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German Pages 480 Year 2021
Schriften zur Rechtsgeschichte Band 200
Staatliche Juristenleitbilder von Weimar bis zur Bundesrepublik Von
Tobias Nasr
Duncker & Humblot · Berlin
TOBIAS NASR
Staatliche Juristenleitbilder von Weimar bis zur Bundesrepublik
Schriften zur Rechtsgeschichte Band 200
Staatliche Juristenleitbilder von Weimar bis zur Bundesrepublik Von
Tobias Nasr
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen hat diese Arbeit im Jahre 2020 als Dissertation angenommen.
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© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 978-3-428-18344-9 (Print) ISBN 978-3-428-58344-7 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Vorwort Das vorliegende Buch entstand aus einer gleichnamigen Arbeit, die der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen im Januar 2020 als Dissertation vorlag. Die Dissertation sollte die eher simple und allgemeine Frage, welche Bedeutung und Aufgaben Juristinnen und Juristen im modernen deutschen Rechtsstaat haben – und ob ihre Ausbildung sie darauf vorbereitet – durch die rechtswissenschaftliche Brille betrachten; die dezidiert rechtshistorische Ausrichtung dabei einem Abrutschen in ein politisches Essay vorbeugen. Mit Blick auf die längst zahllosen Beiträge zur zeitlosen Frage der Reform der deutschen Juristenausbildung ist nicht zu erwarten, dass es in absehbarer Zeit zu einer vertieften Diskussion über eine Neuausrichtung und einer Orientierung an konkreteren Leitbildern kommt. Dieser Beitrag mag aber als Anknüpfungspunkt für weitere Überlegungen und als Anregung für eine ganzheitliche Betrachtung der Juristenausbildung dienen. Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Hans Michael Heinig, für seine Betreuung und Unterstützung; in nicht geringem Umfang aber auch für die Geduld in der langen Zeit, die ich mir genommen habe, um die Arbeit methodisch zu durchdenken. Frau Prof. Dr. Inge Hanewinkel danke ich für ihr Zweitgutachten, das mir einige anregende Ideen für den Feinschliff geben konnte. Weiterer Dank gilt meinem Vater für die ganz erhebliche finanzielle Unterstützung während des Entstehens und vor allem beim Druck dieses Buches. Bei Simon Borsch, Patrick Brückner, Jan Gärtner, Hendrik Munsonius, Anna Schmerfeld, Paula Staats und Hanna Stukenbrock bedanke ich mich für Korrekturen, Gespräche und andere wertvolle Beiträge zur Dissertation in allen Phasen ihres Werdens. Meine größte Verbundenheit gilt Marvin Jäschke und Claas Weise, die es auf sich genommen haben, nicht nur jeweils das gesamte Manuskript zu lesen und konstruktiv-kritisch zu hinterfragen, sondern auch die schönsten Blüten der traditionell-juristischen Schachtelsatzbildung aufzufinden und somit den geneigten Leserinnen und Lesern zu ersparen. Göttingen, im März 2021
Tobias Nasr
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das ,staatliche‘ Juristenleitbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aktualität der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Methodik, Quellenlage und Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Methode und methodische Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Quellenlage und Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wesentliche Erkenntnisquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einführung: Frühe Etappen der Juristenausbildung (A.) . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hauptteil: Leitbilder von Weimar bis zur Bundesrepublik (B.–E.) . . . . . . a) Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Staat und Juristen – Recht, Richterschaft, Juristenausbildung . . . . . . . aa) Zum Rechtsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Richter im neuen Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Entwicklung der Juristenausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Universitäten und Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kerngedanken späterer Zäsuren (F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Auswertung (G.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Frühe Etappen der Juristenausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vom antiken Rom bis zum Heiligen Römischen Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Von der jüngeren Neuzeit bis zum Deutschen Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Die Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beobachtungszeitraum und wichtige Stationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abriss der Weimarer Reichsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Staat und Juristen in der Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Rechtsbegriff in der Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Weimarer Richterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Politische Rechtsprechung am konkreten Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Reichsgericht: Politische Opposition? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Aufwertungsrechtsprechung in der Wirtschaftskrise . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis (2) Der Kapp-Putsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Staatsgerichtshof des Deutschen Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Politische Richterschaft und richterliche Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . aa) Politische Richterschaft und die „Vertrauenskrise“ . . . . . . . . . . . . . bb) Der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit in Art. 102 WRV cc) Unabhängigkeit und staatliche Einwirkung bis zur Mitte der zwanziger Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Debatte um die „Große Justizreform“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Weimarer Juristenausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsgrundlagen und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Reichsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Landesrecht am Beispiel Preußens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Gesetz vom 6. Mai 1869 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Ausbildungsordnung vom 17. Juni 1913 . . . . . . . . . . . . . . (3) Reformen des Ausbildungsgesetzes und der Ausbildungsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Ausbildungsordnung des Jahres 1923 . . . . . . . . . . . . . (b) Die Ausbildungsordnung des Jahres 1929 . . . . . . . . . . . . . (4) Der Erlass des preußischen Kultusministeriums von 1931 . . . (5) Zur Ausbildung der Verwaltungsjuristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Reformdebatten und Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zielvorstellungen und ausdrückliche Leitbilder . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Reichsweite Vereinheitlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zulassungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Organisation der Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Studieninhalte: Art und Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Wissenschaftlichkeit und die juristische Methode . . . . . . . . . . . . . . gg) Berufsbilder: Die Fähigkeit zum Richteramt und der Universaljurist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Beobachtungen und Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Rolle der Universitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Hochschule in der Weimarer Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wissenschaftsfreiheit und Organisation der Universitäten . . . (2) Die Aufgabe der Universitäten im Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Lehre mit besonderem Blick auf die Staatsrechtslehre . . . . . . (1) Lehrfreiheit und Beamtenstellung der Rechtslehrer . . . . . . . . . (2) Die Weimarer Staatsrechtslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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(3) Die Rechtsfakultäten am Ende der Republik . . . . . . . . . . . . . . cc) Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Juristen und Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Staatliche Juristenleitbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Leitbilder der juristischen Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weimarer Richterbilder: Zwischen Unabhängigkeit und Gesetzesbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Leitbilder und Staatsbewahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Das „Dritte Reich“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beobachtungszeitraum und wichtige Stationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Ende des deutschen Verfassungsstaates: Abriss der nationalsozialistischen Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Staat und Juristen im „Dritten Reich“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nationalsozialistische Rechtskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Richterschaft im „Dritten Reich“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Entwicklung der Gerichtsbarkeit im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . aa) Zum Reichsgericht im „Dritten Reich“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Volksgerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die neue „Vertrauenskrise“ – Eine Frage der Unabhängigkeit des Richters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der „unabhängige“ Richter des NS-Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Vertrauenskrise im „Dritten Reich“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die „Vertrauenskrise“ zwischen „Inszenierung“ und wahrem Kern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Ausbildung der NS-Juristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsgrundlagen und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Frühe Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Justizausbildungsordnung vom 22. Juli 1934 . . . . . . . . . . . . . . (1) Zielbestimmungen und allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . (2) Zulassungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Aufbau und Inhalte der Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Der Studienverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Inhalte: Prüfungsfächer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die Erste Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Vorbereitungsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis cc) Die Eckhardt’sche Studienordnung des Jahres 1935 . . . . . . . . . . . . dd) Die Ausbildungsordnung für den höheren Verwaltungsdienst von 1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Folgereformen der Juristenausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Justizausbildungsordnung vom 4. Januar 1939 . . . . . . . . . (2) Einzelne Änderungen nach Kriegsbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Gemeinschaftslager „Hanns Kerrl“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Reformdebatten und Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zielvorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zulassungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Organisation und Aufbau der Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Studium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vorbereitungsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Studieninhalte: Art, Umfang und ihre Reihenfolge . . . . . . . . . . . . . (1) Die Trennung von Fachausbildung und Allgemeinbildung . . . (2) Zur Neuaufteilung der Fächer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Bedeutung der einzelnen Fächer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Wissenschaftlichkeit und die juristische Methode . . . . . . . . . . . . . . ff) Berufsbilder: Die „Fähigkeit zum Richteramt“ und der Universaljurist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Rolle der Universitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Hochschulen im Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Lehre mit besonderem Blick auf die Staatsrechtslehre . . . . . . (1) Lehrfreiheit und Beamtenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die nationalsozialistische Staatsrechtslehre . . . . . . . . . . . . . . . (3) Exkurs: Lehre und Dozenten in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Juristen und Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Staatliche Juristenleitbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Leitbild der juristischen Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nationalsozialistische Richterbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Juristenleitbilder und Staatsbewahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Die Deutsche Demokratische Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beobachtungszeitraum und wichtige Stationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abriss des DDR-Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis II. Staat und Juristen in der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Babelsberger Konferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Recht im Sozialismus: Die „sozialistische Gesetzlichkeit“ . . . . . . . . . . . . 3. Die Richterschaft im sozialistischen Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Neuaufbau der Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das „Oberste Gericht“ der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Untergang der Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die neuen Richtertypen: Richter im Soforteinsatz und Volksrichter . . aa) Richter im Soforteinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Volksrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unabhängigkeit und Gesetzesbindung des Richters . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ideologische und rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Lenkung der Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Das Wort von der „Justizkrise“: Rechtsprechung in der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Ausbildung der sozialistischen Juristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Volksrichterausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsgrundlagen und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Sechs- und Achtmonatslehrgänge 1945/46 . . . . . . . . . . . . . . . (2) Einjahreslehrgänge ab 1947 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Gesellschaftskunde und die Demokratisierung der Volksrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die Neuausrichtung der juristischen Fachausbildung . . . (3) Zweijahreslehrgänge ab 1950 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Ende und Nachwirkung der Volksrichterausbildung . . . . . . . . bb) Reformdebatten und Erwägungen: Zur Bedeutung der Volksrichterausbildung für den Aufbau des Sozialismus . . . . . . . . . . . . (1) Zielvorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zulassungsvoraussetzungen: Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Organisation und Aufbau der Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Lehrinhalte: Art, Umfang und Reihenfolge . . . . . . . . . . . . . . . (5) Zur Auswahl der Lehrkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beobachtungen und erste Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die akademische Juristenausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsgrundlagen und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die ersten Studienpläne und der Beginn der zweiten Hochschulreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11 177 179 183 186 186 187 187 189 189 190 194 194 197 202 204 205 205 206 206 206 210 212 213 214 216 216 217 218 220 222 225 225 226 226 228
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Inhaltsverzeichnis (a) Die Studienpläne 1949/1950 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 (b) Die „Zweite Hochschulreform“ und die Abschaffung des Vorbereitungsdienstes ab 1951 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 (2) Die dritte Hochschulkonferenz, der V. Parteitag und die Babelsberger Konferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 (a) Der Studienplan von 1959 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 (b) Die Praktikantenzeit: Gesellschaftsdienst statt Vorbereitungsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 (3) Der VI. Parteitag und die Profilierung der juristischen Fakultäten ab 1963 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 bb) Die Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“ und das Weiterbildungssystem der DDR . . . . . 243 cc) Reformdebatten und Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (1) Ziel der Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (2) Zulassung und Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer 248 (3) Organisation und Aufbau der akademischen Ausbildung . . . . 248 (4) Studieninhalte: Reihenfolge, Art und Umfang . . . . . . . . . . . . . 251 (a) Die gesellschaftswissenschaftliche Ausbildung . . . . . . . . . 252 (b) Die Grundlagenfächer: Verknüpfung von Weltanschauung und Rechtsausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (c) Der Einbruch der Ideologie in die juristische Fachausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 (d) Der Aufstieg der (politischen) Ökonomie . . . . . . . . . . . . . 257 (5) Wissenschaftlichkeit und die juristische Methode . . . . . . . . . . 259 (6) Berufsbilder: Vom Richteramt zum Spezialisten . . . . . . . . . . . 261 (7) Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 dd) Die Rolle der Universitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 (1) Die Hochschulen im deutschen Sozialismus . . . . . . . . . . . . . . . 263 (2) Die Lehre mit besonderem Blick auf die Staatsrechtslehre . . 264 (a) Lehrfreiheit und Beamtenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 (b) Die sozialistische Staatsrechtslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 (3) Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 III. Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 1. Juristen und Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 2. Staatliche Juristenleitbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 a) Leitbilder der juristischen Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 b) Sozialistische Richterbilder: Der erziehende Richter im sozialistischen Kader . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 3. Juristenleitbilder und Staatsbewahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
Inhaltsverzeichnis E. Die Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beobachtungszeitraum und wichtige Stationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundentscheidungen der neuen liberalen Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . II. Staat und Juristen in der Bundesrepublik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur Rechtskonzeption in der Bundesrepublik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Richterschaft im neuen liberalen Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zur Begründung der Bundesverfassungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . b) Unabhängigkeit, Unabsetzbarkeit und Gesetzesbindung des Richters aa) Unabhängigkeit und Gesetzesbindung in der Gründungszeit . . . . (1) Restitution der Unabhängigkeit des Richters . . . . . . . . . . . . . . (2) Gesetzesbindung und politisches Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Unabhängigkeit und die „Große Justizreform“ . . . . . . . . . . . . (1) Wunsch und Ziel einer „Großen Justizreform“ . . . . . . . . . . . . (2) Das Deutsche Richtergesetz und die richterliche Rezeption . . c) Aufarbeitung – Richterkritik – Justizkrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Aufarbeitung und das Bild des Richters in der frühen Nachkriegszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) „Unbewältigte Vergangenheit“: Richter- und Gerichtskritik . . . . . cc) Zurück zur Grundsatzkritik: Die Justizkrise ab 1962 . . . . . . . . . . . d) Auswertung: Vom Rechtsstaat zum Richterstaat? . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Ausbildung des bundesrepublikanischen Juristenstandes . . . . . . . . . . a) Rechtsgrundlagen und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Wiederaufnahme des Ausbildungsbetriebes und die ersten Ausbildungsordnungen in der Besatzungszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ziele der Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Aufbau der Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Inhalte: Prüfungs- und Studienfächer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Erste Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Vorbereitungsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Beobachtungen und wesentliche Abweichungen . . . . . . . . . . . bb) Die Gründung der Bundesrepublik und die Reform des GVG 1950 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ziele der Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Aufbau der Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Inhalte: Prüfungs- und Studienfächer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Erste Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Vorbereitungsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Beobachtungen, wesentliche Abweichungen . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Entwicklung in den frühen sechziger Jahren . . . . . . . . . . . . . . (1) Verlauf der Entwicklung in den ersten Jahren . . . . . . . . . . . . .
13 272 272 272 272 275 276 278 278 282 282 282 283 286 286 289 292 292 295 302 304 306 306 307 308 309 310 310 311 312 312 314 315 316 318 318 319 319 319
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Inhaltsverzeichnis (2) Die Empfehlungen der Justizministerkonferenz vom 11. Februar 1965 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) 1964–1965: § 5 DRiG im Bundestag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Umsetzungen der Empfehlungen im Landesrecht . . . . . . . . . . b) Reformdebatten und Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zielvorstellungen und einzelne Leitbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bundesweite Einheitlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Organisation und Aufbau der Juristenausbildung . . . . . . . . . . . . . . (1) Studium und erste Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vorbereitungsdienst und große Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Studieninhalte: Art, Umfang und Reihenfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die fachjuristische Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der interdisziplinäre und allgemeinbildende Ansatz . . . . . . . . (3) Der inhaltliche Ablauf des Studiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Wissenschaftlichkeit und die juristische Methode . . . . . . . . . . . . . . gg) Berufsbilder: Die Befähigung zum Richteramt und der Universaljurist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Gegenentwürfe und Sonderwege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ii) Zum Fortbildungswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . jj) Beobachtungen und erste Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Verlauf der Reformdebatte im Überblick . . . . . . . . . . . . . . (2) Juristenausbildung und Erziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Reformhindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Rolle der Universitäten unter dem Grundgesetz: Die Renaissance der Freiheit von Wissenschaft und Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Stellung der Hochschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zur organisationsrechtlichen Stellung der Hochschulen . . . . . (2) Idee und Aufgabe der neuen Hochschule . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Lehre mit besonderem Blick auf die Staatsrechtslehre . . . . . . (1) Freiheit der Lehre: Verfassungstreue und Beamtenstellung . . (2) Die Staatsrechtslehrer des liberalen Staates . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beobachtungen und Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Juristen und Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Staatliche Juristenleitbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Leitbilder der juristischen Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bundesrepublikanische Richterbilder: Die Rückkehr des unabhängigen Richters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Juristenleitbilder und Staatsbewahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
321 322 324 325 329 331 332 334 334 341 346 347 348 355 356 356 359 360 361 362 362 364 365 366 367 367 369 373 374 378 384 385 385 386 386 387 388
Inhaltsverzeichnis
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F. Spätere Zäsuren und ihre Kerngedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Juristenausbildung im Geist der 68er . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Beschlüsse von München und Mainz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Loccumer Tagungen und der Arbeitskreis für Juristenausbildung . . . 3. Die „Experimentierklausel“ und die einstufige Juristenausbildung . . . . . II. Die Rechtsfakultäten als Hüter des Rechtsstaates: Ein Wort zur Einheit? . . 1. Die unmittelbaren Folgen der deutschen Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Neue Gedanken zum Juristen-Fakultätentag der Einheit . . . . . . . . . . . . . . .
390 390 390 391 393 394 394 395
G. Staatliche Juristenleitbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Juristenleitbilder nach dem Umbruch: Eine Gegenüberstellung . . . . . . . . . . . 1. Neuer Staat – neue Ordnung – neues Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Staat und Juristen: Die Richterschaft im Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Neuordnung der Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unabhängigkeit und Einbindung der Richterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Kern der Justizkrisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Richterbilder: Skizzen neuer „Richtertypen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Staat und die Ordnung in den Ausbildungsreformen . . . . . . . . . . . . . . a) Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufbau der Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Studieninhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Fachausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grundlagenfächer und die interdisziplinäre Ausbildung . . . . . . . . d) Juristische Ausbildung zwischen Wissenschaftlichkeit und Praxisbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Das Richteramt als formelles Leitbild der Juristenausbildung . . . . . . . f) Die lange Tradition des Volljuristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Universitäten: Wissenschaft und staatsbürgerliche Erziehung . . . . . . 5. Die Lehre: insbesondere die Staatsrechtslehre und ihr Erziehungsauftrag 6. Die Akteure: Reformen zwischen Kooperation und Machtkampf . . . . . . . 7. Die zentralen Leitbilder in der Kurzfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Leerstelle: liberales Juristenethos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Jurist des liberalen Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Reformdebatten und der Umbruch zum liberalen Staat . . . . . . . . . . . 3. Reformdebatten ohne Fernziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
398 398 398 399 399 401 402 403 405 405 406 408 408 409
Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Jüngere Entwicklungen und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Juristenausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die unabhängige Justiz und der Einfluss der Europäischen Union . . . . . . II. Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
424 424 424 425 426
410 411 412 413 414 416 418 419 419 420 421
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Inhaltsverzeichnis
Literatur- und Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zeitungsartikel ohne Autorenangabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Archivquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Onlinequellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
429 429 474 474 474 474
Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478
Abkürzungsverzeichnis a. a. O. ABl. Abs. AcP a. D. ÄndG/ÄndVO Anm. AO AöR AV BA(P) Bd. BGBl. Bl. BRJ CDU DASR DDR DDRGBl. DDRMinBl. DJ DJV DJZ DNVP DöV DR DRB DRiZ DRPfl. DRW DRZ DtZ DUZ DVBl.
am angegebenen Ort Amtsblatt Absatz Archiv für die civilistische Praxis außer Dienst Änderungsgesetz/-verordnung Anmerkung Anordnung/Ausbildungsordnung Archiv des öffentlichen Rechts Allgemeinverfügung Bundesarchiv (Potsdam) Band Bundesgesetzblatt Blatt Bonner Rechtsjournal Christlich Demokratische Union Deutschlands Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft (Walter Ulbricht) Deutsche Demokratische Republik Gesetzblatt der DDR Ministerialblatt der DDR Deutsche Justiz: Rechtspflege und Rechtspolitik; amtl. Blatt d. deutschen Rechtspflege Deutsche Justizverwaltung (SBZ) Deutsche Juristen-Zeitung Deutschnationale Volkspartei Die öffentliche Verwaltung Deutsches Recht (Zeitschrift) Deutscher Richterbund Deutsche Richterzeitung Deutsche Rechtspflege (Zeitschrift) Deutsche Rechtswissenschaft Deutsche Rechts-Zeitschrift Deutsch-Deutsche Rechts-Zeitschrift Deutsche Universitätszeitung Deutsches Verwaltungsblatt
18 et al. FAZ FDJ Fn. FR GG GS GUZ GVBl./GV H. Halbbd. JAG JAO JR JuS JuV JVBl. JW JZ KPD KritVerf LDPD MDR MfS m.w. N. ND NdsRpfl. NJ NJW NÖS NS NSDAP o. A. OLG PrJM PrJMBl. PrLJPA RegBl. RG RGBl. RGZ RJM
Abkürzungsverzeichnis et alii/aliae (und andere) Frankfurter Allgemeine Zeitung Freie Deutsche Jugend Fußnote Frankfurter Rundschau Grundgesetz Gesetzessammlung (Preußen)/Gesammelte Schriften Göttinger Universitätszeitung Gesetzes- und Verordnungsblatt Heft Halbband Justiz-/Juristenausbildungsgesetz Justiz-/Juristenausbildungsordnung Juristische Rundschau Juristische Schulung Justiz und Verwaltung Justizverwaltungsblatt Juristische Wochenschrift JuristenZeitung Kommunistische Partei Deutschlands Kritische Verfassung (Zeitschrift) Liberal-Demokratische Partei Deutschlands Monatsschrift für Deutsches Recht Ministerium für Staatssicherheit der DDR mit weiteren Nachweisen Neues Deutschland Niedersächsische Rechtspflege (Zeitschrift) Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung Nationalsozialismus/nationalsozialistisch(e/r) Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei ohne Angabe Oberlandesgericht Preußisches Justizministerium Justizministerialblatt Preußen Landesjustizprüfungsamt Preußen Regierungsblatt Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Reichsjustizministerium
Abkürzungsverzeichnis RV RwInfo S. s. (o.) SBZ SED SJZ SL SLABl. SMAD Sp. SPD SS SuR u. a. USPD v. VO VOBl. (V)VDStRL WRV ZAkDR zit. ZK ZRG GA ZRG RA ZVOBl.
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Einleitung „Eine Elite von Juristen garantiert die Verfassung des Rechtes nur bedingt und die Verfassung der Freiheit gar nicht.“ 1
I. Darstellung Als „Mittler zwischen dem Recht und den Rechtssubjekten“ trägt der Juristenstand zum Bestand einer Rechts- und Staatsordnung bei.2 Das gilt für die in der Justiz und der Beratungspraxis tätigen Juristinnen und Juristen ebenso wie für diejenigen in der Verwaltung, der Wirtschaft und der Wissenschaft.3 Jede praktische Rechtsanwendung, die im Einklang mit der Rechtsordnung steht, stabilisiert die „jeweiligen konkreten Rechts- und Herrschaftsordnungen“.4 In den letzten 100 Jahren gab es aber nicht die eine Erscheinungsform des deutschen Staates5 und nicht die eine Herrschaftsordnung, sondern vier unterschiedliche: In einem kurzen Zeitraum von 1918 bis 1949 verschwanden drei deutsche Staaten; vier entstanden. Die demokratische Ordnung der Weimarer Republik löste den Monarchismus des Kaiserreichs ab und wurde nach gerade einmal vierzehnjährigem Bestehen vom nationalsozialistischen Regime beseitigt. Zwei wesensverschiedene neue Staaten beerbten ihrerseits das „Dritte Reich“ nach dessen Zusammenbruch: eine sozialistische Republik im Osten und eine neue liberaldemokratische Republik im Westen. Jede neue Staatsform schaffte eine neue formelle oder materielle Verfassungs-, und damit eine neue Rechtsordnung. In jedem der neuen Systeme der ersten Jahrhunderthälfte konnte der Juristenstand seine Existenz und seine Einbindung in den Staatsaufbau behaupten.6 Ein jeder Wechsel zu einer neuen Staatsordnung dürfte sich aber im engen Zusam1
Dahrendorf, Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, S. 261. Weidenkauff, Juristenausbildung, S. 72; vgl. auch Pirkl, Vorwort, S. V; Kübler, Juristenausbildung im Zielkonflikt, S. 10. 3 Weidenkauff, Juristenausbildung, S. 72. 4 Schmitt Glaeser, Rechtsfakultäten als Hüter der Verfassung, in: NJW 1995, S. 2597 f. 5 Soweit in dieser Arbeit abweichend vom „neuen Staat“ die Rede ist, ist regelmäßig die neue Staatsform gemeint; der äußerlich ,neue‘ Staat. Die staats- und völkerrechtlichen Fragen des Untergangs und der Kontinuität des deutschen Staates bleiben hier unberücksichtigt. 6 Vgl. Dahrendorf, Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, S. 260. 2
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Einleitung
menspiel mit dem Stand der Berufsjuristen vollzogen haben: Der Staat hat zur Durchsetzung seiner Ordnung ein Interesse daran, die juristische Tätigkeit und die Ausbildung ,seiner‘ künftigen Juristinnen und Juristen zielgerichtet zu gestalten. Dieses Interesse erscheint umso größer in einer Phase des Umbruchs, in der es gilt, die neue Rechts- und Staatsordnung zu etablieren. Der Juristenstand auf der anderen Seite ist nicht nur an das staatliche Recht gebunden;7 er lebt auch vom gesellschaftlichen Verständnis für die geltende Rechtsordnung. Denn fehlt es an diesem, ist auch sein Ansehen gefährdet.8 Dieser Wechselbeziehung zwischen dem Staat und seinem Juristenstand in den Phasen des staatlichen Umbruchs im Deutschland der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts widmet sich die vorliegende Arbeit. Sie versucht, eine Antwort auf die Frage zu geben, ob jedem der vier neuen Staaten auch ein Leitbild eines neuen Juristentypus zugrunde lag, der berufen gewesen wäre, die neue Rechtsordnung und den neuen Staat zu etablieren und durchzusetzen – ein neues ,staatliches Juristenleitbild‘.
II. Das ,staatliche‘ Juristenleitbild Juristische Leitbilder, Ideale für den Juristenstand, bestanden und bestehen in unterschiedlicher Form. Sie können sich in konkreten Berufsbildern äußern, wie in den Tugenden des Richters, die im Schwabenspiegel des 13. Jahrhunderts festgehalten wurden: Den mittelalterlichen Richter zeichneten hiernach Weisheit, Stetigkeit und Mäßigung ebenso aus wie eine Unberührtheit von den eigenen Gefühlen und eine innere Verbindung mit Gott, Recht und Gerechtigkeit.9 In der Moderne muss ein Gesamtbild des idealen Juristen und der idealen Juristin10 aber nicht zuerst in einzelnen Berufsbildern gesucht werden: Eine formell- oder materiell-rechtlich ausgestaltete Ausbildung unter unterschiedlich großem Einfluss des Staates bietet ganz eigene Ziele und Ideale – und somit Leitbilder für diejenigen Juristinnen oder Juristen, die am Ende des Ausbildungsweges stehen sollen; die ,idealen Durchschnittsjuristen‘.11 Der zentrale Gegenstand der Unter-
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Rüthers, Die Wende-Experten, S. 147 ff. Vgl. Weidenkauff, Juristenausbildung, S. 78; Herzog, Jurist und Staatsbewußtsein, S. 22. 9 Haller, Schwabenspiegel, Landrecht, Kap. 74. 10 (Allein) In der historischen Betrachtung wird weitgehend die maskuline Form genutzt. Dies dient der Lesbarkeit und entspricht den tatsächlichen Gegebenheiten einerseits (zur Studienzulassung der Frauen im Nationalsozialismus vgl. etwa C. II. 3. a) bb) (2)) sowie den zeitgenössischen sprachlichen Gebräuchlichkeiten andererseits. 11 So richtigerweise schon die Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 233. Eine Ausbildung, erst recht ein Massenstudium, kann sich zwar an Idealen orientieren; sie ist aber darauf ausgelegt, anstelle weniger perfekter Juristen vielmehr eine Vielzahl ,idealer Durchschnittsjuristen‘ hervorzubringen. Gerade Letztere prägen das Gesamtbild des Juristenstandes. 8
III. Aktualität der Untersuchung
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suchung ist daher die Entwicklung der Juristenausbildung, die in den Kontext der Entwicklung von Staat und Recht in den vier Phasen des Umbruchs der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts gesetzt wird. Das konkrete Ziel der Arbeit ist es, angelehnt an das Eingangszitat Ralf Dahrendorfs, die jeweiligen Leitbilder oder Charakteristika für die Juristen des neuen Staates und ihre Bedeutung als staatsbewahrende Faktoren herauszuarbeiten. Gesucht werden ,staatliche Juristenleitbilder‘ in zweierlei Hinsicht: Einerseits sollen die staatliche Gestaltung der Umstände, unter denen die Juristinnen und Juristen ihrer Zeit ausgebildet und tätig wurden, und ihre Zwecksetzung eingehend untersucht werden. Andererseits soll allgemeiner aufgezeigt werden, an welcher Stelle staatliche Interessen und die neue Staatlichkeit in der Juristenausbildung in Erscheinung traten und welchen Stellenwert die jeweils neue Ordnung im Selbstbild des Juristenstandes einnahm. Für beide deutschen Diktaturen liegt eine Vermutung freilich auf der Hand: Die Juristenausbildung war – wie sämtliche Bereiche des Rechts und der Gesellschaft – Gegenstand intensiver staatlicher Lenkung; die Ausbildung selbst weltanschaulich durchzogen und auf das neue Herrschaftssystem ausgerichtet. Interessanter als das ,Ob‘ der Vermittlung eines staatlichen, weltanschaulichen Juristenleitbildes ist dort das ,Wie‘, nämlich die Ebenen konkreter Einflussnahme und Gestaltung zum Zwecke der Schaffung eines neuen Juristentypus. Anderes gilt für die Juristenausbildung im liberalen Staat. Hier muss sich erst zeigen, ob der künftige, neue Jurist überhaupt die „Verfassung des Rechts“ oder die „Verfassung der Freiheit“ garantieren sollte; ob er ein „Garant [von] Ordnung, Sicherheit, Freiheit und uneingeschränkte[r] Herrschaft des Rechts“ 12; die Juristenfakultäten als Ausbildungsstätten solcher Juristen gar „Hüter[innen] des Rechtsstaats“ 13 sein sollten. Erfolgt im freiheitlichen Staat auch die Ausbildung eines freiheitlichen, liberalen Juristen und wenn ja, an welcher Stelle?
III. Aktualität der Untersuchung Die Relevanz einer historischen Untersuchung ist schon grundsätzlicher Natur: Ausbildungsleitbilder bieten eine Orientierung für Reformvorhaben in Bezug auf eine mit den wandelnden Bedürfnissen der Zeit immer wieder zu überdenkende Juristenausbildung.14 Für eine künftige Reform der Juristenausbildung gilt, 12
Schwinge, Der Jurist in der modernen Gesellschaft, S. 5. Schmitt Glaeser, Rechtsfakultäten als Hüter der Verfassung, in: NJW 1995, S. 2597 (passim). 14 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 232; Lührig, Reform der Juristenausbildung, S. 220; Bergmans, Auf dem Wege zu einem neuen Verständnis, in: ZRP 2013, S. 113; Stolleis, Leitbild der Juristenausbildung, in: NJW 2001, S. 200 (202). 13
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Einleitung
ebenso wie für den gesamten Stand von Berufsjuristinnen und Berufsjuristen, ein wenig originelles, aber dennoch zutreffendes Wort, das Hans Hattenhauer der Ausbildungsreform im Jahr 1989 widmete: „Der Weg in die Zukunft kann umso sicherer beschritten werden, je gewisser wir uns unserer Vergangenheit sind.“ 15
Aber auch ein aktuellerer Anlass für die Beschäftigung mit den historischen Leitbildern der Juristenausbildung ist schnell gefunden. Die gegenwärtige Krise des westlichen demokratischen Rechtsstaates16 legt nahe, darüber nachzudenken, ob es nicht geboten erscheint, entweder die Ausbildung näher an einem Leitbild der freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung auszurichten oder aber überhaupt nach einem stärkeren Bewusstsein des gesamten Juristenstandes für die politische Bedeutung seines Wirkens zu rufen.17
IV. Methodik, Quellenlage und Stand der Forschung Woraus soll sich nun das gesuchte Juristenleitbild ergeben? Das jeweils zeitgenössische Juristenleitbild ergibt sich primär aus einer Gesamtschau von normativen Grundlagen der Juristenausbildung, einzelnen Erklärungen der unmittelbaren Entscheidungsträger und sonstigen Beteiligten des Reformprozesses, dem Verlauf der jeweiligen Reformdebatte ihrer Zeit. Aber erst die Betrachtung der geänderten Staatsordnung, der Rechtsvorstellung, des Verhältnisses des neuen Staates zu seinem Juristenstand und der unmittelbaren Umgebung, in der die Juristenausbildung stattfindet, ermöglicht eine zielsichere Einordnung; eine aussagekräftige Verknüpfung einer jeweiligen Revision des Juristenleitbildes mit dem staatlichen Umbruch.
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Hattenhauer, Juristenausbildung, in: JuS 1989, S. 513 (520). Anstatt vieler nur Voßkuhle, Rechtsstaat unter Druck, in: DIE ZEIT, Nr. 40/2018,
S. 6. 17 Ähnlich Möllers, Editorial, in: Der Staat 58 (2019), S. 503 (505). Vor allem die Aufgabenwahrnehmung durch die Gerichtsbarkeit inmitten einer digitalisierten Öffentlichkeit verdeutlicht die politische Dimension rechtlicher Tätigkeit. Ob in Fällen rechtswidriger Abschiebungen von mutmaßlichen Terrorunterstützern durch die Regierungen (vgl. Boehme-Neßler, Der gefühlte Rechtsstaat, in: DIE ZEIT online v. 16.08.2018), Strafverfahren gegen Geflüchtete (Locke, Urteil im Chemnitz-Prozess, in: FAZ Online v. 22.08.19) oder die Grenzen der Meinungsäußerung (vgl. Janisch, Künast Urteil, in: DIE ZEIT online v. 12.09.2019): Die Rechtsprechung, sowohl die Zivil-, als auch die Straf- und Verwaltungsgerichtsbarkeit, steht jeweils inmitten einer größeren politischen Auseinandersetzung und ist der jeweiligen Erwartungshaltung unterschiedlicher Teile der Bevölkerung genauso ausgesetzt wie dem Eindruck erheblicher medialer Vorverurteilung (so etwa im Fall Edathy, vgl. Fischer, Bitte entschuldigen Sie, Herr Edathy, in: DIE ZEIT, Nr. 10/2014, S. 4). Umso wichtiger ist jedoch die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze trotz des Drucks seitens der Politik und einer divergierenden öffentlichen Meinung.
IV. Methodik, Quellenlage und Stand der Forschung
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1. Methode und methodische Abgrenzung Skizziert werden soll nun, wie genau sich die Entwicklung von Juristenleitbildern und ihrer Prägung durch die staatlichen Umbrüche ermitteln lässt. Die Untersuchung stellt die normative Reform der juristischen Ausbildung in den Kontext ihrer Reformdebatten und der auf sie wirkenden Umstände ihrer Zeit. Damit ist sie in erster Linie eine rechtsgeschichtliche Untersuchung, die den historischen Wandel der Rechtsordnung als Versuch betrachtet, ein Ordnungsproblem ihrer Zeit zu lösen. Durch die Berücksichtigung des historischen Kontextes geht die Untersuchung über eine rein ereignisgeschichtliche Darstellung hinaus. Eine Bewertung anhand eigener (Rechts-)Erfahrungen, insbesondere einer heutigen liberalen Auffassung, soll im darstellenden Teil vermieden werden.18 Während der Ausbildungsreform das Verhältnis des Staates zum Richter vergleichend gegenübergestellt wird, sollen innerhalb der Betrachtung des Reformprozesses selbst Zusammenhänge zwischen dem staatlichen Umbruch und einer neuen Gestaltung aufgezeigt werden. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht die jeweils zeitgenössische Reformdebatte. Der Begriff der Debatte bringt allerdings Klarstellungsbedarf in methodischer Hinsicht mit sich. Als eigenständige sozialwissenschaftliche Methode betrachtet die ,Diskursanalyse‘ den ,Diskurs‘: etwa dessen gesellschaftliche Wirkungen, seine sozialen Akteure und die Hintergründe der Sprecherpositionen.19 All das ist nicht Gegenstand dieser zeitgeschichtlichen Untersuchung. Im Mittelpunkt steht eine inhaltliche Betrachtung.20 Auf den Begriff des Diskurses deshalb als „zu voraussetzungsvoll“ vollständig zu verzichten,21 ginge allerdings zu weit. Bereits das äußere Bild der Arbeit dürfte die Gefahr einer Verwechslung ausschließen. Noch weniger Anlass besteht, sprachlich zwischen dem Begriff des Diskurses, der Diskussion und der Debatte zu differenzieren. So wurde die Debatte als eine 18 Das gilt auch für den wertenden Systemvergleich. Eine zurückhaltende Wertung ist dabei nicht von vornherein ausgeschlossen; sie wird auch nicht vollständig zu vermeiden sein, vgl. die Kritik am Begriff der richterlichen ,Unabhängigkeit‘ in der DDR unter E. II. 3. c). 19 Zur soziologischen Diskursanalyse vgl. etwa Keller, Wissenssoziologische Diskursanalyse, S. 35 ff. Zur historischen Ausrichtung der Diskursanalyse vgl. Landwehr, Historische Diskursanalyse, S. 89 ff. Eine Abgrenzung zu weiteren Disziplinen wie der soziologischen Implementationsforschung und der erziehungswissenschaftlichen Curriculumsforschung bietet Sörgel, Implementation der Grundlagenfächer, S. 8–16. Angesichts eines deutlich zeitgeschichtlichen Ansatzes letztgenannter Arbeit scheint bereits die dortige Abgrenzung eher akademischer Natur. 20 Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der jeweiligen Debatte darüber hinaus einem weiter gefassten Interessen- und Berufskreis zuzuordnen, erfordert ebenso wenig eine eigenständige soziologische Betrachtung. 21 So etwa Schieder, Ethisch motivierter Rechtsungehorsam, S. 3 f.
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Einleitung
die fachlichen Grenzen überschreitende Form der Diskussion;22 die Diskussion ausschließlich als Auseinandersetzung mit einer Fragestellung ohne Erwartung eines Ergebnisses betrachtet.23 Die Unterscheidung dient weder einem Mehr an Klarheit, noch bewegt sie sich im Rahmen einer tradierten rechtswissenschaftlichen Nomenklatur. All diese Begriffe bezeichnen zunächst eine Auseinandersetzung mit einer konkreten Streitfrage unabhängig vom Grad ihrer Öffentlichkeit oder Fachlichkeit24 und werden im Rahmen dieser Arbeit synonym verwendet. Wichtiger und zielführender als eine begriffliche Eingrenzung ist die der Quellen. 2. Quellenlage und Stand der Forschung a) Wesentliche Erkenntnisquellen Zwar nicht Mittel- aber doch Ausgangspunkt der Betrachtung sind die normativen Quellen. Dies betrifft zunächst die Untersuchung der juristischen Ausbildung, in der formelle Ausbildungsgesetze und materielle Ausbildungsordnungen zumeist den Rahmen der Untersuchung vorgeben werden. Konkrete Lehr- und Studienpläne werden hingegen nicht untersucht. Hiervon ausgenommen sind die zentralen Lehr- und Ausbildungspläne der DDR, die an die Stelle früher üblicher Ausbildungsverordnungen und -gesetze traten. Zur Kontextualisierung werden unter anderem Rechtsgrundlagen des Verfassungsrechts, des Gerichtsverfassungsrechts und des Hochschulverfassungs- und Hochschulrechts untersucht. Die Hintergründe einer staatlichen Entscheidung können grundsätzlich auf unterschiedlichem Wege zum Ausdruck kommen: als Gesetzesbegründung, als Entwurfsbegründung, innerhalb einer Parlamentsdebatte, als (Regierungs-)Erklärung, im internen Schriftverkehr oder als Beitrag im Rahmen der Ausbildungsdebatte selbst. Die Ausbildungsdebatte ist insofern – neben den relevanten Einzelerwägungen – der größte eigenständige Untersuchungsgegenstand. Hier werden über die Grenzen einzelner juristischer Berufsstände hinweg sowohl die Motivation als auch eine erwartete oder tatsächliche Wirkung der in Aussicht gestellten oder umgesetzten Reformen kritisch besprochen. Dabei sind für die vorliegende Untersuchung nicht nur diejenigen Äußerungen interessant, die von staatlichen Funktionären oder anderen Entscheidungsträgern stammen. Aufschlussreich, vor allem im Hinblick auf Detailfragen, sind sämtliche Gedanken, die in der Diskussion rezipiert werden und selbst solche, die trotz einer Publikation an prominenter Stelle und einer für die vorliegende Betrachtung relevanten These gerade keinen Widerhall fanden. Sie können andeuten, wo es an einem bestimmten Konsens in einer Wertung oder Streitfrage gerade fehlte. 22
Johst, Begrenzung des Rechtsgehorsams, S. 7. Schieder, Ethisch motivierter Rechtsungehorsam, S. 3 f. 24 Vgl. jeweils Duden online: www.duden.de/rechtschreibung/Debatte;/Diskurs;/Diskussion. 23
IV. Methodik, Quellenlage und Stand der Forschung
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Die Reformdebatte war und ist grundsätzlich öffentlich. Das heißt nicht, dass die Teilnahme stets jedermann möglich gewesen wäre, aber durchaus, dass sie regelmäßig der öffentlichen Wahrnehmung zugänglich war. Sie findet und fand auch in Form von Monografien und juristischen Konferenzen statt. Der Hauptaustragungsort der wissenschaftlichen und praktischen Meinungsverschiedenheiten sind aber – in variierendem Maß und Form – die juristischen Fachzeitschriften.25 Das legt schon der Anteil der Zeitschriftenbeiträge am Literaturbestand der vorliegenden Arbeit nahe, ist aber im Grunde eine Selbstverständlichkeit: Die Veröffentlichung in einer Monografie oder Festschrift gestaltet sich langwierig. Auf dringliche, aktuelle Problemfragen lässt sich hiermit kaum adäquat reagieren. Ähnliches gilt für den von vornherein festgelegten Themenumfang juristischer Konferenzen. Die Relevanz der Zeitschriften erklärt sich auch daraus, dass sie Raum zum zeitnahen Diskurs über die Ergebnisse anderweitiger Veröffentlichungen und Konferenzen bieten. Wo Anlass besteht, können auch öffentliche Debatten, die über die fachlichen Grenzen hinausgehen, zu berücksichtigen sein. b) Stand der Forschung Die vorliegende Arbeit profitiert von einer weitgehenden Aufarbeitung nicht nur der Verfassungs- und der Justizgeschichte, sondern auch der Ausbildungsgeschichte. Insbesondere für die letztere soll der Stand der Forschung umrissen werden: Einzelne Arbeiten widmen sich der Juristenausbildung in den einzelnen Phasen des deutschen Staates26 oder konkreten Ausbildungsformen wie der vorübergehenden Erscheinung des DDR-Volksrichters.27 Vor allem in der DDR wurden zahlreiche Ausbildungsvorschriften nicht veröffentlicht; teils gab es von vornherein nur interne ministeriale Rundverfügungen. Insbesondere Dank der Arbeiten zur DDR kann in dieser Hinsicht auf einen weitgehend ausgewerteten Archivbestand zurückgegriffen werden.28 Eine vollständige Übersicht über die Reformdebatte selbst gibt es nicht und kann es kaum geben. Ein vor allem an den praktischen Anforderungen orientierter Überblick über die Debatten vor der Zeit des „Dritten Reichs“ wurde mitsamt eines Reformvorschlages 1960 veröffentlicht.29 Eine Zusammenfassung der Reformdebatte von 1945 bis 1995 mit Schwerpunkt auf den späten sechziger Jahren war Gegenstand einer Dissertation aus der Mitte der neunziger Jahre.30 Daneben wurden kürzere Zusammenfassun25
Richtigerweise auch Soergel, Implementation der Grundlagenfächer, S. 21. Liwinska, Die juristische Ausbildung, passim; Pientka, Juristenausbildung, passim. 27 Pfannkuch, Volksrichterausbildung, passim; Wentker, Volksrichter, passim. 28 Siehe vor allem den Anhang mit Dokumenten zur Entwicklung der Volksrichterausbildung und zum Einsatz und der Fortbildung der Volksrichter bis 1952, in: Wentker, Volksrichter, S. 95 ff. sowie die Lehrpläne bei Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 87, 127 ff. 29 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 166 ff. 30 Lührig, Reform der Juristenausbildung, passim. 26
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Einleitung
gen veröffentlicht.31 Weitere Arbeiten beschäftigen sich mit der Geschichte einzelner Rechtsfakultäten,32 den Anforderungen von Prüfungsarbeiten in der DDR33 oder der Entwicklung der Grundlagenfächer in der Nachkriegszeit.34 Neben der rechtssoziologischen Auseinandersetzung mit der Frage des Rechts als Ideologieträger35 und gesellschaftlichen Wirkungsmechanismus gibt es wenige Arbeiten, die die Juristenausbildung und die Steuerung juristischer Leitbilder aus einer historischen Betrachtung heraus als gezielten staatsbewahrenden Mechanismus betrachten.36 Ein eigenständiger Tagungsband, der sich der Frage nach dem notwendigen Staatsbewusstsein des Juristenstandes im Rechtsstaat widmet, erschien 1987.37 Allen erwähnten Arbeiten ist zu eigen, dass sie relevante Erkenntnisse zu Einzelfragen der Juristenausbildung bieten; manche haben auch eine erforderliche Vorarbeit in der Auswertung der Archivbestände geleistet.38 Es fehlt aber an einer vergleichenden, systematisierenden Betrachtung der Entwicklung staatlicher Juristenleitbilder in der Zeit des Umbruches. Vor allem über die Juristenausbildung der Diktatur hinaus haben der Staat als Gegenstand der Juristenausbildung und eine möglicherweise staatlich sanktionierte Wertorientierung in der Juristenausbildung nur eine geringe Würdigung in der rechtsgeschichtlichen Betrachtung erfahren.
V. Gang der Untersuchung 1. Einführung: Frühe Etappen der Juristenausbildung (A.) Die Arbeit beginnt mit einer kurzen, kursorischen Einführung in die historische Entwicklung der staatlichen Einflussnahme auf die Juristenausbildung.
