vortrag Taaffe v. 29.8.1887 – ebd., 3337/1887. Ebd., 2156/1888. Das Protokoll der diesbezüglichen Sitzung der Gesellschaft der Musikfreunde unter 2321/1888. Vortrag Gautsch v. 1.10.1890, Ah. E. v. 10.10.1890 – Ebd., 1049/1890. Eduard Hanslick war bis 1897 in der Lehramts-Prüfungskommission tätig  ; ebd., 1226 und 1227/1897.



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Grünfelds, die Bezüge Emil Sauers wurden über eine Subventionsaufstockung aufgebracht – das Ministerium erhielt im Gegenzug größeren Einfluss auf das Konservatorium. Die Jahressubvention war auf mittlerweile 40.000 Kronen angestiegen, das Ministerium verpflichtete die Gesellschaft deshalb, für »den Direktor und die neu zu bestellenden Lehrer an den Meisterschulen die staatliche Bestätigung einzuholen«  ; die Verleihung des Professorentitels sollte von nun an durch die Unterrichtsverwaltung erfolgen. Immerhin wurden jetzt auch die Gehälter der Lehrkräfte erhöht, damit sie nicht zusätzlich Privatunterricht erteilen mussten und sich auf ihre Lehrtätigkeit konzentrieren konnten402. Damit war es nur mehr ein kleiner Schritt zur völligen Verstaatlichung des Konservatoriums und zur Gründung der Akademie für Musik und darstellende Kunst. Ausschlaggebend dafür war schließlich die Erkenntnis, dass ohne Verstaatlichung das künstlerische Niveau des Konservatoriums nicht auf das gewünschte Niveau gehoben werden konnte. Die Verhandlungen zur Übernahme durch den Staat führten im Auftrag des Ministers der Referent für Musikangelegenheiten, Ministerialrat Dr. Karl Ritter von Wiener, der seit 1900 als Regierungsvertreter und Direktionsmitglied bei der Gesellschaft der Musikfreunde fungierte. Es wurde vereinbart, dass das ehemalige Konservatorium mit 1. Jänner 1909 seinen Betrieb als »Akademie für Musik und darstellende Kunst« aufnehmen und ehebaldigst in das neue Gebäude im Konzerthaus übersiedeln sollte. Die endgültige Regelung über die Aufteilung der Räumlichkeiten im Konzerthaus zwischen Stadterweiterungsfonds, Unterrichtsministerium, Konzerthausgesellschaft und Gemeinde Wien erfolgte dann allerdings erst im Jahre 1911403. Als beratendes Organ wurde ein Kuratorium eingesetzt, mit Vertretern der Gesellschaft der Musikfreunde und des Wiener Konzertvereins. Die Akademie sollte zum Zentrum der staatlichen Musikpflege des Landes werden. Nach längeren Diskussionen erweiterte Unterrichtsminister Marchet die Sektion für Musik der ständigen Kunstkommission im Ministerium durch Zuziehung von Fachleuten aus ganz Österreich. Sie wurde in der neuen Akademie angesiedelt, der Präsident des Kuratoriums stand ihr vor. Die Musikkommission sollte hinsichtlich der Musikschulen Österreichs, insbesondere was die Subventionen und die Begutachtung der Lehrpläne betraf, aber auch in ande402 Vortrag Hartel v. 13.7.1901 – HHStA, Kab. Kanzlei, 1867/1901. Schon vier Jahre nach seiner Berufung an das Wiener Konservatorium erhielt Emil Sauer als Leiter der Meisterschule für Klavierspiel am Wiener Konservatorium den Orden der Eisernen Krone. Der Hamburger Sauer hatte bei Rubinstein und Liszt studiert und galt als ausgezeichneter Lehrer. Dank seiner Tätigkeit war das »Wiener Konservatorium wieder in die vorderste Reihe jener Musikinstitute getreten, an welchen das Klavierspiel bis zur künstlerischen Vollendung gelehrt wird«. Vortrag Hartel v. 12.7.1905 – ebd., 2109/1905. 403 Vortrag Wickenburg v. 10.6.1911 – ebd., 1934/1911.

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ren Fragen als Beirat des Ministeriums fungieren. Auch sollte sie sich für die Sammlung und Herausgabe der österreichischen Volkslieder engagieren  ; außerdem wurde sie an der Reform des musikalischen Prüfungswesens beteiligt404. Als ständiges jährliches Mehrerfordernis für die neu gegründete Akademie wurden 350.000 Kronen veranschlagt. Die Ernennung des Akademiepräsidenten oblag dem Kaiser – Marchet schlug einmal mehr Ministerialrat Karl Ritter von Wiener vor, der sich bereits zahlreiche Verdienste »auf dem Gebiete der staatlichen Musikpflege« erworben hatte405. Unmittelbar nach der Verstaatlichung wurde der Pole Leopold Godowsky zum Leiter der vakanten Meisterschule für Klavier ernannt. Er galt als einer der gefeiertsten Klaviervirtuosen seiner Zeit, von seiner Berufung wurde erwartet, dass »auch das Musikleben Wiens einen großen Gewinn erzielen würde«406. Zum Leiter der neu eingerichteten Meisterschule für Violine wurde Otakar Sevčik bestellt. Sevčik hatte am Prager Konservatorium studiert, war dann Konzertmeister am Mozarteum gewesen und wurde schließlich im Russischen Reich – in Kiew und Charkiv – engagiert. 1892 kehrte er als Leiter der Violinschule nach Prag zurück. »Die hervorragendsten Violinvirtuosen der Gegenwart wie Kubelík, Kocian, Vivian Chartres und Culbertson sind seine Schüler. Sevčik erfreut sich gegenwärtig eines Weltrufes. Er ist als Komponist und insbesondere als Gründer des berühmten böhmischen Streichquartettes bekannt. Das Engagement dieses Meisters würde die Wiener Violinschule zu neuer Blüte bringen«407. 1913 wurde Ferdinand Habel zur Leitung der Chorschule für allgemeine Musiklehre berufen408. Die Gesellschaft der Musikfreunde blieb auch nach der Ausgliederung des Konservatoriums staatsnah. 1909 wurde ihr die Führung des Zusatzes »kaiserlich-königlich« gestattet  ; ihre Leistungen wurden durch zahlreiche Ordensverleihungen gewürdigt und ab Ende 1910 durfte die Gesellschaft den Reichsadler auf den offiziellen Schriftstücken führen409. 1912 wurde das 100-jährige Bestehen 404 AVA, Unterricht-allg., 1911/15 Kunstwesen in genere, »Kunstkommission« Fasz. 3072, 46326/11 und 2903/15. 405 Vortrag Marchet v. 3.11.1908 – HHStA, Kab. Kanzlei, 3460/1908. 406 Vortrag Kaněra v. 21.1.1909 – ebd., 466/1909. 407 Vortrag Kaněra v. 27.1.1909 – ebd., 467/1909. 408 Vortrag Hussarek v. 23.9.1913 – ebd., 2365/1913. Ab 1912 sollten nicht nur den Akademieprofessoren, sondern auch »besonders qualifizierten und verdienten Lehrkräften an anderen hervorragenden Privatmusikschulen, wie den Musikkonservatorien in Lemberg und Krakau, dem Mozarteum in Salzburg und der Musikschule des Grazer Musikvereins, ausnahmsweise der Professorentitel verliehen werden. Vortrag Hussarek v. 22.7.1912 – ebd., 2012/1912. 409 Vortrag Stürgkh v. 30.11.1910 – ebd., 3988/1910. Der Gesellschaft gehörten zu diesem Zeitpunkt 83 Stifter, 385 Gründer, 145 unterstützende und 442 ausübende Mitglieder an, der Orchesterverein und der Singverein standen in engem Verband mit dem Musikverein, der unter dem Protektorat Erzherzog Eugens stand. Vortrag Kaněra v. 23.12.1908 – ebd., 68/1909.



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des Musikvereins feierlich begangen. Als besonderer Gunstbeweis wurde ein kaiserliches Handschreiben an den Protektor der Gesellschaft, Erzherzog Eugen, erlassen, in dem Kaiser Franz Joseph der Gesellschaft seine Anerkennung für ihr Wirken aussprach – sie habe nicht zuletzt durch das von ihr geführte Konservatorium den Weltruf der Wiener Musik begründet410. Das Musikland Österreich und die Musikstadt Wien wurden spätestens zur Jahrhundertwende zu einem politisch geförderten Mythos, der Wien und dem Habsburgerreich zusätzliches politisches Prestige bringen sollte411. 1.4.3 Musikfeste, Auszeichnungen, Förderungen

Die Förderung des musikalischen Schaffens erfolgte über Staatspreise, Kompositionsaufträge, die Subventionierung von Musikaufführungen, die Herausgabe von Musiksammlungen sowie durch die staatliche Unterstützung von musikgeschichtlichen Jubiläen und damit verbundener Veranstaltungen. Um die Musik und den Weltruf Wiens und Österreichs im öffentlichen Musikleben zu verankern, wurden zahlreiche Musikfeste veranstaltet. Den Anfang machten die Feierlichkeiten anlässlich des 100. Todestags von Mozart im Jahr 1891, mit zwei Festkonzerten und der Gründung eines Mozart-Denkmalfonds. Damals entstand der Plan einer großen internationalen Musik- und Theaterausstellung, die am 7. Mai 1892 unter dem Protektorat von Erzherzog Carl Ludwig eröffnet wurde. Bei dieser Ausstellung erklangen in Wien erstmals Werke von Richard Strauss (»Wanderers Sturmlied«) und von Hugo Wolf (»Feuerreiter und Elfenlied«)  ; auch fand die Wiener Erstaufführung des Verdi-Requiems statt412. Allerdings blieb der Erfolg der Ausstellung trotz reger internationaler Beteiligung unter den Erwartungen, weil aufgrund einer drohenden Choleragefahr viele Besucher ausblieben413. 1893 wurde der 50-jährige Bestand des Männergesang-Vereins gefeiert. Es war der bedeutendste der 242 Gesangvereine, die es zur Jahrhundertwende in Wien gab. Zeitgleich wurde auch der Wiener Konzertverein gegründet, der sich der Popularisierung symphonischer Musik widmete und ein eigenes Orchester unter staatlicher Förderung führte. Durch den Zusammenschluss mit dem 1912 von der Wiener Konzerthausgesellschaft ins 410 411 412 413

Vortrag Hussarek v. 25.11.1912 – ebd., 2824/1912. Siehe dazu Nussbaumer, Musikstadt Wien. Sie wurde in mehreren Katalogen dokumentiert – AVA, Unterricht-Präs., 1172/1892. Befürchtet wurde allerdings, die deutsche Abteilung könnte an Umfang und Qualität die österreichische in den Schatten stellen – ebd., 1944/1892 sowie Unterricht-Allg. Fasz. 2935, 10165/1898. 1894 fand in Mailand eine internationale Musik- und Theaterausstellung statt. Eine Beteiligung wurde überlegt, allerdings gab es auch Bedenken wegen einer möglichen antiösterreichischen Orientierung der Ausstellung. AVA, Unterricht-Präs., 1507/1892.

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Leben gerufenen Wiener Tonkünstler-Orchester entstanden die Wiener Symphoniker414. Als Großereignis geplant waren die Feiern zur 100. Wiederkehr des Todestages von Joseph Haydn Ende Mai 1909, mit großer internationaler Beteiligung und unter dem Ehrenschutz des Kaisers. Für Minister Stürgkh hatten die Haydn-Feiern die politischen Erwartungen vollkommen erfüllt  : »In musikalischer Hinsicht bot diese Feier ein glänzendes Bild der österreichischen Kunst, da alles, was in Österreich und speziell in Wien auf dem Gebiete der Musik Namen und Ansehen genießet, sich selbstlos dieser Veranstaltung zur Verfügung gestellt hatte, die sich auch zu einem eminent patriotischen Musikfeste gestaltete. Die geradezu klassische Wiedergabe der Volkshymne im großen Musikvereinssaale durch die Wiener Philharmoniker unter der Leitung Weingartners und den Wiener Männergesangsverein bildete den künstlerischen Höhepunkt der Feier und bot den Anlass zu einer solchen patriotischen Kundgebung der Künstlerschaft.« Mit den Feierlichkeiten verbunden waren auch wissenschaftliche Symposien, finanziert wurden die Veranstaltungen vom Ministerium für Cultus und Unterricht, dem Land Niederösterreich und der Stadt Wien415. Ein weiteres Großereignis folgte 1910, als der fünfzigjährige Bestand der philharmonischen Konzerte feierlich begangen wurde, wobei mehrere Mitglieder der Gesellschaft für ihre Verdienste um diese Konzerte, die nunmehr unter der Leitung des Hofoperndirektors Felix Weingartner standen, geehrt wurden. »Die erwähnte Jubiläumsfeier wird denn auch besonders festlich begangen werden, zu welchem Zwecke über Anregung des verstorbenen Bürgermeisters der Reichs-, Haupt- und Residenzstadt Wien, Dr. Karl Lueger, sich ein eigenes Komitee gebildet hat, in dem alle Behörden, Vereine und Gesellschaftskreise, die am Musikleben Wiens Anteil nehmen, vertreten sind.« Im Mai 1914, knapp vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, fand das 7. Deutsche Bachfest in Wien statt416. Unter Führung des Unterrichtsministeriums konnte am 1. September 1876 zum ersten Mal der Preis der »Beethovenstipendienstiftung« (später Beethoven-Kompositionsstiftung) ausgeschrieben und somit eine Art der Musikförderung wiedererweckt werden, die bereits 1861 durch den Symphonie-Kompositions-Konkurs eingeführt worden, dann aber wieder verschwunden war417. Staatlich gefördert wurde die Herausgabe einer Auswahl bisher kaum bekannter Kompositionen unter dem Namen »Monumenta historiae musicae« beim Musikverlag Artaria. Der erste Band mit Kompositionen der Kaiser Ferdinand III., 414 Ebd., 796 und 1104/1895. 415 Vortrag Stürgkh v. 1.8.1909 – HHStA, Kab. Kanzlei, 2668/1909. 416 Karl Wisoko-Meytsky, Staat und Musik, 327. 417 Ebd., 327.



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Leo­pold I., Joseph I. und Karl VI. wurde vom Unterrichtsministerium finanziert418. 1913 wurde das »patriotische Werk« anlässlich seines zwanzigjährigen Bestehens gefeiert  ; 41 Bände waren bis zu diesem Zeitpunkt erschienen419. Eine eher ungewöhnliche Ehrung war die des ungarischen Zigeunerprimas Martin Banda, der für seine Verdienste um die Volksmusik mit dem silbernen Verdienstkreuz mit der Krone ausgezeichnet wurde. Seine Familie konnte auf eine große musikalische Tradition zurückblicken – so war bereits sein Großvater Hofmusiker von Maria Theresia gewesen. Der im Jahre 1847 in Vácz geborene Banda war im Alter von 15 Jahren Mitglied der Paul Rácz’schen Zigeunerkapelle geworden und hatte mit Unterstützung der Stadt mit 19 Jahren seine eigene Zigeunerkapelle gegründet. »Der Ruf seines künstlerischen Spieles drang bis in die höchsten Kreise hinaus«, mehrmals trat er vor dem Kaiserpaar auf und konzertierte auch vor Erzherzog Johann. »Anlässlich der im Budapester Volkstheater im Jahre 1903 veranstalteten Zigeuner-Wettspiel-Konkurrenz« erhielt er die goldene Medaille sowie ein Ehrendiplom und den Preis des Volkstheaterausschusses. Abgesehen davon galt die musikalische Tätigkeit Bandas in zweierlei Hinsicht als bedeutungsvoll  : »Einerseits in der Richtung, dass er die nur noch in einzelnen Gegenden im Volke lebenden alten ungarischen Weisen sammelnd, dieselben bei der heutigen Generation bekannt machte, so vom gänzlichen Vergessen bewahrte und es ermöglichte, dass der typischen ungarischen Volksseele entspringende charakteristische Lieder auch für kommende Zeiten erhalten blieben, andererseits dadurch, dass er in seinem Spiele das übertriebene Gezierte vermeidend die ungarischen Lieder unübertrefflich schön interpretiert.«420 Die durch diese Ehrung zum Ausdruck gebrachte Wertschätzung der »Zigeunermusik« steht im Zusammenhang mit Tendenzen zu einer planmäßigen Förderung der Volksmusik. Ende des 19. Jahrhunderts entstanden in beiden Reichshälften zahlreiche Volksliedsammlungen. So wurde Anfang des 20. Jahrhunderts das »österreichische Volksliedunternehmen« vom cisleithanischen Unterrichtsministerium gefördert421. Der hier deutlich werdende staatspatriotische Auftrag der Musik durchzieht alle Bereiche – von der Volksmusik über die Operette bis zur Opern- und Konzertmusik. Am klarsten ausgedrückt wurde das 1885 anlässlich der Verleihung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens an Franz von Suppé. Gewürdigt wurde seine erfolgreiche Tätigkeit als Operettenkomponist, aber auch als Kom418 Vortrag Gautsch v. 15.2.1891  – HHStA, Kab. Kanzlei, 810/1891. Dazu auch 1651/1892, 1889/1892 sowie Vortrag Gautsch v. 22.6.1893 – ebd., 2799/1893. 419 Vortrag Hussarek v. 12.11.1913 – ebd., 2763/1813. 420 Vortrag ung. Minister Lukács v. 16.2.1913 – ebd., 355/1913. 421 Karl Wisoko-Meytsky, Staat und Musik, 327.

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ponist ernster Musik (Missa solemnis), vor allem aber wurde die Komposition des Marsches »O Du mein Österreich« in den Mittelpunkt gestellt – mit dem er »so sehr ins Herz des österreichischen Volkes sich hinein gesungen, dass heute wohl allerorten im weiten Vaterlande das ›O du mein Österreich‹ bei jeglichem Anlasse erklingt« 422. Die Tätigkeit der ausübenden Musiker wurde durch Gründung und Förderung von Konzertorchestern, Opernbühnen sowie durch Beschäftigung von Musikern als Lehrkräfte gefördert  ; auch wurden Beihilfen an notleidende oder arbeitsunfähige Künstler gezahlt, und mehrere namhafte Künstler erhielten Ehrenpensionen423. 1873 wurde mit der deutschen Opernsängerin und Musikpädagogin Mathilde Marchesi de Castrone, die das goldene Verdienstkreuz mit der Krone erhielt, auch eine Frau geehrt. Ungeachtet der wichtigen Rolle, die Frauen damals im Opernbetrieb spielten, war dies eine außergewöhnliche Ehrung. Marchesi de Castrone war seit 1854 am Wiener Konservatorium als Professorin der Ausbildungsschule für Konzert und dramatischen Gesang tätig, mit einer Unterbrechung von sieben Jahren, von 1861 bis 1868, als sie in Köln unterrichtete. Ihrer Tätigkeit, aber auch ihrer »hervorragenden Intelligenz und ihrem warmen Kunsteifer« war es zu verdanken, dass am Wiener Konservatorium eine Opernschule gegründet werden konnte. Aus ihrer Schule gingen »Künstlerinnen ersten Ranges« hervor, wobei sie nicht nur auf die musikalische, sondern auch auf die dramaturgische Ausbildung großen Wert legte. Zugute kamen ihr beim Unterricht auch ihre Sprachkenntnisse, denn sie war in der Lage, den Unterricht in deutscher, italienischer, französischer und englischer Sprache zu erteilen424. Die seltene Ehrung von Frauen ist wesentlich darauf zurückzuführen, dass die meisten Orden nur an Männer verliehen werden konnten – häufig war auch die Zugehörigkeit zum Adel Voraussetzung –, erst mit der Schaffung neuer Dekorationen, wie des »Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst«, konnten neue Wege beschritten und die Ehrungen auf eine gesellschaftlich breitere Basis gestellt werden425. 422 Ah. E. v. 14.5.1885 auf den Vortrag Conrad v. 9.5.1885 – ebd., 525/1885. 423 1863 wurde dem Klaviervirtuosen Josef Labor ein dreijähriges Stipendium in der Höhe von 400 Gulden im Jahr zugestanden, weil er trotz Blindheit und Armut einen sehr hohen Grad an Virtuosität erreicht habe und deshalb als förderungswürdig galt (ebd., 326/1863). 1872 ersuchte Josef Maxintsak um Gewährung eines Reisestipendiums für das Violinstudium in Berlin  ; gewährt wurden ihm jährlich 500 Gulden als »besonderes Kunststipendium« (Vortrag Schmerling v. 8.6.1863 – ebd., 1968/1863). 1883 zeichnete man den Professor für Klavierspiel, Franz Ramesch, für seine Leistungen mit dem goldenen Verdienstkreuz mit der Krone aus (Vortrag Stremayr v. 27.8.1872 – ebd., 3391/1872). 424 Vortrag Stremayr v. 12.7.1873 – ebd., 2853/1873. Siehe auch AVA, Unterricht-Präs., 633/1873. 425 1881 erhielt Anton Nedved, Musiklehrer an der Lehrerfortbildungsanstalt in Laibach, für seine



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Antonín Dvořák wurde 1888 mit dem Orden der Eisernen Krone geehrt, wobei seine hervorragenden Verdienste als Komponist und seine Tätigkeit als Berater des Unterrichtsministeriums gewürdigt wurden  : »Die Quelle nationaler Musik, aus welcher Dvořák seine Motive zumeist schöpft, verleiht seinen Werken ein eigenartiges ursprüngliches Colorit«426. Gleichzeitig sollte auch Johannes Brahms eine Auszeichnung verliehen werden, vor allem Eduard Hanslick trat dafür ein  ; in Hamburg wurde angefragt, ob diesbezüglich kein Einspruch erhoben werde. Brahms hatte zu diesem Zeitpunkt noch keinen österreichischen Orden, für ihn wurde das Ritterkeuz des Leopold-Ordens beantragt  ; ein Jahr später wurde es ihm verliehen427. 1897 erhielt Dvořák schließlich das Ehrenzeichen für Kunst und Wissenschaft  : »Der unversiegliche Born nationaler Musik, aus welcher Dvořák fast immer seine Motive schöpft, gibt seinen Werken jenes eigenartige, durchwegs ursprüngliche Colorit, das ihren Wert neben der gediegenen Mache und der glänzenden Beherrschung der Instrumentalisierungskunst besonders hervortreten lässt.« Ausdrücklich hervorgehoben wurde, dass Dvořák auf die Stelle des Direktors des Konservatoriums von New York verzichtet hatte und zu einem deutlich niedrigeren Gehalt an das Prager Konservatorium zurückgekehrt war, »um sich wieder auf heimatlichem Boden der Kunst widmen zu können«. Betont wurde auch seine politisch tadellose Haltung428. Leistungen als Musikdirektor der dortigen philharmonischen Gesellschaft eine kaiserliche Auszeichnung, weil er stets bereit gewesen sei, »durch die Musik die patriotischen Gefühle zu fördern«. Der aus Böhmen gebürtige Nedved hatte in Prag Violine, Klavier und Orgel studiert und war 1857 als Musiklehrer nach Laibach gewechselt, wo er auf »verwahrloste musikalische Zustände« getroffen sei. Er habe auf die »Läuterung des Geschmacks« eingewirkt, mehrere Chöre organisiert und sei schließlich zum Musikdirektor ernannt worden (Vortragsentwurf Conrad – ebd., 1190/1881, der Vortrag Conrad v. 22.11.1881 – ebd., 1247/1881). 1887 wurde der Grazer Komponist und Musiklehrer Wilhelm Mayer in Graz geehrt. Er hatte von 1862 bis 1870 die Leitung des Steiermärkischen Musikvereins in Graz inne, wobei es ihm gelungen war, »das musikalische Leben in Graz zu ganz besonderer Blüte zu bringen«  ; zu seinen Schülern zählten Richard Heuberger, Felix Weingartner und Ferruccio Busoni (ebd., 537/1887). Im gleichen Jahr wurden auch die Kirchenmusiker Franz Krenn vom Wiener Konservatorium und der Chordirigent bei den Dominikanern, Cyrill Wolf, mit kaiserlichen Auszeichnungen bedacht (ebd., 716/1887), und der tschechische Violinvirtuose František Ondřiček – er wurde als bester Geiger der Monarchie bezeichnet – wurde zum »Kammervirtuosen« ernannt. Ursprünglich sollte er die Medaille für Kunst und Wissenschaft erhalten, doch entschied man sich schließlich für die prestigeträchtigere Titelverleihung (ebd., 1829/1887). 426 Ebd., 87/1888. Es wurde ein Gutachten bei der böhmischen Statthalterei eingeholt (ebd., 1956/1887). 427 Ebd., 344/1888 und 1043/1888. 428 Ebd., 931/1897. Gleichzeitig mit Dvořák wurden auch Vratoslav Jagić, Carl Kundmann und Adolf Mussafia für das Ehrenzeichen vorgeschlagen. 1907 erhielt der Konzertdirektor des Wiener Konzertvereines, Ferdinand Löwe – ein Schüler Bruckners –, den Orden der Eiser-

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Aus diesen Beispielen – es sind nur einige wenige unter vielen – wird deutlich, wie sehr die Ehrung von Musikern und generell die Musik ab den neunziger Jahren als Element einer übernationalen Reichskultur gesehen wurde und sich unter diesem Prätext auch zunehmender finanzieller Förderung erfreute. Dass dabei Wien eine führende Rolle zukam, war unumstritten, und auch das wurde bei Ehrungen von Musikern regelmäßig zum Ausdruck gebracht. 1.4.4 Der Museumsboom der Jahrhundertwende

Ausgeblendet bleibt in diesem Abschnitt der große Bereich der Hofmuseen, denn sie waren nicht im engeren Sinn staatlich. Das wurde von den Zeitgenossen auch so gesehen und 1871 schrieb ein Referent des Unterrichtsministeriums bezüglich der naturhistorischen Hofkabinette  : »Was in anderen Ländern als Aufgabe der Regierung betrachtet wird  : große Reichsmuseen für die verschiedenen Zweige der nen Krone. Er hatte Klavier und Chorgesang am Konservatorium unterrichtet, wurde dann Dirigent des Kammerorchesters in München und war bis 1904 Konzertdirektor der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Ab 1899 war er auch Dirigent des neu gegründeten Wiener Konzertvereins, in welcher Funktion er sich besondere Verdienste um das Wiener Musikleben erwarb (Vortrag Marchet v. 8.11.1907 – HHStA, Kab. Kanzlei, 3571/1907). 1905 wurde der künstlerische Leiter des »Vereins zur Förderung der Tonkunst in der Bukowina« mit dem Ritterkeuz des Franz-Joseph-Ordens geehrt. Der Tscheche Adalbert Hřimaly hatte sich seit 1874 als Leiter des Czernowitzer Musikvereins und der von diesem Verein erhaltenen Musikschule große Verdienste um die Förderung des Musiklebens und insbesondere der Kirchenmusik in der Bukowina erworben, weshalb er bereits 1896 geehrt worden war, nun sollte eine zusätzliche Ehrung folgen (Vortrag Hartel v. 28.2.1905 – ebd., 766/1905). 1910 wurde der Musikpädagoge Theodor Leschetizky – 1830 geboren, hatte er in Wien Musik studiert und mit Anton Rubinstein das Petersburger Konservatorium gegründet, bis er 1844 nach Wien zurückkehrte – für die von ihm entwickelte Unterrichtsmethode für Pianisten geehrt  : »Durch diese pädagogische Tätigkeit und durch seine Mitwirkung bei der Gründung des Wiener Tonkünstler-Vereins hat sich Leschetitzky große Verdienste um das Ansehen Wiens als Musikstadt erworben.« (Vortrag Stürgkh v. 1.11.1910 – ebd., 3645/1910). Im Jahr 1912 wurden anlässlich der Säkularfeier der Gesellschaft der Musikfreunde mehr Musiker geehrt als in den vorhergehenden Jahrzehnten. Einmal mehr wurde auch in diesem Fall großer Wert darauf gelegt, dass nicht nur in Wien ansässige Künstler ausgezeichnet wurden, sondern auch Musiker aus den anderen Kronländern. Unter ihnen befand sich Josef Zöhrer, der Musikdirektor der philharmonischen Gesellschaft in Laibach, und der Konzertmeister der philharmonischen Gesellschaft in Laibach, Hans Gerstner (Vortrag Hussarek v. 7.10.1912 – ebd., 2533/1912), aber auch der Kapellmeister des Hofoperntheaters Franz Schalk, der Vorstand des Wiener Singvereins, Rudolf Hofmann, sowie der Generalsekretär der Gesellschaft der Musikfreunde, Karl Lafite, der in den Jahren 1900 bis 1906 als künstlerischer Leiter des Vereines »Wiener Singakademie« gewirkt hatte und ab 1911 Generalsekretär der Gesellschaft der Musikfreunde war (Vortrag Hussarek v. 27.11.1912 – ebd., 2835/1912).



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menschlichen Forschung zu gründen und zu erhalten, hat in Österreich der a.h. Hof in seiner bei Förderung humaner und wissenschaftlicher Zwecke stets in so überreichem Maße bewährten Großmut auf sich genommen. Insbesondere die naturhistorischen Sammlungen des a.h. Hofes bieten einen Schatz dar, welcher entsprechend aufgestellt, verwahrt und benützt, wohl mit den Reichsinstituten aller anderen Länder in die Schranken treten könnte.« Der eifrige Beamte äußerte jedoch auch Kritik  : »Es kann gewiss nicht als ein normales Verhältnis bezeichnet werden, dass ein so großes, mit den mannigfaltigsten Naturprodukten so vielfach gesegnetes Land ein Reichsmuseum nicht besitzt, dass der Forscher auf die Privatkabinette des Monarchen angewiesen ist.«429. Mit der Gründung des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie als erstem großen Museum eines neuen Typus wurde erstmals in der Donaumonarchie ein neuer kunstpolitischer Akzent gesetzt, denn durch dieses Museum sollte mithilfe des mit ihm eng verbundenen Netzes regionaler kunstgewerblicher Fachschulen ein österreichischer Stil geschaffen430 und damit dazu beigetragen werden, die Regionalismen und nationalen Zersplitterungen in der Kunst, letztlich aber auch in der Politik, zu überwinden. Die ästhetische Versöhnung zwischen den einzelnen Völkern sollte durch Respekt und Förderung von nationalen und regionalen Eigenarten im Rahmen der Gesamtstaatsidee erreicht werden431. 1895 erließ der böhmische Statthalter in diesem Sinn einen Erlass »zum Zwecke der Hebung des patriotischen Geistes, zur Anbahnung nationaler und konfessioneller Duldsamkeit«. Dieser war an alle Schulen gerichtet, speziell die Schüler der Kunstgewerbeschule wurden daran erinnert, dass sie als Schüler einer Staatsschule zu Loyalität verpflichtet seien und die »Schönheiten hervorragender Kunsterzeugnisse des eigenen Staates« in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen sollten, wobei sie »vornehmlich auf das Gesamtreich Bedacht« zu nehmen hätten. Das »unbeschadet der gehörigen Würdigung des engeren Heimatlandes in der Erkenntnis, dass alle Völker dieses Staates in Österreich das gemeinsame Vaterland besitzen, wahrhaft patriotische Gefühle gepflegt werden.« Die Schüler sollten nicht einseitig unterrichtet werden, sondern vielmehr auf die »Errungenschaften und Bestrebungen anderer Völker und Nationen auf dem Gebiete der Kunst« hingewiesen sowie zu »nationaler und konfessioneller Duldsamkeit« aufgerufen werden. Der böhmische Statthalter schloss mit folgenden Worten  : »Ich halte es jedoch für geboten, darauf hinzuweisen, dass es zu den wichtigsten Obliegenheiten der Lehrerschaft gehört, die Überzeugung und das Bewusstsein über die Zusammengehörigkeit aller Völker dieses Reiches und daher insbesondere auch der beiden Volksstämme dieses 429 AVA, Unterricht-Präs., 31/1871 (Referentenerinnerung und Vortragsentwurf ). 430 Werner Telesko, Geschichtsraum, 57. 431 Diana Reynolds, Österreichische Synthese, 209.

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Landes wachzurufen und rege zu erhalten und in dieser Richtung auf die Veredlung und ethische Erziehung der Jugend hinzuwirken.«432 Die Idee einer Kultivierung nationaler Vielfalt unter einem gemeinsamen Dach lag auch dem »Museum für österreichische Volkskunde« zugrunde. 1899 sollte es auf Anregung des Trägervereins, des »Vereins für österreichische Volkskunde«, verstaatlicht werden. Die Voraussetzungen waren gut, denn die Idee eines Volkskundemuseums für die gesamte Monarchie war eine der leitenden kulturpolitischen Ideen Erzherzog Franz Ferdinands433. Der jährliche Kostenaufwand für den Staat wurde auf 10.000 Gulden geschätzt. Die zusätzlichen Kosten waren zwar erheblich, denn der Verein war bisher nur mit 500 Gulden subventioniert worden, doch im Gegenzug sollten die reichhaltigen Sammlungen des Museums sowie die gesamten Einrichtungsgegenstände im Wert von 54.000 Gulden in das Staatseigentum übergehen. »Da das Museum bestimmt ist, alle vom kulturhistorischen und ethnographischen Standpunkte bemerkenswerten Objekte aus allen Ländern der diesseitigen Reichshälfte zu sammeln und so ein anschauliches Bild der kulturellen Entwicklung ihrer einzelnen Völkerschaften zu bieten, schienen die Voraussetzungen dafür gegeben, das Museum in staatliche Obsorge zu nehmen und demselben eine finanziell gesicherte Organisation zu geben, durch die es in seinem Bestande und in der Errichtung seiner patriotischen Aufgaben dauernd gefestigt werde.« Sowohl der niederösterreichische Statthalter als auch Bylandt-Rheidt, aber auch sein Nachfolger als Unterrichtsminister, Hartel, befürworteten die Verstaatlichung. Die Finanzverwaltung war jedoch dagegen. Die Erhaltung von Museen – insbesondere eines ethnographischen Museums – zähle nicht zu den Aufgaben der Staatsverwaltung, lautete die Begründung. Aufgrund dieser Ablehnung musste Hartel die Verhandlungen mit dem Verein über die Übernahme des Museums einstellen434. Durch Auszeichnungen der Mitarbeiter, den Titel »kaiserlich-königlich« und die Erlaubnis zur Führung des Reichsadlers im Siegel war man aber auch weiterhin bemüht, die Staatsnähe des Museums hervorzuheben435. 1912 wurde das Museum – die Subvention war mittlerweile auf 15.000 Kronen gestiegen – teilverstaatlicht, indem Direktor Michael Haberlandt zum Regierungsrat ernannt und in den Staatsdienst übernommen wurde. Haberlandt – der bis zu diesem Zeitpunkt auch am naturhistorischen Hofmuseum tätig gewesen war – konnte dadurch neben seiner Lehrtätigkeit an der Universität die Führung des Museums hauptberuflich übernehmen436. 432 AVA, Unterricht-Präs., 1199/1895. 433 Werner Telesko, Geschichtsraum, 57. 434 Vortrag Hartel v. 9.11.1899 – HHStA, Kab. Kanzlei, 3477/1899. 435 Vortrag Wickenburg v. 27.7.1911 – ebd., 2403/1911. 436 Vortrag Hussarek v. 9.9.1912 – ebd., 2280/1912.



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1908 wurde anlässlich des 60-jährigen Regierungsjubiläums Kaiser Franz Josephs das »Technische Museum für Industrie und Gewerbe« gegründet. Es wurde größtenteils durch Spenden finanziert – es kamen 2 Millionen Kronen zusammen – und die Regierung steuerte 1,5 Millionen Kronen und den Bauplatz im Wert von einer Million Kronen bei. Zweck des Museums war es, die technische Entwicklung von Industrie und Gewerbe anschaulich darzustellen, wobei es im Gründungsauftrag einen klar definierten Österreichbezug hatte  : »Bei Bildung der Musealsammlungen sind Objekte österreichischer Herkunft in erster Reihe zu berücksichtigen, solche ausländischer Provenienz aber dann einzubeziehen, wenn ihnen eine geschichtliche Bedeutung für die industrielle oder gewerbliche Produktion in Österreich zukommt.«437. Träger war ein Museumsverein, dem ein Kuratorium unter Arthur Krupp zur Seite gestellt wurde, der nicht nur zu den angesehensten Industriellen des Reiches zählte, sondern auch einer der Ersten war, »der in wahrhaft patriotischer Gesinnung den Gedanken der Gründung eines Museums für Industrie und Gewerbe angeregt und mit unermüdlichem Eifer für die Verwirklichung des Projektes gewirkt hat. Krupp stellte sich mit einem hohen Betrage an die Spitze der Begründer und hat durch sein eifriges, schaffensfreudiges Eintreten die Durchführung der Bauaktion auch in finanzieller Hinsicht auf das werktätigste gefördert«438. 1.4.5 Die Gründung des »Modernen Museums – Österreichische Staatsgalerie«

»Eine öffentliche Galerie ist gewissermaßen eine Schule, ein Element der Volksbildung« – so Eitelberger im Jahre 1877. Die Forderung nach der Errichtung einer Staatsgalerie wurde seit der Ära Thun immer wieder erhoben. Sie war schon damals nicht neu gewesen, denn bereits in der Französischen Revolution war das Potential von Kunstmuseen als nationales Monument erkannt worden439. In Österreich blieb es aufgrund der Dominanz der Hofmuseen bei Überlegungen, die aber nicht realisiert wurden. Die Akademiegalerie kann zwar als staatliches Museum gesehen werden, war aber zu klein und finanziell zu schlecht gestellt, um die Aufgabe eines National- oder Reichsmuseums wahrzunehmen. Erst nach der Jahrhundertwende hielt man den Zeitpunkt für gekommen. Die 1903 eröffnete Moderne Galerie wurde zur bedeutendsten staatlichen Museumsgründung nach dem Österreichischen Museum für Kunst und Industrie. Im Jahre 1900 wurde unter Beteiligung mehrerer bekannter Künstlerpersönlichkeiten – darunter Otto Wagner, Edmund Hellmer und Alfred Roller – ein 437 Vortrag Weiskirchner v. 14.3.1909 – ebd., 1141/1909. 438 Vortrag Schuster v. 10.11.1912 – ebd., 2739/1912. 439 Werner Telesko, 19. Jahrhundert, 255 f.

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Komitee eingerichtet, das ein Museumskonzept ausarbeiten sollte. Eingefordert wurde eine prinzipielle kunstpolitische Neuorientierung. In diesem Sinne gehöre die Moderne Galerie »der Gegenwart und Zukunft, nicht der Vergangenheit«, deshalb sollten hier die Hauptströmungen der modernen Kunst Europas vertreten sein. Als zeitliche Grenze des Sammlungsgebiets wurde, in Abgrenzung zum Hofmuseum, das Jahr 1850 festgelegt440. Zunächst scheiterte die Verwirklichung an der Orts- und Finanzfrage, nicht aber an geeigneten Ausstellungsobjekten, weil bereits seit Jahren vom Ministerium Werke für das neue Museum erworben worden waren  ; seit 1868 wurden die aus Staatsmitteln angekauften modernen Kunstwerke provisorisch der Galerie der Akademie der bildenden Künste überlassen. Zudem hatte auch der regierende Fürst von Liechtenstein Werke für das Museum gespendet, sodass ein ausreichender Grundstock an Gemälden zur Verfügung stand. Die Akademiegalerie sollte für die Verluste in ihrem Bestand durch finanzielle Mittel für den Ankauf alter Meister entschädigt werden. 1902 stellte Kaiser Franz Joseph Räumlichkeiten im Unteren Belvedere für das neue Museum zur Verfügung. Der Finanzminister stimmte einem Anfangsbudget von 15.000 Kronen zu, der Eröffnung des neuen Museums – die Unterbringung im Belvedere war zunächst nur als zeitlich befristetes Provisorium gedacht – stand damit nichts mehr im Wege. Unterrichtsminister Hartel leitete seinen Vortrag an den Kaiser vom 6. April 1903 mit folgenden Worten ein  : »Im Gegensatze zu früheren Zeiten ist die Liebe zur bildenden Kunst und das Interesse an ihren Schöpfungen in der jüngsten Zeit von dem kleinen Kreise wahrhafter Kunstverständiger auf die große Menge der Gebildeten übergegangen, ja geradezu Gemeingut des Volkes geworden. Blickt man nun auf die Fürsorge zurück, welche den hervorragenden Kunstschöpfungen des Mittelalters behufs deren Erhaltung für die Nachwelt zuteil wurde, so ergibt sich wohl auch für die Gegenwart die Pflicht, die besten Schöpfungen modernen Kunstlebens mit besonderer Berücksichtigung der heimischen Produktion in eigenen Galerien zu vereinigen und so den kommenden Geschlechtern zu bewahren.« Hartel wies auf die »Galerien moderner Kunstschöpfungen in den hervorragendsten Kunstzentren Europas« hin  : Palais du Luxembourg in Paris, Berliner Nationalgalerie, Neue Pinakothek in München. Auch in Wien werde nun das Bedürfnis nach einer vergleichbaren Galerie immer größer. Alle staatlichen Ankäufe von Werken moderner Kunst sollten von nun an direkt an die »Moderne Galerie« gehen. Geplant war ursprünglich eine große Lösung, nämlich die Errichtung eines monumentalen Museumsgebäudes durch die Gemeinde Wien, wo gemeinsam mit der staatlichen Sammlung auch die im Gemeinde- und Landesbesitz befindlichen Werke ausgestellt werden sollten. Als 440 AVA, Unterricht-Allg., Fasz. 3164 und 3165. Zitat 30996/1901, Fasz. 3164.



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Zeitrahmen wurde die »Darstellung des künstlerischen Schaffens vom glorreichen Regierungsantritte Euerer Majestät angefangen« vorgesehen. Das jährliche Budget sollte 60.000 Kronen für Erwerbungen ausmachen, außerdem war der Staat bereit, sich an den laufenden Kosten des neu zu errichtenden Museumsgebäudes zur Hälfte zu beteiligen, die Gemeinde Wien sollte im Gegenzug 30.000 Kronen für weitere Erwerbungen beisteuern441. Die geplante Kooperation mit dem Land Niederösterreich und der Stadt Wien scheiterte jedoch, das Provisorium im Belvedere wurde zur Dauerlösung. Damit war allerdings eine prinzipielle Neuorientierung des Museums verbunden, denn nachdem das Land Niederösterreich und die Stadt Wien ausgestiegen waren, wurde das Museum als ausschließlich staatliche Einrichtung gesehen. Als Direktor wurde Friedrich Dörnhöffer berufen, der bisherige Leiter der Kupferstichsammlung der Hofbibliothek. Dörnhöffer galt als ausgewiesener Fachmann, der anlässlich seiner Berufung auf den Mangel einer »systematischen Sammlung österreichischer Kunst der älteren Vergangenheit« hinwies und vorschlug, den ursprünglichen Auftrag des Museums zu erweitern, die bisherige Bezeichnung »Moderne Galerie« sollte durch eine den neuen Aufgaben dieses Institutes angepasste Bezeichnung ersetzt werden  : »Österreichische Staatsgalerie« erschien schließlich als beste Bezeichnung, um die Neuorientierung des Museums zum Ausdruck zu bringen442. Als Dörnhöffer Ende 1912 angeboten wurde, als Generaldirektor die staatlichen Kunstsammlungen Bayerns in München zu übernehmen, war der Fortbestand der »Österreichischen Staatsgalerie« gefährdet. Unterrichtsminister Hussarek konnte Dörnhöffer jedoch zum Bleiben bewegen, indem er ihm u.a. größere Entscheidungskompetenzen zusicherte und einer Budgeterhöhung zustimmte. Nur seinen Wunsch nach einer Verschmelzung mit der Akademiegalerie konnte Dörnhöffer nicht durchsetzen443. Die Umwandlung der Modernen Galerie in eine Österreichische Staatsgalerie war symptomatisch für die österreichische Moderne und deren Einbindung und Aufgehen im höheren politischen Ziel der Formung eines österreichischen Staatspatriotismus. Diesem Ziel war auch der Denkmalschutz verpflichtet.

441 Vortrag Hartel v. 6.4.1903 – HHStA, Kab. Kanzlei 1010/1903. 442 Vortrag Hussarek v. 13.12.1911 – ebd., 3669/1911. Zur Namenswahl siehe auch Georg Kugler, Das Nationalmuseum im österreichischen Vielvölkerstaat, in  : Kräutler, Frodl (Hgg.), 100 Jahre Österreichische Galerie Belvedere, 89–92 sowie generell zur Museumsgründung Jeroen Bastiaan van Heerde, Die versöhnende Kraft der Kunst. Die Gründung der Österreichischen Galerie im Belvedere als Exponent dynamischer habsburgischer Kunstpolitik, in  : ebd., 149–157. Zu Dörnhöffer Michael Krapf, Wissenschaft für das Museum – Museum für die Wissenschaft, in  : ebd., 133–146, bes. 136 f. 443 Vortrag Hussarek v. 30.11.1912 – HHStA, Kab. Kanzlei 2914/1912.

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1.5 Die Sicherung des Kulturerbes  : Die k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale 1.5.1 Die Entstehung des modernen Denkmalschutzes

1850 wurde die »k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale« gegründet, tatsächlich nahm sie allerdings erst 1853 die Arbeit auf. Ihre Hauptaufgabe bestand in den ersten Jahren weniger in der Erhaltung als in der Erforschung von Baudenkmälern. In den Kronländern wurden ehrenamtliche Landeskonservatoren bestellt, meist waren das prominente Persönlichkeiten, wie Pietro Kandler im Küstenland oder Adalbert Stifter in Oberösterreich, die in ihrem Bereich Verzeichnisse der Baudenkmäler anzulegen hatten444. Die Kompetenzverteilung blieb allerdings unklar. Obwohl die Zentralkommission und damit der Denkmalschutz beim Handelsministerium angesiedelt war, hatte auch Unterrichtsminister Thun Denkmalschutzkompetenzen, etwa hinsichtlich der Restaurierung von Gemälden  ; erst in den sechziger Jahren wurden die Zuständigkeiten neu geordnet. Die dann erfolgte Zuweisung des Denkmalschutzes an das Unterrichtsministerium war allerdings nicht unumstritten, weil die Zentralkommission vor allem als Baubehörde gesehen wurde. Erst langsam setzte sich die Erkenntnis durch, dass sie in dem für Kunstagenden zuständigen Unterrichtsministerium anzusiedeln sei 445. Dadurch und durch die Aufnahme von Kunstexperten in die Zentralkommission wurde die kunstpolitische Ausrichtung gestärkt. Mit der Arbeit der Zentralkommission war man zufrieden, sie habe nach kurzer Zeit »einen unleugbaren Einfluss auf die Erweckung der Pietät für die Erhaltung der Baudenkmale« ausgeübt, meinte schon wenige Jahre nach ihrer Gründung der zuständige Minister 446. Von 1853 bis 1863 stand ihr Karl von Czoernig als Direktor vor, ihm folgte Josef Freiherr von Helfert nach, der 1865 auf Lebenszeit ernannt wurde447. 1873 erhielt die Zentralkommission den Status eines beratenden Fachgremiums, hatte aber keine Machtbefugnisse einer mit gesetzlichen Vollmachten ausgestatteten staatlichen Behörde448. In den siebziger Jahren betreute sie mehrere archäologische Großprojekte  : Es handelte sich vor allem um die Ausgrabungen in Carnuntum, Teurnia, Salona, in den Thermen von Brigantium, um den Segierbogen in Pola und das Großprojekt des Diokletian444 Vortrag Baumgartner v. 24.1.1853 – ebd., 309/1853. 445 MR. v. 30.8.1859/1, in  : Die Protokolle des österreichischen Ministerrats 1848–1867, Abteilung IV  : Das Ministerium Rechberg, Band 1, bearbeitet von Stefan Malfèr (Wien 2003), 92 f. 446 Vortrag Toggenburg v. 4.7.1856 – HHStA, Kab. Kanzlei, 2439/1856. 447 Vortrag Schmerling v. 25.4.1863 – ebd., 1342/1863 sowie Vortrag Belcredi v. 15.11.1865 – ebd., 3512/1865. 448 Theodor Brückler, Franz Ferdinand als Denkmalpfleger, 12.



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20  Burg Karlstein bei Prag

palasts, das stärker unter denkmalschützerischen als archäologischen Aspekten zu sehen ist  ; so wurde etwa ein schonender Stadtregulierungsplan angestrebt. Denkmalschutzprojekte betrafen den Kreuzgang des Stifts Klosterneuburg, den Stephansdom, den Prager Veitsdom, die Zisterzienserklöster von Heiligenkreuz und Lilienfeld, den Karner in Tulln, die Burg Runkelstein bei Bozen, die romanische Kapelle von Schloss Tirol und zahlreiche Fresken in Tiroler Schlössern sowie die Basiliken von Aquileja, Parenzo, Trau, Zara und Ragusa, die Burg Karlstein sowie die Krakauer Tuchhallen449. Für den Prager Veitsdom wurden in den achtziger Jahren jährlich 15.000 Gulden zur Verfügung gestellt – was viel im Vergleich zum Wiener Stephansdom scheint, für den nur 2000 Gulden vorgesehen waren. Das lag allerdings wesentlich an einem anderen Finanzierungsmodell  ; in Wien wurde nämlich vor allem der Wiener Dombauverein gefördert, der allein im Jahr 1882 eine staatliche Unterstützung von 20.000 Gulden erhielt450. Besonders kostenintensiv war übrigens die Restaurierung der Burg Karlstein, wofür 150.000 Gulden veranschlagt werden mussten451. 449 Rudolf Eitelberger von Edelberg, Kunstbewegung in Österreich, 19–30. 450 AVA, Unterricht-Präs., 1346/1882. 451 Ebd., 241/1890.

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Häufig erschwerten unklare Eigentumsverhältnisse die Restaurierung von Baudenkmälern. Ein prominentes Beispiel dafür ist die Wiener Pestsäule. Sie verdankte ihr Entstehen einem kaiserlichen Auftrag und wurde in den achtziger Jahren auf Kosten des Kameralärars restauriert. Anschließend wurde sie der Gemeinde Wien übergeben – der auch das Grundstück gehörte –, unter der Bedingung, dass die Pestsäule künftig von der Gemeinde an dieser Stelle erhalten werde452. Ein Staatsbeitrag von 7150 Gulden wurde für die Restaurierung der Wandgemälde im Kreuzgang des Doms von Brixen geleistet. Der Beginn der Arbeiten hatte sich jahrelang verzögert, nachdem die beiden dafür vorgesehenen Restauratoren plötzlich verstorben waren. Die Restaurierung sollte unter Leitung von Josef Matthias Trenkwald von der Akademie der bildenden Künste in Wien erfolgen, ausgeführt wurde sie vom Kustos der Gemäldegalerie der Akademie, dem Maler Eduard Gerisch453. Hohe Kosten verursachte auch die Restaurierung des Campanile von Spalato – Eitelberger drängte deshalb 1884 auf eine Aufstockung des Budgets für Restaurierungen454. Nachdem die Arbeiten im Jahre 1892 abgeschlossen werden konnten, musste das zweite Geschoß restauriert werden  ; 22.600 Gulden wurden dafür veranschlagt und genehmigt, die Summe wurde allerdings aus budgetären Gründen auf zwei Jahre aufgeteilt455. Obwohl absehbar war, dass diese Mittel nicht ausreichten – 1892 wurden nochmals 5000 Gulden benötigt –, sprach sich Minister Gautsch aufgrund der Bedeutung des Bauwerkes für die Weiterführung der Arbeiten aus, drängte aber auf Einsparungen456. Ein weiteres Großvorhaben war die Restaurierung der Kuppel des Doms von Trient, wofür 1886/87 47.000 Gulden veranschlagt wurden457. Die in den anderen Bereichen der Kunstförderung nur schrittweise erfolgte Reduzierung der Konzentration auf Wien spielte beim Denkmalschutz keine Rolle, im Fokus stand von Anfang an die gesamte Monarchie bzw. das Staatsgebiet Cisleithaniens. Der größere Verwaltungsaufwand machte eine ständige Erweiterung der personellen Struktur nötig sowie 1893 die Errichtung eines administrativen und eines technischen Büros458. Die Geschäftsstücke waren von 263 Akten im Jahre 1863 zu Beginn der neunziger Jahre auf über 1400 gestiegen  ; auch die Zahl der Sitzungen war von einer monatlichen Sitzung auf 452 Vortrag Conrad v. 31.3.1882 – HHStA, Kab.Kanzlei, 1388/1882. 453 Vortrag Gautsch v. 2.10.1891 – ebd., 4151/1891. 454 Rudolf Eitelberger von Edelberg, Kunstbudget, 5. 455 Vortrag Gautsch v. 10.11.1891 – HHStA, Kab. Kanzlei, 4655/1891. 456 Vortrag Gautsch v. 10.11.1891 – ebd., 4655/1891. 457 AVA, Unterricht-Präs., 1480/1886. 458 Vortrag Gautsch v. 1.9.1893 – HHStA, Kab. Kanzlei, 3996/1893. Dazu auch Vortrag Madeyski v. 24.10.1893 – ebd., 4808/1894.