31
Statt vieler nur Rinken, Einführung in das juristische Studium, S. 282 ff. Etwa Hüls, Die Juristenausbildung an der Universität Halle, passim; Schroeder, „Eine Universität . . .“, passim; Wolf, Jenaer Studium, passim. 33 Mierau, Die juristischen Abschluß- und Diplomprüfungen, passim. 34 Soergel, Implementation der Grundlagenfächer, passim. 35 Insb. zur Ausbildung als „Ideologie-Training“ im totalen Staat vgl. Rüthers, Die Wende-Experten, S. 149; Wassermann, Erziehung zum Establishment, dort die Beiträge von Wiethölter (S. 1 ff.) und Wassermann (S. 33 ff.). 36 Frassek, Weltanschaulich begründete Reformbestrebungen für das juristische Studium in den 30er und 40er Jahren, in: ZRG GA 111 (1994), S. 564–591. 37 Eisenmann/Rill, Jurist und Staatsbewußtsein, passim. 38 Insb. Frassek zum internen Austausch der nationalsozialistischen Rechtswissenschaft sowie Wentker zur justizministerialen Kommunikation im Rahmen der Volksrichterausbildung in der DDR. Auch auf Publikationen und Zusammenfassungen der zur Zeit der DDR weitgehend unveröffentlichten Studienpläne kann diese Arbeit bereits zurückgreifen, vgl. jeweils die Nachweise unter D. II. 4. a) aa) und b) aa). 32
V. Gang der Untersuchung
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2. Hauptteil: Leitbilder von Weimar bis zur Bundesrepublik (B.–E.) Im Anschluss werden die vier großen Umbruchsphasen des deutschen Staates in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts untersucht. Im Sinne der Vergleichbarkeit wird in den einzelnen Kapiteln die Entwicklung juristischer Leitbilder im Kontext der Staats- und Rechtsentwicklung jeweils nach dem gleichen Schema nachgezeichnet, das im Folgenden kurz umrissen wird. Einer kurzen Klarstellung bedarf allerdings der Begriff des Staatlichen in der Doppelfunktion als Quelle und Ankerpunkt einer neuen Leitvorstellung. Der Begriff wird synonym zum jeweils herrschenden System verwendet. Sowohl die Frage der Legitimität der Staatsgewalt als auch die Möglichkeit eines vorübergehenden Untergangs der Staatlichkeit in der Besatzungszeit bleiben hier unberücksichtigt.39 Gerade im gewaltengeteilten Staat kann bedeutsam sein, von welcher konkreten Staatsgewalt40 eine Reform ausgeht. Dies wird in den einzelnen Abschnitten genauer zu berücksichtigen sein. a) Grundlegendes Die Untersuchung staatlicher Juristenleitbilder unter dem Eindruck des staatlichen Umbruchs erfordert zunächst eine Einschränkung des Beobachtungszeitraums. Für die kurzlebige Weimarer Republik und den Nationalsozialismus gilt das nur bedingt. Wichtiger ist die Einschränkung allerdings für die Betrachtung des jungen geteilten Deutschlands. Der Orientierung halber sollen die wichtigsten Einzelereignisse in der Phase des Umbruchs ebenfalls kurz erwähnt sein – sie können ihrerseits Voraussetzung oder Hemmnis für die weitere Entwicklung sein. Die Untersuchung der juristischen Ausbildung am Maßstab einer veränderten Verfassungs- und Rechtsordnung erfordert zwingend eine kurze Darstellung dieser geänderten Umstände. Vorangestellt wird daher jeweils eine Betrachtung der wesentlichen Merkmale der neuen staatlichen Ordnung – soweit vorhanden – mit Blick auf die formelle Verfassung. b) Staat und Juristen – Recht, Richterschaft, Juristenausbildung Anschließend soll das Verhältnis des Staates zum Juristenstand näher erörtert werden. Hierunter fallen regelmäßig drei Punkte: zuerst eine Bestandsaufnahme über sichtbare Änderungen der Rechtskonzeption und des Rechtsbegriffes, sodann eine skizzenhafte Charakterisierung des Verhältnisses vom Staat zum Juristenstand. Zuletzt wird schließlich die Entwicklung der Juristenausbildung untersucht.
39
Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, S. 117. Erfasst sind damit auch der formelle Gesetzgeber, vor allem aber die Regierungen als materieller Gesetzgeber und Initiatoren formeller Gesetzgebung. 40
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Einleitung
aa) Zum Rechtsverständnis Zunächst soll umrissen werden, ob41 und inwiefern sich mit der neuen Verfassungs- und Staatsordnung die Bedeutung des Rechts geändert hat; welche Funktion das Recht im neuen Staat haben sollte, denn die Funktion des Rechts gibt auch Aufschluss über die Funktion desjenigen Berufsstandes, der mit seiner Anwendung betraut – oder wenigstens befasst – ist. bb) Die Richter im neuen Staat Die Vielzahl der Einzelbeziehungen, anhand der das Verhältnis eines Staates zu ,seinen‘ Juristen veranschaulicht werden kann, gebietet von vornherein eine thematische Einschränkung. Ein offenkundiges Spannungsfeld ist die Gerichtsbarkeit. Waren die politischen Spitzenpositionen schon regelmäßig mit Juristen besetzt,42 lag mit der Rechtsprechung ein erheblicher Teil der Staatsgewalt nahezu ausschließlich in der Hand von Berufsjuristen. Der junge Staat musste also eine Entscheidung treffen, wie viel Macht einem Juristenstand als Staatsgewalt und vor allem gegenüber der übrigen Staatsgewalt zuzugestehen war. Der Umgang eines Staates mit seinen Gerichten ist daher stets ein Indikator für dessen Juristenfreundlichkeit.43 Zu betrachten sind insbesondere die Gestaltung der Gerichtsbarkeit selbst; vor allem die Entwicklung des „unabhängigen Richters“. Dabei sind zweierlei Gesichtspunkte zu berücksichtigen: Einerseits wird die Einflussnahme des Staates auf seine Richter; andererseits die Reaktion der Rechtsprechung auf die veränderten Umstände näher untersucht. Dabei soll sich zeigen, wie der Staat das Bild des Richters und der Rechtsprechung änderte und wie möglicherweise auch die Rechtsprechung versuchte, dem neuen Staat gegenüber ein eigenes Selbstbild zu schaffen oder zu behaupten. Es geht um die Frage nach einem neuen Richtertypus im neuen Staat. cc) Die Entwicklung der Juristenausbildung Den Schwerpunkt jeder Betrachtung bildet die Juristenausbildung in ihren unterschiedlichen Facetten. 41 Hiervon geht weitgehend zu Recht Rüthers aus, vgl. ders., Die heimliche Revolution, S. 166 f. 42 Dahrendorf, Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, S. 262 f. 43 So zu Recht Rüthers, Institutionelles Rechtsdenken, S. 16. Die Problematik des Juristenmonopols in der Verwaltung und der Umgang des Staates mit der Rechtsanwaltschaft bleiben aus Gründen des Umfangs unberücksichtigt. Gerade mit Blick auf die Rechtsanwaltschaft bietet sich ohnehin eine andere Situation: Auch wenn ihre Rolle als Teil der Rechtspflege nicht zu unterschätzen ist, ist sie gerade keine mit rechtlicher (Letzt-)Entscheidungsbefugnis ausgestattete staatliche Stelle. Das Konfliktpotenzial ist nur bedingt vergleichbar und erscheint damit auch weniger repräsentativ für das Verhältnis des Staates zu seinem Juristenstand.
V. Gang der Untersuchung
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Die Arbeit verfolgt ausdrücklich nicht den Zweck, eine vollständige Geschichte der Juristenausbildung in den Phasen deutschen Staatswandels abzubilden. Untersucht werden vor allem diejenigen Aspekte, die zur Frage der Aufgabe des Juristen in Staat und Gesellschaft ergiebig sind. Organisatorische Detailfragen bleiben möglichst unberücksichtigt.44 Auch die Promotion wird als Teil der juristischen Weiterbildung unberücksichtigt bleiben. Die Suche nach dem Ideal des Juristen am Ende seiner üblichen Ausbildung kann auf eine solche Untersuchung verzichten. Ausgangspunkt der Betrachtung der Juristenausbildung ist ihre normative Grundlegung in den staatlichen Vorgaben durch Justiz- und Juristengesetze, Ausbildungs- und Studienordnungen. Bereits in diesen kann ein eigenständiges systematisches Leitbild äußeren Ausdruck finden;45 unter Umständen können sie sogar ganz konkrete Zielvorstellungen enthalten. Im Mittelpunkt der Studie stehen aber die Ausbildungsdebatte und die Einzelerwägungen, die den Reformprozess geprägt haben. Die Betrachtung der Reformdebatte ist nicht chronologisch,46 sondern thematisch angelegt, um die Bedeutung der einzelnen Ausbildungsmodalitäten weiter in den Vordergrund zu rücken. Nach einer allgemeinen Bestandsaufnahme, welche Beteiligten die jeweilige Debatte aufweist und welchen groben Verlauf sie nahm, sollen unter anderem außergesetzliche Ziel- und Leitvorstellungen sowie Ideen und Erwägungen für eine neue Organisation der Ausbildung und eine Neueinteilung der Studieninhalte untersucht werden. Dabei gilt es unter anderem folgende Fragen zu beantworten: Sollten die Studierenden im Ausbildungsverlauf an den Staat herangeführt werden; sollten konkrete Fächer oder Tätigkeiten ein Staatsbewusstsein wecken oder gar Loyalität zur neuen Staatsform schaffen? Aufgrund der Natur der Sache könnte gerade eine Reform der Ausbildung im Staatsrecht und der allgemeinen Staatslehre ein Mittel gewesen sein, die jeweils neue Ordnung – und möglicherweise auch deren Legitimität – zum Ausdruck und dem künftigen Juristen nahe zu bringen. Für sich genommen soll zudem ein Ideal betrachtet werden, das bis heute Grundlage der Juristenausbildung ist: die Befähigung zum Richteramt. Es wird zu untersuchen sein, ob sich das Verhältnis des neuen Staates zu seiner Richterschaft an dieser Stelle bemerkbar gemacht hat und ob die Juristenausbildung einen zeitgemäßen ,idealen Richter‘ hervorbringen sollte.
44 Erwägungen, die allein für die Effizienz der Ausbildung oder ihre allgemeine pädagogische Optimierung relevant sind, bleiben möglichst außen vor, um den kaum überblickbaren Umfang an Reformforderungen auf seine Kernideen zu beschränken. Weil eine exakte Unterscheidung hier aber nicht immer möglich ist und die Darstellung nicht durch die Vorwegnahme einer eigenen Wertung verkürzt werden soll, werden Modalitäten, die das Gesamtbild zumindest prägen könnten, im Zweifel dennoch berücksichtigt. 45 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 555. 46 So etwa Lührig, Reform der Juristenausbildung, passim.
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Einleitung
dd) Universitäten und Lehre Von eigenständiger Relevanz ist zuletzt das Umfeld der juristischen Ausbildung: die Stellung der Universitäten und Rechtslehrer. Für die längste Zeit waren die Universitäten Stätte wenigstens eines ersten Teils der Juristenausbildung. Betrachtet werden soll, wie sich neben ihren Grundstrukturen und ihrer Stellung im Staat auch ihre Aufgabe, insbesondere das Wissenschaftsverständnis infolge der staatlichen Zäsur verändert hat – oder verändert wurde. Abschließend werden die allgemeinen Umstände der Lehre betrachtet. Neben der Gerichtsbarkeit liegt hier ein wesentlicher Teil staatlicher Macht in der Hand des Juristenstandes, der für die Umsetzung staatlicher Leitvorstellungen in der Juristenausbildung von erheblicher Relevanz sein dürfte. Es wird zu untersuchen sein, inwieweit die Rechtslehrer, vor allem als Teil der Beamtenschaft, auch den Auftrag hatten, staatsnah, verfassungsfreundlich oder weltanschaulich zu lehren. Besondere Aufmerksamkeit gilt hier der Staatsrechtslehre47 und damit demjenigen Teil der Rechtslehre, der dem Staat thematisch am nächsten ist. Die Staatsrechtslehre kann nicht nur an der Ausgestaltung neuen Verfassungsrechts mitwirken, sondern vermittelt aufgrund ihres Lehrgegenstandes zwingend die staatliche Ordnung und ihre Hintergründe in der universitären Ausbildung. So nimmt sie durch ihre Lehre stets unmittelbaren Einfluss auf das Staatsdenken der Studierenden. Eine kurze Betrachtung der Lehre zur Zeit des Umbruchs soll daher die kontextualisierende Untersuchung abschließen und auch Aufschluss darüber geben, in welcher Form sie ihre Funktion der Rechtsgestaltung und Ausbildung wahrgenommen haben könnte. 3. Kerngedanken späterer Zäsuren (F.) Sowohl die Entwicklung der Bundesrepublik in den späten sechziger Jahren – die Zeit der „68er“-Bewegung – als auch die Entwicklung im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der deutschen Einheit werden in dieser Arbeit nicht im Detail behandelt, weil eine gänzlich neue staatliche Ordnung hier in beiden Fällen nicht entstanden ist. Es soll dennoch kurz aufgezeigt werden, ob und wie sich diese jüngeren Zäsuren der deutschen Geschichte auf das Ideal des angehenden Juristen ausgewirkt haben. 4. Auswertung (G.) In einer Gesamtauswertung (I.) werden die Auswirkungen der vier untersuchten staatlichen Umbrüche einander vergleichend gegenübergestellt. Dabei folgt die Gegenüberstellung dem Untersuchungsschema des Hauptteils. Zum Abschluss (II.) wird in aller Kürze auf die Leitbildvermittlung durch den modernen freiheitlichen Staat und die Vermittlung eines von freiheitlichen Gedanken getragenen Juristenleitbildes einzugehen sein. 47 Gemeint sind insoweit sowohl die Staatsrechtslehre als auch die allgemeine Staatslehre, vgl. auch Sontheimer, Politische Wissenschaft und Staatsrechtslehre, S. 19 ff.
A. Frühe Etappen der Juristenausbildung Die frühen Etappen der Juristenausbildung sind bereits an anderer Stelle ausführlicher beschrieben worden.1 Sie sollen hier nur soweit umrissen werden, wie sie einen Eindruck von der Entwicklung einer hoheitlichen, staatlichen Einflussnahme auf die juristische Ausbildung vermitteln können.
I. Vom antiken Rom bis zum Heiligen Römischen Reich Der Berufsstand des Juristen in seiner heutigen Form hat seinen Ursprung im Römischen Reich.2 Seine Entstehung war notwendige Folge eines immer weiter ausdifferenzierten, dem Laien nicht mehr zugänglichen Rechts.3 Im antiken Rom traten Juristen vor allem als Advokaten auf, die Geschäfte und Prozesse führten, aber auch verbindliche oder unverbindliche Rechtsgutachten, sogenannte responsa, insbesondere in öffentlichen Angelegenheiten erstellten.4 Eine gesonderte Ausbildung war dazu nicht erforderlich, auch wenn die wenigen Juristen etwa ab dem 5. Jahrhundert n. Chr. in aller Regel bei privaten Rechtslehrern eine Einweisung in das römische Fallrecht, das Gewohnheitsrecht, Formulare und später auch Gesetze erhielten.5 Die Ausbildung war mehr eine „Handwerkskunst“ denn eine Wissenschaft;6 allgemeingültige Standards gab es nicht.7 Die Bedeutung der
1 Mit weiteren Nachweisen etwa Lührig, Reform der Juristenausbildung, S. 25 ff.; Köbler, Geschichte der juristischen Ausbildung, in: JZ 1971, S. 768 ff. 2 Wesel, Geschichte des Rechts, S. 222. Im Unterschied zum antiken Griechenland, in dem ein derart spezialisierter Rechtsgelehrtenstand nicht denkbar war, vgl. Crook, Legal advocacy, S. 39. 3 Wieacker, Vom römischen Recht, S. 134. 4 Wieacker, Vom römischen Recht, S. 130 f., 134. 5 Crook, Legal advocacy, S. 45; Wieacker, Vom römischen Recht, S. 140 f. 6 Wieacker, Vom römischen Recht, 139 ff. Insofern war die Arbeit mit übergeordneten Rechtsprinzipien und allgemeinen Regeln selten, Rechtsdogmatik im heutigen Sinne gab es nicht (Kleiter, Entscheidungskorrekturen, S. 227; Wieacker, Vom römischen Recht, S. 142) und auch Gerechtigkeitserwägungen als Ausbildungsgegenstand kamen erst spät auf (Wieacker, Vom römischen Recht, 145 f.). Das Wissen wurde in juristischen Streitgesprächen, disputationes, zur Anwendung gebracht, vgl. Bremer, Rechtslehrer und Rechtsschulen, S. 12 f. Dennoch war die juristische Ausbildung nicht vorwiegend eine rhetorische, vgl. Crook, Legal advocacy, S. 46. Gerade die Gerichtsrhetorik war keine juristische Disziplin, sondern die Disziplin juristisch ungebildeter Rhetoren – Wieacker galt sie gar als „gefährlicherer und eigennütziger Gegner der Fachjurisprudenz“, vgl. ders., Vom römischen Recht, S. 85, 146. 7 Bauman, Lawyers and politics in the early roman empire, S. 9.
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A. Frühe Etappen der Juristenausbildung
Rechtsauffassung des Juristen hing weniger von der Qualität seiner Ausbildung ab, als vielmehr von seiner auctoritas, seiner persönlichen Autorität und Anerkennung.8 Dabei musste sich der Jurist, der in der Frühzeit stets aus der Nobilität stammte, als „makelloser Mann voll Gewicht und Verläßlichkeit“ beweisen.9 Mit dem durch Augustus eingeführten ius respondendi reichte das nicht mehr aus. Erstmals fand eine sichtbare, gezielte staatliche Kontrolle juristischer Tätigkeit statt. Juristen, die verbindliche Stellungnahmen – Gutachten – in öffentlichen Angelegenheiten abgeben wollten, benötigten dazu eine Art Erlaubnis des Prinzipats. Öffentlich tätigen Juristen wurde eine Lizenzpflicht auferlegt,10 die wohl in erster Linie dazu bestimmt war, die juristischen Fähigkeiten des Gutachtenurhebers zu verbürgen.11 Auch wenn eine sonstige juristische Tätigkeit – jenseits der Erteilung von öffentlichen responsa – damit nicht untersagt war, bedeutete eine nichterteilte Lizenz wenigstens ein geringeres Vertrauen potenzieller Mandanten.12 Der Erfolg der Juristen war somit von der Erteilung einer staatlichen Lizenz abhängig. Erst einige hundert Jahre nach dem Untergang des weströmischen Reiches und der damit verbundenen herrschenden Rechtskultur13 wurde in Bologna im Jahr 1088 eine neue Form der Rechtsschule begründet: die Universität,14 an der nun erneut das Römische Recht gelehrt wurde.15 Der Abschluss eines Rechtsstudiums wurde ab etwa 1230 zur Voraussetzung für den Eintritt in Richteramt und Anwaltschaft erhoben.16 Die juristischen Absolventen waren so begehrt, dass sie für die Städte von wirtschaftlicher und politischer Bedeutung waren. Teils wurde daher versucht, die gelehrten Juristen, die doctores, per Eid zu binden und eine Betätigung außerhalb der Universitätsstadt zu verbieten.17 Zum Ende des 14. Jahrhunderts hatte das Universitätswesen und mit ihm die akademische Juristenausbildung auch den heutigen deutschen Raum erreicht; in Heidelberg wurde die erste Universität auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands gegründet.18 Im Unterschied zur Universität Bolognas wurden die Universitätsverfassungen dort
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Wieacker, Vom römischen Recht, S. 137. Wieacker, Vom römischen Recht, S. 137. 10 Bauman, Lawyers and politics in the early roman empire, S. 10, 12; Kunkel, Das Wesen des ius respondendi, in: ZRG RA 66 (1948), S. 423 (455). 11 Kunkel, Das Wesen des ius respondendi, in: ZRG RA 66 (1948), S. 423 (450 f.). Siehe dort insb. Fn. 33. 12 Bauman, Lawyers and politics in the early roman empire, S. 16. 13 Wieacker, Vom römischen Recht, S. 156 ff., 236 ff. 14 Fried, Die Entstehung des Juristenstandes, S. 5. 15 Wieacker, Vom römischen Recht, S. 292 ff. 16 Fried, Die Entstehung des Juristenstandes, S. 1. 17 Fried, Die Entstehung des Juristenstandes, S. 120 ff. 18 Köbler, Geschichte der juristischen Ausbildung, in: JZ 1971, S. 768. 9
II. Von der jüngeren Neuzeit bis zum Deutschen Reich
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von Anfang weitestgehend einseitig von den Hochschullehrern bestimmt. Die Studentenschaft hatte nur geringe Mitspracherechte.19
II. Von der jüngeren Neuzeit bis zum Deutschen Reich Erst die Neuzeit brachte die heutige Form der Juristenausbildung. Die jungen deutschen Territorialstaaten griffen bald nach ihrem Aufkommen in die Selbstständigkeit der Universitäten ein. Die Universitäten wurden in die staatliche, also regelmäßig fürstliche Verwaltung eingegliedert; der Lehrbetrieb abhängig vom Staat.20 Durch Verordnungen wurden dem Rechtsstudium verbindliche Studienpläne zugrunde gelegt.21 Um die teils geringe Effizienz der universitären Lehre zu erhöhen, verpflichteten die Städte die Dozenten, die Wahrnehmung ihrer Aufgaben formell nachzuweisen.22 Die Universität stand unter staatlicher Aufsicht. Die Einflussnahme auf das Prüfungswesen nahm aber erst später zu: Erstmals wurde im 16. Jahrhundert die Ablegung einer Prüfung vor dem Reichskammergericht gefordert.23 Als praktische Ausbildung wurde ein freiwilliger Vorbereitungsdienst bei weltlichem oder geistlichem Gericht oder einem Anwalt absolviert.24 Die ersten staatlichen Eingangsprüfungen für das Richteramt wurden am Ende des 17. Jahrhunderts in Brandenburg gefordert.25 Schließlich wurde in Preußen zunächst im Jahr 1710 durch Reskript, im Jahr 1713 durch die „allgemeine Ordnung, betreffend die Verbesserung des Justizwesens“ der erste verpflichtende Vorbereitungsdienst für Justizanwärter angeordnet und eingerichtet.26 Zur Mitte des Jahrhunderts musste der künftige Richter zudem einen zeitlich nicht festgelegten Vorbereitungsdienst abgeleistet27 und drei Prüfungen abgelegt haben: Das universitäre erste Examen, das zum Bürodienst in der Justiz befähigte;28 das hieran anschließende zweite Examen, das zum Eintritt ins Referendariat berechtigte und zuletzt das Assessorexamen, das zum Richteramt befähigte.29
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Köbler, Geschichte der juristischen Ausbildung, in: JZ 1971, S. 768 (769). Coing, Handbuch der Quellen und Literatur II.1., S. 16 ff. Erste Formen staatlicher Besoldung der Lehrkörper gab es aber bereits im 5. Jahrhundert n. Chr., vgl. Wieacker, Vom römischen Recht, S. 265. 21 Hübner, Einwirkung des Staates, in: FS Felgenträger, S. 111. 22 Hübner, Einwirkung des Staates, in: FS Felgenträger, S. 112. 23 Bestehend aus einer Proberelation und einer mündlichen Prüfung, vgl. Dilcher, Die preußischen Juristen und die Staatsprüfungen, in: FS Thieme, S. 297. 24 Burmeister, Das Studium der Rechte, S. 236 ff. 25 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 52. 26 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 52. 27 Köbler, Geschichte der juristischen Ausbildung, in: JZ 1971, S. 768 (772). 28 Vgl. Hattenhauer, Juristenausbildung, in: JuS 1989, S. 513 (515). 29 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 53; Köbler, Geschichte der juristischen Ausbildung, in: JZ 1971, S. 768 (772 f.). 20
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A. Frühe Etappen der Juristenausbildung
Ab 1793 hatten nicht nur Richter, sondern auch Anwälte30 und Notare einen Vorbereitungsdienst abzuleisten.31 Der Grundstein für die moderne Juristenausbildung war gelegt. Die staatliche Gestaltung der universitären Ausbildung entwickelte sich nun in zwei unterschiedliche Richtungen: Während im Norden auch ohne Druck durch die Rechtslehrer vergleichsweise weite Lehr- und Lernfreiheit gewährt und den Dozenten schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine geistige Freiheit zugesichert wurde,32 wurde die juristische Ausbildung gerade im Süden bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts deutlich gelenkt.33 So waren in Bayern nicht nur Studienpläne, sondern auch die konkreten Lehrbücher verpflichtend vorgeschrieben.34 Das heißt zwar nicht, dass sich die preußische Ausbildung im staatsfernen Raum abgespielt hätte: Auch hier war das Ziel der Ausbildung die Schaffung eines Staatsdieners.35 Dennoch wandelte sich in Preußen das Ausbildungsziel: „Nicht der fachlich perfekt Beschlagene, sondern der aus einem menschlich-persönlich orientierten Bildungsideal Handelnde ist das Ziel der Ausbildung.“ 36 Zur Mitte des 19. Jahrhunderts kamen schließlich erste deutliche Vereinheitlichungsbestrebungen auf.37 Am 6. Mai 1869 wurde der Juristenausbildung mit dem preußischen „Gesetz über die juristischen Prüfungen und die Vorbereitung zum höheren Justizdienst“ 38 eine noch heute vertraute Form gegeben: der zweistufige Ausbildungsaufbau, bestehend aus einem universitärem Studium und dem folgendem Vorbereitungsdienst. Das Gesetz vom 6. Mai 1869 kodifizierte zudem einen Grundsatz, der sich später noch als charakteristisch für die moderne Juristenausbildung herausstellen wird – nämlich den zunächst unscheinbaren „Grundsatz [. . .], daß die näheren Bestimmungen über die Einrichtung des Prüfungswesens und über die Ausbildung der Referendare nicht der Gesetzgebung, sondern der Exekutive vorbehalten sind“.39
30 Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts waren auch Rechtsanwälte Staatsbeamte und damit der Justiz näher als heute, vgl. Kunkel, Grundsätzliche Überlegungen zur Problematik der Juristenausbildung, in: JZ 1956, S. 637 (640). 31 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 54. 32 Döhring, Geschichte der juristischen Fakultät Kiel, S. 20; Hübner, Einwirkung des Staates, in: FS Felgenträger, S. 117. 33 Döhring, Geschichte der juristischen Fakultät Kiel, S. 19; Hübner, Einwirkung des Staates, in: FS Felgenträger, S. 123 ff. 34 Hübner, Einwirkung des Staates, in: FS Felgenträger, S. 119. 35 Hattenhauer, Juristenausbildung, in: JuS 1989, S. 513 (516). 36 Hübner, Einwirkung des Staates, in: FS Felgenträger, S. 127. 37 Lührig, Reform der Juristenausbildung, S. 35 ff. 38 GS 1869, S. 656. 39 Fn. 1 des Gesetzes vom 6.5.1869.
B. Die Weimarer Republik I. Grundlegendes 1. Beobachtungszeitraum und wichtige Stationen Eine Betrachtung der Weimarer Republik bedarf ob der Kürze ihres Bestehens keine wesentliche Eingrenzung. Soweit nicht auf einzelne auf die Kaiserzeit zurückgehende Normen zurückgegriffen werden muss, beginnt die Betrachtung bei der Ausrufung der Republik durch Scheidemann am 9. November 1918. Mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, der Verordnung des Reichspräsidenten „zum Schutze des Deutschen Volkes“,1 der Verordnung des Reichspräsidenten „zum Schutz von Volk und Staat“ 2 und schließlich dem Ermächtigungsgesetz3 endete die Weimarer Republik. Prägnante Stationen sind das Inkrafttreten der durch die Nationalversammlung beschlossenen Weimarer Reichsverfassung am 14. August 19194 und die zahlreichen politischen Krisen der Republik: Früh erstarkten die Republikgegner, der Reichszerfall drohte.5 Es kam zum „Spartakusaufstand“ im Januar 1919, zum Kapp-Putsch im März 1920 und zum Hitler-Ludendorff-Putsch im November 1923. Hinzu kommen die zwei bedeutenden Wirtschaftskrisen; vor allem die Hyperinflation des Jahres 1923. Zuletzt könnte das Erliegen der Parlamente infolge der Reichstagswahlen 1930 Auswirkungen gezeigt haben. Nachdem im Reichstag nur noch eine Minderheitsregierung unter Tolerierung der SPD zustande kam, nutzte Reichspräsident Hindenburg das Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten des Art. 48 der Reichsverfassung, um Exekutiv- und Legislativmacht faktisch in seinem Amt zu vereinen. Durch Notverordnungen sollte im Preußenschlag schließlich auch Preußen unter direkte Kontrolle der Reichsregierung unter Kanzler von Papen gebracht werden. 2. Abriss der Weimarer Reichsverfassung Die Weimarer Reichsverfassung (WRV) ersetzte die Bismarck’sche Reichsverfassung von 1871. An die erste Stelle der neuen Verfassung setzte die Nationalversammlung ihren Anspruch, eine demokratische Republik zu konstituieren.
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RGBl. I 1933, S. 35. RGBl. I 1933, S. 83. RGBl. I 1933, S. 141. RGBl. 1919, S. 1383. Preuß, Deutschlands Staatsumwälzung, S. 4 f., 16.
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B. Die Weimarer Republik
Art. 1 WRV lautete: „(1) Das Deutsche Reich ist eine Republik. (2) Die Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Dem erneuerten Staat lag ein demokratisches, liberales und föderales Konzept zu Grunde. Das Legislativorgan des Reichs war nun das in „allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl“ (Art. 22 WRV) gewählte Parlament, der Reichstag (Art. 68 Abs. 2 WRV).6 Mit den Grundrechten wurden auf Reichsebene erstmals umfassende Freiheitsrechte eingeführt (Zweiter Teil der WRV). Die Gesetzgebungskompetenz (Art. 12 WRV) und die Verwaltungshoheit (Art. 5, 14 WRV) lagen im Regelfall bei den Ländern, durch die Herabstufung von Staaten zu Ländern und der Steuerhoheit des Reiches wurde der Föderalismus der Bismarck’schen Reichsverfassung jedoch reduziert.7 Mit diesen tiefgreifenden Wandlungen der staatlichen Ordnung waren allerdings auch drei für die folgende Untersuchung der Entwicklung relevante Konfliktbereiche verbunden. Eine Besonderheit liegt im Verhältnis zwischen dem Reich und dem Land Preußen, der sogenannten Dualität Reich-Preußen. So wurde die frühere verfassungsrechtliche Vorherrschaft Preußens,8 das den Großteil der Fläche und der Einwohner des Reiches ausmachte,9 zugunsten eines Nebeneinanders zwischen dem Reich und Preußen aufgegeben. Gleichwohl behielt Preußen aufgrund der Größe und seines historischen Stellwerts eine besondere Machtstellung. Die Konkurrenz Preußens zum Reich war in der Lage, dessen Stabilisierungspolitik zu behindern.10 Die Situation hatte zur Folge, dass auf der einen Seite aufgrund einer besonderen Verantwortung Preußens gegenüber dem Reich11 gefordert wurde, Preußen zum eigentlichen Staat im Staate zu erheben,12 andererseits auf Seiten der Länder eine Angst vor preußischer Hegemonie bestand,13 wobei gerade Bayern auf die Beibehaltung föderaler Grundsätze bedacht war.14 Ihren Höhepunkt fand die Spannung zwischen Preußen und dem Reich allerdings erst im „Preußenschlag“, als Reichspräsident Hindenburg 1932 durch die „Notverordnung zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Gebiet des Landes Preußen“ 15 die Hoheit des Landes von der Minderheitsregierung 6 Wobei auch direktdemokratische Elemente in Form von auf wenige Fälle beschränkten Volksentscheiden (Art. 73, 76 S. 3 WRV) und Volksabstimmungen (Art. 43 Abs. 2 WRV) eingeführt wurden. 7 Huber ging daher davon aus, es handle sich schon gar nicht um Föderalismus, vgl. ders., Reichsgewalt, S. 20 f. 8 Preuß, Deutschlands Staatsumwälzung, S. 5; vgl. auch Art. 11 der Bismarck’schen Reichsverfassung. 9 Heller, Die Neuordnung des Reiches, in: GS II, S. 395 (397). 10 Eimers, Das Verhältnis von Preußen und Reich, S. 425. 11 Huber, Reichsgewalt, S. 22. 12 Eimers, Das Verhältnis von Preußen und Reich, S. 423. 13 Eimers, Das Verhältnis von Preußen und Reich, S. 291. 14 Huber, Reichsgewalt, S. 20. 15 RGBl. I 1932, S. 377.
I. Grundlegendes
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auf den Reichskanzler Franz von Papen als Kommissar übertrug und der bisherigen Regierung die Vertretungsmacht gegenüber dem Reich und anderen Ländern entzog. Die Stellung des Reichspräsidenten ist sodann der nächste Konfliktbereich, der der Weimarer Reichsverfassung immanent war. Auch wenn die USPD sich in der Nationalversammlung gegen das Organ des Reichspräsidenten aussprach,16 weil sie – letztlich zu Recht – die Möglichkeit fürchtete, dass dieser den Staat in die Diktatur führen könnte,17 wurde ein solcher als Oberhaupt des Staates in die Verfassung aufgenommen und mit ausführlichen Notverordnungsrechten (Art. 48 WRV) ausgestattet. Das Notverordnungsrecht verschaffte dem Reichspräsidenten in Krisensituationen nahezu unbegrenzte Verordnungsmacht, womit er nicht nur als formaler „Ersatzkaiser“ 18 auftrat, sondern auch diktatorisch herrschen konnte. Wesentlich aufgrund dieser umfassenden Ermächtigung des Art. 48 WRV galt der Reichspräsident zunächst als „Hüter der Reichseinheit“ und als „Hüter der Verfassung“.19 Die weite Verordnungsermächtigung erschien in der Öffentlichkeit als „Diktatur-Artikel“;20 sie wurde allerdings auch von den Demokraten als Mittel zur Krisenbewältigung genutzt.21 Die Umgehung des Parlaments durch Gebrauch der Notverordnungsermächtigung galt seinerzeit als einer der Faktoren, die das Vertrauen des Volkes in Parlamentarismus und Verfassung schwächten.22 Sie ebnete rechtlich den Weg der Nationalsozialisten. Das letzte Problemfeld waren die Grundrechte selbst. Besonders zu Beginn der Weimarer Republik erschienen diese der Staatsrechtswissenschaft als Rechtsinstitut ohne Konzept und stießen auf Ablehnung oder wenigstens „Verlegenheit“ 23. Neben dem Inhalt der einzelnen Grundrechte erschien vor allem ihr Verhältnis zum einfachen Recht und folglich auch ihre Einschränkbarkeit unklar.24 Vor allem Carl Schmitt hatte die Grundrechte in seiner Verfassungslehre ausführlich untersucht und für das System den Begriff des für den „bürgerlich-freiheitlichen 16
Kurz, Demokratische Diktatur?, S. 30. Kurz, Demokratische Diktatur?, S. 30. 18 Eschenburg, Die improvisierte Demokratie, S. 41. 19 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 310, 316 f. Maßgeblich von Carl Schmitt wurde dieser Titel verfassungsrechtlich ausgeschmückt und bekräftigt, vgl. ders., Hüter der Verfassung, S. 158. Kelsen sah diese Wertung aufgrund einer – im Ergebnis – richtig erkannten Gefahr einer Wandlung des Reichspräsidenten zum im Widerspruch zur Verfassung stehenden Diktatoren kritisch, vgl. ders., Wer soll Hüter der Verfassung sein?, S. 11. 20 Wunderlich, Die Stellung des deutschen Richters, in: DRiZ 1925, Anlage, S. 19 (24). 21 Zu Eberts Verordnungen „zum Schutze der Republik“ des Jahres 1922 vgl. näher unter II. 2. a) aa) (2). 22 Simons, Das Reichsgericht, in: DRiZ 1924, Sp. 423. 23 Hensel, Grundrechte, S. 3. 24 Hensel, Grundrechte, S. 4 f.; Triepel, Aussprache, in: VVDtStRl 4 (1928), S. 89. 17
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B. Die Weimarer Republik
Rechtsstaat“ konstitutiven „Verteilungsprinzips“ 25 etabliert. Ein tieferer weltanschaulicher Gehalt, eine politische Aussage über die Feststellung eines vagen „Bekenntnisses zu einer liberalen Ordnung“ hinaus, wurde in den Grundrechten allerdings nicht entdeckt.26 Ein Äquivalent zum Gesamtkonzept der heutigen „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“, deren Teil die Grundrechte hätten sein können, gab es nicht. Das Verfassungsbild der Weimarer Verfassung ist bei erster Betrachtung von Unklarheit geprägt: vor allem bezüglich der Bedeutung der Grundrechte und der in der republikanischen Verfassung angelegten Diktatur des Reichspräsidenten. Mit der Einführung des Parlamentarismus und dem Machtzuwachs der politischen Linken war die Stellung der deutschen Arbeiterschaft gestärkt worden. War vor allem die preußische Arbeiterschaft durch das Dreiklassenwahlrecht des Reiches diskriminiert worden,27 konnte sie nun gegenüber dem Bürgertum effektiv ihre Interessen geltend machen. Das Bürgertum hingegen, aus dem der größte Teil der Juristen stammte,28 war seinerseits vor der Räterepublik und einem befürchteten Einzug des Kommunismus geschützt worden. Politisch stellte die Weimarer Reichsverfassung damit einen Kompromiss zwischen Arbeitern und Bürgertum dar.29
II. Staat und Juristen in der Weimarer Republik Der Neuanfang des Deutschen Reiches, der sich mit der Weimarer Verfassung und ihrer neuen Staatsform hätte entfalten können, war unvollendet geblieben. In der gesellschaftlichen Erinnerung blieb eine innere Verbundenheit der Deutschen zur Monarchie erhalten30 und auch das obrigkeitsstaatliche System hatte man nicht vollständig abgeschüttelt.31 Der kaiserzeitliche Verwaltungsapparat blieb nahezu unberührt.32 Während die KPD auch die alte Verwaltung beseitigt sehen wollte, bestand selbst bei den demokratischen Parteien ein nur geringer Wille zur Änderung des gewohnten, monarchischen Staatsaufbaus.33 25
Schmitt, Verfassungslehre, S. 158. Hensel, Grundrechte, S. 28. 27 Böckenförde, Der Zusammenbruch der Monarchie, S. 313. 28 Siehe dazu die ausführliche Fn. 21 bei Kübler, Der deutsche Richter, in: AcP 162, S. 104 (110). Die Soziologie der Weimarer Juristen ist jedoch nur im Überblick untersucht worden, vgl. auch Hueck, Staatsgerichtshof, S. 17, Fn. 38. 29 Kübler, Der deutsche Richter, in: AcP 162, S. 104 (113). Conze, Die Krise des Parteienstaats in Deutschland, in: Historische Zeitschrift 178 (1954), S. 47 (49). 30 Ellwein, Das Erbe der Monarchie, S. 11 f., 315. Selbst Arbeitern schien sie rückblickend bisweilen entgegen aller Tatsachen überparteilich und gerecht, vgl. ders., a. a. O., S. 328 f. 31 Vgl. Schiffer, Die deutsche Justiz, S. 135. 32 Eschenburg, Improvisierte Demokratie, S. 44, 47. 33 Ellwein, Erbe der Monarchie, S. 327 f. 26
II. Staat und Juristen in der Weimarer Republik
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1. Der Rechtsbegriff in der Weimarer Republik Diese stille Kontinuität der Monarchie zeigt sich auch in der Frage nach einer neuen Rechtskonzeption. Einen Konsens darüber, was das Recht für eine Rolle in der demokratischen Republik einzunehmen hatte, gab es – anders in den anderen noch zu betrachtenden Zäsuren des deutschen Staates34 – nicht. Im Verlauf der zwanziger Jahre wandelte sich gleichwohl der Umgang der Juristen mit dem Recht. Der Positivismus der Kaiserzeit wurde zunehmend in Frage gestellt; sowohl seitens der Richterschaft als auch der Staatsrechtslehre. Weil die Weimarer Republik jedoch einerseits noch keine einmütige Abkehr vom Rechtspositivismus markierte und die Umdeutung des Rechtsbegriffs andererseits nicht unmittelbar an den staatlichen Umbruch gekoppelt wurde, werden die konkreten Entwicklungen in der Rechtsprechung und der Staatsrechtslehre an späterer Stelle für sich betrachtet.35 2. Die Weimarer Richterschaft Auch ohne, dass die Gründung der ersten Republik zu einschneidenden Änderungen im alten Staatsaufbau geführt hatte, brachte sie eine Zäsur im Verhältnis der Richter zum deutschen Staat. Die Instabilität der Weimarer Republik und die politische Zerrissenheit spiegelten sich auch in der Richterschaft wider. In ihrer Zusammensetzung durch Kriegsende und Staatsumbruch unverändert,36 befand sie sich weitläufig in offener Feindschaft zur Republik37, nachdem sie in Preußen erst liberale Züge getragen und im Bismarck’schen Reich schließlich eine konservative Richtung eingeschlagen hatte.38 Die oft politisch motivierte Rechtsprechung auf allen Ebenen führte spätestens in der Mitte der zwanziger Jahre zu einer „Vertrauenskrise der Justiz“.39 Im Folgenden soll aber nicht die gesamte Entwicklung der Vertrauenskrise wiedergegeben werden;40 vielmehr soll der Umgang des Staates mit der nach Art. 102 WRV „unabhängigen und nur dem Gesetz unterworfenen“ Richterschaft
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Siehe unter C. und E. jeweils Abschnitt II. 1; D. II. 2. Dass das Reichsgericht sich dazu entschloss, in der Aufwertungsrechtsprechung von der Linie des Rechtspositivismus abzugehen, hing allerdings – wie noch zu zeigen ist – durchaus mit dem staatlichen Umbruch zusammen, vgl. in diesem Abschnitt 2. a) aa) (1). Siehe im Übrigen 2. b) bb) sowie 3. c) bb) (2). 36 Angermund, Deutsche Richterschaft, S. 22; Eschenburg, Improvisierte Demokratie, S. 44. 37 Sontheimer, Antidemokratisches Denken, S. 91. 38 Kübler, Der deutsche Richter, in: AcP 162, S. 104 (107). 39 So wird der eigentliche Beginn der „Vertrauenskrise“ oft auf 1926 datiert, vgl. Siemens, Die Vertrauenskrise der Justiz, S. 150 ff. Öffentliche Kritik an einer als politisch empfundenen Rechtsprechung gab es jedoch auch zuvor. 40 Zum gesamten Streitstand über ihre Bedeutung und Ursachen im Jahr 1983 siehe die Nachweise bei Kuhn, Vertrauenskrise der Justiz, S. 24 f. 35
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B. Die Weimarer Republik
exemplarisch anhand weniger Beispiele aus der höchsten Rechtsprechung der Republik charakterisiert werden. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen politische Gehalte und Wirkungen der Weimarer Rechtsprechung, die Kollision richterlicher Macht mit der Macht anderer Staatsorgane sowie zuletzt die Reaktion des Staates vor dem Hintergrund des nach Art. 102 WRV vorgegebenen Leitbildes des „unabhängig[en] und nur dem Gesetz unterworfen[en]“ Richters. a) Politische Rechtsprechung am konkreten Beispiel Drei Gerichte sind von besonderem Interesse für die beispielhafte Untersuchung der Weimarer Gerichtsbarkeit: das Reichsgericht, der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik und der damit nicht zu verwechselnde Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich. aa) Das Reichsgericht: Politische Opposition? Gerade das Reichsgericht handelte sich bereits früh den Vorwurf politischer Opposition ein. Anschaulich wird dies anhand der zivilrechtlichen Aufwertungsrechtsprechung und der strafrechtlichen Rechtsprechung im Nachgang des KappPutsches. (1) Aufwertungsrechtsprechung in der Wirtschaftskrise Als durch die Hyperinflation des Jahres 1923 Geldschulden entwertet wurden, hatte das Reich die willkommene Möglichkeit, seine in Staatsanleihen bestehenden Schulden problemlos zu begleichen.41 Indem das Reichsgericht die Höhe der Schulden mit Verweis auf Treu und Glauben nach § 242 BGB an aktuelle Verhältnisse anpasste42, versperrte es dem Reich einerseits diesen Weg und maß sich auf der anderen Seite aus eigenen wirtschaftlichen43 und politischen44 Erwägungen die Möglichkeit der vorher in der positivistischen Rechtsprechung so nicht gekannten Rechtsfortbildung und damit einer quasigesetzgeberischen Macht in Konkurrenz zum parlamentarischen Gesetzgeber an. Diese widersprach der zuvor herrschenden Auffassung über die Gesetzesbindung des Richters im Sinne des
41 Grimm, Das Reichsgericht in Wendezeiten, in: NJW 1997, S. 2719 (2724). An anderer Stelle findet sich die Erwägung, der Staat wollte den dem Schuldner durch die Entwertung zukommenden Gewinn besteuern und so mitverdienen, vgl. Mügel, Der gegenwärtige Stand der Aufwertungsfrage, in: DJZ 1925, Sp. 43. 42 RGZ 107, 78. 43 Zu den Zahlungsschwierigkeiten, in denen sich die Republik befand, kam die Entwertung der besonders im Richterstand häufigen Kriegsanleihen, vgl. Angermund, Deutsche Richterschaft, S. 24 f. 44 Wehler, Der Staatsgerichtshof, S. 102; Kübler, Der deutsche Richter und das demokratische Gesetz, in: AcP 162, S. 104 (115).
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Art. 102 WRV. Nach dieser Auffassung bedeutete die dortige Formulierung noch eine „unbedingte Bindung an Wortlaut und Geist des Gesetzes“.45 Als sich bald darauf abzeichnete, dass der materielle oder formelle Gesetzgeber ein der Rechtsprechung des Reichsgerichts widersprechendes Gesetz erlassen könnte, stellte der Richterverein beim Reichsgericht dessen Nichtanwendung in Aussicht.46 In seiner Erklärung heißt es: „Wenn der höchste Gerichtshof des Reiches nach sorgfältiger Erwägung des Für und Wider zu einer solchen Entscheidung gelangt ist, so glaubt er von der Reichsregierung erwarten zu dürfen, daß die vom ihm vertretene Auffassung nicht durch einen Machtspruch des Gesetzgebers umgestoßen wird.“ 47 Zwar löste diese Erklärung in weiten richterlichen Kreisen Befremden aus48 und auch der damalige Reichsgerichtspräsident Simons schloss sich dem nicht an;49 in der Richterschaft überwog jedoch die Zustimmung.50 Als dann erst die Reichsregierung per Verordnung, schließlich der Reichstag die Aufwertungsfrage – unter dem von der Rechtsprechung gewährten Maße – regelte, reagierte das Reichsgericht, indem es sich für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit zunächst von Verordnungen,51 sodann auch von formellen Gesetzen52 befugt erklärte. Eine Normverwerfungskompetenz der Richter war weder im Verfassungsausschuss noch im späteren Rechtsausschuss zum Gesetz zur Errichtung des Staatsgerichtshofs beschlossen worden – zu Beginn der zwanziger Jahre hatte sie aber Anerkennung in Teilen der Staatsrechtslehre gefunden.53 Die richterliche Verwerfungskompetenz blieb gleichwohl umstritten. An ihrer Stelle wurde die Schaffung einer ausdrücklich verwerfungsbefugten Zentralinstanz gefordert.54 Die eigentliche politische Relevanz der Urteile ergibt sich daher insbesondere aus dem Kontext des Urteils, den getätigten Äußerungen und der politischen und 45
Giese, Reichsverfassung, S. 278. Zum theoretischen Überblick vgl. kurz unter bb)
(2). 46 Vorstand des Richtervereins beim Reichsgericht, Hypothekenaufwertung, in: DRiZ 1924, Sp. 7 f. 47 Vorstand des Richtervereins beim Reichsgericht, Hypothekenaufwertung, in: DRiZ 1924, Sp. 7. 48 Matthiesen, Zur Erklärung, in: DRiZ 1924, Sp. 41. 49 Simons, Das Reichsgericht, in: DRiZ 1924, Sp. 424. 50 Kübler, Der deutsche Richter, in: AcP 162, S. 104 (110). 51 RGZ 107, 370 (Steuernotverordnung III). 52 RGZ 111, 320 (Aufwertungsgesetz). 53 Dafür etwa Stier-Somlo, Die verfassungsmäßigen Rechte, in: AöR 42, S. 129 (186); Triepel, Gesetzgebung AöR 39, S. 456 (537); dagegen etwa Anschütz, Reichsverfassung, 3. Aufl., S. 217; Jellinek, Verfassungswidrige Reichsgesetze, in: DJZ 1921, Sp. 753 f. 54 Klee, Die richterliche Prüfung von Gesetzen, in: DRiZ 1924, Sp. 149 (159); so auch Stier-Somlo, Die verfassungsmäßigen Rechte, in: AöR 42, S. 129 (191). Dies sollte ein mit öffentlichem Recht befasstes Gericht sein – der Staatsgerichtshof oder ein Verwaltungsgericht.
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wirtschaftlichen Krise. Ein Prüfungsrecht des Richters war in der Wissenschaft als Schutz des Bürgers vor einem „machthungrigen Parlamente“ 55 konzipiert worden. Der Hintergrund der letztlich vorgenommenen Prüfungen war allerdings, dass Verordnung und Gesetz von den Richtern als „Kriegserklärung der mit delegierter Gesetzgebungsmacht bewaffneten Exekutive“;56 als „Schlag gegen das Ansehen und die Würde des Reichsgerichts“ 57 empfunden worden waren. Zu Recht wird die Annahme eines Prüfungsrechts durch das Reichsgericht heute wie früher als „offene Kampfansage an den demokratischen Gesetzgeber“ 58 aufgefasst, zumal die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit in den ähnlich gelagerten Urteilen spärlich ausfiel59 und auch die Annahme des Prüfungsrechts eher formelhaft übernommen wurde.60 Die Richter wiesen Zweifel an der Verfassungstreue von sich: So seien sie schon aufgrund ihrer Beamtenpflichten auf die Verfassung verpflichtet.61 Diese Treue, der Eid der Richter nach Art. 176 WRV, sollte aber allein der Verfassung, nicht der – eindeutig aus ihr folgenden, von ihr vorausgesetzten – Staatsform gelten.62 Nur wenige, unter ihnen aber der Reichsgerichtspräsident Simons, erklärten ihre Treue auch zur Staatsform.63 Trotz dieser politischen Front blieb die Eskalation aus. In ihren Urteilen hatten die Senate des Reichsgerichts die Verfassungsmäßigkeit von Verordnungen und Gesetzen bestätigt, auch wenn dadurch eine uneinheitliche Rechtslage aus gesetzlicher und freier Aufwertung geschaffen wurde.64 Der Staat war den Richtern mit den Aufwertungsgesetzen entgegengekommen; zudem bekam er die Krise in den Griff und war so wiedererstarkt. Angesichts eines solchen erstarkten Staates überwog die Sorge vor weiterer Eskalation.65 In der eigenen Wahrnehmung hatte man mit
55 Triepel, Gesetzgebung, in: AöR 39, S. 456 (537). Dabei bezieht Triepel sich auf die abstrakte Möglichkeit einer Entwicklung zum Absolutismus. Es handelt sich also nicht um Kritik am Parlamentarismus per se. 56 Simons, Das Reichsgericht, in: DRiZ 1924, Sp. 424. 57 Wunderlich, Die Stellung des deutschen Richters, in: DRiZ 1925, Anlage, Sp. 19 (24). 58 Wehler, Der Staatsgerichtshof, S. 102. 59 Hempel, Richterleitbilder, S. 127. 60 Buschke, Die Grundrechte der Weimarer Verfassung, S. 29 f. 61 Buschke, Die Grundrechte der Weimarer Verfassung, S. 29. 62 Reichert, ohne Titel, in: Anlage zur DRiZ 1925, Sp. 14 (17 f.). Entsprechend bekundete auch der Preußische Richtertag 1927 nur seine „unerschütterliche Verfassungstreue“, zitiert nach Schiffer, Die Unabhängigkeit der deutschen Richter, in: DJZ 1927, Sp. 8 (13). 63 Simons, Die Vertrauenskrise der deutschen Justiz, in: DJZ 1926, Sp. 1665 (1668). 64 Lobe, Die Rechtsprechung im bürgerlichen Recht, S. 254. Das bedeutete für diesen allerdings keineswegs, dass das Reichsgericht zur Vereinheitlichung nun den Grundsätzen der gesetzlichen Aufwertung folgen müsste (ders., a. a. O., S. 255). 65 Hempel, Richterleitbilder, S. 129; Lobe, Die Rechtsprechung im bürgerlichen Recht, S. 255.
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den Urteilen dagegen zwischen absolutem Positivismus und absoluter Letztentscheidungsgewalt „die Mitte getroffen“.66 (2) Der Kapp-Putsch Die politische Einstellung des Reichsgerichts hatte sich zuvor, wenn auch nicht in Form so deutlicher direkter Konkurrenz zum Parlament, bereits an der Rechtsprechung im Prozess gegen die Organisatoren des Kapp-Putsches, dem ersten großen Hochverratsprozess des neuen Reiches67, und der Rechtsprechung zum Republikschutzgesetz abgezeichnet. Im Prozess zum Kapp-Putsch wurde Traugott von Jagow, ein Regierungspräsident a. D., als einer von wenigen Verschwörern angeklagt und als einziger verurteilt. Im Urteil befand das Reichsgericht den noch aus der Kaiserzeit stammenden Hochverratsparagraphen für gültig und erklärte auch, dass dieser ebenso die neue Verfassung schütze.68 Es erkannte bei den Angeklagten zudem das Ziel einer gewaltsamen Abkehr von der Weimarer Verfassung und der Wiederherstellung der Bismarck’schen Reichsverfassung69 und bekräftigte auch die Rechtmäßigkeit der revolutionären Regierungsmacht der Republik.70 Von Jagow wurde allerdings als mildernder Umstand zugutegehalten, „unter dem Bann selbstloser Vaterlandsliebe und eines verführerischen Augenblicks“ gehandelt zu haben.71 Diese Argumentation fußte trotz formaler Anerkennung der Republik auf einer politischen Einstellung, wie sie später auch im Hitlerprozess vor dem bayrischen Volksgericht zu Tage trat: Reaktionäre Kräfte und Ideen wurden romantisiert und heroisiert.72 Seine eigentliche politische Zündkraft entfaltete der Fall aber erst, 66
Simons, Das Reichsgericht, in: DRiZ 1924, Sp. 424. Brammer, Verfassungsgrundlagen und Hochverrat, S. 7. 68 RGSt 56, 259 (261). 69 RGSt 56, 259 (264). 70 RGSt 56, 259 (266), unter Verweis auf RGSt 53, 65 ff.; RGZ 100, 25. 71 Urteil des RG vom 21.12.1921, zitiert nach Brammer, Verfassungsgrundlagen und Hochverrat, S. 121. Die Strafzumessung ist in der Veröffentlichung RGSt 56, 259 nicht enthalten. 72 So unterblieb die nach § 9 Abs. 2 Republikschutzgesetz zwingend anzuordnende Ausweiswung Hitlers mit folgender bekannten wie beachtlichen Begründung: „Auf einen Mann, der so deutsch denkt und fühlt wie Hitler [. . .] kann nach Auffassung des Gerichtes die Vorschrift des § 9 Abs II des Republikschutzgesetzes ihrem Sinne und ihrer Zweckbestimmung nach keine Anwendung finden“, Urteil des Volksgerichts München I v. 1.4.1924, abgedruckt in: Gruchmann, Der Hitlerprozess 1924 I, Anlage, S. 341 ff.; Würdigung Hitlers auf S. 364. Beachtlich ist auch der Freispruch Ludendorffs, der nach Überzeugung des Gerichts von dem Putsch nichts mitbekommen haben soll (S. 361 ff.). Sicherheit und Bestand des Weimarer Staates wurden so dem nationalistischen Gedanken untergeordnet. Das Urteil weist allerdings die Besonderheit auf, dass hierin neben dem Verhältnis der Richter zum demokratischen Staat das Verhältnis der Richter und des Landes Bayern zum Reich zur Geltung kam. Die Konstellation des Kapp-Putsches wurde so um einen föderalen Konflikt erweitert. 67
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als das Reichsgericht von Jagow trotz seiner Verurteilung wegen Beihilfe zum Hochverrat seine nach § 7 des preußischen Disziplinargesetzes zwingend zu versagenden Ruhestandsbezüge gewährte und dies mit einem rechtlich zweifelhaften Widerspruch zwischen preußischem Disziplinarrecht und dem reichsrechtlichen Hochverratsparagraphen begründete.73 Die junge Republik wurde vor den Augen der Öffentlichkeit zur Versorgung ihrer tatkräftigsten Feinde verurteilt. bb) Der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik Eine ähnliche Tendenz zeigte sich in der Anwendung des Republikschutzgesetzes von 1922. Infolge der durch Rechtsextremisten verübten Morde an mehreren republikanischen Politikern und Abgeordneten, darunter Reichsaußenminister Rathenau, erließ Ebert zunächst mehrere Notverordnungen zum Schutze der Republik74, bis im Juli 1922 dann auch ein formelles Gesetz zum Schutze der Republik75 erlassen wurde. Das Gesetz stellte die Verfolgung republikanischer Abgeordneter und die Teilnahme und Vorbereitung einer solchen unter hohe Strafandrohung (§ 1–7) und bot die Möglichkeit der Strafverfolgung gegen jeden, der „öffentlich [. . .] die verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform [. . .] dadurch herabwürdigt, daß er Mitglieder der republikanischen Regierung des Reichs oder eines Landes beschimpft oder verleumdet“ (§ 8). Zuständig für Hochverrat und Tötungsdelikte war der mit verfassungsändernder Zweidrittelmehrheit am Reichsgericht eingerichtete „Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik“ (§§ 12, 13). Für sämtliche andere Strafsachen war weiterhin die ordentliche Strafgerichtsbarkeit, damit auch das Reichsgericht, zuständig. Durch eine besonders restriktive Auslegung der Tatbestandsmerkmale, insbesondere der des § 8, trug das Reichsgericht mit seiner Rechtsprechung dazu bei, den Anwendungsbereich des Gesetzes faktisch auf Null zu reduzieren.76 Auch der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik, dessen politische Beisitzer eine Verfolgung politischer Straftaten zunächst vorangetrieben hatten, verlor seine Bedeutung, als die Besetzung mit eben diesen Beisitzern zurückging und es zu einer 73
Kuhn, Die Vertrauenskrise der Justiz, S. 214 f. RGBl. I 1922, S. 521; RGBl. I 1922, S. 532. 75 RGBl. I 1922, S. 585. 76 Kübler, Der deutsche Richter, in: AcP 162, S. 104 (118 f.). Richter Lobe schmähte die in § 5 Nr. 4 der ersten Verordnung und später in § 8 des Gesetzes zum Schutze der Republik verankerte Strafandrohung wegen einer Beschimpfung der republikanischen Staatsform als „Kautschukvorschrift schlimmster Art“, vgl. ders., Erläuterungen zu den beiden Verordnungen vom 16. und 29. Juni, in: DJZ 1922, Sp. 457 (466). Ein geringer Wille zum Schutz der Republik zeigte sich auch an Gerichten unterer Instanzen. So wurde die Bezeichnung Eberts als „Landesverräter“ durch einen Journalisten mit der Würdigung gebilligt, dass es sich zwar um eine Beleidigung handle, nicht aber um üble Nachrede, weil Ebert tatsächlich Landesverräter im strafrechtlichen Sinne sei, vgl. Kramer, Juristisches Denken, S. 160. 74
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Parallelbesetzung mit dem Reichsgericht kam.77 Das Republikschutzgesetz und der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik waren politisch umstritten; im Parlament und in der Öffentlichkeit. Besonders der Staatsgerichtshof schien alsbald zum dezidierten „Kommunistenjäger“ gereift zu sein.78 Nach anfänglicher Zustimmung der Öffentlichkeit für ein konsequentes Durchgreifen schlug die öffentliche Meinung in den Vorwurf von „Formalismus, Einseitigkeit, Handeln nach antidemokratischem Vorverständnis und Gesinnungsjustiz“ um.79 Im Jahr 1927 wurden die Zuständigkeiten des Staatsgerichtshofs zum Schutze der Republik an das Reichsgericht übertragen.80 Im Frühjahr 1930 wurde das Gesetz aus dem Jahre 1922 durch ein zweites, kürzeres Gesetz zum Schutze der Republik ersetzt,81 ohne dass dies das Bild der Weimarer Justiz geprägt hätte. cc) Der Staatsgerichtshof des Deutschen Reiches Während die politische Kraft und Bedeutung des Reichsgerichts mit der Stabilisierungsphase abnahm, erstarkte sie auf Seiten des Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich mit Zuspitzung der Verfassungskrise. Ohne weitere Ausführungen hatte Art. 108 WRV angeordnet, dass nach Maßgabe eines Reichsgesetzes ein „Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich zu errichten wäre“. Weil allerdings in aller Regel eine sehr geringe Neigung zu einem solchen Gesetzeserlass bestand,82 kam man diesem Auftrag erst mit dem Gesetz über den Staatsgerichtshof aus dem Jahr 192183 nach.84 In den Zuständigkeitsbereich des Staatsgerichtshofes fielen insbesondere verfassungsrechtliche Streitigkeiten zwischen Reich und Ländern sowie Streitigkeiten unter Ländern. Seine besondere politische Relevanz entwickelte sich spät, nämlich erst nachdem er in seinem Urteil vom 5. Dezember 1931 die Kompetenz zur Überprüfung von Notverordnungen des Reichspräsidenten annahm.85 In der sich zuspitzenden 77
Hueck, Staatsgerichtshof, S. 310. Kuhn, Die Vertrauenskrise der Justiz, S. 141; Hueck, Staatsgerichtshof, S. 307. Vgl. hierzu auch die Übersicht in Gumbel, Vier Jahre politscher Mord, S. 81. Eine Übersicht über die politischen Morde und das Schicksal ausführender oder verantwortlicher Beteiligter findet sich auf den S. 73 ff. 79 Hueck, Staatsgerichtshof, S. 307. 80 § 1 des Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes zum Schutz der Republik v. 2.7.1927, RGBl. I 1927, S. 125. 81 RGBl. I 1930, S. 91. 82 Siehe etwa Akten der Reichskanzlei. Weimarer Republik, Kabinett Bauer, Nr. 28, Kabinettssitzung vom 18. Juli 1919, 2. Entwurf eines Gesetzes über den Staatsgerichtshof. 83 RGBl. I 1921, S. 905. 84 Am Ende des Jahres 1920 wurde ein vorläufiger Staatsgerichtshof eingerichtet, vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 6, S. 546. 85 StGH RGZ, 27 ff. 78
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Verfassungskrise war das Reichsparlament machtlos geworden; der Staatsgerichtshof war nun neben den Ländern der größte Gegenspieler der Politik des Reichspräsidenten. Als Hindenburg das von einer republikanischen Minderheitsregierung regierte Preußen wegen Staatsnotstandes per Notverordnung unter kommissarische Reichsführung stellte und auch die Regierung Otto Brauns absetzte,86 stellte der Staatsgerichtshof zwar die Verfassungsmäßigkeit der kommissarischen Regierung, allerdings im selben Zuge die Verfassungswidrigkeit des mit der Absetzung der Regierung verbundenen Entzugs der Vertretungsmacht fest.87 Das der Reichspolitik widersprechende Urteil stieß auf energische Kritik von deutschnationaler aber auch allgemein staatsrechtlicher Seite. Dem Staatsgerichtshof wurde vor allem seitens E. R. Huber vorgeworfen, die eigene Prüfungsbefugnis überschritten und die eigene politische Macht erweitert zu haben.88 Es entfaltete sich ein Streit, in dessen Mittelpunkt Rangverhältnis von Staatsgerichtshof und Reichspräsident standen. So wurde dem Staatsgerichtshof bisweilen die Reichsorganqualität und im Grunde auch eine Kompetenz zur Kontrolle der Reichsregierung abgesprochen.89 Dennoch konnte der Reichspräsident, besser: dessen Handeln, unzweifelhaft selbst Objekt eines Verfahrens vor dem Gerichtshof sein.90 Vor allem aber warf man dem Staatsgerichtshof vor, in seiner Rechtsprechung angeblich „von der Gesinnung des Parteienstaats erfüllt[e]“ politische Wertungen vorzunehmen.91 Stattdessen erwartete man vom Staatsgerichtshof, dass dieser als „politische Justiz“ der „Politik des Staates“ – gemeint war der des Reichspräsidenten – diente.92 So führte auch Schmitt in dem Schlusswort bei der Vertretung des Reiches aus, die „Ehre Preußens“ wäre beim Reichspräsidenten als politischen Hüter der Verfassung „besser aufgehoben“ als bei den preußischen Ministern.93
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RGBl. I 1932, S. 377 ff. Urteil nicht im RGBl. veröffentlicht, siehe aber Akten der Reichskanzlei, Bd. 1 Dokument R 43 I/2281, Bl. 417. 88 Zu einer vermeintlich unzulässigen Trennung der Abs. 1 und 2 von Art. 48 WRV durch den StGH näher Huber, Reichsgewalt, S. 38, 62. Weniger politisch, aber auch der Ansicht, der StGH habe den inneren Zusammenhang zwischen diesen Absätzen verkannt, vgl. Triepel, Die Entscheidung des Staatsgerichtshofs, in: DJZ 1932, Sp. 1501 ff. 89 Vgl. Zippelius, Staatsgerichtshof, S. 5 f., 134. 90 Zippelius, Staatsgerichtshof, S. 130. 91 Huber, Reichsgewalt, S. 19. Dass der Staatsgerichtshof die Politik des Reichspräsidenten im Wesentlichen aber als Überlegen und zur Krisenbewältigung geeigneter akzeptiert und sich somit ebenso deutlich politisch geäußert hatte wie bei der Bezugnahme auf die Argumentation der Landesregierung, war dagegen legitim. Insofern widersprüchlich, Huber, a. a. O., S. 19. 92 Nicht etwa dem Recht oder der Verfassung, vgl. Huber, Reichsgewalt und Staatsgerichtshof, S. 9. 93 Schmitt, Schlussrede, in: Positionen, S. 183 f. 87
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Diese Art der Kritik ging an den Voraussetzungen einer notwendigerweise politischen94 und von verfahrensrechtlichen Besonderheiten95 geprägten Verfassungsgerichtsbarkeit vorbei. Im Kern handelte es sich nicht um eine verfassungsrechtliche Bewertung der Verfassungsrechtsprechung, sondern vielmehr um eine Absage der neuen diktatorischen Regierung und ihrer Anhänger an die Verfassungsgerichtsbarkeit an sich. Dem entspricht auch Hubers Feststellung, der Staatsgerichtshof hätte in dieser Angelegenheit nicht das „letzte Wort“.96 Infolge des Urteils blieb die preußische Landesregierung letztlich weitestgehend handlungsunfähig, sodass sie der Politik von Papens und Hindenburgs nichts entgegensetzen konnte. dd) Beobachtungen Die Richterschaft der Weimarer Republik war politisiert. Sie, und allen voran das Reichsgericht, lehnte nicht nur weitgehend den Parlamentarismus als Staatsform ab und delegitimierte implizit oder explizit den parlamentarischen Gesetzgeber, sondern ließ sich auch in ihren eigenen Urteilen von politischen Erwägungen leiten. Und auch wenn sich der Staatsgerichtshof dem Reichspräsidenten in den Weg stellte, befürwortete er doch dessen Politik und folgte, soweit es ihm rechtlich zulässig erschien, dessen Erwägungen. b) Politische Richterschaft und richterliche Unabhängigkeit Schon zu Beginn der 1920er Jahre hatte Johannes Leeb, der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes (DRB) und gleichzeitig Leiter der Deutschen Richterzeitung (DRiZ), die parlamentarische Gesetzgebung als „Lügen-, Partei-, Klassen- und Bastardrecht“ 97 bezeichnet und sich für eine ergebnisorientierte, zur Not vom formellen Recht unabhängige Entscheidung des Richters ausgesprochen. Er forderte: „Richterrecht, nicht Gesetzesrecht sei sein Wahlspruch“.98 Auf diese Weise gab er die Grundstimmung in der deutschen Richterschaft wieder. 94
Siemens, Die Vertrauenskrise der Justiz, S. 145. Kritisch auch hier Huber, Reichsgewalt, S. 23 f. Früh dagegen Triepel: „Je politischer die Angelegenheiten sind, die der Verfassungsgerichtsbarkeit unterstellt werden, umso angemessener wird für diese eine Verfahrensart sein, die dem ordentlichen Prozesse am unähnlichsten ist“ (ders., Wesen und Entwicklung der Staatsgerichtsbarkeit, in: VVDtStRl 2 (1926), S. 26). 96 Huber, Reichsgewalt, S. 43. Für den zwischen Kelsen (vgl. ders., Wer soll Hüter der Verfassung sein, passim.) und Schmitt (ders., Hüter der Verfassung, passim) geführten Streit um den „Hüter der Verfassung“ bedeutete dies letztlich zweierlei: Der Staatsgerichtshof konnte den Gegnern der Verfassung nichts entgegensetzen; der mit umfangreicher Macht ausgestattete Reichspräsident war es, der die Verfassung den Nationalsozialisten auslieferte. Weder der Staatsgerichtshof noch der Reichspräsident traten in der Krise als „Hüter der Verfassung“ hervor. 97 Leeb, Dreierlei, in: DRiZ 1921, Sp. 129 (130). 98 Leeb, Grundfragen in: DRiZ 1920, Sp. 52; ders., Dreierlei, in: DRiZ 1921, Sp. 129 (130 f.); vgl. auch Wehler, Der Staatsgerichtshof, S. 101. 95
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aa) Politische Richterschaft und die „Vertrauenskrise“ Diese Politisierung der Richter und sowohl die Rechtsprechung der Zivil- als auch der politischen Strafgerichtsbarkeit führten zu einer massiven Kritik, die sich im Verhältnis der Richter zur Öffentlichkeit in einer „Vertrauenskrise“ entfaltete.99 Aber auch Richter kritisierten die Politisierung ihres Standes und den daraus folgenden Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung als „volksfremd“ 100 und forderten eine Entpolitisierung.101 Dass sie sich dabei dennoch im stetigen Kampf gegen das Parlament wähnten und bereits dadurch politisch in Erscheinung traten, wurde nicht als Widerspruch erkannt. Kritik aus den eigenen Reihen kam nicht nur von konservativen Vertretern einer allgemeinen Entpolitisierung, sondern auch von republikanischen Richtern, die die verfassungsfeindliche Einstellung ihrer Kollegen verurteilten und sie für die Entfremdung des Volkes von Staat und Rechtspflege verantwortlich machten.102 Die politische Richterschaft war in eine demokratisch-republikanische und eine antidemokratisch-reaktionäre Fraktion gespalten. Als Gegengewicht zum Sprachrohr des überwiegend rechten Deutschen Richterbundes, der Deutschen Richterzeitung, wurde eigens die Zeitschrift „Die Justiz“ als Organ des Republikanischen Richterbundes gegründet. Das allgemeine Stimmungsbild spiegelte sich allerdings in einer vergleichsweise geringen Bedeutung der republikanischen Zeitschrift wider.103 Wo die Richter politisch waren, waren sie in aller Regel konservativ bis reaktionär eingestellt. Romantisierend ausgedrückt: „Im Glauben an eine Illusion der Staatsraison jenseits der Verfassung suchten sie den Weg zurück in das, was nach dem Geist der Weimarer Reichsverfassung der Vergangenheit angehören sollte.“ 104 bb) Der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit in Art. 102 WRV Die Unabhängigkeit des Richters nach Art. 102 WRV garantierte zunächst die Freiheit vor sämtlichen Einwirkungen auf die Rechtsprechung.105 Vor dem Hintergrund des Parteienstaates bedeutete sie in personeller Hinsicht über allgemeine 99 Simons, Die Vertrauenskrise der deutschen Justiz, in: DJZ 1926, Sp. 1665 ff.; Schiffer, Die Hypertrophie des Rechts, in: JW 1927, S. 14. Auch das Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern hatte sich hierdurch verschlechtert, vgl. Hedemann, Staatsgesinnung, in: DJZ 1924, Sp. 187 (190). 100 Reichert, Furor Teutonicus, in: DRiZ 1925, Sp. 205 (208). 101 Unter anderem Wunderlich, Die Stellung des deutschen Richters, in: DRiZ 1925, Anlage, Sp. 19 (34). 102 Vgl. Was wir wollen, Editorial, in: Die Justiz 1 (1925/26), S. 1 (5); dazu als Betroffener Wunderlich, Die Stellung des deutschen Richters, in: DRiZ 1925, Anlage, Sp. 19 (32). 103 Siemens, Die Vertrauenskrise der Justiz, S. 145. 104 Arndt, Grundfragen einer Reform der deutschen Justiz, in: DRiZ 1959, S. 199 (201). 105 Statt vieler nur Schmitt, Verfassungslehre, S. 131 ff.
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Weisungsfreiheit hinaus gerade eine politische Unabhängigkeit.106 Auf sachlicher Ebene wurde die Unabhängigkeit des Richters durch die grundsätzliche Unabsetzbarkeit des Richters nach Art. 104 Abs. 1 S. 2 WRV abgesichert.107 Abs. 1 S. 2 und 3 des Art. 104 WRV räumten gleichwohl die Möglichkeit einer gesetzlichen Beschränkung ein; vor allem, indem der Gesetzgebung die ausdrückliche Möglichkeit der Festsetzung einer Altersgrenze eröffnet wurde. Die ebenfalls in Art. 102 WRV statuierte Bindung des Richters an das Gesetz war nach allgemeiner Auffassung der notwendige Gegensatz zur Unabhängigkeit des Richters:108 Wo der Richter unabhängig war, war seine Macht zumindest durch das Gesetz begrenzt. Die Gesetzesbindung des Richters wurde für lange Zeit als absolut betrachtet.109 Noch im Jahr 1932 unterstrich Gustav Radbruch diese Bindung des Richters an das positive Recht: „Für den Richter ist es Berufspflicht, den Geltungswillen des Gesetzes zur Geltung zu bringen, das eigene Rechtsgefühl dem autoritären Rechtsgefühl zu opfern, nur zu fragen, was Rechtens, und niemals, ob es gerecht sei.“ Trotz berechtigten Zweifeln daran, ob solch eine „Blankohingabe [. . .] sittlich möglich“ sei, wäre damit stets wenigstens der Rechtssicherheit gedient.110 Für das Reichsgericht bedeutete die Annahme einer Normverwerfungskompetenz einen erheblichen Machtzuwachs. Die Rückbindung der unabhängigen Richterschaft an das positive Recht wurde gelöst. Sie wurde auch nicht durch rechtsphilosophische, naturrechtliche Lehren ersetzt – sondern durch eine politische Auslegung. Obwohl das Reichsgericht in der Aufwertungsrechtsprechung ersichtlich an diesem Grundsatz der eigenen Gesetzesbindung gerüttelt hatte, wurde weitestgehend vermieden, ihnen das zum Vorwurf zu machen. Das lag nicht zuletzt daran, dass die Aufwertungsrechtsprechung in der Staatsrechtslehre teilweise gerechtfertigt; größtenteils aber zumindest toleriert wurde.111 cc) Unabhängigkeit und staatliche Einwirkung bis zur Mitte der zwanziger Jahre Die politische Motivation, die politische Macht der Richter und ihr Unwillen zur Absicherung des Staates vorwiegend gegen rechtsextreme Kräfte mussten die Republik vor die Frage stellen, wie die Justiz noch ihren Beitrag zum Bestand
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Münch, Die Abhängigkeit des Richters vom Recht, Sp. 337. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. VI., S. 530. 108 Vgl. nur Schmitt, Verfassungslehre, S. 133 f. 109 Giese, Reichsverfassung, S. 278. 110 Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 83. Zur Bindung des Staates an übergesetzliches Recht dagegen vgl. ders., a. a. O., S. 182 f. 111 Vgl. Klee, Die richterliche Prüfung von Gesetzen, in: DRiZ 1924, Sp. 149 (153). 107
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des Staates in seiner verfassungsmäßigen Form erbringen konnte.112 Die politische und gleichzeitig unabhängige Justiz war nicht nur Mittelpunkt des Konflikts des jungen demokratischen, republikanischen Staates mit seinen Richtern, sondern auch das Zentrum eines ,Zerrens‘ um das in der Entwicklung zur Diktatur befindliche Reich. In der gesamten Geschichte der Weimarer Republik trafen die Gerichte politische Entscheidungen gegen den Willen von Reichsparlament und Reichsregierung. Die staatlichen Reaktionen waren durchweg verhalten – was zumindest zum Ende der Republik wenig verwundert: Das Urteil des Staatsgerichtshofs im Preußenschlag war ebenso wenig ein Hindernis auf dem Weg zur Zentralisierung des Reiches und der Erlangung der Diktaturgewalt wie die Gerichtsbarkeit im Allgemeinen. Allerdings gab es auch in den zwanziger Jahren keine nennenswerten Maßnahmen zum Schutz des Staates und seiner verfassungsmäßigen Ordnung, als die Gerichte bis hin zum Reichsgericht mit politischer Rechtsprechung auffielen und sich die Vertrauenskrise verschärfte. Die Frage der personellen Kontinuitäten an den Gerichten hätte durch eine etwaige temporäre Aussetzung der Unabsetzbarkeit der Richter zugunsten liberaleren Nachwuchses beantwortet werden können. Eine solche Aussetzung wurde zwar angedacht, aber abgelehnt; besonders durch Radbruch in seiner Funktion als Reichsjustizminister von 1922 bis 1923.113 Einzig Altersgrenzen wurden eingerichtet und durch das Reichsgericht, wenn auch nach anfänglicher Blockade, für rechtmäßig befunden.114 Nur eingeschränkt wurde der Rechtsprechung und ihrer Rechtsfortbildung in Form von korrigierenden Gesetzen widersprochen und auch die Bindung des Richters an das Gesetz wurde als mögliche Reaktion auf die Selbstermächtigung zur Normverwerfung nicht neu geregelt. Hierzu trug wohl maßgeblich bei, dass die Richter die offene Auseinandersetzung mit dem Parlament gescheut und letztlich vom äußersten Mittel, der Verwerfung eines Gesetzes, nie Gebrauch gemacht hatten.115 Tatsächlich wurden insbesondere die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse, die parallel zu Strafverfahren stattfanden, als mögliche Einflussnahme und Eingriff in die Unabhängigkeit der Richter gefürchtet.116 Dabei 112 So zeigte die Aufwertungsrechtsprechung nicht nur die Anfeindungen des neuen Staates durch einzelne Amtsträger auf, sondern verhärtete auch den Gegensatz des Staat-Bürger-Verhältnisses in der öffentlichen Wahrnehmung, vgl. Hedemann, Staatsgesinnung, in: DJZ 1924, Sp. 187 (188 ff.). 113 Radbruch, Der innere Weg, S. 141 f. Auch ein späterer Versuch linker Kreise, die richterliche Unabsetzbarkeit auszusetzen, verklang im Jahre 1929, vgl. Kuhn, Vertrauenskrise der Justiz, S. 219 ff. 114 Hueck, Staatsgerichtshof, S. 25; RGZ 104, 58 ff. 115 Sontheimer, Antidemokratisches Denken, S. 91. 116 Wunderlich, Die Stellung des deutschen Richters, in: DRiZ 1925, Anlage Sp. 19 (25); Müller-Meiningen, Aussprache, in: DRiZ 1925, Anlage, Sp. 43; Reichert, Das Janustor, in: DRiZ 1927, S. 1; zur verfassungsrechtlichen Wertung näher Jacobsohn, Die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse, S. 22 ff.
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richteten sich diese Untersuchungsausschüsse in der Regel nicht direkt gegen Richter und bezweckten selten eine Aufklärung von Sachverhalten, die die Arbeit der Gerichte betrafen; und selbst wo sie es taten, blieben sie ohne Konsequenzen für die Richter.117 Ebenso gefürchtet war eine politische Einflussnahme bei der Besetzung der Richterstellen und auch eine von linker Seite vorgeschlagene Einführung der Richterwahl durch das Volk wurde als Eingriff in die Unabhängigkeit der Richter kritisiert118 und im späteren Verlauf verworfen. Vereinzelt wurde daneben eine politisch motivierte Besetzung der Richterstellen kritisiert.119 Eine von republikanischer Seite durchaus befürwortete Suche nach demokratisch und republikanisch eingestellten Richtern120 fand aber allenfalls in unerheblichem Maße statt. dd) Die Debatte um die „Große Justizreform“ In der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre wurde schließlich die Debatte um eine „Große Justizreform“ eröffnet.121 Im Hintergrund der Debatte stand die Vertrauenskrise, eine wahrgenommene „Entfremdung zwischen Volk und Recht“, die man neben der politischen Rechtsprechung auch auf eine zu weit gegangene Ausweitung der Bürokratisierung und eine Überfüllung des Richterstandes zurückführte.122 Das zentrale Anliegen der Reformfürsprecher, unter denen der ehemalige Reichsjustizminister Eugen Schiffer wohl der Engagierteste gewesen sein dürfte,123 war eine „Verreichlichung“ der Justiz, der Übergang der Justizverwaltung auf das Reich, womit gleichzeitig eine Entwicklung der Weimarer Republik weg vom Föderalismus und hin zum „dezentralisierten Einheitsstaat“ gefördert werden sollte.124 Damit einhergehen sollte die Entbürokratisierung der Justiz, verbunden mit einer deutlichen gesetzgeberischen Zurückhaltung und größerer 117 So stellte die SPD 1924 tatsächlich einen Untersuchungsantrag bezüglich der Rechtsprechung der Jahre 1919 und 1920, innerhalb derer Morde durch Rechtsradikale anders als die Linksradikaler nicht oder nicht konsequent verfolgt wurden oder in denen Sympathien zu den Tätern zum Ausdruck kamen, vgl. Steffani, Untersuchungsausschüsse, S. 154 ff. 118 Düringer, Die Politisierung der Justiz, in: DJZ 1922, Sp. 521 (523). 119 Abraham, Das Eindringen der Parteipolitik in die Justiz, in: DJZ 1930, Sp. 399 (400 ff.). 120 Levin, Politisierung oder Demokratisierung der Justiz, in: DJZ 1922, Sp. 581 f. 121 Ausführlicher hierzu Kuhn, Vertrauenskrise der Justiz, S. 225. 122 Schiffer, Die deutsche Justiz, S. 60 f.; ders., Die Hypertrophie des Rechts, in: JW 1927, S. 14. 123 Vgl. Ramm, Eugen Schiffer, S. 1. Siehe insb. dessen auf der Schrift „Die deutsche Justiz“ aufbauenden Gesetzesentwurf in Schiffer, Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des deutschen Rechtswesens, S. 1 ff. Der Entwurf ging weiterhin von einem politisch passiven Richter aus: „[Richter] dürfen nicht Mitglieder einer politischen Organisation sein und sich nicht in öffentlich wahrnehmbarer Weise politisch betätigen“, § 16. 124 So Reichsjustizminister Koch-Weser, Vorwärts zum deutschen Einheitsstaat!, in: Die Justiz 3 (1927/28), S. 447 f.
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Sparsamkeit.125 Neben einer Vereinfachung des Rechtslebens hätte eine „Große Justizreform“ sich aber auch auf das Bild des Richters selbst auswirken sollen. Eine Entlastung der Richterschaft durch Verminderung der Tätigkeiten und der Zahl der Richter126 und dessen Lösung aus dem Kontext der Bürokratie hätte den „freien und überlegenen Geist“ des unabhängigen Richters127 oder – nach anderer Lesart – dessen Fähigkeit zum sozialen Fühlen und Denken verstärken sollen.128 So hätte die „Große Justizreform“ die Reichseinheit in der Justiz verwirklicht. Ihr Leitsatz lautete: „Ein Reich, ein Recht – ein Richter und eine Rechtsverwaltung.“ 129 Mit der erneuten Wirtschaftskrise zum Ende des Jahrzehnts gerieten Überlegungen zur Reform der Justiz schon wieder zur Nebensache.130 Ein neuer, gesamtdeutscher Richtertypus wurde nicht mehr geschaffen. c) Zusammenfassung Die vorangegangenen Untersuchungen zeigen, dass es sich bei der Weimarer Richterschaft keineswegs um eine durch und durch unpolitische und unparteiliche handelte und dass die politischen Richter auch in Fällen großer Bedeutung tätig wurden, wobei nicht selten eine weite Ablehnung der Staatsform an den Tag trat.131 Das Erstarken der politischen Justiz ging jeweils mit der Schwäche des Parteienstaates einher. Insofern übernahmen die Gerichte die vom Parlament aufgegebene oder verlorene Macht132 und nutzten sie auch, um eigene Interessen zu vertreten. Dabei wurde zumindest die offene Auseinandersetzung mit dem parlamentarischen Gesetzgeber nur auf dem vorläufigen Tiefpunkt der Republik gesucht. Gleichzeitig wagte der Staat zu keinem Zeitpunkt einen direkten Vorstoß gegen die politische Justiz. Zu unterschiedlich waren die Auffassungen der im Parlament vertretenen Parteien; zu bedenklich erschien ein Eingriff in die unabhängige Justiz. Bestand auch die Vorstellung, die Richterschaft müsse den „Geist 125 Schiffer, Die deutsche Justiz, S. 130 ff., 152. Besonders kritisiert wurde die Vielzahl an Aus- und Durchführungsverordnungen, vgl. Wunderlich, Übertragung des gesamten Justizwesens auf das Reich, S. 18. Hinzu kam die materielle, sprich: finanzielle Absicherung der Richter, vgl. Schiffer, Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des deutschen Rechtswesens, S. 20. Zur Kritik an den Vorschlägen Schiffers vgl. Töwe, Übertragung des gesamten Justizwesens auf das Reich, S. 56 f. m.w. N. 126 Schiffer, Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des deutschen Rechtswesens, S. 20. 127 Koch-Weser, Begrüßungsansprache, in: Verhandlungen des 35. Deutschen Juristentags, Bd. 2, S. 11 (13). 128 Vgl. Kuhn, Vertrauenskrise der Justiz, S. 233. 129 Reichert, Übertragung des gesamten Justizwesens auf das Reich, S. 63. 130 Kuhn, Vertrauenskrise der Justiz, S. 258. 131 Zur häufigen richterlichen Skepsis gegenüber der Staatsform in Urteilsbegründungen, vgl. auch Simons, Die Vertrauenskrise der deutschen Justiz, in: DJZ 1926, Sp. 1665 (1668). 132 Fraenkel, Klassenjustiz, S. 45; Hattenhauer, Richterleitbilder, S. 19.
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der neuen Verfassung aufnehmen“, so war doch klar, dass eine gezielte Einflussnahme von außen erst recht Widerstand provozieren und zu einer weiteren Verhärtung der Fronten führen würde.133 So war die Unabhängigkeit der Richter trotz aller entgegengesetzter Vorschläge und Befürchtungen der richterlichen Gegner des Parteienstaats vom Reich im Ergebnis unangetastet geblieben.134 Das in der Öffentlichkeit ausgedrückte Misstrauen und die Wirkung der sozialen Gewalten135 aber führten zu einem Gefühl der gesellschaftlichen Herabwürdigung auf Seiten der Richterschaft.136 Zwar waren die Richter kaum unmittelbaren Einschränkungen durch den Staat, dafür aber parteipolitischen und gesellschaftlichen Forderungen ausgesetzt. In der Wahrnehmung der Richter erschien das Parlament dennoch als taugliches Instrument der Kommunisten zur Beseitigung richterlicher Unabhängigkeit; als Gefahr für den gesamten Richterstand. 3. Die Weimarer Juristenausbildung Einer in großen Teilen reaktionären Richterschaft gegenübergestellt und eine gesellschaftliche Vertrauenskrise vor Augen hätte es nur nahegelegen, wenn die Republik, ihre Regierungen oder die Parlamente, versucht hätten, auf die Entwicklung – sprich: die Ausbildung – künftiger Juristen Einfluss zu nehmen. a) Rechtsgrundlagen und Entwicklung aa) Reichsrechtliche Grundlagen Die Gesetzgebungskompetenzen des Reiches waren vor allem auf die in Artikel 6–11 WRV genannten Bereiche beschränkt. Mögliche ausdrückliche Leitbilder oder andere Zielvorstellungen auf Reichsebene konnten dadurch nur im Rahmen einer Gesetzgebung zum gerichtlichen Verfahren (Art. 7 Nr. 3 WRV), als Teil einer Grundsatzgesetzgebung im Rahmen des Hochschulwesens (Art. 10 Nr. 2 WRV) oder des Beamtenrechts (Art. 10 Nr. 3 WRV) zum Tragen kommen.137 Das übergeordnete Ziel der Juristenausbildung war durch § 2 Abs. 1 des am 27. Januar 1877 erlassenen Gerichtsverfassungsgesetzes138 noch auf Reichsebene 133
Schiffer, Die Unabhängigkeit der deutschen Richter, S. 8 (11). So etwa in der öffentlichen Wahrnehmung auch ein Artikel Deutsche Justiz in der Münchener Post vom 17.3.1926, zitiert nach DRiZ 1926, S. 130. 135 Huber sah hierin eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Richter (ders., Deutsche Verfassungsgeschichte Bd. VI, S. 531), während an anderer Stelle die öffentliche Kritik als zulässige und notwendige Kontrolle richterlicher Macht hervorgehoben wurde, vgl. Gülland, Die Dienstaufsicht über Richter, S. 143 f. 136 Simons, Die Vertrauenskrise der deutschen Justiz, in: DJZ 1926, Sp. 1665 (1668). 137 Zur Grundsatzgesetzgebung im Hochschulrecht kurz unter c) aa). 138 RGBl. 1877, Nr. 4, S. 41. 134
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festgelegt worden: „Die Fähigkeit zum Richteramte wird durch die Ablegung zweier Prüfungen erlangt.“ Die erste Prüfung folgte nach Abs. 2 auf ein dreijähriges Studium, die zweite entsprechend Abs. 3 auf einen dreijährigen Vorbereitungsdienst „bei den Gerichten und bei den Rechtsanwälten“, der „zum Theil bei der Staatsanwaltschaft“ abgeleistet werden durfte. Die reichsweite Anerkennung der Ableistung der ersten Prüfung und des Vorbereitungsdienstes sowie des Erwerbs der Fähigkeit zum Richteramt in einem der Länder sollte durch §§ 3 und 5 GVG sichergestellt werden. Mit dem Gesetz über die Zulassung der Frauen zu den Ämtern und Berufen der Rechtspflege vom 11. Juli 1922139 fand der in Art. 109 Abs. 2 und Art. 110 Abs. 2 WRV verankerte Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau seine Anwendung auf die Zulassung zum Richteramt. Bei dieser bedeutenden Änderung auf reichsgesetzlicher Ebene blieb es im Ergebnis. Trotz früher Vorschläge zu einer reichsweiten Reform140 und einigen punktuellen, aber erfolglosen Ansätzen,141 kam es nicht zu einer einheitlichen Regelung der Materie.142 bb) Landesrecht am Beispiel Preußens Mit deutlicher Mehrzahl an Absolventen der ersten und der zweiten Prüfung143 kam Preußen und den Änderungen des preußischen Ausbildungsrechts zu Zeiten der Republik wie zu Kaiserzeiten regelmäßig eine Vorbildfunktion144 und eine Vorreiterrolle145 zu. Änderungen des preußischen Prüfungsrechts berührten auch Angelegenheiten anderer Länder: Sie wurden als solche besprochen und teils scharf kritisiert.146 Die Betrachtung der Rechtslage und der wesentlichen Änderungen beschränkt sich daher im Folgenden auf die mit denen anderer Länder weitgehend übereinstimmenden147 preußischen Ausbildungsvorschriften. Betrachtet werden nicht sämtliche Änderungen, sondern vor allem solche, die besondere Auswirkungen auf die inhaltliche Gestaltung der universitären Ausbildung hatten oder anderweitig die Ziele der gesamten Ausbildung widerspiegeln. Hierunter fallen etwa Anforderungen des Vorbereitungsdienstes und Bestrebungen zur Vereinheitlichung der Juristenausbildung. 139
RGBl. I 1922, S. 573. Heinze, Reichstag, in: JW 1921, S. 811 (812, 816). 141 Näher unter b) bb). 142 Levin, Über die Erziehung zum Juristen, in: Die Justiz 4 (1928/29), S. 45. 143 Für den Zeitraum von 1901 bis 1930 vgl. Müller, Die juristischen Prüfungen, S. 8 f. 144 Weinmann, Preußische Ausbildungsordnung für Juristen 1923, S. 1. 145 Zitelmann, Die Vorbildung der Juristen, S. 45. 146 Kisch, Denkschrift, in: DJZ 1930, Sp. 795 f.; Heymann, Denkschrift, in: DJZ 1930, Sp. 802 (805). 147 Die meisten Abweichungen fanden sich in der hier nicht thematisierten Länge des Vorbereitungsdienstes und inhaltlich vor allem der Gewichtung historischer Fächer, vgl. Sattelmacher, Das juristische Studium, in: NJW 1928, S. 10. 140
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(1) Das Gesetz vom 6. Mai 1869 Für die rechtlichen Rahmenbedingungen der preußischen Juristenausbildung galt weiterhin das Gesetz vom 6. Mai 1869.148 Bis zum Ende der Weimarer Republik behielt es weitestgehend seine Gültigkeit. Voraussetzung für die Zulassung zu den eigentlichen juristischen Berufen waren nach dessen § 1 der Abschluss eines dreijährigen Rechtsstudiums und das Bestehen zweier Examina; der ersten und der großen Staatsprüfung. Vor der großen Staatsprüfung war ein vierjähriger Vorbereitungsdienst zu absolvieren (§ 3). Die Regelausbildungszeit betrug also sieben Jahre. Der Student sollte im Rahmen der ersten Prüfung im öffentlichen und privaten Recht, der Rechtsgeschichte und den Grundlagen der Staatswissenschaften geprüft werden (§ 4). Darin sollte er „positive Kenntnisse, [. . .] Einsicht in das Wesen und die geschichtliche Entwicklung der Rechtsverhältnisse“ und letztlich auch eine „allgemeine rechts- und staatswissenschaftliche Bildung“ nachweisen. Der Vorbereitungsdienst sollte praktische Fähigkeiten und die zur Ausübung juristischer Berufe erforderliche Selbstständigkeit vermitteln (§ 8). Am Ende der jeweiligen Ausbildungsabschnitte standen schriftliche und mündliche Prüfungen (§§ 3, 10), wobei die große Staatsprüfung ausdrücklich deutlich praktischere Züge tragen sollte. Über diese Grundlagen hinaus ermächtigte das Gesetz den preußischen Justizminister zum Erlass von weiteren Anordnungen zur Ausführung und Ergänzung des Gesetzes, besonders im Bereich der Art der Prüfungen; daneben in Fragen der Prüfungskommission, der Aufteilung des Vorbereitungsdienstes und eines Zweitversuches im Examen gescheiterter Studierender (§ 14). Zwar war der Wortlaut recht eng gehalten worden; praktisch handelte es sich allerdings um eine weitgehende Verordnungsermächtigung zur Ausgestaltung der Bedingungen des juristischen Studiums.149 Den Studienbetrieb selbst regelte das preußische Kultusministerium.150 Änderungen im Ausbildungsablauf wurden dort in Zusammenarbeit mit den Fakultäten ausgearbeitet. Die materiell-rechtlichen Ausbildungsvorschriften wurden kaum durch formelle Landesgesetze151 ergänzt; der Landtag erhob jedoch bei Bedarf Reformforderungen gegenüber der Regierung.152
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GS 1869, S. 656. Weinmann, Preußische Ausbildungsordnung für Juristen 1923, S. 1 f. Vgl. auch die bereits zuvor zitierte Fn. 1 des Gesetzes: Es galt der Grundsatz, dass das Gros der Ausbildung bei der Exekutive, nicht der Legislative liegen sollte. 150 Kohlrausch, Reform des Rechtsstudiums in Preußen, in: DJZ 1931, Sp. 515. 151 Umgesetzt durch AV v. 15.5.1920, PrJMBl. 1920, S. 195. 152 Schwister, Zur Reform der Ausbildung, in: DJZ 1928, Sp. 405 (408). 149
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(2) Die Ausbildungsordnung vom 17. Juni 1913 Die preußischen Ausbildungsreformen in der Weimarer Zeit knüpften an die letzte Ausbildungsordnung aus der Kaiserzeit an, die am 17. Juni 1913 erlassen wurde.153 Die Ausbildungsordnung enthielt keine allgemeinen Zielbestimmungen für die gesamte Ausbildung, regelte aber die Prüfungsvoraussetzungen und Abläufe im Detail. Entsprechend dem Gesetz vom 6. Mai 1869 folgte auf ein dreijähriges Studium, an das sich eine erste juristische Prüfung anschloss, ein vierjähriger Vorbereitungsdienst, an den sich wiederum eine große juristische Staatsprüfung anschloss. Für die Zulassung zur ersten Prüfung war aus dem Verlauf des Studiums lediglich die Teilnahme an vier Übungen mit einer Abschlussklausur nachzuweisen (§ 5 Nr. 1b AO 1913). Ein Nachweis über den Besuch einer sprachlichen Einführung in die Quellen des römischen Rechts oder eines Anfängerkurses im Griechischen konnte optional beigefügt werden. Die erste Prüfung selbst umfasste eine sechswöchige Hausarbeit, drei Aufsichtsarbeiten und zuletzt eine mündliche Prüfung (§ 9). Jeweils eine der Aufsichtsarbeiten musste das Zivilrecht, das Strafrecht und ein sonstiges Prüfungsfach betreffen (§ 12 Nr. 2). Die mündliche Prüfung dagegen sollte sich auf möglichst viele Prüfungsgebiete erstrecken.154 Insbesondere sollten dort das Staatsrecht sowie das Verwaltungsrecht und das Völkerrecht zur Geltung kommen. In Grundzügen sollten regelmäßig die Volkswirtschaftslehre und die Finanzwissenschaften abgeprüft werden (§ 16). Die Prüfung selbst wurde von Hochschullehrern, Staatsanwälten und Richtern abgenommen. Nur aus dem Kreise Letzterer wurden die Vorsitzenden bestimmt (§ 2 Nr. 1). Der Vorsitzende war also stets Justizjurist.155 Hatte der Kandidat die Prüfung bestanden (§ 23) und konnte er nachweisen, dass „sein standesgemäßer Unterhalt für fünf Jahre gesichert“ war (§ 24 Nr.1a), wurde er als Referendar in den Vorbereitungsdienst aufgenommen. Die praktische Ausbildung führte durch zahlreiche Stationen: ein kleines Amtsgericht,156 ein Landgericht, die Staatsanwaltschaft, einen Rechtsanwalt oder in ein Notariat, ein Amtsgericht und ein Oberlandesgericht. Von 46 Ausbildungsmonaten entfielen 40 auf die Justiz, 36 allein auf die Gerichtsbarkeit (§ 27 Nr. 1). Soweit Zeit blieb, sollte den Referendaren Gelegenheit zur Besichtigung kaufmännischer und
153 Pr. JMBl. 1913, S. 194. Die Ausbildungsordnung des Jahres 1913 war keine vollständig neue Ausbildungsordnung. Wesentliche Unterschiede bestanden in der Ausgestaltung des Assessorexamens, vgl. Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 57. 154 Dies ergab sich bereits aus § 4 des Gesetzes vom 6. Mai 1869. 155 Dies bereits seit 1890, vgl. AV v. 3.11.1890, PrJMBl. 1890, S. 277. 156 Ein Amtsgericht, das mit nicht mehr als 4 Richtern besetzt ist, vgl. § 27 Nr. 1a.