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21  Josef Alexander Helfert

durchschnittlich vier gestiegen459. Dennoch beklagte Helfert anlässlich der Demolierung der Karl-Borromäus-Kirche in Prag die Ohnmacht der Zentralkommission460. Das lag nicht nur an der Rechtslage, sondern auch am mangelnden Engagement der ehrenamtlichen Konservatoren. So beschwerte sich Helfert in einem ausführlichen Bericht über die erst kurz zuvor ausgezeichneten Konservatoren in Galizien, die keine Tätigkeitsberichte ablieferten und bei den Sitzungen nicht erschienen461. Die einzige Möglichkeit, die Konservatoren zu einem inhaltlichen Engagement zu bewegen, waren Orden und andere kaiserliche Auszeichnungen – ein Instrument, das inflationär genützt wurde. 1899 wurden die Statuten der Zentralkommission geändert, weil eine prinzipielle Neuorientierung für nötig gehalten wurde, im Sinne einer modernen Auffassung des Denkmalschutzes vor dem Hintergrund der Ausarbeitung eines umfassenden Denkmalschutzgesetzes sowie der planmäßigen Heranziehung von 459 AVA, Unterricht-Präs., 62, 1204, 1460/1892. Auch das Kanzleipersonal musste dem gestiegenen Arbeitsaufwand angepasst werden – ebd., 63/1892. 460 Ebd., 460/1892. 461 Ebd., 2247/1894.

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Fachleuten462. Ab den 1890er Jahren wurde die Zentralkommission immer öfter von sich aus tätig – so etwa 1890 aufgrund eines Gerüchts, wonach der Theseustempel im Volksgarten demoliert werden sollte. Helfert intervenierte, obwohl das Gebäude dem Obersthofmeisteramt unterstand, das Ministerium verweigerte daher jegliche Vermittlungstätigkeit. Dem Ministerium stehen zwar »die Funktionen einer obersten staatlichen Verwaltungsbehörde in Kunstangelegenheiten« zu, das beinhalte jedoch »keinerlei mittelbare oder unmittelbare Einflussnahme auf die den vorgenannten obersten Hofämtern zugewiesenen Agenden«. Nicht nur in Bezug auf den Denkmalschutz blieb also die Hofverwaltung ein eigenständiger Körper, der sich staatlichem Einfluss weitgehend entziehen konnte. Helfert lehnte übrigens den Transfer der Theseus-Gruppe Canovas in das Hofmuseum ab und sprach von der »vandalischen Fortschaffung« des Kunstwerkes463. Als besonders schwieriges Unterfangen galt die Sicherung der Fresken der griechisch-orthodoxen Klosterkirche zum Hl. Georg in Suczawa. Es lag zwar ein Projekt des Kunstmalers Karl Jobst für die Restaurierung vor, das von der Landesregierung unterstützt wurde, doch Konservator Karl Romstorfer und der ruthenisch-historische Verein in Czernowitz hielten den Vorschlag für ungeeignet  ; die Zentralkommission hatte daher eine äußerst schwierige Entscheidung zu treffen464. Mit der Restaurierung beauftragt wurde schließlich der Maler Hans Viertelberger, die Kosten wurden mit 50.000 Kronen angegeben465. Besondere Verdienste um den Denkmalschutz erwarb sich der 1858 geborene Alois Riegl. Er war seit 1894 unbesoldeter ao. Professor an der Universität Wien, ab 1897 war er dort als Ordinarius für Kunstgeschichte tätig. 1885 bis 1897 wirkte er am Österreichischen Museum für Kunst und Industrie und hatte sich dort ab 1895 für eine radikale Abkehr vom Historismus eingesetzt  ; er meinte, solange sich die Künstler unter dem Ballast der Vergangenheit abmühten, könnten sie keine zukunftsweisende Kunst schaffen. Es sei aber, so Riegl, die Aufgabe des Museums »durch die Bildung des öffentlichen Geschmacks und eine Einflussnahme auf die industrielle Fertigung eine künstlerische Erneuerung in Österreich herbeizuführen«466. Riegl leitete einen Paradigmen- und Dogmenwechsel in der Denkmalpflege ein  : An die Stelle der Renovierung trat die Restaurierung im Sinne von Reinigung und Festigung. Allerdings wurde diese neue Zugangsweise einer modernen Denkmalpflege nicht von allen in der Zentralkommission ge462 Vortrag Bylandt-Rheidt v. 3.2.1899 – HHStA, Kab. Kanzlei, 548/1899. 463 AVA, Unterricht-Präs., 2216/1890. 464 Vortrag Hartel v. 11.4.1903 – HHStA, Kab. Kanzlei, 1043/1903. 465 Vortrag Bienerth v. 19.12.1905 – ebd., 97/1906. 466 Diana Reynolds, Vom Nutzen und Nachteil des Historismus für das Leben. Alois Riegls Beitrag zur Frage der kunstgewerblichen Reform, in  : Noever et al. (Hgg.), Kunst und Industrie, 20–29, hier 21.



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teilt467. In seinen Arbeiten befasste sich Riegl mit den Beziehungen der Kunstgeschichte zum Kunstgewerbe und er genoss bereits damals als Forscher und Lehrer einen sehr guten Ruf. Als Redakteur der »Mitteilungen« und des »Jahrbuches der Zentralkommission für Kunst und historische Denkmale« war Riegl ab 1902 auf organisatorische Reformen bedacht. Als Generalkonservator leitete er in allen wichtigen Fällen die Sichtung des Originalbestandes und die Durchführung der Erhaltungsmaßnahmen. Auf wissenschaftlichem Gebiet hatte sich Riegl bedeutende Verdienste um die Kunstwissenschaft und Denkmalpflege erworben, auch bemühte er sich um eine gesetzliche Regelung des Denkmalschutzes468. Die wegen des Mangels an Restauratoren vom Ministerium angestrebte Errichtung einer Restaurierschule in der Akademie konnte damals nicht durchgesetzt werden  ; vor allem Otto Wagner hatte sich dagegen ausgesprochen469. 1908 wurde die Arbeitsüberlastung der Zentralkommission beklagt, deren Aufgaben hätten »in einem früher ungeahnten Maße zugenommen«. Grund dafür war vor allem die von der Politik, der Öffentlichkeit und der Zentralkommission selbst eingeforderte Inventarisierung des Kunstbesitzes der Monarchie und die Erstellung detaillierter Kunsttopographien sämtlicher Kronländer. Das wäre eigentlich Aufgabe der Konservatoren gewesen. Da sie aber ehrenamtlich tätig waren, vermieden sie diese geld- und zeitintensive Tätigkeit. So nahm etwa die Erstellung einer Kunsttopographie Kärntens 12 Jahre in Anspruch. Für die Abfassung von Gutachten und zur Ausarbeitung der Kunsttopographie wurden nun fünf Kunsthistoriker angestellt, denen zwei technische Beamte zur Seite standen. Präsident Helfert war altersbedingt nicht mehr in der Lage, die Amtsgeschäfte zu führen  ; Hofrat Freiherr von Weckbecker – bis 1898 Sektionsrat im Ministerium für Cultus und Unterricht, ab 1898 kaiserlicher Oberstkämmerer – sollte ihn in seiner Tätigkeit unterstützen. Weckbecker hatte fünf Jahre lang die Kunstangelegenheiten im Ministerium geleitet, war also auch mit den Aufgaben der Denkmalpflege und dem Wirkungskreis der Zentralkommission vertraut470. Neue Statuten wurden diskutiert, allerdings wollte man sie erst nach Ausarbeitung eines Denkmalschutzgesetzes endgültig festlegen. Die neuen Regeln sollten dem Missstand, dass die Zentralkommission »durch ihre gegenwärtige Organisation zu einer gewissen Schwerfälligkeit ihres Vorgehens verurteilt« war, ein Ende bereiten. Da das Denkmalschutzgesetz aber auf sich warten ließ, ersuchte der zuständige Minister Stürgkh um die kaiserliche Ermächtigung, vor467 Theodor Brückler, Franz Ferdinand als Denkmalpfleger, 13. 468 Vortrag Hartel v. 5.6.1905 – HHStA, Kab. Kanzlei, 1693/1905. Zu Riegl und Denkmalschutz ausführlich bei Diana Reynolds-Cordileone, Alois Riegl in Vienna 1875–1905. 469 AVA, Unterricht-Allg., Karton 2847. 470 Vortrag Marchet v. 11.2.1908 – HHStA, Kab. Kanzlei, 567/1908.

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erst administrative Reformen einzuleiten, auch wenn diese den Statuten widersprachen471. Ein entscheidender Einschnitt war dann eine personelle Veränderung  : Auf Vorschlag Helferts wurde Erzherzog Franz Ferdinand zum Protektor der Zentralkommission ernannt, wobei es dem Präsidenten und Protektor überlassen blieb, ihren Wirkungskreis gegeneinander abzugrenzen – Helfert selbst drängte auf eine Ausweitung der Kompetenzen des Erzherzogs472. Als Helfert wenig später mit fast 90 Jahren – davon 47 Jahre an der Spitze der Zentralkommission – verstarb, gab das der Staatsverwaltung die Möglichkeit, die Zentralkommission grundlegend umzugestalten. Die Ideen der »modernen Denkmalpflege« wurden allerdings nicht von allen Mitgliedern der Zentralkommission geteilt. Vor allem die Korrespondenten und Konservatoren, die den Denkmalschutz bisher getragen hatten, erwiesen sich als Hemmschuh und waren fachlich überfordert. Das, was Eitelberger 1878 noch als großen Erfolg bezeichnet hatte – die Schaffung eines durchgehenden Netzes von Konservatoren und von mehr als hundert Korrespondenten473 –, war nach der Jahrhundertwende überholt. Das Präsidium drängte mit Unterstützung des Thronfolgers auf eine organisatorische Neuordnung. »Die Agenden der Denkmalpflege haben in den letzten Jahren eine derartige Änderung und Erweiterung erfahren, dass eine Persönlichkeit allein der Leitung dieses Amtes nicht mehr gewachsen erscheint«, schrieb Minister Stürgkh. Der Präsident sollte von zwei Vizepräsidenten unterstützt werden  ; allerdings handelte es sich dabei um unbesoldete Ehrenämter. Diese »müssten aber nicht nur vermöge ihres Fachwissens und ihres Kunstverständnisses das nötige Ansehen und Vertrauen bei den in Betracht kommenden Kreisen genießen, sondern auch eine derart unabhängige und hervorragende soziale Stellung einnehmen, dass sie die Interessen der die Privatrechte vielfach berührenden und daher wenigstens vorläufig keiner allgemeinen Popularität sich erfreuenden Denkmalpflege mit entsprechender Autorität nach allen Seiten hin zu vertreten vermögen«. Für das Amt des Präsidenten der Zentralkommission schlug Stürgkh Franz von Liechtenstein, als Vizepräsidenten die Geheimen Räte Karl Graf Lanckoroński-Brzezie und den früheren Minister Vinzenz Baillet-Latour vor. Auch Franz Ferdinand hatte als Protektor zu diesen Kandidaten seine Zustimmung erteilt474. 471 Vortrag Stürgkh v. 14.4.1909 – ebd., 1569/1909. 472 Stürgkh meinte dazu, es liege »im Ermessen eines Protektors […], die Beziehungen zu dem betreffenden Institute entsprechend zu gestalten«. Vortrag Stürgkh v. 13.1.1910 – ebd., 236/1910. 473 Rudolf Eitelberger von Edelberg, Kunstbewegung, 17. 474 Vortrag Stürgkh v. 15.5.1910 – HHStA, Kab. Kanzlei, 1678/1910. Latour zog sich allerdings 1913 aus Gesundheitsgründen zurück. Vortrag Hussarek v. 26.9.1913 – ebd., 2376/1913.



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Verbunden wurde die neue Denkmalschutzpolitik mit einer Initiative, um die Tätigkeit der Zentralkommission stärker in das öffentliche Bewusstsein zu rücken  : Jährlich würden zahlreiche Kunstwerke durch unsachgemäße Handhabung beschädigt, umso wichtiger sei daher die Kennzeichnung von aus Staatsmitteln restaurierten Kunstwerken. Dadurch würde »die Tätigkeit des Staates in dieser Hinsicht bekannt und einer gerechten Würdigung zugänglich gemacht«, aber auch »die Kenntnis davon, wie man im Sinne der modernen Denkmalpflege restaurieren, beziehungsweise sichern soll«. »Ferner würde sich für jeden Interessenten leicht eine Parallele ziehen lassen, wie Restaurierungen ohne Ingerenz der staatlichen Faktoren und wie sie unter der Ingerenz dieser Faktoren ausfallen.« – hieß es 1909 in einer Stellungnahme der Zentralkommission475. Mitte 1911 stellte Minister Stürgkh den lange angekündigten Antrag auf Statutenänderung. Eine organisatorische Änderung, so der Minister, sei dringend erforderlich. Stürgkh hielt zwar immer noch eine grundsätzliche gesetzliche Regelung des Denkmalschutzes für wichtig, »doch ist das Zustandekommen eines solchen Gesetzes im Hinblicke auf die zahlreichen Schwierigkeiten für absehbare Zeit noch ausgeschlossen und es erscheint somit dringend notwendig, wenigstens auf administrativem Wege die fürsorgliche Tätigkeit des Staates durch eine entsprechende Ausgestaltung der staatlichen Zentralstätte für Denkmalpflege so intensiv als möglich zu gestalten, umso mehr, als eine solche Ausgestaltung die unerlässliche Voraussetzung für die klaglose Handhabung eines künftigen Denkmalschutzgesetzes bildet und daher nicht früh genug eingeleitet werden kann«. Stürgkh legte einen – bereits von Erzherzog Franz Ferdinand genehmigten – Statutenentwurf vor. In finanzieller Hinsicht führte die Kompetenz- und Personalausweitung zu einem Mehrerfordernis von etwa 61.000 Kronen476. Das neue Statut ersetzte dasjenige von 1899 und brachte die Entmachtung der ehrenamtlichen Mitarbeiter mit sich. Wichtige Angelegenheiten sollten künftig ausschließlich kunsthistorisch versierten Berufsbeamten und remunerierten Generalkonservatoren überlassen bleiben. Das Archivwesen wurde ausgegliedert, neu hinzu kamen die Agenden des Heimatschutzes. Auch die alte Sektionseinteilung hatte ausgedient. Dem Protektor wurde ein wesentlicher Einfluss auf die Geschäftsführung und auf die Beamtenernennungen gewährt. Die ehrenamtlichen Mitglieder erhielten mit dem »Denkmalrat« einen Vertretungskörper, die Landeskonservatorate und das Denkmalamt in Wien wurden zu einem »Staatsdenkmalamt« zusammengeführt. In den Kronländern wurden je ein kunsthistorischer und ein technischer Landeskonservator als Staatsbeamte angestellt. Das Kunst475 Schreiben der Zentralkommission vom 9. Juni 1909 an das Ministerium  – AVA, Unterricht-Allg., Fasz. 3081, 25618/1909. 476 Vortrag Stürgkh v. 8.7.1911 – HHStA, Kab. Kanzlei, 2374/1911.

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historische Institut war für die Erforschung der Denkmale zuständig und sollte einen Ausbildungskurs für Denkmalpflege organisieren477. Wenige Monate später wurde im April 1912 Sektionsrat Maximilian Bauer – er war bereits ab 1895 in der Zentralkommission tätig gewesen – auf den neu geschaffenen Posten eines Kanzleidirektors ernannt 478. Doch Bauer blieb nicht lange in dieser Funktion und wechselte nach kaum zweijähriger Tätigkeit im Februar 1914 in die Zentralkommission für die Schulbücherverlage479. 1913 wurde der Direktor der königlichen Kupferstichsammlung in Dresden, Dr. Fortunat Schubert Ritter von Soldern – ein gebürtiger Österreicher, der in Wien zunächst Rechtswissenschaften und später Kunstgeschichte studiert hatte – auf die neu geschaffene Stelle eines Vorstandes der kunstwissenschaftlich-technischen Abteilung der Zentralkommission ernannt480. Das neue Führungsteam arbeitete professionell mit Protektor Franz Ferdinand zusammen. Bereits 1911 wurde das Büro der Zentralkommission zum Staatsdenkmalamt umgewandelt, eine organisatorische Veränderung, die Ende 1913 abgeschlossen werden konnte. Zum Generalkonservator war schon 1905 ein Schüler Riegls, Max Dvořák, ernannt worden, der das Vertrauen Franz Ferdinands hatte. Größere Probleme gab es mit den Landeskonservatoren, insbesondere mit dem Tiroler Franz Wieser, der das Amt nur nebenberuflich – er war Ordinarius für Geographie – ausübte und sich der alten Tradition der Denkmalpflege verpflichtet sah. Der Erzherzog warf Wieser mangelndes Engagement und ein Naheverhältnis zum Antiquitätenhandel vor481. Endgültig zum Durchbruch kam der neue Zugang zur Denkmalpflege im Jahre 1910. Ziel des Denkmalschutzes war es bisher gewesen, die Denkmäler von ihren Altersspuren zu befreien und in ihrem ursprünglichen Zustand wiederherzustellen – hieß es in einer Stellungnahme der Zentralkommission gegenüber dem Ministerium. Man distanzierte sich nun ausdrücklich von der jahrzehntelangen Praxis, »ganze Denkmalteile im alten Stile neu zu erfinden«. Die Zentralkommission erfülle nicht länger die Funktion eines »Geschmacksrats«, die Denkmalpflege beruhe vielmehr »auf dem Kultus des Alterswertes, der auf dem Vorhandensein von Altersspuren beruht«. Die Theorien Riegls waren damit nach seinem Tod zum Dogma des österreichischen Denkmalschutzes geworden. Die Denkmalpflege müsse auf eine »objektive Basis gestellt« werden, also verwissenschaftlicht werden. Das sollte einerseits durch die Ämter des Generalkonserva477 Theodor Brückler, Franz Ferdinand als Denkmalpfleger, 16. 478 Vortrag Hussarek v. 26.4.1912 – HHStA, Kab. Kanzlei, 1058/1912. 479 Vortrag Hussarek v. 7.2.1914 – ebd., 347/1914. 480 Vortrag Hussarek v. 26.9.1913 – ebd., 538/1913. 481 Theodor Brückler, Franz Ferdinand als Denkmalpfleger, 17.



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tors und eines technischen Konsulenten sichergestellt werden, andererseits durch die Inventarisierung der Denkmale und der Erstellung von Kunsttopographien – die in vielen Ländern bereits konservatorischer Standard waren –, wofür aber die finanziellen Mittel fehlten. »Der Staat hat, wenn er unter die europäischen Kulturstaaten gerechnet werden soll, die Mission, über die Erhaltung des alten Kunstbesitzes zu wachen.« Das Anlegen von umfassenden Inventaren sei deshalb wichtig, weil hierin keine Rücksicht darauf genommen werde, was gerade im Interesse der Öffentlichkeit stehe, im Mittelpunkt stehe die Erhaltung alten Kunstbesitzes. Demgegenüber sollte durch Kunsttopographien die Bedeutung einzelner Denkmale für die Geschichte der Kunst eines bestimmten Gebiets deutlich gemacht werden. Inventar und Kunsttopographie sollten sich ergänzen, denn die thematisch-analytischen Topographien bauten auf den Inventaren auf. Riegl hatte 1904 ein Inventar des Kremser Bezirks ausarbeiten lassen, sein Schüler Dvořák leitete 1906 das Pilotprojekt. Die Probeinventarisierung des Bezirks Krems bot in der Zentralkommission den Anlass für grundlegende Überlegungen über die Form dieser Inventare. Alle Denkmäler, die älter als 60 Jahre waren, sollten aufgenommen werden482. Man orientierte sich dabei u.a. an einer Kunsttopographie zu Kärnten aus dem Jahre 1889483. Damit wurde der Beweis erbracht, dass sowohl die Inventarisierung als auch die Kunsttopographie machbar waren, wenn die nötigen Finanzmittel zur Verfügung standen. In Böhmen und Galizien erledigte diese Aufgabe bereits die Landesverwaltung, doch allein für die Inventarisierung der restlichen Gebiete Cisleithaniens war mit einem etwa 120 Bände umfassenden Werk zu rechnen. Der veranschlagte Preis für beide Projekte (Inventar und Kunsttopographie) lag bei 30.000 Kronen, die aufzubringen gewesen wären, doch fehlte dafür der politische Wille484. Helfert setzte sich in seinen letzten Lebensjahren vergeblich für die Finanzierung dieses zukunftweisenden Projekts ein485. Parallel zur Inventarisierung wurde um die Jahrhundertwende begonnen, die auf Staatskosten restaurierten Kunstwerke zu fotografieren. Diese Fotos sollten zu einer einheitlichen Sammlung zusammengefügt werden. Die Umsetzung dieses Plans erwies sich als schwierig, weil die Glasnegative sehr oft mangelhaft waren und nicht verwendet werden konnten486. Die Geschichte der Zentralkommission zeigt paradigmatisch, dass man sich der Notwendigkeit von Reformen bewusst war. Es war dem Einsatz weniger Per482 483 484 485 486

Zentralkommission v. 27.3.1905 – AVA, Unterricht-Allg., Fasz. 3113, 581/1905. Niederösterreichisches Landesarchiv, Statthalterei, Karton 2212, Mappe 61a. AVA, Unterricht-Allg., Fasz. 2967, 733/1907. Ebd., Fasz. 2967, 827/1908. Steiermärkisches Landesarchiv, Statthalterei, 1. Geschäftsordnung, Fasz. 24 – 23670/2608.

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sönlichkeiten – vor allem Riegl und Dvořák, teilweise auch Helfert und Franz Ferdinand – zu verdanken, dass der Denkmalschutz in Österreich auf moderne Grundlagen gestellt werden konnte. 1.5.2 Archäologie im Dienste staatlichen Prestiges

Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war die große Zeit internationaler archäologischer Expeditionen. Die erste österreichische Initiative fand im Jahre 1873 auf Samothrake statt. Von Unterrichtsminister Stremayr wurde die Expedition ausdrücklich begrüßt. »Es erscheint im hohen Grade wünschenswert, dass Österreich, dessen wissenschaftliche Expeditionen bisher zumeist den naturwissenschaftlichen Disziplinen zu Gute kamen, nach dem Beispiele Englands, Frankreichs und Preußens auch behufs der Erweiterung der humanistischen und speziell der Altertumswissenschaften Forschungen in fremden, an Altertümern reichen Ländern veranstaltet.« Die Anregung zu dieser Expedition kam von dem Wiener Archäologen Alexander Conze, Ziel war es – zumindest aus staatlicher Sicht –, möglichst viele archäologische Kunstschätze für Österreich zu sichern  : »Die Ausbeute dürfte groß werden, da diese im Altertume wegen ihrer Kunstbauten und mysteriösen Kulte berühmte Insel in der Neuzeit sehr wenig besucht und, abseits gelegen, von der Plünderung zumeist verschont geblieben ist.«487 Teilnehmer waren neben Conze die Professoren Alois Hauser und Georg Niemann, der später auch an den Ephesos-Grabungen teilnahm. Sie verzichteten auf ein Honorar  ; im Gegenzug finanzierte das Ministerium die Publikation der Grabungsergebnisse und setzte sich in Istanbul für eine Grabungsbewilligung für das österreichische Forscherteam ein488. Die Ergebnisse der Forschungen wurden im Herbst 1873 präsentiert489. 1881 wurde eine archäologische Expedition nach Kleinasien (Lykien) unter Führung des Archäologen Otto Benndorf und des Bauforschers Georg Niemann mit 5400 Gulden unterstützt490. Auch Edmund Zichy und Nikolaus Dumba kündigten eine Expedition nach Kleinasien an. Sie hatte allerdings keinen wissenschaftlichen Zweck, denn es sollten Ankäufe für die kaiserliche Antikensammlung getätigt werden  ; vom Staat erhielten sie dafür keine finanzielle, wohl aber logistische und diplomatische Unterstützung491. 1893 schlug Benndorf ein neues Projekt vor, nämlich Ausgrabungen in Ephesos. Über Vermittlung des Außenministeriums und der diplomatischen Ver487 488 489 490 491

Vortrag Stremayr v. 3.1.1873 – HHStA, Kab. Kanzlei, 217/1873. Vortrag Stremayr v. 22.12.1873 – ebd., 4839/1873. Vortrag Stremayr v. 16.9.1875 – ebd., 3915/1875. Vortrag Conrad v. 3.2.1881 – ebd., 637/1881. Vortrag Kálnoky v. 14.1.1882 – ebd., 250/1882.



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tretung in Istanbul wurde bei der osmanischen Regierung ein auf zwei Jahre ausgestellter Ferman erwirkt, der Benndorf den Beginn von Grabungen ermöglichte. Staatliche Unterstützung erhielt Benndorf keine, wohl aber eine private Subvention durch den Großindustriellen Georg Heinrich Ritter von Mautner von Markhof in der Höhe von 10.000 Gulden, wodurch erste Arbeiten zur Freilegung des Artemistempels ermöglicht wurden. Mautner erhob keine Ansprüche auf die Funde und unterstützte den Vorschlag Benndorfs, diese den kaiserlichen Sammlungen einzuverleiben. Für eine Weiterführung war allerdings dann doch eine finanzielle Unterstützung durch den Staat nötig. Unterrichtsminister Gautsch befürwortete dies, weil das Unternehmen »im Interesse der Forschung und des Ansehens der Monarchie im Oriente wünschenswert« sei. Gautsch wies auf den Aufwand hin, den andere Staaten – besonders das Deutsche Reich, Frankreich und England –, diesbezüglich betrieben. Österreich dürfe nicht zurückbleiben und müsse sich »ebenfalls einen Anteil an der allgemeinen Kulturaufgabe der archäologischen Wiedererschließung des Orients« sichern. Es sei deshalb eine »Ehrenpflicht der Regierung«, das Ephesos-Projekt Benndorfs logistisch und finanziell zu unterstützen492. Die Regierung subventionierte die Versuchsgrabungen im Jahre 1896 mit 10.000 Gulden  ; hinzu kamen namhafte private Spenden. Neben Otto Benndorf nahm auch wieder Georg Niemann an der Expedition teil. Der Sultan erteilte die Bewilligung zu weiteren Grabungen und Benndorf war dadurch in der Lage, »den größten Teil der Fundstücke behufs Übernahme für die Sammlungen des Ah. Kaiserhauses nach Wien gelangen zu lassen«. Sie wurden in 65 Kisten verladen, per Schiff nach Triest und dann mit der Südbahn nach Wien gebracht493. Aufgrund der Erfolge dieser Unternehmung war man im Ministerium bereit, die Ausgrabungen auch weiterhin zu finanzieren. »Die Erhaltung der staatlichen Antikensammlungen in Aquileja, Spalato, Pola und Zara, die ständige Subventionierung archäologischer Vereine, die fallweise Subventionierung von Ausgrabungen im Inlande sowie im Oriente, die Erteilung von Stipendien für Studienreisen der Mittelschullehrer in Italien und Griechenland, die Dotierung archäologischer Stationen in Constantinopel, Smyrna und Athina, die materielle Förderung archäologischer Publikationen und der illustrierten Kataloge der staatlichen Antikensammlungen usw.«, vor allem aber die Notwendigkeit einer Koordinierung dieser Aufgaben, führte zur Gründung des Österreichischen Archäologischen Instituts, zu dessen Leiter Otto Benndorf ernannt wurde494. Nicht nur die ausländischen Grabungen, 492 Vortrag Gautsch v. 26.10.1895 – ebd., 4927/1895. 493 Vortrag Gautsch v. 13.2.1897 – ebd., 807/1897. 494 Vortrag Gautsch v. 25.2.1897 – 9 ebd., 77/1897. Dazu auch 5119/1897 sowie der umfangreiche Akt zur Gründung des Instituts in AVA, Unterricht-Präs., 430 sowie 1309/1897, Originalvor-

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auch die Sicherung und Erforschung archäologischer Befunde im Inland – einschließlich der Gründung von archäologischen Museen – wurden damit zu einer wichtigen staatspolitischen Aufgabe. 1.5.3 Die Bemühungen um ein Denkmalschutzgesetz

Im Jahre 1900 hatten italienische Arbeiter bei Aushubarbeiten für die Dammbasis des Rückstaudammes bei Stopfenreuth ein römisches Grab entdeckt, geplündert und zerstört. Danach verschwanden sie mit der Beute nach Italien. Die Behörden waren machtlos und konnten nicht mehr tun, als auf die Dringlichkeit der Erhaltung solcher Funde hinzuweisen495. Ein wesentliches Betätigungsfeld des Protektors der Zentralkommission, Erzherzog Franz Ferdinand, war der Kampf gegen den Antiquitätenhandel und gegen die Kunstausfuhr ins Ausland. Besonders auf den Tiroler Landeskonservator Wieser hatte er es abgesehen, dem er vorwarf, den Ausverkauf von Kunstgütern ins Ausland zu fördern. Das Fehlen eines effizienten Ausfuhrverbotsgesetzes und einer regulativen Gewerbekonzession für den Antiquitätenhandel machte sich schmerzlich bemerkbar. Durch ein Hofkanzleidekret hatte sich der Staat zwar 1818 ein Vorkaufsrecht für Kunstschätze gesichert, die ins Ausland gebracht werden sollten, die Regelung war aber wenig effizient und galt nur für vier Wochen. In der Praxis bedeutete das, dass das betreffende Kunstwerk innerhalb eines Monats für ein staatliches Museum angekauft werden musste oder finanzkräftige private Interessenten im Inland gefunden werden mussten, andernfalls konnten die Objekte ins Ausland gebracht werden496. Dieses Instrument erwies sich als unzureichend. Ein effizientes Denkmalschutzgesetz wurde nicht zuletzt von Alois Riegl gefordert – es scheiterte aber nicht zuletzt am Widerstand von Adel und Klerus, für die der Verkauf ihrer Kunstwerke oft die einzige Möglichkeit zu wirtschaftlicher Sanierung war497. Hinzu kam das ideologische Erbe des liberalen Staates. Obwohl der Liberalismus nur kurze Zeit die politische Führung innehatte, prägte er doch das Gefüge und die Rechtsgrundlagen des Staates. Die dem liberalen Denken eigene Ablehnung von Staatseingriffen in die Eigentumsrechte seiner Bürger wurde zum Hindernis für einen effizienten Denkmalschutz. Dennoch legte das Ministerium 1894 den ersten Entwurf eines Denkmalschutzgesetzes vor. Die Erhaltung der künstlerischen und historischen Denktrag 639/1897. 495 Niederösterreichisches Landesarchiv, Statthalterei 1901, b3, Z. 594. 496 Ebd., 27 ff. 497 Theodor Brückler, Franz Ferdinand als Denkmalpfleger, 35 ff. und 39 ff.



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male erscheine nicht nur aus ethischen und ästhetischen Gründen, sondern auch aus Rücksicht auf das Nationalgefühl und die Vaterlandsliebe sowie wegen der »historischen Pietät« geradezu als »eine der vornehmsten Aufgaben der öffentlichen Verwaltung«, hieß es einleitend. Man war sich bewusst, dass die gesetzlichen Regelungen in Cisleithanien weit hinter internationale Standards zurückgefallen waren. Im Unterrichtsministerium wurde daher eine internationale Studie in Auftrag gegeben  : Die unterschiedlichen Regelungen wurden verglichen, mit dem Ergebnis, dass das Osmanische Reich, Ägypten und Griechenland die strengsten Bestimmungen hatten und in Frankreich zumindest unbewegliche Denkmale gut geschützt waren. In Italien gab es nur regionale und sehr unterschiedliche Regeln aus der Zeit vor der staatlichen Einigung, ein gesamtstaatliches Gesetzesprojekt scheiterte am parlamentarischen Widerstand. Der Grund dafür war ähnlich wie in Österreich  : allzu weitgehenden Eingriffe in die Eigentumsrechte und eine Allianz zwischen liberalen Bürgern und den Grundbesitzern, auf deren Boden sich historische und archäologische Denkmale befanden. Wie in Italien gab es auch in der Donaumonarchie ein Nebeneinander von sehr unterschiedlichen Bestimmungen, so hatten Ungarn ab 1881 und Bosnien-Hercegowina ab 1892 eher strenge Vorschriften, die in Cisleithanien nicht durchsetzbar waren498 – dies, obwohl es hier eine lange Tradition des Denkmalschutzes gab, denn erste Dekrete zur Sicherung von Münzfunden stammen bereits aus dem Jahr 1776. In Galizien wurde 1802 eine Gubernialverordnung erlassen, in der die Abtragung von alten Schlössern und Ruinen mit historischem Wert untersagt wurde. Mit Hofkanzleidekret vom 28. Dezember 1818 wurde ein gesamtstaatliches Ausfuhrverbot für Kunstwerke, Münzen und Archivalien erlassen, »welche zum Ruhme und zur Zierde des Staates beitragen und durch deren Veräußerung ein wesentlicher Verlust für die Monarchie entstehen könnte«. 1827 wurde die Ausfuhr wieder ermöglicht  ; sie war aber anzeigepflichtig, und der Staat sicherte sich das Vorkaufsrecht. In den vierziger Jahren wurden mehrere Bestimmungen für archäologische Funde erlassen. Schon mit der Einrichtung der Zentralkommission im Jahre 1850 tauchte die Idee auf, dass die Konservatoren ein Verzeichnis aller (kunst-)historisch wichtigen Denkmale anlegen sollten. 1887, 1889 und 1892 erließ der galizische Landesausschuss besondere Verordnungen zum Schutz der Kunst- und Kunstgeschichtsdenkmäler im Gemeindebesitz, und auch in Böhmen gab es ähnliche Bestimmungen. Der nächste Entwurf eines Denkmalschutzgesetzes stammt aus dem Jahr 1897. Helfert äußerte wegen der zu weitgehenden Eingriffe in Eigentumsrechte Bedenken. Außerdem bemängelte er die fehlende Inventarisierung der Kunstschätze. Die inventarisierten Objekte sollten aufgrund des Gesetzentwurfes im 498 AVA, Unterricht-Allg., Fasz. 3048, 11823/1894.

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Grundbuch verzeichnet werden  ; nicht geregelt war hingegen, wie mit später auftauchenden Objekten umgegangen werden sollte. Helfert drängte dazu, zunächst nur gesetzliche Rahmenbedingungen festzulegen und Detailregelungen zu vermeiden  ; außerdem sollten die Mitglieder des Kaiserhauses und ihr Besitz nicht außerhalb des Gesetzes gestellt werden. Hinsichtlich der beweglichen Denkmale hielt Helfert einige Anpassungen der gesetzlichen Regelungen für ausreichend, bei den unbeweglichen Denkmalen sei aber eine komplette rechtliche Neuregelung nötig. Baudenkmale von künstlerischem und historischem Wert sollten nach vorheriger Katastrierung unter staatlichen Schutz gestellt werden – unter Androhung der Enteignung, sollte der Besitzer das Objekt nicht erhalten können. Diese fakultative Einräumung des Enteignungsrechtes durch den Staat sei »ein neues, unserer Gesetzgebung bisher fremdes Prinzip«, schrieb Helfert. Besonders deutlich wurde das Fehlen eines Denkmalschutzgesetzes in den Bemühungen um die Erhaltung des Diokletianspalasts, was den Diskussionen um ein Denkmalschutzgesetz einen neuen Impuls verlieh. In diesem Fall musste wegen Gefahr im Verzug ein Spezialgesetz erlassen werden, weil durch die schon länger andauernde Vernachlässigung und rücksichtslose Einbauten großräumige Zerstörungen befürchtet wurden. Sämtliche Umfassungsmauern sowie die meisten römischen Mauern und Mauerteile wurden deshalb »unter den besonderen Schutze des Staates« gestellt, als ein »dem allgemeinen Verkehre entzogenes Gut«499. Damit war die weitere Richtung vorgegeben. Wegen des Fehlens eines reichsweiten Denkmalschutzgesetzes in Cisleithanien wurden über Aufforderung der Regierung in den einzelnen Ländern spezielle Vorschriften erlassen, die sich an den in Galizien und Böhmen durch die Landesbehörden erlassenen Bestimmungen orientierten. Funde von archäologischer, künstlerischer oder kunsthistorischer Bedeutung waren der Zentralkommission zu melden. Die Landesorgane sollten stärker als bisher am Denkmalschutz beteiligt werden500. Ab 1901 wurde auch dem Schutz von Grabdenkmälern größtes Augenmerk zugewendet, und 1905 wurde dies sogar im Kunstrat diskutiert501. Die kunstpolitischen und denkmalschützerischen Entwicklungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts machen die steigende Bedeutung des Staates in diesem Bereich deutlich, der – nachdem er das ältere Mäzenatentum weitgehend abgelöst hatte – zum Motor einer grundlegenden Modernisierung wurde. 499 Unterricht-Allg., Fasz. 3048. Stellungnahme Helferts zum Denkmalschutzgesetz 473/1897. Entwurf des Denkmalschutzgesetzes 1909 in Fasz. 3082, 6862/1909. 500 Steiermärkisches Landesarchiv, Statthalterei, 1. Geschäftsordnung, Fasz. 24 – 4247/1897 sowie Niederösterreichisches Landesarchiv, Statthalterei, Karton 2694, b3, Z. 45282. 501 Steiermärkisches Landesarchiv, Statthalterei, 1. Geschäftsordnung, Fasz. 24 – 24-9137/1904, 44558/5939.



22  Der Diokletianspalast, Spalato

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Kunstangelegenheiten waren für die autonome Landesverwaltung finanziell nur eine marginale Größe, brachten allerdings einen erheblichen Prestigegewinn mit sich. In finanzschwachen Ländern konnten jedoch kaum Mittel dafür aufgebracht werden. So kommen in den Tiroler Landtagsverhandlungen und in den Akten des Landesausschusses künstlerische Belange kaum vor. Das Land unterstützte vor allem das Landesmuseum Ferdinandeum 1, den Innsbrucker Musikverein und dessen Musikschule2 sowie den Bozener Musikverein3. Außerdem wurden jährlich Künstlerstipendien in der Höhe von insgesamt 1500 Gulden vergeben, in Einzelfällen wurden die Errichtung von Denkmälern und die Publikation von Schriften mit kulturellen und historischen Inhalten gefördert. Auch Restaurierungsbeiträge wurden geleistet, wobei das größte und über mehrere Jahre mit jährlich 1000 Gulden geförderte Projekt die Restaurierung der Inviolatakirche von Riva war4. Umso mehr springt der Anstieg der Ausgaben im Voranschlag für den Tiroler Landeshaushalt 1910 ins Auge. Der bereits fertiggestellte Budgetentwurf wurde mit roter Tinte geändert  ; vor allem im Trentino kamen zusätzliche Förderungen hinzu, wie ein Beitrag zur Restaurierung des Christophkirchleins von Caldonazzo in der Höhe von 150 Kronen. Das Diözesanmuseum von Trient erhielt 1000 Kronen, die »Associazione Doposcuola« in Rovereto 500 Kronen und die kunsthistorische Publikation »Castel del Buon Consiglio« wurde mit 2000 Kronen gefördert. Die Musikschule in Rovereto erhielt 800 Kronen, die Musikschule in Riva 400 Kronen. Das Ferdinandeum bekam 500 Kronen zum Ankauf einer Sammlung, des Weiteren wurden das Diözesanmuseum in Brixen mit 1000 Kronen, die Publikation des 3. Bandes der »Acta Tirolensia« mit 1000 Kronen, die Zeitschrift »Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs« mit 1600 Kronen sowie der Neubau der Musikschule in Innsbruck mit 10.000 Kronen gefördert, der Musikverein Bozen erhielt 800 Kronen. Möglich wurde dieser sprunghafte Anstieg der Kulturförderung durch den gleichzeitigen Anstieg auf der Einnahmenseite5. Das spielte sich allerdings in äußerst beschei1 2 3

1200 fl. aufgrund des Landtagsbeschlusses vom 24.11.1890, davor waren es 315 fl. gewesen. 500 fl. aufgrund des Landtagsbeschlusses vom 13.5.1864. 200 fl. aufgrund des Landtagsbeschlusses vom 13.2.1897. Mit Landtagsbeschluss vom 30.6.1884 hatte er davor jährlich 150 fl. erhalten. 4 Diese Ausgaben wurden unter Kapitel VII des Landesvoranschlags (Unterricht, Bildung, Kunst), Titel 7 (Verschiedene Ausgaben) eingereiht. 5 Tiroler Landesarchiv, Landständisches Archiv, Landesvoranschläge 1897–1910.

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denen Dimensionen ab. Der Anteil des Budgets für Unterricht und Kunst lag im Voranschlag von 1900 bei 15 % und fiel 1910 auf 13 % – trotz einer Verdoppelung in absoluten Zahlen. Dennoch ist auffallend, dass der Anteil der Kunstförderung innerhalb des Unterrichtsbudgets im Jahr 1900 nur bei 1 % lag, durch die Erhöhung 1910 aber auf 2 % stieg. Auf das gesamte Landesbudget hochgerechnet betrug der Kulturanteil allerdings auch 1910 nur verschwindend geringe 2 ‰. Durch die beschränkten finanziellen Möglichkeiten der Länder in der Kunstförderung, die aus diesen Zahlen deutlich werden und die auch für andere Kronländer repräsentativ sind, erhielten Landessubventionen durch die Staatsverwaltung eine umso größere Bedeutung. Die Statthalterei fungierte in diesem Bereich als Vermittlungsinstanz zwischen den Zentralstellen und den Staatsbürgern. Subventionsgesuche wurden über die Statthalterei an die betreffenden Ministerien geleitet und dann wieder über die Statthalterei beantwortet. Ansuchen um Künstlerstipendien waren bei der Statthalterei einzureichen, hier wurden sie gesammelt und geordnet – so wurden etwa Tabellen über die Gesuche gegliedert nach den einzelnen Kunstrichtungen (Maler – Bildhauer – Architekten) erstellt. Es war die Aufgabe der Statthalterei, über die Bezirkshauptmannschaft Informationen zu den Antragstellern einzuholen und diese Aktenstücke dann gesammelt an das Ministerium zu übermitteln. Diejenigen Stipendienansuchen, die keiner der drei genannten Kategorien zugeordnet werden konnten, wurden gesondert behandelt6. Die Statthalterei spielte in der lokalen Kunstförderung also eine Schlüsselrolle, während sich die Staatsverwaltung im Hintergrund hielt und dem Land den Vortritt überließ. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Organisation der Landesarchive und -bibliotheken im Sinne einer Neubewertung und Erforschung der eigenen Vergangenheit zunehmende Bedeutung beigemessen. So wurde in Niederösterreich der Landesausschuss durch Landtagsbeschluss vom 28. März 1863 aufgefordert, Dokumente, die für das Landesarchiv von Wert waren, anzukaufen. Dies wurde zur Richtschnur für weitere Entscheidungen. Es folgte 1875 eine Verordnung des Landesausschusses, wodurch die Stadtgemeinden aufgefordert wurden, ihre Akten an das Landesarchiv abzuliefern, und 1886 beschloss der Landtag, dass alle Gemeinden, Pfarren, Großgrundbesitzer und Genossenschaften ihre Urkunden an das Landesarchiv abgeben sollten – dies wurde als »patriotische Pflicht« bezeichnet. Das ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass damals ganze Patrimonialarchive ins Ausland und an spezialisierte Sammler verkauft wurden und es zu unersetzbaren Verlusten kam. Am 2. Dezember 1885 bezeich6 Das betraf zum Beispiel die Literatur. Der Schriftsteller Heinrich von Wörndle in Innsbruck erhielt etwa zur Förderung seiner Arbeit im Jahre 1911 eine Unterstützung in der Höhe von 300 Kronen. Tiroler Landesarchiv, Statthalterei für Tirol und Vorarlberg 1911, Z. 157, XVI–135.



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nete der Landtagsabgeordnete Josef Matzenauer die Archivalien als »Kronzeugen für die Geschichte des Landes«. Der Aufruf, diese an das Landesarchiv abzuliefern, war dennoch wenig erfolgreich, denn nur wenige Städte kamen ihm nach. Noch weniger waren die Pfarren bereit, ihre Aktenbestände abzugeben, aber auch den Großgrundbesitzern warf das Land vor, dass sie ihre Archivalien verkommen ließen oder ins Ausland verkauften  : »Am meisten muss daher das n.ö. Landesarchiv auf die Vergrößerung seines Urkundenschatzes durch Ankauf bedacht sein  ; nur auf diese Weise kann so Manches gerettet werden.«7 In den anderen Kronländern kam es zu ähnlichen Entwicklungen. Die Länder wurden sich im Laufe des 19. Jahrhunderts der Bedeutung ihres kulturellen Erbes bewusst, wenn dies auch sehr unterschiedlich interpretiert wurde. Tradition und kulturelle Werte wurden überall als wichtige Instrumente zur Herstellung von Identität verstanden, doch nicht selten stand das Landesbewusstsein als identitätsstiftender Faktor in Konkurrenz zu nationalen Zugängen. 2.1 Die Aufwertung der Provinz und ihrer Metropolen 2.1.1 Theaterwesen

Am Beginn stand einmal mehr die Haupt- und Residenzstadt Wien. 1892 fand hier die »Internationale Ausstellung für Musik und Theaterwesen« statt, die unter dem Protektorat von Erzherzog Karl Ludwig stand und von Kaiser Franz Joseph höchstpersönlich eröffnet wurde. Künstler aus dem In- und Ausland beteiligten sich an dieser Veranstaltung, bei der nicht nur die »idealen Zwecke der schönen Künste« gefördert wurden, sondern auch die »praktische Erfahrung in Ausübung derselben«. Unter anderem traten zahlreiche ausländische Militärmusikkapellen auf8. Präsident der Ausstellung war Alexander Pallavicini, Ehrenpräsidentin Pauline Metternich9. In finanzieller Hinsicht wurde das Unternehmen zum Misserfolg und blieb damit ein singuläres Ereignis. Vom Staat wurde es unterstützt, um über die beiden Hoftheater hinaus die Bedeutung der kaiserlichen Hauptstadt als Musik- und Theaterstadt zu betonen. Die Theater galten im liberalen Staat als Wirtschaftsbetriebe, die sich selbst zu erhalten hatten, das Gemeinwesen war nur für die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen zuständig. Der Staat, vertreten durch das Innenministerium, erteilte die Theaterkonzessionen und behielt sich damit eine Regulatorfunktion vor, die 7 8 9

Niederösterreichisches Landesarchiv, F. 6 Landesdienst – 6/6 1878 und 1886 (Z. 1157) sowie C1/4 Landesarchiv und Bibliothek, C1/4. Vortrag Taaffe v. 26.4.1892 – HHStA, Kab. Kanzlei, 1786/1892. Vortrag Taaffe v. 8.5.1893 – ebd., 2060/1893.

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unternehmerische Initiative und das Risiko lagen aber bei Privatpersonen oder Gemeinden10. Hieraus ergibt sich eine zentralistische Zugangsweise. Als verlängerter Arm der Zentralverwaltung nahm die Statthalterei wesentliche polizeiliche Funktionen der Staatsgewalt wahr. Nach dem Schock des Ringtheaterbrands wurden Theateraufführungen um die Jahrhundertwende nur mehr bei penibler Einhaltung der Sicherheitsauflagen genehmigt. Auch wenn es manchmal diesen Eindruck erwecken musste, handelte es sich dabei jedoch nicht um Schikanen, denn bis zu diesem Zeitpunkt fanden die meisten Theateraufführungen nicht in konzessionierten und regelmäßig überprüften Theatergebäuden statt, sondern auf improvisierten Bühnen, zumeist in Gasthöfen, wo ein größerer Saal für Theaterzwecke adaptiert wurde. Durch ein standardisiertes Formular der Bezirkshauptmannschaft (das es etwa in Tirol in einer deutschen und in einer italienischen Variante gab) wurde der Bewerber mit den Auflagen konfrontiert. Ein Beispiel möge dies illustrieren, herausgegriffen aus hunderten ähnlichen Gesuchen, die im Tiroler Statthaltereiarchiv zu finden sind  : Am 1. April 1900 ersuchte der Feuerwehrhauptmann von Erl, Sebastian Anker, um Bewilligung zur Aufführung des auch heute noch gespielten Volksstückes »Im Austragsstüberl« von Hans Neuert und Maximilian Schmidt in dem auch früher schon für ähnliche Zwecke genützten Kneringerschen Gasthaus. Über den ganzen Mai sollte das Stück gespielt werden, der Erlös diente der lokalen Feuerwehr zur Anschaffung von Geräten. Folgende nach dem Ringtheaterbrand ausgearbeitete sicherheits- und feuerpolizeiliche Bestimmungen waren zu beachten  : Auf der Bühne mussten für den Notfall mit Wasser, Sand und Seifensiederlauge gefüllte Behälter bereitstehen, außerdem ein Löschapparat und feuchte Decken  ; zwei Feuerwehrmänner mussten bei den Aufführungen anwesend sein  ; für die Beleuchtung durften nur Sicherheitslampen verwendet werden, die Verwendung von offenem Licht und Feuer sowie das Rauchen waren untersagt. Die Zugänge zu den Türen und Fenstern mussten freigehalten werden, die Türen mussten nach außen zu öffnen sein, andernfalls mussten sie ausgehängt und die Eingänge mit Decken verhängt werden. Der Vordruck enthielt aber nicht nur feuerpolizeiliche Anweisungen, sondern auch politische Bestimmungen. Die Veranstalter hatten nämlich nicht nur die Vorschriften der Theaterordnung vom 25. November 1850 (RGBl. Nr. 54) einzuhalten – diese wurden bis zum Ende der Monarchie nicht geändert –, sondern mussten auch den genauen Vorstellungsplan bei der Gemeinde und bei der Be10 Kaiser Franz Joseph entschied 1854 im Sinne des neoabsolutistischen Systems, dass die Oberste Polizeibehörde nach Rücksprache mit dem Innenministerium über Theaterkonzessionen zu entscheiden hatte. Ah. E. v. 9.8.1855 auf den Vortrag Bach v. 14.7.1855 – ebd., 2209/1855. Mit dem Ende des Neoabsolutismus wurde die Konzessionierung der Theater zur alleinigen Angelegenheit des Innenministers.