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industrieller Unternehmen, landwirtschaftlicher Betriebe und von Handwerksbetrieben geboten werden (§ 47). Während der praktischen Ausbildung hatten die Referendare an ständigen Übungen teilzunehmen (§ 34). In Gruppen von regelmäßig nicht mehr als 20 Teilnehmern (§ 37) sollten die Referendare „in der Anwendung des Rechtes [unterwiesen werden,] [. . .] zur richtigen Auffassung der Vorgänge des Rechtslebens [angeleitet werden] und [ihr] Verständnis für die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs [gefördert werden]“. Ausdrücklich nicht ging es um die systematische Behandlung des gesamten abstrakten Wissens und theoretische Kenntnisse (§ 40). Vermittelt werden sollte die juristische Technik durch Abfassung von gerichtlichen Entscheidungen und die Berichterstattung im freien Vortrag (§ 42). Die Große Staatsprüfung bestand aus einer rechtswissenschaftlichen häuslichen Arbeit, einer praktischen, aktenorientierten häuslichen Arbeit, zwei praktischen Aufsichtsarbeiten, ebenfalls anhand von Akten sowie einer abschließenden mündlichen Prüfung (§ 53 ff.). Eine der zwei Aufsichtsarbeiten war dem Zivilrecht zu widmen (§ 56). Im Übrigen waren die Prüfungsgegenstände nicht festgelegt. (3) Reformen des Ausbildungsgesetzes und der Ausbildungsordnungen Durch Gesetz vom 15. Mai 1920157 wurde dem Gesetz vom 6. Mai 1869 eine neue Fassung gegeben. Die Mindestdauer des Vorbereitungsdienstes wurde auf drei Jahre gekürzt (§ 9). Bei Bedarf sollte diese Zeit jedoch verlängert werden können. (a) Die Ausbildungsordnung des Jahres 1923 Die Ausbildungsordnung vom 11. August 1923158 ersetzte die seit über zehn Jahren geltende Ausbildungsordnung des Jahres 1913. Mit der neuen Ausbildungsordnung änderte sich vor allem der Prüfungsstoff der universitären Ausbildung: Der Fokus verschob sich maßgeblich in die Richtung des öffentlichen Rechts. Das Staats- und das Verwaltungsrecht wurden als Prüfungsfächer gestärkt.159 Von nun fünf statt vier schriftlichen Übungen musste eine dem Staats- oder Verwaltungsrecht entstammen (§ 5 Nr. 1c). Gleiches gilt für eine der nun vier statt drei schriftlichen Aufsichtsarbeiten (§§ 9, 12 Nr. 1). Noch deutlicher zeigte sich die Betonung des öffentlichen Rechts in der neuen mündlichen Prüfung. Sie war 157 158 159
Umgesetzt durch AV v. 15.5.1920, PrJMBl. 1920, S. 195. Pr. JMBl. 1923, S. 589. Zimmer/Klee, Die Juristische Ausbildung in Preußen, S. 23 f.
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nun zweigeteilt. Ein ganzer Prüfungstag wurde der Ausbildungsordnung den Staatswissenschaften inklusive des Völkerrechts und der Volkswirtschaftslehre gewidmet (§ 15 Nr. 1). Das Bestehen der gesamten Prüfung war vom Bestehen beider mündlicher Prüfungen abhängig (§ 18 Nr. 2). Dadurch, dass an beiden Prüfungstagen das Arbeits- und das Wirtschaftsrecht geprüft werden konnte (§ 15 Nr. 1), wurde auch das Wirtschaftsrecht deutlich abgewertet. Jedenfalls auf den ersten Blick abgewertet160 wurde hingegen das römische Recht, das nur noch dort Prüfungsgegenstand sein durfte, wo es für eine „Erörterung der geschichtlichen Entwickelung geltender Rechtssätze oder dogmatischer Rechtsgrundsätze von Wert“ schien. Auch eine Übersetzungsarbeit mit den Quellen wurde gestrichen (§ 15 Nr. 2 Abs. 3). Den Prüfungskandidaten wurde zudem die Möglichkeit gegeben, den Prüfungsstoff zugunsten eigener, besonderer Fähigkeiten zu beeinflussen: Auf Antrag erstreckte sich die Prüfung auf ein durch den Kandidaten benanntes Sondergebiet (§ 15 Nr. 2 Abs. 4). Der Vorbereitungsdienst wurde nun nach Rechtsgebieten und Materie, statt nach Stationen geordnet: Der Referendar durchlief zuerst eine strafprozessuale Station an Amtsgerichten und Staatsanwaltschaften, sodann eine zivilprozessuale Station beim Amts- und Landgericht, anschließend, wiederum an einem Amtsgericht, eine Ausbildung im Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht und zuletzt eine Ausbildung beim Rechtsanwalt oder Notar und einem Oberlandesgericht (§ 30 Nr. 1). Weiterhin waren sechs Monate der Ausbildungszeit für die Rechtsanwaltschaft oder das Notariat vorgesehen. Die übrigen 30 Monate war der Referendar in der Justiz tätig. Gleichzeitig wurde die Vorbereitung an der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausgebaut. Ein in einem anderen Land abgeleisteter Vorbereitungsdienst konnte anerkannt werden (§ 3). Das erhöhte zwar theoretisch die Mobilität des Referendars; in der Praxis erfolgte diese Anerkennung allerdings nur bei Vorweisen zwingender Gründe für den Wechsel des Ausbildungsortes.161 Eine weitere auffällige Änderung war die Kürzung einer vorherigen Fassung des § 31 Nr. 1: Dieser betonte zuvor die Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Arbeit des Referendars.162 An der gleichen Stelle wurde nunmehr bloß hervorgehoben, dass der Referendar nicht „in allen einzelnen Gattungen der Geschäfte geübt“ werden müsste.163
160 Mit Hinweis auf eine nur kosmetische Änderung und dem Rat, das römische Recht aufgrund der neuen Ausbildungsordnung nicht zu vernachlässigen Klässel, Zur Reform der ersten juristischen Prüfung, in: JW 1926, S. 4 (5). 161 Zimmer/Klee, Die Juristische Ausbildung in Preußen, S. 12 f.; jedenfalls zwischen den preußischen, württembergischen, badischen und bayrischen Justizministerium bestand ein Konsens für diese Vorgehensweise (vgl. Zimmer/Klee, a. a. O., S. 33) – trotz anderslautender reichsgesetzlicher Bestimmung. 162 Weinmann, Preußische Ausbildungsordnung für Juristen 1923, S. 57 f. 163 Die weitere Bestimmung darüber, welche Sondergebiete beachtlich oder unbeachtlich waren, blieb dem Verordnungsgeber vorbehalten (§ 31 Nr. 1).
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(b) Die Ausbildungsordnung des Jahres 1929 Sechs Jahre später wurde das Ausbildungsrecht erneut geändert. Zwischenzeitlich wurden auch ohne eine Änderung der Ausbildungsordnung Übungskurse für Referendare in der Anwaltsstation eingerichtet, wobei die Anwaltschaft mit dem Prüfungsamt zusammenarbeitete. 164 Durch Verfügung des Justizministers vom 19. Juni 1929165 wurden zwei wesentliche Entscheidungen der Ausbildungsordnung des Jahres 1923 revidiert. Die Prüfung fand nicht weiter an zwei Tagen, sondern an einem Tag als einheitliche mündliche Prüfung statt (§ 14 Nr. 1 AO 1929). Somit hatte ein Nichtbestehen am öffentlich-rechtlichen Prüfungstag nicht mehr von vornherein das Nichtbestehen der ganzen ersten Prüfung zur Folge.166 Daneben fiel die explizite Einschränkung einer Prüfung im römischen Recht wieder weg. Der Prüfungskandidat konnte nun zudem stets beantragen, in einem Sondergebiet geprüft zu werden (§ 15 Nr. 4). Die zweite wesentliche Revision war die Aufhebung der strikten Gliederung des Ablaufs nach Rechtsgebieten (§ 30). Ein neuer Ablauf trug allerdings dazu bei, dass die Referendare sich nach der ersten Station beim kleinen Amtsgericht erst dem Zivilrecht, dann dem Strafrecht, schließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit widmeten.167 (4) Der Erlass des preußischen Kultusministeriums von 1931 Das Ende umfassender Reformen168 markierte schließlich ein Erlass des preußischen Unterrichtsministeriums vom 17. Februar 1931.169 Die Reform betraf ausschließlich den Hoheitsbereich des Unterrichtsministeriums: den Studienbetrieb. Sie ordnete an, dass nun mehrere und nicht bloß eine Übung in jedem entsprechenden Fach angeboten wurden. Soweit diese dennoch mehr als 150 Teilnehmer aufwiesen, sollten sie durch Arbeitsgemeinschaften unter der Leitung von Dozenten, Lehrbeauftragten oder Assistenten ergänzt werden. Übungen, die nicht ausdrücklich für Studienanfänger bestimmt waren, sollten nur mit einem Zulassungsschein absolviert werden können, der nach dreisemestrigem Studium
164
Jahresbericht des Präsidenten des PrLJPA 1928, in: PrJMBl. 1929, S. 44 (48). PrJMBl. 1929, S. 182. 166 Weinmann, Wichtige Änderungen vom 27. Juli 1933 und 20. Juni 1929, S. 12. 167 Weinmann, Die Änderungen vom 19. Juni 1929, S. 12. 168 Es folgte ein Erlass des Preußischen Justizministers über die erste Prüfung v. 14. Juni 1932. Zum Inhalt, vgl. DJZ 1932, Sp. 249 ff. 169 Zusammengefasst von Kohlrausch, Reform des Rechtsstudiums in Preußen, in: DJZ 1931, Sp. 515 f. 165
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und dem Ablegen einer Prüfung und ggf. einem Kolloquium erworben werden konnte. Im Kolloquium sollten auch „Fragen aus dem Gebiete der allgemeinen Bildung“ zum Tragen kommen können.170 Zusätzlich wurde die Einrichtung universitärer Repetitorien angeordnet und bestimmt, den Studenten Gelegenheit zum Besuch allgemeinbildender Vorlesungen zu bieten.171 (5) Zur Ausbildung der Verwaltungsjuristen Die Ausbildung der Verwaltungsjuristen war hiervon teilweise verselbstständigt. Seit 1846 wurde vom künftigen Beamten des höheren Verwaltungsdienstes zwar die Ablegung eines rechtswissenschaftlichen Studiums und der ersten Prüfung verlangt.172 Die praktische Ausbildung des Verwaltungsjuristen war zur Zeit der Weimarer Republik wie zur Zeit des Kaiserreiches von der des „zum Richteramt [B]efähigten“ getrennt. Mit Gesetz vom 8. Juli 1920173 wurde die praktische Ausbildung auf eine Mindestdauer von drei Jahren festgelegt. Davon waren nach dem neu gefassten § 3 des Ausbildungsgesetzes für den Verwaltungsdienst sechs Monate bei Gerichtsbehörden abzuleisten; die übrige Zeit in unterschiedlichen Verwaltungsbehörden.174 (6) Zusammenfassung Mehrfach wurde der Vorbereitungsdienst restrukturiert. Was blieb, war ein erhebliches Schwergewicht der praktischen Ausbildung in der Justiz; vor allem bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Mit großer Regelmäßigkeit wurden in den Studienreformen die Prüfungsfächer geändert. Die Änderungen bestanden vor allem in der Zurückdrängung der Rechtsgeschichte und zwischenzeitlich auch des römischen Rechts sowie der Erweiterung der Anforderungen der Volkswirtschaftslehre und vor allem des öffentlichen Rechts – des Staatsrechts und des Verwaltungsrechts. Zumindest mehr als zuvor waren die Studierenden darauf angewiesen, sich mit dem neuen Staat und dessen Funktionsweise auseinanderzusetzen. Die Vermittlung ideologischer Inhalte und einer konkreten, politischen Einstellung zum Staat war nicht ausdrücklicher Bestandteil der Reformen der Juristenausbildung. Die längste Zeit war der Aufbau des Studiums den Studieren170 Jeweils Kohlrausch, Reform des Rechtsstudiums in Preußen, in: DJZ 1931, Sp. 515. 171 Kohlrausch, Reform des Rechtsstudiums in Preußen, in: DJZ 1931, Sp. 515 f. 172 § 1 des Regulativs über die Befähigung zu den höheren Ämtern der Verwaltung (GS 1846, S. 199). Die Referendarsprüfung war damals noch die zweite Prüfung, vgl. A. II. 173 Gesetz, betreffend Änderung des Gesetzes über die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienste vom 10. August 1906 (GS 1906, S. 378) v. 8.7.1920, GS 1920, S. 388. 174 Zusammenfassend die Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 60.
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den selbst überlassen gewesen.175 Der Erlass des Unterrichtsministeriums beschränkte wenigstens ein Stück weit diese frühere Freiheit. b) Reformdebatten und Erwägungen Die gesamte Entwicklung der Republik wurde von Reformdebatten begleitet, die unmittelbar nach dem Krieg wiedereinsetzten. Zu allgemein herrschenden Reformbedürfnissen traten dabei konkrete Ereignisse, die die Notwendigkeit von Reformen jeweils noch hervorhoben und die eine besondere Menge an Beiträgen nach sich zogen. Dazu gehörten die Gründung der Republik, der staatliche Umbruch als solcher und die zunehmende Wirtschaftskrise zum Ende der zwanziger Jahre, durch die auch zahlreiche Juristen in wirtschaftliche Not gerieten.176 Vergleichsweise wenige Beiträge dagegen gab es in der Stabilisierungsphase in der Mitte der zwanziger Jahre. Den Schlusspunkt der Weimarer Reformdebatten bildete eine Denkschrift des Preußischen Kultusministeriums aus dem Jahre 1930177 und ihre Rezeption. Zwar kam die Kritik an dieser und der ihr zugrundeliegenden Entscheidung zugunsten einer als „verschult“ wahrgenommenen Ausrichtung des Studienablaufs nicht zur Ruhe.178 Mit der sich zuspitzenden politischen Krise und dem Erliegen der parlamentarischen Demokratie stand aber mehr zur Diskussion als die bloße Frage nach der ,richtigen Ausbildung‘: nämlich das Fortbestehen des Staates und der Rechtswissenschaft an sich.179 Mit unterschiedlichem Schwerpunkt wurden im Verlauf der Reformdebatten ähnliche Vorschläge besprochen; in aller Regel in Form von Zeitschriftenbeiträgen, nicht jedoch in Parlamentsdebatten. Die meisten der Beiträge stammten von Hochschulprofessoren, einige von Ministerialbeamten und Praktikern. Die Ministerialbeamten, insbesondere die Leiter der Prüfungsämter,180 schilderten in denselben Zeitschriften und amtlichen Jahresberichten181 die Reformbedürfnisse aus staatlicher Sicht und lieferten Erwägungen für die durch Verordnung erfolgten Reformen. Die Professoren reagierten auf Reformen und Reformvorschläge.
175
Weinmann, Preußische Juristenausbildungsordnung für Juristen 1923, S. 12 f. Zum neuen Jahre, in: JW 1928, S. 1. 177 Zusammengefasst in: Preußisches Kultusministerium, Zur Reform des juristischen Studiums, in: JW 1930, S. 1901 f. 178 Eine der wenigen Betrachtungen nach Praktikablitätsgesichtspunkten und weniger nach grundsätzlichen Fragen von Lehrfreiheit und Wissenschaftlichkeit war der Beitrag von Kohlrausch, Reform des Rechtsstudiums in Preußen, in: DJZ 1931, Sp. 515 ff. 179 Im folgenden Abschnitt, c) bb) (3). 180 Die im Folgenden zitierten Leiter des preußischen Prüfungsamtes in Berlin waren Steuber und Schwister. 181 Siehe insb. die Jahresberichte beider Präsidenten des PrLJPA 1926, in: PrJMBl. 1927, S. 46; für das Jahr 1928, in: PrJMBl. 1929, S. 44 ff.; für 1929, in: PrJMBl. 1930, S. 48 ff.; für 1931, in: PrJMBl. 1932, S. 39 ff. 176
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Diejenigen der Hochschullehrer, die an der Ausarbeitung der Reformen beteiligt waren, waren in aller Regel damit befasst, Kritik zurückzuweisen. Zahlreiche Änderungsvorschläge hatten das Ziel, die Effizienz der Ausbildung zu steigern und sollen daher nicht näher erfasst werden. Ähnliches gilt für einen großen Teil der Debatte über die Einführung universitärer Repetitorien, die in erster Linie die wirtschaftliche Not der Studierenden lindern sollten.182 aa) Zielvorstellungen und ausdrückliche Leitbilder Bei der Betrachtung der Reformdebatte fällt auf, dass es an einem Leitbild des Juristen, dass der beabsichtigten oder geforderten Reform hätte zugrunde gelegt werden sollen, schlicht fehlt. Sämtliche Erwägungen bezogen sich auf einzelne Modalitäten, nicht auf den Juristen, der aus dem Ausbildungsprozess hervorgehen sollte. bb) Reichsweite Vereinheitlichung Das zweifellos dringendste, allgemeine Anliegen bestand in der Vereinheitlichung der Juristenausbildung183 und der gegenseitigen Anerkennung juristischer Abschlüsse. Die Notwendigkeit wurde in der Literatur unterschiedlich begründet: etwa mit der Begegnung allgemeiner Spaltungstendenzen in der Republik184 oder damit, dass mit der Vereinheitlichung einem Misstrauen der breiten Bevölkerung gegenüber der Justiz von Grund auf entgegengewirkt werden könne.185 Durch staatliche Stellen wurde hierauf nicht näher eingegangen; es sprachen schon praktische Erwägungen deutlich dafür. So war die Vereinheitlichung der Ausbildung eines der wenigen Ziele, bei denen eine Regelung oder zumindest eine Koordinierung auf Reichsebene tatsächlich erfolgsversprechend schien. Ein vom Reichsjustizministerium im Dezember 1920 eingesetzter Ausschuss aus Richtern, Staatsanwälten, Verwaltungsbeamten und Professoren sollte über Fragen der Reichsgesetzgebung zur juristischen Ausbildung, vor allem aber zur grundsätzlichen Vereinheitlichung beraten.186 Der ambitionierte Vorstoß blieb, wie ein weiterer im Jahr 1923, ohne praktische Folgen.187 Erneut schien das Unterfangen der Vereinheitlichung zum Ende der zwanziger Jahre greifbar nahe. Mit einer „Verreichlichung“ der Justiz wurde in der Diskussion zur „Großen Justizreform“ 182 Preußisches Kultusministerium, Zur Reform des juristischen Studiums, in: JW 1930, S. 1902. 183 Schwerin, Gedanken zur Studienreform, in: JW 1925, S. 7 (10). 184 Delmonte, Reform des Rechtsstudiums, S. 17; Franck, Die Vereinheitlichung der juristischen Vorbildung, in: DJZ 1921, Sp. 101. 185 Westhoff, Das juristische Bildungsideal, in: Die Justiz 4 (1928/29), S. 3. 186 Franck, Die Vereinheitlichung der juristischen Vorbildung, in: DJZ 1921, Sp. 98 ff. 187 Zum neuen Jahre, in: JW 1928, S. 1 (2).
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auch die Vereinheitlichung der Juristenausbildung nachdrücklicher gefordert.188 Auch wenn die Justizreform schon 1928 zum Erliegen kam, schien das nicht für die Ausbildungsreform zu gelten: Noch in einer späteren Konferenz für eine Angleichungen zwischen den Ländern im Reichsjustizministerium wurde zumindest eine grundsätzliche Einigung in wenigen Punkten erzielt.189 In der Zeit nach der umstrittenen Denkschrift des preußischen Kultusministeriums, der folgenden, darauf beruhenden Reform des Jahres 1931 und nicht zuletzt wegen der sich zuspitzenden politischen Krise scheiterte das Vereinheitlichungsvorhaben in der Juristenausbildung. Die Schuld am Scheitern der Vereinheitlichungsbestrebungen wurde von einigen Beteiligten Preußen zugewiesen.190 Vornehmlich preußische Vertreter wiesen die Kritik ab. Sie hielten das Vorgreifen für mit einer weiteren Vereinheitlichung vereinbar.191 Der preußische Alleingang war allerdings bereits absehbar. Schon zuvor war aus dem preußischen Prüfungsamt bedauert worden, „daß die bereits weit vorangeschrittenen Vorarbeiten der Ausbildungsreform in Preußen mit Rücksicht auf den an und für sich begrüßenswerten Wunsch des Reichs, die Vorbereitungseinrichtungen der Länder einander anzugleichen unterbrochen werden mußten“.192 cc) Zulassungsvoraussetzungen In geringem Umfang wurden allgemeine Zulassungsvoraussetzungen für die juristische Ausbildung diskutiert. Probleme bereiteten eine Überfüllung der Universitäten und eine hohe Zahl an Prüfungsanmeldungen.193 Das große Interesse an einer juristischen Ausbildung wurde allerdings nicht auf die Attraktivität des gehobenen Justizdienstes, insbesondere des Richteramtes, sondern vielmehr auf die Überfüllung anderer Justizberufe zurückgeführt.194 Dennoch wurde eine Verschärfung von Zulassungsvoraussetzungen, vor allem die Einführung eines Numerus clausus, vom preußischen Prüfungsamt abgelehnt und die Auslese im Studienablauf verortet.195
188
Töwe, Übertragung des gesamten Justizwesens auf das Reich, S. 42 f. Im wesentlichen über Länge und Anerkennung des Vorbereitungsdienstes, vgl. Schwister, Zur Lage der Ausbildungsreform, in: JW 1930, S. 1278. 190 Vgl. Gerland, Denkschrift, in: DJZ 1930, Sp. 717 (719). 191 Peters, Die Reform der juristischen Ausbildung, in: JW 1930, S. 2170 (2171). 192 Jahresbericht des Präsidenten des PrLJPA 1928, in: PrJMBl. 1929, S. 44 (48). Ähnlich auch Schwister, Zur Reform der juristischen Vorbildung, in: JW 1929, S. 1839 (1841). 193 Jahresbericht des Präsidenten des PrLJPA 1928, in: PrJMBl. 1929, S. 44 (45); Jahresbericht des Präsidenten des PrLJPA 1931, in: PrJMBl. 1932, S. 39 (43 f.). 194 Jahresbericht des Präsidenten des PrLJPA 1929, in: PrJMBl. 1930, S. 48 (52). 195 Schwister, Überfüllung, Numerus clausus und Auslese, in: DJZ 1932, Sp. 111 (117). 189
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Nahezu keine Rolle spielte – trotz des politischen und gesellschaftlichen Einflusszuwachses sowohl der Kommunisten als auch der Arbeiterschaft – eine gezielte Erleichterung des Zugangs zur juristischen Ausbildung für bestimmte Bevölkerungsgruppen wie Arbeiter und Frauen. Allein durch Unterhaltszuschüsse sollten nach Vorstellung der Justizverwaltung auch Begabte aus der Arbeiterschicht erreicht werden,196 ohne dass man der Öffnung der juristischen Ausbildung für andere Schichten damit oder im Übrigen eine große Bewandtnis zugesprochen hätte. Selbst eine Förderung der Frau wurde auch nach dem Erlass des Gesetzes über die Zulassung der Frauen zu den Ämtern und Berufen der Rechtspflege vom 11. Juli 1922, das zumindest theoretisch gleichen Zugang zum Ausbildungsgang gewährte, nicht thematisiert. Der soziale Wandel im Staat wurde weniger umfassend als die wirtschaftliche Notsituation des Bürgertums und des Juristenstandes im Reformprozess berücksichtigt. dd) Organisation der Ausbildung Die mitunter am umfangreichsten diskutierten Reformansätze betrafen die Organisation der Ausbildung. Revolutionäre Ideen, wie die Umgestaltung der gesamten juristischen Ausbildung in der Form, dass sich an den Vorbereitungsdienst ein weiterer Studienabschnitt anschließen könnte,197 wurden aber von der Gesamtheit der Beteiligten verworfen.198 Das gleiche gilt – wenn auch weniger eindeutig – für Versuche, dem juristischen Studium einen neuen Ablauf zu geben. So wurde zwar kein Widerspruch gegen die Prämisse erhoben, die Unbegabten seien zeitnah aus dem Studium auszuscheiden;199 allerdings wurde das Zwischenexamen als zusätzliche Belastung zur bereits bestehenden wirtschaftlichen Not der Studenten kritisiert.200 Von vornherein sprachen sich die Hochschullehrer gegen feste Lehrpläne aus.201 Auch eine erhöhte Arbeitsbelastung der Hochschulprofessoren durch die Aufnahme zusätzlicher Übungen in den Lehrplan wurde – trotz einer Ankündigung des Unterrichtsministeriums, die Lehre personell zu erweitern202 – beklagt.203 Unterschiedlich wurde die Einführung universitärer Repetitorien bewertet: ent196 197 198 199
Jahresbericht des Präsidenten des PrLJPA 1929, in: PrJMBl. 1930, S. 48 (52). Zitelmann, Die Neugestaltung des Rechtsstudiums, S. 18 f. Bruch, Die Reform der juristischen Ausbildung, in: JW 1930, S. 2178 (2181). Kohlrausch, Reform des Rechtsstudiums in Preußen, in: DJZ 1931, Sp. 515
(516). 200 201 202
Kisch, Die Reform der juristischen Ausbildung, in: JW 1930, Sp. 2175 (2177). Lehmann, Die Reform der juristischen Ausbildung, in: JW 1930, S. 2172 (2174). Vgl. Kohlrausch, Reform des Rechtsstudiums in Preußen, in: DJZ 1931, Sp. 515
(516). 203 Dagegen mit der Forderung nach Opferbereitschaft Schwerin, Gedanken zur Studienreform, in: JW 1925, S. 7 (10); Heymann, Denkschrift, in: DJZ 1930, Sp. 802 (804).
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weder als zielführend oder aber als dem akademischen Betrieb unangemessen.204 Gewichtiger als die Arbeitsbelastung war bei aller Kritik der Einschnitt in den traditionellen Universitätsbetrieb, den die Einführung neuer Ausbildungsformen darstellte. Eine engere Ausgestaltung des Studiums wurde zwar von manchem für zulässig empfunden, soweit die „Bildungsidee der Wissenschaft“ erhalten bliebe.205 Viele, unter anderem Rudolf Smend, sahen dies vollkommen anders: „Die Studienreform kann sich als eine Lebensgefahr der Universität und zunächst der akademischen Jurisprudenz auswirken“.206 Im Vorbereitungsdienst waren die meisten Reformen und Reformvorschläge Effizienzerwägungen geschuldet.207 Das gilt insbesondere für den Versuch, die Stationen des Vorbereitungsdienstes nach Rechtsgebieten zu gliedern.208 Da die inhaltliche Ausgestaltung hier dem Justizministerium und dem preußischen Prüfungsamt oblag, beschäftigte sich gerade Letzteres etwa mit der Frage nach einer angemessenen Länge. Man ging davon aus, dass eine Mindestausbildungsdauer von drei Jahren genügte.209 Ein ungelöstes Problem war gleichwohl, dass diejenigen, die darauf angewiesen gewesen wären, die Möglichkeit einer Verlängerung nicht wahrgenommen hatten.210 Ebenfalls nur praktische Reformansätze waren Übungen im Vorbereitungsdienst, die Defizite in der Einzelausbildung ausgleichen und praktische Methoden lehren sollten.211 Einige Reformvorhaben entsprachen aber den geänderten Anforderungen der Zeit. So legte man etwa vergrößerten Wert auf betriebswirtschaftliche Fragen in der Referendarsausbildung.212 Von besonderer Relevanz ist aber die beabsichtigte Schulung des Referendars im Umgang mit der Bevölkerung: Der Jurist sollte etwa durch eine Berücksichtigung der freiwilligen Gerichtsbarkeit seine „Fremdheit gegenüber sozialem Leben“ verlieren.213 Auch die Forderung, die 204 Dafür etwa Peters, Die Reform der juristischen Ausbildung, in: JW 1930, S. 2170 (2172); dagegen Kohlrausch, Reform des Rechtsstudiums in Preußen, in: DJZ 1931, Sp. 515 (517). 205 Peters, Die Reform der juristischen Ausbildung, in: JW 1930, S. 2170 (2172). Früh für eine verbindliche, die Lernfreiheit der Studierenden einschränkende Studienordnung, vgl. Heymann, Die juristische Studienreform, in: Schmollers Jahrbuch 1922, S. 109 (149). 206 Smend, Wissenschaft in Gefahr, in: DJZ 1932, Sp. 121 (124). Zur Wissenschaftlichkeit des juristischen Studiums vgl. in diesem Abschnitt, ff). 207 Vgl. Steuber, Umgestaltung, in: JW 1924, S. 454. 208 Vgl. Zimmer/Klee, Die Juristische Ausbildung in Preußen, S. 71; Weinmann, Wichtige Änderungen vom 27. Juli 1933 und 20. Juni 1929, S. 17 f. 209 Jahresbericht des Präsidenten des PrLJPA 1926, in: PrJMBl. 1927, S. 46 (48). 210 Jahresbericht des Präsidenten des PrLJPA 1926, in: PrJMBl. 1927, S. 46 (48 f.); Jahresbericht 1928, in: PrJMBl. 1929, S. 44 (47). 211 Jahresbericht des Präsidenten des PrLJPA 1931, in: PrJMBl. 1932, S. 39 (42 f.). 212 Jahresbericht des Präsidenten des PrLJPA 1926, in: PrJMBl. 1927, S. 46 (50). 213 Steuber, Umgestaltung, in: JW 1924, S. 454 (455). Ähnlich Behrend, Die Ausbildung der Referendare, in: JW 1925, S. 10 (11).
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Referendare in ihrer ersten Station an ein kleineres, möglicherweise ländliches Amtsgericht zu entsenden, sollte verhindern, dass die Referendare „nicht mehr die Menschen, sondern nur noch die Akten“ kannten.214 ee) Studieninhalte: Art und Umfang Einen ganz erheblichen Teil der Debatten nahmen die Lehrinhalte als solche ein. Mit der Prämisse, auf der einen Seite den gesamten Lernstoff kürzen zu wollen und auf der anderen Seite Fächer zu stärken, die bisher zu kurz gekommen waren und aufgrund der geänderten Erfordernisse des täglichen Lebens relevanter wurden, erhielt die Debatte über die Lehrinhalte als solche ein großes Konfliktpotenzial. Vor allem der Stellenwert des öffentlichen Rechts, des Verwaltungs- und des Staatsrechtes war Gegenstand langanhaltender Kontroversen. Dessen Aufwertung als Prüfungsfach war zunächst eine Reaktion auf eine zu Kaiserzeiten kritisierte215 Unterrepräsentation des öffentlichen Rechts.216 Auch wenn der große Umfang des öffentlichen Rechts und die prominente Stellung in der mündlichen Prüfung infolge der Reform des Jahres 1923 von vielen Seiten etwa als „Zurücksetzung der Justizfächer hinter die Verwaltungsfächer“ stark kritisiert wurden,217 finden sich in der Debatte nur erstaunlich wenige Ausführungen zur Bedeutung des öffentlichen Rechts für die Ausbildung der künftigen Juristen. Das ist umso erstaunlicher, weil Radbruch die Forderung, „das öffentliche Recht an die Spitze des Studiums zu stellen“, im Reichstag noch als besonderes „Interesse der Sozialisten“ 218 eingestuft und der Diskussion somit eine regelmäßig aufmerksamkeitsfördernde politische Dimension verliehen hatte. Allerdings wurde die Stärkung des öffentlichen Rechts in der weiteren Reformdebatte überhaupt nicht mit einer konkreten politisch-ideologischen Agenda – nicht einmal einer sozialistischen – in Verbindung gebracht. Das galt auch für eines der wenigen Plädoyers für das öffentliche Recht, das aus der Anwaltspraxis kam: Es stellte heraus, dass das ganze Rechtsleben mit dem öffentlichen Recht durchsetzt wäre und sich auch das praktische Zivilrecht „immer mehr mit öffentlich-rechtlichen Gedanken“ anreicherte – dem Juristen wären daher „die Denkformen des öffentlichen Rechts nahezubringen“.219 Aber auch dieser Stimme ging es nicht etwa 214 Mit der Bemerkung, dass die Referendare nicht einmal mehr die Akten verstünden, vgl. den Jahresbericht des Präsidenten des PrLJPA 1928, in: PrJMBl. 1929, S. 44 (47). 215 Ulrich, Die Ausbildung der höheren Verwaltungsbeamten in Preußen, S. 15 ff. 216 Steuber, Zur Reform der Ausbildung, in: DJZ, Sp. 577; Zimmer/Klee, Die Juristische Ausbildung in Preußen, S. 23 f. 217 Jacobi, Die augenblickliche Lage der Rechtsstudien, in: JW 1927, S. 8 f. Zur allgegenwärtigen Kritik etwa Steuber, Juristische Ausbildung, in: JW 1927, S. 2 f. 218 Radbruch, Reichstag, in: JW 1921, S. 1218 (1220). 219 Benkard, Das öffentliche Recht im Rechtsstudium, in: JW 1927, S. 745 (746).
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darum, der neuen Verfassung und ihren Idealen – dem freiheitlichen Gehalt der Grundrechte und dem demokratischen Prinzip – im Studium zu vermehrter Berücksichtigung zu verhelfen, sondern vor allem darum, die Wirkungen des öffentlichen Rechts auf das Wirtschaftsleben nachvollziehen zu können.220 Aus Kreisen des preußischen Prüfungsamts wurden nur zwei Vorzüge der vertieft öffentlich-rechtlichen, vor allem der staatsrechtlichen Ausbildung benannt: eine Förderung der Lebensnähe des Juristen221 und die zusätzliche Würdigung des studentischen Interesses an den Staatswissenschaften.222 Zumindest als Lehrfach schien das öffentliche Recht entpolitisiert.223 Einer Forderung nach einer Kürzung der Rechtsgeschichte224 war zwar nachgekommen worden; aufgrund ihrer Einordnung als „Mittel internationaler Verständigung“, sprachen sich aber selbst die Verfasser der Denkschrift des Preußischen Kultusministeriums gegen weitere Kürzungen aus.225 Bisweilen wurde auch gerade die durch die Rechtsgeschichte vermittelte „Rechtskultur“ 226 als probates Mittel gegen eine Verschärfung politischer Gegensätze und für die Begründung eines genossenschaftlichen Denkens227 erachtet. Eine Hervorhebung als Quelle „deutschrechtliche[n] Rechtsgedanke[ns]“,228 die dem Fach eine ideologische Dimension hätte verleihen können, blieb allerdings in der weiteren Debatte aus. Andere Fächer, die nicht dem Kernbereich der juristischen Fachausbildung zuzuordnen sind, wurden tendenziell vernachlässigt. Eine geforderte Betonung des Arbeitsrechts, die ihrerseits einer Fremdheit gegenüber sozialem Leben hätte entgegenwirken sollen,229 gab es letztlich nicht. Während das Völkerrecht verstärkte Beachtung gefunden hatte, wurde das internationale Privatrecht trotz ebenfalls
220 Benkard ging es etwa um das Steuerrecht, das Sozialrecht und das Gewerberecht sowie wirtschaftliches Handeln des Staates durch öffentlich-rechtliche Körperschaften, ders., Das öffentliche Recht im Rechtsstudium, in: JW 1927, S. 745 (747). 221 Für Staatswissenschaften und Wirtschaftsrecht gleichermaßen, Klässel, Zur Reform der ersten juristischen Prüfung, in: JW 1926, S. 4 (5). 222 Klässel, Zur Reform der ersten juristischen Prüfung, in: JW 1926, S. 4 (5); Steuber, Juristische Ausbildung, in: JW 1927, S. 2. 223 Zur vollkommen entgegengesetzten Politisierung der Staatsrechtslehre an sich, vgl. Abschnitt c) bb) (2). 224 Jonas, Zur Reform der juristischen Vorbildung, in: JW 1929, S. 1835 (1838). 225 Preußisches Kultusministerium, Zur Reform des juristischen Studiums, in: JW 1930, S. 1902; so auch Stutz/Stammler, Zur Reform des juristischen Studiums, Bericht, in: DJZ 1920, Sp. 473 (478). 226 Heymann, Die juristische Studienreform, in: Schmollers Jahrbuch 1922, S. 109 (139). 227 Levin, Über die Erziehung zum Juristen, S. 45 (47). 228 So der Abgeordnete der DVP und Reichsjustizminister Heinze, Reichstag, in: JW 1921, S. 811 (812). 229 Baum, Arbeitsrechtliche Ausbildung der Juristen in Preußen, in: JW 1925, S. 13.
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besonderer wirtschaftlicher Relevanz nicht aufgenommen.230 Die Rechtssoziologie als mögliches Mittel zur Schaffung eines Verständnisses der Juristen für den Umgang mit den breiten Bevölkerungsschichten wurde ebenfalls außer Acht gelassen.231 Die Rechtsphilosophie wurde zwar als Vertiefungsmöglichkeit vorgeschlagen232 und fand als solche auch Sympathien beim Prüfungsamt;233 blieb aber ohne wesentliche Bedeutung. Besonderen Rang erlangten in der Ausbildungsordnung wie in der Reformdebatte das Wirtschaftsrecht und die volkswirtschaftliche Ausbildung des Juristen. Diesen Rang begründeten die Befürworter bereits mit einem großen Anteil, den die wirtschaftsrechtlichen Vorschriften am gesamten Zivilrecht jenseits des BGB hatten.234 Man ging zudem davon aus, dass die teils komplexe wirtschaftliche Lage ein vertieftes Verständnis für das Wirtschaftsleben erfordern würde.235 So ging man auch im preußischen Prüfungsamt davon aus, dass der mit dem modernen Wirtschaftsleben nicht hinreichend vertraute Jurist „weltfremd“ zu sein drohte.236 Um eine entsprechende Ausbildung trotz der schwachen finanziellen Lage der Universitäten zu ermöglichen und die Effizienz der Ausbildung zu erhöhen, wurde vorgeschlagen, die Prüfungen an die nationalökonomischen Fakultäten zu verlegen.237 Vor einer drohenden stofflichen Überfüllung wurde nur selten gewarnt.238 In den Reformdebatten und Erwägungen wurde auffallend selten ein Bezug zur Staatsordnung und vor allem ihren liberalen Gedanken hergestellt. Erst im Jahr 1932 forderte Otto Koellreutter als einziger angesehener Rechtslehrer eine Studienform, die in ihrem Kern weltanschaulich geprägt sein sollte. Dabei hatte er allerdings keine Reform im Geiste eines liberalen Verständnisses im Sinn. Er 230
Eggen van Terlan, Denkschrift, in: DJZ 1930, Sp. 798. Westhoff, Das juristische Bildungsideal, in: Die Justiz 4 (1928/29), S. 3. 232 Gerland, Denkschrift, in: DJZ 1930, Sp. 717 (722); Koellreutter, Grundsätzliches, in: DJZ 1932, Sp. 1315 (1317 f.); Larenz, Die Bedeutung der Philosophie, in: JW 1931, S. 982 (983 f.). 233 Schwister, Zum gegenwärtigen Stand der Ausbildungsfrage, in: JW 1931, S. 1012 (1014). 234 Vielfach rezipiert etwa Kaskel, Gegenstand und systematischer Aufbau des Wirtschaftsrechts, in: JW 1926, S. 11 ff.; Hedemann, Wirtschaftsrecht als Rechtsdisziplin und Lehrfach?, in: JW 1927, S. 13 f.; Reichardt, Wirtschaftsrecht als Rechtsdisziplin und Lehrfach?, in: JW 1927, S. 11 f. 235 Weber, Die wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung der Juristen, in: JW 1924, S. 9; Heymann, Die juristische Studienreform, in: Schmollers Jahrbuch 1922, S. 109 (111 f.); ebenso der Vorstand des Deutschen Anwaltsvereins, Richtlinien für die Reform der Juristischen Vor- und Fortbildung, in: JW 1929, S. 1853 (1853). 236 Klässel, Zur Reform der ersten juristischen Prüfung, in: JW 1926, S. 4 (5). 237 Jacobi, Die augenblickliche Lage der Rechtsstudien, in: JW 1927, S. 8 (9), Weber, Wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung der Juristen, in: JW 1924, S. 9. 238 Klausing, Ausbildungsreform und Universitätsstudium, in: JW 1929, S. 1844 (1849). 231
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war vielmehr Vordenker einer völkischen Studienreform: Der „Dreiklang Volk, Staat, Nation“ sollte den Studierenden in der „politischen und rechtlichen Gestaltung“ verständlich gemacht werden; der „Hauptwert auf die Erkenntnis vom Staat und Recht als Ausdruck und Leben eines Volkes“ gelegt werden.239 In der Literatur wurde dieser späte Vorschlag kaum noch besprochen. Grundsätzliche Zustimmung erhielt Koellreutter allerdings vom Leiter des preußischen Prüfungsamtes in Berlin, Wilhelm Schwister, der als Aufgabe einer nächsten Reform sah, dem Juristen auch ein politisches Verständnis zu vermitteln.240 Vorsorglich und relativierend verwies er allerdings auf die Lern- und Lehrfreiheit.241 Von wiederkehrender Relevanz waren nicht fachliche, sondern grundlegende sprachliche Mängel. Sie wurden allerdings auf die vorangegangenen Kriegsjahre und einen hierdurch bedingten Schulausfall zurückgeführt.242 Die durch den Erlass des Unterrichtsministeriums geforderte stärkere allgemeine Bildung wurde für eine Aufgabe der Schulen, nicht der Universitäten, befunden.243 ff) Wissenschaftlichkeit und die juristische Methode Aufgrund der Gefahr eines Eingriffs in die Lehrfreiheit war die konkrete Lehrmethode – von der Teilung der Veranstaltungskanons in Übungen und Vorlesungen abgesehen – nicht von Reformvorhaben erfasst. In ihren allgemeinen Abhandlungen zur juristischen Ausbildung vertraten sämtliche Autoren – Ministerien,244 deren Vertreter,245 einzelne Praktiker, Professoren246 und Fakultäten247 – aber den gemeinsamen Standpunkt, dass es in der universitären Ausbildung um die Vermittlung der juristischen Methode und eines Verständnisses anstelle bloßen Wissens gehen sollte. Ausdrücklich sprach sich das preußische Justizprüfungsamt gegen ein „Spezialistentum“ und für ein hohes wissenschaftliches Niveau des Studiums aus.248 Inwiefern dies durch Reformen gefördert werden 239
Koellreutter, Grundsätzliches, in: DJZ 1933, Sp. 1315 (1319 f.). Schwister, Die Erneuerung des Studiums, in: DJZ 1933, Sp. 61 (64 ff.). 241 Schwister, Die Erneuerung des Studiums, in: DJZ 1933, Sp. 61 (64 ff.). 242 Jahresbericht des Präsidenten des PrLJPA 1929, in: PrJMBl. 1930, S. 48 (53). 243 Feisenberger, Zur Frage der Reform des juristischen Studiums, in: JW 1930, S. 2840 (2843). 244 Preußisches Kultusministerium, Zur Reform des juristischen Studiums, in: JW 1930, S. 1902. 245 Schwister, Examensnot, in: DJZ 1932, Sp. 635 (636); Schwister, Zur Reform der juristischen Vorbildung, in: JW 1929, S. 1839 (1841). 246 Klausing, Ausbildungsreform, in: JW 1929, S. 1844 (1849); Westhoff, Das juristische Bildungsideal, in: Die Justiz 4 (28/29), S. 3 (10). 247 Beschlüsse der Juristischen Rechtswissenschaftlichen, Rechts- und Staatswissenschaftlichen, Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten, Beschluss vom 29. Juni 1929, abgedruckt in: DJZ, S. 2238. 248 Jahresbericht des Präsidenten des PrLJPA 1929, in: PrJMBl. 1930, S. 48 (52). 240
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sollte oder die wissenschaftliche Arbeitsweise den idealen Juristen prägte, wurde kaum diskutiert. Man war sich allenfalls darin einig, dass die „bloße Begriffsjurisprudenz“ überwunden war.249 Insbesondere die Denkschrift des preußischen Kultusministeriums, die wegen ihrer neuen Ordnung des Studienablaufs schärfster Kritik ausgesetzt war, hätte Anlass geboten, die Konsequenzen einer befürchteten Verschulung des Studiums250 für die Entwicklung des juristischen Nachwuchses herauszustellen. Das stellt indirekt auch Smend fest: „[die deutsche Rechtswissenschaft] hat es versäumt, trotz großer historischer Vorbilder, [. . .] die Rolle der wissenschaftlichen Jurisprudenz als lebendigen Faktors der Rechtswirklichkeit, der lebendigen Positivität des Rechts, nachdrücklich ins Licht zu rücken und anschaulich zu machen.“ 251 Einige Anmerkungen zu den fachlichen Fähigkeiten der Juristen formulierte aber der Präsident des preußischen Prüfungsamtes. Eine davon bezieht sich etwa auf die für praktisch unbrauchbar befundene Relationstechnik in der großen Staatsprüfung;252 eine andere lässt schon eher ein Ideal erkennen, das jedenfalls die methodische Fähigkeit über den persönlichen Fleiß stellte. Jedenfalls nicht erwünscht war ein Juristentypus, „der dem Ideal des fleißigen, in allen, leider auch in seinen geistigen Ansprüchen bescheidenen, in engbegrenztem Interessenkreis befangenen, von vornherein auf Examen und Berufsversorgung eingestellte, wesentlich bürokratischen Beamten entspricht“.253 Jedenfalls die staatliche Justizverwaltung schien mehr zu suchen als den bloßen Rechtstechniker. So machte sie eine Verschulung der Ausbildung auch als Hauptursache für geringere Erfolge im zweiten Examen aus.254 gg) Berufsbilder: Die Fähigkeit zum Richteramt und der Universaljurist Obwohl die „Fähigkeit zum Richteramte“ weiterhin in § 2 Abs. 1 GVG verankert war, blieb diese Fähigkeit als Ziel der Juristenausbildung in aller Regel entweder unerwähnt oder – wo sie denn einmal erwähnt wurde – ohne weitere Ausführungen.255 Allerdings führte die Ausgestaltung der praktischen Ausbildung die Referendare für die längste Zeit in die Justiz und vor allem an die Gerichte. So schloss auch das preußische Justizprüfungsamt grundsätzlich aus einem Erfolg im Referendariat auf eine spätere Eignung zur Wahrnehmung eines Richter249 Vgl. Heymann, Die juristische Studienreform, in: Schmollers Jahrbuch 1922, S. 109 (154). 250 Feisenberger, Zur Frage der Reform des juristischen Studiums, in: JW 1930, S. 2840; Peters, Die Reform der juristischen Ausbildung, in: JW 1930, S. 2170 (2172). 251 Smend, Wissenschaft in Gefahr, in: DJZ 1932, Sp. 121 (124). 252 Jahresbericht des Präsidenten des PrLJPA 1931, in: PrJMBl. 1932, S. 39 (41 f.). 253 Jahresbericht des Präsidenten des PrLJPA 1929, in: PrJMBl. 1930, S. 48 (52). 254 Jahresbericht des Präsidenten des PrLJPA 1931, in: PrJMBl. 1932, S. 39 (44). 255 Vgl. Steuber, Zur Aus- und Fortbildung der Juristen, in: JW 1925, S. 3.
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amts.256 Insofern bedeutete eine Befähigung zum Richteramt wohl nicht mehr als die Beherrschung der rechtstechnischen Fähigkeit zur Lösung praktischer Fälle. Geistige Gehalte dieser Wendung, die besondere Bedeutung des unabhängigen Richters im Staat machten sich ebenso wenig bemerkbar wie die politischen Spannungen zwischen Justiz und Parlament. Die Reformdebatte für das Studium ließ im Gegenteil einen universalistischen Ansatz erkennen. Kein konkreter juristischer Beruf – weder der des Richters noch des Rechtsanwalts, Wirtschaftsjuristen oder Verwaltungsbeamten – wurde einem Reformvorschlag zugrunde gelegt. Selbst die Preußische Justizverwaltung statuierte: „Das Ziel der ganzen Ausbildung ist die Heranziehung tüchtiger Richter, Anwälte und Verwaltungsbeamter. Die weitere Spezialisierung kann nur das Leben bringen.“ 257 Im Mittelpunkt der Weimarer Juristenausbildung stand nicht der Richter, sondern der Volljurist. hh) Beobachtungen und Einordnung Das Bestehen eines Reformbedürfnisses war der Minimalkonsens in den Debatten.258 Grundsätzliche Erwägungen für gesetzliche Änderungen gab es allenfalls in Bezug auf eine Vereinheitlichung. Im Übrigen bewegten sich nahezu sämtliche Reformvorschläge in einem Bereich, der von der parlamentarischen Gestaltung üblicherweise nicht erfasst war. Die ausdrückliche Forderung nach Vermittlung einer dem Selbstverständnis der liberalen Verfassung entsprechenden Geisteshaltung im Rahmen des Studiums fand weder in ministerialen Stellungnahmen noch in Beiträgen der Literatur Einzug in die Reformdebatten zur Juristenausbildung. Vereinzelt findet sich zwar die Folgerung, die Gründung der Republik bedeute für die Juristenausbildung den Sprung in die Moderne, die bisherige Rechtssystematik müsse „mit neuem Geiste“ erfüllt werden und bedürfe einer Neugestaltung auf Grundlage des neuen Systems;259 im Übrigen schien die Neukonstituierung des Deutschen Reiches durch die Weimarer Reichsverfassung von den Beteiligten der Reformdebatte aber geradezu unbemerkt von statten gegangen zu sein.260 Von republikanischer Seite wurde nur selten der Gedanke geäußert, in der Juristenausbildung könnte der Jurist überhaupt zu einer bestimmten Staatsgesinnung herangezogen
256
Jahresbericht des Präsidenten des PrLJPA 1928, in: PrJMBl. 1929, S. 44 (46 ff.). Schwister, Erwiderung, in: JW 1928, S. 1277 (1282). 258 Becker, Gedanken zur Hochschulreform, S. 17. 259 Delmonte, Reform des Rechtsstudiums, S. 26 ff., 32 f. 260 Insofern trifft die Behauptung, die Ausbildungsordnung des Jahres 1923 wäre ein deutliches Zeichen der Umwälzung (Theuner, Bemerkungen zur preußischen Ausbildungsordnung, in: JW 1927, S. 3), in Bezug auf die staatliche Umwälzung jedenfalls nicht zu. 257
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werden;261 ein etwaiger revolutionärer Geist des Liberalismus war nicht Grundlage der Debatte. Im Gegenteil formulierte Zitelmann 1921, in der Reformdebatte „müssten Verhältnisse zugrunde (gelegt werden), wie sie etwa 1914 vor dem Kriege bestanden“.262 Die Revolution und aus ihr folgender Reformgeist wurden zum bloß vorrübergehenden „Ausnahmeverhältnis“ erklärt und so zu weiten Teilen aus den Erwägungen gestrichen. Allerdings bestand die weit verbreitete Befürchtung, die Juristen könnten aus ihren etablierten Positionen verdrängt werden.263 Diese Angst vor einer Verdrängung oder Abschaffung des gelehrten Juristenstandes war schon vor dem Krieg aus der Erweiterung der Laienrichterschaft entsprungen264 und verschärfte sich mit dem Machtzuwachs der Kommunisten nur noch weiter.265 So war eine allgegenwärtige Betonung der Wissenschaftlichkeit des Studiums nicht nur juristische Selbstverständlichkeit; Reformen oder ein Eintreten gegen Reformen der juristischen Ausbildung auf Seiten der Praktiker sollten vor allem den Erhalt des eigenen Standes und dessen gesellschaftlichen und staatlichen Stellwertes sichern. Darüber hinaus blieb es zumeist bei Vorschlägen technischer Natur.266 Die an den Debatten beteiligten Professoren versuchten in der Regel, die Bedeutung ihrer Fächer angesichts des Kürzungsdrucks zu erhalten oder zu steigern. Die Begründungen der offiziellen Stellen und Ministerialbeamten fielen pragmatisch aus. Besonders die Betonung der Volkswirtschaften und das Völkerrecht richteten sich nach praktischen Erwägungen; die Nichtbeachtung einiger Fächer lag in der Regel am bereits großen Stoffumfang. Wenig ausgeführt wurde zur Frage der Staats- und Staatsrechtswissenschaften: Auch wenn diese ab 1923 plötzlich einen hohen Stellwert bekamen, weist die zumeist oberflächliche Beschäftigung mit den Hintergründen der Reform darauf hin, dass eine staats- und verwaltungsrechtliche Bildung der Juristen nicht bezweckte, die Akzeptanz des Staates zu stärken, und vor allem, dass sie auch nicht so wahrgenommen wurde.267 Auch die Hervorhebung des öffentlichen Rechts hatte daher überwiegend praktische Gründe. Dem geringen Staatsbezug der Reformdebatte stand sodann ein prominenter Gesellschaftsbezug gegenüber. Neben den rein fachlichen Fähigkeiten des Juris261 Levin, Über die Erziehung zum Juristen, in: Die Justiz 4 (1928/29), S. 45 (49). Zum Erziehungsauftrag des Rechts- und Staatsrechtslehrers vgl. im folgenden Abschnitt, c) bb) (1). 262 Zitelmann, Die Neugestaltung des Rechtsstudiums, S. 12. 263 An die deutschen Juristen, Aufruf, in: DJZ 1918, Sp. 713 (714 ff.); wiederholt in: DJZ 1920, Sp. 1 (2 f.). 264 Kübler, Der deutsche Richter und das demokratische Gesetz, in: AcP 162, S. 104 (110). 265 Vgl. etwa Magnus, Aus- und Vorbildung der Juristen, in: DJZ 1930, Sp. 344. 266 So auch Levin, Über die Erziehung zum Juristen, in: Die Justiz 4 (1928/29), S. 45. 267 Zur vehementen Ablehnung politischer Anschauungen und zu der – auch in der Rechtslehre – weit verbreiteten antidemokratischen Haltung, näher im folgenden Abschnitt.
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ten wurde regelmäßig die sozialen Fähigkeiten der Juristen thematisiert, zur Anpassung der Ausbildung an neue wirtschaftliche und außenpolitische Verhältnisse kam die Notwendigkeit der Anpassung an die neue soziale Lage.268 Die zunehmende Vertrauenskrise der Justiz hatte das Bewusstsein für die herausgehobene Stellung des Juristen in der Gesellschaft geschärft. So musste ein allgemeines Verständnis der Juristen für die Lebensverhältnisse der Arbeiterschaft geschaffen werden; erst recht im Rahmen der Ausbildung.269 Auch wenn der Lebensfremdheit der Juristen zur Relativierung als Korrelat die Rechtsfremdheit des Volkes270 und die Forderung, diese schon an den Schulen zu beseitigen,271 gegenüber gestellt wurde, sah sich die preußische Landesregierung in dieser Angelegenheit zum Handeln gezwungen und passte den Vorbereitungsdienst an. Einzig an dieser Stelle trat nach außen, dass mit einer Reform gezielt auf die Grundeinstellung der angehenden Juristen eingewirkt werden sollte. c) Die Rolle der Universitäten Während mit Reformvorschlägen und Reformen somit vor allem praktische Anforderungen an die neue innen- und außenpolitische, gesellschaftliche wie wirtschaftliche Lage berücksichtigt wurden, blieb eine zielgerichtete, rechtlich sanktionierte Bindung des angehenden Juristen an den neuen Staat außen vor – freilich mit Ausnahme des praxisbezogenen und damit zwangsläufig in den meisten Abschnitten staatsnahen und staatsbezogenen Referendariats. Für eine Vermittlung besonderer staatsbezogener, ideologischer Leitbilder bleibt somit nur die Ebene der Universität und der Lehre selbst. Im letzten Schritt soll daher betrachtet werden, ob überhaupt – und wenn ja, wie weit – ein staatlicher Einfluss auf Universitäten trotz der mit der Weimarer Reichsverfassung in Art. 142 S. 1 WRV eingeführten Wissenschafts- und Lehrfreiheit bestand. aa) Die Hochschule in der Weimarer Verfassung (1) Wissenschaftsfreiheit und Organisation der Universitäten Von der zuvor erwähnten hochschulrechtlichen Grundsatzgesetzgebungskompetenz272 des Reichs nach Art. 10 Nr. 2 WRV wurde nicht Gebrauch gemacht.273 Die rechtlichen Grundlagen des Hochschulwesens befanden sich damit auf der 268 Bruck, Die Ausbildung der Juristen und Volkswirte, in: JW 1928, S. 1276 f.; Haff, Die Neuorientierung des Privatrechtsunterrichts, in: JW 1928, S. 1925. 269 Hueck, Staatsgerichtshof, S. 15. 270 Marschall von Bieberstein, Vom Kampf des Rechts gegen die Gesetze, S. 2. 271 Magnus, Die Veränderung der Wirtschaftslage, in: JW 1928, S. 36 (37); Magnus, Aus- und Vorbildung der Juristen, in: DJZ 1930, Sp. 344 (345). 272 Vgl. unter 3. a) aa). 273 Vgl. auch Thieme, Deutsches Hochschulrecht (2004), S. 16, Rn. 32; Wende, Grundlagen des preussischen Hochschulrechts, S. 1.
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Ebene des Landesrechts. Dabei existierte auf Landesebene regelmäßig kein spezielles, umfassendes Hochschulregelwerk, sodass auf Vorschriften allgemeinerer Gesetze zurückgegriffen werden musste.274 Obwohl inhaltlich wenig ausgestaltet, stimmte das Hochschulrecht in den einzelnen Ländern weitestgehend überein.275 In der Grundsatzfrage nach der Rechtsnatur der Universität allerdings gab es widersprüchliche Auffassungen, die aus dem Preußischen Recht276 hervorgingen. Die wohl älteste geltende Quelle des Hochschulrechts war das Preußische Allgemeine Landrecht des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Einerseits galten Universitäten nach §§ 1, 2 II/12 PrALR277 als „Veranstaltungen des Staates“, als Anstalten; auf der anderen Seite wurden sie in § 67 II/12 PrALR mit den Rechten „privilegirter [sic] Corporationen“ bedacht, was ihnen einen Status als Körperschaft beigemessen hätte.278 Jedenfalls handelte es sich bei den „wissenschaftlichen Hochschulen“ um Einrichtungen des Staates,279 die durch die jeweilige Regierung errichtet wurden.280 Ob die Universität damit entweder bloße Verwaltungsstelle, selbstständige oder unselbstständige Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit oder „akademische[r] Selbstverwaltungskörper“ unter Staatsaufsicht sein sollte, wurde nicht endgültig geklärt.281 Unbestritten ist aber, dass die Universität eine Form der öffentlichen Einrichtung war und ihr die Satzungshoheit nicht zukam,282 der Staat also bereits unabhängig vom rechtlichen Status zunächst einen 274 Becker, Gedanken zur Hochschulreform, S. 22; Wende, Grundlagen des preussischen Hochschulrechts, S. 2 f.; mit Verweis auf die §§ 1, 2, 67, 68 II/12 PrALR, vgl. unten; das einzige im Jahre 1933 bestehende Hochschulgesetz war das Hamburgische (Köttgen, Deutsches Universitätsrecht, S. 5 m.w. N.). 275 Köttgen, Deutsches Universitätsrecht, S. V; dies war eine Folge der gemeinsamen Entwicklung der Hochschulen in Deutschland, vgl. auch Holstein, Hochschule und Staat, S. 127. 276 Auch im Universitätsrecht diente das preußische Ausbildungsrecht zur Orientierung, vgl. auch Paulsen, Die deutschen Universitäten, S. XI. 277 D. h. §§ 1 und 2 des 12. Titels des II. Teils des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten. 278 Der Klärung abträglich waren dabei die Satzungen u. a. der Universitäten Kiel (abgedruckt in Wende, S. 56) und Göttingen (abgedruckt in Richter/Peters, Die Satzung der Universität Göttingen), die jeweils in § 2 statuierten: „(die) Universität ist eine Veranstaltung des Staates und hat zugleich nach Maßgabe der Gesetze die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts“. 279 Wende, Grundlagen des preussischen Hochschulrechts, S. 9 f. 280 Wende, Grundlagen des preussischen Hochschulrechts, S. 15 f. 281 Köttgen, Deutsches Universitätsrecht, S. 34 ff. m.w. N. zur gesamten Diskussion. Im Ergebnis sollte es sich wohl um eine öffentliche Korporation oder eine korporativ verfasste, selbstständige Anstalt handeln (S. 48 f.). 282 Wende, Grundlagen des preussischen Hochschulrechts, S. 30. Sämtliche Normativakte waren somit nach § 68 II/12 PrALR genehmigungsbedürftig, vgl. Thieme, Deutsches Hochschulrecht (2004), S. 16 f., soweit der Staat sie nicht selbst vorgenommen hat. Kam es allerdings zu Meinungsverschiedenheiten über die Statuten, mahnte die Rechtsprechung die Regierungen an, mit den Universitäten zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen, vgl. Holstein, Hochschule und Staat, S. 138.
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beträchtlichen Einfluss hatte. Darüber hinaus galt der Vorbehalt des Gesetzes für Universitäten unabhängig von der konkreten Einordnung des körperschaftlichen Status der Universität nicht: Entweder handelte es sich bei staatlichem Handeln in Hochschulangelegenheiten um „gesetzesfreie Staatsorganisation“ oder um besondere Gewaltverhältnisse.283 Dieser zunächst umfassend erscheinenden Staatsgewalt stand die Autonomie der Universität gegenüber. Als institutioneller Teil fiel hierunter die akademische Selbstverwaltung; als Individueller vor allem die Lehrfreiheit des Dozenten. Zu diesen „beiden tragenden juristischen Pfeiler[n] der deutschen Universität“ 284 kam – mehr oder minder selbstständig – die Wissenschaftsfreiheit. Während Lehrfreiheit und Wissenschaftsfreiheit in Art. 142 WRV eine verfassungsrechtliche Grundlage hatten, gab es diese für die akademische Selbstverwaltung nicht. Sie ergab sich auch nur zum Teil aus dem geltenden Recht, etwa aus § 68 II/12 PrALR, und war weitgehend von einer entsprechenden – widerruflichen – Gewährung durch den Staat, beziehungsweise die zuständigen Ministerien, abhängig und damit von vornherein begrenzt.285 Im Kern handelte es sich bei der akademischen Selbstverwaltung zunächst um bloße Selbstverwaltung im eigentlichen Sinne: die Möglichkeit der eigenständigen Erledigung von Verwaltungsaufgaben, also die Zulassung von Studierenden und die Aufgabenwahrnehmung durch eigene Organe.286 Eine besondere rechtliche Tragweite erhielt der Begriff, wo die Selbstverwaltung im engeren Sinne und die Wissenschaftsfreiheit, teils auch die Lehrfreiheit zusammengefasst wurden.287 Die akademische Selbstverwaltung räumte Universitäten unter anderem die Rechte zur Erstellung von Lehrplänen, zur Didaktik und auch der Verleihung wissenschaftlicher Grade ein288 und schaffte einen vor staatlichen Eingriffen geschützten Bereich von Wissenschaft und Forschung. Gleichzeitig wurde die akademische Selbstverwaltung zur universellen Grundlage für eine Ablehnung staatlichen Einflusses auf die Arbeit der Universitäten im Allgemeinen erhoben.289
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Thieme, Deutsches Hochschulrecht (2004), S. 17, Rn. 33. Köttgen, Deutsches Universitätsrecht, S. VII. 285 Becker, Gedanken zur Hochschulreform, S. 21; Wende, Grundlagen des preussischen Hochschulrechts, S. 30; i. E. auch Holstein, Hochschule und Staat, S. 140. 286 Wende, Grundlagen des preussischen Hochschulrechts, S. 31 f. 287 Mit formaler Unterscheidung vgl. Köttgen, Deutsches Universitätsrecht, S. 57. Holstein sah die Lehrfreiheit als „geistige Selbstverwaltung“ (ders., Hochschule und Staat, S. 138). 288 Wende unterschied dagegen deutlich zwischen Wissenschafts- und Lehrautonomie und akademischer Selbstverwaltung in diesem Bereich, vgl. ders., Grundlagen des preussischen Hochschulrechts, S. 31. 289 Aufschlussreich insofern Köttgen, Deutsches Universitätsrecht, S. 57: „Wisschenschaftliche Interessen, die sich niemals ohne weiteres in ein übergreifendes Staatsinteresse eingliedern lassen, sind der akademischen Selbstverwaltung anvertraut.“ Formell unterscheidet Köttgen dabei „Forschung und Lehre“ und „um diese Forschung 284
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(2) Die Aufgabe der Universitäten im Staat Aber auch diese von der Wissenschaftsfreiheit geprägte290 Erscheinung der akademischen Selbstverwaltung änderte nicht, dass es sich bei den Universitäten bereits aus praktischen Gründen nicht nur nicht um staatsfreie Einrichtungen handelte, sondern sie schon ihren Satzungen nach eine Aufgabe für den Staat wahrnahmen: Die Ausbildung von Beamten. So hieß es in § 1 der Satzung der Universität Göttingen aus dem Jahre 1923: „Sie hat die studierende Jugend zum Eintritt in die verschiedenen Zweige des höheren Staatsdienstes sowie für andere Berufsarten [. . .] vorzubereiten.“ Über diesen wohl eher funktionalen Aspekt geht die Satzung aber hinaus: „Als Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden, die im Geiste der Wahrheit verbunden sind, sucht sie den sittlichen Charakter der akademischen Jugend zu entfalten und sie zur verantwortungsvollen Mitarbeit an Staat und Kultur zum Wohle des Volksganzen heranzubilden.“ 291 Damit hatte die Universitäten über den Wissenschaftsbetrieb hinaus noch zwei weitere Funktionen: erstens die Berufsvorbereitung und zweitens die Erziehung der Studierenden zu Staatsbürgern.292 Die hieraus folgende „bedeutsame Stellung im Rahmen der staatlichen Kulturpolitik“ bedeutete auch, dass die Universitäten und der Staat eng zusammenarbeiten mussten.293 In Angelegenheiten der Juristenausbildung hatte sich diese Nähe zwischen Staat und Universität schon vor der Gründung der Weimarer Republik unter anderem durch Rechtslehrerkonferenzen in den Justizministerien der Länder ausgedrückt.294 Die Justizministerien waren grundsätzlich offen für Vorschläge durch die Lehrer an den juristischen Fakultäten. Wo allerdings geplante Änderungen schon vorab bekannt geworden waren, waren die Universitäten von Amts wegen verpflichtet, Stellungnahmen vor einer öffentlichen Bekanntgabe zu unterlassen.295 Das Näheverhältnis bedeutete somit auch eine Einschränkung einer Meinungsäußerung durch Universitätsfunktionäre. Die Zusammenarbeit zwischen den Universitäten und den Ämtern führte in erster Linie zu den oben besprochenen Reformen; Richtlinien in Fragen der Erziehung wurden nicht erörtert. bemühte [. . .] Verwaltung“, ohne dabei den Begriffen der universitätseigenen Wissenschaftsverwaltung und der Forschung Trennschärfe zu verleihen. 290 Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1956), S. 79. 291 Abgedruckt in: Richter/Peters, Die Satzung der Universität Göttingen, S. 5. Nahezu wortgleich die ebenfalls auf Beschluss des preußischen Staatsministeriums am gleichen Tag erlassene Satzung der Universität Kiel, abgedruckt in: Wende, Grundlagen des preussischen Hochschulrechts, S. 54. 292 Becker, Gedanken zur Hochschulreform, S. 29: „Forscherschulen, Berufsschulen, Staatsbürgerschulen“; Wende, Grundlagen des preussischen Hochschulrechts, S. 55. 293 Wende, Grundlagen des preussischen Hochschulrechts, S. 56. 294 Vgl. etwa Delmonte, Reform des Rechtsstudiums, S. 18. 295 Stier-Somlo, Die neue juristische Studienreform, S. 65; hingegen konnten Universitäten anderer Länder und private Vereinigungen bereits vor öffentlicher Ankündigungen Kritik äußern.
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bb) Die Lehre mit besonderem Blick auf die Staatsrechtslehre In der Frage einer staatlicherseits geforderten und geförderten Umsetzung einer Erziehung der angehenden Juristen „zur verantwortungsvollen Mitarbeit an Staat und Kultur“, kommt als letzter Ansatzpunkt nur noch der einzelne Rechtslehrer und dessen Lehre in Betracht: Wenigstens dieser könnte hochschul- und beamtenrechtlich zu einer positiven Vermittlung des Staatsgedankens verpflichtet gewesen sein. (1) Lehrfreiheit und Beamtenstellung der Rechtslehrer Bei Professoren handelte es sich – anders als bei Privatdozenten – um Beamte. Für Beamte als Staatsdiener296 galten von jeher besondere Treuepflichten gegenüber dem Staat. So besagten die §§ 1 und 2 II/10 PrALR jeweils, Beamte „sind vorzüglich bestimmt, die Sicherheit, die gute Ordnung, und den Wohlstand des Staats unterhalten und befördern zu helfen“ und „Sie sind [. . .] dem Oberhaupte des Staats besondre Treue und Gehorsam schuldig.“ Die Treuepflicht wurde ebenfalls in die Weimarer Reichsverfassung aufgenommen. Art. 176 S. 1 WRV besagte seinerseits: „Alle öffentlichen Beamten und Angehörigen der Wehrmacht sind auf diese Verfassung zu vereidigen.“ Die auf Grund des zweiten Satzes ergangene Verordnung des Reichspräsidenten297 präzisierte, dass bei der Vereidigung die Treue zur Verfassung geschworen werden musste. Vor allem aber durch die Treuepflicht des preußischen Landrechts war der Beamte auch dem Staat und der ihm zugrundeliegenden „Staatsidee“ verpflichtet.298 Mit Einführung des Art. 130 WRV wurde die Position des Beamten im Staat freiheitlich ausgestaltet. Nach Abs. 1 diente der Beamte weiterhin „der Gesamtheit, nicht der Partei“; Abs. 2 räumte den Beamten aber die „Freiheit ihrer politischen Gesinnung und die Vereinigungsfreiheit“ ein. Der Beamte konnte nicht nur eine politische Gesinnung haben, sondern diese grundsätzlich auch äußern, selbst wenn diese verfassungswidrige Ziele verfolgte, solange der Beamte nicht persönlich unmittelbar an rechtswidrigen Handlungen zur Verfolgung politischer Ziele beteiligt war.299 Der Anlass dieser Regelung war der Ausschluss der Sozialdemokraten von öffentlichen Ämtern in der Monarchie.300 Mit dem als Verfassungsänderung im Sinne des Art. 76 WRV zustande gekommenen Reichsgesetz über die Pflichten der Be-
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Wende, Grundlagen des preussischen Hochschulrechts, S. 38. Verordnung über die Vereidigung der öffentlichen Beamten vom 14. August 1919, RGBl. I 1919, S. 138. 298 Köttgen, Das deutsche Berufsbeamtentum, S. 70 f.; Schmahl, Disziplinarrecht und politische Betätigung, S. 98. 299 Anschütz, Reichsverfassung, 13. Aufl., S. 527 f. 300 Thoma, Die Lehrfreiheit der Hochschullehrer, S. 17. 297
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amten zum Schutze der Republik vom 21. Juli 1922301 wurde diese Freiheit der politischen Gesinnung wieder begrenzt.302 Der neueingeführte § 10a des Reichsbeamtengesetzes (RBG) lautete in Auszügen: „Der Reichsbeamte ist verpflichtet, in seiner amtlichen Tätigkeit für die verfassungsmäßige republikanische Staatsform einzutreten. Er hat alles zu unterlassen, was mit seiner Stellung als Beamter der Republik nicht zu vereinen ist. Insbesondere ist ihm untersagt: [. . .] 3. bei Ausübung der Amtstätigkeit [. . .] auf die ihm unterstellten oder zugewiesenen [. . .] Zöglinge oder Schüler im Sinne mißachtender Herabsetzung der verfassungsmäßigen republikanischen Staatsform oder der verfassungsmäßigen Regierungen des Reichs oder eines Landes einzuwirken;“ 303 Die Einhaltung der Vorschrift wurde im ebenfalls neuen § 10b RBG unter Androhung der Entlassung gestellt. Das Reichsbeamtengesetz galt nach § 1 RBG zwar nur für Reichsbeamte und damit nicht die Hochschullehrer als Landesbeamte. Aufgrund des Zustandekommens mit verfassungsändernder Mehrheit drängte sich aber die Frage auf, inwieweit auch Hochschullehrer dem Staat und der gegenwärtigen Staatsform gegenüber verpflichtet waren.304 Zwar wurde die Bedeutung des § 10a RBG durch die Auffassung, der Beamte könne weiterhin eine ablehnende Meinung über den Staat äußern, wenn er dies denn in hinreichend zivilisierter Art und Weise täte, umfangreich geschmälert305 und schließlich durch die bereits erwähnte, auffällig restriktive Anwendung durch die Gerichte306 nahezu seiner gesamten Bedeutung entledigt; das schloss allerdings 301
RGBl. I 1922, S. 590. Anschütz, Reichsverfassung, 13. Aufl., S. 528 f. Er geht dabei darauf ein, dass es sich bei § 10a RBG auch um eine bloß deklarative Norm zum Inhalt des Art. 130 WRV gehandelt haben könnte. Der starke Gegensatz der Formulierungen spricht allerdings sehr dafür, dass die Änderung tatsächlich die Freiheit der politischen Gesinnung aus Art. 130 Abs. 2 WRV wieder beschränkte. Zu beachten ist freilich, dass schon in der Monarchie anerkannt war, dass Beamten aufgrund ihrer Beamtenpflichten jede Form unsachlicher oder „gehässiger, agitatorischer und aufhetzender“ Kritik an der Regierungspolitik und Angriffe auf die Staatsvertreter untersagt waren (vgl. Schmahl, Disziplinarrecht und politische Betätigung, S. 106 f.), sodass die neuen Regelungen möglicherweise einen überwiegend deklaratorischen Zweck bezüglich einer Fortgeltung dieser Pflichten hatten. 303 Weitergehend in Abs. 3: „Dem Reichsbeamten ist weiterhin untersagt, in der Öffentlichkeit gehässig oder aufreizend die Bestrebungen zu fördern, die auf Wiederherstellung der Monarchie oder gegen den Bestand der Republik gerichtet sind, oder solche Bestrebungen durch Verleumdung, Beschimpfung oder Verächtlichmachung der Republik oder von Mitgliedern der im Amte befindlichen Regierung des Reichs oder eines Landes zu unterstützen.“ 304 Siehe etwa bei Rothenbücher, Das Recht der freien Meinungsäußerung, in: VVDStRL 4 (1928), S. 31. 305 So Rothenbücher trotz des entgegenstehenden Abs. 1, der gerade ein positives Eintreten verlangt, ders., Das Recht der freien Meinungsäußerung, in: VVDStRL 4 (1928), S. 31. 306 Vgl. erneut die Darstellung zu den Republikschutzgesetzen, II. 2. a) aa) (2); Kübler, Der deutsche Richter, in: AcP 1962, S. 104 (117 ff.). 302
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nicht von vornherein jeden aus Beamtenpflichten erwachsenden „Erziehungsauftrag zum Staate“ auf Seiten der Professorenschaft aus. Eine solche Dienstpflicht der Hochschullehrer kollidierte aber mit der Lehrfreiheit des Art. 142 WRV. Als ungeschriebener Grundsatz der Hochschularbeit existierte die Lehrfreiheit – ähnlich wie die akademische Selbstverwaltung – schon früh.307 Der Entwurf der Paulskirchenverfassung sah ihre reichsweite Einführung in § 152 vor. Nach ihrem Scheitern erhielt sie Einzug im Landesverfassungsrecht, etwa im Preußischen.308 Mehr als fünfzig Jahre nach dem Scheitern der Paulskirchenverfassung holte die Nationalversammlung die formelle Einführung der Lehrfreiheit auf Reichsebene nach. Durch die Lehrfreiheit des Art. 142 WRV wurde den Lehrenden und im weitesten Sinne auch der Universität selbst ein subjektives-öffentliches Recht309 und damit ein grundsätzlicher Schutz vor auf die Lehre bezogenen Geboten von außen gewährt.310 In erster Linie wurde die Lehrfreiheit als wissenschaftliche Meinungsfreiheit aufgefasst; als Schutz vor Vorschriften über eine zu vertretende Meinung.311 Hierunter fiel grundsätzlich auch die Äußerung einer Lehrmeinung zur Autorität und zur Legitimität des Staates und seiner Verfassung. Darüber hinaus war neben dem Inhalt die Wahl der Lehrmethode geschützt.312 Nicht geschützt war dagegen die rein verwaltende Tätigkeit.313 Im März 1927 tagte die Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer zum Thema „Das Recht der freien Meinungsäußerung“. Ihre Ergebnisse zur Frage des „allgemeinen Gesetzes“ prägen noch heute die Grundrechtsdogmatik zur Meinungsfreiheit. Wenngleich für die juristische Allgemeinheit und Öffentlichkeit weniger relevant, erhielt erstmals auch die Lehrfreiheit eine deutliche Präsenz in der verfassungsrechtlichen Erörterung.314 Bislang war bezweifelt worden, dass die Lehrfreiheit überhaupt Geltung für beamtete Hochschullehrer hätte; der be307 Marschall von Bieberstein, Aussprache, in: VVDStRL 4 (1928), S. 88. Paulsen, Die akademische Lehrfreiheit, in: Preußische Jahrbücher, Bd. 91, S. 515 ff. 308 Vgl. Art. 20 der PreußVerf. (1848/50). Dazu auch Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 121. 309 Dass die Lehrfreiheit darüber hinaus nicht nur als Freiheitsrecht, sondern auch als Institutsgarantie aufgefasst wurde, soll hier nicht näher behandelt werden, da der Gesichtspunkt für die konkrete Stellung der Rechtslehrer in der behandelten Konstellation keine Relevanz hat. Hierzu näher Schmitt, Verfassungslehre, S. 173; Anschütz, Reichsverfassung, 13. Aufl., S. 572. 310 Holstein, Hochschule und Staat, S. 134. 311 Anschütz, Reichsverfassung, 13. Aufl., S. 573; Rothenbücher, Das Recht der freien Meinungsäußerung, in: VVDStRL 4 (1928), S. 43. 312 Anschütz, Reichsverfassung, 13. Aufl., S. 573; Rothenbücher, Das Recht der freien Meinungsäußerung, in: VVDStRL 4 (1928), S. 37. 313 Vgl. Wende, Grundlagen des preussischen Hochschulrechts, S. 41. Diese unterfiel dafür – soweit gewährt – der akademischen Selbstverwaltung. 314 Jellinek, Aussprache, in: VVDStRL 4 (1928), S. 84.
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amtete Hochschullehrer also einen Sonderfall gegenüber den anderen Beamten darstellte. Entsprechend sprachen sich auf der Tagung selbst, in Verfassungskommentaren oder anderen Beiträgen etwa Richard Thoma315 und Gerhard Anschütz316 aus. Angesichts der bestehenden Beamtenpflichten wurde für diese allenfalls eine eigene beamtenrechtliche „Lehrfreiheit“ angenommen, die sich von der verfassungsrechtlich garantierten unterscheiden sollte.317 Ein wohl überwiegender Anteil der Anwesenden, darunter die Hauptreferenten Karl Rothenbücher und Rudolf Smend, aber auch eine Vielzahl anderer Staatsrechtslehrer widersprachen. Sie vertraten die Ansicht, die Lehrfreiheit des Art. 142 WRV galt nicht nur auch, sondern gerade für den beamteten Hochschullehrer.318 Nach der Tagung setzte sich diese Auffassung praktisch durch.319 Es blieb also die Frage, inwieweit diese – nunmehr zugestandene – Lehrfreiheit des Hochschullehrers mit Blick auf dessen Beamtenpflichten einzuschränken wäre. Dem Wortlaut nach galt Art. 142 WRV schrankenlos. Nach allgemeiner Auffassung konnte dies aber nicht sein.320 Die verfassungsrechtliche Verankerung der Lehrfreiheit bedeutete schließlich auch eine „Eingliederung in den staatlichen Organismus“ 321 und schon von diesem Gesichtspunkt aus keineswegs eine allumfassende Staatsfreiheit. Gleichzeitig durfte die Lehrfreiheit nicht durch jede Maßnahme der gesetzmäßig handelnden Verwaltung einschränkbar sein.322 Auch das Handeln des Gesetzgebers war – entgegen früherer Zweifel hieran – seinerseits durch die Lehrfreiheit gebunden.323 Die Lehre war im Gegenzug gebunden an die grundlegende Ordnung, an Recht und Verfassung.324 Hieraus wurde eine Schranke des allgemeinen Gesetzes gefolgert.325 Eine Einschränkung der Lehr315 Thoma, Aussprache, in: VVDStRL 4 (1928), S. 85. Im Anschluss an die Tagung änderten Giese, Anschütz und Thoma ihre ablehnende Auffassung, vgl. Thoma, Die Lehrfreiheit der Hochschullehrer, S. 8. 316 So etwa noch in Anschütz, Reichsverfassung, 3. Aufl., S. 373: „Eine Vorzugsstellung gegenüber anderen Beamten in Bezug auf die Freiheit der Meinungsäußerung ist den Hochschullehrern nicht eingeräumt, insbesondere kennt unsere Gesetzgebung kein Seitenstück zu der parlamentarischen Redefreiheit [. . .].“ Nicht mehr bestritten in Anschütz, Reichsverfassung, 13. Aufl., S. 570. 317 Thoma, Aussprache, in: VVDStRL 4 (1928), S. 86. 318 Rothenbücher, Das Recht der freien Meinungsäußerung, in: VVDStRL 4 (1928), S. 37; Smend, Das Recht der freien Meinungsäußerung, in: VVDStRL 4 (1928), S. 56. 319 Neben anderen Wende, Grundlagen des preussischen Hochschulrechts, S. 35 f.; Nipperdey-Kitzinger, Grundrechte und Grundpflichten, Art. 142, S. 482. 320 Zusammenfassend für die Tagung Thoma, Aussprache, in: VVDStRL 4 (1928), S. 85. 321 Holstein, Hochschule und Staat, S. 132. 322 Holstein, Hochschule und Staat, S. 134 f. 323 Vgl. Anschütz, Reichsverfassung, 13. Aufl., S. 570, m.w. N. 324 Holstein, Hochschule und Staat, S. 135. 325 Anschütz, Reichsverfassung, 13. Aufl., S. 571 f.; Giese, Reichsverfassung, S. 361; Smend, Das Recht der freien Meinungsäußerung, in: VVDStRL 4 (1928), S. 65; Wende, Grundlagen des preussischen Hochschulrechts, S. 37.
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freiheit kam nach dieser Auffassung nicht nur bei Verstößen gegen Strafnormen oder polizeirechtliche Vorschriften in Frage, sondern auch dort, wo Normen das Beamtenverhältnis regelten.326 Das Verhältnis solcher Beamtenpflichten zur Lehrfreiheit stellte sich in Erörterungen ausgesprochen diffus dar. Während in den Anfangszeiten der Republik noch ausdrückliche staatliche Zurückhaltung in Bezug auf politische Inhalte in der Lehre herrschte,327 wurden bis zum Beginn der dreißiger Jahre gelegentlich deutliche Erwartungen an Hochschul- und vor allem Rechtslehrer gestellt. Aus staatlicher Sicht wurde dieses Verhältnis vor allem vom Ministerialbeamten im preußischen Kultusministerium Erich Wende behandelt: Zunächst habe der Staat ein besonderes Interesse an der Aufstellung von Studienplänen, um eine „zeitgemäße Ausbildung der künftigen Funktionäre des öffentlichen Dienstes“ zu erreichen. Jede Staatsform habe „ein Recht darauf, daß in ihrem Bereich die mit der Pflege der Wissenschaft betrauten Funktionäre des Staats die Grundlage dieses staatlichen Schutzes, den Staat in seiner geltenden Staatsform anerkennen“, wobei dabei „Recht und Pflicht zu objektiver, allseitiger Berücksichtigung des Lehrguts unberührt“ bleiben sollten.328 Dies galt umso mehr, wo die Universitäten eben nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für die Berufsausbildung und die staatsbürgerliche Erziehung verantwortlich waren.329 Eine ganz besondere Bedeutung maß Wende hierbei den Staatsrechtslehrern zu. Gerade vom Staatsrechtslehrer könnte innerhalb seiner Lehre erwartet werden, dass er „von einer (die staatsrechtlichen) Verhältnisse anerkennenden Grundlage ausgehe“. Im Rahmen der Lehrfreiheit geäußerte Kritik müsse für die Autorität des Staates unschädlich sein.330 Zur bloßen wissenschaftlichen Tätigkeit komme darüber hinaus die „erziehliche Aufgabe[, die] den Lehrer des Staatsrechts gerade darauf hinweist, die akademische Jugend zum Staat in seiner geltenden Staatsform hinzuführen“.331 Damit stütze er nicht zuletzt ein altes Wort des Philosophen und Pädagogen Friedrich Paulsen zur Aufgabe der Staatslehre: „Wie [beim Theologen] ein positives Verhältnis zum Chris326 Solange diese keine Sondergesetze waren, vgl. Anschütz, Reichsverfassung, 13. Aufl., S. 570 ff.; Wende, Grundlagen des preussischen Hochschulrechts, S. 37. 327 So der preußische Unterrichtsminister Boelitz in der Landtagssitzung am 13.12. 1921, in: 1. Wahlperiode, Berichte, Bd. 4, Sp. 5779 ff., zitiert nach Rothenbücher, Das Recht der freien Meinungsäußerung, in: VVDStRL 4 (1928), S. 41. 328 Wende, Grundlagen des preussischen Hochschulrechts, S. 41. 329 Vgl. bereits oben; siehe erneut Wende, Grundlagen des preussischen Hochschulrechts, S. 55. 330 Wende, Grundlagen des preussischen Hochschulrechts, S. 40. So auch eine Antwort des preußischen Unterrichtsministers vom 3.10.1922, vgl. PrLT-Drs., Wahlperiode 1, 1921/22 M 3662, zitiert nach Rothenbücher, Das Recht der freien Meinungsäußerung, in: VVDStRL 4 (1928), S. 40. 331 Mit Verweis auf § 1 der Satzung der Universität Kiel, vgl. Wende, Grundlagen des preussischen Hochschulrechts, S. 40.
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tentum und zur Kirche, so muß bei dem Lehrer der Staatswissenschaften ein positives Verhältnis zum Staat, zur Staats- und Rechtsverfassung des Landes vorausgesetzt werden. [. . .] Von dem Universitätslehrer aber werden wir fordern müssen, daß er vor allem und zuerst den vernünftigen Sinn in den Lebensformen der Gegenwart und der Vergangenheit zu sehen und zu deuten wisse.“ 332 Wende war zwar einer der wenigen, die sich so deutlich äußerten; nicht zuletzt aufgrund der geringen Literaturdichte im Hochschulrecht wurden seine hochschulrechtlichen Ausführungen allerdings als prägend wahrgenommen.333 In diesem Punkt wurde ihm allerdings nahezu einmütig widersprochen. Einer verfassungsrechtlichen Pflicht des Hochschullehrers, ein positives Verhältnis zum Staat oder zur Staatsform zu vermitteln, trat die hiervon ganz offenkundig betroffene Staatsrechtslehre kritisch bis uneingeschränkt ablehnend gegenüber: Für sie handelte es sich bei einer solchen Lehrverpflichtung um einen unzulässigen Eingriff in die Lehrfreiheit.334 Zum Teil wurden schließlich schon Zulassungsbeschränkungen und Zwischenprüfungen für Studierende,335 Studienpläne336 und die Einführung neuer Veranstaltungstypen337 als unzulässige Eingriffe in die Lehrfreiheit erachtet. Eine derart konkrete Erziehungspflicht wurde entsprechend umso schärfer kritisiert. Durchaus bestanden Annahmen derart, dass durch Recht und Staat in engen Grenzen Aufgaben und Ziele gesetzt werden konnten338 oder dass von Staatsrechtslehrern Loyalität erwartet werden könne.339 Mit Loyalität war allerdings allenfalls eine Verpflichtung zur Mitwirkung an der Verbesserung der Verfassung, nicht an der Umsetzung der Verfassungsideale in der eigenen Lehre gemeint.340 Der Rechtslehrer dürfe zur Erfüllung des Lehrauftrages die „positive Ordnung seines Rechtsgebiets (zwar nicht) für unsinnig und unsittlich“ erklären, ohne sie ihrem „immanenten Sinn“ nach „gewissenhaft darzulegen“, 332 Paulsen, Die akademische Lehrfreiheit, in: Preußische Jahrbücher, Bd. 91, S. 515 (524); ders., Die deutschen Universitäten, S. 308. Paulsen war gleichwohl der Ansicht, dass die Tagespolitik aus dem Lehrbetrieb fernzuhalten war, da durch sie „Unbefangenheit und Objektivität“ verloren gingen (ders., Die deutschen Universitäten, S. 333). 333 Köttgen, Deutsches Universitätsrecht, S. 1, vgl. auch die Fußnoten in Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1956), S. 1 ff. Zu Wendes zentraler Rolle bei der Erneuerung der Universitätssatzungen nach dem Ersten Weltkrieg vgl. Thieme, Deutsches Hochschulrecht (2004), S. 15 f. 334 Siehe im Einzelnen die folgenden Fn. 335 Kisch, Die Reform der juristischen Ausbildung, in: JW 1930, S. 2175 (2178); Stier-Somlo, Die neue juristische Studienreform, S. 79; zur Reformdebatte vgl. Abschnitt b). 336 Anderer Ansicht aber m.w. N. vgl. Leibholz, Juristische Studienreform, in: Die Hilfe Nr. 34 (1928), S. 858 ff. 337 Gerland, Denkschrift, in: DJZ 1930, Sp. 717. 338 Smend, Hochschule und Parteien, S. 153. 339 Holstein, Hochschule und Staat, S. 135 f. 340 So unterscheidet Holstein zwischen „Loyalität“ und „Gouvernmentalität“, also politischer Gefolgschaft, vgl. ders., Hochschule und Staat, S. 136.