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zirkshauptmannschaft melden und für amtliche Organe Sitzplätze reservieren. 14 Tage vor der Aufführung waren die Textbücher der Stücke, aber auch die geplanten Lieder und Couplets bei der politischen Behörde zur Genehmigung einzureichen11. Der Staat – vertreten durch Bezirkshauptmannschaft und Statthalterei – trat als Kontrollorgan auf, mit deutlichen Elementen polizeistaatlicher Willkür. Nicht nur hinsichtlich der Theateraufführungen, sondern noch mehr bezüglich der Vereine mit kultureller Zielsetzung lesen sich die Protokolle der Statthalterei nicht wie moderne Verwaltungsakte, sondern wie vormärzliche Polizeiprotokolle. Vertrauen in die Staatsverwaltung war auf dieser Grundlage nicht zu bilden, im Gegenteil, eine Identifikation mit dem als Unterdrückungsinstanz auftretenden Staat wurde geradezu unmöglich gemacht. Allein in Tirol wurden jährlich über 200 Konzessionen für Theateraufführungen erteilt, wobei Amateurgruppen – wie in dem genannten Beispiel – auch in den kleinsten Orten auftraten, ihre Produktionen erzielten also eine große Breitenwirkung. Für italienische Gastarbeiter in Tirol und Vorarlberg organisierte etwa die »Società lavoratori e lavoratrici« Theateraufführungen 12. Klarerweise wurden solche Produktionen ganz besonders auf politische Inhalte überprüft, hatten doch nationalistische Kulturvereine wie die »Südmark« das Theater als Sprachrohr für ihre politische Botschaft entdeckt13. In Städten wie Innsbruck und Bozen waren der Deutsche Schulverein, der Verein Südmark und der italienische Arbeiterverein im Theaterleben sehr aktiv. Unter strenger Beobachtung der Staatsverwaltung engagierten sich im Trentino weitere Vereine im Kulturbereich, in erster Linie die »Lega nazionale«, aber auch mehrere Sportvereine (Turn-, Alpin- und Radfahrvereine). Untersagt wurden neben nationalistisch-provokanten Veranstaltungen – darunter auch musikalische Darbietungen14 – vor allem »religiös anstößige« Inhalte. Staatliche Theatersubventionen gab es nur in ganz seltenen Ausnahmefällen – so wurde etwa die aufgrund der nach dem Ringtheaterbrand verschärften Bestimmungen nötig gewordene Errichtung des Eisernen Vorhangs am Teatro Sociale in Trient durch einen staatlichen Zuschuss ermöglicht15. Die meisten Theateraufführungen fanden übrigens in den Theatern von Trient und Innsbruck sowie in den Kurorten Meran und Arco statt – wohlgemerkt gab es dort kein Theatergebäude, die Aufführungen fanden, wie im ländlichen Raum üblich, in eigens adaptierten Sälen statt. 11 12 13 14

Tiroler Landesarchiv, Statthalterei für Tirol und Vorarlberg, 1900, Z. 20/207/1900. In Bozen, Innsbruck, Dornbirn und Feldkirch – ebd., Index 1900. Ansuchen des Vereins Südmark für Bozen und für Innsbruck – ebd., Index 1900. Beispielsweise das Musikstück »Inno Trento« – ebd., Index 1900. Auch der Tod Verdis im Jahr 1901 wurde für nationale Kundgebungen genützt – ebd., Index 1901. 15 Ebd., Index 1901-1904.

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Eine Form indirekter Subventionen stellte die mit einer Theaterkonzession häufig verbundene Überlassung eines Grundstückes dar  : So wurde die Genehmigung zur Errichtung eines stabilen Theaters in Sebenico und die Überlassung eines Grundstückes auf den ehemaligen Festungsanlagen genehmigt, unter der Bedingung, dass das neue Theater innerhalb von fünf Jahren seinen Betrieb aufnehmen sollte16. In Wien gab es im Zuge der Stadterweiterung vergleichbare Fälle. 1860 wurde um die Errichtung eines Theaters am Franz-Josephs-Kai angesucht, 1862 wurde einem Theaterunternehmer der Baugrund dafür zur Verfügung gestellt17. Auch dem »Deutschen Volkstheater« wurde – allerdings gegen den Preis von 50 Gulden/m² – ein Grundstück aus dem Stadterweiterungsfonds überlassen, wobei nicht nur ein genauer Finanzierungplan verlangt, sondern auch die inhaltliche Ausrichtung festgelegt wurde  : Am Theater sollten Schauspiel und Volksstück – Tragödien ebenso wie Lustspiele und Schwänke – gepflegt werden, keinesfalls aber Operetten oder Schaustellungen, und die Eintrittspreise waren möglichst niedrig zu halten. Im Grundbuch wurde festgelegt, dass das Gebäude nur als Theater genutzt werden durfte, andernfalls sollte das Grundstück wieder an den Stadterweiterungsfonds fallen18. Die Regulationsfunktion des Staates kann aufgrund der Größe der Stadt und des intensiven Theaterlebens am besten in Wien beobachtet werden. Einige Beispiele  : Großer Beliebtheit erfreuten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die sogenannten »Singspielhallen« – ein varietéartiges Unterhaltungstheater, das in dieser Form zunächst in London und Paris entstanden war (»Music Hall« und »Vaudeville«-Theater). Aufgeführt wurden Operetten, Volksstücke und Possen  ; die Konzession war immer mit dem Betrieb eines Gasthauses verbunden. Diese Theater entwickelten sich rasant – das erste wurde 1860 in Hernals eröffnet, und zur Jahrhundertwende gab es bereits über hundert solcher Bühnen, die nicht immer stabil waren, sondern sie mieteten sich für einzelne Aufführungen in Gasthäusern oder Hotels ein. Nach der Jahrhundertwende entstanden aus festen Singspielhallen Kleinkunst- und Kabarettbühnen oder sie wurden zu Kinosälen umgebaut19. Im Bereich der sogenannten Hochkultur gab es jedoch erhebliche Defizite. Der niederösterreichische Statthalter betonte, dass das Burgtheater allein den Interessen und Bedürfnissen der rasch wachsenden Bevölkerung nicht gerecht werden könne. Als daher 1869 um Konzessionierung eines Theaters in Mariahilf mit niedrigen Eintrittspreisen für finanziell schlechter gestellte Bevölkerungs16 Vortrag Taaffe v. 11.1.1870 – HHStA, Kab. Kanzlei, 209/1870. 17 Vortrag Lasser v. 21.10.1862 – ebd., 3263/1862, siehe auch 1407/1864. 18 Vortrag Taaffe v. 26.6.1887 – ebd., 2594/1887. 19 Georg Wacks, Die Budapester Orpheumgesellschaft. Ein Varieté in Wien 1889–1919 (Wien 2002).



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schichten angesucht wurde, unterstützte das die niederösterreichische Statthalterei und begrüßte, dass der Theaterbetrieb, im Gegensatz zu den Singspielhallen, in diesem Fall nicht mit einem Gasthausbetrieb verbunden war20. Auch das von Heinrich Laube 1871 eröffnete neue »Wiener Stadttheater« entstand aus dieser Konstellation21. In den siebziger Jahren häuften sich die Anträge auf Konzessionierung neuer Theater. Unter anderem wurde am Schottenring gegenüber der Börse eine »Komische Oper« errichtet, vorwiegend zur »Pflege heiterer Musik […], von Spielopern und Balletts«22. Sie verpfändete für einen Kredit ihre Betriebsmittel an den Stadterweiterungsfonds und kam bald darauf in dessen Eigentum23. Auch das Theater der Amalie Pasqualati in der verlängerten Wipplingerstraße wurde auf einem dem Stadterweiterungsfonds gehörenden Baugrund errichtet und bot Platz für 3000 Zuschauer. Von Innenminister Lasser wurde das Gesuch vor allem deshalb befürwortet, weil er hoffte, dass »eine Vermehrung der stabilen Theater Wiens die wünschenswerte Ablenkung des Publikums von dem Besuche der Volkssänger- und Singspielhallen zur Folge haben dürfte« 24. Auch auf der Landstraße, bei der Beatrixgasse, entstand ein neues Theater. Es bot Raum für 3500 Personen und widmete sich der Pflege des Volksstückes. Diese Initiative wurde vom niederösterreichischen Statthalter »mit Rücksicht auf den Mangel eines Theaters in dem stark bevölkerten Bezirke« befürwortet25. 1873 ersuchte Julius Sulzer um die Konzession, auf dem Grundstück des ehemaligen Musikvereinsgebäudes unter den Tuchlauben und den angrenzenden Häusern ein neues Operntheater zu errichten, das der Pflege der italienischen Oper in Wien dienen sollte. Der Konzessionswerber führte als Begründung an, dass Gastvorstellungen italienischer Operngesellschaften trotz hoher Eintrittspreise immer ausverkauft seien und daher Bedarf an einem neuen Opernhaus bestehe. Sulzer war 40 Jahre alt, Sohn des israelitischen Oberkantors, hatte am Wiener Konservatorium studiert, war dann als Kapellmeister in Mailand, Sinigaglia, Triest und Venedig tätig gewesen und hatte es zuletzt zum Kapellmeister der italienischen Oper in Neapel gebracht. Als künstlerischer Leiter der italienischen Oper in Wien erhielt Sulzer eine – vorläufig auf drei Jahre befristete – Konzession26. 20 Mit Ah. E. v. 24.2.1869 auf den Vortrag Taaffe v. 22.2.1868 überließ Kaiser Franz Joseph es der niederösterreichischen Statthalterei, das Gesuch im eigenen Wirkungskreis zu erledigen – HHStA, Kab. Kanzlei, 675/1868. 21 Vortrag Taaffe v. 21.12.1870 – ebd., 4911/1870. Das Stadttheater wurde 1871/72 von den Architekten Fellner und Hellmer errichtet, Laube leitete das Theater ein knappes Jahrzehnt. 22 Vortrag Lasser v. 29.9.1872 – ebd., 3761/1872. 23 Vortrag Lasser v. 26.5.1874 – ebd., 2289/1874. 24 Vortrag Lasser v. 15.10.1872 – ebd., 3982/1872. 25 Vortrag Lasser v. 17.10.1872 – ebd., 4028/1872. 26 Vortrag Lasser v. 17.3.1873 – ebd., 1246/1873.

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Im gleichen Jahr ersuchte der Theaterdirektor Friedrich Strampfer – er hatte bisher das Theater unter den Tuchlauben geführt – um Bewilligung zum Bau und Betrieb eines Theaters unter dem Namen »Raimund-Theater«, »mit dem Rechte zur Abhaltung theatralisch-musikalischer Vorstellungen jeder Art«. Am neuen Theater sollten vor allem das Volksstück und »große militärische Schaustücke« gepflegt werden. Die finanziellen Mittel dafür wollten die Theaterunternehmer über eine Aktiengesellschaft aufbringen27. Dieses Theater wurde allerdings nie errichtet und erst zwanzig Jahre später war ein neuerlicher Antrag zur Errichtung eines gleichnamigen Theaters in Mariahilf erfolgreich. Das Konzept war ähnlich  : An diesem Theater sollten bei »besonders billigen Eintrittspreisen volkstümliche klassische Werke des Schau- und Lustspieles, dann des Schwankes, der Posse und des Singspieles kultiviert werden«28. Deutlich wird aus diesen Beispielen, dass die Staatsverwaltung die Theaterkonzessionen als bewusstes Steuerungselement einsetzte – und das durchaus in inhaltlicher Hinsicht im Sinne eines bildungspolitischen Auftrags des Staates. Die Gründung von Theatern wurde gefördert, die sich der Hochkultur und nicht dem Volksschauspiel verschrieben, aber dennoch durch niedrige Eintrittspreise auch breiten Bevölkerungsschichten den Zugang zum Theater – und damit zu Bildung – ermöglichten. Der Theaterbauboom in Wien fand durch den Ringtheaterbrand ein jähes Ende. Innerhalb weniger Tage wurden vom Innenministerium strengste Verfügungen erlassen, wobei die baulichen und betrieblichen Maßnahmen den Theaterbetrieb erheblich verteuerten und damit auch erschwerten29. Die neuen feuerpolizeilichen Bestimmungen wurden von den Behörden sehr ernst genommen, Theaterkonzessionen wurden nun häufig aus Sicherheitsgründen abgelehnt, aber auch weil die Behörden den Markt in Wien mittlerweile als gesättigt betrachteten. Insbesondere sollte es keine Subvention mehr geben für »Vorstellungen, wie solche meist in Singspielhallen üblich sind«. Einen diesbezüglichen Antrag, mit der Begründung, dass es im mittleren Segment sehr wohl noch Bedarf gebe, wies Innenminister Taaffe ab, weil angesichts des Ringtheaterbrandes »über die bestehenden Theater solche Kalamitäten hereingebrochen sind, dass nicht nur diese Unternehmungen in der Verleihung einer neuen Konzession ein rücksichtsloses Vorgehen von Seite der Regierung erblicken« würden30. 1890 hatten sich die 27 Vortrag Lasser v. 24.4.1873 – ebd., 1767/1873. 28 Die Baukosten wurden mit 600.000 Gulden veranschlagt. Vortrag Taaffe v. 17.2.1893 – ebd., 748/1893. 29 Dazu u.a. ebd., 4806, 4878 und 4879/1878 sowie 3583/1882, 35/1886 (Böhmen), 1244/1887 (Böhmen). 30 Vortrag Taaffe v. 21.3.1882 – ebd., 1216/1882.



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Verhältnisse offenbar wieder so weit beruhigt, dass dem Gesuch der englischen Gesellschaft »The Vienna Kaisergarten syndicat Ltd. in London« die Genehmigung zur Errichtung eines Theaters im Prater erteilt wurde. Das Grundstück wurde aus kaiserlichem Privatbesitz erworben. Der niederösterreichische Statthalter unterstützte und begründete den Antrag mit dem wachsenden Bedürfnis nach Theatern aufgrund der Zunahme der Bevölkerung, der Eingemeindung der Vororte und des »von Jahr zu Jahr sich steigernden Fremdenverkehrs«, die Errichtung »eines für die gebildeten Klassen der Bevölkerung berechneten Theaters im Prater« könne daher »nur mit Befriedigung begrüßt werden«31. Wien blieb hinsichtlich der Theaterfinanzierung in der Habsburgermonarchie ein Sonderfall. Anderswo gab es staatliche Theatersubventionen nur dann, wenn dies aus politischen Gründen opportun erschien. Subventionen waren ausdrücklich an das Staatsinteresse gebunden, künstlerische und wirtschaftliche Kriterien waren zweitrangig. So kam es vor, dass Theater, die aus unternehmerischer Perspektive keinen Sinn machten, aus politischen Gründen erhalten wurden. Vergleichsweise große Bedeutung hatte das Theaterwesen in Graz. Der Gesangskomiker Heinrich Groß stellte 1871 das Gesuch, ihm die Konzession zum Betrieb eines dritten stabilen Theaters zu erteilen, an dem »Volksstücke, Possen, Lustspiele und Operetten« aufgeführt werden sollten. Der Grazer Gemeinderat unterstützte den Antrag. Der Theaterunternehmer Heinrich Groß stammte aus Wien, er war Mitglied des Karl-Theaters gewesen und hatte dann drei Jahre lang das Graf Skarbek’sche Theater in Lemberg geleitet, wo er als Sänger und Schauspieler sowie als Regisseur und künstlerischer Leiter »die Gunst des deutschen Publikums zu gewinnen gewusst« hatte. Die für den Betrieb des Theaters nötigen Geldmittel wollte Groß, ähnlich wie Heinrich Laube in Wien, durch ein Konsortium aufbringen, wobei er bereits Zusicherungen von mehreren Unternehmern erhalten hatte32. 1875 ersuchte der Grazer Stadtrat um die Bewilligung von Theateraufführungen im sogenannten Zirkusgebäude (Stadttheater). Das Theater war 1866 auf zehn Jahre konzessioniert worden  ; diese Konzession sollte nun auf weitere zwanzig Jahre verlängert werden. Die Grazer Statthalterei unterstützte den Antrag, denn das Theater habe sich bewährt und erfülle einen wichtigen sozialen Zweck, denn es sicherte über die Besteuerung der Eintrittsgelder »dem Stadtarmenfonds die größtmögliche, wo nicht die einzige Rente« 33. Es handelte sich um das zweite große Grazer Theater. Seit dem 18. Jahrhundert gab es in Graz nämlich bereits ein landschaftliches Theater für Schauspiel und Oper. Auf Basis 31 Vortrag Taaffe v. 8.12.1890 – ebd., 5181/1890. 32 Vortrag Hohenwart v. 19.4.1871 – ebd., 1323/1871. 33 Vortrag Lasser v. 3.9.1875 – ebd., 3737/1875.

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eines Landtagsbeschlusses aus dem Jahre 1863 wurde es für jeweils sechs Jahre an einen Theaterunternehmer verpachtet. Die altständischen Familien mussten ihre Logen aufgeben, sie wurden an die Meistbietenden versteigert. Dennoch blieb der wirtschaftliche Erfolg aus, und bald wurde überlegt, das Theater der Gemeinde zu überlassen. Schließlich entschied man sich doch für eine Weiterverpachtung, wobei der Landesausschuss versuchen sollte, einen möglichst hohen Ertrag für das Land zu erzielen34. Da sich das aber als unrealistisch erwies, beschloss der steiermärkische Landtag Anfang der achtziger Jahre, das Landestheater in das Eigentum der Stadtgemeinde Graz zu überführen. Das Theater sei seit vielen Jahren eine »schwere Last« für die Landesfinanzen und weise ein jährliches Defizit von fast 5000 Gulden auf. Schon 1873 hätte das Theater – »zu dessen Bau weiland S. Majestät die Kaiserin Maria Theresia den Grund den steiermärkischen Ständen zum Geschenk machte« – verkauft werden sollen, was damals am Einspruch der Regierung gescheitert war. Deshalb fand man schließlich die Lösung in einer Übertragung des Theaters an die Gemeinde. Sie sollte den Betrieb fortführen, »bis die Stadt ein neues, der Stellung der Landeshauptstadt entsprechendes Theater an der bisherigen oder an einer anderen geeigneten Stelle hergestellt haben wird«. Das Innenministerium stimmte dem Besitzerwechsel zu, »da das Land, wenn es auch durch die Abtretung des Theaters auf ein bedeutendes Objekt seines Stammvermögens verzichtet, doch von der Last des alljährlichen Betriebsdefizits befreit wird, und da die Vertretung einer Großkommune, wie Graz, hinlängliche Garantie dafür bietet, dass das Landestheater unter ihrer Verwaltung den Charakter einer Kunst- und Bildungsstätte nicht einbüßen werde«35. Die Gemeinde allein war allerdings auch nicht in der Lage, das Theater als zweite Bühne neben dem Stadttheater zu erhalten und ersuchte daher im Jahr 1900 um eine Subventionierung der beiden städtischen Bühnen im Ausmaß von 25.000 Kronen – genehmigt wurden schließlich 20.000 Kronen36. Einen ähnlichen Fall gab es in Innsbruck. Das dortige Theater geriet Anfang der siebziger Jahre in finanzielle Schwierigkeiten. An eine Unterstützung aus Landesmitteln sei »bei der bekannten Abneigung der Landtagsmajorität gegen derlei Institute« nicht zu denken, der Statthalter ersuchte deshalb um eine jährliche staatliche Subvention in der Höhe von 2000 Gulden, wie sie das Theater bis 1864 bezogen hatte. Innenminister Hohenwart meinte diesen Antrag nicht unterstützen zu können, weil »die Inanspruchnahme eines solchen Kredites bei 34 Carl und Johann Pairhuber, Die Landesvertretung von Steiermark. Ein Bericht über ihre Thätigkeit in der Landtagsperiode 1861–1866, herausgegeben vom Landes-Ausschusse des Herzogthums Steiermark (Graz 1872), S. 65–71, 1867–1871, S. 72–75 1872–1877, S. 115–118. 35 Vortrag Taaffe v. 26.4.1887 – HHStA, Kab. Kanzlei, 1680/1887. 36 Steiermärkisches Landesarchiv, Landesausschuss Vb/4 Kunstschule 1895–1905, vb/8, 1900.



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der Reichsvertretung voraussichtlich auf den entschiedensten Widerstand stoßen würde«. Das Innsbrucker Theater genieße durch die unentgeltliche Überlassung des ärarischen Gebäudes einschließlich seines Inventars bereits eine staatliche Unterstützung. Tatsächlich war es in den Jahren 1843–1849 aus staatlichen Mitteln errichtet worden, das Grundstück gehörte allerdings dem Hofärar. In den anderen Landeshauptstädten sei es üblich, dass Land oder Gemeinden die Theater unterstützten  ; man wolle von dieser Regel nicht abgehen und keine Präzedenzfälle schaffen, meinte der Innenminister. Hohenwart wies mit kaiserlicher Genehmigung das Gesuch ab und ordnete an, dass sich der Statthalter mit der Gemeindevertretung und dem Landtag wegen einer Subventionierung des defizitären Theaters ins Einvernehmen zu setzen habe37. 1886 ging das Innsbrucker Theater schließlich in das Eigentum der Gemeinde über. Da die Verhandlungen mit dem Land und mit der Gemeinde zur Übernahme der Erhaltungskosten scheiterten, beantragte der Statthalter, das Theater der Gemeinde mit der Verpflichtung zu überlassen, »dass diese dasselbe seiner Bestimmung gemäß stets erhalte und für dessen Fortführung entsprechend Sorge trage«38. Der Staat war generell bemüht, die ihm gehörenden Theater – meist, weil sie auf ärarischen Grundstücken errichtet waren – in die Gemeindeverwaltungen zu überführen. So auch in Krakau, wo 1891 ein neues Theater errichtet werden sollte. Da das alte Theater dem Staat gehörte und dieser kein Interesse an einer Weiterführung zeigte, errichtete die Stadtgemeinde Krakau auf einem ihr gehörigen Grundstück ein neues städtisches Theater, das alte Theater wurde abgerissen39. Auch in Salzburg wurde das Theater 1892 der Gemeinde überlassen. Es war im 18. Jahrhundert durch eine Umgestaltung des Ballhauses entstanden und entsprach »keineswegs den Anforderungen, welche an ein Schauspielhaus von der Bedeutung Salzburgs gestellt werden müssen«  ; auch wurden gravierende Sicherheitsmängel konstatiert. Die Landesregierung überlegte eine Generalsanierung, doch der Gemeinderat beschloss im Juli 1891 die Errichtung eines neuen Schauspielhauses. Das neue Gebäude sollte an der gleichen Stelle wie das alte Theater entstehen, in etwa der Ausstattung des Wiener Volkstheaters entsprechen und Raum für 1000 Zuschauer bieten. Zur Aufbringung der Kosten in der Höhe von etwa 250.000 Gulden wollte man sich an den Landtag wenden und sich um einen Beitrag der Salzburger Sparkasse bemühen sowie den noch aus der Zeit der fürsterzbischöflichen Regierung stammenden Theaterfonds auflösen. Der Staat zeigte sich bereit, der Gemeinde den Theaterfonds für die Errichtung des neuen 37 Vortrag Innenminister Hohenwart v. 31.3.1871 – HHStA, Kab. Kanzlei, 1074/1871. 38 Vortrag Dunajewski v. 4.5.1886 – ebd., 2004/1886. 39 Vortrag Taaffe v. 18.10.1891 – ebd., 4311/1891. Über den Verkauf des alten Theaters an die Gemeinde siehe den Vortrag Plener v. 7.6.1895 – ebd., 2831/1895.

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Theaters zu überlassen und im Gegenzug den Staatsbeitrag für die Erhaltung des Theaters einzusparen. Im Übrigen unterstützte Taaffe die Errichtung »eines neuen, den modernen Anforderungen genügenden Schauspielhauses«, das »von wesentlicher Bedeutung für die Fortentwicklung der Landeshauptstadt Salzburg und die Hebung der Fremdenfrequenz erscheint«40. In allen Landeshauptstädten entstanden in dieser Zeit neue Theater  ; bisher bestehende wurden mit öffentlicher oder privater Unterstützung weitergeführt. In Klagenfurt beschloss der Gemeinderat 1908 anlässlich des sechzigjährigen Regierungsjubiläums Kaiser Franz Josephs die Errichtung eines modernen Theaters, das das bisherige veraltete Theater ersetzen sollte41. In Laibach war das alte Theater am 17. Februar 1887 abgebrannt. Die Stadtgemeinde war bereit, ein Grundstück für diesen Zweck zu widmen und 15.000 Gulden zu den Errichtungskosten beizutragen. Der Großteil der Baukosten musste allerdings durch eine vom Landtag genehmigte Anleihe in Höhe von 100.000 Gulden aufgebracht werden42. Auch Innenminister Taaffe befürwortete den Theaterbau, der ihm »in sozialer und nationalpolitischer Hinsicht sowie im Interesse des Landes und der Regierung in höchstem Grade wünschenswert« erschien43. Meist gab es in mittleren Städten nur ein Theater, sofern aus nationalen Gründen nicht zusätzliche Theater erforderlich schienen. So in Lemberg, wo das deutsche Theater aus politischen Überlegungen über viele Jahrzehnte am Leben erhalten wurde. Graf Nikolaus Skarbek hatte im Jahre 1842 ein Theaterprivileg für fünfzig Jahre erhalten, mit der Verpflichtung »für die stete Haltung einer guten deutschen Schauspiel- und Operngesellschaft« zu sorgen. Nach seinem Tod gingen alle Rechte und Pflichten an einen Stiftungsfonds über. Ab 1860 wurde das Theater mit einer jährlichen Subvention in der Höhe von 10.000 Gulden an Direktor Wilhelm Schmits zur Pacht überlassen. Schmits wollte das Theater wieder zu einem Zentrum des deutschen Kulturlebens in Lemberg machen, scheiterte aber an der Lokalpolitik, denn das Theater wurde vom polnischen Publikum boykottiert. Die hohen Betriebs- und Personalkosten brachten es in immer größere ökonomische Schwierigkeiten, sodass Schmits schließlich seinen Rücktritt als Direktor anbieten musste. Schmerling meinte, »dieser ultranationale Schwindel« werde nicht lange anhalten und hielt die Erhaltung des Lemberger deutschen Theaters für ein »Gebot politischer Notwendigkeit«. Würde der Theaterbetrieb 40 Vortrag Taaffe v. 3.5.1892 – ebd., 1921/1892. 41 Die Baukosten wurden mit 700.000 Kronen veranschlagt, die über ein Darlehen finanziert wurden. Vortrag Haerdtl v. 28.12.1909 – ebd., 98/1910. 42 Vortrag Taaffe v. 18.2.1889 – ebd., 682/1889. 43 Die Krainische Sparkasse unterstützte das Projekt mit 30.000 Gulden. Vortrag Taaffe v. 19.7.1890 – ebd., 3248/1890.



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eingestellt, so Schmerling, sei das ein Sieg der nationalen Partei. Zur teilweisen Deckung des Defizits wurde Schmits eine zusätzliche Subvention von 3000 Gulden aus Staatsmitteln bewilligt, außerdem wurden aus Einsparungsgründen die Opernaufführungen im Sommer gestrichen. Die Gewährung einer Subvention aus Staatsmitteln sei aus »höheren staatspolizeilichen Zwecken« gerechtfertigt, meinte Schmerling. Es müsse aber ein Gleichgewicht zwischen den laufenden Ausgaben und den zu erwartenden Einnahmen hergestellt werden. Allein die Verlegung der Opernsaison von den Sommermonaten auf die Winterzeit bewirkte Einsparungen von 7800 Gulden44. Mit dieser politisch motivierten Subvention exponierte sich die Staatsverwaltung, denn von polnischer Seite wurde das als Behinderung nationaler Interessen gesehen. Das Lemberger deutsche Theater blieb für die polnischen Nationalisten ein Ärgernis, und ein »Verein der Freunde der nationalen Bühne in Lemberg« entsandte im Jahre 1870 unter Führung von Fürst Konstantin Czartoryski eine Deputation nach Wien. Sie ersuchte um Aufhebung des Skarbek’schen Theaterprivilegiums, das – aus polnischer Sicht – der Gründung eines polnischen Theaters in Lemberg im Wege stand45. Doch in Wien wollte man das deutsche Theater erhalten, gleichzeitig sollte aber den polnischen Interessen entsprochen werden. Die vom Theaterunternehmer Adam Miłaszewski beantragte Errichtung eines vorwiegend polnischen Theaters wurde von Statthalter Gołuchowski unterstützt  ; auch garantierte die Person des Antragsstellers Miłaszewski nach Ansicht der Regierung den Erfolg des Unternehmens. Innenminister Lasser stimmte einer zunächst auf zwei Jahre befristeten Konzession zu46. Knapp vor der Jahrhundertwende verschwand das alte deutsche Theater. 1889 war das Skarbek’sche Theater in einem derart desolaten Zustand, dass es durch ein neues modernes Nationaltheater ersetzt werden sollte. Man ersuchte 1890 beim Landtag um eine Landessubvention, doch die Verhandlungen zwischen der Gemeindevertretung und dem Landesausschuss stockten und konnten erst im Jahre 1894 abgeschlossen werden. Der Gemeinderat beschloss nun die Errichtung des neuen Theaters und verpflichtete sich zu dessen Erhaltung »unter der Bedingung, dass seitens des Landes eine Subvention zu den Barkosten bewilligt wird«. Der Landtag bewilligte eine Subvention aus dem Landesfonds in der Höhe von einem Drittel der Baukosten, maximal von 300.000 Gulden. Die Baupläne mussten dem Landesausschuss zur Genehmigung vorgelegt werden, der 44 Vortrag Schmerling v. 26.1.1862 – ebd., 314/1862. 45 Vortrag Giskra 5.4.1870 – ebd., 1344/1870. 46 Vortrag Lasser v. 6.4.1872 – ebd., 1378/1872. Zur Geschichte des Theaters siehe ausführlich Philipp Ther, In der Mitte der Gesellschaft. Operntheater in Zentraleuropa 1815–1914 (Wien – München 2006), 181–257.

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auch einen »entsprechenden Einfluss auf das Theater« erhalten sollte, und zwar unabhängig davon, ob die Gemeinde das Theater in eigener Regie führte oder es verpachtete. Das Land verpflichtete sich im Gegenzug zur Deckung der Zinsen und Amortisationskosten der von der Stadtgemeinde Lemberg aufzunehmenden Anleihe47. Von einem deutschen Theater war nun keine Rede mehr – es war mittlerweile selbstverständlich, dass das Lemberger Theater nunmehr ein polnisches zu sein hatte. Die Existenz von deutschsprachigen Theatern außerhalb des deutschen Sprachraums war überall in der Monarchie gefährdet, vor allem aus wirtschaftlichen Gründen stellte sich die Frage der Sinnhaftigkeit eines Weiterbetriebs. Bis zum Ausgleich hielten auch in Budapest die Behörden die Existenz eines deutschen Theaters für wichtig  ; der Polizeiminister wollte es sogar aus dem geheimen Polizeifonds finanzieren. Ähnlich wie in Lemberg konnte auch hier nur die staatliche Finanzierung die Erhaltung des Theaters sichern. Der Antrag des Statthalters auf eine Subvention aus dem Landesfonds in der Höhe von 10.000 Gulden wurde abgelehnt, »weil der Bestand der deutschen Bühne in Pest […] hauptsächlich doch nur aus staatlichen Rücksichten wünschenswert ist«, eine Finanzierung daher nicht aus Landesmitteln, sondern nur aus Staatsmitteln denkbar sei48. Ein besonderer Fall unternehmerischer Initiative war die Errichtung des Theaters im niederösterreichischen Berndorf durch den Industriellen Arthur Krupp. Im Jahr 1897 legten die Theaterarchitekten Fellner und Hellmer die Pläne für ein Theater vor, das knapp 500 Personen Platz bieten sollte. Der Statthalter unterstützte die Unternehmung ausdrücklich, weil ihr ein »patriotisches Motiv« zugrunde lag, was durch den Namen »Franz-Joseph-Theater« noch unterstrichen wurde49. Über die reine Unterhaltung und den kulturellen Anspruch hinaus hatte die Förderung des Theaterlebens auch staatspolitisch einen wichtigen Zweck  : Die Verankerung von kulturellen, sozialen und politischen Werten in breiten Bevölkerungsschichten – auch und insbesondere, wie in diesem Fall, im rasant wachsenden Proletariat mit dem Ziel einer Einbindung dieser Bevölkerungsteile in das politische und gesellschaftliche Gefüge des bestehenden Staatswesens. Exkurs  : Theaterkonzessionen als Instrument zentralstaatlicher Lenkung

Voraussetzung für eine Konzessionserteilung war die Vorlage eines Finanzplans. In Czernowitz wurde das alte hölzerne Stadttheater nach der Jahrhundertwende 47 Vortrag Bacquehem v. 2.5.1895 – ebd., 1987/1895. 48 Vortrag Zichy v. 16.5.1865 – ebd., 407/1865. 49 Vortrag Badeni v. 17.9.1897 – ebd., 3812/1897.



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abgerissen und durch ein neues Theater ersetzt, das vom Landtag und der Bukowinaer Sparkasse mit jeweils 100.000 Kronen subventioniert wurde. Die fehlende Summe musste durch ein Darlehen aufgebracht werden  ; zur Finanzierung durfte die Stadtgemeinde zehn Jahre lang einen Aufschlag von 10 % auf alle Eintrittskarten öffentlicher Produktionen einheben. Innenminister und Ministerpräsident Koerber stimmte zu und empfahl die kaiserliche Sanktionierung, »da es sich um ein gemeinnütziges Unternehmen handelt, dessen Förderung nicht außerhalb der Gemeindezwecke gelegen ist und da die Gemeinde sich tatsächlich durch die Einhebung dieser Abgabe die für den Bau sowie zur Erhaltung des Theaters erforderlichen Mittel beschaffen kann50. Eine solche Abgabe gab es auch in Brünn, doch war hier die Diskussion nationalpolitisch geprägt. In dem im Gemeindebesitz befindlichen städtischen Theater gab es nämlich nur mehr Aufführungen in deutscher Sprache. Ein tschechischer Theaterverein – »Družstvo ćeského národního divadla v Brně« – machte sich die Veranstaltung »gediegener tschechischer Theatervorstellungen« zum Ziel, um »den Bedürfnissen der inzwischen bedeutend angewachsenen tschechischen Bevölkerung Brünns zu entsprechen«. Die Konzession wurde allerdings an die Bedingung geknüpft, dass 10 % des Gewinns an die Gemeinde bzw. an das städtische Theater abgeführt werden sollten. Der Theaterverein bezeichnete die Anwendung dieser Bestimmung auf ihr Theater als diskriminierend für die tschechische Bevölkerung, konnte sich mit seinem Rechtsstandpunkt aber nicht durchsetzen51. 1877 ersuchte die »Società Anonima del Politeama Rossetti« in Triest um die Konzession zur Errichtung eines Theaters. Es handelte sich um ein Volkstheater, das das im vergangenen Jahr abgebrannte Mauroner-Theater ersetzen sollte52. Doch auch Ludwig und Lucie Herrmannstorfer wollten das Mauroner-Theater wieder aufbauen und erhielten ebenfalls eine Konzession, nachdem der Stadtmagistrat die Errichtung eines zweiten Theaters ausdrücklich empfohlen hatte. Das als Sommertheater konzipierte Politeama-Theater könne das Mauroner-Theater nicht ersetzen, »das wegen seiner entsprechenden Einrichtung und niedriger Eintrittspreise sich besonders in den untern Volksklassen einer besonderen Beliebtheit erfreute«. Durch die Zerstörung des Mauroner-Theaters »gebricht es in Triest an einem volkstümlichen Schauspielhause, in welchem insbesondere die untern Volksklassen sich, ihren Anforderungen entsprechend, das Theatervergnügen verschaffen könnten«, hieß es in der Begründung des Magistrats von Triest für die 50 Vortrag Koerber v. 15.12.1900 – ebd., 3336/1900. 51 Vortrag Taaffe v. 6.2.1888 – ebd., 487/1888. 52 Das für den Bau und Betrieb zur Verfügung stehende Kapital betrug 240.000 Gulden. Vortrag Lasser v. 1.8.1877 – ebd., 2870/1877.

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Konzessionierung eines zweiten Theaters. Auch in dem neuen Theater – das in Form eines Amphitheaters ausgeführt werden sollte – war vor allem die Pflege des Volksstücks geplant, darüber hinaus sollten aber auch »Konzerte, Akrobatur- und Kunstreiter-Produktionen sowie im Winter Masken- und andere öffentliche Bälle abgehalten, im Sommer hingegen Spielopern gegeben werden«53. Theatergebäude gab es in allen größeren Gemeinden Istriens. In Rovigno war 1852 auf Kosten der Gemeinde ein Mehrzweckgebäude errichtet worden, das für Theatervorführungen, Tanzveranstaltungen und andere »öffentliche Produktionen« genützt wurde. Einige wohlhabende Bürger Rovignos erklärten sich 1867 bereit, das Kapital für die Adaption dieser Lokalitäten zu einem echten Theater aufzubringen und es der Gemeinde als Darlehen zu überlassen. Auf dieser Grundlage suchte nun die Gemeinde um Konzessionierung des Theaterbetriebs an, was unter der Voraussetzung genehmigt wurde, dass die Gemeinde alleinige Eigentümerin des Theaters blieb54. 1888 wurde auch in Parenzo die Errichtung eines Gemeindetheaters genehmigt. Das Gebäude bestand bereits, es musste umgewidmet und gemäß den feuerpolizeilichen Vorschriften adaptiert werden55. 1878 sollte in Zara ein Sommertheater auf den ehemaligen Bastionen errichtet werden, weil es dort zwar zwei Theater gab, keines davon aber für den Sommerbetrieb ausgerichtet war. Finanzier war Andrea Manzin, ein in Amerika reich gewordener Auswanderer56. In Spalato brannte das Theater 1881 ab. Der Kaiser erteilte der Gemeinde die Bewilligung zum Neubau, weil »der Besitz eines derartigen Volksbildungsmittels ein unbestreitbares Bedürfnis für die Stadt« sei57. Auch in vielen Sommerfrische- und Kurorten entstanden damals Theater, so in Teplitz, wo das Fehlen eines Theaters – bei 50.000 Kurgästen – als besonders nachteilig angesehen wurde. Die Teplitzer Sparkasse erklärte sich bereit, der Gemeinde unter die Arme zu greifen. Geplant war ein Theatergebäude mit einem Fassungsraum von 800 Personen58. In Gmunden plante 1871 der Salzburger Theaterdirektor Johann Kotzian die Errichtung eines stabilen Theaters59. In Gleichenberg sollte ein etwas kleineres Kurtheater entstehen, mit einem Fassungsraum für etwa 600 Zuschauer. Der Statthalter unterstützte das Gesuch, denn »das Aufblühen Gleichenbergs, das bereits einen europäischen Ruf genießt 53 54 55 56 57

Vortrag Auersperg v. 15.12.1878 – ebd., 3491/1878. Vortrag Taaffe v. 9.8.1867 – ebd., 3165/1867. Vortrag Taaffe v. 5.10.1888 – ebd., 3644/1888. Vortrag stv. Innenminister Auersperg v. 27.3.1878 – ebd., 1082/1878. Die Kosten für ein neues Theater wurden mit 130.000 Gulden beziffert. Vortrag Taaffe v. 18.1.1890 – ebd., 362/1890. 58 Die Baukosten dafür wurden mit 150.000 Gulden veranschlagt. Vortrag Lasser v. 29.11.1872 – ebd., 4588/1872. 59 Vortrag Hohenwart v. 14.8.1871 – ebd., 2913/1871.



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und heuer von fast 3000 Kurgästen besucht war« mache die Errichtung eines Theaters dringend nötig60. 1883 wurde die Errichtung eines stabilen Theaters in Bad Hall konzessioniert. Es sollte das bestehende baufällige Sommertheater ersetzen. Die Bau- und Errichtungskosten sollten mit Zustimmung des oberösterreichischen Landesausschusses »aus den disponiblen Mitteln des Kurfonds« in der Höhe von 19.000 Gulden sowie durch Aufnahme eines mit 5 % verzinsten Darlehens gedeckt werden. Die Behörden sahen in dem Theater eine wichtige Voraussetzung für die weitere Entwicklung des Kurortes61. Als besondere Auszeichnung und »im Hinblicke auf die stets loyale Haltung der Gemeinde Ischl und mit Rücksicht auf die im Allgemeinen zufriedenstellenden Leistungen des Ischler Theaters« wurde dem Theater von Bad Ischl im Jahr 1892 die Führung des Reichsadlers genehmigt62. 2.1.2 Landes- und Nationalmuseen

Im Spannungsfeld zwischen einer »Dominanz von Nationalkulturen« und einer »Kultur der Habsburgermonarchie«, in der die nationalen Entwicklungen kontinuierlichen Prozessen wechselseitiger Beeinflussung ausgesetzt waren, bot das Museum gerade in den national aufgeladenen Jahren des zu Ende gehenden 19. Jahrhunderts eine Möglichkeit zur Überwindung nationaler Regionalismen und Zersplitterungen63. Neu war im 19. Jahrhundert, dass nicht mehr nur Hof, Kirche oder große Adelsfamilien Eigentümer der Museen waren, sondern die – zunächst nicht näher definierte – Nation64. Das gilt vor allem für die Museen in den Kronländern, die dort eine identitätsstiftende Funktion hatten. Dies erfolgte im Sinne eines Landesmuseums, nicht eines Nationalmuseums – zumindest, wenn man von der heutigen Begrifflichkeit ausgeht. Der nicht im ethnischen Sinne intendierten Definition der frühen Nationalmuseen liegt ein dem 18. Jahrhundert verpflichtetes Verständnis von Nation im Sinne des Vaterlandes zugrunde. So hatte etwa der Tiroler Museumsverein für das Nationalmuseum Ferdinandeum Beitrittserklärungen in deutscher und italienischer Sprache aufgelegt, es ging also um die Gesamtheit des Landes, einschließlich des italienischen Trentino65. Die dem Gedankengut der Aufklärung verpflichteten National- und Landesmuseen waren eine Reaktion auf die josephinischen Zentralisierungsmaßnahmen, die den 60 Vortrag Lasser v. 29.11.1872 – ebd., 4589/1872. 61 Vortrag Taaffe v. 9.4.1883 – ebd., 1356/1883. 62 Vortrag Taaffe v. 24.3.1892 – ebd., 1388/1892. 63 Werner Telesko, Geschichtsraum, 57. 64 Marlies Raffler, Museum – Spiegel der Nation, 16. 65 Ebd., 154.

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Landespatriotismus gestärkt hatten, eine national-ethnische Ausrichtung war damit zunächst nicht verbunden66. Die Landes-/Nationalmuseen symbolisierten einerseits den Aufschwung und die Neubewertung der Naturwissenschaften, andererseits wurden die von der öffentlichen Hand geförderten Landesmuseen auch zum Symbol einer kulturellen Förderung der sogenannten Peripherie. Mit dem aufkommenden Museumsboom verbunden sind Schlagworte vom Museum als »Gedächtnisspeicher« (Assmann, Csáky), als »Orte des Wissens«, an denen die Vorstellung der Welt strukturiert wird (Telesko) und dem 19. Jahrhundert als Zeitalter der »Traditionserfindung« (Hobsbawm) sowie als Instrument zur Schaffung eines »kollektiven Bewusstseins« (Durkheim). Reinhard Sieder weist darauf hin, dass sich die Transformation von lebendiger Vergangenheit und Tradition in Geschichte unter anderem durch die Musealisierung vollzieht 67. Getreu ihrer Funktion als Erinnerungsspeicher – das war ihr gesellschaftlicher Auftrag – folgten die meisten Museen des 19. Jahrhunderts enzyklopädischen Sammlungsprinzipien, sie waren an das Land gebundene aufklärerische Universalmuseen. Durch den Kataster wurde das Land vermessen und statistisch erfasst, durch die Museen wurde es visualisiert und begreifbar gemacht. Marlies Raffler formuliert folgendermaßen  : »Für die Gründung der Nationalmuseen war […] wichtig, welche selbstdefinierte ›Nation‹ in Wien Akzeptanz zu erwarten hatte. Nur im kulturellen Bereich (Nationalmuseum, Nationaltheater) wagte man überhaupt diese Hybris.«68 Nation fungierte in diesem Sinn als Synonym für patriotisch, für die mit dem Gesamtstaatsgedanken verbundenen Institutionen wurde hingegen der Begriff des Reiches lanciert. Einer dritten Kategorie blieben die kaiserlichen Sammlungen verbunden, nämlich dem dynastischen Element. Doch auch sie bedienten wichtige Elemente des Staatsbewusstseins – etwa in der Schatzkammer – wurden aber bewusst nie als Nationalmuseen oder Reichsmuseen gesehen. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurden die kaiserlichen Sammlungen als Einheit wahrgenommen. Es wäre jedoch auch ein anderer Weg möglich gewesen, denn Alfred von Arneth hatte schon 1833 Überlegungen über eine Zusammenführung der kaiserlichen Sammlungen zu einem nationalen Museum angestellt, die aber nicht weiterverfolgt wurden69. Ein durch Museen und Theater kulturell konnotiertes Landesbewusstsein entstand in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, verstärkte sich in der zweiten Hälfte und wurde gegen Ende der Habsburgermonarchie zur kulturpolitischen Maxime. Das entspricht den Vorstellungen von einer föderativen Nationalstaat66 67 68 69

Ebd., 137. Ebd., 40. Ebd., 138. Ebd., 139 und 150.



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lichkeit. Parallel dazu kam es jedoch zu einer Überschreibung dieser Konzeption im Sinne moderner nationalstaatlicher Deutungsmuster70. Der Paradigmenwechsel erfolgte im späten 19. Jahrhundert  : Es wurden vor allem Fachmuseen gegründet, zunächst Gewerbemuseen, im Zuge der Nationalisierung verstärkte sich aber auch der Trend zu ethnographischen Museen. Diese waren allerdings nur zum Teil national geprägt, teilweise waren sie auch dem Reichsgedanken verpflichtet, wie auf der Wiener Weltausstellung deutlich wurde. In einem ethnographischen Dorf wurde hier im Sinne späterer Freilichtmuseen aus allen Teilen der Monarchie Charakteristisches gezeigt und damit der hohe Stellenwert der Volkskunst in der Habsburgermonarchie betont71. Ein Sonderfall war die Ambraser Sammlung. Sie hat eine wechselvolle Geschichte  : 1703 hatte man sie vor den einfallenden Bayern in der Steiermark in Sicherheit gebracht  ; 1779, als Schloss Ambras in eine Kaserne oder in ein Zuchthaus umgewandelt werden sollte, wurde sie nach Hall gebracht. 1796 wurde sie wegen der Franzosenkriege nach Linz verlegt, dann nach Pilsen. 1799 wäre sie dort fast durch einen Brand vernichtet worden, neuerlich musste sie ausgelagert werden. 1810 wurde sie nach Wien gebracht, wo sie zunächst im Unteren Belvedere ihren Platz fand, aber dann wegen der Kriegsereignisse nach Hainburg gebracht werden musste, wo sie durch eine Überschwemmung fast zerstört worden wäre. Nach diesen Kalamitäten wurde die Sammlung neu geordnet und in »feuersicheren Räumen« im Belvedere aufgestellt. Der Bitte des Tiroler Landtags, sie wieder nach Tirol zu verlegen, wurde nicht entsprochen. Die Ambraser Sammlung gehöre dem Kaiserhaus und nicht dem Land Tirol, begründete der Minister des kaiserlichen Hauses im Jahr 1861 seine Ablehnung. Sie sei daher in der Nähe der kaiserlichen Residenz und nicht in Innsbruck unterzubringen. Ein Argument war auch, dass die Sammlung in Wien einer größeren Öffentlichkeit zugänglich sei als in Tirol. An den nur zwei Öffnungstagen pro Woche wurde sie von etwa 24.000 Personen besucht. Ihre Übertragung nach Ambras würde sie neuen Gefahren aussetzen, auch könne eine italienische Invasion in Innsbruck nicht ausgeschlossen werden. Vor allem ging es der Regierung bei ihrer Entscheidung jedoch darum, keinen Präzedenzfall zu schaffen. Ein Nachgeben gegenüber den Tiroler Ansprüchen hätte etwa die Argumentation hinsichtlich der Ablehnung deutscher Forderungen nach den Reichsinsignien erschwert, es könnte »Reklamationen nicht mit jener Kraft historischen Rechtes entgegengetreten werden«, wie das erforderlich sei. Die Sammlung blieb also in Wien, das Ersuchen des Tiroler Landtags wurde abgelehnt72. 70 Ebd., 344. 71 Ebd., 167. 72 Vortrag Rainer v. 17.10.1861 – HHStA, Kab. Kanzlei, 3339/1861.

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Im Gegensatz zu Cisleithanien, wo sich der Staat aufgrund der Existenz des Hofmuseums der Verantwortung enthoben sah, eine nationale Gemäldegalerie zu gründen, ging man in Ungarn andere Wege. Neben einer staatlichen Subventionierung des ungarischen Nationalmuseums in Pest73 kam es auch zur Gründung einer Nationalgalerie, die aus einer bedeutenden Privatsammlung hervorging – der Esterházyschen Bildergalerie. Der Wert der 651 Gemälde wurde auf knapp 1,2 Millionen Gulden geschätzt. Es bestand allerdings die Gefahr eines Verkaufs der Gemäldegalerie ins Ausland, doch Fürst Miklós Esterházy war bereit, die Gemäldesammlung um 1,1 Millionen und die Kupferstich- und Zeichnungssammlung um 200.000 Gulden dem Königreich Ungarn zu überlassen. Die aus staatlichen Mitteln angekaufte Sammlung – Budapest trug 60.000 Gulden bei – sollte den Titel »Landesbildergalerie« tragen und dem ungarischen Unterrichtsministerium unterstellt werden74. In Cisleithanien konzentrierte sich die österreichische Regierung über viele Jahrzehnte auf die Förderung von Museen in den Kronländern. Landesmuseen waren meist auf Vereinsbasis organisiert – etwa das Tiroler Landesmuseum »Ferdinandeum«, dessen Trägerverein 1823 gegründet worden war75. Die Konzeption des Museums lag grundsätzlich in der Sammlung von tirolischen und vaterländischen künstlerischen und naturhistorischen Erzeugnissen. Eröffnet werden konnte das Museum allerdings erst im Jahr 1845  ; die Fassadengestaltung erfolgte erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts76. Auch in Bozen gab es einen Museumsverein77 und das 1818 in Prag gegründete »Museum des Königreichs Böhmen« war ebenfalls in dieser Form organisiert78. Die vereinsrechtliche Struktur der Landesmuseen wies dem Innenministerium eine Kontroll- und Überwachungsfunktion zu, die Statuten und die Wahl der Funktionäre waren in Wien zur Genehmigung vorzulegen. Auch die Vereinsfunktionen bedurften der ministeriellen und teilweise sogar der kaiserlichen Bestätigung. Vorbild für alle Landes-/Nationalmuseen dieser Zeit war das Grazer Joanneum. Es wurde 1811 als »Innerösterreichisches Nationalmuseum« durch eine Schenkung Erzherzog Johanns an die steirischen Stände gegründet. Hierin kommt die enge Verbindung eines dynastischen Projekts – mit reichspatriotischer Konnotation – zur Förderung des Landesbewusstseins zum Tragen  : Staat, Dynastie und 73 Vortrag Forgách v. 10.10.1862 – ebd., 3104/1862. 74 Vortrag des ungarischen Unterrichtsministers Eötvös v. 14.12.1870 – ebd., 4754/1870. 75 Vortrag Rainer v. 9.5.1861 – ebd., 1472/1861. 76 Werner Telesko, Kulturraum, 290–294. 77 Vortrag Rainer v. 3.6.1863 – HHStA, Kab. Kanzlei, 1823/1863. Zu dessen Gründung und Statuten siehe auch den Vortrag Schmerling v. 22.7.1864 – ebd., 2225/1864. 78 1867 wurde die Wahl von Jaroslav Clam-Martinitz zum Präsidenten und Karl Schwarzenberg zum Vizepräsidenten bestätigt. Vortrag Taaffe v. 8.11.1867 – ebd., 4208/1867.



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Land sollten zu einer untrennbaren patriotischen Einheit verschmelzen. So wurden viele Gemälde vom Staat angekauft und den Landesmuseen zur Verfügung gestellt – sie blieben allerdings im Staatsbesitz, waren also Dauerleihgaben79. In direktem Zusammenhang mit dem Joanneum standen die Gründung des böhmischen Landesmuseums 1818/1820 in Prag, die Gründung eines Museums in Laibach 1821/1831, des Ferdinandeums in Innsbruck 1823, des Francisco-Carolinums in Linz 1833, des Carolino-Augusteum in Salzburg 1835 und des »Rudolfinum« in Klagenfurt 1845/47. Alle diese Museen waren nicht als eigentliche Kunstmuseen gedacht, so standen Naturalienkabinette im Mittelpunkt und weniger die Gemälde- und Kupferstichsammlungen80. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – ab den späten siebziger Jahren – wurde eine grundlegende Neuorganisation von Landesmuseen überlegt und wieder sollte das Joanneum eine Vorreiterrolle spielen. Ziel war eine Senkung der Ausgaben bei einer gleichzeitigen inhaltlichen Neuorientierung. Das neue Landesmuseum sollte »ein umfassendes Bild der Steiermark, seiner Naturprodukte, seiner Geschichte und Kultur« bieten, es sollten daher vor allem Objekte steirischer Provenienz gesammelt werden. 1884 wurde ein Landes-Museal-Verein gegründet, mit dem Auftrag, Erwerbungen für das Landesmuseum zu tätigen, die dann in das Eigentum des Landes übergehen sollten. Das waren bis zum März 1884 über 700 Objekte im Wert von über 8000 Gulden. Man war bemüht, die wissenschaftlichen Sammlungen, das Archiv, die Landesgalerie und das Zeughaus in eine organische Verbindung zu bringen und deren besonderen kulturhistorischen Wert zu unterstreichen. 1888 stellte das Heeresgeschichtliche Museum den Antrag an den Landesausschuss, er möge »im Hinblick auf den großen Reichtum an Waffen und Rüstungsgegenständen aus dem 17. Jahrhundert«, die im Zeughaus verwahrt wurden, »zur Förderung des patriotischen Unternehmens« eine lückenlose Dokumentation »der Bewaffnung und Ausrüstung des kaiserlichen Heeres von der Zeit des Dreißigjährigen Krieges angefangen bis auf die Neuzeit« durch Leihgaben unterstützen81. Auch die Gründung der Historischen Landeskommission für Steiermark im Jahr 1892 ist in dem modernen, letztlich aber doch musealen Ansatz zu sehen, »die Kenntnis des öffentlichen Lebens und der wirtschaftlichen Verhältnisse der Steiermark im Mittelalter und in der Neuzeit durch systematische Ausnützung der im Lande bestehenden Sammlungen und der außerhalb desselben verwahrten, auf Steiermark bezugnehmenden Urkunden und Akten zu erweitern und durch wissenschaftlich begründete Darstel79 Steiermärkisches Landesarchiv, Landesausschuss, Vb/4 Kunstschule 1895–1905, 1898. 80 Werner Telesko, Kulturraum, 379–381. 81 Es wurden dem Heeresgeschichtlichen Museum 191 Gegenstände überlassen – Steiermärkisches Landesarchiv, Landesausschuss Rezens, Signatur Vb/2 1888.

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lungen zu verbreiten, damit durch dieselbe die Beurteilung der modernen Zustände erleichtert und deren Zusammenhang mit der Vergangenheit ersichtlich gemacht werde.«82 Am 21. Jänner 1887 stimmte der steiermärkische Landtag dem neuen Statut für das Landesmuseum Joanneum zu. Ein Jahrzehnt später lobte man die Neuorganisation  : »Das Joanneum dürfte […] unter den vielen Landesmuseen in Österreich sowohl nach seiner Organisation als nach seinen Leistungen eine der ersten, wo nicht die erste Stelle wieder einnehmen. […] Es ist eine Institution, bestimmt, Wissenschaft und Kunst im Lande in wahrhaft liberalem Sinne zu pflegen, zu fördern und lebendig zu erhalten.«83 Zur Jahrhundertwende wurde das Steiermärkische Landesmuseum weiter ausgebaut  ; zusätzlicher Ausstellungsraum war nötig geworden, die erforderliche Summe von etwa 50.000 Kronen sollte weitgehend über die Eintrittsgelder aufgebracht werden. Um einen Staatsbeitrag wurde nicht ersucht, ungeachtet dessen mussten das Innenministerium und der Kaiser der vom Landtag vorgeschlagenen Finanzierung zustimmen84. Nur einige wenige Länder blieben ohne ein eigenes Museum. Allerdings mussten viele Landesmuseen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts umgestaltet und erweitert werden, um diesem Titel gerecht zu werden. Das war auch in Laibach der Fall. 1831 war von den Ständen Krains mit Hilfe von Spenden ein Landesmuseum »für Zwecke der Landeskunde, der Förderung des Ackerbaues und der Gewerbe, der Kunst und Wissenschaft« gegründet und provisorisch in einem dem Land gehörigen Gebäude in Laibach untergebracht worden. Anlässlich der Hochzeit Kronprinz Rudolfs fasste die Krainische Sparkasse nun mit staatlicher Unterstützung den Beschluss, die Hälfte der Kosten für den Bauplatz, den Bau und die innere Einrichtung des Museums, maximal aber 100.000 Gulden, aus dem Reservefonds der Sparkasse zu begleichen. Bedingung war, dass das Landesmuseum den Titel Rudolfinum führen sollte und entsprechende Räumlichkeiten zur Unterbringung eines Gewerbemuseums vorsah. »Durch diese hochherzige und patriotische Widmung war die Landesvertretung in die Lage versetzt, aus einem anderen patriotischen Anlasse, der bevorstehenden Säkularfeier, den Bau des neuen Museums definitiv in Aussicht zu nehmen«. Allerdings musste die Hälfte der Baukosten vom Land aufgebracht werden. Das provisorische Museumsgebäude sollte verkauft werden, das Vermögen des Musealfonds von 34.000 Gulden sollte gegen späteren Ersatz aus dem Landesfonds zum Bau verwendet werden. Für den Fall, dass der Verkauf des alten Museumsgebäudes nicht sofort verwirklicht werden konnte, war der Landtag bereit, die erforderli82 Statut der Historischen Landeskommission für Steiermark v. 30. Mai 1892 – ebd., Vb/2 1892. 83 Kuratorium an Landesausschuss v. 30.1.1901 – ebd., Vb/2 1901. 84 Vortrag Koerber v. 13.12.1900 – HHStA, Kab. Kanzlei, 3316/1900.



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chen Summen aus dem Landesfonds über ein Darlehen vorzuschießen, geplant war zu diesem Zweck die Verpfändung von Landesfondsobligationen. Auch die Gemeinde Laibach wollte sich mit 5000 Gulden an dem Projekt beteiligen. Die Grundsteinlegung für das neue Museum erfolgte am 14. Juli 188385. 1885 wurde auch an die Errichtung eines neuen Museumsgebäudes für das Linzer Museum Francisco-Carolinum geschritten – das dafür nötige Grundstück hatte der Gemeinderat bereits 1875 zur Verfügung gestellt, Unterrichtsminister Conrad sagte einen Staatsbeitrag zu. Nachdem der Großteil der erforderlichen Summe aus dem Landesfonds bereitgestellt werden konnte (etwa 150.000 Gulden), war nur ein relativ geringer staatlicher Beitrag von 14.000 Gulden erforderlich86. Zwei Jahrzehnte nach den ersten Plänen war das Museum fertiggestellt, und aus diesem Anlass wurden mehrere Persönlichkeiten, die »sich um den Museumsverein und das Zustandekommen des Neubaus und um die Neueinrichtung der Sammlungen insbesondere verdient gemacht haben«, mit kaiserlichen Orden ausgezeichnet. Unter ihnen befand sich der Konservator der Zentralkommission, Josef Straberger, der das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens erhielt. Besonders hervorgehoben wurden die Leistungen von Graf Gandolf Kuenburg – er war seit 1892 Vorsitzender des Museumsvereins – und Adolf Dürrnberger87. 1909 wurde durch Landtagsbeschluss ein »Fonds zur Förderung der heimischen Kunst im Herzogtume Salzburg« gegründet. Dieser befand sich im Eigentum des Landes, sein Zweck war die Förderung der bildenden Künste durch den Ankauf von Kunstwerken und durch die Erteilung von Kunstaufträgen  ; Ziel war die Errichtung einer Landesgalerie88. 1879 wurde die Errichtung eines staatlichen Museums für die römischen und altchristlichen Altertümer in Aquileja beschlossen. Die dortigen Ausgrabungen wurden schon seit langer Zeit staatlich subventioniert, und auch die Pläne zur Errichtung eines Museums reichten weit zurück, mussten aber aus finanziellen Gründen immer wieder aufgeschoben werden89. Anlass für den neuerlichen 85 Vortrag Taaffe v. 19.5.1883 – 1924/1883. Zum Museum ebd., 513/1894. 86 Vortrag Conrad v. 24.3.1882 – ebd., 1317/1882. 87 Vortrag Madeyski v. 31.5.1895 – 2467/1895. Anlässlich der Eröffnung des neuen Gebäudes im Jahr 1895 erhielt das Museum eine einmalige erhöhte Dotation von 2000 Gulden. Siehe dazu AVA, Unterricht-Präs., 821/1895. 88 Verwaltet wurde er von Vertretern des Landesausschusses, der Landesregierung, des Salzburger Gemeinderates und des Kunstvereins, die gemeinsam eine Kommission bildeten. Sie ersuchten um einen Staatszuschuss von 1000 Kronen zur Schaffung einer Landesgalerie, gewährt wurde dieser Beitrag aber nur einmalig. Dazu ebd., Unterricht-Allg., Fasz. 3101. 89 Vortrag Stremayr v. 24.6.1879 – HHStA, Kab. Kanzlei, 2641/1879. Schon Anfang der sechziger Jahre wollte man auf Betreiben des Unterrichtsministeriums ein Antikenmuseum in Aquileja gründen. Vortrag Schmerling v. 16.3.1861 – ebd., 1007/1861.

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Vorstoß bildete eine wertvolle Antikensammlung, die zum Verkauf angeboten wurde, einen Teil davon kaufte der Staat um 4500 Gulden an 90. 1889 wurden 1600 Gulden für den Ankauf eines Mithrassteins und anderer Fundgegenstände aufgebracht91 und 1893 wurde eine weitere Antikensammlung für das Museum in Aquileja erworben92. Das zweite große archäologische Museum in der Donaumonarchie entstand in Spalato. Die Verhandlungen über den Museumsbau hatten sich jahrelang verzögert, obwohl ein Grundstück vorhanden war und die Gemeinde sich bereit erklärt hatte, es für das Museum zu erwerben. Auch die die erste Baurate des Museums sollte vom Staat übernommen werden, dafür wurden im Jahr 1900 10.000 Kronen budgetiert. Das Problem lag allerdings im Detail  : Es gab nämlich keine ausgearbeiteten Baupläne, sondern nur eine Vorstudie, die gesamten Baukosten wurden auf 158.000 Kronen geschätzt. Das Finanzministerium lehnte ein derart kostspieliges Projekt ab  ; in jedem Fall sollte der Errichtung des Museums eine finanzielle Einigung zwischen Staat, Land und Gemeinde vorangehen93. Auch in Mähren war im Jahre 1817 in Brünn mit dem Franzens-Museum de facto ein Landesmuseum geschaffen worden, das auf eine Initiative der mährisch-schlesischen Ackerbaugesellschaft zurückging. Es sollte eine Stätte zur Pflege der Volkskunde in Mähren sein und wichtige »kulturhistorische Denkmale durch deren Sammlung in einem Museum weiteren Kreisen der Bevölkerung zugänglich« machen. Nach ersten vielversprechenden Jahren verfielen das Museum und seine Sammlungen zusehends. »Während die etwas jüngere Schwesteranstalt, das Museum des Königreiches Böhmen, bald einen erfreulichen Aufschwung nahm, vermochte das Brünner Museum durch lange Zeit nicht aus dem Stadium unfertiger Entwicklung sich zu erheben.« Ab 1883 wurde es vom Land subventioniert. Als besonders wertvoll galt die 70.000 Bände umfassende Bibliothek, daneben gab es mehrere Museumsabteilungen  : eine Bildergalerie, eine Abteilung für Volkskunde, prähistorische und naturwissenschaftliche Sammlungen sowie größere Sammlungen an Münzen, Siegeln und sonstigen Kunstobjekten, die allerdings nicht planmäßig angelegt und daher wenig repräsentativ waren. Eine zukunftsweisende Reorganisation des Museums setzte eine 90 Vortrag Stremayr v. 2.3.1880 – ebd., 883/1880. 91 AVA, Unterricht-Präs., 711/1889. 92 Die Sammlung war der Staatsverwaltung schon früher angeboten worden, damals wurde der Ankauf aber aufgrund des hohen Preises abgelehnt. Nunmehr wurde sie zum Preis von 6500 Gulden erworben. Vortrag Gautsch v. 31.8.1893 – HHStA, Kab. Kanzlei, 4056/1893. 93 Vortrag Hartel v. 9.6.1900 – ebd., 1706/1900. 1892 stellte der national orientierte dalmatinische Reichsratsabgeordnete Juraj Biankini den Antrag auf weitere Unterstützung des Altertumsvereins in Knin, der bereits 1889 und 1893 mit jeweils 200 Gulden gefördert worden war. Dazu AVA, Unterricht-Präs., 834/1892.



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Vermehrung des Personals voraus, was aber aus finanziellen Gründen nicht möglich war. Der Statthalter in Mähren unterstützte das Gesuch des Museums um eine staatliche Unterstützung und beantragte eine Subvention in der Höhe von 3000 Gulden. Auch Unterrichtsminister Bylandt-Rheidt stand dem Vorschlag positiv gegenüber und betonte, dass bei der Verwaltung des Museums »Vertreter beider Volksstämme Mährens einträchtig zusammenwirken«, dass das Museum aber nur bei »entsprechender materieller Förderung seinen wichtigen Aufgaben zu genügen vermag«. Der Minister sah in der Leitung des Museums eine Garantie dafür, dass es Aufschwung nehmen würde und unterstützte deshalb den Antrag auf Subventionierung mit 3000 Gulden, was zunächst auf drei Jahre befristet wurde. Der Ministerialverwaltung wurde im Gegenzug das Recht auf Entsendung von zwei Delegierten in das Kuratorium zugestanden. Die Subvention sollte zur Anstellung von »wissenschaftlich geschulten Hilfskräften verwendet werden«94, sie wurde 1901 mit 6000 Kronen auf weitere drei Jahre verlängert. Bei dieser Gelegenheit wurde die Tätigkeit des sich nunmehr »mährische Museumsgesellschaft in Brünn« bezeichnenden Vereins ausdrücklich gewürdigt95. 1903 stimmte die Regierung einer Erhöhung der Subvention zu. Der vom mährischen Landesausschuss und vom Statthalter befürwortete Antrag wurde mit der Notwendigkeit der Ergänzung der Bibliothek und der Sammlungen begründet, was wiederum eine räumliche Erweiterung und eine Aufstockung des Personals voraussetzte. Die staatliche Subvention von 6000 Kronen und die Subvention des Landes Mähren von 48.000 Kronen reichten dafür nicht aus. Minister Hartel hob hervor, dass das Museum zu einer »wissenschaftlichen Zentralstelle für beide Volksstämme des Landes« geworden und eine Subventionserhöhung daher gerechtfertigt sei. »Gegenwärtig plant die Museumsgesellschaft die Einsetzung eines ›Landeskomitees‹ zur naturwissenschaftlichen Durchforschung Mährens, welches seine auch für das Franzens-Museum nutzbringende Tätigkeit in Bälde aufnehmen soll. Doch würde das Inslebentreten dieser nutzbringenden Einrichtung die Erhöhung der staatlichen Subvention zur Voraussetzung haben.« Hartel sah sich dennoch nicht in der Lage, dem Wunsch der Museumsgesellschaft nach Erhöhung der Subvention auf 16.000 Kronen nachzukommen, und sagte lediglich 8000 Kronen zu96, immerhin wurde der Staatsbeitrag um weitere drei Jahre verlängert. Eine Erhöhung wurde 1906 »im Hinblick auf die schonungsbe94 Zunächst wurde es mit 5000 Gulden vom Land gefördert, ab 1890 mit 6500 Gulden, 1897 wurde die Subvention auf 8000 Gulden erhöht. Zusätzlich wurde das Museum seit 1883 auch von der Gemeinde Brünn mit 2000 Gulden subventioniert  ; diese Unterstützung wurde allerdings später wieder auf 1000 Gulden gekürzt. Vortrag Bylandt-Rheidt v. 8.6.1898 – HHStA, Kab. Kanzlei, 2415/1898. 95 Vortrag Hartel v. 28.6.1901 – ebd., 1919/1901. 96 Vortrag Hartel v. 12.11.1903 – ebd., 3027/1903.

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dürftige Lage des Staatsschatzes« abgewiesen, nur fallweise könnten kleinere zusätzliche Subventionen gewährt werden97. 1910 wurde dennoch wieder um eine Verdoppelung der Subvention ersucht, doch Minister Stürgkh wiederholte die abschlägige Entscheidung seines Vorgängers mit Hinweis auf die prekäre Budgetlage98. 1907 wurde dem Sekretär des Museums, Emil Kořista, der Titel eines kaiserlichen Rates verliehen. Kořista war nach technischen und landwirtschaftlichen Studien und nach einer zehnjährigen landwirtschaftlichen Praxis 1883 zum Sekretär der mährischen-schlesischen Ackerbaugesellschaft ernannt worden. 1899 wurde er anlässlich der Übernahme des »Franzens-Museums« in das Eigentum des Landes – und damit der Aufwertung zum »Mährischen Landesmuseum« – auch Sekretär dieser Einrichtung. Er widmete sich weiterhin seinem Fachgebiet, erstellte statistische Karten über die landwirtschaftliche Produktion und organisierte landwirtschaftliche Fachausstellungen. Als Sekretär des Landesmuseums kümmerte er sich zudem intensiv um die Kunstsammlungen und verfasste kunsthistorische Schriften99. Auffallend ist, dass das Mährische Museum von der gleichen Konzeption ausging wie das Böhmische Pendant  : Beide orientierten sich am »Joanneum« und waren typische Landesmuseen, wobei das mährische die terminologische Nationalisierung der böhmischen Schwesteranstalt nicht mitmachte und ein Landesmuseum blieb100. Darin spiegeln sich die unterschiedlichen politischen Verhältnisse, vor allem aber der unterschiedliche Grad an Nationalisierung in den beiden Ländern wider. In Brünn gab es neben dem Franzens-Museum noch das Mährische Gewerbemuseum, das, wie das Österreichische Museum für Kunst und Industrie, unter dem Protektorat Erzherzog Rainers stand. 1888 wurde es in einem Vortrag Taaffes – es ging um die Verleihung von Ehrendiplomen und Medaillen – ausdrücklich gelobt  : »Das Institut nimmt, vermöge seines auf die Hebung des heimischen Kunstgewerbes gerichteten Zweckes und seiner mit ganz Mähren sich erstreckenden Wirksamkeit eine hervorragende Bedeutung in Anspruch.«101 Kein Landesmuseum gab es aufgrund der dominierenden Position der kaiserlichen Hauptstadt in Niederösterreich. Erst 1886 wurde durch Landtagsbeschluss ein »historisches Museum für Niederösterreich, welches Land allein unter allen Kronländern ein solches nicht besitzt«, gegründet. Eine Kommission wurde eingesetzt, die zu dem Ergebnis kam, dass ein solches Museum nur durch eine Zusammen 97 Vortrag Marchet v. 24.10.1906 – ebd., 3311/1906.  98 Vortrag Stürgkh v. 16.6.1910 – ebd., 2204/1910.  99 Vortrag Marchet v. 4.5.1907 – ebd., 1819/1907. 100 Marlies Raffler, Museum – Spiegel der Nation, 247. 101 Vortrag Taaffe v. 11.5.1888 – HHStA, Kab. Kanzlei, 1792/1888.



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führung mit dem Museum der Stadt Wien sinnvoll sei, weil »eine Trennung beider Sammlungen zu Inkonsequenzen führen würde, dass es kulturhistorisch nicht richtig sei, wenn man Stadt und Land trenne und dass man endlich doch zur Erkenntnis kommen müsse, dass die Stadt Wien vom Lande und das Land von der Stadt Wien nicht zu trennen sei«. Eine Trennung des Landesmuseums von den Sammlungen der Stadt würde zu einer gegenseitigen Konkurrenzierung führen. Auch sei die angestrebte »Vollständigkeit des Landesmuseums« ohne Zusammenführung nicht zu erreichen, wohl aber dringend nötig, »weil nur ein vollständiges Museum der Würde des Landes und der Reichshauptstadt Wien entsprechen könne«102. Wien zögerte, und das Land Niederösterreich lehnte die Zusammenführung aus politischen Gründen ab, womit das Projekt eines Landesmuseums wieder aufgeschoben werden musste. Als Zwischenlösung wurde ein Budgetposten für die Erwerbung von »für die Landesgeschichte und Landeskunde Niederösterreichs bemerkenswerter Gegenstände« eingerichtet. Sie sollten aus Privatbesitz erworben, erhalten und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden (»an einem allgemein zugänglichen Punkte gesammelt und von sachverständiger Hand geordnet und gesichert, eine reiche Quelle für die Landesgeschichte und Landeskunde bilden«). Darunter fielen Inschriften, Porträts, Stammbäume, Wappen, Siegel, Gemälde, Veduten, aber auch Waffen, verschiedene Gerätschaften sowie Trachten103. 1888 wurde unter diesem Titel der Ankauf der topographischen Sammlung Franz Kutscheras finanziert. Es handelte sich um eine reichhaltige Sammlung von Kupferstichen, Zeichnungen, Aquarellen und Fotografien niederösterreichischer Ansichten. »Die in Frage stehende Sammlung fügt sich […] vollständig in den Rahmen des geplanten Museums, wo auf die Erwerbung von Bildern, welche die topographische Entwicklung des Landes darstellen, ganz besonders hingewiesen wird.«104 Es wurde im Rahmen der Landesbibliothek eine Sammlung angelegt, die den Grundstock für ein künftiges Museum bildete. Wenig später wurden Bilder aus der Sammlung Emil Hütter angekauft  ; die Erwerbung der beiden Sammlungen durch das Land sei eine »moralische Verpflichtung«, für deren weitere Ergänzung waren allerdings zusätzliche Mittel nötig105. 1891 kam es in der Presse unter dem Titel »Ein geheimes Landesmuseum« zu heftiger Kritik106, weil zwar Sammlungen und einzelne Werke gekauft, diese 102 Niederösterreichisches Landesarchiv, F.6 Landesdienst – 6/6 1886, Z. 7202, 22264, 27131 und 29255. 103 Ebd., 1887, Prot. Nr. 5364. 104 Sie wurde für 2803 Gulden erworben. Ebd., 1888, Prot. Nr. 1487. 105 Für den Ankauf dieser Bilder wurden 4000 Gulden bereitgestellt. Ebd. Auch in der Steiermark wurden gezielt Ortsbilder gesammelt, in diesem Fall durch das Landesarchiv. Steiermärkisches Landesarchiv, Landesausschuss Vb/4 Kunstschule 1895–1905, 1896. 106 Presse v. 27.2.1891, Nr. 57.

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aber nicht zugänglich gemacht wurden. Der Landesausschuss rechtfertigte sich, in die Sammlungen könne auf Anfrage in der Landesbibliothek Einsicht genommen werden – von der Errichtung eines Museums war aber nicht die Rede107. 1896 wurde in einer Bibliotheks- und Archivordnung betont, dass sich diese Einrichtungen neben ihrer eigentlichen Aufgabe vor allem der »Förderung der Wissenschaft, besonders der heimatlichen Geschichtsforschung« widmeten108. Besondere Bedeutung für ein künftiges Museum wurde dem Ausbau der »topographischen Sammlung« mit Ansichten von Städten, Dörfern, Burgen und Schlössern beigemessen109. Die wenig ausgereiften Museumspläne des Landes erhielten unter Unterrichtsminister Wilhelm Hartel Konkurrenz. 1902 besuchte er mit Statthalter Erich Kielmansegg die in Baden befindlichen Sammlungen des Vereins der nö. Landesfreunde und sprach bei dieser Gelegenheit von einem durch die Fusion dieser Sammlungen mit dem Badener Rollettmuseum zu bildenden »niederösterreichischen Landesmuseum«. Dies sei, so der Obmann des Museumsvereins »Krahuletz-Gesellschaft« in Eggenburg, eine Missachtung und Zurücksetzung der zahlreichen Lokalmuseen in Niederösterreich. Der Landesausschuss sah sich daher zu einer Richtigstellung veranlasst  : Die Errichtung eines Landesmuseums durch Zusammenlegung bestehender Privatsammlungen sei weder beantragt noch geplant110. Ein gutes Jahr später, am 2. Oktober 1903, fasste der Landtag mit Unterstützung Minister Hartels einen Beschluss zur Errichtung eines Landesmuseums und beauftragte den Landesausschuss mit der Ausarbeitung eines Konzepts, wobei vor allem eine »Zusammenstellung und Sichtung der bereits im Landesbesitze befindlichen Musealschätze« durchgeführt werden sollte111. Doch erst 1908 waren die Vorbereitungen so weit abgeschlossen, dass an eine systematische Sammlungstätigkeit gedacht werden konnte  : »Soll doch dieses Museum einerseits ein Bild von Natur und Kultur des Landes und seiner Bewohner bieten, andererseits eine Sammelstelle für alle jene Altertümer im Lande sein, die an Ort und Stelle nicht bewahrt werden können, sondern Gefahr laufen, zu Grunde zu gehen oder verschleppt zu werden.«112 Das größte Museumsprojekt der letzten Jahre der Monarchie war der Ausbau des bosnisch-herzegowinischen Landesmuseums in Sarajevo. Den Anstoß gab der aufgeklärte Franziskanerpater Ivan Frano Jukić, 1885 wurde auf Initiative von 107 108 109 110 111 112

Niederösterreichisches Landesarchiv, F.6 Landesdienst – 6/6 1886. Ebd., F.6 Landesdienst – 6/6 1896, Prot. Nr. 30615. Ebd., C1/4 Landesarchiv und Bibliothek 1901. Ebd., C1/4 Landesarchiv und Bibliothek 1902. Ebd., C1/4 Landesarchiv und Bibliothek 1903. Schreiben des Museumsvereins an Statthalterei v. 11.4.1908 – ebd., Statthalterei, Karton 2019.



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Benjámin Kállay und des Arztes Julius Makanece ein Museumsverein gegründet, vor allem volkskundliche und archäologische Objekte sollten gesammelt werden. Zu Beginn des Jahres 1886 überließ die Landesregierung dem Verein zwei Räume im alten Hauptpostamt. 1888 wurde das Museum gegründet, Sektionschef Konstantin Hörmann – der sich schon bisher intensiv damit befasst hatte – wurde zum Intendanten ernannt113. Er zog sich ab 1904 schrittweise zurück, führte aber noch bis 1907 die Geschäfte. Auf das neue Museumsgebäude, das von 1908 bis 1912 errichtet wurde, nahm er keinen Einfluss mehr. Da die Errichtungskosten in der Höhe von etwa zwei Millionen Kronen nicht über das Landesbudget gedeckt werden konnten, musste eine Anleihe aufgenommen werden. Der Neubau war nötig geworden, weil das Museum im Postgebäude nur provisorisch untergebracht war, ohne dass die »wertvollen Sammlungen im ungefähren Werte von 10 Millionen Kronen, welche zum Teile einen Weltruf genießen, breiteren Kreisen und namentlich der wissenschaftlichen Verwertung« zugänglich gemacht werden konnten. Für den Neubau ausgewählt wurde ein dem Land gehörendes 26.000 m² großes Grundstück, was zusätzliche Kosten verursachte, weil mehrere im Privatbesitz befindliche Parzellen angekauft werden mussten. »Für die Bauausführung wurde das Pavillonsystem gewählt, weil dieses den Zwecken des Landesmuseums am besten entspricht, eine systematische Einteilung, vorteilhafte Aufstellung und Zugänglichkeit der einzelnen Sammlungen ermöglicht und überhaupt die Besichtigung für jedermann erleichtert.« Für die Außengestaltung des Museums wurden knapp 1,6 Millionen Kronen veranschlagt, für die Inneneinrichtung 350.000 Kronen, was zusammen mit verschiedenen anderen Posten (Grundeinlösung, Bibliothek, Übersiedlungskosten) die oben genannte Summe von zwei Millionen Kronen ergab114. 1913 wurde Ćiro Truhelka zum Direktor des Landesmuseums bestellt, auch wurde ihm der Titel eines Regierungsrates verliehen, ebenso den beiden Kustoden Othmar Reiser und Karl Patsch. Das war nicht nur als Auszeichnung für die drei Persönlichkeiten gedacht, sondern galt gleichzeitig als Aufwertung des Museums. »Das bosn.-herzeg. Landesmuseum in Sarajevo entfaltet auf dem Gebiete der wissenschaftlichen Erforschung Bosniens und der Hercegovina sowie der ganzen Balkanhalbinsel seit 1885 eine intensive Tätigkeit. Die Sammlungen des Museums, welche einen Wert von ungefähr 10 Millionen Kronen haben, werden gegenwärtig in das neue Museumsgebäude übersiedelt. Die räumliche Erweiterung der Museumsanlagen und der stets zunehmende Umfang der wissenschaftlichen Tätigkeit der Anstalt bringt auch eine vielfach differenzierte Administrationstätigkeit mit sich, und treten an die Musealleitung, namentlich was die einheitliche Führung betrifft, umfassende Aufgaben heran.« Truhelka 113 Vortrag Burián v. 5.3.1910 – HHStA, Kab. Kanzlei, 732/1910. 114 Vortrag Biliński v. 20.9.1912 – ebd., 2365/1912.

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war seit 1910 mit der provisorischen Leitung des Museums betraut  ; er war – geboren 1865 in Essek – seit 1886 als Kustos am Landesmuseum tätig und Mitglied mehrerer internationaler wissenschaftlicher Gesellschaften, ebenso der Zentralkommission für Denkmalpflege  ; 1896 war er mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet worden. Kustos Patsch – wie Truhelka 1865 geboren – hatte in Prag studiert und war dann als Lehrer nach Bosnien-Hercegowina gegangen, wo er nebenberuflich am Landesmuseum tätig war  ; 1898 erfolgte seine Ernennung zum Kustos, 1908 erhielt auch er das Ritterkreuz. »Patsch gilt als erstklassiger Gelehrter für klassische Archäologie und Epigraphik und wurde schon wiederholt von Universitäten angegangen, sich um eine Professur zu bewerben, welchen Lockungen gegenüber sich Dr. Patsch deshalb ablehnend verhielt, weil ihn seine Neigungen an das bosnisch-hercegovinische Forschungsgebiet fesseln.«115 Der Auf- und Ausbau von Landesmuseen hatte bis zum Ende der Monarchie größte Aktualität und wurde von der Staatsverwaltung gefördert. Es war die Aufgabe der Landesmuseen, die lokal verwurzelte Identität zu fördern und damit einen Kontrapunkt zur politischen Nationalisierung zu setzen. Meist als Universalmuseen gestaltet und damit einer traditionellen Zugangsweise verpflichtet, waren diese Museen auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht unmodern geworden. Sie stellen unter Beweis, dass die Nationalisierung im Kulturbereich alternative Konzepte nicht völlig zum Verschwinden gebracht hatte. Auch die nationale Konnotation der Landessammlungen gelang nur ansatzweise – am stärksten wohl beim Böhmischen Nationalmuseum –, sodass diese Museumskategorie bis zum Ende der Monarchie eng mit einer übernationalen, aber stark regional geprägten Zugangsweise verbunden blieb. 2.1.3 Musikvereine und Musikschulen

Die Wiener »Gesellschaft der Musikfreunde« war zwar der größte und bekannteste Musikverein in der Habsburgermonarchie, keineswegs aber der einzige. Selbst in Wien bestanden Konkurrenzeinrichtungen, wie der 1858 gegründete Akademische Gesangsverein116. Abgesehen vom Konservatorium des Musikvereins gab es in Wien auch noch die 1832 gegründete Lehranstalt für kirchliche Tonkunst des allgemeinen Kirchenmusikvereins – dessen Ersuchen um Überlassung ärarischer Räumlichkeiten wurde vom Unterrichtsministerium im Jahre 1870 unterstützt117 –, und auch später entstanden Musikschulen wie die »Horak-Schulen« und die »Mu115 Vortrag Biliński v. 28.4.1913 – ebd., 1092/1913. 116 Der Verein wurde 1883 mit der goldenen Medaille für Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet – ebd., 704/1883. 117 AVA, Unterricht-Präs., 371/1870.



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sikschulen Kaiser«. An den Lehrerbildungsanstalten wurden ab 1874 Gesang, die Grundzüge der Musiktheorie sowie Instrumentalunterricht (Geige, Klavier, Orgel) unterrichtet, später kamen noch Chorgesang, Kammermusik und Orchesterübungen hinzu118. In fast allen Landeshauptstädten wurden Musikschulen gegründet, die häufig zu Konservatorien ausgebaut wurden, wobei sie im Gegensatz zum Wiener Musikverein nur marginal gefördert wurden119. Herausragende Bedeutung hatte schon im 19. Jahrhundert das Salzburger Mozarteum, die Musikschule des 1841 gegründeten Salzburger Musikvereins, der sich ursprünglich vor allem der Förderung der Kirchenmusik verschrieben hatte und zunächst den Namen »Dom-Musikverein« führte. Da sich der Verein aber der Förderung der Musik »in allen ihren Zweigen« widmen wollte, regte das Unterrichtsministerium 1855 eine Namensänderung an, die vom Verein zunächst aus pragmatischen Gründen abgewiesen wurde, weil man befürchtete, dadurch die finanziellen Zuwendungen des Erzstifts zu verlieren120. Mitte der siebziger Jahre kam die Musikschule trotz allgemein anerkannter Leistungen in finanzielle Schwierigkeiten, weshalb eine Finanzierung aus der Staatswohltätigkeitslotterie in Erwägung gezogen werden musste121. Doch erst durch die Umwandlung in eine internationale Stiftung konnte sich die nunmehr in »Mozarteum« umbenannte Musikschule finanziell konsolidieren. Zu einem großen Erfolg wurde die Festaufführung des »Don Giovanni« anlässlich des 100. Jahrestags der Erstaufführung. Minister Gautsch würdigte bei dieser Gelegenheit die Verdienste des Mozarteums und seines Präsidenten, Carl Freiherr von Sterneck, des geistigen Vaters des Mozarteums, der »weder Mühe noch Opfer gescheut, um mit Ausdauer und Energie und nach Überwindung nicht unbedeutender Schwierigkeiten die ›Don Juan‹-Jubelfeier zu einer Manifestation von einer wirklich kunsthistorischen Bedeutung zu gestalten«122. In den letzten Jahren der Monarchie erhielt das Mozarteum eine Staatssubvention von 20.000 Kronen, die zur Bezahlung der Lehrkräfte diente. Der Bau eines neuen Gebäudes, das Musikschule, Bibliothek, Archiv und Konzertsaal beherbergen sollte, wurde vom Staat mit 200.000 Kronen unterstützt. Zur Eröffnung dieses sogenannten »Mozarthauses« war ein großes Musikfest geplant, das dann allerdings wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs nicht stattfinden konnte123. 118 Karl Wisoko-Meytsky, Staat und Musik, 323 f. 119 Auch andere Vereine erhielten Unterstützungen, so der Verein der Kunstfreunde in Böhmen für die Förderung der Kirchenmusik ab 1873 1500 fl. jährlich. Ebd., 326. 120 Vortrag Bach v. 2.4.1855 – HHStA, Kab. Kanzlei, 953/1855. 121 Vortrag Lasser v. 13.3.1876 – ebd., 331/1876. 122 Vortrag Gautsch v. 30.11.1887, Ah. E. v. 5.12.1887 – Unterricht-Präs., 1796/1887. 123 AVA, Unterricht-Allg., Fasz. 3241.

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Die anderen Musikschulen in der Habsburgermonarchie waren finanziell weit schlechter gestellt. Bevor überhaupt an eine staatliche Unterstützung gedacht werden konnte, waren vereinsrechtliche Hürden zu überwinden, wobei im Neoabsolutismus auch polizeiliche Kriterien eine wichtige Rolle spielten. Beispielsweise verlangte das Innenministerium vom Troppauer Musikverein nicht nur Statuten­ änderungen, der Verein musste sich zudem verpflichten, das Programm jedes Konzertes vorab der Polizeidirektion zur Genehmigung vorzulegen und keinesfalls »verbotene oder anstößige Musikstücke« aufzuführen124. Trotz nicht immer leicht zu erfüllender Auflagen kam es in den fünfziger Jahren zu zahlreichen Musikvereinsgründungen. 1855 wurde in Görz ein philharmonischer Verein gegründet125, im gleichen Jahr in Hermannstadt ein Kirchenmusikverein126  ; ein Steiermärkischer Musikverein bestand bereits seit 1817127. 1862 wurde der Männergesangsverein von Czernowitz in einen Verein zur Förderung der Tonkunst umgewandelt128. Eine inhaltliche Neuorientierung stand auch am Beginn des Ischler Musikvereins. Er hatte sich auf »Kirchenmusik und geselliges Vergnügen« beschränkt, dehnte aber 1867 seine Aktivitäten ausdrücklich auf die Heranbildung junger Musiker aus129. In Agram gab es bereits seit 1826 einen Musikverein, der sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts national-patriotischen Inhalten verschrieb. 1851 wurde als Vereinsziel in den Statuten die Förderung der »südslawischen Musik« festgelegt, was durch »Sammlung von Nationalweisen«, eine Textierung »südslawischer Melodien« und die Gründung eines »Nationalkonservatoriums« – mit einem Netz von lokalen Filialen – erreicht werden sollte. Davon erhoffte man sich die Heranbildung einer »musikalischen Technologie in der Nationalsprache«. Im Innenministerium hielt man diese Ziele für bedenklich, ernannte einen Regierungskommissär, würdigte andererseits aber auch die Verdienste dieses Vereins130. 1870 ging man auch in Agram daran, mit staatlicher Unterstützung ein Vereinshaus und eine Musikschule zu errichten131. Außerordentlich großzügige staatliche Unterstützung erhielt in den fünfziger Jahren das Mailänder Konservatorium, das sich einem Umstrukturierungsprozess unterziehen musste, denn die Statuten dieser im napoleonischen Regno d’Italia 124 125 126 127 128 129 130

Vortrag Bach v. 9.3.1854 – HHStA, Kab. Kanzlei, 748/1854. Vortrag Bach v. 19.2.1855 – ebd., 482/1855. Vortrag Bach v. 10.11.1855 – ebd., 3591/1855. Vortrag Rainer und Lasser v. 11.4.1861 – ebd., 1147/1861. Vortrag Lasser v. 23.9.1862 – ebd., 3123/1862. Vortrag Taaffe v. 14.4.1867 – ebd., 1599/1867. Als Protektoren traten Erzbischof Georg Haulik und die Gattin des Banus, Sophie Gräfin von Jellačić, auf, was Bach als ausreichende Garantie für eine staatsloyale Haltung des Vereins sah. Vortrag Bach v. 6.1.1855 – ebd., 66/1855. 131 Vortrag Ministerpräsident Andrássy v. 25.12.1870 – ebd., 4979/1870.



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gegründeten Institution stammten noch aus dem Jahre 1824. Dem Konservatorium war ein Konvikt mit 24 unentgeltlichen Studienplätzen angeschlossen, die vom Monarchen auf Vorschlag der Landesbehörden vergeben wurden. Nach langen Diskussionen einigte man sich 1855 auf einen Organisierungsplan, der Vorbildwirkung für ähnliche Institutionen in der Habsburgermonarchie haben sollte. An der Spitze des Konservatoriums sollten künftig ein künstlerischer Direktor und ein Kurator stehen  ; erhalten wurde es nicht mehr direkt vom Staat, sondern aus dem Landesfonds132. Auch die Bibliothek des Konservatoriums erhielt eine jährliche Unterstützung133. Bei anderen Unternehmungen in Lombardo-Venetien war die Staatsverwaltung deutlich restriktiver, das Mailänder Konservatorium deckte weitgehend den Bedarf und absorbierte die Finanzen. 1857 ersuchte Venceslao Cattaneo aus Mailand, der eine Gesangsschule für Chorsänger gegründet hatte, um eine staatliche Subvention für einen Verein, der Chor- sowie Solosänger und -sängerinnen ausbilden sollte. Aufgrund mangelnden Erfolges lehnte Innenminister Bach das Ansuchen ab, doch wurde in Erwägung gezogen, ob diese Einrichtung nicht vielleicht Theaterzwecken dienen und auf diesem Weg finanziell unterstützt werden könnte134. Im gleichen Jahr ersuchte die »Società Pio-Filarmonica« aus Verona um Unterstützung für die Gründung einer Musikschule. »In Festhaltung an dem Grundsatze, dass die Gründung solcher Anstalten der Privattätigkeit anheimzustellen sei und der Staat denselben in rücksichtswürdigen Fällen nur mit einer Unterstützung zu Hilfe zu kommen habe« und unter Hinweis darauf, dass es in Mailand ein staatlich finanziertes Konservatorium gab, lehnte Thun den Antrag ab. Zwar sei es wünschenswert, mehr Möglichkeiten zur Förderung von Talenten zu schaffen, eine staatliche Unterstützung könne aber nicht zur Gründung, sondern nur zur Fortführung eines Konservatoriums gewährt werden, in derselben Form, wie dies auch beim Wiener Musikverein gehandhabt werde135. Das war allerdings schwierig. So hatte beispielsweise der seit 1838 bestehende »Verein zur Förderung der Tonkunst in Galizien« 1852 die Gründung eines Konservatoriums zu seinem Vereinszweck erklärt. Aufgrund fehlender Finanzmittel scheiterte das Projekt, und wenige Jahre später mussten die Statuten in dem Sinn adaptiert werden, dass die Förderung der Kirchenmusik an erster Stelle, die Errichtung einer Musikschule nur als zusätzlicher Vereinszweck genannt wurde136. 132 Das war die Bedingung des Finanzministers gewesen, der andernfalls nur der Einrichtung von befristeten Professorenstellen zustimmen wollte – ebd., 3160/1855. 133 Vortrag Thun v. 22.9.1857 – ebd., 3780/1857. Die Besetzung der Lehrstellen erfolgte durch kaiserliche Ernennung. Dazu Vortrag Thun v. 11.12.1858 – ebd., 5090/1858. 134 Vortrag Bach v. 28.4.1857 – ebd., 1553/1857. 135 Vortrag Thun v. 6.8.1857 – ebd., 3179/1857. 136 Vortrag Bach v. 4.5.1857 – ebd., 1669/1857.

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Subventionen für Musikschulen wurden regelmäßig abgelehnt, so auch im Fall des Pest-Ofener Musikvereins, der 1852 für den Ausbau seines Konservatoriums um staatliche Unterstützung ansuchte. Der Antrag wurde mit der Begründung abgewiesen, dass die Anstalt über ausreichend Aktionäre und Einnahmen aus dem Schulgeld verfüge, eine staatliche Unterstützung somit nicht nötig sei. Dem Verein wurde empfohlen, durch Aufnahme weiterer Aktionäre eine Kapitalaufstockung zu erwirken. Klavierunterricht am Konservatorium hielt Thun übrigens im Hinblick auf zahlreiche private Initiativen prinzipiell für überflüssig, und auch die Einrichtung von Kursen für Blasinstrumente war seiner Meinung nach nicht vordringlich – der Minister mischte sich also sehr konkret in inhaltliche Belange ein137. Eine Alternative zu Subventionen konnte in Einzelfällen die unentgeltliche Überlassung von ärarischen Gebäuden sein, wie er im Fall des Wiener »Vereins für Kirchenmusik«, dem das aufgelassene Zeughaus in der Renngasse zugewiesen wurde. Adaptierung und Restaurierung der Räumlichkeiten mussten vom Verein getragen werden138. Eine weitere Möglichkeit war die Beteilung aus den Einkünften der Staatswohltätigkeitslotterie. Darum ersuchte die 1702 gegründete philharmonische Gesellschaft in Laibach – sie bezeichnete sich selbst als älteste Musikgesellschaft in Österreich –, das Gesuch wurde jedoch abgelehnt, denn dies sei 1862 dem Wiener Musikverein für sein Konservatorium nur ausnahmsweise zugestanden worden139. Einen phantasievollen Finanzierungsvorschlag präsentierte im Jahre 1865 ein ungarischer Theaterverein  : Er hatte das Theater in Raab für 15 Jahre gepachtet, das nötige Betriebskapital von 6000 Gulden sollte durch die Ausgabe von Aktien aufgebracht werden. Im Gegenzug sollten bei jeder Aufführung Taxen eingehoben und Benefizveranstaltungen abgehalten werden140. Das war damals noch unüblich, doch in den folgenden Jahrzehnten wurden die sogenannten »Musik137 Vortrag Thun v. 17.4.1852 – ebd., 1289/1852. 138 Es handelte sich allerdings um desolate Räumlichkeiten. So waren Gewehrläufe in 40 Säulen im so genannten »Kaisersaal« gestapelt, die nicht weggeräumt werden konnten, weil sonst die Decke eingestürzt wäre. Vortrag Bruck v. 4.6.1858 – ebd., 1955/1858. 139 Vortrag Lasser v. 6.6.1865 – ebd., 1587/1865. 1891 ersuchte der Landespräsident von Krain um die Verleihung der goldenen Medaille für Kunst und Wissenschaft an die philharmonische Gesellschaft in Laibach, im Hinblick auf die Verdienste im Musikunterricht und auf den Patriotismus des Vereins, der sich in der Teilnahme an »vaterländischen Festen« zeige – AVA, Unterricht-Präs., 1788, 1907/1891. 1896 wurde dem künstlerischen Leiter des Vereins zur Förderung der Tonkunst in der Bukowina, Adalbert Hřimaly, das goldene Verdienstkreuz mit der Krone verliehen, da seine Tätigkeit von äußerst großer und positiver Bedeutung für den Czernowitzer Musikverein gewesen war. Vortrag Gautsch v. 15.4.1896 – Unterricht-Präs., 1051/1896. 140 Vortrag Majláth v. 20.10.1865. Franz Joseph überließ der Hofkanzlei die Entscheidung im eigenen Wirkungskreis – HHStA, Kab. Kanzlei, 3429/1865.



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taxen« zur verbreiteten Praxis. Hier einige Beispiele  : 1881 wurde dies der Gemeinde Vöslau zugestanden141, wobei sich die Gemeinde Mehreinnahmen in der Höhe von 7500 Gulden erhoffte142. 1882 lehnte Innenminister Taaffe ein ähnliches Gesuch aus Mödling mit der Begründung ab, dass solche Taxen ausschließlich für Kur- und Badeorte gedacht seien. Doch die Gemeinde gab nicht auf und fühlte sich im Recht, weil der Antrag vom Gemeinderat beschlossen und vom Landtag genehmigt worden war. Taaffe lenkte schließlich ein, nachdem die Gemeinde ihr Gesuch damit begründet hatte, dass die Gelder zur Errichtung eines Parks verwendet werden sollten143. Damit war jedoch ein Damm gebrochen  : Die Musiktaxen entfernten sich von ihrer ursprünglichen Idee – der Verschönerung von Kurorten – und wurden immer mehr zum Finanzierungsinstrument finanzschwacher Gemeinden144  ; Musiklizenzgebühren und -taxen wurden in der Folge von vielen Gemeinden festgesetzt. Ab den 1890er Jahren wurde die Erhebung der Musiktaxen zunehmend durch Landesgesetze geregelt, so etwa in Böhmen im Jahre 1894145 oder ein Jahr später in der Steiermark146, in Niederösterreich 1902 und in Salzburg 1905147. Ab den 1890er Jahren häuften sich zudem Gebühren, die von öffentlichen Musikproduktionen und Schaustellungen eingehoben wurden. Sie kamen den Armenfonds der Gemeinden zugute, um sie bei der Versorgung von Bedürftigen zu entlasten. Im Falle von Kurorten wurden diese Gelder weiterhin zur Instandhaltung von Wegen und Parkanlagen verwendet148. In der Steiermark gab es mehrere vom Land unterstützte Vereine, darunter den philharmonischen Verein Marburg, den Musikverein Graz, den Grazer Männergesangsverein und den Pettauer Musikverein. 1898 berichtete der Steiermärkische Musikverein, dass er sich durch Mitgliedsbeiträge und Konzert­ abonnements selbst erhalte und ausgeglichen bilanziere  ; durch seine Musikschule erwuchs ihm allerdings ein Defizit von jährlich 6000 Gulden, das nur durch Subventionen gedeckt werden könne. Mit Sicherheit konnte allerdings nicht damit 141 142 143 144 145 146 147

Vortrag Taaffe v. 8.3.1881 – ebd., 1083/1881 sowie Bacquehem v. 13.2.1894 – ebd., 678/1894. Vortrag Innenminister Taaffe v. 5.9.1883 – ebd., 3386/1883. Vortrag Taaffe v. 30.4.1882 – ebd., 1784/1882. Vortrag Taaffe v. 18.4.1882 – ebd., 1639/1882. Vortrag Bacquehem v. 11.7.1894 – ebd., 3308/1894. Vortrag Bacquehem v. 10.4.1895 – ebd., 1582/1895. Vortrag Koerber v. 6.1.1902 – ebd., 110/1902. Ähnliche Regelungen erfolgen auch in anderen Ländern (Salzburg 2530/1905). 148 Vortrag Taaffe v. 6.1.1893 – ebd., 144/1893. Beispiele dafür sind folgende Gemeinden  : Eggenberg (1117/1897), Aschbach (1255/1897), Stallhofen (1570/1897), Laibach (1782/1898), Reichenau (2576/1899), Schwaz (2782/1899), Gratkorn (2415/1901), Irdning (2919/1901), Bielitz (2928/1901), Meran (563/1902 und 2718/1912), Pöls bei Judenburg (2143/1903), Aschbach bei Mariazell (117/1904), Premstätten (3448/1904), Cembra (3458/1904), Voitsberg (396/1905), Lemberg (2144/1905), Andritz (1541/1909).