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darüber hinaus liege die Pflicht des Hochschullehrers zu „positive[r] Orientierung“ aber nur in „gewissenhafte[r] Forschung und Übermittlung“.341 Ein Erziehungsauftrag des Hochschullehrers erschien den meisten mindestens als „Verwässerung“ der Lehrfreiheit342 oder wurde generell mit Verweis auf die Eigenart der deutschen Hochschule negiert.343 Wo eine konkrete Erziehungspflicht angenommen wurde, richtete diese sich nicht nach rechtlichen, sondern nach moralischen Erwägungen344 oder bezog sich auf eine Erziehung zu einem positiven Verhältnis zur deutschen Volksgemeinschaft.345 Selbst Wilhelm Schwister, Leiter des Preußischen Landesjustizprüfungsamtes, formulierte noch 1932: Die Universität „muß auch Lehrtätigkeit ausüben; sie tut es aber am besten durch Erziehung zur Sachlichkeit und Selbstständigkeit“.346 Einigkeit bestand allenfalls darin, dass der Hochschullehrer sich bei gravierenden Verletzung von Beamtenpflichten durch seine Lehre überhaupt Disziplinarverfahren ausgesetzt sehen könnte.347 Die Darstellung legt bereits nahe, wie eingeschränkt eine Pflicht zur Vermittlung eines positiven Verhältnisses zum Staat angenommen wurde; im Gegenteil sogar eher eine Pflicht zur Kritik an den Grundlagen des Staates selbst propagiert wurde. Dennoch zeigt die im Vergleich zu anderen Fragen der Lehrfreiheit häufig angesprochene Pflicht des Staatsrechtslehrers zur Erziehung der Juristen, dass dem Thema, trotz seltener Stellungnahmen staatlicher Seite, unbestreitbar bis zum Beginn der dreißiger Jahre Bedeutung zugemessen wurde. (2) Die Weimarer Staatsrechtslehre Die von staatlicher Seite gestellten – wenngleich abgewiesenen – Erwartungen der Vermittlung eines staatsnahen Bildes an die Studierenden gerade durch die Staatsrechtslehrer verlangen zum Abschluss der Untersuchung einen Blick auf die Realität der Weimarer Staatsrechtslehre, genauer: ihre Positionierung zum neuen Staat. So wenig wie sich mit der neuen Staatsform die gesetzliche Grundlage der Juristenausbildung änderte, änderte sich vordergründig auch die personelle Zu341
Smend, Das Recht der freien Meinungsäußerung, in: VVDStRL 4 (1928), S. 68 f. Köttgen, Deutsches Universitätsrecht, S. 4, Fn. 3; ähnlich Holstein, Hochschule und Staat, S. 136. 343 Rothenbücher, Das Recht der freien Meinungsäußerung, in: VVDStRL 4 (1928), S. 34. An späterer Stelle stellt Rothenbücher aber auch fest, dass eine Verpflichtung zur Erziehung zu einer bestimmten Gesinnung auch der Lehrfreiheit widersprechen würde, vgl. ders., a. a. O., S. 39. 344 Näher dazu im nächsten Abschnitt. 345 Koellreutter, Staatsrechtswissenschaften und Politik, in: DJZ 1928, Sp. 1221 (1225 f.). 346 Schwister, Überfüllung, Numerus clausus und Auslese, in: DJZ 1932, Sp. 111 (119). 347 Anschütz, Aussprache, in: VVDStRL 4 (1928), S. 75. 342
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sammensetzung der Staatsrechtslehre. Trotz entgegenstehender Forderungen348 wurden die noch zu Kaiserzeiten berufenen Hochschullehrer nicht gezielt abgesetzt oder durch politisch motivierte Akteure ersetzt.349 Sie blieben auch in der Weimarer Republik aktiv. Dennoch änderte sich das Erscheinungsbild der Staatsrechtslehre im Übergang zur neuen Staatsordnung deutlich. Bereits vor dem Krieg hatte sich in der Staatsrechtslehre ein Methodenstreit angekündigt. Einer vom Rechtspositivismus getragenen „alten Lehre“ stand eine „neue Lehre“ 350 gegenüber, die den Anspruch erhob, innerhalb einer normativen Staatsauffassung unter Berücksichtigung der politischen Realität geisteswissenschaftliche, politische, philosophische und weltanschauliche Gesichtspunkte in ihre Disziplin aufzunehmen.351 Dem Rechtspositivismus wurde eine Unfähigkeit des Umgangs mit dem Verhältnis von Individualismus und sozialer Umwelt, mehr noch: der Lebenswirklichkeit selbst bescheinigt.352 Zunehmend wurde gerade der Positivismus als selbstverschuldete Einschränkung der Lehrfreiheit wahrgenommen.353 Diese widerstreitenden Positionen und ein Gefühl des Stillstandes bestanden zwar bereits vor dem Krieg und der darauf folgenden „Umwälzung“;354 aber gerade der Eindruck des Zusammenbruchs der Monarchie, der neuen wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse und des Versailler Vertrages wirkte als weiterer und gewichtigerer Anlass zur Überdenkung des Verhältnisses von Staat und Recht.355 So zerfiel die Staatsrechtslehre nicht nur in methodischer, sondern auch in politischer Hinsicht. Ähnlich der Richterschaft wurden die Hochschullehrer und vor allem die Staatsrechtslehrer zunehmend politisiert.356 Dies wurde noch da348 Eyck, Wer soll Staatsrecht lehren?, in: Vossische Zeitung vom 5.1.1927, S. 2; kritisch Koellreutter, Harold J. Laski, in: AöR 12, 472 (474); ders., Staatsrechtswissenschaften und Politik, in: DJZ 1928, Sp. 1221 (1225). 349 Eschenburg, Die improvisierte Demokratie, S. 44. Auch wenn durchaus entsprechende Forderungen erhoben wurden, vgl. Holstein, Hochschule und Staat, S. 136. 350 Begriffe von Sontheimer, Antidemokratisches Denken, S. 84 ff. 351 Sontheimer, Antidemokratisches Denken, S. 88. 352 Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 5 ff.; auch wenn der Rechtspositivismus in sich nicht so homogen war, wie es den Vorwürfen nach wirkt. So gab es einige Versuche, den Formalismus Labands zugunsten einer dynamischeren, realitätsnäheren Auffassung zu verringern, beispielhaft für Anschütz, vgl. Groh, Demokratische Staatsrechtslehrer, S. 48, m.w. N. 353 Holstein, Hochschule und Staat, S. 133. 354 Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 2. In Anlehnung an G. Jellinek vgl. Heller, Die Krisis der Staatsrechtslehre, in: GS II, S. 1 f. 355 Kaufmann, Die Gleichheit vor dem Gesetz, in: VVDStRL 3 (1927), S. 3. Ob die Krisis nun gerade hierin begründet war, wie von einigen angenommen (vgl. Koellreutter, Die Krisis der deutschen Staatslehre, S. 307 f.; Mayer, Die Krisis der deutschen Staatsrechtslehre, S. 3; Stier-Somlo, Politische Freiheit, S. 3 f.), kann an dieser Stelle offen bleiben, vgl. aber auch Ellwein, Das Erbe der Monarchie, S. 199. Einschränkend Schorkopf, Entrechtlichung des Rechts, S. 349. 356 Döring, Der Weimarer Kreis, S. 9; Smend, Hochschule und Parteien, S. 159.
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durch gefördert, dass neben der Staatslehre keine eigenständige politische Wissenschaft im engeren Sinne bestand.357 Die Staatsrechtslehre war also nicht nur eine juristische, sondern eben auch eine besonders politische Wissenschaft und stand als solche auch im Mittelpunkt politischer Auseinandersetzungen.358 Prominent standen hier Fürsprecher eines unterschiedlich ausgeprägten Nationalismus und solche der neuen liberalen Verfassung gegenüber.359 Neben ihrer Zuordnung zum Rechtspositivismus oder zur „neuen Lehre“ lassen sich die Staatsrechtslehrer der ersten Republik so – wenn auch mit einiger Ungenauigkeit – in liberale und demokratische, illiberale und antidemokratische Einstellungen unterteilen. Der Methodenstreit und die fortschreitende Politisierung kumulierte sich schließlich in einer „Krisis der Staatslehre“.360 Eine zunehmende Abkehr vom Rechtspositivismus rückte nun Staatsrechtslehrer wie Hermann Heller, Rudolf Smend und Carl Schmitt in den Vordergrund.361 Schmitt, dem regelmäßig der gewichtigste Beitrag zugerechnet wird,362 sprach sich schon zu Zeiten der Weimarer Republik entschieden gegen den nach seiner Darstellung führungs- und handlungsunfähigen, ideologisch entleerten363 und vermeintlich undemokratischen364 Parlamentarismus aus365 und bekämpfte den Liberalismus. Die Machtfülle des Parlaments sollte unter Beibehaltung plebiszitärer Elemente auf den Reichspräsidenten als Diktator in einem „präsidial-autoritären System“ übergehen.366 Mit seiner Vorstellung der Ersetzung des Parlamen-
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Sontheimer, Antidemokratisches Denken, S. 89. Koellreutter, Der nationale Rechtsstaat; Sontheimer, Antidemokratisches Denken, S. 79, S. 89; S. 5; Triepel, Staatsrecht und Politik, S. 12; das galt im Grundsatz auch für den um Eliminierung politischer Erwägungen bemühten Positivismus, vgl. Triepel, Staatsrecht und Politik, S. 20 f. 359 Sontheimer, Antidemokratisches Denken, S. 105. 360 Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 1 (1928). So auch etwa Heller, Die Krisis der Staatsrechtslehre, in: GS II, S. 5 ff., und Koellreutter, Die Krisis der deutschen Staatsrechtslehre, in: Süddeutsche Monatsschriften, S. 307 ff. 361 Groh, Demokratische Staatsrechtslehrer, S. 141; Sontheimer, Antidemokratisches Denken, S. 107. 362 Sontheimer, Antidemokratisches Denken, S. 97. 363 Schmitt, Geistesgeschichtliche Lage, S. 81, 87 ff., unter Bezug auf Sorel: „das bürgerliche Ideal friedlicher Verständigung [. . .] erscheint als ein Verrat am Mythus und an der großen Begeisterung, auf die alles ankommt“. 364 Schmitt, Geistesgeschichtliche Lage, S. 42: „Es liegt sogar ein Widerspruch darin, daß das Parlament, als der erste Ausschuß, für die Dauer der Wahlperiode vom Volk unabhängig sein soll [. . .].“ 365 Etwa Schmitt, Geistesgeschichtliche Lage, S. 63: „so hat auch das Parlament [. . .] seine bisherige Grundlage und seinen Sinn verloren“. 366 Rüthers, Anwalt des Reiches, in: NJW 2002, S. 3762 (3763). Durch eine Trennung des Demokratiebegriffs von seinen liberalen Zusammenhängen (Schmitt, Geistesgeschichtliche Lage, S. 13, 23) konnte er seine Ausführungen aber zumindest denklogisch in Einklang mit der demokratischen Reichsverfassung bringen. Anschaulich insofern Schmitt, Hüter der Verfassung, S. 159. 358
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tarismus durch ein autoritäres Präsidialsystem war allerdings keine vollkommen revolutionäre – zunächst auch keine nationalsozialistische – Ideologie verbunden. Vielmehr kam es Schmitt mit der Beseitigung des Parteienpluralismus und der Stärkung der anderen Staatsorgane wohl durchaus auf die Sicherung des Bestandes der Republik und der Verfassung selbst an.367 Mehrdeutiger war das Wirken Smends, der mit seiner Integrationslehre die Spannung zwischen Individuum, Staat und Gemeinschaft aufzulösen suchte.368 Seine Lösung war eine Integration auf persönlicher Ebene durch politisches Führertum und Organbildung,369 auf funktionaler Ebene durch Verfahren, Wahlen, parlamentarische Verhandlungen, [. . .] Volksabstimmungen370 und auf sachlicher Ebene durch identitätsstiftende, gemeinschaftliche Werte, etwa die Landesfarben371.372 Die Integrationslehre war – wie Smend selbst373 – antiliberal, antidemokratisch geprägt: Das Ziel des dort beschriebenen Integrationsprozesses, eine „Lebenstotalität des Staates“ durch die absolute Unterordnung des Einzelnen unter ein vorgegebenes staatliches System herzustellen,374 findet seine Umsetzung nämlich in erster Linie im totalitären, faschistischen Staat. Dementsprechend wurde die Integrationslehre vielfach als Widerspruch zur oder gar als Kampftheorie gegen die Weimarer Demokratie wahrgenommen.375 Dass sie die Grundrechte als Integrationsmechanismus berücksichtigte376 und grundsätzlich auch geeignet ist, auf den demokratischen, liberalen Staat angewendet zu werden377 prägte nicht den damaligen Eindruck. Ebenso unbeachtet und ohne Reaktion blieb Smends durchaus erstaunliches Zugeständnis, im Sinne persönlicher Integration könne die republikanische Gemeinschaft von ihren „bürgerlichen“ Richtern und Verwaltungsbeamten eine Umsetzung des – republikanischen – Geistes
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Schmitt, Legalität und Legitimität, S. 98. Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 20. 369 Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 25 f., 32. 370 Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 38. 371 Mit weiteren Beispielen Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 56. 372 Zusammenfassend Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 88. 373 Möllers, Der vermisste Leviathan, S. 26. 374 Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 78. 375 Allen voran von Kelsen, Staat als Integration, S. 87; Mayer, Krisis der Staatslehre, S. 89 f. 376 Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 162 ff. Entsprechend attestiert ihm Koellreutter aufgrund seiner Grundrechtsauffassung auch (zu) starke liberale Züge, vgl. ders., Der nationale Rechtsstaat, S. 13. 377 Möllers, der vermisste Leviathan, S. 26. Zur Rezeptionsgeschichte der Integrationslehre und ihre Bedeutung für die Konzeption der „objektiven Wertordnung“ durch das Bundesverfassungsgericht in der frühen Bundesrepublik, vgl. Lepsius, Die Wiederentdeckung Weimars, S. 363 ff. 368
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erwarten und dass dieser Geist Aufgabe der „praktische[n] Erziehung des künftigen Beamten“ sei.378 Im Unterschied zu Schmitt und Smend war Heller ein ausdrücklicher Befürworter des demokratischen Rechtsstaats und auch des Parlamentarismus,379 dessen Ursache und Notwendigkeit er in einer nunmehr fehlenden einheitlichen Gesellschaftsanschauung sah.380 Auch seiner Ansicht nach bedurfte es einer Führung durch „Genies“, starken Führern. Mehr als die zuvor genannten hob er aber die Gefahr hervor, dass der erst einmal ernannte Diktator später nicht abgesetzt werden könnte.381 Unabhängig von der eigenen politischen Auffassung stützten die Vertreter des Positivismus – wie etwa Kelsen in seiner „Allgemeinen Staatslehre“ – bereits durch eine Unterscheidung von zu untersuchendem positiven Recht und nicht zu untersuchender Politik382 direkt die Anerkennung der gegenwärtigen Rechtsordnung und indirekt auch die des Staates und seiner Form. Viele von ihnen waren aber darüber hinaus tatsächlich Demokraten.383 Als dezidierte, organisierte Fürsprecher der Weimarer Republik traten Rechtslehrer neben Vertretern anderer Disziplinen aber hauptsächlich im „Weimarer Kreis“ auf. Darunter waren die Staatsrechtslehrer Gerhard Anschütz,384 Walter Jellinek und Richard Thoma sowie die Strafrechtler Gustav Radbruch und Wilhelm Kahl.385 Die im Jahr 1926 als „Vereinigung verfassungstreuer Hochschullehrer“ gegründete und noch 1931 in „Weimarer Kreis“ umbenannte386 Vereini378 Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 30 f. Zu beachten ist freilich, dass Smend seine Zustimmung an dieser Stelle relativiert: Die Kritiker hätten „in ihrer theoretischen Grundauffassung nicht unrecht“. 379 Er war allerdings der Ansicht, dessen Funktionsfähigkeit leide in der Weimarer Republik an einem „massenautomatischen oder dikatorischen Wunderglauben, vgl. Heller, Genie und Funktionär in der Politik, in: GS II, S. 613 (623); Heller, Rechtsstaat oder Diktatur?, in: GS II, S. 443 (458). Seine Unterstützung für die Republik zeigte er auch ganz aktiv, indem er sich gemeinsam mit Radbruch gegen die Kapp-Putschisten einsetzte, vgl. hierzu und zu seiner Mitgliedschaft in der SPD: Schluchter, Hermann Heller, S. 27 f. 380 Heller, Genie und Funktionär in der Politik, in: GS II, S. 613 (622). 381 Heller, Was bringt eine Demokratie?, in: GS II, S. 421 (442); Heller, Genie und Funktionär in der Politik, in: GS II, S. 618. 382 Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 44 f. 383 Kelsen war tatsächlich – wenn auch nicht parteipolitisch aktiver – Demokrat und veröffentlichte demokratietheoretische Schriften. Zwischen Kelsens Reiner Rechtslehre und seiner Demokratietheorie wurden daher mitunter Zusammenhänge gesehen, die allerdings eher hintergründig bestanden, vgl. Groh, Demokratische Staatsrechtslehrer, S. 106 ff. Zu Anschütz, Jellinek und Thoma siehe sogleich zum „Weimarer Kreis“, aber auch die Ausführungen von Groh zu Anschütz und Thoma, dies., a. a. O., S. 42, 70. 384 Siehe bereits die Rektoratsrede Anschütz’ im Jahre 1922, ders., Drei Leitgedanken, S. 17, 21 ff. 385 Döring, Der Weimarer Kreis, S. 102. Siehe dort die Fn. 4 und 5. 386 Döring, Der Weimarer Kreis, S. 6 f.
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gung sollte diejenigen Hochschullehrer versammeln, die bereit waren, „auf dem Boden der bestehenden demokratisch-republikanischen Staatsordnung positiv mitzuarbeiten am Ausbau unseres Verfassungslebens“.387 Der Weimarer Kreis sollte insbesondere für die rechtsstaatlichen Freiheitsrechte einstehen.388 Angesprochen waren alle, die sich im weitesten Sinne als verfassungstreu bezeichneten. Zu Beginn richtete sich der Aufruf zur Beteiligung so auch an rechte Hochschullehrer389 und selbst innerhalb des demokratischen Kerns der Vereinigung waren Befürworter des Parlamentarismus und solche eines Präsidialsystems gespalten. Damit reduzierte sich der mögliche Grundkonsens auf die Anerkennung der geltenden Verfassung und auf eine Bestrebung der Entpolitisierung in anderen Bereichen.390 Als einzige zahlenmäßig überhaupt relevante Vereinigung von „verfassungstreuen“ Hochschullehrern fand der Weimarer Kreis zunächst auch Beachtung. Damit einher gingen Angriffe, Denunziationen von völkischer und nationalistischer Seite.391 Wenn die vorstehenden Ausführungen eines deutlich machen, dann dass es keine klare Linie der Staatsrechtslehrer gab;392 erst recht keine „Einheitsfront von Kelsen bis Smend“.393 Kritik und Ablehnung waren vielschichtig und lassen nicht auf eine generell antidemokratische Haltung der Staatsrechtslehre schließen.394 Nichtsdestotrotz wurde die Grundsatzfrage nach der Führung im demokratischen Staat395 von vielen Staatsrechtslehrern, selbst von Demokraten wie Heller und den Angehörigen des Weimarer Kreises,396 mit dem Wunsch nach einem starken Führer, einem staatlichen Autoritätsträger und Entscheider,397 beantwortet – auch wenn unterschiedlichen Vorstellungen der Art und Weise der Auslese bestanden und eine klare Absage an eine Diktatur nach faschistischem 387 Kahl et al., Erklärung, in: Die deutschen Universitäten und der heutige Staat, S. 38 f. Darunter waren neben den bereits angesprochenen Anschütz, Jellinek, Kahl und Radbruch auch Koellreutter und Thoma. 388 Anschütz, Lebenserinnerungen, S. 211. 389 Döring, Der Weimarer Kreis, S. 87; zu Anfang nahm noch Koellreutter teil, der sich später – unter anderem mit einem Wahlaufruf für Hitler – eindeutig nationalsozialistisch positionierte, vgl. Döring, a. a. O., S. 106. 390 Döring, Der Weimarer Kreis, S. 92 f. 391 Döring, Der Weimarer Kreis, S. 100; Smend, Hochschule und Parteien, S. 157. 392 Koellreutter, Der nationale Rechtsstaat, S. 1. 393 So fälschlich Koellreutter, Der nationale Rechtsstaat, S. 16, mit Verweis auf die Eröffnung, in: VVDStRL 7 (1932), S. 1, worin als Ausdruck einer gemeinsamen Überzeugung aber allein eine restriktive Nutzung des Notverordnungsrechts angemahnt wurde. Richtig ist gleichwohl, dass Smend anlässlich 5. Tagung der Vereinigung verkündete, in der Vereingung wäre der „Gegensatz der politischen Richtungen“ aufgrund der geistigen Zusammengehörigkeit und der geistigen Arbeitsteilung verschwunden, ders., Zur 5. Tagung der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer, in: JW 1927, S. 745. 394 Sontheimer, Antidemokratisches Denken, S. 79. 395 Groh, Demokratische Staatsrechtslehrer, S. 191. 396 Döring, Der Weimarer Kreis, S. 17. 397 Sontheimer, Antidemokratisches Denken, S. 101.
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Vorbild erteilt wurde. Die gegenwärtige Verfassung widersprach aber nach Ansicht vieler dem Ziel eines starken Staates398 und nicht zuletzt das Staatsnotrecht und die Notstandsgesetze boten antidemokratischen Wortführern eine Gelegenheit, ihre Zweifel am liberalen Rechtsstaat zu untermauern.399 Sichtbar wird, dass der neue Staat, seine Verfassung und ganz besonders der untrennbar mit ihm verbundene Parlamentarismus einen schweren Stand bei den Staatsrechtslehrern hatten. Diese sahen fast ausnahmslos keine Veranlassung dazu, aufgrund einer irgendwie gearteten Beamtenpflicht zur Staatstreue die eigene Kritik zu mäßigen. Disziplinarrechtliche Maßnahmen, die rechtlich zumindest als Option hätten erscheinen können, wurden gar nicht erst ergriffen. Dies zeigt nicht zuletzt das Aufsehen um das Mitglied der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Fritz Marschall von Bieberstein. In einer öffentlichen Rede bezeichnete dieser den Reichspräsidenten Friedrich Ebert und den Rat der Volksbeauftragten als „Usurpatoren“.400 Die daraufhin eingeleiteten disziplinarrechtlichen Ermittlungen wurden innerhalb weniger Monate eingestellt.401 Disziplinarverfahren aus politischen Gründen wurden so weder speziell gegen Staatsrechtslehrer noch Hochschullehrer im Allgemeinen eingesetzt. Ein Vorgehen gegen antidemokratische Strömungen innerhalb der Lehre war noch ergebnisloser als das gegen antidemokratische Beamte, die sich nicht auf die Lehrfreiheit berufen konnten. Entlassungen Beamter aufgrund ihrer politischen Einstellungen ließen sich hauptsächlich für kommunistische und nationalsozialistische Beamte verzeichnen; später richtete sich die Bekämpfung antidemokratisch parteipolitisch engagierter Beamter nicht einmal mehr gegen Nationalsozialisten.402 (3) Die Rechtsfakultäten am Ende der Republik Zu Beginn der dreißiger Jahre sank der Stellwert des Weimarer Kreises mit dem des Begriffs der „Verfassungstreue“, als selbst die noch regierenden demokratischen Parteien zur Bewahrung der Republik unter Umgehung der Verfassung in Zusammenspiel mit dem Reichspräsidenten zum Instrument der Notstandsverordnung griffen.403 Gleichzeitig schalteten sich die Fakultäten selbst in die politische Entwicklung ein. So protestierten die deutschen Juristenfakultäten im Jahr 398
Gerber, Akademische Rede an der Universität Tübingen, S. 197. Koellreutter, Der nationale Rechtsstaat, S. 1. 400 Marschall von Bieberstein, Vom Kampf des Rechtes gegen die Gesetze, S. 95; mit Erläuterung auf S. 168 f., wo von Biberstein aus einem Parteiblatt „Volksfreund“ der Sozialdemokraten zitiert, das den „Phrasenschatz deutschnationalistisch-völkischer Weisheit“ und die Untätigkeit des zuständigen badischen Unterrichtsministers kritisiert. Erst darauf und auf eine kleine Anfrage der Zentrumspartei im Landtag hin wurde der Minister tätig. 401 Marschall von Bieberstein, Aussprache, in: VVDStRL 4 (1928), S. 88. 402 Schmahl, Disziplinarrecht und politische Betätigung, S. 144. 403 Döring, Der Weimarer Kreis, S. 103 f. 399
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1932 in einer Eingabe an den Reichsminister des Innern einstimmig gegen die für rechts- und verfassungswidrig befundene Regierung mittels Notverordnungen.404 Um der Stimme der Fakultäten mehr öffentliche Bedeutung zu verleihen, wurde am 1. Juli 1932 noch eine „Rechtsschutzgemeinschaft“ der deutschen rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultäten gegründet.405 Ihre satzungsmäßigen Ziele waren der Einsatz an allen Stellen, an denen „im öffentlichen Leben [. . .] der Rechtsgedanke bedroht oder erschüttert wird;“ und wo es galt, „die Freiheit der Lehre und Forschung der deutschen Hochschulen und ihrer Mitglieder gegenüber staatlichen Eingriffen oder parteipolitischen Angriffen zu wahren“.406 Die als „Lebensgefahr“ für die Wissenschaft wahrgenommene Verschulung des Studienbetriebes407 dürfte maßgeblich zur Aufmerksamkeit der Fakultät gegenüber den politischen Unruhen im Staat beigetragen haben. Nun aber ging es um mehr, nämlich die Erkenntnis, „daß die Vertreter der Wissenschaft es schon allzulange versäumt hätten, zu warnen vor den Tendenzen einer Zeit in der die Fundamente des Rechtsstaates ins Wanken geraten und selbst die richterliche Unabhängigkeit nicht mehr als unantastbar gilt“.408 Wie schwerwiegend dieses Versäumnis wog, wurde schon im Folgejahr deutlich. cc) Beobachtungen Während den Staatsrechtslehrern der eigene Einfluss auf künftige staatliche Funktionäre durchaus bewusst war,409 finden sich nur wenige Äußerungen zu einer moralischen, berufsethischen Erziehungspflicht jedweder Form; noch weniger zu einer Pflicht der Erziehung zum Staate. Eine solche war zwar in der Gründungserklärung des Weimarer Kreises enthalten.410 Mit der Krise der Weimarer Republik trat auch diese Stimme in den Hintergrund. Beachtlich ist hiernach nur die erwähnte Forderung Koellreutters nach einer vom völkischen Denken geprägten Studienreform. Die Staatsrechtslehre, von der aus staatlicher Sicht und ebenso aus einem strengen Rechtspositivismus heraus noch am ehesten eine besondere Staatstreue und positive Wirkung auf die zu erziehenden Juristen erwartet worden war, zeigte sich mit wenigen Ausnahmen kritisch oder ablehnend gegenüber der neuen Reichsverfassung, insbesondere aber dem Parlamentarismus, regelmäßig auch dem Liberalismus und der Demokratie an sich. 404 Eingabe der Deutschen Juristischen Fakultäten an den Herrn Reichsminister des Innern, in: DJZ 1931, Sp. 1559 f. 405 Apelt, Die Rechtsschuzgemeinschaft, in: DJZ 1932, Sp. 974. 406 Apelt, Die Rechtsschuzgemeinschaft, in: DJZ 1932, Sp. 974 (977). 407 Smend, Wissenschaft in Gefahr, in: DJZ 1932, Sp. 121 (124). 408 Apelt, Die Rechtsschuzgemeinschaft, in: DJZ 1932, Sp. 974 (977). 409 Vorstand der VDStRL, Entschließung der VDStRL, in: DJZ 1928, Sp. 574 f. 410 Kahl et al., Erklärung, in: Die deutschen Universitäten und der heutige Staat, S. 38 f.; näher dazu im nächsten Abschnitt.
III. Auswertung
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Auch wenn sich vorerst noch wenige Hochschullehrer unmittelbar zum Nationalsozialismus bekannten,411 entsprach die Staatsrechtskrise in ihrer methodischen wie politischen Zerrissenheit weitgehend der politischen Staatskrise.412 Die theoretische Bindung an die Verfassung hinderte die Staatsrechtslehrer nicht an der Veröffentlichung offener staatsformfeindlicher politischer oder staatsrechtlicher Beiträge. Ob in den einzelnen Vorlesungen zum Staatsrecht nun konkret antiliberale oder antidemokratische Ideen vermittelt wurden, hat letztlich keine Bedeutung: Die Einstellung der Staatsrechtlehrer war durch die zahlreichen öffentlichen Äußerungen offenbar geworden und trug mindestens auf politischer Ebene zur Geringschätzung der Weimarer Verfassung413 und damit des liberalen Staates bei, wie allgemein die Ablehnung der Weimarer Republik an den Hochschulen die Autorität des Staates schwächte.414 Daran vermochte nichts zu ändern, dass Vertreter der deutschen juristischen Fakultäten noch 1932 eine Rechtsschutzgemeinschaft gründeten, die ihrer Satzung nach dazu dienen sollte, „gegen das Sinken der Achtung der Unverbrüchlichkeit des Rechts und [. . .] des deutschen Rechtsstaats [. . .]“ anzukämpfen.415 Eine Leitbildvermittlung im Sinne einer Erziehung zu verfassungstreuen – oder zumindest im Geiste der Verfassungsideale erzogenen – Staatsbürgern mithilfe der Staats- und Staatsrechtslehrer fand somit nicht statt. Diese Zielvorstellung blieb auf den Weimarer Kreis beschränkt. Dem entsprach letztlich auch die politische Situation an den Hochschulen. Die Studierenden, die sich überhaupt hochschulpolitisch engagierten, betätigten sich zahlreich in rechten und rechtsextremen Hochschulgruppen.416 Soweit politisch, waren die meisten Absolventen konservativ bis deutschnational eingestellt.417
III. Auswertung 1. Juristen und Staat Im neuen Staat hatte die wirtschaftliche418 und soziale Stellung der Juristen gelitten. Die neue Staatsform, der Parlamentarismus und vornehmlich der Ein411
Allgemein zu Hochschullehrern, vgl. Litt, Hochschule und öffentliches Leben,
S. 56. 412 Wenngleich die revolutionäre Linke, Kommunisten und Sozialisten, kein erkennbares Pendant in der Staatslehre hatten; ähnlich Heller, Europa und der Fascismus, GS II, S. 463 (477). 413 Sontheimer, Antidemokratisches Denken, S. 106. 414 Litt, Hochschule und öffentliches Leben, S. 54. 415 Schroeder, Eine Universität, S. 505. 416 Smend, Hochschule und Parteien, S. 159–162. 417 Hoegner, Die verratene Republik, S. 262. 418 Zu den Staatsanleihen der Richter, s. o.; vgl. erneut: Zum neuen Jahre, in: JW 1928, S. 1.
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B. Die Weimarer Republik
fluss des Kommunismus im Parlament wirkten auf die Juristen beängstigend: Es herrschte eine Angst nicht bloß vor übereilten Reformen, sondern vor der Abschaffung des Juristenstandes im Ganzen.419 Selbst nach der ersten Stabilisierungsphase wähnten sich die von Reformen und staatlichem Einfluss betroffenen Rechtslehrer weiterhin im „Kampf gegen staatliche Übergriffe“.420 Das Parlament galt als ungeeignet zur Regelung von Wissenschaft und Kultur421 und erst recht abwegig erschien der Gedanke, gerade der demokratische Staat könne Garant der freien Wissenschaft sein.422 Die Richter hatten zwar nach der Aufwertungsrechtsprechung, innerhalb derer sie deutlich ihre Konkurrenzfähigkeit mit den Organen eines derart geschwächten Parteienstaats bewiesen hatten, ihre Bindung an den Gesetzeswortlaut scheinbar423 wiedergefunden, standen jedoch weiterhin für das neu entwickelte Verständnis von ,Unabhängigkeit‘ ein. Um eine wirkliche Rückkehr zum Rechtspositivismus handelte es sich nicht. Die Grundhaltung der Juristen in Richterschaft und Wissenschaft gegenüber dem neuen Staat zeigte sich am deutlichsten an ihrer Einstellung zur Verfassung und ihrer Auffassung von ,Verfassungstreue‘. Wurde an keiner Stelle an der Verfassung im Ganzen gezweifelt und die Verfassungstreue hochgehalten, so wurde die Verfassung doch von den meisten juristischen Wortführern von ihrem – nicht ausgereiften, aber ganz offenkundig doch vorhandenen – liberalen und demokratischen Grundgedanken gelöst. So erschien jede Forderung nach Demokratisierung, vor allem der Richterschaft, als parteipolitische und damit von vornherein abzulehnende Forderung.424 Den im Reichstag vertretenen Republikanern war eine Gefahr durch politische Beamte durchaus bewusst.425 Mit dem Gesetz über die Pflichten der Beamten zum Schutze der Republik war dieser Gefahr allerdings nur sehr eingeschränkt begegnet worden; praktisch waren nur kommunistische und nationalsozialistische Verwaltungsbeamte betroffen. Den Richtern und Rechtslehrern wurde dagegen weiteste Handlungsfreiheit eingeräumt. Auch bezüglich der Juristenausbildung gab es besondere Zurückhaltung, obwohl den Regierungen und Parlamenten bewusst war, dass es sich bei den Akademikern um künftige staatliche Funktionäre handeln würde. Die Verfassungskrise zu Beginn der dreißiger Jahre beendete nicht nur die Reformbewegung in der Juristenausbildung, sondern auch Diskussionen über richterliche Politisierung. Sie stand ideologisch im Grundsatz ohnehin im Einklang mit den antidemokratischen Vorstellungen der konservativen bis
419 420 421 422 423 424 425
An die Deutschen Juristen, in: DJZ 1919, Sp. 1 f. Köttgen, Deutsches Universitätsrecht, S. 60. Köttgen, Deutsches Universitätsrecht, S. 4. Vgl. Litt, Hochschule und öffentliches Leben, S. 57 f. Hempel, Weimarer Richterleitbilder, S. 130 f. Levin, Politisierung oder Demokratisierung der Justiz, in: DJZ 1922, Sp. 582 f. Schmahl, Disziplinarrecht und politische Betätigung, S. 94 f., m.w. N.
III. Auswertung
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faschistischen Kräfte, die hinter der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler und dem Ende der Republik standen. Der Parlamentarismus hatte von Anfang an Schwierigkeiten, die Autorität der Monarchie einzufangen und widerzuspiegeln.426 Langfristig verlor das Parlament die Kontrolle über Justiz und Verwaltung.427 Der Beitrag der juristischen Opposition zum Scheitern der Republik ist angesichts der Vielzahl der unterschiedlichen Krisen kaum zu ermitteln. Zumindest umgekehrt legen die Untersuchungen aber nahe, dass die Schwäche und Eigenart der Republik neben dem öffentlichen Druck und den wirtschaftlichen Schwierigkeiten zur Schwächung der Staatstreue der Juristen beitrugen. 2. Staatliche Juristenleitbilder Aufgrund der geringen Regelungsdichte, insbesondere von parlamentarischer Seite, kann ein Weimarer Juristenleitbild nur skizziert werden. a) Leitbilder der juristischen Ausbildung Ein Leitbild für die praktische Tätigkeit des künftigen Juristen der Weimarer Republik ergibt sich zumindest im Umriss aus den Änderungen des Ausbildungsrechts und den sie begleitenden, von Ministerialbeamten in Zeitschriften und Kommentaren428 geäußerten Erwägungen. Weltanschauliche, liberale Zielvorstellungen – zumal durchsetzbare – dagegen ergeben sich auch aus der Gesamtschau des Ausbildungsrechts, der Reformdebatte und den Beiträgen zu den Aufgaben der Hochschule und der Lehre kaum. Der werdende Jurist sollte in einer Zeit, in der die Justiz mit Problemen, die sich aus der Wirtschaftskrise ergaben, und in der regelmäßig wichtige Stellungen der Wirtschaft mit Juristen besetzt wurden,429 in erster Linie in der Lage sein, auf diese wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu reagieren. Darüber hinaus sollte der Jurist zwar durchaus die neuen staatlichen Verhältnisse in der eigenen Rechtsanwendung zur Geltung bringen können; die Untersuchungen belegen aber auch, dass ein besonderes Verständnis für die weltanschaulichen und politischen Gehalte der Verfassung gerade nicht im Mittelpunkt stand. Es reichte aus, dass der Jurist das Recht unter Maßgabe der neuen öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung, der neuen öffentlichen Ordnung anzuwenden wusste. Darüber hinaus sollte der Jurist zumindest im Ansatz vom obrigkeitsstaatlichen Denken wegbewegt wer-
426 427 428 429
Becker, Gedanken zur Hochschulreform, S. 64 f. Fraenkel, Klassenjustiz, S. 54. Zimmer/Klee, Die juristische Ausbildung in Preußen, passim. Müller, Die juristischen Prüfungen, S. 44.
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B. Die Weimarer Republik
den: In seiner Arbeitsweise sollte er kein Bürokrat sein; in der praktischen Ausbildung auch Erfahrungen im Umgang mit anderen Schichten sammeln. Ein solches Leitbild des ,volksnahen‘ Juristen, das die Grundhaltung der Juristen betroffen hätte, wurde allerdings nicht offensiv vorangetrieben, auch wenn es die Bedeutung des Juristen als Vermittler zwischen staatlichem Recht und Gesellschaft hätte hervorheben können. Die umgekehrte Auffassung, dass das Leitbild der Ausbildung vor 1933 ein unbedingter Gesetzesgehorsam gewesen wäre,430 lässt sich allerdings ebenso wenig bestätigen. Vertiefungen und interdisziplinäre Ansätze, etwa durch eine Einflechtung der Soziologie, galten angesichts der Überfüllung des Lehrplans als kaum umzusetzen. Verfassungstreue oder gar eine republikanische Einstellung nach dem Gehalt der Verfassung waren Erwägungen, die mangels ausdrücklicher Regelung allenfalls auf – in Abhandlungen oft unbeachteter – hochschulrechtlicher Ebene eine Rolle spielten. Dort aber wurden sie von den Hochschullehrern verworfen oder sogar konterkariert, ohne dass auch nur der Versuch von Regierungen oder Parlamenten unternommen wurde, diese Problematik offen zu untersuchen und ihr entgegenzutreten. Der angehende Jurist sollte am ehesten noch an der Stabilisierung der Wirtschaft beteiligt sein; auch indem er die neuen Verhältnisse im In- und Ausland juristisch einzuordnen wusste. Demokrat oder Vertreter der Republik musste er nicht sein. Dies wurde auch nicht dadurch kompensiert, dass die Lehre – und vor allem die Staatsrechtslehre – eine ,liberale‘ Erziehung als ihre Pflicht oder ihren Auftrag begriffen hätte. Das formelle Leitbild des Juristen, die „Fähigkeit zum Richteramte“, blieb weitestgehend unberücksichtigt. Der Jurist der Weimarer Republik war ein unpolitischer, wirtschaftlich geschulter und – bestenfalls – sozial sensibilisierter Volljurist. b) Weimarer Richterbilder: Zwischen Unabhängigkeit und Gesetzesbindung Auch ein mögliches spezifisches Richterleitbild erfuhr in der Weimarer Republik wenig Ausgestaltung durch staatliche Reformvorhaben. Die Unabhängigkeit des Richters blieb unberührt; die Stellung des Richters im Wesentlichen unverändert. Ebenso kristallisierte sich auch bei Kritik der Auslegung der Republikschutzgesetze oder der Aufwertungsrechtsprechung kein einheitlicher rechtlicher Ansatz zur Gesetzesbindung des Richters hinaus. Das Bild des unpolitischen, positivistischen Richters war allerdings ins Wanken geraten, das Verhältnis des Staates zu seinen Richtern bis zuletzt zerrüttet: „Mit der Politisierung der Rechtspflege fällt eine der stärksten Säulen des Staates.“ 431
430 431
Schwinge, Der Jurist in der modernen Gesellschaft, S. 15. von Campe, Recht, Richterstand, Staatsautorität, in: DJZ 1932, Sp. 386 (388).
III. Auswertung
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3. Leitbilder und Staatsbewahrung Trotz der geringen Tiefe der rechtswissenschaftlichen und rechtspolitischen öffentlichen Debatten lässt sich bei erster Betrachtung feststellen, dass eine integrale Funktion des Juristen im Staat und die Wichtigkeit des Juristen für den Erhalt des Staates in den juristischen Leitbildern durchaus offenbar wird: Einerseits sein Anteil an der Funktion des Wirtschaftslebens, andererseits seine Bedeutung für die Vermittlung von Recht und Stabilität innerhalb einer zerrissenen Gesellschaft. Während erstere Funktion unausweichliche Folge des verlorenen Krieges war, hängt letztere deutlich mit dem staatlichen Umbruch zusammen. Ein Leitbild eines dediziert republikanischen Juristen im Sinne der Verfassung und zu deren Schutze gab es dagegen nicht.
C. Das „Dritte Reich“ I. Grundlegendes 1. Beobachtungszeitraum und wichtige Stationen Auch der Beobachtungszeitraum für die Herrschaft des Nationalsozialismus ist – glücklicherweise – durch einen zeitigen Untergang derselben begrenzt. Ausgangspunkt der Betrachtung ist freilich die Entwicklung ab der Machtübergabe am 30. Januar 1933 durch Ernennung Hitlers zum Reichskanzler und die darauffolgende Auflösung des Reichstags. Die wesentliche Phase des Aufbaus eines neuen Herrschaftssystems ist durch zahlreiche Gesetzgebungsakte gekennzeichnet: das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“, kurz Ermächtigungsgesetz, vom 24. März 1933,1 das „Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat“ vom 1. Dezember 19332 und das „Gesetz über den Neuaufbau des Reiches“ vom 30. Januar 1934.3 Die politischen und rassischen Säuberungen begannen in der Verwaltung schon im April 1933 mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“.4 Von hier an intensivierten sich die Übergriffe des Regimes auf Bevölkerung und Beamtenschaft. Eine Zäsur stellt der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 dar. Nicht nur, weil er das gewaltsame Vorgehen der Nationalsozialisten befeuerte, sondern auch weil die staatlichen Bemühungen sich vermehrt auf einen Krieg auszurichten begannen. Formal begründete erst der Reichstagsbeschluss vom 26. April 19425 die totale Herrschaft Hitlers. Dies wird voraussichtlich eine der letzten relevanten Entwicklungen sein. Die Kriegswende führte schließlich zum Ausruf des „totalen Krieges“ und zum ausnahmslosen Einbezug jedes Einzelnen in die Kriegswirtschaft. Ab diesem Zeitpunkt werden Reformen mehr und mehr den Anforderungen des Krieges und nicht dem Aufbau eines dauerhaften Systems geschuldet gewesen sein. Faktisch endete das Dritte Reich mit der Kapitulation der Wehrmacht am 7./8. Mai 1945.
1 2 3 4 5
„Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“, RGBl. I 1933, S. 141. RGBl. I 1933. S. 1016. RGBl. I 1934, S. 75. RGBl. I 1933, S. 175. RGBl. I 1942, S. 247.
I. Grundlegendes
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2. Das Ende des deutschen Verfassungsstaates: Abriss der nationalsozialistischen Ordnung Mit der „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat“, die den zweiten Teil der Weimarer Reichsverfassung außer Kraft setzte, war der liberale Kern der Weimarer Reichsverfassung beseitigt. Auch an die restlichen Vorschriften fühlten sich die Nationalsozialisten formal wie geistig weitestgehend nicht gebunden:6 Mit Art. 4 des Gesetzes über den Neuaufbau des Reiches erhielt die Regierung die Ermächtigung für den Erlass neuen Verfassungsrechtes; im Ergebnis eine Totalermächtigung ohne Rücksicht auf den Schutz des Einzelnen.7 Das Bestreben, eine formale Verfassung zu schaffen, wurde zwar 1933 und 1937 verkündet,8 aber nie umgesetzt. Es bestand gleichwohl Einigkeit über die Existenz einer Verfassung, die von unterschiedlichen „Grundgesetzen“ des Reiches gebildet wurde. Dazu gehörten vor allem die ursprünglich machtbegründenden Verordnungen „zum Schutze des Volkes“ 9 und „zum Schutze von Volk und Staat“,10 das Ermächtigungsgesetz und die Nürnberger Gesetze.11 Auch die Ansprache Hindenburgs zur Wahl der Nationalsozialisten wurde mitsamt ihrem Inhalt als „neue Form“ des Verfassungsaktes zum Verfassungsrecht erhoben.12 Einer über den „Geiste der neuen werdenden Rechtsordnung“ hinausgehenden Begründung bedurfte es nicht,13 allein schon, weil eine wehrhafte Opposition, zuerst die der Kommunisten, durch Verfolgung zerschlagen worden war. Die Verfassung beruhte nun auf einigen neuen Prinzipien, die unmittelbar aus der nationalsozialistischen Ideologie hervorgingen und die nationalsozialistische Staatskonzeption maßgeblich prägten. Inhaltliche Ausgestaltung erhielt diese ungeschriebene nationalsozialistische Verfassung durch die führenden Ideologen: in den frühen Jahren besonders durch Carl Schmitt und Otto Koellreutter, später vermehrt durch Hans Gerber, E.-R. Huber und Reinhard Höhn, aber auch andere Angehörige der Rechtswissenschaft. Während es zwar durchaus Nuancen und Versuche differenzierter verfassungsrechtlicher Auseinandersetzung14 gab, lag dem NS-Staat im Kern ein vergleichsweise simples Konzept zugrunde: An die Stelle des als „antithetische
6
Huber, Verfassungsrecht, S. 47 f.; Schmitt, Staat, Bewegung, Volk, S. 5. Huber, Verfassungsrecht, S. 56. 8 Huber, Verfassungsrecht, S. 57. 9 RGBl. I 1933, S. 35. 10 RGBl. I 1933, S. 83. 11 von Bohlen, Das Verfassungsrecht des nationalen Volksstaates, in: JW 1933, S. 1913; Huber, Verfassungsrecht, S. 37 ff., 57. 12 Huber, Verfassungsrecht, S. 41. 13 Huber, Verfassungsrecht, S. 45. 14 Siehe wiederum bei Huber die Ausführungen zur Fortgeltung der WRV, vgl. ders., Verfassungsrecht, S. 46 ff. 7
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C. Das „Dritte Reich‘‘
Zerreißung“ 15 verachteten, liberalen Gegenübers von Staat und Volk trat eine neue Ordnung, die zunächst vor allem durch drei Begriffe geprägt war: „Volk“, „Staat“ und „Bewegung“.16 Mit der – nicht überall gleichermaßen konsequent umgesetzten17 – Abkehr vom Staatsbegriff 18 wurde neben dem „Volk“ und der „Bewegung“ die „Führung“ als weiterer Grundbegriff der nationalsozialistischen Ordnung etabliert.19 Nach Punkt 4 des Parteiprogramms der NSDAP konnte Staatsbürger nur sein, wer Volksgenosse ist; Volksgenosse nur sein, wer „deutschen Blutes“ war.20 Das „Volk“ bestand demnach aus dem, was nach nationalsozialistischem Kult deutsche oder arische „Rasse“ sein sollte. Ein Individuum gab es nicht mehr: Der Einzelne war nur noch Teil der Volksgemeinschaft, die Volksgemeinschaft damit aber nicht bloß die Summe der Einzelnen,21 sondern ein in sich geschlossener Volkskörper. Als „Führer“ verkörperte Hitler den Willen der ansonsten gesichtslosen Volksgemeinschaft und entschied für diese – vorgeblich ohne diese zu beherrschen. Damit galt der für die liberale Verfassungsidee konstitutive Gegensatz von Staat und individuellem Bürger als aufgehoben. Mehr noch: Auch der Unterschied der Stände sollte verschwinden. Das bedeutete, dass sich jedes einzelne Mitglied der Gemeinschaft unabhängig von seinem Stand für die Gesamtheit aufzuopfern hatte.22 Die Auflösung des Einzelnen in der Volksgemeinschaft und der Führerwille als höchste Autorität bedeutete eine Totalität des Staates.23 Sie beendete auch die Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Leben des Einzelnen. Jegliches private Handeln war der Volksgemeinschaft gegenüber zu rechtfertigen und musste im Einklang mit dem nationalsozialistischen Weltbild stehen. Das Weltbild, die staatliche Ordnung, die Definition der Volksgemeinschaft selbst wurden wiederum allein durch die „Bewegung“,24 geführt durch Hitler und die Parteiführung der NSDAP, vorgegeben.
15
Schmitt, Volk, Staat, Bewegung, S. 11. Entsprechend der gleichnamige Titel bei Schmitt, Volk, Staat, Bewegung, passim. 17 Deutlich dagegen etwa Wagner, Das Berufsbeamtentum, S. 43 ff., der den Staat weiterhin als notwendige Organisations- und Gliederungsform voraussetzte. Siehe auch Koellreutter, Der deutsche Führerstaat, S. 7. Noch 1941 ebenfalls Frank, Das Reichsverwaltungsgericht, in: DR 1941, S. 1169. 18 Heckel, Staats-, Verwaltungs- und Kirchenrecht im Dritten Reich, S. 17; Höhn, Staat als Rechtsbegriff, in: DR 1934, S. 322 (324); Höhn, Der individualistische Staatsbegriff, S. 13. 19 Heckel, Staats-, Verwaltungs- und Kirchenrecht im Dritten Reich, S. 18. 20 Abgedruckt in: Jacobsen/Jochmann, A-Dokument-24.II.1920. 21 Wittich, Volk als Rechtsbegriff, in: DR 1934, S. 325 f. 22 Mit dem Ziel einer scheinbaren sozialen Homogenität einher geht die zweifelhafte Behauptung Freislers, unter den Juristen seien besonders viele Arbeiter gewesen, vgl. ders., Das Werden der Juristen, S. 10. 23 Totalität meint hier den Verlust des Dualismus von Staat und Gesellschaft, mit Verweis auf Schmitt vgl. Kelsen, Wer soll Hüter der Verfassung sein?, S. 30 ff. 24 Vgl. Wittich, Volk als Rechtsbegriff, in: DR 1934, S. 325 (326). 16
II. Staat und Juristen im „Dritten Reich‘‘
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Aufgabe der Bewegung war gleichzeitig die Erziehung des gesamten Volkes im nationalsozialistischen Sinne.25 Dem entsprach die Abschaffung der Grundrechte und der Parlamente, die durch Räte im Sinne lediglich beratender Körperschaften26 ersetzt wurden, sowie die Beseitigung jeglicher anderen Parteien, deren Existenz ebenfalls im Widerspruch zur Herrschaft und zum Alleinvertretungsanspruch der NSDAP gestanden hätte. Die neue Verfassung sollte über die Grundbegriffe hinaus durch Prinzipien, die jeweils im drastischen Gegensatz zur bisherigen Ordnung standen, Form erhalten: Das „Prinzip der Führung“ beendete die Gewaltenteilung, der „rassische Gedanke“ beendete alle Gleichheitsideen. Das „Prinzip des Volkstums“ verkörperte als Oberbegriff die oben dargestellte Vorstellung einer nun selbstbeherrschten Volkseinheit.27 Gerade das Führerprinzip prägte die nationalsozialistische Ordnung: Es verlieh der übergeordneten Hierarchieebene, in der Regel einer einzigen Person, die alleinige Entscheidungsgewalt über die jeweils untergeordneten Ebenen und gewährleistete so effektive Kontrollen und die Umsetzung politischer Eingaben.