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gerechnet werden, dass der Staat in solchen Fällen einspringen würde. So wurde ein ähnliches Gesuch der Musikschule Marburg abgelehnt149. Der Präsident der Wiener Akademie für Musik und darstellende Kunst, Wiener, schlug 1911 die Schaffung eines ständigen dezentralen Beirats mit sieben Fachkollegien für Schule, Stipendien, Staatsprüfungen, Kirchenmusik, musikalische Volksbildung, Musikwissenschaft und Musikgewerbe sowie die Einrichtung von 17 Ortskollegien in Linz, Salzburg, Graz, Klagenfurt, Laibach, Triest, Innsbruck, Bozen, Trient, Bregenz, Prag, Brünn, Troppau, Lemberg, Krakau, Czernowitz und Zara vor. Die Zentralisierung habe sich »auch bei anderen mit Zweigen der Musikpflege betrauten Körperschaften, wie beispielsweise bei der Volksliedforschung, trotz deren Zusammensetzung aus Vertretern der verschiedensten Nationalitäten aufs Beste bewährt«  ; das in Wien bestehende Netzwerk aus Wissenschaftern, Künstlern und Theoretikern müsse genützt werden. Da die Ortskollegien nach diesem Konzept weitgehend selbstständig agieren sollten, sei eine föderative Struktur gewährleistet150. Dem Unterrichtsministerium schien diese allzu weit verzweigte Struktur jedoch als zu kompliziert, der Vorschlag wurde abgelehnt, eine das Ministerium zusätzlich zur Kunstkommission beratende Einrichtung zur Koordinierung der Kulturpolitik im Bereich der Musik entstand damit nicht. Es wird deutlich, dass sich die Staatsverwaltung auf die Unterstützung einiger weniger Institutionen konzentrierte, die auch international eine herausragende Stellung einnahmen und den Ruf Österreichs als Musikland festigten. Die Erhaltung eines breiten Netzes lokaler Musikschulen wurde hingegen nicht als Aufgabe des Staates gesehen, diese mussten sich durch Schulgelder, private Förderungen und kaum mehr als symbolische Landesförderungen über Wasser halten. 2.1.4 Kunstvereine und Kunstschulen

1872 wurde zunächst die »Krakauer Gesellschaft der Wissenschaften« in eine förmliche »Akademie der Wissenschaften« umgewandelt, wobei man sich strukturell an der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien orientierte151. 149 Steiermärkisches Landesarchiv, Landesausschuss Rezens, Signatur Vb/9 Vereine 1895–1904. Der deutsche Leseverein in Graz wurde zwar kaum öffentlich subventioniert – nur die Gemeinde Graz leistete einen Beitrag – er konnte sich aber aufgrund von privaten Förderungen durch Sparkassen und des Allgemeinen deutschen Sprachvereines erhalten. 150 Schreiben Wieners v. 23.10.1911 als Antwort auf den Vorschlag der Böhmischen Statthalterei v. 17.8.1915 mit tschechischen Beilagen. Unterricht-Allg., Fasz. 3072, 29043/1915 151 Vortrag Stremayr v. 14.1.1872 sowie v. 13.2.1872 – HHStA, Kab. Kanzlei, 224 und 625/1872. Zur Ernennung der Mitglieder Vortrag Stremayr v. 4.6.1872 – ebd., 2190/1872. Dazu auch ebd., 3984/1872.



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Der Kaiser stellte sich mit einem Geldgeschenk in der Höhe von 20.000 Gulden ein, über weitere Privatspenden kamen 8000 Gulden zusammen, und vom Staat wurde die Krakauer Akademie mit 12.000 Gulden subventioniert152. Zum ersten Präsidenten wurde Józef Majer ernannt153. Gleichzeitig wurde die Krakauer Kunstschule aus dem Technischen Institut ausgegliedert und der Staatsverwaltung unterstellt  ; der Historienmaler Jan Matejko wurde zum provisorischen Direktor ernannt154. Vorgesehen war die Einrichtung einer Mal- und einer Zeichenschule, nicht aber einer Bildhauerschule, für die es nach dem Urteil Eitelbergers in Galizien keinen Bedarf gab, denn an der bisherigen Bildhauerschule hatten nie mehr als sieben Studenten studiert. Die Kosten für die Gründung dieser Kunstschule wurden mit 16.000 Gulden beziffert, wobei der »Charakter derselben als Staatsanstalt gewahrt bleiben« sollte, auch die Statuten wurden in Wien ausgearbeitet155. Diese zentralistischen Entscheidungen – vor allem aber die Schließung der Bildhauerschule – stießen in Krakau auf heftigen Widerstand, doch Unterrichtsminister Stremayr machte deutlich, dass er zu keinem Kompromiss bereit war. Am Studium der Bildhauerei Interessierte könnten nach Prag ausweichen oder den Modellier-Unterricht an der Krakauer Gewerbeschule besuchen, eine zusätzliche akademische Bildhauerschule sei überflüssig156. Immerhin, der Gründung der neuen Krakauer Kunstschule stand aus Sicht des Unterrichtsministeriums nach Abschluss eines Übereinkommens zwischen der Regierung, dem Landesausschuss und der Stadtgemeinde nichts im Wege157. 1893 verstarb der langjährige Direktor Jan Matejko, zu seinem Nachfolger wurde der Maler Julian Fałat ernannt. Er stammte aus Galizien, hatte in Wien und Rom studiert und lebte seit einigen Jahren in Berlin. Seine Gemälde – Szenen aus dem polnischen Volksleben, Landschaften, Porträts und Jagdstücke – waren mehrfach ausgezeichnet worden158. Mit seiner Ernennung wurde eine umfassende Reform verbunden  : »Die fragliche Reform erstreckt sich im Wesen auf die Umgestaltung der bisherigen Lehrkurse in spezielle Zeichen- und Malschulen und auf die Errichtung einer besonderen Bildhauerschule.« Mehrere Professorenstellen wurden geschaffen, die Statuten und die Studienordnung sollten an die 152 153 154 155 156

Vortrag Stremayr v. 22.8.1872 – ebd., 3269/1872. Vortrag Stremayr v. 20.11.1872 – ebd., 4434/1872. Vortrag Stremayr v. 16.8.1873 – ebd., 3389/1873. Vortrag Stremayr v. 20.1.1876 – ebd., 351/1876. Die schlechten Ergebnisse der Bildhauerschule dürften auch auf ihre mangelhafte Ausstattung zurückzuführen sei, der Professor für Bildhauerei, Heinrich Korosowski, erhielt ein Jahresgehalt von nur 750 Gulden. Vortrag Stremayr v. 4.5.1877 – 1742/1877. 157 Vortrag Stremayr v. 14.11.1876 – ebd., 4261/1876. 158 Vortrag Madeyski v. 16.3.1895 – ebd., 1266/1895.

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modernen Erfordernisse angepasst werden. Direktion und Statthalterei drängten auf die Reform und auch Minister Gautsch meinte, dass damit »die Bedingungen für ein besseres Gedeihen und einen neuerlichen Aufschwung dieses Kunstinsti­ tutes« geschaffen wären. Außerdem werde mit der Einrichtung einer eigenen Bildhauerschule einem »langgehegtem Wunsche der Schule und des ganzen Landes Rechnung getragen« – die Staatsverwaltung entsprach damit also dem Wunsch der Krakauer Künstler und Stadtväter. Offenbar wehte in Wien ein neuer Wind, denn die Errichtung der Bildhauerschule wurde zu einem Kernprojekt der Reform. Es sei der Zeitpunkt gekommen, »in welchem sich die Ausbildung junger talentierter Leute in der Bildhauerei an der Krakauer Kunstschule als ein dringendes Bedürfnis darstellt. Ebenso ist die geplante Errichtung einer Spezialschule für Landschaftsmalerei die Folge einer sich in letzter Zeit in Galizien geltend machenden Kunstströmung.« Als wichtiger Punkt der Reform wurde die Auflassung der Vorbereitungsschule und an deren Stelle die Schaffung von Spezialschulen für Zeichnen gesehen. »Nachdem die letzteren nicht allein den Zweck haben, jene Schüler, welche sich der Malerei als Beruf widmen, entsprechend auszubilden, sondern auch die Schüler überhaupt im Freihandzeichnen auszubilden«, sollte damit auch die Ausbildung von Zeichenlehrern verbunden sein. In Analogie zur Kunstakademie in Prag wurde eine sechsjährige Studiendauer festgelegt159. 1898 wurden die Bezüge des Lehrpersonals neu geregelt. Minister Bylandt-Rheidt wies auf die besondere Situation dieser Kunstschule hin, weshalb für den Direktor das Gesetz über die Bezüge der Hochschulprofessoren, für die Professoren hingegen jenes über die Bezüge der Mittelschullehrer – mit höheren Zulagen – Anwendung finden sollte160. Mit 1. Oktober 1900 wurde die Krakauer Kunstschule aufgrund eines Antrags des galizischen Landtags in eine k. k. Kunstakademie umgewandelt  ; als Budgetposten waren dafür allerdings nur 3000 Kronen festgesetzt worden, obwohl sie besser besucht war als die höher dotierte Prager Akademie161. Die Umwandlung in eine staatliche Akademie hatte für die Krakauer Kunstschule wesentliche Personalveränderungen zur Folge. Es wurden neue Professorenstellen »mit den Rechten und Bezügen von ordentlichen bzw. ao. Hochschulprofessoren« geschaffen. Julian Fałat wurde als Direktor bestätigt, weil die Übernahme der Schule durch den Staat vor allem seiner »hervorragenden organisatorischen und künstlerischen Begabung« zu verdanken war. Als Lehrkräfte wirkten an der Krakauer Akademie für den Zeichenunterricht Florian Cynk, zweiter Zeichenlehrer war bereits seit 1892 Józef Unbierczyski. 159 Vortrag Gautsch v. 21.10.1896 – ebd., 4449/1896. 160 Vortrag Bylandt-Rheidt v. 29.9.1898 – ebd., 3625/1898. 161 Vortrag Hartel v. 13.2.1900 – ebd., 485/1900.



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Beide standen »nicht auf der Höhe der an sie zu richtenden Anforderungen« und wurden daher nicht zu ordentlichen Professoren ernannt. Der Porträtmaler Teodor Axentowicz und Leon Wyczółkowski erfreuten sich hingegen »eines besonderen Rufes auch über die Grenzen Österreichs und entfalten eine vorzügliche Lehrtätigkeit«  ; Hartel schlug deshalb deren Ernennung zu ordentlichen Professoren vor. Der Maler Hyacinth Malczewski kündigte trotz guter Erfolge seine Stellung an der Krakauer Akademie, noch bevor er als Professor bestätigt werden konnte. Der Landschaftsmaler Jan Stanisławski war seit 1897 provisorisch Professor für Landschaftsmalerei und wurde allseits gelobt, ebenso der Bildhauer Konstanty Laszczka, der in Warschau studiert und dann in Paris gearbeitet hatte. Er entfaltete an der Krakauer Akademie »eine vorzügliche künstlerische und lehramtliche Tätigkeit«, weshalb Hartel die Ernennung beider Künstler zu ao. Professoren beantragte. Sie legten ihre russische Staatsbürgerschaft zurück, um die österreichische annehmen zu können. Minister Hartel bemühte sich außerdem, den anerkannten Maler Józef Mehoffer als Dozenten für religiöse Malerei für Krakau zu gewinnen162. Mehoffer – er hatte in Krakau, Wien und Paris studiert – wurde 1902 als Nachfolger Malczewskis zum außerordentlichen Professor der Zeichenschule ernannt163. Stanisławski wurde 1906 ordentlicher Professor, zum Nachfolger von Florian Cynk wurde Józef Pankiewicz ernannt. Er stammte aus Lublin (Russisch-Polen) und hatte seine künstlerische Ausbildung an der Zeichenschule in Warschau erhalten164. Pankiewicz – er galt bereits damals als einer der bedeutendsten polnischen Grafiker – wurde 1910 zum ordentlichen Professor ernannt. Zum außerordentlichen Professor der Malerschule wurde der 1875 geborene Adalbert Weiss berufen, der seine Ausbildung an der Krakauer Kunstakademie absolviert und sich auf Porträt- und Landschaftsmalerei sowie Ornamentik spezialisiert hatte165. Er wurde 1913 als Nachfolger von Leon Wyczółkowski ordentlicher Professor. Weiss »zählt zu den bedeutendsten polnischen Malern der Gegenwart und hat als Lehrer der Kunstakademie bereits in günstigster Weise auf die Entwicklung zahlreicher Talente zu tüchtigen Künstlern hingewirkt«  ; auch die Österreichische Galerie erwarb zwei seiner Bilder166. 1913 wurde der polnische Architekt Józef Gałęzowski – der Architekturkurs wurde mit den neuen Statuten des Jahres 1910 eingerichtet – berufen. Gałęzowski stammte, wie mehrere seiner Kollegen, aus Russisch-Polen, hatte in München und Dresden studiert und kurzzeitig in Wien gearbeitet. Gałęzowski war dann als Professor 162 163 164 165 166

Vortrag Hartel v. 7.10.1900 – ebd., 2630/1900. Vortrag Hartel v. 18.1.1902 – ebd., 250/1902. Vortrag Marchet v. 29.8.1906 – ebd., 2779/1906. Vortrag Stürgkh v. 22.12.1909 – ebd., 88/1910. Vortrag Hussarek v. 31.7.1913 – ebd., 2004/1913.

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an der Kunstschule in Warschau tätig, wo er unter anderem ein Theatergebäude plante167. Durch die Statutenreform von 1910 erhielt die Krakauer Akademie den Charakter einer vollwertigen Hochschule. Während nämlich den Akademien von Wien und Prag ein Rektor vorstand, war die Leitung der Krakauer Kunstakademie bisher einem vom Kaiser ernannten Direktor anvertraut gewesen. Von nun an gab es also auch in Krakau einen gewählten Rektor, und verdiente Persönlichkeiten konnten zu Ehrenmitgliedern der Akademie gewählt werden168. Ab 1913 führten die Rektoren der Kunstakademien von Wien, Prag und Krakau wie ihre Kollegen an den Universitäten den Titel »Magnifizenz«. Der Antrag war vom Rektorat der Wiener Kunstakademie gestellt worden und wurde von Minister Hussarek unterstützt  : »Diese Bitte erschien bei der hohen kulturellen Bedeutung der Kunstakademien als durchaus berücksichtigungswürdig.«169 Übrigens gab es auch anderswo Versuche, lokale Kunstschulen mit akademischem Charakter zu errichten, so in Graz auf Initiative der Steiermärkischen Stände. Neben dem Steiermärkischen Kunstverein170 gab es hier eine »Zeichenakademie« mit einer angeschlossenen Bildergalerie, die zunächst privat war, ab 1785 aber von den Ständen erhalten wurde. 1819 wurde ein Palais angekauft, in dem die Schule untergebracht wurde. Steirischen Kunsttalenten sollte dadurch die Möglichkeit geboten werden, sich im Land auszubilden und künstlerische Grundkenntnisse zu erwerben, um später eine bedeutendere Kunstakademie besuchen zu können. Der vergleichsweise kleine Landesbeitrag reichte für eine hochwertige Ausbildung nicht aus, immerhin hatte die Schule fast 100 Schüler. Der Landesausschuss schlug deshalb 1868 eine Reform vor. Die Galerie wurde neu gestaltet, einige Bilder wurden verkauft und mit dem Erlös wurden die verbleibenden restauriert171. Die nunmehr als »Landeszeichenschule« bzw. »Landschaftliche Zeichenakademie« geführte Institution vergab auch Stipendien. Gelehrt wurde in den 1890er Jahren das Zeichnen nach Vorlagen und Gipsmodellen sowie das Zeichnen und Malen nach der Natur, Körperstudien nach der Antike, Aktzeichnen sowie Blumen- und Landschaftszeichnen. Im Historienfach wurden 1895 29 Schüler und 25 Schülerinnen unterrichtet, im Landschaftsfach elf Schüler und 57 Schülerinnen, insgesamt also 122 Schüler und Schülerinnen172. 1899 sollte die Zeichenschule nochmals reformiert werden  : »Es soll an ihr nicht ein 167 168 169 170 171 172

Vortrag Hussarek v. 4.7.1913 – ebd., 1713/1913. Vortrag Stürgkh v. 13.10.1910 – ebd., 3508/1910. Vortrag Hussarek v. 25.4.1913 – ebd., 1058/1913. Carl und Johann Pairhuber, Die Landesvertretung von Steiermark, 83–87. Ebd., 48–50  ; 1867–1871, 51–54 und 1872 –1877, 76-80. Steiermärkisches Landesarchiv, Landesausschuss, Vb/4 Kunstschule 1895–1905, 1895.



Die Aufwertung der Provinz und ihrer Metropolen 

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gewisser Durchschnitt der Mittelmäßigkeit, sondern Künstlerschaft angestrebt werden.« Elementares Zeichnen werde an den Schulen gelehrt, sodass sich die Zeichenakademie auf die höheren Stufen künstlerischen Studiums konzentrieren könne, hieß es. Namhafte Künstler sollten nach Graz kommen, dort ihre Ateliers errichten und junge Künstler heranziehen, nach dem Vorbild von Paris oder München. Jahresgehälter von bis zu 2000 Gulden waren vorgesehen  ; die in die Steiermark berufenen Künstler mussten sich verpflichten, in Graz eine Werkstätte einzurichten und zumindest sechs Monate anwesend zu sein173. Das, was in anderen Städten teilweise über Jahrhunderte historisch gewachsen war, sollte also in Graz künstlich geschaffen werden. Die einzige namhafte Berufung gelang mit Alfred Schrötter, für den der Landesausschuss den Professorentitel erwirkte174. Die von Schrötter geleitete Malerschule hatte 1907 15 weibliche und sechs männliche Schüler. Erst in diesem Jahr wurde die Umgestaltung der nunmehr »Landeskunstschule« genannten Einrichtung abgeschlossen  : »Zur Förderung der heimischen Kunst wird an Stelle der Landes-Zeichenakademie auf Grund des Beschlusses des steiermärkischen Landtages vom 16. März 1907 eine Landes-Kunstschule (Zeichen- und Malschule), bestehend aus zwei künstlerisch voneinander unabhängigen Abteilungen in Graz errichtet. […] Aufgabe dieser Landeskunstschule ist sowohl die künstlerische Vorbildung für Anfänger als auch die höhere Ausbildung für schon vorgeschrittene Schüler.«175 Der Plan, in Graz eine eigene regionale Kunstschule zu etablieren, ging nicht auf. Es konnten keine international bekannten Künstlerpersönlichkeiten berufen werden, denn die finanziellen Möglichkeiten des Landes waren begrenzt. Die Grazer Landeskunstschule konnte ihren Charakter als Vorbereitungsschule nicht ablegen und erlangte nur lokale Bedeutung. Übrigens gab es in Graz noch eine weitere kleine private Kunstschule, die sich »Kunstschule und Werkstätten für dekorative Kunst« nannte und unter Leitung des gebürtigen Nürnberger Malers Paul Schad-Rossa stand. Auch er suchte um eine staatliche Subvention an. Da die eingeholten Fachgutachten äußerst widersprüchlich waren, erhielt Schad keine Dauersubvention, aber immerhin einen einmaligen Finanzierungsbeitrag in der Höhe von 800 Kronen176. Auch der Steiermärkische Kunstverein wurde gefördert, und zwar mit jährlich 800 Kronen  ; ab 1905 erhielt er 1000 Kronen. In einem Bericht vom 21. August 1903 schrieb der Verein, dass er aufgrund seiner Statuten die Aufgabe habe, die künstlerischen und materiellen Vorteile der Künstler zu fördern, Ausstellungen zu veranstalten und 173 174 175 176

Ebd., 1899. Ebd., 1900. Ebd., 1907. Steiermärkisches Landesarchiv, Statthalterei, 1. Geschäftsordnung, 24 – 29233/1899.

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Beziehungen zu den Kunstfreunden herzustellen. Der Verein hatte sich am 12. Oktober 1899 konstituiert, zum Präsidenten war der Direktor der Staatsgewerbeschule August Gunold gewählt worden. Die erste Ausstellung im Jahre 1900 stand unter dem Protektorat von Graf Adalbert Kottulinsky  ; 1903 erfolgte eine gemeinsame Ausstellung mit dem Wiener Hagenbund, die von 600 Personen besucht wurde. Außerdem veranstaltete der Verein eine Ausstellung mit Werken seiner Mitglieder in Brünn und wurde auch vom oberösterreichischen Kunstverein in Linz 1904 zu einer Ausstellung eingeladen. Abgesehen von der Staatssubvention wurde der Verein mit 600 Kronen vom Land, mit 400 Kronen von der steiermärkischen Sparkasse sowie mit 200 Kronen von der Bezirksvertretung Graz Umgebung und mit 400 Kronen von der Stadtgemeinde Graz gefördert. Diese Gelder flossen regelmäßig und die Beträge wurden in den folgenden Jahren sogar erhöht. Wie seine berühmteren Pendants veranstaltete der Verein in Graz Jahresausstellungen, wofür vom Unterrichtsministerium ein Staatspreis für Malerei, ab 1907 auch für Bildhauerei in der Höhe von jeweils 1000 Kronen gestiftet wurde. Zusätzlich wurden eine Goldene Staatsmedaille und die Silberne Medaille der Landeshauptstadt Graz verliehen. Die Aussteller kamen meist aus der Steiermark, aber auch aus anderen Kronländern, wobei es sich häufig um heute eher unbekannte Künstler handelte177. Wie bei den Musikschulen konzentrierte sich der Staat auch bei den Kunstschulen auf die Förderung von Einrichtungen, die auf ein hohes künstlerisches Niveau gehoben werden sollten – also auf die Kunstakademien von Wien, Krakau und Prag. Nicht nur die Förderung einer hervorragenden Kunstausbildung war der Beweggrund, sondern im Falle Prags und Krakaus auch die institutionelle Anerkennung autonomer künstlerischer und historischer Entwicklungen. Vor allem in Böhmen kam es zu einer politisch geförderten Intensivierung des Kunstlebens, wovon im nächsten Abschnitt die Rede sein wird.

177 Ebd., 2. Geschäftsordnung, C34 – 113/1906. Träger der Staatspreise waren ab 1904 Anton Marussig (Graz), Konstantin Damianós (Graz), Leo Diet (Graz), ab 1907 der Bildhauer Josef Unterholzer (Wien), dann der Maler Hermann Torggler (Wien), der Bildhauer Karl Stemolak (Wien, beide 1908), der Maler Oskar Stössel (Graz), Franz Ehrenhöfer (Villach, Bildhauer 1909). Der Verein erhielt eine jährliche Subvention von 800 Kronen unter dem Titel ¨Förderung der bildenden Künste¨. Die Preisträger von 1910 waren die Maler Daniel Pauluzzi und der Bildhauer Gustinus Ambrosi. 1912 wurden wieder je 1000 Kronen für den Bildhauer Hugo Postl (Wien) und den Maler Wilhelm Thöny (München) bereitgestellt.



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2.2 Der Aufstieg Böhmens zum kulturellen Zentrum 2.2.1 Die böhmischen Kunstvereine

Böhmen wies im Vergleich zu anderen Kronländern eine überaus große Dichte an Kunstvereinen auf. Einerseits waren dies kleinere Vereine in der Provinz, wie der Jičiner Museumsverein178, andererseits Prager Vereine mit überregionaler Bedeutung. Meist handelte es sich um alteingesessene übernationale Vereine, die Neugründungen des zu Ende gehenden 19. Jahrhunderts hatten hingegen eine nationalpolitische Ausrichtung. Dazu zählte die deutschböhmische »Gesellschaft zur Förderung von Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen«, die 1890 gegründet wurde und ab 1893 eine staatliche Unterstützung von 5000 Gulden erhielt179. Die Gesellschaft wurde damit deutlich weniger gefördert als ihr nationales Pendant, die auf Initiative von Josef Hlávka ebenfalls 1890 gegründete tschechische »Franz-Joseph-Akademie«, die eine jährliche Staatssubvention von 16.000 Gulden bezog180. Protektor der böhmischen Franz-Joseph-Akademie war Erzherzog Carl Ludwig181. Die Akademie hatte eine eigene Klasse für »Literatur, bildende Kunst und Musik«. Kunst hatte in der Akademie tatsächlich einen großen Stellenwert und neben Josef Hlávka zählten der Schriftsteller Emil Frida ( Jaroslav Prchlický), der Komponist Antonín Dvořák sowie der Professor an der Prager Kunstgewerbeschule Josef Myslbek und der Maler Václav Brožík zu den Mitgliedern der Akademie182. Auch eine Erhöhung der Staatssubvention wurde angedacht, scheiterte aber am Widerstand des Finanzministers183. Kaiser Franz Joseph steuerte anlässlich der Gründung der Akademie 20.000 Gulden aus seiner Privatschatulle bei184. Die deutsche Gesellschaft fühlte sich benachteiligt und verlangte im Jahre 1900 ebenfalls eine Subventionserhöhung, mit der Begründung, dass sie die »wissenschaftlichen, literarischen und künstlerischen Bestrebungen in Kreisen der deutschen Nationalität« fördere. Selbst wenn die »numerische Stärke der beiden Nationalitäten in Böhmen zum Maßstabe für die Bemessung der beiderseitigen Subventionen genommen würde, [müsse] der deutschen Gesellschaft eine höhere Subvention zufallen«, meinte die Vereinsleitung. Sie wies darauf hin, dass sie bemüht sei, die Tätigkeit von in Böhmen lebenden oder aus Böhmen stam178 HHStA, Kab. Kanzlei, 3531/1864. 179 Auf Drängen des Reichsrats wurde diese Subvention zunächst auf 6500 Gulden, ab 1898 auf 10.000 Gulden erhöht – ebd., 296/1892, 3541/1893, 708/1897. 180 Vortrag Gautsch v. 2.7.1893 – ebd., 3541/1893. 181 Vortrag Gautsch v. 22.1.1890 – ebd., 359/1890. 182 Vortrag Gautsch v. 14.4.1890 – ebd., 1653/1890. 183 Vortrag Gautsch v. 12.7.1890 – ebd., 3180/1890. 184 Handschreiben an Gautsch v. 6.2.1890 – ebd., B2c/1890.

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menden Gelehrten, Schriftstellern und Künstlern deutscher Nationalität durch materielle Unterstützung auch von Langzeitprojekten zu fördern  : »So hat die Gesellschaft in letzter Zeit die chronologische Durchforschung und kartographische Aufnahme des böhmischen Mittelgebirges, die Forschungen zur böhmischen Kunstgeschichte, die Anlegung einer Bibliothek deutscher Schriftsteller aus Böhmen als ständige Arbeiten übernommen« – zur Fortsetzung dieser Aufgaben seien staatliche Subventionen nötig. Die Gesellschaft setzte sich auch die Finanzierung größerer künstlerischer Vorhaben zum Ziel und widmete sich der Förderung wissenschaftlicher Werke und Reihen, auch wurden einzelne Künstler unterstützt. Damit sollten »die Leistungen der Deutschen Böhmens zur Geltung« gebracht werden. Die Einnahmen der Gesellschaft beliefen sich 1899 auf knapp 120.000 Kronen  ; davon stammten 20.000 Kronen aus der Staats- und weitere 20.000 Kronen aus der Landessubvention. Die Gesellschaft argumentierte, dass die Böhmische Akademie nicht nur über ein beträchtliches Stiftungsvermögen verfüge, sondern auch durch wesentlich höhere Beiträge aus öffentlichen Mitteln materiell bessergestellt sei, weil sie sowohl vom Staat als auch vom Land mit jeweils 40.000 Kronen finanziert werde  ; hinzu kämen noch außerordentliche Dotationen. Minister Hartel lehnte zwar eine Gleichstellung mit der Franz-Joseph-Akademie ab, stimmte aber dennoch einer Erhöhung der Subvention auf 30.000 Kronen zu185. Im Gegensatz zu diesen beiden trotz künstlerischer Aspekte vorwiegend wissenschaftlich orientierten Vereinen waren die eigentlichen Kunstvereine älter und national weniger klar definiert, so etwa die 1863 gegründete »Beseda umělecká«186 oder der 1835 entstandene »Kunstverein für Böhmen«. Der älteste Verein war die bereits seit 1796 bestehende »Gesellschaft patriotischer Kunstfreunde in Böhmen«187, deren 100-jähriges Bestehen 1896 mit kaiserlichen Auszeichnungen an ihren Präsidenten, Karl Graf Buquoy, den Vizepräsidenten Zdenko Graf Thun und den Geschäftsführer Adalbert Ritter von Lanna feierlich begangen wurde. Ursprünglich nur aus privaten Mitteln erhalten, war es diesem Verein gelungen, zur wichtigsten kulturellen Institution Böhmens aufzusteigen und eine bedeutende Gemäldegalerie aufzubauen, die jedes Jahr von fast 4000 Personen besichtigt wurde. Die Gesellschaft führte darüber hinaus auch eine eigene Zeichenschule, aus der sich eine Malerakademie entwickelte, die zum »Mittelpunkt des Kunstlebens in Böhmen« wurde. Da sich die Gesellschaft außerstande sah, diese immer größer werdende Schule auf Dauer zu erhalten, wurde der Ruf nach einer Verstaatlichung immer lauter. Vizepräsident Zdenko Thun – der Sohn von 185 Vortrag Hartel v. 31.12.1900 – ebd., 4322/1900. 186 Ebd., 3259/1865. 187 Ebd., 3140/1865.



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Franz Anton Thun, der über 30 Jahre an der Spitze der Gesellschaft gestanden war – führte das Erbe seines Vaters fort. Als Generaldirektor der böhmischen Hypothekenbank verfügte er ab 1888 über den dafür notwendigen ökonomischen Hintergrund. Dies gilt auch für den Geschäftsführer, den Großindustriellen Adalbert Ritter von Lanna, der sich in den achtziger Jahren vor allem um die Organisation von Ausstellungen verdient machte. Er veranlasste die Einrichtung eines Kupferstichkabinetts und spendete für die Gemäldegalerie Kunstwerke im Wert von 20.000 Gulden. Außerdem unterstützte Lanna die Ausbildung bedürftiger Schüler an der Malerakademie. Bereits 1877 war er für seine Verdienste um die Förderung von Kunst und Kunstindustrie in Böhmen mit dem Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens ausgezeichnet worden  ; 1891 wurde er ins Herrenhaus berufen188. Wie in Wien kam es auch in Prag unter Schirmherrschaft Kronprinz Rudolfs zur Gründung eines »Künstlerhauses«, des nach Kaiser Rudolph II. benannten »Rudolphinums«. Das Gebäude war für die Bedürfnisse des Vereins patriotischer Kunstfreunde und des Vereins zur Beförderung der Tonkunst in Böhmen gedacht und beherbergte auch das kunstgewerbliche Museum189 sowie den für die Jahresausstellungen des böhmischen Kunstvereins benötigten Ausstellungsraum. 2.2.2 Die Prager Kunstakademie

Nach dem Ausscheiden Venedigs aus dem Verband der Habsburgermonarchie gab es in der Donaumonarchie nur noch eine einzige Kunstakademie von überregionaler Bedeutung, nämlich die Akademie der bildenden Künste in Wien. Erst wesentlich später konnten sich aufgrund staatlicher Förderung ähnliche Einrichtungen in Prag und Krakau sowie in Budapest zu vollwertigen Kunstakademien entwickeln. Ab den achtziger Jahren ging man daran, auch die Prager Kunstschule schrittweise aufzuwerten. Das setzte allerdings die Lösung der prekären Raumsituation voraus. Im Gegensatz zur Wiener Akademie verfügte die Prager Kunstschule über kein eigenes Gebäude, sondern war seit 1799 im ehemaligen Jesuitenkolleg Clementinum untergebracht und musste sich die Räumlichkeiten mit der böhmischen Lehrerinnenbildungsanstalt und der Prager Kunstgewerbeschule teilen. Auch diese utraquistisch geführte staatliche Schule expandierte ständig. Der zum Direktor ernannte František Schmoranz – »der Nationalität nach Czeche und beider Landessprachen in Wort und Schrift mächtig, genießt in künstlerischen 188 Vortrag Gautsch v. 2.7.1896 – ebd., 2950/1896 anlässlich kaiserlicher Auszeichnungen an Lanna und Thun. 189 Ebd., B3c – 1876.

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und in industriellen Kreisen einen ausgezeichneten Ruf« – hatte Kunstreisen in Europa, nach Ägypten und Asien unternommen. Die Kunstgewerbeschule nahm mit dem Schuljahr 1885/86 ihren Betrieb auf und orientierte sich am Vorbild der Wiener Kunstgewerbeschule190. Die Prager Malerakademie kam dadurch ins Hintertreffen, weil sie »als eine Privatanstalt überhaupt keinen rechtlichen Anspruch auf Unterbringung in einem Staatsgebäude« hatte191. Die Errichtung eines neuen Akademiegebäudes war daher vordringlich. Der Staat hatte für diesen Zweck schon im Jahre 1882 von der Gemeinde Prag ein Grundstück am Kronprinz-Rudolfs-Kai erworben192. Eine halbe Million Gulden sollte der Neubau kosten und die Zeit drängte, weil die alten Räumlichkeiten keinen modernen Lehrbetrieb mehr zuließen193. 1887 konnte die neu organisierte »Malerakademie« ihre Tätigkeit aufnehmen. Sie blieb zunächst eine private Institution, die von der Gesellschaft patriotischer Kunstfreunde getragen wurde. Die Betriebskosten beliefen sich auf 13.600 Gulden, wobei die Gesellschaft 4000 Gulden beisteuerte. Vom Land Böhmen erhielt die Malerakademie eine Jahressubvention von 5000 Gulden, jeweils auf fünf Jahre befristet und unter der Bedingung, »dass die sprachliche Gleichberechtigung an dieser Akademie gewahrt bleibe«. Dem Landesausschuss kam damit auch eine Vertretung im Verwaltungsgremium der Malerakademie zu. Diese Subventionen reichten jedoch nicht aus, und die Malerakademie war ständig von der Schließung bedroht. Um die Schule nicht wegen »Unzulänglichkeit der Mittel« auflassen zu müssen, waren zusätzliche Subventionen in der Höhe von 9600 Gulden nötig. Der Landtag forderte deshalb eine namhafte finanzielle Beteiligung des Staates. Unterrichtsminister Gautsch zeigte sich gesprächsbereit, denn die Prager Malerakademie sei ein Institut, »welches in einer langen Reihe von Jahren durch wirksame Tätigkeit sich unbestreitbare Verdienste um die Kunst in Böhmen erworben« habe, eine Schließung dürfe nicht riskiert werden. Außerdem werde »auf die Unterstützung der Prager Akademie in allen irgendwie maßgebenden Kreisen Böhmens ohne Unterschied der Parteirichtung oder der Nationalität hervorragendes Gewicht gelegt«. Ab 1889 erhielt die Malerakademie eine jährliche staatliche Subvention von 5000 Gulden194. Doch auch diese Mittel reichten nicht aus, um eine den künstlerischen Bedürfnissen Böhmens entsprechende Anstalt zu führen. Mit 1. Oktober 1896 er190 Vortrag Conrad v. 10.5.1885 – ebd., 2076/1885. Dazu auch der Vortrag Gautsch v. 14.12.1885 – ebd., 4470/1885. 191 Vortrag Conrad v. 15.8.1885 – ebd., 3065/1885. 192 Vortrag Conrad v. 2.2.1882 – ebd., 586/1882. 193 Vortrag Conrad v. 10.12.1882 – ebd., 4825/1882. 194 Vortrag Gautsch v. 1.8.1888 – ebd., 2965/1888 sowie AVA, Unterricht-Allg. Fasz. 2874. Ein Jahr später wurde sie in eine Dauersubvention umgewandelt. Vortrag Gautsch v. 4.7.1889 – HHStA, Kab. Kanzlei, 2748/1889.



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folgte daher die Verstaatlichung  : Die Prager Malerakademie wurde zur Böhmischen Kunstakademie erhoben und in die Staatsverwaltung übernommen. Als Hauptfächer wurden Malerei und Bildhauerei eingerichtet, als Hilfsfächer Anatomie, Perspektive, Stillehre, Kunstgeschichte und allgemeine Geschichte. Vorbedingung für die Aufnahme an die Kunstakademie war die Absolvierung der Unterstufe eines Gymnasiums sowie der Nachweis der künstlerischen Begabung durch eine Aufnahmeprüfung  ; die Studiendauer wurde mit sechs Jahren festgesetzt. »Die Kunstakademie soll eine utraquistische Anstalt sein und die Gleichberechtigung der beiden in Böhmen üblichen Landessprachen strenge gewahrt werden, wobei der Unterrichtsminister bemerkt, dass sämtliche für die Kunstakademie in Aussicht genommenen Lehrkräfte beider Landessprachen mächtig sind.« Die Kunstakademie wurde direkt dem Ministerium für Cultus und Unterricht unterstellt und vom Professorenkollegium unter dem Vorsitz des für je ein Jahr gewählten Rektors geleitet. Die Statuten wurden weitgehend an die der Wiener Akademie angepasst, ebenso die Studienordnung. Angestellt wurden fünf Professoren für die Malerschulen, ein Professor für Bildhauerei, ein Hilfslehrer und drei Dozenten für die Hilfsfächer sowie administratives und technisches Personal. Das jährliche Erfordernis wurde mit 36.000 Gulden berechnet, abzüglich der Schulgelder von 630 Gulden und der Landessubvention von 8200 Gulden. Die Gesellschaft patriotischer Kunstfreunde stellte der Akademie ihr Inventar unentgeltlich zur Verfügung. Für Studienstiftungen und Reisestipendien steuerte Josef Hlávka ein Kapital von 100.000 Gulden bei und erwies sich damit einmal mehr als bedeutendster Mäzen Böhmens. Unter den neu angestellten Professoren befand sich der Bildhauer und Direktor der Kunstgewerbeschule, J. V. Myslbek, ferner Franz Žemišek aus Prag, der Maler Julius Mařák aus Leitmischl sowie Max Pirner, der aus Schüttenhofen stammte und wie Mařák bereits seit 1887 Professor an der Malerakademie war195. Durch den Ausbau der Akademie stand man neuerlich vor einem Raumproblem. Als Übergangslösung wurden die bisherigen Räumlichkeiten am Kronprinz-Rudolfs-Kai sowie vom Landesausschuss zusätzlich angemietete Räume verwendet. Ein Neubau war aber dringend nötig, der auf einem von der Gemeinde Prag zur Verfügung gestellten Grundstück erfolgen sollte196. 1896 wurde der Präsident der Gesellschaft patriotischer Kunstfreunde, Karl Graf Buquoy, zum Kurator der Kunstakademie ernannt. Es handelte sich um ein unentgeltliches Ehrenamt  ; der Kurator sollte die Akademie nach außen hin vertreten und die Oberaufsicht ausüben. Er konnte alle Akten einsehen und an den Verhandlungen des Professorenkollegiums teilnehmen. Als er 1903 aufgrund von internen 195 Vortrag Gautsch v. 3.9.1896 – ebd., 3948/1896. 196 Vortrag Gautsch v. 20.11.1897 – ebd., 4681/1897. Dazu auch ebd., 581/1898.

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Konflikten zurücktrat, wurde diese Zwischeninstanz abgeschafft, die Kontrollfunktionen wurden von nun an direkt von Wien aus wahrgenommen197. Im Jahre 1900 wurde nach dem Ableben von Julius Mařák der akademische Maler Rudolf Ritter von Ottenfeld zum Professor ernannt. Ottenfeld, geboren 1856, hatte an der Wiener Kunstakademie studiert und bereits mehrere Preise erhalten. Über ein Jahrzehnt lebte er als Künstler in München, dann in Wien, und auch der Kaiser hatte einige seiner Bilder gekauft, die international Anklang fanden und durch Preise gewürdigt wurden. Ottenfeld war außerdem Mitarbeiter des Werkes »Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild«. Da er Tschechisch sprach, meinte Minister Hartel, »wäre seine Berufung an die genannte Hochschule umso mehr von Vorteil, weil diese Akademie auf utraquistischer Grundlage beruht, gegenwärtig an derselben aber nur Professoren böhmischer Nationalität wirken«198. Ottenfeld gelang es, auch bei seinen tschechischen Kollegen großes Ansehen zu gewinnen, sodass er 1903 zum Rektor der Akademie gewählt wurde199. Die Prager Kunstakademie konnte sich – im Gegensatz zur Prager Universität – trotz vieler Widerstände ihren utraquistischen Charakter erhalten. Es gab aber starke Tendenzen zu ihrer Umwandlung in eine rein tschechische Anstalt bei gleichzeitiger Errichtung einer deutschen Kunstakademie für Böhmen  ; diese Bemühungen intensivierten sich ab 1905200. Den Tschechen war die Akademie zu wenig tschechisch, den Deutschen zu wenig deutsch  : »Wenn auch die Prager Kunstakademie ihrer inneren Einrichtung nach auf utraquistischer Basis aufgebaut ist, und wenn auch eine berechtigte Klage nach ungleichmäßiger Behandlung der Schüler nach ihrer Nationalität bisher in keiner Weise erhoben werden konnte, so ist in den deutschen Kreisen doch wiederholt der Wunsch geäußert worden, dass wenigstens eine der an der Anstalt wirkenden Lehrkräfte deutscher Nationalität sein möge, da sämtliche bisher an derselben angestellten Professoren der böhmischen Nationalität angehören.« Das Professorenkollegium sprach sich ebenfalls für die Gewinnung eines Malers deutsch-böhmischer Abstammung aus, der mit den Verhältnissen im Land vertraut sein sollte. Man einigte sich auf den 1868 in Friedland geborenen Franz Thiele, der an der Wiener Kunstakademie studiert hatte. Er war für seine Arbeiten mehrfach ausgezeichnet worden und war ein führendes Mitglied der Genossenschaft bildender Künstler und des Hagenbundes. Der Unterrichtsminister hielt Thiele für die Lehrkanzel bestens geeignet. Er wurde zunächst zum außerordentlichen Profes197 198 199 200

Vortrag Hartel v. 17.7.1903 – ebd., 2047/1903. Vortrag Hartel v. 28.2.1900 – ebd., 650/1900. Vortrag Hartel v. 17.6.1903 – ebd., 1783/1903. Siehe dazu den umfangreichen Aktenbestand in AVA, Unterricht-Allg., Fasz. 2878.



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sor ernannt 201, 1905 zum ordentlichen Professor 202. 1902 berief man den Maler Hans Schwaiger, der bisher an der Technischen Hochschule in Brünn tätig gewesen war und der trotz seines deutschen Namens der tschechischen Nationalität zugerechnet wurde. Auch er verdankte seine Ernennung wie Thiele nicht zuletzt seiner nationalpolitsch neutralen Einstellung 203. Gleichzeitig erhielt der Bildhauer Josef Myslbek eine Gehaltsaufbesserung. Myslbek war 1848 in Prag geboren und hatte in Wien die Kunstakademie besucht  ; 1885 wurde er zum Professor an die Kunstgewerbeschule berufen und stieg zu deren Direktor auf. Im Zuge der Verstaatlichung der Malerakademie wurde Myslbek 1896 zum Professor an der neuen Prager Kunstakademie ernannt. Er war Träger kaiserlicher Orden und des Ehrenzeichens für Kunst und Wissenschaft. Vom Land hatte er den Auftrag zur Gestaltung einer Wenzelsstatue erhalten, er bekam dafür über ein Jahrzehnt lang eine Zulage von 1000 Kronen204. Das Professorenkollegium beantragte auch die Berufung von Jakob Schikaneder. Minister Hartel, der Schikaneder nicht von seinem Lehrstuhl an der Kunstgewerbeschule abberufen wollte, ernannte jedoch Vlaho Bukovac. Der Statthalter hatte sich ebenso wenig durchsetzen können, denn er hatte für die Ernennung eines Deutschen plädiert, um den utraquistischen Charakter der Anstalt zu betonen. Hartel war skeptisch, denn er befürchtete »eine arge Verstimmung der tschechischen Kreise sowie unliebsame Erörterungen in den böhmischen Tagesblättern sowie in den Vertretungskörpern«. Mit Franz Thiele sei bereits ein Deutscher in der Akademie tätig, ungeachtet der Tatsache, dass sie hauptsächlich von tschechischen Studenten besucht werde. Der aus Ragusa stammende Kroate Bukovac galt als international angesehener Künstler. Er hatte seine Ausbildung in Paris erhalten und dort als Porträtmaler die Aufmerksamkeit von Experten und Kollegen auf sich gelenkt. Für die Budapester Millenniumsausstellung malte er für den kroatischen Pavillon ein Porträt Kaiser Franz Josephs. »Unter diesen Umständen glaubt der Vortragende, dass Bukovac, welcher erst vor kurzem durch eine in Wien veranstaltete Kollektivausstellung die schmeichelhafteste Anerkennung der hiesigen Tagespresse sich erwarb, für die in Rede stehende Lehrstelle besonders befähigt erscheint, und seine Ernennung als Kroate auch in den politischen Kreisen nur eine wohlwollende Aufnahme finden dürfte.« Da Bukovac kaum Tschechisch sprach und der Statthalter gegen die Bestellung ankämpfte, wurde er zunächst nur für ein Jahr angestellt. »Nach Ablauf dieser Frist wird sich dann mit Bestimmtheit erkennen lassen, ob 201 202 203 204

Vortrag Hartel v. 10.9.1902 – HHStA, Kab. Kanzlei, 2355/1902. Vortrag Bienerth v. 26.9.1905 – ebd., 2864/1905. Vortrag Hartel v. 16.9.1902 – ebd., 2418/1902. Vortrag Hartel v. 16.9.1902 – ebd., 2418/1902, ferner Vortrag Marchet v. 28.8.1906 – ebd., 2862/1906 sowie Vortrag Hussarek v. 29.3.1912 – ebd., 872/1912.

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der ehrerbietigst Genannte seine Lehraufgabe in befriedigender Weise zu lösen im Stande ist, oder ob im Interesse der Anstalt an die Gewinnung einer anderen Persönlichkeit gedacht werden muss.«205 Bukovac bewährte sich und wurde auf Empfehlung des Rektorats – er hatte inzwischen einigermaßen Tschechisch erlernt – ein Jahr später zum ao. Professor ernannt, obwohl der Statthalter immer noch Bedenken hatte206. 1907 gestand man ihm eine Gehaltserhöhung zu, nachdem er sich »in seiner lehramtlichen Wirksamkeit bestens bewährt und ihm das Zuströmen auswärtiger, selbst ausländischer Schüler an die Kunstakademie in Prag zu danken« sei207. 1910 erfolgte seine Ernennung zum ordentlichen Professor208. Deutschböhmische Kreise drängten nun umso mehr auf die Ernennung zusätzlicher Professoren deutscher Muttersprache. Die Unterrichtsverwaltung richtete zwei neue Lehrkanzeln ein – eine Spezialschule für Monumentalmalerei und eine Spezialschule für Radierung und graphische Fächer –, deren Besetzung sich schwierig gestaltete, »da die überwiegende Majorität des Professorenkollegiums die fachliche Notwendigkeit dieser beiden Stellen, die ja beträchtlich in erster Linie zum Zwecke der Wahrung des utraquistischen Charakters der Anstalt systemisiert wurden, negiert«. Die beiden Stellen wurden offiziell ab 1. Jänner 1909 geschaffen, allerdings nicht besetzt, indem auf die zuvor notwendige Reorganisation der Akademie verwiesen wurde. »Im Einvernehmen mit dem Finanzministerium wurden für die Durchführung dieser Ausgestaltung der Anstalt 25.000 K. Kredit in den Voranschlag pro 1910 eingestellt. Das Professorenkollegium hat für die Lehrstelle für Architektur den Professor an der Kunstgewerbeschule in Prag, Jan Kotěra, und für die Lehrstelle für Graphik die Künstler Franz Kupka, Franz Simon und Maximilian Švabinský namhaft gemacht, während es hinsichtlich der beiden anderen für deutsche Künstler in Aussicht genommenen Lehrstellen die Bitte gestellt hat, von seiner Zustimmung bei Besetzung dieser Stellen absehen zu wollen. Hiermit hat das Kollegium auf das ihm statutarisch eingeräumte Vorschlagsrecht verzichtet und unterliegt die Besetzung der beiden letzterwähnten Lehrstellen keinem Anstande.« Als Professoren für Malerei schlug Minister Stürgkh Karl Krattner und August Brömse vor. Der Prager Krattner hatte in Prag und München gearbeitet und sich auf religiöse Malerei spezialisiert. »Auch er gehört dem Kuratorium der Modernen Galerie sowie des Kunstgewerbemuseums an und fungiert als Obmann der Kunstabteilung der Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen.« August Brömse, 1873 in Franzensbad geboren, hatte an der akademischen Hochschule für bildende 205 206 207 208

Vortrag Hartel v. 17.9.1903 – 2533/1903. Vortrag Hartel v. 18.8.1904 – 2343/1904. Vortrag Marchet v. 4.1.1907 – 213/1907. Vortrag Stürgkh v. 14.10.1910 – 3479/1910.



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Künstler in Berlin studiert und war Schüler des Kupferstechers Jacoby. Er lebte seit 1906 in Prag und galt als talentierter Künstler. Die Kunstakademie wurde zum Spielball zwischen tschechischer und deutscher Propaganda  : Einerseits drängte die Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur auf Gründung einer eigenen deutschen Kunstakademie209, andererseits argumentierten tschechische Zeitungen, es handle sich hierbei um die »Erfindung einer deutschen Kunst mit erheblicher finanzieller Förderung des Staates«. Man befürchtete – wie im Fall der Modernen Galerie – die Gründung einer deutschen Sektion. Dadurch werde die Reinheit der tschechischen Kunst herabgewürdigt, es komme zu einer »Vergermanisierung der Prager Kunstakademie«. Aber auch eine utraquistische Organisationsstruktur wurde abgelehnt, die Kunstakademie sei »eine rein tschechisch-nationale Institution«. Doppelsprachige Aufschriften und die Anstellung deutscher Professoren seien ein Affront gegenüber den Tschechen, denn  : »Die Kunst ist national wie die Sprache.« Die Bedürfnisse der deutschsprachigen Bürger der Monarchie seien durch die Wiener Akademie ausreichend gedeckt, diese sollten sich nicht auch noch in die Prager Kunstinstitutionen – Moderne Galerie und Akademie – drängen  : »Diesem deutschen Schmarotzertum am Leibe der nationalen Kunst darf die Prager Kunstakademie nicht zum Opfer fallen.« Unter dem Vorwand des Utraquismus würden Leute berufen, die in erster Linie Deutsche und erst in zweiter Linie Künstler seien210. Unabhängig von diesen nationalpolitischen Streitigkeiten etablierte sich die Prager Kunstakademie als zentrale Kunsteinrichtung Böhmens, was auch durch zahlreiche Auszeichnungen gewürdigt wurde, so zum Beispiel 1906 für Jan Kotěra. Der 1871 in Brünn geborene Kotěra hatte an der Akademie in Wien studiert und war dann als Professor an die Prager Kunstgewerbeschule gewechselt, wobei er sich sowohl als Architekt als auch als Lehrer einen hervorragenden Ruf erworben hatte und auf der Weltausstellung in St. Louis mehrfach ausgezeichnet wurde. Kotěra war Mitglied des Kuratoriums der Modernen Galerie des Königreiches Böhmen und fungierte mehrere Jahre lang als Präsident der Künstlervereinigung »Manés« in Prag. 1911 wurde er, aufgrund seiner Leistungen beim Aufbau der Prager akademischen Architekturschule, zum Oberbaurat ernannt 211. Ausgezeichnet wurde auch der 1873 in Kremsier geborene Max Švabinský, der an der Prager Kunstakademie studiert hatte und wie Kotěra Mitglied des Kuratoriums der Modernen Galerie war, außerdem engagierte er sich in der böhmischen Museumsgesellschaft und in der Kaiser-Franz-Joseph-Akademie212. 209 210 211 212

AVA, Unterricht-Allg., Fasz. 2874. Ebd., Fasz. 2880, 42980/1907. Vortrag Stürgkh v. 17.10.1911 – HHStA, Kab. Kanzlei, 3130/1911. Vortrag Stürgkh v. 15.9.19109 – ebd., 3096/1910.

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Wie in Wien hatten auch in Prag viele Akademieprofessoren zunächst an der Kunstgewerbeschule unterrichtet. Das gilt gleichfalls für den 1912 ernannten Jan Preisler, der dem verstorbenen Hans Schwaiger nachfolgte. Preisler, geboren 1872, hatte an der Prager Kunstgewerbeschule sowie an der Akademie studiert, ab der Jahrhundertwende unterrichtete er an der Kunstgewerbeschule Aktzeichnen. »Seine bisherigen künstlerischen Leistungen fanden nicht nur im Inlande, sondern auch auf zahlreichen Ausstellungen des Auslandes größte Anerkennung und er stellt innerhalb der österreichischen Kunst zweifellos eine der stärksten und hoffnungsvollsten Kräfte dar. Einzelne seiner Werke fanden in der österreichischen Staatsgalerie sowie in der Modernen Galerie des Königreiches Böhmen Aufnahme  ; anlässlich der internationalen Kunstausstellung in Rom 1911 erwarb auch die königliche italienische Regierung eines seiner Bilder für die Moderne Galerie in Rom. Durch wiederholte Studienreisen nach Deutschland, Italien, Frankreich, Belgien und Holland auch mit der bedeutungsvollen Kunstentwicklung dieser Länder vertraut, verspricht der Genannte dank der geschilderten Fähigkeiten sowie insbesondere infolge seiner vollendeten Ausbildung im Zeichnen in jeder Hinsicht ein vorzüglicher Lehrer zu werden.«213 1907 brachte die zunehmende nationalpolitische Vereinnahmung die Prager Akademie in eine finanzielle Krise. Der Landesbeitrag lief aus, und der Landesausschuss lehnte eine Verlängerung mit der Begründung ab, dass die Erhaltung der Akademie nun Aufgabe der Staatsverwaltung sei 214. Das geschah vor dem Hintergrund, dass sich 1907 der Prager Gemeinderat gegen die Berufung von Lehrkräften gewehrt hatte, die der tschechischen Sprache nicht mächtig waren. Der Gemeinderat machte darauf aufmerksam, dass der Beitrag Prags an die Kunstakademie nur dann gewährt werden könne, wenn die »Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit der beiden Volksstämme und Sprachen des Landes« erhalten würden. Insbesondere der das Tschechische nur schlecht beherrschende Franz Thiele sollte durch eine »den Anforderungen hinsichtlich der Sprachkenntnis vollständig entsprechende Lehrkraft ersetzt« werden215. Fortschrittlicher als ihre Schwesteranstalten in Krakau und Wien war die Prager Akademie hinsichtlich des Frauenstudiums. Zwar sprach sich auch hier das Professorenkollegium gegen die Zulassung von Frauen zum Studium aus  ; allerdings war man im Gegensatz zu Wien nicht prinzipiell dagegen, sondern begründete dies mit dem Raummangel. In der Sitzung vom 20. Juni 1913 gab die Akademie dem Druck der Frauenvereine nach, Frauen sollten ab diesem Zeitpunkt zu den gleichen Bedingungen wie Männer studieren können. In der allgemeinen 213 Vortrag Hussarek v. 12.12.1912 – ebd., 3038/1912. 214 AVA, Unterricht-Allg., Fasz. 2889, 51194/1909. 215 Ebd., 42980/1907.



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Schule sollten sie getrennt, in den Spezialschulen gemeinsam unterrichtet werden. Die Prager Kunstakademie erreichte zwar internationale Anerkennung, bleib aber im Wesentlichen – wie ihr Krakauer Pendant – eine prestigeträchtige Landesanstalt, die nur bedingt überregionale Bedeutung erlangte. Im Wintersemester 1907/08 studierten in Prag insgesamt 107 Schüler, davon 81 Tschechen, 17 Deutsche, neun Serbokroaten, ein Slowene. 82 Studierende kamen aus Böhmen, zwölf aus Mähren, einer aus Galizien, drei aus Niederösterreich sowie jeweils einer aus Krain, Kroatien, Oberungarn, Serbien und Montenegro, drei aus Bosnien-Hercegowina216. 2.2.3 Die Prager Museen

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Böhmische Landesmuseum zu einem Tschechischen Nationalmuseum – zumindest in der terminologischen Umschreibung und den ideologischen Grundlagen, denn am prinzipiellen Charakter des Museums als Universalmuseum des frühen 19. Jahrhunderts änderte sich wenig. Vorbild für das Museum war das Grazer »Joanneum« gewesen, Träger war ein von den Landständen finanzierter Verein. Es blieb einem aufklärerischen Konzept verbunden  ; auch die Rolle des Museums als Medium nationaler Geschichtserzählung war nicht neu und ging auf die Französische Revolution zurück217. Finanziell wurde es in erster Linie vom Land unterstützt. Ab 1868 kam es zu Verhandlungen über einen Museumsneubau, man entschied sich für den Wenzelsplatz als Ort des neuen Nationalmuseums. 1884 beschloss der Landtag, den Bau des Museums zu finanzieren – und zwar als nationales Bauvorhaben, das an die Vollendung des tschechischen Nationaltheaters anschließen sollte. 1891 konnte das neue Gebäude eröffnet werden218. Als Präsidenten des Museums fungierten von 1874 bis 1888 Graf Heinrich Jaroslav Clam-Martinitz, von 1888 bis 1890 Fürst Karl Schwarzenberg219, gefolgt von Graf Johann Harrach und ab 1910 von Friedrich Schwarzenberg220. Hierin spiegelte sich noch einmal die Bedeutung des Böhmischen Hochadels wider, dem 216 Ebd., Fasz. 2882, 39857/1913. 217 Werner Telesko, 19. Jahrhundert, 258. 218 Marilies Raffler, Museum – Spiegel der Nation, 235. 219 Vortrag Lasser v. 28.12.1873 – ebd., 37/1873. 220 Vortrag Taaffe v. 8.2.1886 – ebd., 659/1882. Vortrag Taaffe v. 1.2.1888 – ebd., 445/1888, Vortrag Taaffe v. 6.4.1889 – ebd., 1415/1889, Vortrag Taaffe v. 27.4.1890 – ebd., 1837/1890, Vortrag Badeni v. 20.3.1897 – ebd., 1169/1897, Vortrag Koerber v. 19.5.1903 – ebd., 1772/1903, Vortrag Badeni v. 23.2.1896 – ebd., 824/1896, Vortrag Bylandt-Rheidt v. 4.12.1905 – ebd., 3535/1905, Vortrag Bienerth v. 20.8.1908 – ebd., 2615/1908 sowie Vortrag Haerdtl v. 30.5.1910 – ebd., 1782/1910.

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die Entstehung des Nationalmuseums zu verdanken gewesen war. Zunächst von einer privaten – wenn auch politisch relevanten – Interessensgruppe betrieben, wurde das Land immer mehr zum Träger dieser Einrichtung. Wie schon das Nationaltheater war auch das Nationalmuseum in hohem Maße von der Intention politischer Sinn- und Identitätsstiftung bestimmt. Der Museumsbau war nach dem Nationaltheater der zweite und bis zur Jahrhundertwende letzte Monumentalbau in Prag, dem eine vergleichbare Bedeutung zukam wie den dynastischen und staatsoffiziellen Gebäuden der Wiener Ringstraße. Die Vollendung des Nationaltheaters und der Planungsbeginn für das Museum im Jahr 1883 fielen mit einem wichtigen politischen Einschnitt zusammen  : Aus der Landtagswahl dieses Jahres ging nämlich zum ersten Mal eine tschechische Mehrheit hervor, womit die nationale Emanzipationsbewegung eines ihrer wichtigsten Ziele erreicht hatte221. Neben einer Bibliothek verfügte das Museum über eine numismatische, eine ethnographische, eine geologische, eine botanische, eine mineralogisch-petrographische und eine geologisch-paläontologische Sammlung sowie eine Sammlung historischer und prähistorischer Altertümer. Die meisten Sammlungen waren in eine allgemeine und eine böhmische Abteilung gegliedert. Die Verwaltung des Museums oblag einem 18-köpfigen Ausschuss. Zwölf Mitglieder wurden von der Generalversammlung bestellt, sechs vom böhmischen Landtag. Statutengemäß waren beide Landessprachen gleichberechtigt. Das Museum erfreute sich in Prag großer Beliebtheit und wurde im Jahre 1896 von 65.613 Personen besucht, von denen allerdings nur 21.266 zahlende Besucher waren. Das Museum finanzierte sich im Wesentlichen aus den Eintrittsgeldern, Mitgliedsbeiträgen und der Landessubvention  ; die Einnahmen konnten die Ausgaben von über 60.000 Gulden allerdings nicht völlig decken. Da aufgrund der ungünstigen Finanzlage des Landes nach der Badenikrise eine Einstellung der Landessubvention zu befürchten, jedenfalls aber keine Erhöhung möglich war, sprang der Staat finanziell ein. Minister Gautsch war überzeugt, dass es Aufgabe des Staates war, »jede museale Tätigkeit fördern zu müssen«, und befürwortete daher die Subventionierung des »böhmischen Landesmuseums«, verlangte im Gegenzug aber die Einräumung staatlichen Einflusses in der Verwaltung, das Ministerium sollte Delegierte in den Verwaltungsausschuss des Museums entsenden. Dass politische Überlegungen hierbei eine Rolle spielten, wurde nicht verschwiegen, »da solche Dotationen am meisten geeignet erscheinen, die Bestrebungen jener zu paralysieren, welche aus der Behauptung, dass für den kulturellen Aufschwung Böhmens seitens des Reiches zu wenig 221 Michaela Marek, Kunst und Identitätspolitik. Architektur und Bildkünste im Prozess der tschechischen Nationsbildung (Köln–Weimar–Wien 2004), 321 f.



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geschehe, politisches Kapital zu schlagen wissen«. Das war in nationalpolitisch heiklen Zeiten ein Argument, das schwer wog. Allerdings stimmte Unterrichtsminister Gautsch der ursprünglich beantragten Subventionshöhe nicht zu und schlug einen Betrag von nur 5000 Gulden vor222. Zwei Jahre später wurde die Subvention jedoch verdoppelt, das Museum erhielt mit 20.000 Kronen nun den seinerzeit beantragten Betrag223. Im Hinblick auf die erfolgreiche Entwicklung des Museums, das sich »aus geringen Anfängen durch private Schenkungen und mit Hilfe der Staatssubvention über das Niveau eines Lokalmuseums entwickelte«, wurden zwei Mitarbeiter, der Direktor der mineralogisch-petrographischen Sammlung, Universitätsprofessor Carl Vrba, und der Bibliothekar und Ehrendoktor der Universität Kiew, Adolf Patera, geehrt. Die Erfolge des Museums hingen wesentlich von der »uneigennützigen Opferwilligkeit seiner fachmännischen Funktionäre« ab, betonte Unterrichtsminister Hartel bei dieser Gelegenheit224. Eine weitere Subventionserhöhung – der Verwaltungsrat des Museums ersuchte um eine jährliche staatliche Unterstützung in der Höhe von 50.000 Kronen – wurde trotz der Befürwortung durch den Statthalter nicht genehmigt. Minister Stürgkh hielt zwar eine Erhöhung für gerechtfertigt, weil die Gesellschaft, abgesehen von den Subventionen aus Staats- und Landesmitteln, kaum über andere Einnahmen verfügte, doch fehlte der budgetäre Spielraum. Vom Land erhielt das Museum mittlerweile jährlich 107.000 Kronen, eine Erhöhung des Landesbeitrages war allerdings nicht möglich. Stürgkh betonte, dass bei der Verwaltung des Museums »die Parität der beiden das Königreich Böhmen bewohnenden Volksstämme eine grundsätzliche Berücksichtigung findet« und zwei Regierungsvertreter in den Verwaltungsausschuss entsandt wurden, der Staatsverwaltung also ausreichende Sicherheiten geboten würden. Das Museum erhielt vom Staat nun 25.000 Kronen225. Ein Gesuch der Museumsgesellschaft um eine namhafte Subventionserhöhung wurde von Minister Stürgkh im Jahre 1911 abgewiesen, er stimmte aber einer moderaten Steigerung auf 35.000 Kronen zu – nicht ohne jedoch die Museumsgesellschaft darauf aufmerksam zu machen, dass eine weitere Erhöhung der Staatssubvention in den kommenden Jahren auszuschließen sei226. Eine deutliche Würdigung der tschechischen kulturellen Leistungen – in diesem Fall der Volkskultur – wird in der staatlichen Unterstützung für das Tschechoslawische Ethnographische Museum in Prag deutlich. Das Museum, das 222 223 224 225 226

Vortrag Gautsch v. 13.9.1897 – HHStA, Kab. Kanzlei, 3868/1897. Vortrag Hartel v. 20.12.1900 – ebd., 3411/1900. Vortrag Hartel v. 21.12.1901 – ebd., 37/1901. Vortrag Stürgkh v. 19.8.1909 – ebd., 3042/1909. Vortrag Stürgkh v. 25.4.1911 – ebd., 1466/1911.

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durch eine systematische Sammlung das »physische und geistige Leben« der ländlichen Bevölkerung in Böhmen, Mähren, Schlesien und der Slowaken in Ungarn darstellen sollte, war im Mai 1896 eröffnet worden und vertrat ein betont national tschecho-slowakisches Programm. Es war aus der Prager ethnographischen Ausstellung des Jahres 1895 hervorgegangen227 und hatte sich das Wiener Volkskundemuseum sowie das ethnographische Museum in Budapest zum Vorbild genommen. An der Prager Ausstellung hatten auch die Mittelschulen und gewerblichen Fachschulen teilgenommen, die einen wichtigen Impuls für die Gründung des ethnographischen Museums lieferten228. Auf die ursprünglich geplante Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Museum wurde aus Sicherheitsgründen, wie es hieß, verzichtet229. Tatsächlich kam es schon in den ersten Tagen zu »Exzessen« – oder zu dem, was man darunter verstehen wollte. Etwa 1000 Jugendliche hatten sich vor dem Musikpavillon versammelt und das betont tschechisch-nationale Lied »Kde domov můj« intoniert. Die Sicherheitsorgane stuften das als politische Demonstration ein und forderten die Jugendlichen auf, sich zurückzuziehen. Diese machten jedoch das Gegenteil, stiegen auf die Stühle und sangen nicht nur dieses Lied, sondern auch »Hej slované«. Schließlich wurden in einer Überreaktion einige Personen verhaftet230. Als Trägerverein der Ausstellung und des neu gegründeten Museums fungierte der »Verein der čechoslawischen Gesellschaft« in Prag. In den Hauptabteilungen wurden Gebäude, Einrichtungsgegenstände, Trachten, Gebräuche, Volkslitera­tur und Volksmusik präsentiert  ; drei Nebenabteilungen waren Geographie, Anthro­ pologie und Dialektologie gewidmet. Verbunden mit dem Museum war die Herausgabe einer wissenschaftlichen Reihe, nämlich des »Jahrbuchs für čechoslawische Ethnographie«. Unterrichtsminister Gautsch befürwortete eine Subventionierung, die »als Zeugnis der wohlwollenden Anerkennung und Förderung der nationalen Kulturbestrebungen aufgefasst werden [würde und daher] auch nicht ohne alle politische Bedeutung im besten Sinne des Wortes« wäre. Das Museum, das bereits von der öffentlichen Hand unterstützt wurde – mit 2000 Gulden vom Land und 1000 Gulden von der Stadt Prag –, sollte zusätzlich mit weiteren 2500 Gulden jährlich aus dem Staatsbudget finanziert werden, womit dem Verein mittelfristig die Errichtung eines Museumsgebäudes ermöglicht ­werden sollte231. Der 227 AVA, Unterricht-Präs., 1736/1894. 228 Im Titel der Ausstellung wurde die böhmische Landesvertretung gewürdigt  : »Národopisná výstava českoslvanská v Praze r. 1895 s podporou snemu království českého«. AVA, Unterricht-Präs., 310/1895. 229 Ebd., 883 und 992/1895. 230 Ebd., 1083/1895. 231 Es war dies allerdings deutlich weniger als die beantragten 10.000 Gulden. Vortrag Gautsch v. 13.9.1897 – HHStA, Kab. Kanzlei 3878/1897.



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Plan eines Museumsgebäudes in den Festungsanlagen zerschlug sich allerdings und alternative Vorschläge scheiterten am Einspruch des Landesausschusses, da die der Erholung der Bevölkerung vorbehaltenen Parkanlagen nicht zerstört werden sollten232. Weitere Subventionserhöhungen wurden von Unterrichtsminister Hartel trotz allen Lobes für die »Bedeutung des Unternehmens« aus budgetären Gründen ausgeschlossen233. Diese waren schon deshalb illusorisch, da erst kurz zuvor die Verstaatlichung des Wiener Museums für Volkskunde von der Finanzverwaltung abgelehnt worden war234. Durch die Staatssubventionen sollte sichergestellt werden, dass die im Besitz des Museums befindlichen »unersetzlichen Schätze der Volkskunst« auch weiterhin bewahrt und ergänzt werden konnten235. Große Bedeutung wurde in Prag zudem der Errichtung eines kunstgewerblichen Museums beigemessen. Eine kunstgewerbliche Sammlung war bereits seit 1884 mit staatlicher Unterstützung aufgebaut worden. 1885 konnte das Museum, von Eitelberger und Adalbert Lanna gefördert, im Rudolfinum eröffnet werden. Aufgrund der Zuwächse in den Sammlungen erhielt die Prager Handelskammer 1894 die Bewilligung für einen Neubau. Sie richtete einen Baufonds ein, zu dem Land und Gemeinde Beiträge leisteten, womit jedoch die mit 600.000 Gulden veranschlagten Baukosten nicht gedeckt werden konnten. Die Unterrichtsverwaltung verfolge zwar aus finanziellen Rücksichten den Grundsatz, »zu den mit der Errichtung von Musealgebäuden verbundenen Kosten Staatsbeiträge nicht zu leisten«, dennoch war Bylandt-Rheidt in diesem Fall bereit, eine Ausnahme zu machen, um den Baufortschritt nicht zu gefährden. Es sollte eine Bausubvention in der Höhe von 150.000 Gulden gewährt werden, die in zehn jährlichen Raten ab 1899 ausgezahlt wurde236. Nach dem Beschluss des Böhmischen Landtags sollte die Hälfte des Grundes der Landesbank des Königreiches Böhmen zur Errichtung des Bankgebäudes überlassen werden, der Erlös aus diesem Ver232 Vortrag Thun v. 15.3.1898 – ebd., 1280/1898. 233 Vortrag Hartel v. 27.4.1900 – ebd., 1247/1900. 234 Minister Hartel betonte, dass das Gesuch um Subventionserhöhung zwar gerechtfertigt sei, ihm aber aufgrund der Lage der Staatsfinanzen nicht nachgekommen werden könne. Vortrag Hartel v. 16.7.1902 – ebd., 2027/1902. Ein weiterer Antrag um Subventionserhöhung im Jahre 1905 wurde mit dem gleichen Argument abgelehnt, die laufende Subvention von 5000 Kronen wurde um weitere drei Jahre verlängert. Vortrag Bylandt-Rheidt v. 12.8.1905 – ebd., 2477/1905. 235 Erst 1912 konnte eine Erhöhung auf 6000 Kronen durchgesetzt werden, nachdem dem Museum bereits für 1910 und 1911 ein außerordentlicher Zuschuss von jeweils 1000 Kronen gewährt worden war, der nun auf Ersuchen des Museumskuratoriums in die reguläre Subvention übernommen wurde. Dieses Gesuch wurde sowohl vom Regierungsvertreter im Kuratorium, Regierungsrat Georg Stibral, als auch vom böhmischen Statthalter unterstützt. Vortrag Hussarek v. 25.3.1912 – ebd., 863/1912. 236 Vortrag Bylandt-Rheidt v. 27.7.1898 – ebd., 3012/1898.

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kauf – 300.000 Gulden – diente zur Errichtung des Museumsgebäudes237. »Das kunstgewerbliche Museum in Prag hat für ganz Böhmen eine große Bedeutung und erscheint die Errichtung eines entsprechenden Gebäudes zur Unterbringung und Verwertung seiner Sammlungen unerlässlich.« Am Rande des Ghettos beim Moldauufer sollte ein Haus der Künste errichtet werden, das Platz für einen Konzertsaal und Ausstellungsräume sowie für die Gemäldegalerie der patriotischen Kunstfreunde bot  ; in diesem Gebäude sollte auch das Kunstgewerbemuseum seinen Platz finden238. Auch dem in Reichenberg befindlichen nordböhmischen Gewerbemuseum – das Eitelberger schon 1878 neben dem Brünner Gewerbemuseum als bedeutendste derartige Institution in den böhmischen Ländern bezeichnet hatte239 und das unter dem Protektorat Franz Ferdinands stand – fehlte es an geeigneten Lokalitäten. Ein Neubau war bereits begonnen worden, obwohl die dafür vorgesehenen Kosten von 450.000 Gulden nur zur Hälfte gedeckt waren. Bylandt-Rheidt stimmte auch in diesem Fall einer Subvention zu, zwar nicht in der beantragten Höhe von 100.000 Gulden, doch sollte der Staat immerhin 75.000 Gulden beisteuern, die in acht Jahresraten ab 1899 – dann schon in Kronen – ausbezahlt wurden240. Die Errichtung des neuen Museumsgebäudes führte dennoch zu erheblichen finanziellen Schwierigkeiten  ; die zu diesem Zweck aufgenommenen Kredite konnten nicht zurückgezahlt werden, und die böhmische Sparkasse verlangte eine Bürgschaft der Gemeinde Reichenberg in der Höhe von 350.000 Kronen241. 1876 ersuchten die »Gesellschaft patriotischer Kunstfreunde in Böhmen« und die Prager Handels- und Gewerbekammer die Stadt Prag um Erwerbung eines Grundes für den Bau eines Kunstmuseums. Da die Finanzverwaltung den Ankauf verzögerte, sollte zumindest die Option auf das Grundstück gesichert werden, damit es nicht an andere Interessenten verkauft würde. Die Ausgangslage war aber denkbar schlecht, denn Unterrichtsminister Stremayr hatte kaum budgetären Spielraum242. Die Verwirklichung des Projekts wurde auf Drängen der Wiener Regierung für viele Jahre aufgeschoben, und so wurde erst 1901 die Moderne Galerie in Prag gegründet. Ausdrücklich »für beide Volksstämme Böhmens« gedacht – das Kuratorium setzte sich paritätisch aus Angehörigen beider Nationalitäten zusammen –, wurde dessen Errichtung mit der stattlichen Summe von zwei Millionen Kronen gefördert. Die zu schaffende Galerie hatte den Cha237 Vortrag Bacquehem v. 11.5.1895 – ebd., 2096/1895. 238 Helena Koenigsmarkova, Wien – Prag, 235-242. 239 Rudolf Eitelberger von Edelberg, Kunstbewegung in Österreich, 113 f. Das privat finanzierte Gewerbemuseum wurde 1883 eröffnet – AVA, Unterricht-Präs., 185/1883. 240 Vortrag Bylandt-Rheidt v. 27.7.1898 – HHStA, Kab. Kanzlei, 3012/1898. 241 Vortrag Koerber v. 5.12.1902 – ebd., 3247/1902. 242 Vortrag Stremayr v. 3.3.1876 – ebd., 484/1876.



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rakter einer kaiserlichen Stiftung, war aber an das Königreich Böhmen gebunden und sollte mittelfristig an das Land übertragen werden. Das kaiserliche Handschreiben an Koerber hatte programmatischen Charakter. Kaiser Franz Joseph betonte, dass er die »bildenden Künste um des läuternden Einflusses willen, den sie auf das Gemüt und die Sitten der Menschen üben, stets mit Freude [gefördert habe]«. Darauf folgten für ein derartiges Schreiben ungewöhnlich klare politische Aussagen  : »Insbesondere erschien Mir die Gründung von Pflegestätten für diese Künste als eine Meiner schönsten Regentenpflichten. Es wäre ein weiterer bedeutender Fortschritt, wenn in jenen Hauptstädten, welche nach den gegebenen Voraussetzungen als Zentren künstlerischer Entwicklung gelten dürfen, jedoch noch keine öffentliche Kunstgalerie besitzen, solche der Bevölkerung leicht zugängliche Sammlungen entstünden  ; die Liebe und das Verständnis heimatlicher Kunst fänden darin feste Stützen, die idealen Empfindungen des Volkes eine nie versiegende Quelle der Erhebung. Von diesem Wunsche beseelt und im Hinblicke auf die ausgezeichnetsten, weit über die Grenzen des Vaterlandes anerkannten Leistungen lebender Künstler aus Meinem geliebten Königreiche Böhmen, verfüge Ich die Errichtung einer Galerie für die moderne Malerei, Plastik und Architektur, welche dann in den Besitz des genannten Königreiches überzugehen hat, aus den von Mir zu diesem Zwecke gewidmeten Mitteln, in der königlichen Hauptstadt Prag, und erwarte, dass die beiden, das Land bewohnenden Volksstämme in aller Zukunft an diesem Orte ihr reiches Können für das Gedeihen und die Blüte heimischer Kunst im friedlichen Wettstreite einsetzen werden. Indem Ich Sie beauftrage, im Vereine mit Meinem Minister für Cultus und Unterricht mir ehestens die darauf bezüglichen Vorschläge zu erstatten, bin Ich sicher, auf solche Art die versöhnende Kraft der Kunst auch in den Dienst des inneren Friedens im Reiche zu stellen.«243 Im Juni 1903 wurde das Statut der Modernen Galerie des Königreichs Böhmen vorgelegt und von Kaiser Franz Joseph genehmigt244. Ministerpräsident Koerber hatte versucht, trotz national-politischer Gegensätze »bei der zu errichtenden Galerie eine vollkommen paritätische Behandlung beider Volksstämme durch die zu schaffende Organisation für alle Zukunft sicher zu stellen«. Vor allem in der Zusammensetzung des Kuratoriums der Galerie »und ferner in der Feststellung gewisser Grundzüge, die als unverrückbare Basis für das erst vom Kuratorium auszuarbeitende Organisationsstatut zu gelten haben werden«, meinte Koerber eine Garantie für das Funktionieren dieser Institution als utraquistische Einrichtung gefunden zu haben. Die 20 Sitze im Kuratorium wurden 243 Kaiserliches Handschreiben vom 13.4.1901 auf den Vortrag Koerber v. 10.4.1901  – ebd., 910/1901 (Hervorhebung durch den Autor). 244 Vortrag Hartel v. 22.6.1903 – ebd., 1772/1903.

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jeweils zur Hälfte vom böhmischen Landesausschuss und vom Unterrichtsministerium bestellt  ; Präsident und Vizepräsident sowie die Präsidenten der beiden nationalen Sektionen wurden vom Kaiser ernannt. Mit kaiserlicher Entschließung vom 6. August 1902 wurde Johann Harrach zum Präsidenten des Museums ernannt und Joseph Maria Baernreither zum Vizepräsidenten. Präsident der böhmischen Sektion wurde Karel Kramář, Präsident der deutschen Sektion Friedrich Freiherr von Wieser245. Präsident Harrach zog sich nach Ende seiner Funktionsperiode im Jahre 1909 zurück, zu seinem Nachfolger wurde Graf Eugen Czernin bestimmt246. Auch hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Mittel wurde auf eine paritätische Verteilung auf die beiden nationalen Sektionen großer Wert gelegt. Erworben werden sollten nach dem Gründungsauftrag vor allem Werke »von zeitgenössischen Künstlern beider Nationalitäten […], welche entweder im Königreiche Böhmen geboren oder nach Böhmen zuständig oder in Böhmen seit längerer Zeit tätig sind. Nebstdem soll die Erwerbung von Werken anderer Künstler, deren Wirken mit der heimischen Kunst im inneren Zusammenhange steht, oder für dieselbe vorbildlich ist, grundsätzlich nicht ausgeschlossen sein«247. Wie diese Beispiele zeigen, oszillierte die Museumspolitik in Böhmen zwischen den Extremen nationaler Trennung und utraquistischen Ansätzen. Es wird das Bemühen der Staatsverwaltung deutlich, durch Förderung nationalpolitischer Initiativen diese an den gemeinsamen Staat heranzuführen und in die Regierungspolitik einzubinden. Durch Einrichtung nationaler Sektionen wurde versucht, den Anschein der Gemeinsamkeit aufrechtzuerhalten, tatsächlich förderte das aber die Entstehung von nationalen Parallelwelten und verstärkte die Politisierung von Kunst und Kultur. 2.2.4 Theater und Musik

Eines der wenigen direkt vom Staat subventionierten Theater außerhalb Wiens war das deutschsprachige Prager Ständetheater, das mit jährlich 10.000 Gulden unterstützt wurde. Da das Theater ab 1852 verpachtet wurde, konnten Kosten eingespart werden, der Qualitätsabfall war aber so eklatant, dass der Landesausschuss ab 1858 um Wiederaufnahme der Subventionen ersuchte, um wieder Einfluss auf die künstlerische Gestaltung nehmen zu können. Die Subvention erfolgte nunmehr aber nicht mehr direkt aus Staatsmitteln, sondern aus dem

245 Vortrag Koerber v. 31.7.1902 – ebd., 2023/1902. 246 Vortrag Stürgkh v. 12.7.1909 – ebd., 2560/1909. 247 Vortrag Koerber v. 31.7.1902 – ebd., 2023/1902.



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böhmischen Domestikalfonds248. Die Verpachtung von Theatern war damals durchaus üblich, weil der Eigentümer sich dadurch des wirtschaftlichen Risikos entledigen konnten – allerdings bot dieses System keine Garantie für ökonomischen oder künstlerischen Erfolg249. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden immer häufiger die Erträge von Lotterien zur Finanzierung von Theaterbauten herangezogen. Eigentlich waren diese Mittel für wohltätige Zwecke vorgesehen, dennoch bürgerte sich diese Finanzierungsmethode im Laufe der Zeit immer mehr ein. So wurde 1874 dem Komitee zur Errichtung des böhmischen Nationaltheaters in Prag die Abhaltung einer Lotterie genehmigt250. Zehn Jahre später wurde ein ähnliches Gesuch des Deutschen Theatervereins in Prag allerdings abgelehnt, weil dies »auf die Ausbeutung der Spiellust der minder gebildeten und besitzenden Bevölkerungsklassen berechnet« sei251. Wieder mehr als ein Jahrzehnt später wurde dem »Sbor pro zřízení českého národního divadla v Praze« [Verein zur Errichtung des Böhmischen Nationaltheaters in Prag] die Abhaltung einer Effektenlotterie mit 400.000 Losen zum Preis von je zwei Kronen im Laufe der Jahre 1898 oder 1899 genehmigt. Die Lotterie diente zur Beschaffung der Geldmittel für den Bau eines zweiten böhmischen Theaters in Prag. Sowohl die Statthalterei als auch der Finanz-, Innen- und der Unterrichtsminister unterstützten diesen Antrag252. Der Zeichnungstermin musste dann allerdings um zwei Jahre verlängert werden253 und der Bau des zweiten böhmischen Nationaltheaters verzögerte sich aufgrund von Schwierigkeiten bei der Erwerbung des Bauplatzes254. 1886 wurde dem Deutschen Theaterverein die Bewilligung zur Errichtung eines Theaters in den Königlichen Weinbergen erteilt. Das neue Theater sollte das alte Neustädter Theater – ein hölzernes Sommertheater – ersetzen255. 1891 ersuchte auch Ladislav Chmelenský um eine Theaterkonzession in den königlichen Weinbergen an. Da der Statthalter das Unternehmen als »finanziell bei weitem nicht hinreichend fundiert« beurteilte, wurde das Gesuch abgelehnt. Der Bedarf sei durch die beiden königlichen Landestheater und das neue deutsche Theater sowie »die Arena der Elisabeth Švanda in Smichow sowie durch eine deutsche und eine böhmische Arena, beide in den kgl. Weinbergen«, nicht gegeben, vor 248 Ah. E. v. 5.4.1857 auf den Vortrag Bach v. 1.4.1857 – ebd., 1253/1857. Die Subvention wurde auf zunächst sechs Jahre mit jährlich 10.000 fl. festgesetzt. 249 Vortrag Bach v. 5.11.1857 – ebd., 4360/1858. 250 Vortrag Auersperg v. 19.8.1874 – ebd., 3734/1874. 251 Vortrag Dunajewski v. 26.3.1884 – ebd., 1118/1884. 252 Vortrag Kaizl v. 9.6.1898 – ebd., 2604/1898. 253 Vortrag Kaizl v. 14.9.1899 – ebd., 2975/1899. 254 Vortrag Böhm-Bawerk v. 16.1.1902 – ebd., 204/1901. 255 Vortrag Taaffe v. 22.4.1886 – ebd., 1696/1886.

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allem, weil zusätzlich zu diesen Theatern in Prag auch noch »zahlreiche Theaterdilettantenvereine« bestanden. Doch es gab für Taaffe noch einen weiteren – ökonomischen – Grund, die Konzessionierung abzulehnen. Es war nämlich zu befürchten, dass das neue Theater die beiden bestehenden Landestheater konkurrenzieren würde, weshalb sich auch der böhmische Landesausschuss gegen eine weitere Theaterkonzession aussprach. Taaffes Ablehnung wurde sowohl vom Statthalter als auch vom Landesausschuss begrüßt256. Tatsächlich war mit dem Nationaltheater erst wenige Jahre zuvor ein repräsentatives Theatergebäude eröffnet worden. Die Errichtung des Nationaltheaters hatte große symbolische Bedeutung und kam ohne staatliche Förderungen aus. Betrieben wurde das Projekt seit 1845 vom Prager Besitz- und Bildungsbürgertum, doch erst 1862 wurde ein erstes Interimstheater eröffnet. Obwohl nicht ausschließlich national gedacht, konzentrierte man sich von Anfang an auf ein tschechisches Repertoire. Der Erfolg gab den Plänen zur Errichtung eines definitiven Nationaltheaters Auftrieb. Im Mai 1868 wurde in einem großen nationalen Fest der Grundstein gelegt, der vom Georgsberg (Říp) entnommen und in einem feierlichen Festzug nach Prag gebracht wurde. Die im September 1881 geplante Eröffnung musste allerdings verschoben werden, da das Theater wenige Wochen davor abbrannte. Mithilfe nationaler und internationaler Spendengelder konnte es wieder aufgebaut werden, im November 1883 wurde das repräsentative Gebäude mit der Oper »Libuše« von Bedřich Smetana feierlich eröffnet. Prag und die Tschechen hatten damit ihr Nationaltheater und ein Symbol für die tschechische Emanzipation von der über Jahrhunderte dominierenden deutschen Kultur257. Dass aber nicht nur die Theater, sondern auch Musikvereine eine nationale und lokalpatriotische Bedeutung haben konnten, zeigt das Beispiel des Prager Musikvereins, der 1865 um Führung des böhmischen Landeswappens im Vereinssiegel ansuchte, nachdem ihm das zuvor aus vereinsrechtlichen Gründen untersagt worden war258. 1893 erhielt auch der »Verein zur Pflege der Kirchenmusik in Mähren« die Genehmigung zur Führung des Landeswappens im Siegel, was als wichtiger symbolischer Erfolg gewertet wurde259. Das Prager Konservatorium bezog ab 1871 eine staatliche Subvention in der Höhe von 3000 Gulden. Träger dieser Institution war der »Verein zur Beförderung der Tonkunst«, der einen jährlichen Finanzbedarf von etwa 15.000 Gulden 256 Vortrag Taaffe v. 9.11.1891 – ebd., 4625/1891. 257 Zum Böhmischen Nationaltheater siehe Philipp Ther, Operntheater in Zentraleuropa, 259– 341. 258 Vortrag Belcredi v. 29.12.1865, Ah. E. v. 6.2.1865 – HHStA, Kab. Kanzlei 73/1865. 259 Vortrag Taaffe v. 10.8.1893 – ebd., 3622/1893.



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hatte. Minister Stremayr lobte diese Einrichtung, denn das Prager Konservatorium »hat in seinem fast 60jährigen Bestande eine im In- und Auslande anerkannte Wirksamkeit entfaltet«. Die ständig steigende Zahl an Studenten machte die Schaffung zusätzlicher Räume und die Anstellung von Lehrern nötig, wofür die Mittel – bestehend aus der staatlichen Subvention, den Beiträgen der Vereinsmitglieder und einer vom Landesdomestikalfonds gewährten Jahressubvention – nicht ausreichten. Stremayr schlug vor, den Weiterbezug der Staatssubvention an die »Gewinnung von geeigneten Unterrichtslokalitäten und zur Aufbesserung der Lehrergehalte« zu knüpfen, wobei einem Regierungsvertreter ein Mitspracherecht zukommen sollte260. 1877 sagte Stremayr die Verlängerung der bisherigen Dotation von jährlich 3000 Gulden für weitere sieben Jahre zu261, ebenso tat dies sein Nachfolger Conrad im November 1882. Eine Subventionserhöhung wurde allerdings abgelehnt  : »So anerkennenswert das Wirken des Prager Konservatoriums, in welchem inländische Zöglinge ohne Unterschied der Nationalität unentgeltlich musikalischen Unterricht erhalten, auch ist, so ist doch die Gleichstellung dieses Institutes mit dem Wiener Konservatorium durchaus nicht begründet«, hieß es dazu in dem Vortrag von Unterrichtsminister Conrad. Während in Wien 700 Studenten jährlich am Konservatorium inskribierten, waren es in Prag durchschnittlich 130, was die wesentlich höheren Zahlungen an das Wiener Konservatorium rechtfertigte262. Im politisch schwierigen Jahr 1897 setzte das Unterrichtsministerium gegen den Widerstand des Finanzministeriums eine Subventionserhöhung auf 10.000 Gulden durch, gleichzeitig wurden auch die Bezüge Antonín Dvořáks erhöht263 und der tschechische Komponist wurde für das Ehrenzeichen für Kunst und Wissenschaft vorgeschlagen. Einmal mehr wurde also versucht, durch kulturelle Förderungen und Würdigungen politische Enttäuschungen zu kompensieren. Die Finanzmittel waren gut investiert, denn zur Jahrhundertwende errang das Prager Konservatorium Weltruf. Unter anderen wirkte hier Otakar Šefčik, dem es gelang, eine international bedeutende Violinschule zu begründen. Šefčik wurde 1852 im böhmischen Horaschdowitz geboren und hatte selbst am Prager Konservatorium Violine studiert. Er war dann Konzertmeister am Mozarteum, später Konzertmeister in Prag und Wien. Zwischen 1875 und 1892 lehrte er am Konservatorium in Kiew, anschließend konnte er für die Violinabteilung am Prager Konservatorium gewonnen werden. Nicht erst dort erwarb er sich einen hervorragenden Ruf als Lehrer, »der mit jenem verglichen werden kann, den hin260 261 262 263

Vortrag Stremayrs v. 31.12.1871 – ebd., 164/1872. Vortrag Stremayr v. 3.1.1877 – ebd., 176/1877. Vortrag Conrad v. 4.11.1882 – ebd., 4376/1882. AVA, Unterricht-Präs., 814 und 904/1897.

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sichtlich der letzteren Ausbildung musikalischer Talente Liszt und Rubinstein besaßen. Es war speziell das außerordentliche technische Können, durch welches Schüler Šefčiks – unter welchen Jan Kubelík, Jaroslav Kocian, Maria Herites und Mary Hall in erster Linie zu nennen sind – in ihrer Virtuosenlaufbahn sich gefördert sahen. Die eminente pädagogische Befähigung dieses mit hingebenden Eifer wirkenden Lehrers« schlug sich auch in der Herausgabe von didaktischen Werken nieder, »die für die Reform des elementaren Unterrichtes im Violinunterrichte durch die Einführung des Halbtonsystems« wichtig waren und im In- und Ausland Verbreitung fanden. Aufgrund der Tatsache, dass »das Wirken Šefčiks somit unzweifelhaft den Ruf des Prager Konservatoriums wie des gesamten Musiklebens Österreichs gefördert« habe, wurde ihm das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens verliehen264. Ehrungen und Ordensverleihungen gab es für Musiker aus allen Teilen der böhmischen Länder, die ihre Ausbildung meist am Prager Konservatorium genossen hatten. Unter ihnen befand sich der Olmützer Chordirektor und Komponist Josef Nešvera. 1842 geboren, hatte er nach Absolvierung des Konservatoriums als Chordirektor zunächst in Beraun und schließlich als Domkapellmeister an der Metropolitankirche in Olmütz gewirkt. Gewürdigt wurden seine Leistungen als Musik- und Gesangslehrer, u.a. hatte er Erzherzog Eugen im Gesang und Erzherzog Peter Ferdinand in Kompositionslehre unterrichtet  ; auch als Komponist war er tätig. Der Direktor der städtischen Musikschule in Petschau, Hugo Steidl, geboren 1863, wurde ebenfalls mit kaiserlichen Orden geehrt. Nach seinem Studium am Prager Konservatorium war er kurzfristig an Theatern in Linz und Teplitz tätig gewesen und dann als Lehrer an die Petschauer Musikschule engagiert worden, an der er 1897 zum Direktor aufstieg. Er machte sich um die Förderung der Kirchenmusik verdient. Ausgezeichnet wurde auch der Ehrenchormeister in Iglau, Heinrich August Fischer. Der Absolvent des Prager Konservatoriums war in verschiedenen Theaterorchestern tätig gewesen und 1868 in Iglau zum städtischen Musikdirektor und zum Regenschori in den beiden dortigen Pfarrkirchen ernannt worden. Er wirkte zudem als Dirigent der Stadtkapelle und als Musiklehrer an mehreren Schulen. Verdienste erwarb er sich als langjähriger Chormeister des Iglauer Männergesangsvereins, dessen Ehrenmitglied und Ehrenchormeister er war  ; die Stadt Iglau ernannte ihn zum Ehrenbürger. 1913 wurden aufgrund des zwanzigjährigen Bestands des »Böhmischen Streichquartetts« zahlreiche Ehrungen vergeben. So erhielt der Konzertdirektor des Wiener Tonkünstler-Orchesters, Oskar Nedbal, das Ritterkreuz. Auch er hatte das Prager Konservatorium absolviert und dann mit seinen früheren Studienkollegen Karel Hoffmann, Josef Suk und Otakar Berger das böhmische 264 Vortrag Hartel v. 20.9.1904 – HHStA, Kab. Kanzlei, 2582/1904.



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Streichquartett gegründet, dem er bis 1906 angehörte. 1907 übernahm er die künstlerische Leitung des Wiener Tonkünstler-Orchesters. »Wenn heute das Wiener Tonkünstler-Orchester zu den künstlerisch hervorragendsten heimischen Musikvereinen zählt und speziell im Wiener Musikleben eine führende Rolle einnimmt, so gebührt dieses Verdienst in erster Linie Konzertdirektor Nedbal, welcher es kraft seiner außerordentlichen musikalischen Fähigkeiten verstanden hat, dieses Orchester durch keine Mühe scheuende, systematische Ausbildung binnen kurzem zu einem seltenen Grade anerkannter künstlerischer Vollkommenheit emporzuführen.« Es war das der Grund, warum ihn der Vorstand des Vereins »Wiener Tonkünstler-Orchester« für eine kaiserliche Auszeichnung vorschlug. Ausgezeichnet wurde als weiteres Mitglied des böhmischen Streichquartetts der 1850 geborene Prager Hanuš Wihan. Wihan hatte sich »um die heimische, insbesondere die böhmische Tonkunst seltene Verdienste erworben« und lehrte am Prager Konservatorium. Er hatte viele Jahre am Mozarteum Cello unterrichtet und war dann als Konzertmeister und Solocellist an die Münchner Hofoper engagiert worden. 1888 ging er als Professor an das Prager Konservatorium, wo er sich auch in pädagogischer Hinsicht einen bedeutenden Ruf erwarb. »Im Jahre 1894 wurde er Mitglied des böhmischen Streichquartettes und hat sich als solches durch seine ausgezeichneten Leistungen einen hervorragenden Anteil an den großen künstlerischen Erfolgen erworben, welche dieses Quartett im Inund Auslande erzielt hat.«265 1915 regte die böhmische Statthalterei die Gründung eines Landesmusikrates für das Königreich Böhmen an. Die Musik zähle zu »den besten Kulturwerten, die in Österreich insbesondere Böhmen geschaffen hat«. Die Statthalterei machte sich zur Anwältin böhmischer Interessen und meinte, Böhmen sei »ein solch altberühmtes Wiegenland der Tonkunst, welcher zuletzt erst wieder die Genien Smetanas und Dvořáks ganz neue ureigene Wege gewiesen haben«  ; Böhmen sei deshalb innerhalb der Monarchie zu einer Führungsrolle berufen. Dies sollte mit Hilfe eines der Statthalterei angegliederten Beirats für Musikangelegenheiten geschehen, der aus dem Musikreferenten der Statthalterei, dem Direktor des Prager Konservatoriums und den staatlichen Musikinspektoren sowie Vertretern des Landesausschusses, des Landesschulrats und vom Unterrichtsministerium nominierten Experten bestand – nur das Ministerium selbst war in diesem Gremium nicht vertreten. Zeitgleich tauchte jedoch der Vorschlag auf, die Musiksektion der Kunstkommission zu einem beratenden Organ des Ministeriums auszubauen – beide Ideen wurden abgelehnt. Weder brauche das Ministerium ein weiteres begutachtendes zentrales Organ noch eine Zersplit265 Vortrag Hussarek v. 25.6.1913 – HHStA, Kab. Kanzlei, 1584/1913.

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terung durch Beiräte in den einzelnen Kronländern. Ein »Landesmusikrat« sei auch deshalb überflüssig, weil es sich hierbei um Kompetenzen der Zentralverwaltung und nicht um solche einzelner Landesstellen handle. Auch auf die hohen Kosten wurde hingewiesen  ; maximal sei deshalb eine Ergänzung der bereits bestehenden Kommission durch weitere Fachleute aus den Kronländern denkbar. Böhmen befinde sich auf einer hohen Stufe der Tonkunst, das alleine könne aber »eine Sonderstellung dieses Kronlandes in Bezug auf die zu schaffende staatliche Musikaufsicht nicht rechtfertigen«, auch Niederösterreich und Salzburg stünden Böhmen um nichts nach266. Damit wurde klar ausgedrückt, was die politische Absicht war, nämlich die Förderung vielfältiger Entwicklungen, die allerdings in einem allgemein vorgegebenen Rahmen bleiben sollten. Die Kronländer sollten gemäß ihren Bedürfnissen gefördert und gestärkt werden, einzelne Länder sollten jedoch nicht über die Maßen gegenüber anderen bevorzugt werden. Die Förderung einer unabhängigen Landes-Kultur hatte also dort ihre Grenzen, wo die Gefahr einer kulturellen Zerplitterung drohte, die das gemeinsame Staatsganze in Frage stellte. 2.3 Vom Denkmalschutz zum Heimatschutz 2.3.1 Denkmalschutz als regionale Aufgabe

Der Denkmalschutzgedanke war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunächst nur schwach verankert. Alte Burgen und Kirchenruinen wurden als Steinbrüche genutzt, ebenso Stadttore und Stadttürme, kunsthistorisch wertvolle Fresken wurden übermalt oder verputzt, alte Grabsteine und Inschriften zerstört oder wiederverwendet. Flügelaltäre, kirchliche Einrichtungsgegenstände, Gemälde, Rüstungen und Waffen sowie Archivalien wurden an Händler verkauft und ins Ausland verschoben. Viele Kunstschätze gingen unwiederbringlich verloren. Eine Aufforderung des Böhmischen Landesausschusses an die Bezirksvertretungen – sie wurden am 12. Juni 1868 angewiesen, für die Erhaltung und den Schutz der im Land befindlichen historischen und Kunstdenkmäler zu sorgen – fand wenig Beachtung. Eindringlich appellierte ein Vierteljahrhundert später, im Jahr 1893, der Landesausschuss an die Bezirksausschüsse, die Ehre Böhmens zu verteidigen und in der Bevölkerung das Bewusstsein für die schützenswerten Kulturschätze der Heimat zu wecken. Alle archäologischen und historischen Funde sollten von den Gemeinden gesammelt und registriert werden, auch bewegliche Denkmäler, bei denen »Verschleppung oder Vernichtung« drohe. Auf diesem Weg solle »dem 266 Schreiben Wieners v. 23.10.1915 als Antwort auf den Vorschlag der Böhmischen Statthalterei v. 17.8.1915 mit tschechischen Beilagen – AVA, Unterricht-Allg., Fasz. 3072, 29043/1915.



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23  Castello del Buonconsiglio (Trient), Innenhof

Königreiche Böhmen in Bezug auf die Erhaltung von Denkmälern und Altertümern ein Ehrenplatz unter den Kulturstaaten gewahrt bleiben«267. Diese Initiative des böhmischen Landesausschusses wurde zum Vorbild für andere Landesverwaltungen, die Weisung aus dem Jahr 1893 hatte Modellcharakter. Sowohl unbewegliche Denkmäler (Grabstätten, mittelalterliche Bauten oder deren Überreste, Wandgemälde und Verzierungen aller Art, Statuen, Steinmetzarbeiten usw.) als auch bewegliche Altertümer (prähistorische Denkmäler aus verschiedenen Materialien, Kirchengerät, Uhren, Gemälde, Zeichnungen, Medaillen und Münzen, Rüstungen und Waffen, historische Küchengeräte, Musikinstrumente, Hausgeräte, Stickereien, Zunftladen, Fahnen usw.) sollten inventarisiert werden, um sie vor Vernichtung zu schützen268. 1897 wurden ähn267 Landesausschuss des Königreichs Böhmen an die Bezirksvertretungen v. 23.12.1893 – Steiermärkisches Landesarchiv, Landesausschuss Rezens, Signatur Vb/2 1897. 268 AVA, Unterricht-Allg., Fasz. 3110.

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liche Gesetzesentwürfe für Mähren sowie für Tirol und Vorarlberg ausgearbeitet269. Böhmen wurde in den neunziger Jahren zu einem Schwerpunktgebiet des Denkmalschutzes, nur im Trentino und in Dalmatien gab es eine ähnliche Dichte an Projekten. In Böhmen wurde vor allem in die Restaurierung von Rathäusern, die Erhaltung wertvoller Bürgerhäuser, von Sgraffitofassaden und von Fresken investiert. Das denkmalschützerische Großprojekt dieser Jahre war die Restaurierung der Burg Karlstein. Aber auch zur Finanzierung der Restaurierung des Prager St.-Veits-Domes wurde ein namhafter staatlicher Beitrag geleistet, ab 1887 wurden über zehn Jahre jährlich 15.000 Gulden überwiesen. Mit »Rücksicht auf die hohe kunsthistorische Bedeutung« des Gebäudes sei die »Inanspruchnahme öffentlicher Mittel vollauf gerechtfertigt«, begründete Minister Gautsch 1891 die Verlängerung dieser staatlichen Subvention270. In Tirol hatte die Erhaltung der Burgen einen großen Stellenwert  ; zentrale Projekte waren die Restaurierung von Schloss Tirol und des Castello del Buonconsiglio. Dies erwies sich als besonders aufwendig, weil die Burg durch lange militärische Nutzung vollkommen heruntergekommen war und zunächst einmal von Ungeziefer befreit werden musste. Zwar stand die kunsthistorische Notwendigkeit und Dringlichkeit außer Frage, doch erst aufgrund einer Initiative von Erzherzog Franz Ferdinand konnte die Militärgarnison abgesiedelt werden. Der Tiroler Landeskonservator Franz Wieser riet in diesem Zusammenhang von einer Überlassung des Schlosses an die Gemeinde Trient dringend ab, »in Anbetracht der politisch nicht immer einwandfreien Haltung der Stadtgemeinde«, die zudem auch nicht die für eine Restaurierung nötigen finanziellen Mittel aufbringen könne. Ähnlich, so Wieser, verhalte es sich auch hinsichtlich einer möglichen Übergabe an den Bischof. »Die einzig richtige Lösung dieser großen Frage schiene mir, dass das Kastell von Seiner Kaiserlichen Apostolischen Majestät übernommen werde.« Das sollte einen positiven politischen Nebeneffekt mit sich bringen, wie Wieser an Franz Ferdinand schrieb  : »Es schiene bei den E. k.u.k. Hoheit genugsam bekannten politischen Verhältnissen Welschtirols von einer weitergehenden politischen Bedeutung, wenn dieser Palast, an den sich so große historische Erinnerungen knüpfen, und in dessen Besitze die Bevölkerung ihre Fürsten zu sehen seit Jahrhunderten gewohnt war, in der Hand des Monarchen wäre, und wenn die kaiserliche Standarte auf den Zinnen des Turmes der Bevölkerung vor Augen hielte, dass Österreich dieses Grenzland fest in der Hand hält.« Wieser setzte sich nicht durch, die Burg sollte an die Stadt Trient übergeben werden. Der Rückzug des Militärs konnte allerdings nur schrittweise durch269 AVA, Unterricht-Allg., Fasz. 3048, 743/1898. 270 Vortrag Gautsch v. 28.10.1891 – HHStA, Kab. Kanzlei, 4432/1891.