II. Staat und Juristen im „Dritten Reich“ Das Verhältnis der nationalsozialistischen Führung zum Juristen und ganz besonders zur Richterschaft war von außerordentlicher Ambivalenz geprägt. Privat und in Tischgesprächen äußerte sich die Parteispitze voller Abneigung über den Juristen. So urteilte Hitler, dass jeder, der Jurist sei, entweder von Natur aus defekt sein müsse oder aber es mit der Zeit werde.28 Heinrich Himmler, „Reichsführer SS“ und Chef der deutschen Polizei, sah dies ganz ähnlich: „Unsere Juristen versuchen wir dadurch, dass wir sie in die SS stecken und mit unserem Geist durchdringen, umzuschulen. Aber [. . .] es ist eine der schwierigsten Angelegenheiten [. . .]. Alle Juristen sind innerlich irgendwie verbogen, das liegt in der Natur der Sache, sie sind die Pfaffen des täglichen Lebens.“ 29 Weder das, noch dass die Richter weit überwiegend nicht der NSDAP beigetreten waren,30 vermag den Beitrag gerade der Justiz zur Funktionsfähigkeit des nationalsozialistischen Unrechts- und Vernichtungssystems zu schmälern. Schon anhand dieser wenigen 25
Huber, Die deutsche Staatswissenschaft, in: ZgS 1935, S. 1 (39). Messerschmidt, Das Reich im nationalsozialistischen Weltbild (1940), S. 47. 27 Huber, Verfassungsrecht, S. 56. 28 Hitler in einer Rede vom 29. März 1942, zitiert nach Picker, Hitlers Tischgespräche, S. 213. 29 Himmler, zitiert nach Kersten, Totenkopf und Treue, S. 138 f. Ebenda zuvor: „Der oberste Parteirichter und der oberste SS-Richter sind keine Juristen und sollen niemals Juristen sein [. . .] Die Juristen in den Stäben brauchen wir in der Übergangszeit, um uns gegen die Maßnahmen der Bürokratie, deren Stärke und scheinbare Unangreifbarkeit in ihrem Paragraphennetz beruht, wehren zu können. Wir schlagen die Juristen mit den Juristen.“ 30 Schädler, „Justizkrise“, S. 27. 26
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C. Das „Dritte Reich‘‘
Einblicke wird aber deutlich, dass die NS-Führung höhere Erwartungen an die Umsetzung einer neuen Rechtsordnung hatte; und dass der Jurist als solcher bereits aufgrund seiner Arbeitsweise oder seiner inneren Einstellung ein Problem für die Staatsführung darstellte. Der neue Staat schaffte schnell neue Rahmenbedingung für nahezu sämtliche juristischen Berufe, ob in der Justiz oder in der Rechtsanwaltschaft. Durch das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums31 (BBG) wurde am 7. April 1933 die Amtsenthebung jüdischer (§ 3 Abs. 1) und als politisch nicht vertrauenswürdig geltender (§ 4 S. 1), vor allem kommunistischer oder sozialistischer Beamter, angeordnet. Zudem wurden die Behörden ermächtigt, begründet mit dienstlichen Bedürfnissen Versetzungen vorzunehmen und zur „Vereinfachung“ der Verwaltung Stellen zu streichen (§§ 5 und 6). Diese Maßnahmen betrafen sämtliche Justizjuristen vom Verwaltungsbeamten über den Staatsanwalt hin zum Richter selbst. Ähnliches galt für die hier nicht näher betrachtete Rechtsanwaltschaft, deren Zulassungen durch das zeitgleich erlassene Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft32 versagt oder zurückgenommen werden konnte.33 Durch die erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz34 wurden jüdische Beamte, die von Ausnahmebestimmungen hatten Gebrauch machen können, schließlich vollständig aus dem Dienst entfernt. Das Deutsche Beamtengesetz (DBG) vom 26. Januar 193735 ersetzte das frühere BBG. § 1 des DBG statuierte die Treuepflicht des Beamten gegenüber dem Führer und machte ersteren zum „Vollstrecker des Willens“ der NSDAP. § 3 forderte bedingungslose Treue und Opferbereitschaft bis zum Tode und das Eintreten für den Nationalsozialismus. Seine „Verbundenheit mit Führer und Reich“ hatte der Beamte nach § 4 durch einen Treueeid zu bekunden: „Ich schwöre: Ich werde dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, treu und gehorsam sein, die Gesetze beachten und meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen, so wahr mir Gott helfe.“ Die Verweigerung des Eides führte zur Entlassung aus dem Dienst (§ 57). Die rassischen und politischen Einstellungsvoraussetzungen des BBG wurden in die §§ 24 ff. DBG übernommen. Der neue Beamte war ein ideologischer Gegenentwurf zum Beamten Weimars: Zeichnete man für die erste Republik das Bild eines im Liberalismus ohne eigene Staatsidee notwendigerweise „volksfremden“ Bürokraten, dem gleichermaßen Treue und Pflicht fremd waren;36 wurde der na31
RGBl. I 1933, S. 175. RGBl. I 1933, S. 188. 33 Vgl. § 2 und 3 der Verordnung; nach § 5 stellte die Zurücknahme der Zulassung auch einen wichtigen Kündigungsgrund rechtsanwaltlicher Dienstverträge dar. 34 RGBl. I 1935, S. 1333. 35 RGBl. I 1937, S. 39. Die Gewichtung des DBG wird dadurch erhöht, dass es von Huber zu den „Grundgesetzen“ des Reiches gezählt wird, vgl. ders., Verfassungsrecht, S. 55. 36 Wagner, Das Berufsbeamtentum, S. 12, 20 f. 32
II. Staat und Juristen im „Dritten Reich‘‘
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tionalsozialistische Beamte als pflichtbewusster, in seiner Treue zum Volke uneingeschränkt aufopferungsbereiter „Kämpfer der Bewegung als Soldat Adolf Hitlers“ 37 propagiert, dessen berufliche Eignung zwar keineswegs allein in seiner Gesinnung läge, aber doch erst durch diese gewährleistet würde.38 Wie alle anderen Lebensbereiche traf die Gleichschaltung im neuen Staat auch die Juristen und ihre Vereinigungen. Die wichtigste Organisation wurde der Bund nationalsozialistischer Deutscher Juristen (BNSDJ) unter Leitung des „Reichsjuristenführers“ Hans Frank. Einige Vereine traten dem Bund bei, darunter der nach der vorangegangenen Untersuchung als reaktionär eingeordnete Deutsche Richterbund, andere wurden verboten oder kamen einem Verbot durch Selbstauflösung zuvor.39 1936 wurde der BNSDJ in den Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund (NSRB) umbenannt. Der so vom Wirtschafts- bis zum Justizjuristen zusammengefasste gesamte Juristenstand sollte an der Seite der Akademie für Deutsches Recht und den neuen Justizbehörden tatkräftig an der Erneuerung des deutschen Rechts und seiner Einrichtungen mitwirken.40 Die Umbenennung des BNSDJ zum NSRB folgte der symbolischen Umbenennung des Juristen zum Rechtswahrer, die nach Vorstellung Franks den gezielten Bruch mit dem alten Typus des Juristen hervorheben sollte.41 1. Nationalsozialistische Rechtskonzeption „Recht ist – was dem Volke nützt, Unrecht – was ihm schadet.“ 42
Dieser Ausspruch Franks versinnbildlicht bereits die Bedeutung, die Recht im neuen Staate einnehmen sollte. Alles, was in irgendeiner Form zum Nachteil des Volkes oder zum Nachteil eines Volksgenossen gegenüber einem „Nichtarier“ gereichen sollte, war Unrecht. Recht und Rechtswissenschaft dienten zum Schutz der „Erhaltung und Sicherung des Volkes“.43 Mit dieser tief in der nationalsozialistischen Weltanschauung verankerten Vorstellung von Recht und Unrecht ergaben sich schließlich die neuen Rechtsquellen von selbst. Bündig zusammengefasst wurden sie etwa vom späteren Staatssekretär im Reichjustizministerium Curt Rothenberger: Ursprünglichste Rechtsquelle musste das Empfinden des Volkes selbst sein, das in der nationalsozialistischen Ideologie seine Verkörpe-
37
Neef, Reorganisation, S. 7, 23. Vgl. Neef, Reorganisation, S. 27. 39 Sunnus, Der NS-Rechtswahrerbund, S. 55. 40 Messerschmidt, Das Reich im nationalsozialistischen Weltbild (1943), S. 38. 41 Die Änderung hielten aber selbst Hitler und Himmler für allein kosmetischer Natur, vgl. Kersten, Totenkopf und Treue, S. 132. 42 Frank, zitiert nach Rühle, Jugend und Recht, in: JW 1933, S. 2093. 43 Hitler, Die Grundlagen unseres Verfassungs- und Rechtslebens, in: ZAkDR 1937, 970. 38
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C. Das „Dritte Reich‘‘
rung gefunden haben sollte.44 Darauf bauten „abgeleitete Rechtsquellen“ auf: Das Gesetz, das Gewohnheitsrecht und der Führerbefehl unabhängig von seiner Form.45 Bei ideologischen Schriften wie „Mein Kampf“ oder dem Parteiprogramm der NSDAP sollte es sich zuletzt um „Erkenntnisquellen“, Auslegungsquellen handeln.46 Aber auch der Nationalsozialismus konnte nicht auf Gesetze und Gesetzgebung im ursprünglichen Sinne verzichten.47 Insbesondere konnte die bestehende Gesetzeslage zunächst nicht vollends, sondern nur bruchstückhaft durch wirklich nationalsozialistisches Recht ersetzt und ergänzt werden. Gleichwohl sollte die neue Weltanschauung in allen Bereichen des Rechts umgesetzt werden;48 die nationalsozialistische Rechtsordnung sollte das „Fundament“ des NS Staates sein.49 Für das gesinnungsneutrale – wenn nicht als liberal geltende – Weimarer- und Kaiserreichsrecht bedeutete dies, dass es unverbindlich war. Es wurde entweder im Sinne der neuen Weltanschauung interpretiert50 oder konnte bei zu großen Widersprüchen zur Weltanschauung unangewendet bleiben.51 Besondere Gefahr maßen die Nationalsozialisten dem Einfluss römischen Rechts auf das deutsche Recht zu. In Punkt 19 ihres Parteiprogramms forderte die NSDAP „Ersatz für das der materialistischen Weltordnung dienende römische Recht durch ein deutsches Gemein-Recht“.52 Die Forderung schlug alsbald in eine Ablehnung jeglicher Einflüsse „fremden“ Rechts im deutschen Recht um.53 Das umfassendste Projekt zur Schaffung von Grund auf nationalsozialistischen Rechts war die Erarbeitung eines „Volksgesetzbuches“, das das – durch die Pandekten und somit vom römischen Recht beeinflusste – BGB hätte ersetzen sollen. Wenngleich Hitler selbst seine Ablehnung gegenüber gesetzesförmigen Kodifi-
44
Rothenberger, Rechtsquellen, in: DJZ 1936, Sp. 22 (22, 24). Rothenberger, Rechtsquellen, in: DJZ 1936, Sp. 22. 46 Rothenberger, Rechtsquellen, in: DJZ 1936, Sp. 22 (23). Messerschmidt, Das Reich im nationalsozialistischen Weltbild (1940), S. 34 f. 47 Vgl. Beyerle, Vom Sinn des deutschen Rechtsstandes, in: DJZ 1936, Sp. 597 (600). 48 Frank, Einwirkung des nationalsozialistischen Ideengutes, in: DJZ 1934, Sp. 1169 (1171). 49 Frank, Einwirkung des nationalsozialistischen Ideengutes, in: DJZ 1934, Sp. 1169 (1174). 50 Schwister, Gesetz und Richteramt, in: DJZ 1934, Sp. 1429 (1437 f.). 51 Larenz, Gegenstand und Methode des Rechtsdenkens, S. 25. 52 Abgedruckt in: Jacobsen/Jochmann, A-Dokument-24.II.1920, S. 2; Messerschmidt, Das Reich im nationalsozialistischen Weltbild (1940), S. 36. 53 Schmitt, Die Rechtswissenschaft im Führerstaat, in: ZAkDR 1935, S. 435 ff. Vergleichsweise differenzierte Erwägungen, dass Recht sich stets gegenseitig beeinflussen würde und die Aufnahme fremder Kultur sogar eine Leistung der eigenen Kultur darstellen könnte, kamen nur im Einzelfall vor, siehe Gerland, Rechtserneuerung und Revolution, in: DJZ 1933, Sp. 1065 (1068). 45
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zierungen des Rechts zum Ausdruck gebracht hatte,54 trieb die im Juni 1933 gegründete und mit der Schaffung neuen Rechts im Sinne der neuen Weltanschauung55 sowie der Koordination von Wissenschaft und Praxis56 betraute Akademie für Deutsches Recht unter Frank das Vorhaben eifrig voran. Es scheiterte im Jahre 1942 gleichwohl an Meinungsverschiedenheiten zu den vorliegenden Entwürfen und nicht zuletzt an der nun immer mehr im Lande spürbaren Kriegsentwicklung.57 Die Akademie stellte 1943 auch ihre übrigen Aktivitäten weitestgehend ein.58 Abgesehen davon, dass die Gesetzesform überhaupt noch Verwendung fand, brach die nationalsozialistische Rechtskonzeption mit althergebrachten dogmatischen Grundsätzen der Rechtsanwendung. Den obigen Regeln entsprechend war eine Auslegung der Gesetze abhängig von der völkischen Ideologie, im Einzelnen vom geäußerten oder mutmaßlichen Führerwillen. Recht und Politik wurden untrennbar verknüpft.59 Über jeden Wortlaut hinaus sollte eine Norm so angewendet werden, dass sie die Ziele der Nationalsozialisten bestmöglich fördern würde. Die gleiche Erwägung führte zur Aufhebung des strafrechtlichen Analogieverbotes. Jeder, der in irgendeiner Form als „Volksschädling“ wahrgenommen wurde, sollte unabhängig von einer gesetzlich normierten Strafbarkeit strafrechtlich bekämpft werden können.60 In seiner Gesamtheit sollte das Strafrecht einschließlich seiner prozessualen Vorschriften in keinem Falle dem Schutz des Einzelnen vor dem Staate, sondern allein dem Schutz des Staates vor dem Einzelnen dienen.61 Auf die konkreten Folgen dieser neuen Rechtskonzeption soll nicht im Detail eingegangen werden. Hervorzuheben sind allerdings die zwei weitreichendsten Konsequenzen: für die Auslegungstechnik einerseits und für die Rechtssicherheit andererseits.
54 Vgl. Schubert, Volksgesetzbuch, S. 30; Broszat, Strafjustiz, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1958, S. 390 (393). Im Widerspruch zur Auffassung der Staatsführung Schmitt, Die Verfassung der Freiheit, in: DJZ 1935, Sp. 1133 (1135): „Alles was wir als deutsche Juristen tun, erhält von [den Gesetzen] her seinen Sinn und seine Ehre.“ 55 Noetzold, Die Akademie für Deutsches Recht, in: DJZ 1934, Sp. 841. 56 Vgl. Thierack, Lebensnahe Rechtswissenschaft, in: DR 1943, S. 873. 57 Schubert, Volksgesetzbuch, S. 29. 58 Thierack, Zehn Jahre Akademie für Deutsches Recht, in: ZAkDR 1943, S. 121 (122). 59 Schmitt, Nationalsozialistisches Rechtsdenken, in: DR 1934, S. 225. 60 Das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs vom 28. Juni 1935 (RGBl. I 1935, S. 839) verankerte dies in § 2: „Bestraft wird, wer eine Tat begeht, die das Gesetz für strafbar erklärt oder die nach dem Grundgedanken eines Strafgesetzes und nach gesundem Volksempfinden Bestrafung verdient. Findet auf die Tat kein bestimmtes Strafgesetz unmittelbar Anwendung, so wird die Tat nach dem Gesetz bestraft, dessen Grundgedanke auf sie am besten zutrifft.“ 61 Gerland, Neues Strafrecht, in: DJZ 1933, Sp. 857 (860).
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Der Nationalsozialismus nahm sich vor, die für die rechtswissenschaftliche Arbeit bislang spezifischen abstrakten Rechtsbegriffe zu beseitigen.62 Die Auslegung von Gesetzen bedeutete die Suche nach einer dem „Volksempfinden“ bestmöglich entsprechenden Lösung; eine Arbeit nach reinen Zweckmäßigkeitserwägung. Somit verloren Auslegungstechniken ihre Bedeutung. Von dieser Umdeutung des Rechts war ein jeder Rechtsanwender gleichermaßen betroffen und sie führte zum Verlust der Rechtssicherheit, deren Begriff die Rechtswissenschaft neu zu definieren wusste: Die strikte Beachtung nationalsozialistischer Weltanschauung selbst würde die größtmögliche Rechtssicherheit bedeuten;63 Rechtssicherheit sollte demnach nicht aus Gesetzen, sondern aus der Rechtsprechung der von völkischem Geiste ergriffenen Richter fließen.64 An anderer Stelle bedeutete „Rechtssicherheit“ hingegen nicht mehr als eine Sicherung des Rechts der Gemeinschaft durch die Führung; jede „Individualsicherheit“ dagegen sollte aufgehoben sein.65 Öffentlich wurde die vollständige Aufgabe jeder Vorstellung von Rechtssicherheit nie zugegeben.66 Für die Umsetzung einer solch einschneidend revidierten Rechtskonzeption bedurfte es vor allem einer neuen Rechtspflege. Diese sollte auf der neuen Gesinnung aufbauen, durch nationalsozialistische Stellen beaufsichtigt und durchgesetzt werden und nicht zuletzt auf gänzlich neuem, nationalsozialistischen Recht begründet sein.67 Blieb das Vorhaben, ein umfassendes, von Grund auf nationalsozialistisches Gesetzeswerk vor allem für das Zivilrecht zu schaffen,68 auch unvollendet, waren die Auswirkungen in anderen Bereichen umso deutlicher. 2. Die Richterschaft im „Dritten Reich“ „Das Schlagwort von der Vertrauenskrise der Justiz ist verstummt.“ 69
Mit diesen Worten erklärte Roland Freisler die Vertrauenskrise schon 1933, kurz nach der Machtübernahme, für beendet. Mit dieser „Vertrauenskrise“ war in Bezug auf die Weimarer Zeit gleichwohl nicht das Eintreten der Richterschaft gegen Parlament und Regierung der Republik bezeichnet; der Begriff wurde vielmehr aufgegriffen, um die tatsächlich nur wenig konsequente, in der Ansicht der 62 Schmitt, Nationalsozialistisches Rechtsdenken, in: DR 1934, S. 225 (227); Lange, Das Judentum und die deutsche Rechtswissenschaft, in: DJZ 1936, Sp. 1129 (1131); Larenz, Völkisches Rechtsdenken, S. 43 ff. 63 Schmitt, Der Weg des deutschen Juristen, in: DJZ 1934, Sp. 691 (695). 64 Larenz, Völkisches Rechtsdenken, S. 22. 65 Seydel, Die zwei Begriffe der Rechtssicherheit, in: DRW 1936, S. 84 (85). 66 Wohl aber in vertraulichen Rundschreiben, vgl. das Schreiben des Reichssicherheitshauptamts vom 11. Oktober 1942, abgedruckt in: Jacobsen/Jochmann, Dokumente, H-Dokument-11.X.1942, S. 5. 67 Sauer, Reichsjustizministerium, S. 20. 68 Hedemann, Arbeit am Volksgesetzbuch, in: DR 1941, S. 1913 (1919). 69 Freisler, Das Werden der Juristen, S. 9.
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Nationalsozialisten aber niederträchtige Mitarbeit der Richter an der Verfolgung der Rechtsextremisten anzuprangern.70 Als Ursache dafür wurde schnell der liberale Staat ausfindig gemacht – die Beseitigung des Liberalismus und eine umfassende Rechtserneuerung sollten die Probleme in der Justiz im Handstreich beendet haben.71 Tatsächlich hatte das Vorhaben der Unterwerfung sämtlicher Gerichtsbarkeit unter die nationalsozialistische Rechtskonzeption gerade erst begonnen. Nach der Ermordung Ernst Röhms im so genannten „Röhm-Putsch“ verlieh Hitler sich den Titel „des deutschen Volkes oberster Gerichtsherr“.72 Allen voran wusste Carl Schmitt diesen alsbald theoretisch zu untermauern: Aus dem Führertum entsprang logischerweise auch das Richtertum,73 das Hitler zur Entscheidung über das Schicksal Röhms ermächtigte. Auch wenn die Rechtsprechung somit grundsätzlich allein Sache des Führers war,74 sollte nicht auf einen bestehenden Rechtsprechungskörper verzichtet werden. Der Fortbestand einer mächtigen, von Partei und Führung strukturell oder gar ideologisch unabhängigen Richterschaft hätte allerdings dem Machtanspruch der Nationalsozialisten, dem Prinzip politischer Totalität und der hieraus folgenden Einheit der Staatsgewalt,75 widersprochen. Bei der Neuordnung des Staates hatte die Gerichtsbarkeit besonderes Gewicht. a) Die Entwicklung der Gerichtsbarkeit im Allgemeinen Die Gerichte, insbesondere das Reichsgericht, erreichten im Nationalsozialismus nicht annähernd die auch gegenüber anderen staatlichen Stellen herausgehobene politische Bedeutung, die sie in der Weimarer Republik hatten. Das lag nicht zuletzt auch an personellen Umbrüchen. Viele der Richter waren als Sozialdemokraten oder Juden bereits durch das BBG und die darauffolgende Gesetzgebung aus ihren Ämtern entfernt worden oder aber durch Druck – auch innerhalb der Gerichte selbst – zum Rückzug gezwungen worden.76 aa) Zum Reichsgericht im „Dritten Reich“ Auch aufgrund parteinaher Neubesetzungen und äußeren politischen Drucks,77 nicht zuletzt aber auch aus Opportunismus, gab das Reichsgericht alsbald seine 70
Vgl. etwa bei Rothenberger, Der deutsche Richter, S. 22. Freisler, Das Werden der Juristen, S. 9 f. 72 Rede Hitlers am 13. Juli 1934, abgedruckt in: Domarus, Hitler: Reden, Bd. I 1, S. 410 (421). 73 Schmitt, Der Führer schützt das Recht, in: DJZ 1934, Sp. 945 (947). 74 Rothenberger, Der deutsche Richter, S. 50. 75 Huber, Die Einheit der Staatsgewalt, in: DJZ 1934, Sp. 950 (950, 954). 76 Majer, Justiz und NS-Staat, in: DRiZ 1978, S. 47 (47, 50); vgl. Freisler, Das Werden der Juristen, Teil I, S. 9 f. 77 Weinkauff, 75 Jahre Reichsgericht, in: DRiZ 1954, S. 251 (252). 71
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bislang behauptete Rechtsprechungssouveränität auf und wirkte aktiv an der Fortbildung des nationalsozialistischen Rechts mit. In seinen Urteilssprüchen kam es der Gesetzgebung zuvor und bestätigte die rechtliche Geltung der rassischen Ideen.78 Politische Verfahren wurden dem Reichsgericht allerdings nach dem Reichstagsbrand-Prozess im September 1933 entzogen. Im Versuch, im Sinne der nationalsozialistischen Führung bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung eines würdevollen Auftretens das richtige Urteil zu finden, verurteilte es unter Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze den mutmaßlichen Haupttäter und sprach die restlichen Angeklagten frei. So hatte es in einem bemerkenswerten Zuge seine eigene Unabhängigkeit aufgegeben und die Missachtung der Parteispitze provoziert.79 bb) Der Volksgerichtshof Möglicherweise aufgrund dieser Erfahrung80 war für Hochverrats- und Landesverratssachen nach Art. III § 1 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Strafrechts und des Strafverfahrens81 von da an der mit eben diesem Gesetz im Jahr 1934 gegründete Volksgerichtshof zuständig. Rechtsmittel gegen dessen Urteile waren nach Art. III § 5 Abs. 2 unzulässig. Gerade unter Regie des fanatischen Roland Freisler82 trieb das Gericht die gnadenlose Verfolgung der politischen Gegner des Regimes erheblich voran und festigte so das heutige Bild des Volksgerichtshofs. Dabei ergingen in den wenigsten Fällen Freisprüche,83 mit der Zuspitzung des Krieges ab 1942 mehrere Tausend Todesurteile. Besonders häufig wurden politisch linksgerichtete Angeklagte zum Tode verurteilt.84 Unter Freisler sank die rechtliche Qualität der Urteile so tief, dass sich selbst das Reichsjustizministerium unter Otto Thierack zur Kritik veranlasst sah.85
78 Vgl. etwa Diederichsen, Nationalsozialistische Ideologie in der Rechtsprechung des RG, S. 266 f., 269. 79 Müller, Der Reichstagsbrand-Prozess, S. 35 (39 ff.). 80 Zur Frage des direkten Zusammenhangs kurz Schlüter, Volksgerichtshof, S. 33. 81 RGBl. I 1934, S. 341. 82 Dabei machte der gerade für Freisler charakteristische, fanatische Urteilsstil wohl nicht den überwiegenden Teil der Urteile aus; im Übrigen bemühten sich die Richter des Volksgerichtshofs durchaus, den Anschein eines Gesetzesbezuges und einer Sachverhaltsausschöpfung zu wahren, wenngleich sie freilich in vollem Maße politisch motiviert waren, vgl. Schlüter, Volksgerichtshof, S. 29, 82 ff.; Marxen/Schlüter, Volksgerichtshof, S. 4 f. 83 Schlüter, Volksgerichtshof, 38 f. 84 Schlüter, Volksgerichtshof, S. 176 f. 85 Rüping, Zur Praxis der Strafjustiz im „Dritten Reich“, S. 189. Zur bedeutenden Rolle Thieracks bei der Entmachtung der Gerichte siehe den nächsten Abschnitt.
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cc) Die Verwaltungsgerichtsbarkeit Anders als die zügige Anpassung der Zivilgerichtsbarkeit und die Erweiterung der Strafgerichtsbarkeit stellte der Umgang mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit den Staat vor erhebliche Schwierigkeiten. Die Abkehr von der liberalen Gegenüberstellung von Staat und Bürger, vom Individuum und Freiheitsrechten bedeutete auch eine Abkehr vom Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts,86 das seit jeher im Mittelpunkt verwaltungsgerichtlicher Überprüfung stand. Erschwerend hinzu kam, dass auf der anderen Seite des Prozesses der Staat oder eine Behörde dessen stand. War staatliches Handeln Klagegegenstand, so handelte es sich dabei fast ausschließlich um politisches Handeln, dessen Überprüfung im Führerstaat allenfalls einer übergeordneten Verwaltungsebene zustand und somit einer Verwaltungsgerichtsbarkeit von vornherein entzogen sein sollte.87 So wurden Sinn und Notwendigkeit des Fortbestands jeglicher Verwaltungsgerichtsbarkeit angezweifelt; zumindest aber bedurfte sie eines neuen Sinns.88 Als Ausweg wurde vorgeschlagen, nach Zweckmäßigkeitserwägungen spezielle Zuständigkeiten festzulegen89 oder aber in Fällen, in denen eine Rechtswahrung ausnahmsweise nicht nur im Interesse des Einzelnen, sondern im Interesse der gesamten Volksgemeinschaft geboten schien, den Rechtsweg doch zu eröffnen.90 Trotz durchaus gravierender Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde durch Führererlass vom 3. April 194191 das Reichsverwaltungsgericht gegründet, das nun offiziell die oberste Instanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit bildete (§ 3 Abs. 1 des Erlasses). Aus rechtlicher Sicht hatte Hitler damit die Vereinbarkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit der nationalsozialistischen Weltanschauung erklärt.92 Die Situation der Verwaltungsgerichtsbarkeit änderte sich damit nicht. Das Reichsverwaltungsgericht erhielt einen wesentlichen Teil seiner Zuständigkeit durch die in ihm zusammengelegten Gerichte, darunter der Reichsdienststrafhof und das Reichswirtschaftsgericht (§ 1 des Erlasses). Im 86 Maunz, Zum Neuaufbau des deutschen Verwaltungsrechts, in: DJZ 1934, Sp. 1046 (1051); Fischbach, Die subjektiven öffentlichen Rechte, in: DJZ 1935, Sp. 841 (844); Siebert, Subjektives Recht, in: DRW 1936, S. 23 (27). Kritisch dagegen Hofacker, Die subjektiven öffentlichen Rechte, in: DJZ 1935, Sp. 723 (726 f.). 87 Neubert, Die Schranken richterlichen Prüfungsrechts, in: JW 1933, S. 2426 (2427); vgl. auch Johanny/Redelberger, Volk, Partei, Reich, S. 168. 88 Höhn, Das subjektive Recht und der neue Staat, in: DRW 1936, S. 49 (73); Maunz, Zum Neuaufbau des deutschen Verwaltungsrechts, in: DJZ 1934, Sp. 1046 (1050). 89 Maunz, Zum Neuaufbau des deutschen Verwaltungsrechts, in: DJZ 1934, Sp. 1046 (1051). 90 In Bezug auf Beamte, vgl. Fischbach, Die subjektiven öffentlichen Rechte, in: DJZ 1935, Sp. 841 (844 f.). 91 RGBl. I 1941, S. 201 f. 92 Frank, Das Reichsverwaltungsgericht, in: DR 1941, S. 1169; Weber, Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte, in: ZgS 1944, S. 424.
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Übrigen musste über die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte im Einzelfall entschieden werden. Eine klärende Generalklausel oder eine alternative Enumeration von Streitigkeiten wurde nicht mehr eingeführt.93 So handelte es sich bei der Gründung des Reichsverwaltungsgerichts entsprechend der Einleitung des Erlasses nur noch um eine Maßnahme zur Vereinfachung der Verwaltung und eine Maßnahme zur Personal- und Kostenersparnis, die die Stellung der Verwaltungsgerichtsbarkeit im NS-Staat in keiner Weise aufwertete. Hans Frank hinderte dies freilich nicht daran, die Gründung als besondere Errungenschaft des neuen Staates hervorzuheben.94 dd) Beobachtungen Äußerlich blieb die seit der Reichsgründung errichtete Gerichtsbarkeit in den bewährten Konturen bestehen. Durch personelle Änderungen wurde sie innerlich für weitere Maßnahmen empfänglich gemacht. Besonderes Augenmerk hatten die Nationalsozialisten auf die Strafrechtspflege gelegt und mit der Errichtung des Volksgerichtshofs die wohl bedeutendste Ergänzung vorgenommen. Gleichzeitig wurde die Verwaltungsgerichtsbarkeit, die im liberalen Staat dem Schutz der subjektiv-öffentlichen Rechte der Bevölkerung gedient hatte, faktisch abgeschafft. b) Die neue „Vertrauenskrise“ – Eine Frage der Unabhängigkeit des Richters Erst in Kriegszeiten entzündete sich ein Streit um die Bedeutung des Richters und insbesondere dessen Unabhängigkeit im nationalsozialistischen Staat. Die Unabhängigkeit des Richters war zuvor als Grundsatz ausdrücklich beibehalten worden; ihre Fortgeltung im neuen Staat wurde von Wissenschaftlern und Politikern, selbst in der Gesetzgebung zum neuen Reichsverwaltungsgericht in den ersten Jahren ohne Unterlass betont.95 Im Jahr 1933 mahnte etwa Koellreutter die Wahrung der Unabhängigkeit des Richters noch als Voraussetzung des „Rechtsstaates“ an und hielt nur eine eingeschränkte Grenzziehung für damit vereinbar.96 Auch Huber hielt die Unabhängigkeit des Richters noch für „die notwendige Grundlage jeder echten Rechtsprechung“, die auch „durch die oberste Gerichtshoheit des Führers „nicht beeinträchtigt“ wäre.97 Mit dem neuen, vom 93
Vgl. Weber, Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte, in: ZgS 1944, S. 424 (439). Frank, Das Reichsverwaltungsgericht, in: DR 1941, S. 1169 (1171). Zumindest im Jahr 1939 schien Frank noch davon auszugehen, dass man für einige Verordnungen wieder den Rechtsweg eröffnen würde, vgl. BA R 61/348, Bl. 42. 95 Vgl. etwa Schmitt, Staat, Bewegung, Volk, S. 45. Siehe im Übrigen die folgenden Nachweise. 96 Koellreutter, Grundriß der Allgemeinen Staatslehre, S. 255. 97 Huber, Verfassungsrecht, S. 279; ders., Die Einheit der Staatsgewalt, in: DJZ 1934 Sp. 950 ff.; Rothenberger, Der deutsche Richter, S. 50. So auch Kern, Die Grenzen richterlichen Unabhängigkeit, in: DJZ 1933, Sp. 656. 94
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Geiste der Weltanschauung durchdrungenen Recht wurde gleichwohl auch ein neues Bild des Richters notwendig.98 aa) Der „unabhängige“ Richter des NS-Staates Der Bedeutungswandel für die – zumindest bis zum Jahre 1942 – nach außen hin noch uneingeschränkt betonte Unabhängigkeit des Richters war immens. Allein die Unterwerfung des Richters unter die Bestimmungen des BBG bedeutete, dass unliebsame Richter nach politischem behördlichen Ermessen oder aus vorgeschobenen Kostengründen entlassen oder in weniger einflussreiche Positionen versetzt werden konnten.99 Frühe Besorgnis der Richter hierüber konnte noch mit dem Verweis auf den vorübergehenden Charakter der „bolschewistisch“ anmutenden Bestimmungen zerstreut werden.100 In Wirklichkeit wurde die Rechtslage freilich mit dem Deutschen Beamtengesetz von 1937 perpetuiert und verschärft.101 Einen ersten Einblick in seine Vision von der Stellung des Richters im nationalsozialistischen Staat gab Hitler in seiner Reichstagsrede am 23. März 1933: „Unser Rechtswesen muss in erster Linie der Erhaltung dieser Volksgemeinschaft dienen. Der Unabsetzbarkeit der Richter auf der einen Seite muß die Elastizität der Urteilsfindung zum Zwecke der Erhaltung der Gesellschaft entsprechen. Nicht das Individuum kann der Mittelpunkt der gesetzlichen Sorge sein, sondern das Volk! [. . .] Landes- und Volksverrat sollen künftig mit barbarischer Rücksichtslosigkeit ausgebrannt werden!“ 102 Spätestens damit war evident, dass der Unabhängigkeitsbegriff unter weltanschaulichen Gesichtspunkten vollkommen neu interpretiert werden musste. In den „Leitsätzen über Stellung und Aufgaben des Richters“ 103 aus dem Jahre 1936, in Auftrag gegeben von Frank104 und formuliert nebst anderen von Karl 98 Kisch, Der deutsche Richter, in: ZAkDR 1934, S. 9; Schmitt, Staat, Bewegung, Volk, S. 44. 99 Dabei machten die Versetzung „aus dienstlichen Gründen“ nach § 5 und die Entlassung aus verwaltungstechnischen Gründen nach § 6 BBG den überwiegenden Teil der getroffenen Maßnahmen aus, vgl. Angermund, Deutsche Richterschaft, S. 52 f., was nicht zuletzt daran gelegen haben dürfte, dass für jüdische Richter oft Ausnahmebestimmungen galten, die durch nachfolgende Gesetze aus der Welt geschafft wurden, vgl. auch Angermund, a. a. O., S. 51. 100 Linz, Zeitspiegel, in: DRiZ 1933, S. 155 f. Im Übrigen wurde die Unabhängigkeit des Richters in den Jahrgängen 1933–1935 bemerkenswerterweise nicht thematisiert und findet sich auch nicht im Stichwortverzeichnis. Die Gleichschaltung erfolgte mit Übernahme der DRiZ durch den BNSDJ am 1. Januar 1934, vgl. DRiZ 1933, S. 349. 101 RGBl. I 1937, S. 39. Siehe die §§ 24 ff. 102 Verhandlungen des Deutschen Reichstags, Bd. 457, S. 28. 103 Dahm/Eckhardt et al., Leitsätze über Stellung und Aufgaben des Richters, in: DRW 1936, S. 123 f. 104 Eckhardt, Richteramt, in: DRW 1936, S. 124 f.
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August Eckhardt, Reinhard Höhn und Paul Ritterbusch, wurden die Folgen der neuen Ordnung für die Lage und die Aufgaben der Richterschaft benannt: Richter sollten entsprechend der vorgeblichen Aufhebung von Ständen und Obrigkeit keine Hoheitsträger mehr sein (Punkt 1). Wie oben ausgeführt war die Auslegung des Gesetzes gebunden an die Weltanschauung in derjenigen Form, die sie durch Äußerungen Hitlers erhielt (Punkt 2). Der Richter war an den Führerwillen gebunden (Punkt 3); damit entfiel die Bindung des Richters an das Gesetz.105 Früheres Recht, das nationalsozialistischen Vorstellungen widersprach, war nicht anzuwenden (Punkt 4).106 Zuletzt wurde schließlich die Unabhängigkeit des Richters proklamiert. Diese sollte nicht nur eine Weisungsfreiheit umfassen, sondern darüber hinaus einen Schutz des Richters vor jeglichen Beeinflussungsversuchen, einschließlich ungerechtfertigter Angriffe auf den Richter (Punkt 5). Zwar waren von dieser grundsätzlichen Weisungsfreiheit Weisungen durch Hitler selbst ausgenommen;107 die Geltung der Weisungsfreiheit auf den übrigen Hierarchieebenen bedeutete aber im Grundsatz eine Durchbrechung des Führungsprinzips.108 Seltener wurde die in Punkt 5 angelegte, weitergehende „Handlungsfreiheit“ des Richters betont, die in einer Freiheit jeglicher äußeren Hemmung der richterlichen Tätigkeit bestehen sollte.109 Eckhardt führte dazu aus, dass dabei in erster Linie an persönliche Verunglimpfungen der Richter „vor allem in der Presse“ gedacht wurde.110 Nach all dem konnte es also eine Unabhängigkeit des Richters von der Weltanschauung nicht geben.111 Die reine, nationalsozialistische Geisteshaltung des Richters war von höchster Wichtigkeit.112 Der Richter war ihr wie jedes Mitglied der Volksgemeinschaft voll und ganz verpflichtet. Seine Tätigkeit galt wie das Recht selbst als von ausschließlich politischer Natur.113 Urteile waren entsprechend stets im Sinne des Volksempfindens zu sprechen;114 auf die Herstellung
105 Herschel, Staatlicher Befehl, in: DJZ 1933, Sp. 1008 (1011); Huber, Verfassungsrecht, S. 278 f.; Hueber, Justiz im Führerstaat, in: DJ 1942, S. 5 (8); Larenz, Rechtserneuerung und Rechtsphilosophie, S. 35. 106 Vgl. auch oben unter II. 1. 107 Vgl. Hueber, Justiz im Führerstaat, in: DJ 1942, S. 5 (8); Koellreutter, Grundriß der Allgemeinen Staatslehre, S. 255; Johanny/Redelberger, Volk, Partei, Reich, S. 168. 108 Erklärt wurde dies mit den Unterschieden zwischen richterlicher Tätigkeit und politischer Führung; mit Blick auf die Frage nach einem Übergang vom Kollegium auf den Einzelrichter, vgl. Seidel, Führerprinzip in der Rechtspflege, S. 37 ff. 109 Kern, Die Grenzen richterlichen Unabhängigkeit, in: DJZ 1933, Sp. 656 f. 110 Eckhardt, Richteramt, in: DRW 1936, S. 124 (128). 111 Rothenberger, Die Stellung des Richters, in: DR 1939, S. 831. 112 Schmitt, Der Weg des deutschen Juristen, in: DJZ 1934, Sp. 691 (695). 113 Kisch, Der deutsche Richter, in: ZAkDR 1934, S. 9 (9); Rothenberger, Der deutsche Richter, S. 53. 114 Rumpf, Richter und Volksgemeinschaft, in: DJZ 1934, Sp. 377 (381).