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gesetzt werden, wodurch sich die Restaurierungsarbeiten erheblich verzögerten271. Weitere Projekte in Tirol waren die Erhaltung der Innsbrucker Triumphpforte, die Erhaltung des Schlosses Kastellbell sowie der Schutz der Fresken auf Schloss Cles. Generell spielte die Sicherung von Fresken in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg eine große Rolle. So wurden zum Beispiel die Fresken im Schloss Sabbionara bei Avio vom Staat angekauft, nachdem der Landtag eine Kostenübernahme abgelehnt hatte272. Die starke Zunahme von Denkmalschutzprojekten führte dazu, dass die Unterstützung der Tätigkeit der Zentralkommission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale zu einer wesentlichen Aufgabe der Statthaltereien wurde. In Tirol wurde in der Statthalterei ein eigener Beirat für Kunstpflege und Denkmalschutz eingerichtet, der bis 1914 unter der Leitung von Hofrat Franz Ritter von Wieser stand. Neben der Bewertung bzw. Befürwortung von Restaurierungsansuchen bzw. der Ernennung von Konservatoren – es war dies der Hauptteil der Arbeiten – ging es der Statthalterei vor allem um die Aufdeckung und Verfolgung von Missbräuchen, d.h. im Wesentlichen um eine von der politischen Behörde in Zusammenarbeit mit der Gendarmerie wahrgenommene polizeiliche Funktion. Tatsächlich häuften sich nach der Jahrhundertwende die Anzeigen gegen Pfarrer und Klöster, die illegal Kunstgegenstände an Antiquitätenhändler im Inund Ausland verkauften. Deshalb veranlasste im Jahre 1904 die Statthalterei die Inventarisierung der »noch vorhandenen Kunstschätze des Klosters Neustift bei Brixen besonders mit Rücksicht auf das bedenkliche Schwinden derselben«. Die Zentralkommission unterstützte dies durch die Entsendung eines Sachverständigen, denn die Stifte seien »nicht bloß eine Stätte des Kultus, sondern auch der Pflege der Kunstinteressen«. Aus den Akten geht hervor, dass vor allem Antiquitätenhändler in Meran, Innsbruck und München illegale Ankäufe tätigten273. Hofrat Wieser selbst erstattete Anzeige wegen des widerrechtlichen Verkaufs mehrerer Kunstobjekte aus der Pfarrkirche von Seefeld. Nach »eingehender Befragung« gab der dortige Pfarrer zu, mehrere Statuen an einen Antiquitätenhändler verkauft zu haben274. Die Statthalterei und die Bezirkshauptmannschaften forderten mit Unterstützung des Landesausschusses die Gemeindevorsteher, Schulleitungen, Pfarren und die Gendarmerie zur Ahndung dieser Delikte auf, »zur nachdrücklichen Mitwirkung zur Verhütung der Verschleppung von inländi271 Tiroler Landesarchiv, Statthalterei für Tirol und Vorarlberg, Fasz. 695, Z 36418. 272 AVA, Unterricht-Allg., Fasz. 3106, 21570/1910. Zu den Restaurierungsprojekten in Tirol siehe auch die Fasz. 3104 und 3105. 273 Tiroler Landesarchiv, Statthalterei für Tirol und Vorarlberg, Abt. IIIb, Kunst 1906/07, Fasz. Nr. 695. Zum Kloster Neustift siehe ebd., 24402/1906, die Initiative ging allerdings auf das Jahr 1904 zurück. 274 Ebd., 5038/1906.

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schen Kunstgegenständen«  ; die Antiquitätenhändler wurden in der Folge regelmäßig kontrolliert und überwacht275. Auch schon in den Jahren zuvor hatte man vergeblich versucht, den Verkauf kirchlicher Kunstschätze ins Ausland zu unterbinden. Das Unterrichtsministerium erließ 1901 eine Verordnung, wonach aufgrund älterer Gesetze die politischen Behörden befugt waren, wertvolle Kunstwerke in den Kirchen unter Schutz zu stellen und den Verkauf zu verhindern. Die Bezirkshauptmannschaften überprüften die Pfarren in ihrem Wirkungskreis, meist mit dem ernüchternden Ergebnis, dass es nach Auskunft der Pfarrvorsteher dort angeblich keine schützenswerten Kunstwerke gab. Tatsächlich machte das Fehlen von Inventaren eine sinnvolle Kontrolle unmöglich, und durch das Fehlen eines Denkmalschutzgesetzes hatten die Behörden kaum die Möglichkeit, bei Missbrauchsverdacht einzuschreiten276. Im Zuge einer Erhebung in der Steiermark im Jahre 1904 behaupteten die Bezirkshauptleute in ihren Berichten, dass die steirischen Pfarren verarmt seien und es in den Kirchen keine schützenswerten Kunstschätze gebe. Dies gründete sich auf den Stellungnahmen der Pfarren und Ordinariate. Nur ein einziger Bezirkshauptmann hatte Zweifel  : »Dies muss jedoch unter allen Umständen bezweifelt werden, da die meisten älteren Kirchen, insbesondere Wallfahrtskirchen, im Besitze von mehr oder minder alten Kunstobjekten sich befinden dürften, deren richtige Beurteilung jedoch nur Kennern zusteht, die hierbezirks nicht vorfindig sind. Nach hierämtlicher Anschauung müssten die Kirchenvorsteher verhalten werden, eine staatliche Inventarisierung über sich ergehen zu lassen, von deren Resultate sodann die weiteren Verfügungen abhängig zu machen wären.«277 Es wurde jedenfalls – aufgrund der Berichte der Bezirkshauptmannschaften, der Stadtgemeinden und der kirchlichen Oberbehörden – in der ganzen Steiermark kein einziger Fall bekannt, dass Kunstwerke illegal aus Kirchen entfernt und verkauft worden wären. Auch in der Statthalterei wurde der Wahrheitsgehalt dieser Meldungen bezweifelt, denn die Untersuchung wurde 1905 wiederholt. Da aber auch diese Umfrage wieder auf den Auskünften der einzelnen Pfarrer beruhte, kam man zu dem gleichen unbefriedigenden Ergebnis. Weitere Schritte wurden nicht gesetzt. In Dalmatien und im Küstenland hatten der Schutz archäologischer Befunde und die Einrichtung archäologischer Museen einen hohen Stellenwert. Das zeigt sich auch in der ausführlichen Korrespondenz zwischen den Behörden und Konservator Frane Bulić, dessen Lebenswerk, das Archäologische Museum von Spalato, 275 Ebd., 6315/1906. 276 Steiermärkisches Landesarchiv, Statthalterei, 1. Geschäftsordnung, 24 – 15069/1712 und 44186/5461. 277 Steiermärkisches Landesarchiv, Statthalterei, 1. Geschäftsordnung, 24 – 9137/1904.



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1913 mit 16.000 Kronen subventioniert wurde. Konkrete Vorarbeiten zum Museumsbau gab es ab 1907, die dafür nötigen Grunderwerbungen verzögerten jedoch die Vollendung des Baues erheblich278. Das denkmalschützerische Großprojekt in Dalmatien – vergleichbar mit der Restaurierung von Karlstein in Böhmen – war die Restaurierung des Diokletianspalasts. Zu diesem Zweck wurde 1903 eine Kommission eingesetzt, die aus Vertretern der Bezirkshauptmannschaft, der Zentralkommission, des Österreichischen Archäologischen Instituts, der Gemeinde und der Finanzprokuratur bestand. Helfert selbst entwarf ein Spezialgesetz, das die Grundlagen zur archäologischen Sicherung des Palastes schaffen sollte279. 1904 beauftragte Unterrichtsminister Hartel Georg Niemann mit einer Neuaufnahme der römischen Palastruinen, die Arbeit daran nahm fünf Jahre in Anspruch. Die legislative Behandlung der Sicherung des Diokletianspalasts – vor allem hinsichtlich der nötigen Enteignungen – wurde zu einem Präjudiz für die allgemeine Regelung des Denkmalschutzes in der cisleithanischen Reichshälfte280. Die Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere die Erwerbung der Grundstücke im Diokletianspalast, zog sich allerdings bis 1918. Der Erhaltung des Palasts wurde auch eine kroatisch-nationale Bedeutung beigemessen  ; so kaufte sogar der kroatische nationalbewusste Abgeordnete Josip Smodlaka eine Parzelle – übrigens kein Einzelfall, denn auch der kroatische Politiker Juraj Biankini kaufte 1911 das venezianische Kastell von Zara281. Der Diokletianspalast war das wesentlichste Denkmalschutzprojekt in Dalmatien, darüber hinaus gab es aber auch noch zahlreiche weitere Projekte in verschiedensten Orten des Landes, wobei Frane Bulić in seiner Funktion als dalmatinischer Konservator immer ein gewichtiges Wort mitzureden hatte. Wie in Dalmatien spielte auch im Küstenland die Gründung eines archäologischen Museums (in Aquileja) eine große Rolle  ; von den ersten Überlegungen in den fünfziger Jahren an vergingen allerdings mehrere Jahrzehnte bis zur tatsächlichen Umsetzung282. In den Jahren 1895–1918 stand die Sicherung und Restau278 AVA, Unterricht-Allg., Fasz. 3233. 279 Ebd., Fasz. 3113 (Mikrofilm). 280 Ebd., Fasz. 3114 (Mikrofilm), 46550/1904, vgl. dazu auch den am 12. Juli 1904 resolvierten Vortrag 24202/1904. Siehe dazu den Abschnitt im Kapitel A.6 zum Denkmalschutzgesetz. 281 Biankini musste sich zur Erhaltung der Vorderfront des Gebäudes verpflichten, die anderen Teile des Palasts hielt die Zentralkommission nicht für erhaltenswert, dennoch mussten ihr die Pläne für Neu- und Zubauten vorgelegt werden. Biankini versuchte sich gegen die strengen Auflagen zur Wehr zu setzen, Franz Ferdinand bestand jedoch auf einer persönlichen Einsichtnahme in die Baupläne. Für die Neugestaltung des Domplatzes legte Karl Holey ein Projekt vor – ebd., Fasz. 3115 (Mikrofilm), 8608/1911. 282 Ebd., Fasz. 3234.

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rierung der Mosaiken im Hauptschiff der Basilika von Aquileja im Mittelpunkt der staatlichen Bemühungen, weitere Projekte gab es in Pola, Lussingrande und Cherso. Insgesamt standen dabei die Erhaltung und Restaurierung von Stadtmauern, Kampanile und Fresken im Vordergrund. Das Ministerium überlegte auch im Küstenland wie in anderen Kronländern den Ankauf von Fresken durch den Staat, um sie dadurch unter Schutz zu stellen. Es handelte sich dabei nicht um eine Verstaatlichung im eigentlichen Sinn, sondern um einen Kauf durch den Staat. Auch eine archäologische Landaufnahme Istriens in Form einer archäologischen Karte wurde in Angriff genommen283. In Kärnten stand die Restaurierung von Schloss Straßburg im Mittelpunkt des Interesses, wobei sich das Ministerium bereit erklärte, hierfür einen angemessenen Beitrag zu leisten, allerdings nur für den gut erhaltenen Teil  ; für die schlechter erhaltenen Bauteile konnte das Ministerium aufgrund der hohen Kosten keine Subvention in Aussicht stellen284. In der Bukowina gab es nur ein denkmalschützerisches Großprojekt – die Restaurierung des Fürstenschlosses von Suczawa. Hier gelang auf Privatinitiative die Inventarisierung der im Besitze der Klöster und Kirchen befindlichen Kunst- und historischen Denkmale durch eine Kommission, in der auch die Landesregierung vertreten war. Man hielt sich an die Musterinventarisierung des Bezirkes Krems, die Kosten trug der griechisch-orientalische Religionsfonds285. Dadurch konnte ein Großteil der in der Bukowina befindlichen Kunstschätze, die fast ausschließlich im Kirchenbesitz standen, inventarisiert werden. In Salzburg ging es bei den Denkmalschutzprojekten vor allem um die Erhaltung der Stadtmauern von Radstadt, um den Mönchsberg und um den Salzburger Hexenturm. Ab 1913 stand die Instandsetzung der Pferdeschwemme im Vordergrund, vor allem die Fresken mussten gesichert und restauriert werden. Gegen Ende der Monarchie verdichteten sich auch in Salzburg die Diskussionen über die Schaffung eines eigenen Landesgesetzes für Denkmalschutz286. Grund dafür war, dass es kaum staatliche Durchgriffsmöglichkeiten gegenüber den Gemeinden gab und laufend archäologisch oder kunsthistorisch bedeutende Denkmäler zerstört wurden. Neben der genannten Weisung des böhmischen Landesausschusses wurde auch ein Schreiben des galizischen Landesausschusses an die autonomen Körper283 Ebd., Fasz. 3116, Mappe Küstenland. 284 Umfangreiche Korrespondenz mit der Kärntner Landesregierung, die im Gegensatz zu anderen Ländern die Verwaltung der Denkmalschutzagenden übernommen hatte – Ebd., Fasz. 3092 und 3093. 285 Ebd., Fasz. 3113, 34885/1905. 286 Ebd., Fasz. 3100, 5743/191.



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schaften zum Vorbild für andere Kronländer. Darin fand sich die Formulierung, dass »Urkunden und Akten der Gemeindearchive nicht veräußert, verschleppt oder zerstört« und an die zuständigen Archive und Museen abgegeben werden sollten – ein Gedanke, der besonders in Niederösterreich aufgegriffen wurde287. Ende 1893 verlangte die steiermärkische Statthalterei vom Landesausschuss im Hinblick darauf, dass »allerorts zahlreiche mittelalterliche Wohnstätten und sonstige Baudenkmale von historischer und künstlerischer Bedeutung verschwanden, ohne dass irgend ein Schritt zur Erhaltung derselben gemacht worden wäre«, die Vertreter des »Landesbauamtes und des Landeseisenbahnamtes anzuweisen, das Vorhandensein eines Kunst- und historischen Denkmales der Zentralkommission« anzuzeigen288. Für den Denkmalschutz im engeren Sinne bedeutsam waren in Niederösterreich vor allem die Ausgrabungen in Carnuntum  ; das archäologische Museum konnte nicht zuletzt mit Unterstützung des Landtags errichtet werden. Als vordringlich galt die Restaurierung des Amphitheaters, die Kosten dafür wurden mit 10.000 Kronen veranschlagt289. Denkmalschutz wurde in allen Teilen Cisleithaniens als wichtige Aufgabe der Landesverwaltungen begriffen  ; dennoch blieb er, trotz aller Bemühungen um eine Föderalisierung, wegen der hohen Kosten in erster Linie eine Angelegenheit der Statthaltereien und damit des verlängerten Arms der Staatsverwaltung – in der öffentlichen Wahrnehmung kam den Ländern damit in diesem Bereich eine Bedeutung zu, die wesentlich einer indirekten staatlichen Finanzierung zu verdanken war. 2.3.2 Die Heimat als politischer Wert  : Heimatschutz, Naturschutz und Tourismus

Im Zuge der mit dem modernen Denkmalschutz und den Bemühungen um ein Denkmalschutzgesetz verbundenen Inventarisierung der kunsthistorischen Schätze des Landes und deren Einreihung in ihren historischen Zusammenhang erhielt auch der Begriff der Heimat eine neue Stellenwert. Durch die Inventarisierung der Kunstschätze sollte die Liebe zur »heimatlichen künstlerischen Kultur« gefördert werden. Ähnlich wie archäologische Funde sollten auch »außerordentliche Naturerscheinungen« an die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften oder an die Hofmuseen gemeldet werden, um einen Verkauf ins Ausland zu unterbinden. Anlass für einen diesbezüglichen Erlass des Unterrichtsministeriums war ein Meteoritenfund, der ausländischen Instituten zum Kauf angeboten worden war290. 287 Niederösterreichisches Landesarchiv, F.6 Landesdienst, 6/6 1897, Prot. Nr.45196. 288 Steiermärkisches Landesarchiv, Landesausschuss Rezens, Signatur Vb/2 1893. 289 Niederösterreichisches Landesarchiv, Landesausschuss Fasz. 6, Karton 1a, Bauamt, c-3, allgemeines 1901, Prot. Nr. 38580. 290 Steiermärkisches Landesarchiv, Statthalterei, 1. Geschäftsordnung, Fasz. 24 – 13794/1899.

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Am 15. Juni 1902 forderte die niederösterreichische Statthalterei unter Verweis auf einen Erlass des Unterrichtsministeriums vom 2. Mai 1902 den Landesausschuss auf, den Naturdenkmälern des Landes besonderen Schutz angedeihen zu lassen. Unter Schutz gestellt werden sollten vor allem Gebiete, »die durch ihre landschaftliche Schönheit sich auszeichnen«. Verwiesen wurde auf den englischen »National trust for places of historic interest or natural beauty« und auf die französische »Société pour la protection des paysages«, aber auch auf lokale deutsche Vereinigungen wie den »Verschönerungsverein für das Siebengebirge«. Gefordert wurde die Schaffung von Gebieten, »in denen die Pflanzenwelt sich selbst überlassen würde, um die Entwicklung, welche die Vegetation bei Fehlen jeglichen menschlichen Eingreifens nimmt«, beobachten zu können. Auch die Errichtung geologischer Schutzgebiete wurde ins Auge gefasst. Ähnlich wie bei den Kunstschätzen betrachtete man die Inventarisierung der Naturdenkmale als Voraussetzung, um diese überhaupt unter Schutz stellen zu können291. Im Mittelpunkt stand also der Schutz der Heimat in ihrer natürlich und geschichtlich gewordenen Eigenart. Damit verbunden war der Schutz der Naturlandschaft, der kulturhistorischen Denkmäler und des kulturellen Erbes, also der Sitten, Gebräuche, Trachten, der Feste und der Volkskunst. Heimatschutz wurzelte in der Liebe zur Heimat und berief sich auf Rousseau und Herder. Im Heimatschutzgedanken federführend war Deutschland, von dort ausgehend bildete sich auch in Österreich ein Verein »Deutsche Heimat«. Bauwerke, Menschen und Landschaft wurden in einem allgemeinen Zusammenhang gesehen. Damals entstand die sprachwissenschaftliche Mundartforschung, volkstümliche Feste wurden gefördert und standardisiert, im Zusammenhang mit der Bewahrung des Brauchtums entwickelte sich die Skansenbewegung. In Österreich wurde insbesondere gegen die Verschandelung von Dachlandschaften durch Eternit angekämpft. Überall entstanden Heimatvereine, die sich für die Erhaltung der alten Strukturen einsetzten und sich gegen die Auswirkungen von Industrialisierung und Urbanisierung auf das Landschaftsbild engagierten. Heimatschutz hatte also eine stark modernisierungskritische Tendenz und durch die starke Betonung von Brauchtum und national-kulturellem Erbe eine deutlich national geprägte Komponente292. Am 8. Juli 1908 nahm das Ministerium für öffentliche Arbeiten in einer Aufzählung seiner Agenden unter »Förderung des Fremdenverkehrs« ausdrücklich auch den »Schutz charakteristischer Örtlichkeiten und landschaftlicher Schön291 Niederösterreichisches Landesarchiv, C1/4 Landesarchiv und Bibliothek 1903. 292 Heinrich Svoboda, Denkmalpflege und Heimatschutz (Laibach 1911, Sonderdruck aus der Laibacher Schulzeitung) sowie Diethart Kerbs, Jürgen Reulecke (Hgg.), Handbuch der deutschen Reformbewegungen (Wuppertal 1998), »Heimatschutz«, 47–57.



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heiten« auf, womit die bislang in die Kompetenz des Unterrichtsministeriums fallenden Angelegenheiten des Heimatschutzes und der Naturdenkmalpflege größtenteils an das Ministerium für öffentliche Arbeiten übergingen, die eigentliche Denkmalpflege im engeren Sinne blieb weiterhin beim Unterrichtsministerium. Eigene Einrichtungen für den Heimatschutz gab es nicht, das Ministerium übte seine Oberaufsicht mit Unterstützung der Landesverbände für Fremdenverkehr aus293. Die Zentralkommission war mit dieser Kompetenzbeschneidung überhaupt nicht einverstanden und verwies in einer Stellungnahme darauf, dass die Bestrebungen zur Erhaltung des Ortsbildes und des Heimatschutzes von der Denkmalpflege ihren Ausgang genommen hätten und davon auch nicht zu trennen seien. Die Denkmalschützer verlangten, dass die Zentralkommission bei allen Agenden des Heimatschutzes dem Ministerium für öffentliche Arbeiten als beratendes Organ beigezogen werden sollte. Im angesprochenen Ministerium wurde zwar die prinzipielle Bereitschaft zur Zusammenarbeit betont, allerdings gab man zu bedenken, »dass die Bestrebungen des Heimatschutzes wenigstens dermalen noch ganz uferlos sind«. Die Zentralkommission solle sich auf den Ortsbildschutz beschränken, man könne sie nicht bei Neubauten oder bei der Festlegung von Naturdenkmalen einbeziehen. Diese Kompetenzaufteilung erwies sich als wenig praktisch, und 1911 forderte Unterrichtsminister Stürgkh die Übertragung der Agenden des Heimatschutzes an das Unterrichtsministerium  : »Diesem Ministerium wären auch die Agenden des Heimatsschutzes zu übertragen, und zwar aus dem Grunde, weil für dessen Pflege ähnliche Erwägungen maßgebend sind, auf welchen der zum Wirkungskreise dieses Ministeriums ressortierende Denkmalschutz beruht und weil sich ein Ausbau dieses jungen Zweiges staatlicher Verwaltung am leichtesten durch eine Anlehnung an jene Organisation wird erzielen lassen, welcher die vom Unterrichtsministerium verwaltete Kunst- und Denkmalpflege obliegt.« 294 Wichtiger als die Kompetenzverteilung auf Ministerialebene war allerdings die praktische Umsetzung des Heimatschutzgedankens in den Bauordnungen, die durch Landesgesetze geregelt wurden. Seit den frühen 1890er Jahren gab es vergebliche Versuche zur Koordinierung dieser unterschiedlichen Bestimmungen. Der Landesausschuss von Mähren berichtete über die Situation der Bauordnungen in Iglau, Znaim, Brünn und Olmütz, und die Zentralkommission drängte auf stärkere Berücksichtigung denkmalschützerischer Aspekte295. 1891 sollte auf Drängen der Zentralkommission in den Bauordnungen in Mähren die Bestimmung eingefügt werden, dass bei Baulinien auf historische Gebäude Rücksicht genommen werden 293 Ebd., Stellungnahme des Unterrichtsministeriums vom 8. Juli 1908, 2535/1908. 294 Vortrag Stürgkh v. 15.11.1911 – HHStA, Kab. Kanzlei, 3345/1911. 295 AVA, Unterricht-Allg., Fasz. 3047, 13115 und 15471/1893.

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müsse und dass beim Umbau historischer Gebäude Konservatoren heranzuziehen seien. Die neugestaltete mährische Bauordnung sollte als Vorbild dienen – doch das Ministerium sprach sich gegen diesen Punkt aus. Im galizischen Bauordnungsentwurf fand man die Kompromissformel, dass Gebäude, die vor 1800 errichtet worden waren, ohne Bewilligung nicht verändert oder zerstört werden durften, in jedem Fall seien Gutachten eines Konservators einzuholen296. Am Beispiel der diesbezüglich äußerst fortschrittlichen Landesgesetzgebung von Böhmen wird die enge Verbindung von Denkmalschutz, Heimatschutz und Tourismus besonders deutlich. Nicht nur wurde der Wert des Denkmal- und Naturschutzes für den Tourismus erkannt, er wurde auch national-propagandistisch verwertet  : 1914 wurde innerhalb des Landesverbandes für Fremdenverkehr die Deutsche Landeshauptstelle für Denkmalpflege, Natur- und Heimatschutz in Böhmen gegründet. Hierbei fällt die starke Bezugnahme zum Umweltschutz auf  : Einerseits wurde die Schönheit der Heimat hervorgehoben, andererseits wurden aber auch die Gefahren eines Verschwindens der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt, des Verfalls der Kulturschätze und der Verschandelung und sogar Zerstörung der Landschaft durch moderne Bauten und Steinbrüche betont. Verlangt wurde eine »einheitliche Beratungsstelle zur Pflege und Fortbildung der ländlichen und bürgerlichen Bauweise, zur Hebung der Volkskunst, Erhaltung der Volksgebräuche und Wertschätzung der Volkstracht«. Die enge Verbindung von Natur- und Heimatschutz mit den Bemühungen zur Hebung des Fremdenverkehrs unter nationalpolitischen Aspekten zeigt sich auch darin, dass seit 1901/02 die Höritzer Volksschauspiele als gemeinnütziges die Volkskunst förderndes Unternehmen unterstützt wurden297. Wie der Heimatschutz kam die Idee zur Errichtung von Nationalparks ebenfalls über Deutschland nach Österreich. Ende 1909 fand unter Leitung der Gesellschaft der Naturfreunde in Stuttgart eine Konferenz von Naturvereinen und Wissenschaftern statt, wo für Österreich die Gründung eines Vereins mit dem Ziel der Errichtung von Nationalparks angeregt wurde, »in denen die Natur im urwüchsigen Zustande erhalten und der fortschreitend von der Kultur immer mehr bedrohten Tier- und Pflanzenwelt eine sichere Zufluchtsstätte geboten werden soll«298. Die Schaffung von Nationalparks sei von außerordentlichem 296 Ebd., Fasz. 3048. Stellungnahme Helferts zum Denkmalschutzgesetz 473/1897. Entwurf des Denkmalschutzgesetzes 1909 in Fasz. 3082, 6862/1909. Siehe dazu den Abschnitt zum Denkmalschutzgesetz im Kapitel A.6. 297 Ebd., Fasz. 3111, 1576/191.Vergleiche Pieter Judson, Guardians of the Nation. Activists on the Language Frontiers of Imperial Austria (Cambridge–London 2006), 159–164. 298 Schreiben der Zentralkonferenz der Landes-Verbände für Fremdenverkehr in Österreich an das Ministerium für öffentliche Arbeiten v. 3.11.1909 – Niederösterreichisches Landesarchiv, Statthalterei, Karton 2241, VII 86v, Zl. 1838.



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Wert für den Fremdenverkehr, hieß es, und solle daher von der Regierung und dem dafür zuständigen Ministerium für öffentliche Arbeiten ganz besonders gefördert werden. 1911 stellte der Landtagsabgeordnete Luboř Jeřábek den Antrag auf ein Gesetz zum Schutz der natürlichen und landschaftlichen Sehenswürdigkeiten des Königreichs Böhmen299. Demnach sollten »hervorragende natürliche Sehenswürdigkeiten, Berge, Felsen, Ruinen, Fundorte seltener Pflanzen und Tiere, volkstümliche Denkmäler und Bauten, welche mit dem Ortsbilde verwachsen sind«, durch einen Erlass der politischen Behörde geschützt werden. Eigene Bezirkskommissionen sollten die Erhaltung der natürlichen und landschaftlichen Sehenswürdigkeiten überwachen. Große Bedeutung wurde der Wahrung des Stadtpanoramas von Prag beigemessen, das im Zusammenhang mit der Moldauregulierung und dem Bau der Sophien-Insel-Staustufe gefährdet war. Der Klub »za starou Prahu« setzte sich für möglichst geringe Veränderungen im Ortsbild Prags ein300. Der Klub behauptete, dass die Regulierungen massive Auswirkungen auf das Stadtbild hätten. Tatsächlich stand anfangs (1906) die Demolierung des Kleinseitner Wasserturms zur Diskussion, was nicht zuletzt durch die Initiative dieses Vereins verhindert werden konnte. Auch im Süden der Monarchie gab es ähnliche Entwicklungen. 1909 ersuchte Gustav W. Gessmann als Konsulent für Fremdenverkehr des Ministeriums für öffentliche Arbeiten um eine Intervention zum Schutz der Naturschönheiten der Halbinsel Lapad bei Gravosa–Ragusa. Er bezeichnete die Erhaltung der lokalen Vegetation als wichtig für die Hebung des Fremdenverkehrs, diesem Ziel stand aber die geplante Errichtung eines Hafens entgegen. Gessmann schlug vor, Lapad als Dalmatinischen Naturpark zu erhalten und unter staatlichen Schutz zu stellen301. 1902 wurden in der Tiroler Landesverwaltung die Kunstagenden aus ihrer Verbindung mit dem Unterrichtswesen herausgelöst. 1911 wurde eine eigene Statthaltereiabteilung eingerichtet, in der jährlich über 300 Angelegenheiten der Kunstförderung, des Denkmalschutzes und des Heimatschutzes behandelt wurden302. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg blieb zwar der Denkmalschutz das zentrale Aufgabengebiet der Statthalterei, doch nun gewannen völlig neue Bereiche an Bedeutung, die zwar prinzipiell Aufgabe der Landesverwaltung gewesen wären, jedoch aufgrund der beschränkten Möglichkeiten für Kulturaus299 300 301 302

AVA, Unterricht-Allg., Fasz. 3111, 42625/1911. Ebd., Fasz. 3112, 14865/1913. Ebd., Fasz. 3114, 13260/1909. Tiroler Landesarchiv, Statthaltereiabteilung IIIb – Naturdenkmäler und Heimatschutz, Erhaltung der kunst- und historischen Denkmäler und Kunstförderung.

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gaben aus Landesmitteln der Staatsverwaltung zufielen. Dazu zählen vor allem Förderungen für lokale Kulturvereine  ; so wurde etwa 1911 die Renovierung des Ausstellungslokals des Meraner Künstlerbundes subventioniert303. Weitaus kostenintensiver waren die Heimatschutzbemühungen. Die finanziellen Beschränkungen wurden vor allem beim Wiederaufbau nach dem Brand zerstörter Dörfer deutlich. Erstmals wurde das im Tiroler Zirl vorexerziert, was zwar Vorbildwirkung für ähnliche Projekte hatte, die allerdings bei ihrer Realisierung schnell an finanzielle Grenzen stießen. Als 1911 Uggowitz im Kanaltal von einem Brand zerstört wurde, wollte man beim Wiederaufbau »im Interesse des Heimatschutzes eine einheitliche, dem Landschaftsbilde angemessene Bauweise« wählen. Die Kärntner Statthalterei erkundigte sich bei den Tiroler Kollegen, wie »zu den durch Anwendung einer einheitlichen Stilart etwa verursachten Mehrkosten besondere Subventionen« zu erhalten wären. Doch die Antwort der Tiroler Statthalterei war wenig erfreulich. Der Wiederaufbau von Zirl »im Sinne einer heimischen künstlerischen Bauweise« sei unter ganz besonderen Umständen erfolgt  ; Zirl wurde unter Leitung von Professoren der Staatsgewerbeschule zu einem Musterprojekt, das vom Ministerium für öffentliche Arbeiten und vom Kaiser persönlich gefördert wurde304. Als wenig später die Ortschaft Wald im Gemeindegebiet von Arzl zur »Beibehaltung der heimischen Bauweise bei der Wiederherstellung der abgebrannten Gehöfte« um Unterstützung ersuchte, wurde das Subventionsgesuch in der Höhe von 3000 Kronen mit der Begründung abgelehnt, dass der dafür in Frage kommende »Fremdenverkehrskredit« für das laufende Jahr ausgeschöpft sei305. Die Verwirklichung eines großflächig angelegten Ensembleschutzes scheiterte an den finanziellen Rahmenbedingungen. Es wird aber gerade aus dieser Ablehnung heraus deutlich, dass eine wesentliche treibende Kraft für den Heimatschutz der aufkommende Fremdenverkehr war. Großprojekte wie das von Zirl blieben die Ausnahme, man beschränkte sich auf die Förderung von Heimatschutzvereinen und Fremdenverkehrsinteressen durch das Ministerium für öffentliche Arbeiten306. Auch auf dem im Juni 1912 in Deutschland stattge303 Ministerium für Cultus und Unterricht an die Statthalterei – Tiroler Landesarchiv, Statthalterei für Tirol und Vorarlberg 1911, Z. 157, XVI-135. Die Subvention von 500 Kronen wurde unter dem Titel »Kunststipendien« – »Subvention für Kunstmuseen und Vereine« budgetiert. 304 Tiroler Landesarchiv, Statthalterei für Tirol und Vorarlberg 1911, Z. 162, X–68. 305 Ebd., Z. 70, X–68. 306 Der mit 1000 Kronen unterstützte Verein für Heimatschutz in Tirol habe sich um den Heimatschutzgedanken bereits verdient gemacht, schrieb die Statthalterei in ihrer Stellungnahme  ; es gehe bei dieser Subvention nicht nur um die Erhaltung kultureller Werte, »sondern sie bringt erfreulicherweise auch wirtschaftliche Vorteile mit sich, indem der Fremdenverkehr dadurch in mannigfacher Weise gefördert werden kann«. – Ebd. 1911, Z. 197, X-68.



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24  Altstadt von Zirl nach dem Wiederaufbau

fundenen Zweiten Internationalen Kongress für Heimatschutz, der einen internationalen Vergleich über den Stand der Heimatschutzbewegung in den einzelnen Ländern ermöglichen sollte, referierte der österreichische Teilnehmer Karl Giannoni aus Mödling – er war Geschäftsführer des Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz in Niederösterreich – über das Thema »Heimatschutz und Fremdenverkehr«307. Aufgrund des zunehmenden »Verfalls der bodenständigen Bauweise« und um der »heimischen Bauweise und schlichten bürgerlichen Baukunst eine erhöhte Pflege angedeihen zu lassen«, wollte man auch in Tirol »der immer mehr um sich greifenden Geschmacklosigkeit bei Bauführungen« durch gesetzliche Regelungen entgegenwirken. Zunächst wurde 1910 vom Tiroler Landtag ein Rahmengesetz einschließlich einer neuen Bauordnung beschlossen, überlegt wurde auch die Schaffung eines eigenen Bau-Beirats. Vom Land angestellte Architekten und Vertrauensmänner sollten »im ganzen Lande das Bauwesen günstig beeinflussen«. Diese Sachverständigen sollten nur beratende Funktion haben und nicht an den Bauverhandlungen mitwirken, um die Entscheidungsfreiheit der Gemeindevorsteher nicht einzuschränken308. Dennoch äußerte das Ministerium für öffentliche Arbeit Bedenken  ; befürchtet wurde die Unterbindung von Industrieprojekten durch zu strenge Reglementierungen. Andererseits drängte die Zentralkommis307 Ebd. 1912, X–68. Hier das Programm dieser Tagung. 308 Ebd., Z. 27, X–68.

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sion nicht nur auf eine Inventarisierung der geschichtlich und kunsthistorisch wertvollen Objekte, sondern es sollten auch Verzeichnisse der Plätze, Straßen und Anlagen, die im Sinne der Ortsbildpflege erhaltenswert waren, angelegt werden. Bei der Ausarbeitung von Regulierungsplänen sollte ein Vertreter der Denkmalbehörde beteiligt sein  ; außerdem sollte die Zentralkommission bei Neubauten, die in das Ortsbild eingriffen, Gutachten erstellen309. Eine deutliche Verschärfung folgte knapp zwei Jahre später aufgrund einer persönlichen Anweisung von Erzherzog Franz Ferdinand  : Das Denkmalamt sollte »zu jeder Bauordnung konkret Stellung« nehmen310. Die Zentralkommission griff in den letzten Jahren der Habsburgermonarchie immer stärker in einzelne Projekte ein, lehnte etwa den Umbau der Markuskirche in Trient in ein Finanzamtsgebäude ab, weil die Kirche durch das Projekt zu sehr »in ihrer architektonischen Wirkung« beeinträchtigt worden wäre, unterband aber auch die Anbringung von Werbeaufschriften am Palais Taxis in Innsbruck  ; der Tiroler Gewerbeverein hatte dort ein Museum errichtet, die Werbeplakate sollten der Finanzierung dienen311. Zweifellos hatte der Heimatschutz eine stark konservative, modernisierungsfeindliche Komponente. Häufig standen ihm daher Wirtschaftsinteressen entgegen, es zeigten sich aber auch Tendenzen, die über den Ensemble- und Gebäudeschutz hinausgingen, in Richtung eines kombinierten Denkmal- und Naturschutzes. Als der das Schloß Berneck bei Kauns umgebende Wald abgeholzt werden sollte und dadurch eine Schädigung des Landschaftsbildes befürchtet wurde, intervenierte das Ministerium für öffentliche Arbeiten und forderte die Bezirkshauptmannschaft auf, eine photographische Dokumentation nach Wien zu senden und die Abholzung aus forstgesetzlichen Gründen aufgrund mangelnder Nachhaltigkeit zu untersagen, weil nämlich der Wald »ohne Rücksicht auf das Alter des Holzbestandes« abgeholzt werden sollte312. Auch am Achensee schienen die Interessen des Heimat- bzw. Naturschutzes gefährdet, nachdem die Firma Siemens die Errichtung eines Wasserkraftwerkes plante, was zu größeren Schwankungen des Wasserpegels geführt hätte. Das Ministerium erteilte die Genehmigung nur mit zahlreichen Auflagen. Die Schwankungen sollten gering gehalten werden, um »eine möglichst unveränderte Erhaltung der landschaftlichen Szenerien, Uferränder und einzelner charakteristischer Naturdenkmäler, wie Felsbildungen« zu ermöglichen. Die Rohrleitungen sollten naturschonend errichtet 309 Stellungnahme der Zentralkommission v. 7.2.1911 – ebd. 310 Die Zentralkommission ersuchte aus diesem Grund das Ministerium für öffentliche Arbeiten am 10.12.1913 um die Übersendung der Bauordnungsentwürfe – ebd. 311 Ebd. 1913, X–68. 312 Ministerium für öffentliche Arbeiten an die BH Landeck – ebd. 1912, X–68.



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und »durch Strauchwerk beziehungsweise Bäume« kaschiert werden. Auch die eigentlichen Kraftwerksbauten sollten an das Landschaftsbild angepasst werden313. In den Monaten vor dem Ersten Weltkrieg häuften sich in Tirol und Vorarlberg die Fälle vermeintlicher oder tatsächlicher landschaftlicher Verunstaltung durch bauliche Maßnahmen. Dazu zählten der Bau eines Etschkraftwerks bei Schlanders, der Ausbau der Lauteracher Reichsstraße bei Dornbirn sowie die Erweiterung der Illschlucht bei Feldkirch. Die Illschlucht, so die Bezirkshauptmannschaft in ihrer Stellungnahme, sei zwar keine erstrangige Sehenswürdigkeit, »doch immerhin ein landschaftlich hübsches Naturdenkmal«, dessen Veränderung allerdings aufgrund des Hochwasserschutzes für Feldkirch unausweichlich sei. Auch in diesem Fall überwog in der Argumentation die touristische Motivation über den eigentlichen Naturschutz. Das wurde bei einer anderen Gelegenheit noch deutlicher, als es nämlich um die Verhinderung der Vermurung der Fernsteinseen ging. In einer Stellungnahme des Tiroler Landesverkehrsrats hieß es dazu  : »Die Fernstein-Seen bilden in dem Landschaftsbilde auf dem südlichen Abhange des Fernpaßes eine der schönsten und für den Eindruck dieses Bildes unentbehrlichsten Partien. Ihre Erhaltung ist daher eine Aufgabe des Naturschutzes, der auch im Hinblicke auf die Interessen des Fremdenverkehrs große praktische Bedeutung zukommt. Die Vermurung der Seen, die ohne Durchführung von Schutzarbeiten unaufhaltsam zu sein scheint, würde die alljährlich von vielen Tausenden zu Fuß, zu Wagen oder im Automobil unternommene Tour über den Fernpaß eines ihrer am meisten anziehenden Reize berauben. Die Erhaltung der Seen liegt deshalb im öffentlichen Interesse.«314 Das Ministerium für öffentliche Arbeiten begrüßte zwar die Erhaltung der Seen »vom Standpunkte des Heimatschutzes und des Fremdenverkehres«, lehnte aber eine finanzielle Unterstützung aus Staatsmitteln ab315. Auf Initiative des Ministeriums sollte im Rahmen des Heimatschutzes auch die Erhaltung und Bewahrung der Volkstrachten gefördert werden. In einem Erlass vom 1. August 1911 wurde vor dem Verschwinden der »heimischen Volkstrachten« gewarnt  : »Im Interesse der Erhaltung dieser reizvollen originellen Trachten« müssten Mittel und Wege zu deren Erhaltung gefunden werden. Das Ministerium setzte auf didaktische Maßnahmen, die sich bereits bei der Vermittlung von dem Land angepassten Bauweisen bewährt hätten, »deren Pflege den baugewerblichen Unterrichtsanstalten zur Pflicht gemacht worden ist«  ; alte Handwerkstechniken sollten stärker gefördert und unterrichtet werden. Am konservativen Ansatz dieses Gedankens wurde kein Zweifel gelassen  : »Ziel ist die 313 Ebd. 1913, X–68. 314 Landesverkehrsrat an Statthalterei v. 19.2.1913 – ebd. 1914, X–68. 315 Ministerium für öffentliche Arbeiten an die Statthalterei – ebd.

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Erhaltung der bestehenden Trachten, keinesfalls deren Veränderung.« Das Ministerium stellte die Subventionierung von Kursen »von geschulten Lehrkräften an den Hauptsitzen eines Trachtengebietes« in Aussicht. Die Kurse sollten im Winter stattfinden, Arbeitsmaterialien und Stoffe wurden den weniger bemittelten Teilnehmern kostenlos überlassen. Für die Durchführung sollten die kunstgewerblichen Museen, die Gewerbeförderungsinstitute, die Bildungsanstalten für Frauengewerbeschullehrerinnen, Frauengewerbeschulen und nicht zuletzt die Fremdenverkehrsverbände gewonnen werden, wobei ein Drittel der Kurskosten vom Ministerium getragen worden wäre. Das ambitionierte Projekt scheiterte an der Realität, denn aufgrund der hohen Kosten, die mit der Herstellung von Trachten verbunden waren, konnten nicht ausreichend Teilnehmerinnen für diese Kurse gewonnen werden316. Eine direkte Subventionierung einzelner Trachtenvereine durch das Ministerium gab es nicht317. Auffallend ist der hohe Stellenwert des Heimatschutzes in Tirol, der hier weit stärker als in anderen Kronländern ausgeprägt war. Das ist auf zwei Ursachen zurückzuführen  : erstens die enge Verbindung zwischen Heimatschutz und Tourismus und zweitens auf die Entstehung des Heimatschutzgedankens in Deutschland, das zugleich der wichtigste Markt für den Tiroler Fremdenverkehr war. Durch die Entdeckung des Fremdenverkehrs als zukunftsträchtigen Wirtschaftszweig wurde eines der am wenigsten begüterten Kronländer Österreichs zu einem Vorreiter in Fragen des Natur- und Ensembleschutzes.

316 Ebd.1912, Z. 17, X–68 317 Zum Beispiel Ablehnung eines Subventionsansuchens für die Beschaffung historischer Trachten für die Musikkapelle Serfaus v. 7.4.1913 – ebd. 1913, X–68.

Resümee  : Die Kunst im Dienst des habsburgisch-österreichischen Gesamtstaatsgedankens Auf dem Gebiet des Denkmal-, Natur- und Heimatschutzes wird deutlich, wie wenig zielführend die Anwendung von Kategorien wie konservativ und fortschrittlich im Bereich von Kunst und Kunstpolitik ist. Das konservative Bewahren konnte modern, geradezu radikal sein. Gleichzeitig beinhaltete der konservatorisch-moderne Ansatz aber auch eine zutiefst reaktionäre Komponente, dann nämlich, wenn ihre Vertreter auf eine Abkehr von der modernen Welt und auf eine Flucht in die scheinbar heile Welt des Vergangenen zielten, die zwangsläufig museal-konstruiert war. Die in wesentlichen Teilen von Alois Riegl geprägte wissenschaftliche Herangehensweise konnte davor nicht bewahren  ; der strenge Positivismus der Zeit, der Zwang zur Wissenschaftlichkeit und Vergleichbarkeit legte eine Musealisierung nahe. Riegl war ein Kritiker eines zu rigiden Positivismus, vor allem trat er für eine scharfe Trennung zwischen dem musealen Vorbild und dem darauf aufbauenden freien künstlerischen Schaffen ein – denn ein übersteigerter Positivismus lasse keine Kreativität zu. Im Denkmalschutz bedeutete das den Verzicht auf Rekonstruktion und das Erkennen des Werts von Altersspuren, verbunden mit einer modernen Methodik wissenschaftlicher Analyse, die einen Vergleich künstlerischer Epochen und Strömungen ermöglichen sollte. In der modernen Kunst bedeutete es eine Weiterentwicklung und Neuinterpretation historischer Vorbilder, wie zum Beispiel im Möbelbau in der Anknüpfung der Wiener Werkstätten an Modelle aus der Zeit des Biedermeier. Wie schon einleitend ausgeführt, ist ein Charakteristikum der Kunstpolitik der Habsburgermonarchie, dass es keinen Masterplan gab – und Ansätze zu konzeptionellen Grundlinien kaum umgesetzt werden konnten, sieht man von Teilen der Thun’schen Reform und der Positionierung des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie als kunstpolitischer Leitinstanz ab. Deutlich werden in der Kunstpolitik der Habsburgermonarchie nach 1848 aber vier grundlegende Ansätze. 1. Ideologischer Ansatz. Dieser wurde bereits im Zusammenhang mit der Thun’­ schen Reform in den fünfziger Jahren formuliert und in den folgenden Jahrzehnten ausgebaut  : Es ging um die Nutzbarmachung der Kunst zur Hebung des staatlichen Prestiges und um eine Modernisierung im Rahmen des liberalen Denkens. Unterstützt werden sollte mit wenigen Ausnahmen das, was sich am freien Markt durchsetzen konnte. Ein wichtiges Anliegen war die

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Förderung und Verbesserung des Architekturunterrichts, denn eine architektonisch adäquate Repräsentation lag im Interesse des Staates. Es wird ein epochenabhängiger Geschmack deutlich – etwa in der Förderung von Friedrich Schmidt und der Neogotik in der Ära Thun – zumindest in den von mir bearbeiteten Dokumenten gibt es aber keine Anzeichen dafür, dass ein einheitlicher österreichischer »Staatsstil« geschaffen werden sollte. Im Falle des immer wieder zitierten Neobarocks wird dies zwar immer wieder behauptet, doch lässt sich das aus den Quellen nicht bestätigen. Es gab keine prinzipielle Bevorzugung eines bestimmten künstlerischen Geschmacks – sondern es dominierte die Intention, eine hochwertige künstlerische Produktion zu fördern. Klare Kriterien wurden nicht festgelegt, es wurde individuell entschieden – persönliche Vorlieben erhielten dadurch einen großen Stellenwert. Die einzige epochenübergreifende kunstpolitische Maxime war die übernationale Tendenz und das Bemühen, unterschiedliche und häufig sogar gegensätzliche künstlerische Strömungen miteinander in Verbindung zu setzen. Kunst solle den Geschmack wandeln, schrieb Thun – der Geschmack wurde aber nicht genau umschrieben. Selbst in der in der Frühzeit so massiv unterstützten Historienmalerei stand die Förderung dieser Kunstgattung an sich im Mittelpunkt – Künstler sollten in der Lage sein, Historienbilder zu malen –, die eigentlichen Inhalte waren zweitrangig, sieht man einmal davon ab, dass patriotische Themen bei den staatlichen Auftraggebern natürlich besonders gut ankamen. 2. Industrieller Ansatz. Dieser stand vor allem in den sechziger Jahren im Mittelpunkt, Vorbilder waren die englische, dann aber auch die französische und die deutsche Kunstindustrie. Mit dem Österreichischen Museum für Kunst und Industrie wurde ein städtebaulicher Akzent gesetzt, durch ein eigenständiges Gebäude, das sich auch geographisch dem Einfluss des Hofes entziehen und über die Kunstgewerbeschule eine große Strahlkraft im gesamten Staatsgebiet entwickeln sollte. Minister Stremayr sprach von der Ringstraßenzeit als von einer vom Kunstgewerbe getragenen Kulturepoche, in der sich geschäftliche und künstlerische Erfolge miteinander verbanden. Dieses Konzept war erfolgreich, denn der Historismus wirkte in die Kronländer und volkskundliche Motive strahlten zurück ins Zentrum. Beides trug zur Entstehung eines kulturell definierten österreichischen Narrativs bei. Erst nach dem Tod Eitelbergers wurde dieser in letzter Konsequenz doch sehr zentralistische Ansatz vor allem durch Riegl in Frage gestellt und eine Dezentralisierung eingeleitet, dominiert von der Suche nach einem multinationalen österreichischen Stil. 3. Organisatorischer Ansatz. Hierin setzte sich die zentralistische Zugangsweise am stärksten durch, denn Leo Thun und seine Nachfolger waren bemüht, die Rolle des Ministeriums für Cultus und Unterricht als übergeordneter Kunstbehörde zu festigen und auszubauen. Unter dem Einfluss Eitelbergers ver-



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stärkte sich diese Tendenz, da sich ein kultureller Deutschzentralismus durchsetzte, der den bestehenden organisatorischen Zentralismus ergänzte und verstärkte. In den inhaltlichen kunstpolitischen Vorgaben blieb das Ministerium aber zurückhaltend, meist waren es die persönlichen Ansichten maßgeblicher Persönlichkeiten – des Ministers, des Sektionschefs oder des obersten Beraters Eitelberger –, die in den Entscheidungen zum Tragen kamen. Das gilt insbesondere für Professorenernennungen, die im Hinblick auf die Förderung künstlerischer Richtungen häufig widersprüchlich waren und klare Konzepte vermissen lassen. Auch die Staatsausstellungen als Steuerungselement – ein wichtiger Faktor im gesamten 19. Jahrhundert – waren bei weitem nicht so effizient, wie man sich das im Ministerium erhofft hätte. Ebenso gilt das für die jahrzehntelang nicht verwirklichte Forderung nach Gründung einer Staatsgalerie. Mit der Modernen Galerie wurde diese dann zwar geschaffen, doch mussten die zu hoch gelegten Ansprüche schon nach wenigen Jahren wieder zurückgeschraubt werden – weniger aus finanziellen Gründen, sondern weil offensichtlich der kunstpolitische Konsens unter den Politikern und Kunstschaffenden fehlte. Erfolgreicher war man hinsichtlich der Präsentation der österreichischen Kunst und der Kunstindustrie im Ausland auf Weltausstellungen und Kunstgewerbeausstellungen. Hierbei wurde das angestrebte Ziel, das Prestige der Habsburgermonarchie durch die Kunst zu heben, vollends erreicht. Die Dichte an internationalen Ausstellungen und deren Beschickung stellte eine nicht zu unterschätzende logistische und finanzielle Herausforderung dar. Obwohl sich um die Jahrhundertwende eine dezentrale Sichtweise durchsetzte, kam es gerade in diesen Jahren zur Verstaatlichung mehrerer Kunstschulen  : der Krakauer und der Prager Kunstakademie sowie der Wiener Akademie für Musik und darstellende Kunst. Auch hinsichtlich des Denkmalschutzes gelang damals eine Optimierung durch eine gleichzeitige Reorganisation der Zentralkommission und eine stärkere Einbindung regionaler Kräfte. 4. Regionaler Ansatz. Ausgehend von der schon seit Beginn des 19. Jahrhunderts durch die Errichtung einiger Landesmuseen nach dem Vorbild des Grazer Joanneums stark regional orientierten Museumspolitik wurde deren Potential zur Schaffung eines übernationalen Landesbewusstseins erkannt und durch weitere Bereiche – etwa Landestheater – ergänzt. Auch die Förderung von regional verankerten Kunst- und Musikvereinen ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Obwohl es sich eigentlich um eine Verstaatlichung handelte, gehört auch die Gründung der Prager Kunstakademie in diesen Bereich, weil damit eine symbolische Aufwertung des Kronlands Böhmen intendiert war und es sich um eine – im Gegensatz zur nationalen Zersplitterung im Universitätswesen – in diesen Jahren selten gewordene utraquistische Einrichtung handelte. Der Staat unterstützte nach der Badenikrise sogar das mittlerweile

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stark tschechisch-national geprägte Böhmische Nationalmuseum, das allerdings nominell bis zum Ende der Monarchie beiden Nationalitäten gewidmet blieb, ebenso wie die Prager Moderne Galerie. In diesem Zusammenhang ist auch der Denkmalschutz und in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg der Heimatschutz zu nennen – im Sinne einer politischen Dienstbarmachung von Denkmalschutz, Landschafts- und Naturpflege und eines häufig imaginär überzeichneten kulturellen Erbes der Heimat. Der Heimatbegriff wurde einer potenziell gefährlichen Föderalisierung und Nationalisierung entzogen und in einen überregionalen Staatsgedanken eingebunden. Riegl und sein Vorgänger als Ordinarius für Kunstgeschichte an der Universität Wien, Rudolf Eitelberger, waren die führenden Ideologen der österreichischen Kunstpolitik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Obwohl sie vom persönlichen und wissenschaftlichen Ansatz her nicht gegensätzlicher sein konnten – Eitelberger als Promotor des Historismus, Riegl als dessen scharfer Kritiker und als Repräsentant der Moderne – stellt beider Lebenswerk doch einen roten Faden dar, anhand dessen sich die wesentlichen Abläufe der politischen Ideologie des österreichischen Staatsgedankens von den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg nachvollziehen lassen. Die beiden Persönlichkeiten waren eng miteinander verbunden, obwohl – oder gerade weil – die wissenschaftliche Laufbahn Riegls erst nach dem Tod Eitelbergers begann. Eitelberger war Begründer und erster Lehrstuhlinhaber für Kunstgeschichte an der Universität Wien, Riegl nach einem Jahrzehnt sein kongenialer Nachfolger. Eitelberger hatte das Österreichische Museum für Kunst und Industrie begründet und über zwei Jahrzehnte geleitet, Riegl war in diesem Amt sein verhinderter Nachfolger. Durch seine scharfe Kritik am »Kopierzwang« des Historismus und am Museum als »Geschmacksbehörde« hatte er sich selbst aus dem Rennen um die Direktion genommen. Er litt schwer unter dieser Zurücksetzung, die universitäre Laufbahn konnte ihm kein Ersatz für seinen Lebenstraum sein. Wie seinerzeit für Eitelberger war auch für ihn die Verbindung zwischen der Wissenschaftlichkeit des universitären Ordinariats mit der Praxis des Museumsbetriebs und der ihm angeschlossenen Kunstgewerbeschule von zentraler Bedeutung. Es war die Umsetzung des im »Kronprinzenwerk« zu Papier gebrachten österreichischen Staatsgedankens ins Museale, die Eitelberger und Riegl trotz aller bestehenden Gegensätze über zwei Generationen hinweg verband. Die Suche nach der Einheit in der Vielfalt, nach völkerverbindenden Elementen, die man in den unterschiedlichen künstlerischen Traditionen der Habsburgermonarchie und ihrer Volkskunst zu finden glaubte und das damit verbundene Streben nach Supranationalität prägten ihr Lebenswerk. Kunst war sowohl für Eitelberger als auch für Riegl das Medium der Einheit und Versöhnung zwischen den Nationalitäten und für Eitelberger



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auch zwischen den Staaten – er sprach deshalb von den Ausstellungen als den »friedlichen Schlachtfeldern«. In seiner Supranationalität ging Riegl weiter als Eitelberger, der sich nie ganz von seiner auf Wien zentralisierten und auf die angebliche Fortschrittlichkeit des Deutschtums fokussierten Haltung lösen konnte. Riegl – bei dem Wien als Zentrum der Monarchie ebenfalls eine wichtige Rolle spielte – lebte den von Eitelberger formulierten künstlerischen Österreichpatriotismus kompromissloser, wobei er wohl nicht zuletzt durch den nationalen Umbruch der 1890er Jahre geprägt war, auf den er reagierte  : Nationale Kategorien waren ihm nicht nur fremd, sie waren ihm zuwider und er bekämpfte sie mit wissenschaftlichen Methoden. Er konnte aber nicht verhindern, dass von ihm selbst mitgeprägte (und häufig ins Pseudowissenschaftliche verkehrte) Argumente zum Narrativ von Nationalkulturen wurden. So konnten archäologische Befunde nationale Traditionen begründen (etwa den Mythos vom Großmährischen Reich) oder es konnten – wie auf der Archäologieausstellung 1893 – römische Funde auf österreichischem Boden als Element des kulturellen Erbes einer fiktiven österreichischen Identität gesehen werden. Riegl griff das auf und betonte die römischen Fundamente des Habsburgerreiches und den kulturellen Primat der lateinischen über die germanische Welt1. Das Dilemma war, dass alles, was als Argument für den österreichischen Staatsgedanken herangezogen wurde, gleichzeitig auch die nationale Argumentation stützte, die den Vorteil hatte, dass sie einfacher formuliert und stärker über die Gefühlsebene transportiert werden konnte. Das war es auch, worauf sich spätere Kritiker wie Gombrich bezogen, nämlich die bei Riegl trotz aller Wissenschaftlichkeit deutlich werdende Akzentuierung einer emotionalen Komponente. Sein Beharren auf der Notwendigkeit von Mythen und pseudo-religiösen Ideen konnte von ihm nicht gewollte Folgen haben. Tatsächlich war für ihn die Kunst ein Religionsersatz und eine Möglichkeit zur Beeinflussung und Lenkung der Massen. Dieser fast totalitaristische Ansatz war anational und humanistisch gedacht, konnte sich aber schnell in sein Gegenteil verkehren. Eitelberger und Riegl prägten durch ihre theoretischen Grundlagen die Politik ihrer Minister. Eitelberger war hierbei viel mehr Praktiker als Riegl und griff aktiv in die Politik ein, indem er als politischer Berater für Erzherzog Rainer und die Kultusminister Stremayr und Conrad fungierte, die sich fast ausschließlich auf die Expertisen Eitelbergers verließen. Diese enge Verbindung zur Politik fehlte Riegl, sonst wäre er wohl zum Direktor des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie berufen worden. Seine Anschauungen wurden jedoch 1 Diana Reynolds-Cordileone, Riegl, 187 ff. Riegl betonte die Dominanz römischer materieller Kultur im Mittelalter und wandte sich gegen Versuche, einen »deutschen Stil« im Mittelalter auszumachen.

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von der Politik sehr wohl aufgenommen und umgesetzt, insbesondere unter Unterrichtsminister Hartel. So ist auffallend, dass das Ministerium um die Jahrhundertwende verstärkt Ankäufe außerhalb Wiens – vor allem in Prag – tätigte. Auch für die Moderne Galerie wurde intensiv aus nationalen und internationalen Ausstellungen angekauft2. Das erfolgte unter der Prämisse, dass in ihrer ursprünglichen Konzeption die Moderne Galerie den österreichischen Künstlern repräsentative Beispiele internationaler Kunst als Anschauungsobjekte bieten sollte – durch die Umwandlung in eine »Österreichische Staatsgalerie« ging dieser Ansatz aber verloren. Nun stand das künstlerische Schaffen Cisleithaniens im Vordergrund. Durch Beteiligung von Wiener Sammlungen an Ausstellungen in der Provinz sollte auch in der sogenannten Peripherie die Identifikation mit dem Staat gestärkt werden. Der Idee von Kunst als Bindeglied zwischen den Völkern Österreich-Ungarns dienten die Wanderausstellungen, durch die auch ländliche Regionen mit Kunst in Berührung gebracht wurden. Vom Kunstrat wurde 1899 darüber hinaus die Idee eines »Wandermuseums« angeregt, wobei – um die Hemmschwelle für die Landbevölkerung zu verringern – ländliche Sujets in moderner Form ausgestellt wurden. Von 1901 bis 1907 wurde das »Wandermuseum« in über zwanzig Städten der Monarchie gezeigt. Im Ministerium gab es ein eigenes Komitee für das Wandermuseum, das dem Minister beratend zur Seite stand, das allerdings, wie der Kunstrat, nach 1905 – übrigens das Todesjahr Riegls – kaum noch einberufen wurde3. Die Stildiversität in der Habsburgermonarchie wurde schon von Eitelberger positiv beurteilt. Er, der im Gegensatz zu Riegl auch immer den kommerziellen Aspekt mitbedachte, sah darin einen entscheidenden Vorteil in der kunstgewerblichen Konkurrenz zu anderen Staaten, vor allem aber zum großen direkten Konkurrenten, dem Deutschen Reich. Dass Österreich in großen Ausstellungen besser abschnitt als der Nachbar im Norden, schien ihm Recht zu geben und er münzte dies auch politisch-propagandistisch um. Da er sich nicht von seiner deutsch geprägten Haltung lösen konnte, schuf er das Narrativ einer kulturellen Überlegenheit gegenüber dem Deutschen Reich und wies auf den Niedergang des regionalen (Kunst-)Handwerks in Deutschland und dessen Blüte in Österreich hin. Die Idee einer künstlerischen Revanche für Königgrätz und der kulturellen Überlegenheit Österreichs gegenüber Deutschland fand in der Bürokratie viele Anhänger und wurde zu einer treibenden Kraft für den Mythos des Kulturund Musiklandes Österreich, der von der Politik bereitwillig aufgegriffen und gefördert wurde. 2 3

AVA, Unterricht-Allg., Fasz. 3061. Ebd., Fasz. 3090, 47812/1905.



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Riegl entwickelte diesen Gedanken auf seine Art weiter, indem er den Vorrang des italienischen über den deutschen Renaissancestil und die stark verwurzelte lateinische Tradition Österreichs betonte sowie die nationale Vielfalt der österreichischen Moderne als Gegenprogramm zum rigiden deutschen Historismus pries. Das und die Vielschichtigkeit der Volkskunst hoben das alte Österreich von anderen modernen Nationen ab, war seine Überzeugung. Riegl betonte, dass Österreich als Kulturstaat gegenüber dem deutschen Machtstaat an Prestige gewinnen könne, denn Österreich befinde sich seit römischer Zeit im Schnittpunkt alter kultureller Traditionen. Der Mythos der Überlegenheit der österreichischen über die deutsche Kultur war ungemein erfolgreich und an Nachhaltigkeit kaum zu überbieten  ; er wurde nach dem Ende der Monarchie in der Zwischenkriegszeit nahtlos weiterverfolgt und im Ständestaat perfektioniert – und er war auch noch in der Zweiten Republik prägend. Natürlich war das nicht das alleinige Werk Eitelbergers oder Riegls. Dieser Mythos entsprang vielmehr dem Zeitgeist nach dem Ausscheiden Österreichs aus der deutschen Politik und wurde auch von vielen anderen vertreten – man denke nur an Berta Zuckerkandl als unermüdliche Verfechterin eines eigenständigen österreichischen Stils. Doch nur Eitelberger hatte die einzigartige kommunikative Fähigkeit, dies in ein politisches Konzept zu gießen und ihm zum Durchbruch zu verhelfen. Die Prägung eines österreichischen Kulturstaates und die breite Akzeptanz dieses Wertes in weiten Bevölkerungskreisen war eine wichtige Leistung dieser Epoche. Obwohl die Kunst staatlich gefördert wurde und ohne diese staatliche Förderung zumindest in dieser Form kaum hätte bestehen können, hatte man sich schon sehr früh von der Idee einer direkten staatlichen Leitung der Kunst verabschiedet und gab solche Überlegungen – so sie überhaupt noch existierten – um die Jahrhundertwende endgültig auf. Von ihren Kritikern wurde der Moderne zu Recht ihre Staatsnähe angelastet. Das ist allerdings differenziert zu sehen  : Zwar gab es eine finanzielle Abhängigkeit, aber keine inhaltliche Vereinnahmung, es dominierte vielmehr Liberalität, und man schlug auch die Tür zu nationalen Kunstrichtungen – etwa der von Alfons Mucha in Prag – nicht zu. Eine staatskonforme Kunst gab es nicht und diese wurde auch nicht angestrebt. Die Überlegungen wiesen vielmehr in die gegensätzliche Richtung. Dem widerspricht auch nicht, dass häufig persönliche Geschmackskriterien politischer Akteure den Ausschlag gaben – anzuführen sind vor allem die Professorenernennungen – eine allgemeine und vor allem eine zeitübergreifende grundlegende Tendenz zur Förderung eines bestimmten Geschmacks kann daraus nicht abgelesen werden. Der Staat sah sich vielmehr liberalen Prinzipien verpflichtet  : Es wurde als die Aufgabe des Staates gesehen, die Grundlagen zu schaffen, aber gleichzeitig das Gewähren größtmöglicher Freiheit in der Ausführung sicherzustellen. Das kann niemals völlig losgelöst von den Strömungen der Zeit – vom viel zitier-

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ten Zeitgeist – gesehen werden, denn selbstverständlich dominierte lange Zeit die historistische Maxime Eitelbergers – aber nie so sehr, dass man sich anderen Strömungen völlig verschlossen hätte. Man wollte sich dem Neuen öffnen und dieses zulassen. Dies ist eine Besonderheit der Kulturpolitik der franzisko-josephinischen Epoche und unterscheidet damit das habsburgische Österreich von anderen europäischen Staaten dieser Zeit, die etwa, wie Deutschland, stärker historistischen Konzepten verbunden blieben. Nicht vergessen werden sollten allerdings die von den Proponenten unbeabsichtigten Nebeneffekte dieser Politik. Nicht die Abhängigkeit der Künstler vom Staat war das Problem, auch wenn dieser sich – etwa im Streit um die Klimt’schen Universitätsbilder – nicht völlig aus dem politischen Tagesgeschehen heraushalten konnte. Das eigentliche Problem war, dass die Idee des Kulturstaates ein unvollständiges Stückwerk bleiben musste, solange sich seine zweite Komponente, das Bildungswesen, nicht auf gleicher Ebene entwickeln konnte. In legislativer Hinsicht war man hier durchaus fortschrittlich  : Die Thun’sche Universitäts- und Gymnasialreform, das Reichsvolksschulgesetz sowie der Ausbau der Universitäts- und Gymnasialbildung trugen dazu bei, dass das habsburgische Österreich den Vergleich mit anderen westlichen Staaten Europas nicht scheuen musste. Das Problem lag allerdings im Detail, denn die nationalen Aktivisten hatten die Schule als das geeignete Terrain ihres politischen Kampfes erkannt. Die Offensive der Regierung im Bildungswesen zur Heranbildung österreichpatriotischer Staatsbürger, die gegen den nationalen Virus immun sein sollten, scheiterte. Die relative Harmonie im Bereich der Kunstpolitik überdeckte damit die Kontroversen um die Schulen. Während der Wert und die Bedeutung der Kunst für die gesellschaftliche Entwicklung in allen Bevölkerungsschichten verankert werden konnten, gelang dies bei der Bildung nicht. Die nationalen Streitigkeiten an den Universitäten und Gymnasien, die anhaltenden Studenten- und Schülerdemonstrationen, aktivistische Lehrkräfte, der Streit über die Zukunft der Schulen in Landtagen und im Reichsrat, das alles traf bei den Menschen auf wenig Verständnis und trug dazu bei, dass die Bildungsinstitutionen eine negative Reputation hatten und sich diese bis zum Ende der Monarchie sogar noch verstärkte – auch das mit Nachwirkungen bis in die heutige Zeit. So gesehen blieben die Bemühungen um einen habsburgisch-österreichischen Kulturstaat unvollendet. Hinzu kam eine in bürgerlichen Kreisen der Habsburgermonarchie weit verbreitete kulturpessimistische Grundhaltung, die durch die Errungenschaften der Kunstpolitik nur etwas gemildert werden konnte. Das Österreichische Museum für Kunst und Industrie, das dichte Netz an Kunstgewerbeschulen, das Ausstellungswesen, der Ausbau von Landesmuseen und staatlicher Sammlungen, der moderne Denkmalschutz, die Förderung der Musik- und Theaterkultur, der Ausbau der Kunstakademien – das alles waren



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wesentliche Elemente eines neu geschaffenen Österreichpatriotismus im Inneren und eines neu gewonnenen staatlichen Prestiges nach außen. Damit konnte die Habsburgermonarchie den inneren Spannungen ein positives Signal entgegensetzen und nach außen hin zumindest in diesem Bereich Großmachtpolitik betreiben. Die politische Tragik war, dass es dabei blieb. Eine österreich-patriotische kulturelle Fassade wurde errichtet, die aber nur in sehr abgeschwächter Form in andere Lebensbereiche wirkte. Außenpolitisch war eine kulturelle Großmachtattitüde allein zu wenig, um im internationalen Staatensystem zu reüssieren. Der Kulturstaatsgedanke trug in der Habsburgermonarchie dazu bei, dass die Lösung dringender Probleme nicht angegangen wurde oder man sie – gemäß des kulturell erfolgreichen Konzepts der Einheit in der Vielfalt – in den lokalen Bereich abschob, wo sie aber nur in einzelnen Fällen lösbar waren. Dies vor allem dann nicht, wenn die Schiedsrichterfunktion des übergeordneten Staatswesens fehlte bzw. es ihm an effizienten Werkzeuge zur Durchsetzung seiner Entscheidungen mangelte. So blieb die äußere Hülle einer künstlerischen Harmonie und Blüte, die auch noch im heutigen Österreich in der touristisch-kommerziellen Betrachtung der habsburgischen Vergangenheit dominiert. Ein Aspekt soll abschließend noch angesprochen werden – die Förderung der Landesidentität. Die häufig multinational zusammengesetzten habsburgischen Länder waren ein Gegenkonzept zum immer manifester werdenden Nationalstaatsgedanken und eine Ergänzung zum österreichischen Gesamtstaatsgedanken. In der heutigen Betrachtung der Habsburgermonarchie wird die im Rahmen der Zeit nicht zu unterschätzende Subsidiarität – vor allem hinsichtlich der Gemeindeautonomie – häufig übersehen oder unterschätzt. Regionalbewusstsein – nicht Nationalbewusstsein – wurde von der staatlichen Politik als wichtig erachtet und gefördert, war es doch ein Modell, von dem man sich erwarten konnte, dass es emotional ansprechender war als der spröde und doch nur sehr theoretische Gesamtstaat mit seiner für das beginnende 20. Jahrhundert nur sehr schwachen Symbolik um Dynastie, Kirche und Heer. Mit der Betonung des Landesbewusstseins konnte man hingegen die Gefühlsebene ansprechen. Die Berufung auf historische Helden war allerdings schon wieder problematisch, weil diese meist national konnotiert waren. Unumstrittene künstlerische Größen, vor allem aber die Schaffung von kulturellen Institutionen (Wissenschafts- und Kunstakademie, Landes- und Nationalmuseen, Musikkonservatorien) sollten hingegen ein Landesbewusstsein schaffen und stärken, das sich harmonisch in den Gesamtstaat einfügen konnte. Über den Erfolg dieser Initiative kann man geteilter Meinung sein. Es war dort erfolgversprechend, wo das Landesbewusstsein auf starken historischen Traditionen aufbaute, vor allem in Böhmen, wobei man hier aber sehr schnell in ein national-politisches Fahrwasser geriet, da das Landesbewusstsein national umgeformt wurde. Entscheidend war in jedem Fall die finanzielle Kraft und materielle

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Eigenständigkeit der Länder. Auch hier ist Böhmen ein gutes Beispiel, das sich aus eigener Kraft eine Autonomie schuf, die über das hinausging, was Wien gewähren wollte. Das war allerdings ein Sonderfall, denn viele Länder konnten zwar auf lange historische Traditionen zurückblicken – etwa Tirol –, hatten aber kaum die erforderlichen Mittel, um ihr Landesbewusstsein finanziell zu untermauern. Hier sprang der Staat ein, indem lokale Initiativen über die Statthaltereien finanziell gefördert wurden. Da sich die Staatsorgane bewusst im Hintergrund hielten, wurden in der öffentlichen Wahrnehmung kulturelle Errungenschaften häufig mit der Landespolitik verbunden, wobei die Wechselwirkungen zwischen Zentral- und Landesverwaltung die Entscheidungsfindung verschleierten. Dennoch sind Zweifel über das Erfolgspotenzial dieses Konzepts angebracht. Es zeigt sich nämlich, dass bis heute regionale Identität emotionell in erster Linie lokal verankert ist und die übergeordneten Länder eher als künstliche Konstrukte wahrgenommen werden. So gesehen hätte man noch eine Ebene tiefer ansetzen müssen, doch war eine Kulturförderung auf Gemeindeebene finanziell undurchführbar – die Gemeinden verfügten nicht einmal ansatzweise über finanzielle Mittel für diesen Bereich – und dies wäre wohl auch auf erhebliche administrative Schwierigkeiten gestoßen. Über den längerfristigen Erfolg oder Misserfolg der Kulturpolitik des habsburgischen Österreich könnte man lange diskutieren. Auch wenn uns die politischen Realitäten eher an einen habsburgisch-österreichischen Mythos denken lassen und die Schaffung föderal-österreichischer Kodierungen unvollkommen blieb, so ist es doch eine Tatsache, dass ohne die staatlichen Initiativen die kulturelle Blüte Mitteleuropas zur Jahrhundertwende nicht möglich gewesen wäre. Die Reduktion auf einen habsburgisch-österreichischen Operettenmythos greift also zu kurz, denn sie verdeckt das Bemühen von Generationen von Politikern und Verwaltungsbeamten um die Schaffung von auf den gemeinsamen Staat ausgerichteten kulturellen Identifikationsmustern. Parallel zur Beteiligung breiter Bevölkerungsschichten an der Politik durch die Erweiterungen des Wahlrechts öffnete sich auch die bisher elitäre Kunst den Massen. Das zeigt sich im Entstehen ethnographischer Museen, der Integration von Elementen der Volkskunst in Musik und bildender Kunst und in der in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg entstehenden Heimatschutzbewegung. Deutlich wird die prinzipielle Fähigkeit des Staates zur Anpassung an geänderte Grundbedingungen und der Versuch, durch das Beschreiten neuer Wege destruktiven Tendenzen gegenzusteuern – in anderen Worten  : aktiv Politik zu betreiben. Die politischen Bemühungen zeigten Wirkungen, für eine Konsolidierung blieb jedoch keine Zeit. Kunst und Kultur wurden zu einer allgemein anerkannten Aufgabe des modernen Kulturstaates, auch wenn dieser dann doch nicht der gemeinsame war.

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Abbildungsnachweis

Österreichischen Nationalbibliothek, Bildarchiv Abb. 1  : Franz Anton Thun. PORT 00015013. Abb. 2  : Friedrich Schmidt. PORT 00068098 01. Abb. 3  : Erzherzog Rainer. PORT 00049145 01. Abb. 4  : Heinrich Ferstel. PORT 00009641 01. Abb. 5  : Österreichisches Museum für Kunst und Industrie. 111933C. Abb. 6  : Alois Riegl. 421531B. Abb. 7  : Eduard Leisching. PORT 00068323 01. Abb. 8  : Josef Storck. PORT00077928 01. Abb. 9  : Karl Stremayr. PORT 00123308 01. Abb. 10  : Wiener Ringstraße. KO2013C. Abb. 11  : Artur Bylandt-Rheidt. PORT 00011154 01. Abb. 12  : Rudolf Eitelberger von Edelberg. Pf5158C3. Abb. 13  : Otto Benndorf. PORT 00107104 01. Abb. 14  : Gustav Heider. PORT 00011296 01. Abb. 15  : Sigmund Conrad von Eybesfeld. PORT 00008896 01. Abb. 16  : Wilhelm Hartel. Pf159523C1. Abb. 17  : Maximilian Hussarek-Henlein. Pf27820D1. Abb. 18  : Österreichischer Pavillon auf der Kunstausstellung in Rom ( Josef Hoffmann, 1911). Pk1450b01. Abb. 19  : Wiener Musikvereinsgebäude (Theophil Hansen, 1870). 138606C. Abb. 20  : Burg Karlstein bei Prag. PK3003 0630 Abb. 21  : Josef Alexander Helfert. Pg159526I5. Abb. 22  : Diokletianspalast, Spalato. L21674B. Abb. 23  : Castello del Buonconsiglio (Trient), Innenhof. PK1131 0168. Abb. 24  : Altstadt von Zirl nach dem Wiederaufbau. 29782C.

Register

Orte Agram (Zagreb) 172 Ambras, Stadtteil von Innsbruck 159 Amsterdam 92 Andritz 175 Antwerpen 66, 92 Aquileja (Aquileia) 61, 125, 135, 163, 164, 211, 212 Arco 100, 145 Arzl 218 Aschbach 175 Athen (Athinai) 135 Avio 209 Bad Hall 157 Bad Ischl 87, 157, 172 Beraun (Beroun) 204 Berlin 26, 44, 90, 93, 94, 98, 116, 177, 191 Berndorf 154 Bečov nad Teplou siehe Petschau Bielitz (Bielitz-Biala; Bílsko-Bělá) 175 Bozen (Bolzano) 125, 141, 145, 160, 176 Bregenz 124, 176 Brixen (Bressanone) 126, 141, 209 Brünn (Brno) 155, 164 – 166, 176, 182, 189, 191, 198, 215 Budapest 84, 85, 115, 146, 154, 160, 185, 189, 196 Buenos Aires 95 Carnuntum 124, 213 Carolinenthal (Karlín, Stadtteil von Prag) 84 Cembra 175 Charkiv (Charkov) 112 Cherso (Cres) 212 Cles 209 Czernowitz (Černivci) 62, 118, 128, 154, 172, 174, 176 Dornbirn 145, 221 Dresden 94, 98, 132, 179

Dubrovnik siehe Ragusa Eggenberg 175 Eggenburg 168 Ephesos 134, 135 Erl 144 Essek (Osijek) 170 Feldkirch 145, 221 Franzensbad (Františkovy Lázně) 190 Friedland (Frýdlant) 188 Gleichenberg 103, 156 Gmunden 156 Görz (Gorizia) 62, 172 Gratkorn 175 Gravosa (Gruž) 217 Graz 62, 102, 112, 117, 149, 150, 160, 175, 176, 180 – 182, 193, 225 Györ siehe Raab Hall 146, 159 Heiligenkreuz 125 Hermannstadt (Nagyszeben, Sibiu) 172 Hernals, Stadtteil von Wien 146 Horaschdowitz (Horaždovice) 203 Höritz (Hořice na Šumavě) 216 Hradec Králové siehe Königgrätz Iglau ( Jihlava) 204, 215 Innsbruck 62, 84, 141, 142, 145, 150, 151, 159, 161, 176, 209, 220 Irdning 175 Isola 101 Istanbul (Konstantinopel) 134, 135 İzmir siehe Smyrna Jičin 183 Jihlava siehe Iglau

Kamenický Šenov siehe Steinschönau Karlín siehe Carolinenthal Karlstein (Karlštejn) 9, 21, 125, 208, 211 Kauns 220 Kiew (Kiev) 112, 195, 203 Klagenfurt 62, 152, 161, 176 Klosterneuburg 125 Knin 164 Köln 15, 16, 25, 95, 116, 194 Königgrätz (Hradec Králové) 228 Königliche Weinberge (Královské Vinohrady, Stadtteil von Prag) 201 Konstantinopel siehe Istanbul Korfu 84 Krakau (Kraków) 62, 67, 78, 95, 101, 106, 112, 125, 151, 176 – 180, 182, 185, 192, 193, 225 Krems 133, 212 Laibach (Ljubljana) 62, 116 – 118, 152, 161 – 163, 174 – 176 Landeck 220 Lauterach 221 Leitmischl (Litomyšl) 187 Lemberg (L‘viv, Lwów) 62, 112, 149, 152 – 154, 175, 176 Liberec siehe Reichenberg Lilienfeld 125 Linz 62, 64, 101, 159, 161, 163, 176, 182, 204 Litomyšl siehe Leitmischl Ljubljana siehe Laibach London 33, 36, 39, 40, 86, 146, 149 Lublin 179 Lussingrande (Veli Lošinj) 212 Madrid 94 Mailand (Milano) 23 – 28, 69, 108, 113, 147, 172, 173 Marburg (Maribor) 101, 175, 176 Mariahilf, Stadtteil von Wien 146, 148 Meran (Merano) 84, 145, 175, 209 Milano siehe Mailand Mödling 175, 219 München 23, 49, 50, 74, 76, 78, 79, 86, 90, 92 – 94, 98, 118, 122, 123, 153, 179, 181, 182, 188, 190, 205, 209 Nagyszeben siehe Hermannstadt

Register 

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Neapel (Napoli) 20, 147 Nürnberg 39, 76, 181 Ofen, Stadtteil von Budapest 174 Olmütz (Olomouc) 62, 64, 204, 215 Opava siehe Troppau Osijek siehe Essek Ostrau (Ostrava) 102 Padua (Padova) 27, 28 Parenzo (Poreč) 125, 156 Paris 26, 33, 36, 40 – 42, 47, 53, 66, 84, 86, 90, 92, 94, 95, 103, 106, 122, 146, 179, 181, 189 Pest, Stadtteil von Budapest 154, 160, 174 Petschau (Bečov nad Teplou) 204 Pettau (Ptuj) 175 Pilsen (Plzeň) 159 Pola (Pula) 79, 102, 124, 135, 212 Pöls bei Judenburg 175 Poreč siehe Parenzo Prag (Praha) 9, 19, 20, 23, 29, 37, 54, 62, 75, 79, 84, 95, 101, 105, 106, 110, 112, 117, 125, 127, 160, 161, 170, 176 – 178, 180, 182, 183, 185 – 205, 208, 217, 225, 226, 228, 229 Premstätten 175 Přivoz 102 Ptuj siehe Pettau Pula siehe Pola Raab (Győr) 174 Radstadt 212 Ragusa (Dubrovnik) 125, 189, 217 Reichenau 175 Reichenberg (Liberec) 198 Riva 141 Rom (Roma) 33 – 35, 61, 73, 74, 96, 99, 177, 192 Rovereto 141 Rovigno (Rovinj) 156 Salona 124 Salzburg 48, 62, 81, 87, 112, 151, 152, 156, 161, 163, 171, 176, 212 Samothrake 134 Santiago de Chile 95 Sarajevo 168, 169 Schlanders 221

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Register

Schüttenhofen (Sušice) 187 Schwaz 175 Sebenico (Šibenik) 146 Sibiu siehe Hermannstadt Sinigaglia 147 Smichow (Smíchov, Stadtteil von Prag) 201 Smyrna (İzmir) 135 Spalato (Split) 61, 126, 135, 139, 156, 164, 210 Stallhofen 175 Steinschönau (Kamenický Šenov) 51 St. Louis 54, 95, 191 Stopfenreuth 136 Straßburg 212 Suczawa (Suceava) 128, 212 Sušice siehe Schüttenhofen Teplitz (Teplice) 156, 204 Teurnia 124 Trau (Trogir) 125 Trient (Trento) 126, 141, 145, 176, 207, 208, 220 Triest (Trst, Trieste) 61, 76, 102, 135, 147, 155, 176 Troppau (Opava) 172, 176

Tulln 125 Uggowitz (Ukve, Ugovizza) 218 Veli Lošinj siehe Lussingrande Venedig (Venezia) 23, 24, 26, 27, 40, 69, 70, 76, 95, 147 Verona 173 Vicenza 26, 99 Villach 182 Voitsberg 175 Vöslau 175 Vácz (Waitzen) 115 Waitzen siehe Vácz Wald 218 Warschau (Warszawa) 179, 180 Wiener Neustadt 39 Zagreb siehe Agram Zara (Zadar) 125, 135, 156, 176, 211 Zirl 218, 219 Znaim (Znojmo) 215

Personen Ambrosi, Gustinus 182 Andrássy, Gyula 172 Angeli, Heinrich 75, 84, 93 Anker, Sebastian 144 Arneth, Alfred 158 Arthaber, Rudolph 21, 31 Auersperg, Adolf Carl Daniel 156, 201 Axentowicz, Teodor 179 Aßmayer, Ignaz 107 Bach, Alexander 28, 32, 101, 144, 171 – 173, 201 Bacher, Rudolf 79 Bacquehem, Olivier 43, 154, 175, 198 Badeni, Kasimir Felix 104, 154, 193 Baernreither, Joseph Maria 200 Banda, Martin 115 Banhans, Anton 42 Barvitius, Anton 34 Bauer, Leopold 80

Bauer, Maximilian 132 Bauernfeld, Eduard 86 Baumgartner, Andreas 124 Becke, Franz 40, 108 Beethoven, Ludwig van 102, 103, 114 Belcredi, Carl 56, 70, 99, 124, 202 Benndorf, Otto 67, 68, 106, 134, 135 Bennewitz, Anton 110 Berger, Julius 77 Berger, Otakar 204 Bergmann, Hermann 21 Beust, Friedrich Ferdinand 87, 97 Beyer, Oskar 51, 54 Biankini, Juraj 164, 211 Bienerth-Schmerling, Richard 84, 92, 104, 128, 189, 193 Biliński, Leon 102, 169, 170 Bitterlich, Hans 78, 79, 84 Blaas, Carl 26, 70, 72, 77

Blaas, Eugen 34 Blau, Tina 82, 93 Böhm-Bawerk, Eugen 76, 81, 102, 201 Bonitz, Hermann 104 Brahms, Johannes 117 Brömse, August 190 Brožík, Václav 183 Bruck, Karl Ludwig 30, 99, 101, 174 Bruckner, Anton 109, 117 Bucher, Bruno 41 – 43, 51 Bukovac, Vlaho 189, 190 Bulić, Frane 210, 211 Buquoy, Karl 184, 187 Burger, Friedrich Moritz 27 Burian, Paul 86 Busoni, Ferruccio 117 Bylandt-Rheidt, Artur 46, 47, 54, 59, 60, 87, 92, 102, 104 – 106, 120, 128, 165, 178, 193, 197, 198 Call, Guido 43, 95 Canon, Hans 68, 78 Canova, Antonio 26, 128 Carl Ludwig, Erzherzog 98, 113, 183 Cattaneo, Venceslao 173 Cavallari, Saverio 25 Charlemont, Eduard 72, 84 Chartres, Vivian 112 Chlumecky, Johann 42, 86, 92 Chmelenský, Ladislav 201 Clam-Martinitz, Jaroslav 160, 193 Conrad-Eybesfeld, Sigmund 41, 50, 67, 69, 76 – 78, 86, 90, 91, 99, 100, 103, 110, 116, 117, 126, 134, 163, 186, 203, 227 Conze, Alexander 134 Culbertson, Sasha 112 Cynk, Florian 178, 179 Czartoryski, Konstantin 153 Czernin, Eugen 200 Czoernig, Karl 124 Damianós, Konstantin 182 Dante Alighieri 99 Defregger, Franz 72, 76 Delug, Alois 79, 80 Diet, Leo 182 Dobyaschofsky, Franz 34

Register 

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Dörnhöffer, Friedrich 96, 123 Dreger, Moriz 48 Dubois, Louis 72 Dumba, Nikolaus 89, 105, 106, 134 Dumreicher, Armand 52, 53 Dunajewski, Julian 90, 91, 99, 151, 201 Dürrnberger, Adolf 163 Dvořák, Antonín 63, 117, 183, 203, 205 Dvořák, Max 43, 105, 132 – 134 Eder, Josef Maria 82 Egger, Albin 12, 79 Ehrenhöfer, Franz 182 Eisenmenger, August 73, 74, 77, 80, 105 Eitelberger, Rudolf 16, 27, 36 – 46, 50 – 53, 62, 64 – 69, 72 – 74, 76, 81, 83, 86, 89 – 92, 105, 121, 125, 126, 130, 177, 197, 198, 224 – 230 Elisabeth, Kaiserin 102 Emler, Bonaventura 34 Engerth, Eduard 34, 75, 84 Eötvös, József 160 Esterházy, Miklós 160 Eugen, Erzherzog 204 Exner, Franz 104 Falke, Jakob 39 – 43, 51, 53, 86 Fałat, Julian 177, 178 Felder, Cajetan 61 Fellner, Ferdinand 147, 154 Ferdinand I., Kaiser 26, 114 Ferdinand Maximilian, Erzherzog 24 Fernkorn, Anton 99 Ferstel, Heinrich 34, 38, 40, 49, 57, 61, 68 Feuerbach, Anselm 73 – 75 Fidler, Karl 72 Fischer, Heinrich August 204 Forgách, Anton 160 Förster, Emil 106 Franz Ferdinand, Erzherzog und Thronfolger 9, 16, 44, 60, 102, 120, 124, 129 – 132, 134, 136, 198, 208, 211, 220 Franz II./I., röm.-dt. und österr. Kaiser 21 Franz Joseph I., österr. Kaiser und ung. König 27, 46, 47, 81, 87, 91 – 93, 100 – 102, 108, 113, 121, 122, 143, 144, 147, 152, 174, 183, 189, 199 Frida, Emil ( Jaroslav Prchlický) 183

242  |

Register

Führich, Joseph 21, 34, 70, 72, 73, 83 Gałęzowski, Józef 179 Gautsch, Paul 41 – 43, 46, 51, 75 – 78, 91, 93, 94, 100, 103, 104, 110, 115, 126, 135, 164, 171, 174, 178, 183, 185 – 187, 194 – 196, 208 Gerisch, Eduard 126 Gerstner, Hans 118 Gessmann, Gustav W. 217 Giannoni, Karl 219 Girardi, Alexander 87 Giskra, Carl 39, 41, 56, 57, 72, 153 Godowsky, Leopold 112 Gołuchowski, Agenor 32, 55, 56, 108, 153 Griepenkerl, Christian 75, 77, 79 Grillparzer, Franz 72, 86 Groß, Heinrich 149 Grünfeld, Alfred 110, 111 Gudenus, Leopold 46 Gunold, August 182 Gutenberg, Johannes 104 Haas, Philipp 66 Habel, Ferdinand 112 Haberlandt, Michael 120 Habermann, Franz 21 Haehnel, Julius 59 Haerdtl, Guido 87, 152, 193 Hall, Mary 204 Hamerling, Robert 104 Hansen, Theophil 57, 61, 72, 73, 75, 76, 83, 109 Hanslick, Eduard 110, 117 Hanusch, Alois 51 Harrach, Johann 193, 200 Hartel, Wilhelm 46, 54, 78 – 80, 82, 83, 85, 100, 102, 110, 111, 118, 120, 122, 123, 128, 129, 164, 165, 168, 178, 179, 184, 188 – 190, 195, 197, 199, 204, 211, 228 Hasenauer, Carl 57 – 59, 76, 78, 80, 88, 103 Hasner, Leopold 39, 48, 70 – 72, 89, 97 Haulik, Georg 172 Hauser, Alois 134 Hauser, Eduard 101 Haydn, Joseph 114 Hayez, Francesco 72 Hecht, Wilhelm 50, 81 Heider, Gustav 37, 63, 70, 71, 74

Heinold-Udynski, Karl 60, 100 Helfert, Joseph 24, 69, 106, 124, 127 – 130, 133, 134, 137, 138, 211 Hellmer, Eduard 63, 76, 79, 85, 105, 121, 147, 154 Hellmesberger, Josef 109 Herdtle, Hermann 51 Herites, Maria 204 Herrmannstorfer, Lucie 155 Herrmannstorfer, Ludwig 155 Heuberger, Richard 117 Hevesi, Ludwig 52 Hlávka, Josef 34, 106, 183, 187 Hoffmann, Josef 53, 96 Hoffmann, Karel 204 Hofmann, Rudolf 118 Hohenwart, Karl Sigmund 59, 149 – 151, 156 Holey, Karl 211 Hörmann, Konstantin 169 Hussarek-Henlein, Max 79 – 81, 83, 85, 96, 112, 113, 115, 118, 120, 123, 130, 132, 179, 180, 189, 192, 197, 205 Hütter, Emil 167 Hye, Anton Josef 48 Hřimaly, Adalbert 118, 174 Jacoby, Louis 69, 76, 77, 191 Jagić, Vatroslav 63, 117 Javůrek, Karel 85 Jellačić, Sophie 172 Jettmar, Rudolf 80 Jeřábek, Luboř 217 Jireček, Josef 39, 48, 75, 110 Jobst, Karl 128 Johann, Erzherzog 102, 115 Joseph I., Kaiser 115 Jukić, Ivan Frano 168 Jungwirth, Josef 80 Kaiser, J.M. 64 Kaizl, Josef 201 Kandler, Pietro 124 Kaněra, Josef 100, 112 Karl Ludwig, Erzherzog 91, 143 Karl V., röm.-dt. Kaiser 66 Karl VI., röm.-dt. KKaiser 115 Kasimir, Luigi 82

Kaulbach, Fritz August 72 Khuen-Hédérváry, Károly 87 Kielmansegg, Erich 168 Klimt, Gustav 72, 78, 230 Klinger, Max 72 Kloth, Hermann 84 Kocian, Jaroslav 112, 204 Koerber, Ernest 104, 155, 162, 175, 193, 198 – 200 König, Otto 48, 51, 72, 86 Korosowski, Heinrich 177 Kottulinsky, Adalbert 182 Kotzian, Johann 156 Kotěra, Jan 95, 190, 191 Kořista, Emil 166 Kramář, Karel 200 Krattner, Karl 190 Krenn, Franz 117 Kriegsau, Adolph 84 Krupp, Arthur 100, 121, 154 Kubelík, Jan 112, 204 Kuenburg, Gandolf 163 Kundmann, Carl 34, 72, 74, 78, 79, 103, 104, 117 Kupelwieser, Leopold 21, 69 Kupka, František 190 Kutschera, Franz 167 Kállay, Benjámin 169 Labor, Josef 116 Lafite, Karl 118 L’Allemand, Fritz 70, 77 L’Allemand, Sigmund 77, 105 Lanckoroński-Brzezie, Carl 72, 130 Lanna, Adalbert 72, 184, 185, 197 Larisch, Johann 56 Lasser, Josef 40, 49, 55, 56, 58, 59, 97, 102, 103, 146 – 149, 153, 155 – 157, 171, 172, 174, 193 Laszczka, Konstanty 179 Latour, Vincenz Baillet de 46, 130 Laube, Heinrich 147, 149 Laufberger, Ferdinand 48, 70, 86 Lefler, Heinrich 79 Leisching, Eduard 42, 47, 48 Leonardo da Vinci 26 Leopold I., Kaiser 76, 115 Leschetizky, Theodor 118

Register 

Lichtenfels, Eduard 73 Liebenberg, Andreas 103 Liechtenstein, Franz 47, 93, 122, 130 Liszt, Franz 111, 204 Lobmeyr, Ludwig 52, 66, 72, 86 Löhr, Moritz 57, 58 Loos Adolf 36 Löwe, Ferdinand 117 Lueger, Karl 114 Lukács, László 115 Luntz, Viktor 76, 78, 79 Madeyski, Stanisław 42, 78, 126, 163, 177 Magni, Pietro 26 Majer, Józef 177 Majlath, György 174 Makanece, Julius 169 Makart, Hans 66, 68, 72, 73, 75, 78, 84 Malczewski, Hyacinth 179 Manzin, Andrea 156 Marchesi de Castrone, Mathilde 116 Marchet, Gustav 46, 81, 86, 111, 112, 118, 129, 166, 179, 189, 190 Marek, Karel 47, 194 Maria Theresia, Erzherzogin, Königin von Ungarn 19, 100, 101, 115, 150 Marschall, Rudolf 82, 83 Marussig, Anton 182 Matejko, Jan 177 Matsch, Franz 84 Matzenauer, Josef 143 Mautner-Markhof, Georg Heinrich 135 Maxintsak, Josef 116 Mayer, Wilhelm 117 Mařák, Julius 187, 188 Mehoffer, Józef 179 Melnitzky, Franz 56 Metternich, Pauline 143 Miłaszewski, Adam 153 Moll, Carl 63 Moser, Koloman 53 Mozart, Wolfgang Amadeus 103, 113 Mucha, Alfons 229 Müller, Leopold Carl 77, 78, 88, 93 Müllner, Josef 79 Mussafia, Adolf 117 Myrbach-Rheinfeld, Felician 53, 54, 63

| 243

244  |

Register

Myslbek, Josef Václav 93, 106, 183, 187, 189 Nedbal, Oskar 204, 205 Nedved, Anton 116, 117 Neuert, Hans 144 Nešvera, Josef 204 Niemann, Georg 75, 134, 135, 211 Nietzsche, Friedrich 43 Nostiz, Erwin 21 Ohmann, Friedrich 79, 84, 106 Ondřiček, František 117 Ottenfeld, Rudolf 188 Palladio, Andrea 99 Pallavicini, Alexander 143 Pankiewicz, Józef 179 Pasqualati, Amalie 147 Patera, Adolf 195 Patsch, Karl 169, 170 Pauluzzi, Daniel 182 Peter Ferdinand, Erzherzog 204 Pettenkofen, August 84 Pirner, Max 187 Plener, Ignaz 40, 48, 99, 151 Plečnik, Jože 80, 95 Pochwalski, Kasimierz 78 Pönninger, Franz 99, 100 Postl, Hugo 182 Prehlický, Jaroslav siehe Frida, Emil Preisler, Jan 192 Pretis-Cagnodo, Sisinio 99, 101, 102 Pretsch, Paul 69 Radetzky, Joseph Wenzel 28, 88, 101 Rahl, Karl 70, 73, 75 Raimund, Ferdinand 104 Rainer, Erzherzog 37, 38, 46, 52, 108, 109, 159, 160, 166, 172, 227 Ramesch, Franz 116 Reinhardt, Max 87 Reiser, Othmar 169 Riegl, Alois 16, 36, 43 – 45, 128, 129, 132 – 134, 223, 224, 226 – 229 Ritt, August 48, 85 Roesner, Carl 21, 72, 84 Röhlich, Josef 99

Roller, Alfred 53, 121 Romstorfer, Karl 128 Ruben, Christian 21, 23, 30, 35, 70, 75 Rubinstein, Anton 111, 118, 204 Rudolf, Erzherzog und Kronprinz 162, 185 – 187 Rudolph II., Kaiser 185 Rudolph von Habsburg 102 Rumpler, Franz 77 Rácz, Paul 115 Saar, Ferdinand 87 Sauer, Emil 110, 111 Scala, Arthur 26, 28, 41 – 43, 46, 47, 86, 106 Schad-Rossa, Paul 181 Schalk, Franz 118 Schikaneder, Jakob 189 Schindler, Emil Jacob 72, 93 Schmerling, Anton 27, 31, 37, 38, 40, 63, 64, 69, 70, 83, 86, 88, 89, 97, 101, 108, 109, 116, 124, 152, 153, 160, 163 Schmidt, Friedrich 21, 23, 25, 26, 36, 72, 76, 77, 79, 85, 104, 224 Schmidt, Leopold 33 Schmidt, Maximilian 144 Schmits, Wilhelm 152, 153 Schmoranz, František 185 Schmutzer, Ferdinand 81 Schönborn, Friedrich 46 Schrötter, Alfred 181 Schrötter, Anton 40 Schubert, Fortunat 79, 132 Schuster, Rudolf 121 Schwaiger, Hans 189, 192 Schwarzenberg, Friedrich 193 Schwarzenberg, Karl 19, 107, 160, 193 Šefčik, Otakar 203, 204 Sellény, Joseph 34 Selvatico, Pietro 24 Semper, Gottfried 36, 57, 59 Sevčik, Otakar 112 Sicardsburg, August 72 Simon, (Tavik) František 190 Skarbek, Nikolaus 149, 152, 153 Smetana, Bedřich 202, 205 Smodlaka, Josip 211 Sonnenleiter, Johannes 76 – 78

Sprenger, Paul Eduard 21 Stanisławski, Jan 179 Steidl, Hugo 204 Steinbach, Emil 101 Stemolak, Karl 182 Stern, Max Emanuel 87 Sterneck, Carl 171 Stibral, Georg 54, 197 Stifter, Adalbert 64, 112, 124 Storck, Josef 48, 49, 51, 53, 76, 86 Stössel, Oskar 182 Straberger, Josef 163 Strampfer, Friedrich 148 Strasser, Arthur 53 Strauss, Richard 113 Strauß, Johann 104 Stremayr, Karl 24, 39, 41, 48 – 51, 57, 62, 63, 66, 70, 72 – 76, 78, 84, 86, 87, 89, 90, 92, 109, 110, 116, 134, 163, 164, 176, 177, 198, 203, 224, 227 Stürgkh, Karl 79, 80, 98, 106, 112, 114, 118, 129 – 131, 166, 179, 180, 190, 191, 195, 200, 215 Sturm, Ferdinand 48 Suk, Josef 204 Sulzer, Julius 147 Suppé, Franz 115 Švabinský, Maximilian 190, 191 Švanda, Alžběta 201 Szlávy-Orkany, Josef 76 Taaffe, Eduard 38, 42, 55 – 59, 86, 97, 98, 101, 103, 104, 109, 110, 143, 146 – 152, 155 – 157, 160, 163, 166, 172, 175, 193, 201, 202 Tautenhayn, Josef 72, 76, 82, 93 Tegetthoff, Wilhelm 79, 101, 103 Thiele, Franz 188, 189, 192 Thöny, Wilhelm 182 Thun, Franz Anton 12, 19 – 22, 25, 33, 35, 63, 185 Thun, Leo 12, 19 – 35, 69, 71, 83, 84, 89, 104, 107, 108, 121, 124, 173, 174, 197, 223, 224, 230 Thun, Zdenko 106, 184, 185 Tichatschek, Josef 87 Tilgner, Victor Lothar 72, 84, 93 Tizian (Tiziano Vecellio) 26, 27

Register 

Toggenburg, Georg 124 Torggler, Hermann 182 Trauttmannsdorff, Ferdinand 87 Trenkwald, Josef Matthias 34, 75, 77, 126 Trenkwalder, Josef 84 Trnka, Ottokar 47 Truhelka, Ćiro 169, 170 Unbierczyski, Józef 178 Unger, William 78 Unterholzer, Josef 182 van der Nüll, Eduard 21, 69, 72, 83 Verdi, Giuseppe 113, 145 Veronese, Paolo 27 Viertelberger, Hans 128 Vogler, Adam 34 Voigtländer, Friedrich Ritter 82 Vrba, Carl 195 Wagner, Otto 36, 61, 78 – 81, 85, 93, 105, 106, 121, 129 Waldmüller, Ferdinand 44, 83 Weckbecker, Wilhelm 129 Weingartner, Felix 114, 117 Weiss, Adalbert 179 Weiskirchner, Richard 121 Weyr, Rudolf 72, 93, 98 Wickenburg, Matthias Konstantin 103, 111, 120 Wiener, Karl 106, 111, 112, 176, 206 Wieser, Franz 132, 136, 208, 209 Wieser, Friedrich 200 Wihan, Hanuš 205 Wilczek, Hans 89 Wolf, Cyrill 113, 117 Wörndle, Heinrich 142 Wyczółkowski, Leon 179 Zichy, Edmund 134, 154 Zimmermann, Albert 23, 26, 73 Zöhrer, Josef 118 Zona, Antonio 27 Zuckerkandl, Berta 229 Zumbusch, Caspar 63, 74, 78, 79, 88, 102, 103, 105

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MUSIKKULTUREN EUROPÄISCHER METROPOLEN IM 19. UND 20. JAHRHUNDERT HERAUSGEGEBEN VON PHILIPP THER, CELIA APPLEGATE, MORITZ CSÁKY, HEINZ-GERHARD HAUPT, SVEN OLIVER MÜLLER, MICHAEL WALTER UND MICHAEL WERNER

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