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einer „individuellen Gerechtigkeit“ konnte es vor Gericht nicht ankommen.115 All jenen Richtern, die nicht rückhaltlos für den Nationalsozialismus eintreten wollten, wurde früh das freiwillige Ausscheiden aus dem Richteramt nahegelegt.116 Den verbleibenden Richtern drohten bei Missachtung nationalsozialistischer Rechtsanwendungsgrundsätze und Verstößen gegen den Treueeid bald erhebliche Strafen wegen „Rechtsbeugung“ oder „Rechtsverweigerung“.117 Die Bindung an die Weltanschauung, die Degradierung des Richters zur Vollzugsbehörde des gesetzgeberischen Willens,118 erfuhr kaum offene Kritik.119 Verbreitet wurde dagegen die Behauptung, die in der Republik nicht nachlassenden Angriffe auf die Unabhängigkeit wären endlich abgewendet.120 Auch wenn dies keineswegs der Wirklichkeit entsprach, hatte die Stellung des Beamten, vor allem des Richters, durchaus eine unerwartete Sicherung durch das DBG erfahren: Zumindest die politisch bedingte Amtsenthebung erforderte nach § 71 ein Untersuchungsverfahren, dessen Befolgung auch Hitler versprach.121 Die vom ersten Reichsjustizminister des „Dritten Reiches“, Franz Gürtner, durchgeführten Verfahren wurden nicht selten eingestellt, sodass es nicht zu einer Absetzung kam.122 So blieb über die Weiternutzung der rechtsstaatlichen Begriffe hinaus zunächst auch formell ein letzter Rest rechtsstaatlichen Eindrucks gesichert. bb) Die Vertrauenskrise im „Dritten Reich“ Die neue „Vertrauenskrise“ entwickelte sich schlagartig. Hatte Hitler die Richter in seinen Reden bisher von Angriffen ausgenommen,123 änderte sich das in seiner Rede vom 26. April 1942. Darstellungen der Nachkriegszeit zeugen von einer „Hassrede“,124 in der Hitler mit „maßlosen Beschimpfungen und Bedrohungen“ seinem Ziel der „Beseitigung einer unabhängigen Rechtspflege“ und der „Vernichtung des Richterstands [. . .] eindeutigen Ausdruck“ verliehen haben 115
Herschel, Staatlicher Befehl, in: DJZ 1933, Sp. 1008 (1010). Eckhardt, Richteramt, in: DRW 1936, S. 124 (128). 117 Huber, Verfassungsrecht, S. 279. 118 Vgl. Herschel, Staatlicher Befehl, in: DJZ 1933, Sp. 1008 (1010). Mit besonderem Hinweis auf die Durchsetzung politischer Anschauungen durch Generalklauseln vgl. Neumann, Behemoth, S. 517. 119 Schorn, Richter im Dritten Reich, S. 89. 120 Müller, Die Unabhängigkeit der Rechtsprechung, in: DJZ 1933, Sp. 603. 121 Gruchmann, Generalangriff gegen die Justiz, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 2003, S. 509 (512). 122 Gruchmann, Generalangriff gegen die Justiz, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 2003, S. 509 (513 ff.). 123 Angermund, Deutsche Richterschaft, S. 248. Dennoch griff Hitler schon mit Kriegsbeginn selbst unmittelbar in die Rechtsprechung ein und ordnete persönlich Erschießungen an, vgl. Wagner, Der deutsche Richter, S. 78. 124 Schmidt, Strafrechtspflege, S. 447. 116
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soll.125 Nicht ohne Stolz wird von seinem ganz und gar vernichtenden Urteil über den Juristen berichtet: „Ich werde nicht eher ruhen, bis jeder Deutsche einsieht, daß es eine Schande ist, Jurist zu sein.“ 126 Nur wurde dieser Satz wohl nie gesprochen. So sehr er auch der Gedankenwelt Hitlers, der seine Wutausbrüche gezielt zur Stärkung der eigenen Macht einzusetzen wusste,127 entsprochen haben mag; in den Druckfassungen der Reden128 taucht er überhaupt nicht auf. Auch gab es keinen „Generalangriff“ auf die Justiz und genauso wenig wurde ein „Totenschein“ für sie ausgestellt.129 Lediglich einige wenige Sätze – in den zitierten Abdrucken jeweils etwa eine Seite – widmete Hitler der Justiz.130 Aber, und das war bisher nicht vorgekommen, er adressierte sie: Er warf ihr vor, in Kriegszeiten nicht ihrer Pflicht nachzukommen, sondern rücksichtslos „auf die wohlerworbenen Rechte [zu] pochen“ 131 und in der Vorstellung zu leben, dass die „Nation ihretwegen“, da sei. Er berichtete davon, dass Richter in ihrem Hang zur formalen Auffassung des Rechts Straftätern Milde zeigten, während Deutsche für ihre Familien starben132 – mit solch einem Verhalten war die Justiz ein Schandfleck. Nicht etwa ein offener Widerstand der Richterschaft gegen die Staatsführung, sondern der Vorwurf eines Hangs zum Formalismus, zum Bürokratismus, der Volksfeindlichkeit und einer unzureichenden nationalsozialistischen Haltung zeichnete also die „Vertrauenskrise“. Dieser von unterschiedlichen Seiten geäu125
Schorn, Richter im Dritten Reich, S. 11. Schorn, Richter im Dritten Reich, S. 11, verbreitet in der Rezension von Mielke, Die Schande, ein deutscher Jurist zu sein, in: FAZ vom 4. Dez 49/1959; Neidhard, Die heutige Lage der Justiz, in: DRiZ 1963, S. 209 (210); Schmidt, Strafrechtspflege, S. 447. 127 Schädler, „Justizkrise“, S. 36. 128 Verhandlungen des Reichstags, Band 460, S. 109–119; Domarus, Hitler: Reden, Bd. II 2, S. 1865–1876. 129 Zitate jeweils Hattenhauer, Reichsjustizamt, S. 95. Die Bezeichnung dieser Darstellung als „irreführend“, vgl. Gruchmann, Generalangriff gegen die Justiz, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 2003, S. 509 (509), ist noch zurückhaltend. Das mutmaßlich von Schorn selbst erfundene Zitat, diente einer apologetischen Einleitung in die Darstellung der Richterschaft (so auch Tuchel, Möglichkeiten und Grenzen des Widerstandes, S. 26). Nur so ließ sich jedenfalls Schorns Freispruch der Richter mit der Behauptung, die Richter seien zum Ärger des Regimes überwiegend treu und pflichtbewusst gewesen (ders., Richter im Dritten Reich, S. 11), rechtfertigen. Zur Einordnung des Zitats in den Verlauf der bundesrepublikanischen Justizkrise, siehe E. II. 2. c) bb). 130 Verhandlungen des Reichstags, Bd. 460, S. 117; Domarus, Hitler: Reden, Bd. II 2, S. 1874 f. 131 In der Rede ist dieser Teil noch allgemein gehalten. Er bezieht sich aber auf das Beamtentum und die anschließende direkte Anrede der Justiz legt nahe, dass er gerade diese bei dem Vorwuf im Sinn hatte. 132 Zitiert nach Domarus, Hitler: Reden, Bd. II 2, S. 1874. Gerade der von Hitler als Beleg für die Unfähigkeit der Justiz herangezogen Fall Ewald Schlitt stellte sich aber anders dar, als Hitler ihn wahrgenommen, bzw. dargestellt hatte, vgl. Angermund, Deutsche Richterschaft, S. 249 f. 126
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ßerte Vorwurf einer den alten Grundsätzen vermeintlich verhafteten Rechtsprechung war trotz der Lenkung der Berichterstattung an den Gerichten133 in den vorangegangenen Jahren immer lauter geworden. Fälle, die gerade Hitlers Zorn besonders provozierten, waren solche, in denen vermeintlicher Landesverrat nicht mit dem vollen Strafmaß,134 also der von ihm verlangten „barbarischen Rücksichtslosigkeit“ abgestraft wurden. Hinzu kamen andere Urteile, in denen Richter nicht hinreichend nationalsozialistisch, völkisch geurteilt hätten: etwa dadurch, dass im Versuch der Erfassung des gesamten Sachverhalts die propagierte Überlegenheit des Deutschen nicht den Vorstellungen der Nationalsozialisten gemäß gewürdigt wurde.135 Solche Urteile wurden von den gleichgeschalteten Fachzeitschriften und auch vom „Schwarzen Korps“ der SS, das die Prozesse aufmerksam verfolgte,136 aufgegriffen. Die SS baute so, neben ungeahndeten Einschüchterungen durch die Anwesenheit ihrer Mitglieder bei laufenden Verfahren,137 öffentlichen Druck auf die Rechtsprechung auf. Der Richterstand wiederum bemühte sich öffentlich vor allem um Schadensbegrenzung und verwies auf Ausnahmeerscheinungen in den eigenen Reihen138 – und um solche handelte es sich auch, schöpften die Richter ihren unbegrenzten Auslegungsspielraum und die Möglichkeit der Verhängung von Todesurteilen allzu oft ausgiebig aus.139 Von einzelnen Richtern wurde hinter vorgehaltener Hand gemutmaßt, dass es sich um eine „künstliche Krise“ handeln musste140 und tatsächlich hatte das Agieren der SS einen machtpolitischen
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Siemens, Die Vertrauenskrise der Justiz, S. 160. Zitiert nach Picker, Hitlers Tischgespräche, S. 202 f., 249 f.; vgl. auch Angermund, Deutsche Richterschaft, S. 207. 135 Vgl. Malz, Richtertum im nationalsozialistischen Staat, in: DR 1941, S. 2217 (2220). Als Beispiel für die vermeintlich verwerfliche Art der Rechtsprechung führt der Verfasser ein Urteil heran, das einer Ausländerin einen Anspruch gegen einen Deutschen einräumte. Die spätere Aufklärung darüber, dass die Klägerin – bei bis auf den Gerichtsstand unverändertem Sachverhalt – tatsächlich Deutsche war, reichte aus, ihn zu einem vollständigen Rückzug jeglicher Kritk zu veranlassen, vgl. Malz, Berichtigung, in: DR 1942, S. 2606. 136 Vgl. Schorn, Richter im Dritten Reich, S. 82 f. Zur Schikane von Rechtanwälten durch das „Schwarze Korps“, vgl. König, Vom Dienst am Recht, S. 198. Näher zum Begriff einer „Vertrauenskrise“ auch in Bezug auf die Rechtsanwaltschaft, vgl. Rothenberger, Neuaufbau der deutschen Rechtspflege, in: DJ 1942, S. 662 (664). 137 Püschel, Niedergang des Rechts, S. 26. 138 Hueber, Justiz im Führerstaat, in: DJ 1942, S. 5 (8); Die Justiz am 20. August 1943, Bericht, in: DR 1943, S. 878. 139 Dies ging so weit, dass die Öffentlichkeit über das – sicherlich Hitlers Vorstellungen entsprechende – Maß der Härte bisweilen besorgt war, ohne dass diese Form des „Volksempfindens“ zu mehr Milde geführt hätte, vgl. Angermund, Deutsche Richterschaft, S. 206 ff. Eine Ausnahme stellen die Urteile über Schwarzhandel und Schwarzschlachtungen dar, die anders als verordnet oft nicht mit Todes-, sondern Freiheitsstrafe geahndet wurden (vgl. Angermund, a. a. O., S. 227). 140 Schädler, „Justizkrise“, S. 9. 134
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Hintergrund: Die Mitwirkung des „Schwarzen Korps“ bei der Überhöhung der Krise hatte Himmler näher an sein Ziel einer Annexion von Aufgabenbereichen des Justizapparats, vor allem der Staatsanwaltschaft und der Juristenausbildung, bringen sollen.141 Eine öffentlich sichtbare Krise war entstanden und selbst Bemühungen Franks, für den Juristenstand und die richterliche Unabhängigkeit einzutreten und zu versuchen, die Worte Hitlers zu relativieren,142 hatten keinen Erfolg. Die Rede vom 26. April 1942 war der Paukenschlag am Ende einer rasanten Entwicklung: Im Anschluss an seinen Verriss der Justiz – und darum handelte es sich ohne Frage – forderte Hitler den Reichstag auf, seinen Status als „Oberster Gerichtsherr“ zu bestätigen, um daraufhin auch eigenhändige Entlassungen vorzunehmen zu können: „Ich werde von jetzt ab in diesen Fällen eingreifen und Richter, die ersichtlich das Gebot der Stunde nicht erkennen, ihres Amtes entheben.“ 143 Im letzten Beschluss des Reichstags vom gleichen Tag144 wurde die ohnehin nur noch formale Bindung Hitlers an das Gesetz aufgehoben und die absolute Geltung des Führerbefehls offiziell bestätigt. Hatte Hitler selbst bereits vermehrt aufgrund bloßer negativer Berichterstattung Urteile zu Hinrichtungen abgeändert und den Polizeibehörden unter Himmler freie Hand bei eigenmächtigen Exekutionen gelassen,145 konnte er nun auch – unter dem Anschein der Legitimation – direkt Richter absetzen. Somit endete die widersinnige Situation, dass der Führung durch die Selbstbindung Hitlers an die Vorschrift des § 71 DBG im Krieg ein wesentlicher Machtbereich zum Teil entzogen war.146 „Der Führer muß [. . .] als oberster Gerichtsherr [. . .] jederzeit in der Lage sein, nötigenfalls jeden Deutschen – sei er einfacher Soldat oder Offizier, niedriger oder hoher Beamter oder Richter [. . .] – mit allen ihm geeignet erscheinenden Mitteln zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten und bei Verletzung dieser Pflichten nach gewissenhafter Prüfung ohne Rücksicht auf sogenannte wohlerworbene Rechte [. . .] ohne Einleitung vorgeschriebener Verfahren aus seinem Amte [. . .] zu entfernen“ hieß es im Beschluss des Reichstags, der Hitler nunmehr unzweideutig unbegrenzte 141
Schädler, „Justizkrise“, S. 10. Vgl. Frank, Rechtsidee und Volksgemeinschaft, in: DR 1942, S. 865; außerdem dessen Rede über „Das Recht als Grundlage der Volksgemeinschaft“ vom 20. Juli 1942, abgedruckt in: Frank, Im Angesicht des Galgens, S. 468–474. Ähnlich auch ein Brief des GStA Schnoering vom 31. Mai 1942 an Schlegelberger, abgedruckt in: Broszat, Strafjustiz, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1958, S. 390 (433 f.). 143 Vgl. Domarus, Hitler: Reden, Bd. II 2, S. 1874 f. Vgl. hierzu den Eindruck Schmidts, Richter und Staatsanwalt im demokratischen, sozialen Rechtsstaat, in: DRiZ 1952, S. 181 (183). 144 RGBl. I 1942, S. 247; Domarus, Hitler: Reden, Bd. II 2, S. 1865. 145 Broszat, Strafjustiz, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1958, S. 390 (397 f.); Rüping, Zur Praxis der Strafjustiz im „Dritten Reich“, S. 184 f.; Schorn, Richter im Dritten Reich, S. 17. 146 Gruchmann, Generalangriff gegen die Justiz, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 2003, S. 509 (513 f.). 142
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Machtfülle verlieh und die Sonderstellung der Justizjuristen gegenüber der Führung endgültig aufhob. Kurz nach der Rede sollte auch die Worthülse der richterlichen Unabhängigkeit von staatlicher Seite vollständig aufgegeben werden. Neuer Reichsjustizminister wurde mit Otto Thierack, unterstützt von Himmler und Heydrich, wiederum ein Jurist, obwohl Hitler ursprünglich vorgesehen hatte, die Stelle gezielt mit einem Nichtjuristen zu besetzen.147 Die Personalie war auch so ein nationalsozialistischer Durchbruch: Unter der Leitung Thieracks radikalisierte sich das Reichsjustizministerium binnen kürzester Zeit148 und durch Erlass vom 20. August 1942149 wurde ihm eine weitreichende Vollmacht zur Reform der Rechtspflege erteilt. Das Vorhaben war in besonderem Maße darauf gerichtet, die Unabhängigkeit des Richters nun vollständig als Grundbegriff der Rechtspflege zu streichen.150 Die Weisungsfreiheit sollte dabei aufrecht erhalten bleiben;151 im Justizministerium wurde gleichwohl geplant, durch „Mitteilung der Ziele der Staatsführung“ und „engste persönliche Fühlungnahme“ unmittelbar auf die Richter einzuwirken.152 So wurde durch Rundverfügung vom 13. Oktober 1942153 eine „Vor- und Nachschau“ an den Gerichten eingeführt, was bedeutete, dass in Fällen öffentlichkeitsrelevanter Verfahren die Staatsanwaltschaft einzubeziehen war, um die Ziele der Staatsführung im jeweiligen Fall zu erörtern. Hinzu kamen „Richterbriefe“, die Richtern Beispiele für Urteile im und gegen den Sinne der nationalsozialistischen Interessen als Anknüpfungspunkt für die eigene Rechtsprechung zur Verfügung stellten154 und in kleinerem Umfang weitere Entlassungen.155 Gegen die Vollendung der staatlichen Lenkung in der Rechtspflege wurde kaum Kritik geäußert;156 die Maßnahmen trugen auf der anderen Seite 147
Schädler, „Justizkrise“, S. 3, 79 f. Schubert, Protokolle der Akademie: Volksgesetzbuch, S. 30; Broszat, Strafjustiz, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1958, S. 390. Zum Versuch der Vorgänger Thieracks, die Justizförmigkeit der Verfahren zu erhalten, vgl. Broszat, a. a. O., S. 399 ff. 149 RGBl. I 1942, S. 535. 150 Thierack, Gedanken zum Neuaufbau der deutschen Rechtspflege, in: DJ 1942, S. 661 (662). 151 Thierack, Gedanken zum Neuaufbau der deutschen Rechtspflege, in: DJ 1942, S. 661 (662); Rothenberger, Neuaufbau der deutschen Rechtspflege, in: DJ 1942, S. 662 (664). 152 Rothenberger, Neuaufbau der deutschen Rechtspflege, in: DJ 1942, S. 662 (663). 153 Vertrauliche Rundverfügung des Reichsjustizministeriums vom 13.10.1942, abgedruckt in: Jacobsen/Jochmann, H-Dokument-13.X.1942. 154 Richterbriefe, Mitteilung Nr. 1, abgedruckt in: Jacobsen/Jochmann, H-Dokument1.X.1942.; Angermund, Deutsche Richterschaft, S. 234 f. Oft ging es um „Volksschädlinge“ und Straftaten im Allgemeinen, den Ehrenschutz, familienrechtliche Fragestellungen oder den Umgang mit Juden, vgl. Boberach, Richterbriefe, S. VII ff. 155 Wagner, Der Richter, S. 79. 156 Vgl. das Schreiben eines Kammerrichters an Schlegelberger noch im Januar 1942, abgedruckt bei Broszat, Strafjustiz, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1958, 148
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auch nicht zu einem höheren Maß an Klarheit über die gewünschte Rechtsprechung bei. Weitere einschneidende Änderungen im Umgang mit den Richtern gab es trotzdem nicht: Die abschreckende Wirkung der plötzlichen Aufmerksamkeit Hitlers157 und die staatliche Lenkung beendeten nicht nur die Unabhängigkeit des Richters, sondern auch die „Vertrauenskrise“, schon kurz nachdem sie überhaupt proklamiert wurde. Auch das „Schwarze Korps“ verstummte urplötzlich. Himmler hatte erfolgreich seinen Machtbereich erweitert: Anders als in Gürtner, der vor Freibriefen für Heydrich und Himmler und einem Verlust des Ansehens der Justiz gewarnt hatte,158 fand er in Thierack einen Verbündeten bei der Umsetzung seiner Vorstellungen für die Justiz.159 Die Verfolgung der „Fremdvölkischen“ – Juden, Roma und anderer Bevölkerungsgruppen – wurde 1942 vollständig auf die Polizei übertragen.160 cc) Die „Vertrauenskrise“ zwischen „Inszenierung“ und wahrem Kern Welche Bedeutung hatte nun die „Vertrauenskrise“ der Justiz im Nationalsozialismus? Die „Vertrauenskrise“ im Nationalsozialismus kann mit der Vertrauenskrise der Weimarer Republik kaum verglichen werden. Jedenfalls in ihren Ursachen unterscheiden sich die Krisen gravierend. Im Nationalsozialismus gab es schon keine Auflehnung höchster Staatsgewalt gegenüber dem Staate selbst. Im Gegenteil: es zeigte sich eine plötzliche Gesetzestreue der Richterschaft im autoritären Staat.161 Stattdessen reagierte der Staat auf wenige Einzelfälle, die in der öffentlichen Wahrnehmung überhöht wurden; gefördert nicht nur durch den Wahn Hitlers, sondern wesentlich durch Himmler persönlich. Gleichwohl prägte der Begriff der Vertrauenskrise erneut die öffentliche Wahrnehmung der Rechtspflege und die Richterschaft sah sich wieder einem feindlich gesonnenen Staat gegenüber. Vieles spricht dabei für eine Einschätzung der Entwicklung als „Inszenierung“ 162: Eine wirkliche Folge für die Stellung der Richterschaft hatte die Krise S. 390 (423 ff.). In der Literatur der jungen Bundesrepublik wird der Anteil der Richter, die sich ihren Aufgaben widersetzten, regelmäßig überhöht, so bei Wagner, Der Richter, S. 79. 157 Vgl. Angermund, Deutsche Richterschaft, S. 235; Schädler, „Justizkrise“, S. 17. 158 Frank, Im Angesicht des Galgens, S. 161; Radbruch, Des Reichsjustizministeriums Ruhm und Ehre, in: SJZ 1948, Sp. 57 (63). Auch Staatssekretär Schlegelberger, der nach Gürtner die Amtsgeschäfte übernommen hatte, versuchte, Himmlers Einfluss zu begrenzen, vgl. Radbruch, a. a. O., 60. 159 Schädler, „Justizkrise“, S. 42. 160 Rüping, Zur Praxis der Strafjustiz im „Dritten Reich“, S. 185. 161 Jedenfalls im Vergleich zur Weimarer Republik. So auch Kübler, Der deutsche Richter, in: AcP 162, S. 104 (106). Zumindest keine bedingungslose Unterwerfung sieht Hattenhauer, Richterleitbilder, S. 28. 162 Schädler, „Justizkrise“, S. 8 ff.
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nicht163 und Himmler hatte erkennbar seine eigene Machtposition im Blick. Nicht zuletzt benötigte Hitler einen Anlass für die längst überfällige Abschaffung der Überbleibsel richterlicher Unabhängigkeit. Der Öffentlichkeit war nicht unbemerkt geblieben, dass zunehmend Gewalt an die Stelle des Rechts gesetzt wurde.164 Gleichzeitig hätte die Führung den letzten Beweis für ihre Rechtsfeindlichkeit angetreten, wenn sie für die Stellung des Richters keinen triftigen Grund vorgewiesen hätte; und diesen triftigen Grund bot die von staatlicher Seite heraufbeschworene „Justizkrise“. Zudem hatten die Nationalsozialisten eine Sensibilität der Bevölkerung gegenüber der in höchstem Maße öffentlichkeitswirksamen165 Rechtsprechung beobachtet,166 die sich mit dem Verlauf des Krieges wesentlich verschärft hatte.167 Es galt also umso mehr, den Eindruck innerlicher Geschlossenheit und der absoluten Geltung und Einhaltung nationalsozialistischer Ideen um jeden Preis auch in der Rechtsprechung aufrecht zu erhalten.168 Dass es tatsächlich Einzelfälle objektiver Rechtsprechung oder aus nationalsozialistischer Sicht ,milder‘ Urteile gab, hätte dazu beitragen können, an der Autorität und Totalität der Führung zu zweifeln. Die „Vertrauenskrise“ war zwar über alle Maße überhöht worden – es gab sie aber durchaus. Die Spannungen zwischen der durch Himmler geführten Polizei und der Justiz hatten zu erheblichem gegenseitigem Misstrauen geführt. Auch Hitler sah sich veranlasst, durch seine Rede den psychischen Druck auf die Justiz zu erhöhen und so seine Macht zu festigen.169 Damit verlieh er gleichzeitig seinem zweifellos tiefen Misstrauen gegenüber der Justiz deutlichen Ausdruck.170 Das Verhältnis der Führung zur Justiz hatte bis zum Frühjahr 1942 tatsächlich seinen Tiefpunkt erreicht. c) Beobachtungen Die Akribie der Nationalsozialisten bei der Umstrukturierung der Gerichte und der Neukonzeption eines richterlichen Ideals verdeutlicht die überragende Be163
So auch Gruchmann, Generalangriff gegen die Justiz, a. a. O., S. 509 (520). So in einem Schreiben des Rechtssicherheitshauptamtes an die Sicherheitspolizei und die SS- und Polizeiführungen, abgedruckt in: Jacobsen/Jochmann, Dokumente, HDokument-11.X.1942, S. 1. An der gleichen Stelle wird Hans Frank vorgeworfen, diese Sicht zu propagieren, a. a. O., S. 1 f. 165 Siemens, Die Vertrauenskrise der Justiz, S. 160. 166 Rothenberger, Der deutsche Richter, S. 21; Malz, Richtertum im nationalsozialistischen Staat, in: DR 1941, 2217 (2218). 167 Vgl. Hueber, Justiz im Führerstaat, in: DJ 1942, S. 5 (8). 168 Vgl. Frank, Rechtsidee und Volksgemeinschaft, in: DR 1942, S. 865; Püschel, Niedergang des Rechts, S. 79 f. 169 Gruchmann, Generalangriff gegen die Justiz, a. a. O., S. 509 (520); Schädler, „Justizkrise“, S. 36. 170 Insofern konform Rothenberger, der bemängelte, der Justiz fehle die Brücke zum Führer, vgl. ders., Neuaufbau der deutschen Rechtspflege, in: DJ 1942, S. 662. 164
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deutung des Richters nicht nur als zentrales Organ der Rechtspflege,171 sondern darüberhinausgehend als „Repräsentant des Rechtswertes im Staate“ 172 und als Sprachrohr der „Gemeinschaftserwartungen“.173 Unter der neuen Rechtskonzeption wurden die öffentlichkeitswirksame Darstellung der Richtigkeit und Gerechtigkeit der nationalsozialistischen Ideologie und die Behauptung der totalen Staatsgewalt, das bedingungslose Eintreten für das Volk und der gnadenlose Kampf gegen sämtliche, vor allem eingebildete politischen oder „rassischen“ Feinde, zum überwiegenden Einsatzzweck des Richters. Besonders betraf dies die Strafgerichtsbarkeit in Kriegszeiten; an den herkömmlichen ordentlichen Gerichten und am Volksgerichtshof. Die Organisation und die dogmatischen Grundsätze der Gerichtsbarkeit wurden nicht nur aufrechterhalten, sondern – zumindest dem Anschein nach – auch weiterentwickelt. Erst mit dem Krieg musste der Anschein von Rechtsstaatlichkeit und Traditionsbewusstsein174 im Umgang mit der Rechtspflege aufgegeben werden. Die Bedeutung des Richterspruchs blieb jedoch ungebrochen: Als tradierte Form staatlicher Autorität175 war er eines der wichtigsten Symbole für die Einheit im nationalsozialistischen Staate. Wenn auch zum Missfallen der Führung,176 war der Richter, aber auch der Jurist im Allgemeinen, in der gesamten Zeit des Bestehens des „Dritten Reiches“ notwendiger Wahrer der Volkseinheit unter dem Hakenkreuz. 3. Die Ausbildung der NS-Juristen Hitler persönlich hatte eine Reform der juristischen Ausbildung an der Hochschule zu einem besonders dringenden Vorhaben erklärt.177 Entsprechend gravierend waren die Einwirkungen der nationalsozialistischen Politik auf die Grundlagen und Durchführung der Juristenausbildung. a) Rechtsgrundlagen und Entwicklung aa) Frühe Entwicklung Mit der faktischen Abschaffung der Weimarer Reichsverfassung und der energisch vorangetriebenen Zentralisierung änderte sich auch die Form der Rechtssetzung zur Juristenausbildung. In Preußen wurden noch bis zur Mitte des Jahres 171
Rothenberger, Neuaufbau der deutschen Rechtspflege, in: DJ 1942, S. 662 (663). Koellreutter, Grundriß der Allgemeinen Staatslehre, S. 255. 173 Seydel, Der Richter als Erzieher, in: DRW 1936, S. 82 (83 f.). 174 Vor allem Frank hob diese traditionelle Verbundenheit hervor, vgl. BA R 61/348, Bl. 46, 54. 175 So auch Thierack in der ersten Mitteilung der Richterbriefe des RJM, abgedruckt in: Jacobsen/Jochmann, H-Dokument-1.X.1942. 176 Kersten, Totenkopf und Treue, S. 133 ff. 177 Schädler, „Justizkrise“, S. 175 f. 172
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1934 landesrechtliche Anpassungen vorgenommen, die ein der NS-Ideologie entsprechendes Erfordernis des „Ariernachweises“ einführten178 oder die letzte Prüfungsentscheidung zur Umsetzung des „Führerprinzips“ nunmehr einem einzigen Prüfer zuwies.179 Überdies wurden in Preußen erstmals Gemeinschaftslager für Referendare eingerichtet 180 und auch die Einführung von Volks- und Staatskunde als Prüfungsfach, erst nur im Rahmen einer charakter- und ideologiebezogenen Nachprüfung im Anschluss an das Examen,181 hatten ihren Ursprung im preußischen Landesrecht. Im Zuge der Zentralisierung erhielt der Reichsminister der Justiz durch Art. 5 des Ersten Gesetzes zur Überleitung der Rechtspflege auf das Reich vom 16. Februar 1934182 eine weite Verordnungsermächtigung. Aufgrund dieser wurde am 22. Juli 1934 eine neue Justizausbildungsordnung183 erlassen, die endgültig das bis dahin bestehende Gesetz vom 6. Mai 1869 als Grundlage der Juristenausbildung ablöste und den Beginn des „Reichsjuristen“ 184 markieren sollte. Eines übergeordneten formellen Gesetzes bedurfte es nicht mehr.185 Die Vorschriften des GVG, vor allem der in § 2 festgelegte Maßstab der Fähigkeit zum Richteramt, blieb mit Ausnahme der nun gegenstandslosen Harmonisierungsvorschrift des § 5 bestehen. Die im Folgenden dargestellten Änderungen der Juristenausbildung beschränken sich maßgeblich auf die Justizausbildungsordnung und ihre Änderungen sowie die sie ergänzende Studienordnung, den Richtlinien für das Studium der Rechtswissenschaft vom 18. Januar 1935.186 Dabei war die Justizverwaltung, insbesondere das Reichsjustizministerium, nicht für die Regelung des im Wissenschafts- und Erziehungsressort angesiedelten Rechtsstudiums zuständig; allerdings durchaus für den Justizdienst und damit für den Vorbereitungsdienst.187 Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich mit wenigen Ausnahmen auf eine 178 Siehe § 5 Nr. 1 lit. f der Ausbildungsordnung vom 27. Juli 1933, Pr. JMBl. 1933, S. 245. 179 § 16 Abs. 2 der Ausbildungsordnung vom 27. März 1934, in: DJ 1934, S. 408. 180 AV vom 29. Juni 1933, Pr. JMBl. S. 210; AV vom 7. Juli 1933, Pr. JMBl. 217. 181 AV vom 24. April 1933, Pr. JMBl. S. 130; AV vom 10. Mai 1933, Pr. JMBl. S. 142. 182 RGBl. I 1934, S. 91. 183 RGBl. I 1934, S. 727. 184 Jonas, Die Justizausbildungsordnung vom 22. Juli 1934, in: DJ 1934, S. 995 (996). 185 Vgl. auch die Ausführungen zur Verordnungsqualität von Jescheck, Die juristische Ausbildung, S. 136 ff., der sich einerseits ausführlich mit den staatsrechtlichen Fragen der Normhierarchie und formellen Anforderungen an Verordnungen und Gesetze auseinandersetzt, um der Frage schließlich die praktische Relevanz abzusprechen. 186 Abgedruckt in: Eckhardt, Das Studium der Rechtswissenschaft (1935), S. 7 ff., s. auch unten. 187 Palandt/Richter, JAO 1934, § 1 Anm. 2.
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Zeitspanne von 1933 bis etwa 1941. Der Weltkrieg und die ihm folgenden Krisen lähmten auch Reformen der Juristenausbildung. Änderungen und Änderungsvorschläge waren von da an immer deutlicher von den Bedürfnissen und Notständen des „totalen“ Krieges geprägt. bb) Die Justizausbildungsordnung vom 22. Juli 1934 Das in Preußen kodifizierte und in der Republik beibehaltene Grundgerüst der Juristenausbildung wurde durch die neue Justizausbildungsordnung (JAO 1934)188 übernommen und nun reichsweit etabliert. Eingefügte Zielbestimmungen, Grundanforderungen an die Studenten, Anpassungen der Studieninhalte und einige wenige strukturelle und verfahrensbezogene Anpassungen stellten die Juristenausbildung und den ihr entspringenden Juristen endgültig in den Dienst des Nationalsozialismus. (1) Zielbestimmungen und allgemeine Voraussetzungen Ein Novum war die Einführung von ausdrücklichen, pathetisch-ausschweifenden Zielbestimmungen. Eine solche war als Präambel vorangestellt und legte das Ziel der gesamten Ausbildung fest: „Ziel der Ausbildung des Juristen ist die Heranziehung eines in seinem Fach gründlich vorgebildeten, charakterlich untadelhaften Diener des Rechts, der im Volk und mit ihm lebt und ihm bei der rechtlichen Gestaltung seines Lebens ein unbestechlicher und zielsicherer Helfer und Führer sein will und kann.“ Dabei sollte „die Ausbildung den ganzen Menschen ergreifen, Körper und Geist zu gutem Zweiklang bringen, den Charakter festigen und den Willen stärken, die Volksgemeinschaft im jungen Menschen zu unverlierbarem Erlebnis gestalten, ihm eine umfassende Bildung vermitteln und auf dieser Grundlage ein gediegenes fachliches Können aufbauen“. Für den Vorbereitungsdienst wurde in § 26 eine kohärente, aber darüberhinausgehende eigene Zielvorstellung verankert: Der Jurist sollte hierdurch befähigt sein, „vermöge gründlicher Kenntnis des Rechts treffend und volksverständlich Recht zu sprechen, Volksschädlinge zu bekämpfen, die rechtssuchende Bevölkerung zu beraten und durch jede solche Tätigkeit dem Arbeitsfrieden zu dienen“. Anders als in den preußischen Ausbildungsordnungen wurde nun auch der Zweck der großen Staatsprüfung näher bezeichnet: Hier war festzustellen, ob dem Referendar „nach seiner gesamten Persönlichkeit – sowohl nach seinen fachlichen und allgemeinen Kenntnissen, seinem praktischen Geschick [. . .] wie nach seinen charakterlichen und sonstigen persönlichen Eigenschaften – die „Fähigkeit zum Richteramt“ zuzusprechen“ war (§ 39).
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RGBl. I 1934, S. 727.
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Unabhängig von den konkreten Prüfungsvoraussetzungen nahm § 2 der JAO einige Kerneigenschaften vorweg, die der angehende Jurist in seiner Ausbildungszeit zu erwerben hatte. Der Student, der sich zur Prüfung melden wollte, hatte neben der Erbringung von Studienleistungen einen Nachweis darüber zu führen, dass er „mit Volksgenossen aller Stände und Berufe in enger Gemeinschaft gelebt, die körperliche Arbeit kennen und achten gelernt, Selbstzucht und Einordnung geübt und sich körperlich gestählt hat, wie es einem jungen deutschen Manne“ zukäme (§ 2 Abs. 1 S. 1). Zu diesem Zwecke war ein Arbeitsdienst zu verrichten (S. 2). Zudem war durch den Anwärter nachzuweisen, wie er auch nach „Ableistung des Arbeitsdienstes seine körperliche Ausbildung und die Verbundenheit mit anderen Volksgruppen gepflegt hat; denn nur, wer gehorchen gelernt hat, kann einst auch befehlen, und nur in der Gemeinschaft wird der Charakter gebildet“ (§ 2 Abs. 3). Ohne jeden Zweifel sah die neue Ausbildung ihre Zwecksetzung darin, nicht mehr Fachausbildung, sondern vor allem Charakterbildung zu sein. (2) Zulassungsvoraussetzungen Durch die Ausbildungsordnung des Jahres 1934 wurde die Zulassung zur Prüfung – und damit mittelbar auch zum Studium – erstmals weitgehend beschränkt. Die Frau konnte dem Bild des „gestählten [. . .] deutschen Manne[s]“ von vornherein nicht entsprechen und war so faktisch von einer Juristenkarriere ausgeschlossen.189 Der angehende Jurist hatte zudem einen Ariernachweis für sich und seine Frau zu erbringen (§ 10 Abs. 1 lit. f). Neben Juden190 waren auch mit Jüdinnen Verheiratete vom rechtswissenschaftlichen Studium ausgeschlossen. Allerdings konnten auch diejenigen, die die Meldungsvoraussetzungen formal erfüllten, zurückgewiesen werden, wenn ihre „Persönlichkeit“ Anlass dazu gab (§ 11). (3) Aufbau und Inhalte der Ausbildung Der Ausbildungsverlauf blieb zumindest äußerlich in seinen Grundzügen unverändert, nämlich geteilt in Studium und Vorbereitungsdienst. 189 Zwar war das im vorherigen Kapitel erwähnte Gesetz über die Zulassung der Frauen zu den Ämtern und Berufen der Rechtspflege aus dem Jahr 1922 weiterhin gültig, sodass Frauen dieser Weg auch formal offenstand: Im Ergebnis wurde aber erwartet, dass Frauen die Voraussetzungen für die Aufnahme in den Justizdienst nicht erfüllen würden und der Beruf als Rechtsanwältin nicht den Lebensunterhalt sicherstellen können würde, sodass ihnen ein Rechtsstudium „dringend abgeraten“ wurde. Wenn eine Frau die Ausbildung dennoch antreten wollte, musste sie auch den Arbeitsdienst absolvieren, vgl. Richter, in: Palandt/Richter, JAO 1934, § 2, Anm. 3. Sie konnte allerdings von der Teilnahme an einzelnen Veranstaltungen befreit oder ausgeschlossen werden, vgl. Palandt, in: Palandt/Richter, JAO 1934, § 47, Anm. 15. 190 Im Sinne der nationalsozialistischen Rassenlehre.
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(a) Der Studienverlauf Das Studium erhielt durch § 3 Abs. 1 erstmals eine Höchstdauer: Die Prüfung war frühestens nach sechs, spätestens aber nach zehn Semestern abzulegen, konnte der Studierende keine gewichtigen Gründe für eine längere Studiendauer geltend machen. Im Ablauf der universitären Ausbildung ergänzten nun Arbeitsgemeinschaften (§ 3 Abs. 2) und Seminare (§ 3 Abs. 3) das bisherige nebeneinander von Vorlesungen und Übungen. Ihr Besuch war nicht verpflichtend, galt aber als „empfohlen“ (Abs. 2) und „erwünscht“ (Abs. 3).191 Die Arbeitsgemeinschaften waren keine Veranstaltung der Universität im engeren Sinne. Zum Ende des Sommersemester 1933 hatten der Reichsgruppenrat der Referendare im BNSDJ, die so genannten „Jungjuristen“, gemeinsam mit der Deutschen Studentenschaft „Fachschaften“ eingerichtet.192 Die Fachschaften teilten sich in unterschiedliche Arbeitskreise auf, die wiederum – möglichst unter Mitwirkung von Dozenten193 – Arbeitsgemeinschaften bildeten, in denen Themen aus der Rechtsphilosophie, dem Staatsrecht, dem bürgerlichen Recht, dem Recht der Wirtschaft und dem Strafrecht besprochen werden sollten.194 All diese Themen hatten gemeinsam, dass sie von einer dezidiert weltanschaulichen Fragestellung ausgehend zu besprechen waren.195 „[D]ie Richtigkeit der nationalsozialistischen Auffassung“ stand in den Diskussionen freilich nicht zur Debatte.196 (b) Inhalte: Prüfungsfächer Das Studium selbst gehörte zwar nicht vollständig zum Aufgabenbereich des Reichsjustizministeriums; dadurch dass es sich bei der ersten Staatsprüfung ausdrücklich nicht um eine universitäre Abschlussprüfung, sondern um eine Eingangsprüfung für den Vorbereitungsdienst und den Justizdienst handelte, konnte das Justizministerium über die Inhalte der Prüfung bestimmen – somit auch über die Rahmenbedingung der Prüfung und mittelbar die Studieninhalte.197 Als „Krönung“ der universitären Ausbildung galt ein „klarer Überblick über das ganze Recht, praktischer Blick für die Erscheinungen des Lebens, das ge191 Dass die Prüflinge ausnahmsweise vom Nachweis über die Teilnahme an einer Arbeitsgemeinschaft befreit werden konnten, legt aber nahe, dass diese im Ergebnis doch verpflichtend war, vgl. Richter, in: Palandt/Richter, § 3, Anm. 11. 192 Schneider, Fachschaftsarbeit, in: DJZ 1934, Sp. 607 f. 193 Richter, in: Palandt/Richter, § 3, Anm. 11. 194 Schneider, Fachschaftsarbeit, in: DJZ 1934, Sp. 607 (609). 195 Schneider, Fachschaftsarbeit, in: DJZ 1934, Sp. 607 (609); vgl. auch Richter, in: Palandt/Richter, JAO 1934, § 3, Anm. 11. 196 Schneider, Fachschaftsarbeit, in: DJZ 1934, Sp. 607 (608). 197 Richter, in: Palandt/Richter, JAO 1934, § 1, Anm. 2.
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schulte Gefühl für Gerechtigkeit und Billigkeit und damit die Fähigkeit richtiger Rechtsanwendung“ – und all das hatte der Kandidat auch in der Prüfung zu beweisen (§ 4 Abs. 4). Zwar sollte im „Mittelpunkt des Studiums“ die eigentliche Fachausbildung stehen (§ 4 Abs. 1), ihr wurde aber eine „allgemeine [. . .] völkische Bildung“ 198 vorangestellt (§ 4 Abs. 2 und 3). Hierzu gehörten namentlich ein „Überblick über das Geistesleben der Nation, Kenntnis der deutschen Geschichte und der Geschichte der Völker, die die kulturelle Entwicklung des deutschen Volkes fördernd beeinflusst haben, wie vor allem der Griechen und Römer [. . .] die ernsthafte Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus und seinen weltanschaulichen Grundlagen, mit dem Gedanken der Verbindung von Blut und Boden, von Rasse und Volkstum, mit dem deutschen Gemeinschaftsleben und mit den großen Männern des deutschen Volkes.“ Die Studien- und Prüfungsfächer des Fachstudiums wurden in § 5 Abs. 1 geregelt. Dabei wurden die Fächer neuerdings nicht mehr nach Gesetzen, sondern nach „Lebensgebieten“ eingeteilt. An erster Stelle stand „das Recht des Staates und seiner Entwicklung“ (Nr. 1). Es folgten „das Recht der deutschen Familie“, einschließlich erbrechtlicher Grundzüge (Nr. 2), das „Recht der geistigen und künstlerischen Schöpfung“ (Nr. 3), das „Recht der Herrschaft über die Sachgüter“ (Nr. 4), das Vertragsrecht (Nr. 5), das Bauernrecht (Nr. 6), das Arbeitsund Grundzüge des Wirtschaftsrechts (Nr. 7), das Strafrecht (Nr. 8) und die Grundzüge des Prozessrechts (Nr. 9). Auf Antrag konnte aus anderen Gebieten geprüft werden (§ 5 Abs. 3). Der Begriff des Bürgerlichen Rechts war verschwunden.199 Unter den nicht genannten Fächern waren das seit der preußischen Ausbildungsordnung weggefallene Völkerrecht und das Kirchenrecht, das Steuer- und das Finanzrecht sowie nach wie vor die Rechtsgeschichte und die Rechtsphilosophie. (c) Die Erste Prüfung Die Prüfung selbst erhielt durch Verfahrensänderungen wesentliche Neuerungen: Im Sinne des Führerprinzips entschied nun der Prüfungsvorsitzende stets allein über das Prüfungsergebnis (§ 16). Einschneidender war jedoch die Aufweichung der wissenschaftlichen Exklusivität in den Prüfungsämtern. Den Prüfungsvorsitz hatte zwar weiterhin ein Jurist, nämlich ein Richter oder Staatsanwalt inne (§ 14 Abs. 1 S. 1); nun konnten aber auch „andere hervorragende Vertreter der Wissenschaft, der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens“ ins Prüfungsamt berufen werden, selbst wenn diese keinerlei juristische Ausbildung erfahren hatten (§ 8 Abs. 3 lit. d). Neben einem Nichtjuristen kamen als fünftes Mitglied haupt198 Wo es im aktuellen Kapital verkürzend „Allgemeinbildung“ heißt, ist die nationalsozialistische Interpretation dieses Begriffs, bzw. die „völkische Bildung“ gemeint. 199 Unter Verwendung des Begriffs allerdings noch Palandt, Der Werdegang des jungen Juristen, in: DJ 1935, S. 586 (587).
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sächlich andere juristische Verwaltungsbeamte in Betracht. Im Ergebnis konnte so jeder beliebige Funktionär des NS-Staates, jeder Funktionär der NSDAP Teil des Prüfungsausschusses sein.200 Der Aufgabenbereich eines Nichtjuristen beschränkte sich aber auf die geschichtliche, „volkskundliche“ Prüfung und die Feststellung der Allgemeinbildung der Prüflinge in der mündlichen Prüfung.201 Es durfte auch nur das fünfte der fünf Mitglieder der Prüfungskommission kein Universitätsprofessor, Richter, Staatsanwalt oder Rechtsanwalt sein (§ 14 Abs. 1 S. 3). Die Qualitäten des Prüfers wurden durch eine Verfügung des Reichsjustizministers vom 24. September 1934 verbindlich festgelegt: Jeder Prüfer hatte „fest im deutschen Volkstum verwurzelt, ein untadeliger Charakter und ein ganzer Mann [. . .]“ zu sein.202 Die Prüfung bestand aus einer häuslichen Arbeit, fünf schriftlichen Arbeiten und einer mündlichen Prüfung (§§ 13, 14). Eine Aufgabe widmete sich dem Recht des deutschen Staates (§ 13 Abs. 2 lit. a), eine dem Familien-, Erb-, Künstler-, Sachen-, oder Vertragsrecht (lit. b), eine dem Strafrecht (lit. c) und eine weitere dem Arbeiter- oder Bauernrecht (lit. d). Zuletzt aufgeführt und neu war die „geschichtliche Aufgabe“ (lit. e). Sie sollte nach Abs. 5 dem „Prüfling Gelegenheit geben, sein Verständnis für die Zusammenhänge der Geschichte des deutschen Volkes darzutun“, wobei der Prüfling nur hier aus drei möglichen Aufgabenstellungen eine wählen durfte. So wurde nicht nur der Prüfungsanteil des zivilrechtlichen Kernbereichs massiv abgewertet, sondern auch ein weltanschaulicher, fachfremder Prüfungsteil eingeführt. Zusätzliche Aufmerksamkeit verlieh die Justizausbildungsordnung der mündlichen Prüfung. Zwar wurde der Anteil der einzelnen Prüfungsteile am Gesamtergebnis nicht festgelegt, allerdings deutete bereits die Zulassungspraxis auf die Bedeutung der mündlichen Prüfung hin: Zugelassen wurde selbst derjenige, der durch alle schriftlichen Arbeiten gefallen war.203 Spätestens am Prüfungsvortrag sollte der Prüfungsvorsitzende mit dem „einzelnen Prüfling Rücksprache nehmen, um schon vor der Prüfung ein Bild von [dessen] Persönlichkeit zu gewin200 Dies betraf unter anderem Ministerialbeamte und Regierungsangehörige, etwa Bürgermeister, vgl. Würfel, Das Reichsjustizministerium, S. 173 f. 201 Richter, in: Palandt/Richter, JAO 1934, § 8, Anm. 2. Für die „volkskundlichen“ Prüfer bürgerte sich bald der Begriff des „völkischen Beobachters“ ein, vgl. Palandt, in: Palandt/Richter, JAO 1939, § 55 Anm. 2. Alternativ wurde er als „brauner Prüfer“ bezeichnet, vgl. BA R 61/348, Bl. 70, 73. Unter den prominenteren Prüfern des volkskundlichen Teils waren aber auch Kronjuristen wie Carl Schmitt, vgl. Würfel, a. a. O., S. 174. Näher zum Werdegang Schmitts im „Dritten Reich“, vgl. unter d) bb) (2). 202 Zitiert nach Richter, in: Palandt/Richter, JAO 1934, § 8, Anm. 4. Praktisch wurden tatsächlich vorrangig treue Nationalsozialisten berufen – oder als Sanktionierung abberufen –, durch persönliche Beziehungen konnten aber auch politisch gemäßigte Juristen ins Prüfungsamt gelangen, vgl. Würfel, Das Reichsjustizministerium, S. 130 f. 203 Dies ergab sich im Grunde bereits daraus, dass die JAO keine Zulassungsvoraussetzungen für die mündliche Prüfung festlegte. Klarstellend aber auch Richter, in: Palandt/Richter, JAO 1934, § 14, Anm. 1.
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nen“ (§ 14 Abs. 2). Ausdrücklich sollte neben den Prüfungsfächern des § 5 die Allgemeinbildung im Sinne des § 4 Abs. 2 einbezogen werden. Dabei sollte dem Prüfling die Gelegenheit gegeben werden, zu beweisen, ob er das Ziel des Rechtsstudiums im Sinne des § 4 erreicht hatte und ob er „eine Einsicht in die inneren Zusammenhänge und in die kulturelle, wirtschaftliche, politische und sonstige Bedeutung der Rechtssätze“ erlangt hat (§ 14 Abs. 5). (d) Vorbereitungsdienst Im Vorbereitungsdienst, dessen Kosten der Referendar selbst zu tragen hatte,204 sollte er wie bisher üblich „zu wachsend selbstständiger beruflicher Tätigkeit“ in den bekannten Bereichen herangezogen werden (§ 27 Abs. 1). Während des Dienstes sollte nach Abs. 2 wiederum dessen „charakterliche Festigung“ gefördert werden. Durch § 34 wurde eine Arbeitsgemeinschaft eingerichtet, die bereits der Verordnung nach auch eine „Vertiefung der fachwissenschaftlichen Kenntnisse“, aber viel mehr eine Erziehung „im Geiste nationalsozialistischer Staatsauffassung“ bieten sollte. Nach Abs. 3 sollte diese in festen Gruppen von bis zu 25 Personen unter der Leitung eines „dazu besonders geeigneten Richters oder Staatsanwalts“, also eines überzeugten Nationalsozialisten205 stehen. Für die Zeit der Teilnahme an einer Arbeitsgemeinschaft erhielten die Referendare ein Zeugnis (§ 36). Jedenfalls die konkrete Benotung sollte aber nur die Leistung, nicht auch die charakterlichen und persönlichen Besonderheiten des Referendars berücksichtigen.206 Die größte Neuerung im Ablauf des Vorbereitungsdienstes war die Einführung eines Gemeinschaftslagers. Das Lager sollte als Teil der großen Staatsprüfung207 zwischen der häuslichen Arbeit und der mündlichen Prüfung sicherstellen, dass der Prüfling diese Zeit nicht zur Anhäufung von „Einzelkenntnissen“ nutzte. Die Ermächtigung für eine Einrichtung teils bereits bestehender Gemeinschaftslager enthielt § 42 Abs. 3. Da sich die Entwicklung des Gemeinschaftslagers im Übrigen unabhängig von der JAO vollzog, wird es an späterer Stelle eingehend für sich betrachtet.208 In der Großen Staatsprüfung hatte der Referendar vier Aufsichtsarbeiten anzufertigen (§ 44 Abs. 1). Drei dieser Arbeiten hatten zur Aufgabe, einen Fall je aus dem bürgerlichen Recht, dem Strafrecht und etwa dem Zwangsvollstreckungsrecht zu bearbeiten (Abs. 2); eine war dem Staats- oder Verwaltungsrecht gewidmet (Abs. 3). Zu diesen im Wesentlichen der früheren Rechtslage entsprechenden 204
Palandt, in: Palandt/Richter, Zweiter Teil, Vorbemerkungen, Anm. 2 (S. 113). Palandt, in: Palandt/Richter, JAO 1934, § 34, Anm. 1. 206 Ohne Hinweis darauf, dass dies vorher anders gewesen sein könnte, Palandt, in: Palandt/Richter, JAO 1939, § 47, Anm. 16. 207 Palandt, in: Palandt/Richter, JAO 1934, § 42, Anm. 3. 208 Siehe unter 3. b). 205
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Prüfungskanon kam eine Arbeit, die „nicht aus einem Fachgebiet, sondern aus der allgemeinen Geschichte, der Wirtschaftskunde oder einem ähnlichen Gebiet zu entnehmen“ war und in der der Prüfling sein über Einzelwissen hinausgehendes Verständnis für Zusammenhänge zu beweisen hatte (§ 44 Abs. 4 S. 1 und 2). Ein Verweis in Abs. 4 S. 3 stellte klar, dass es sich hierbei um nichts anderes als die „geschichtliche Aufgabe“ des § 13 handelte. Die Prüfung schloss erneut mit einer mündlichen Prüfung, die auch einen Aktenvortrag umfasste (§ 45 Abs. 2). Wie in der Ersten Prüfung hatte sich der Kandidat am Vortrag der Prüfung vorzustellen (§§ 45 Abs. 3, 14 Abs. 2). cc) Die Eckhardt’sche Studienordnung des Jahres 1935 Die zweite „Säule“ 209 der Juristenausbildung war die Studienordnung vom 18. Januar 1935, amtlich die „Richtlinien für das Studium der Rechtswissenschaft“, 210 die große Neuerungen für die universitäre Ausbildung mit sich brachte. Die Studienordnung entstammte einem Zusammenwirken des am 1. Mai 1934 auf Initiative der Hochschultagung der NSDAP gegründeten211 Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung unter Bernhard Rust mit der Reichsfachgruppe Hochschullehrer im NSRB.212 War das Reichsjustizministerium für die Rahmengestaltung der Ausbildung der künftigen Justizangehörigen zuständig, fiel dem Reichserziehungsministerium dagegen die inhaltliche Ausgestaltung zu, wenn auch die Zuständigkeitsbereiche nicht im Einzelnen und abschließend verteilt wurden.213 Die Justizausbildungsordnung hatte also nur eine begrenzte Reichweite. Justizausbildungsordnung und Studienordnung standen fortan nebeneinander. Die formelle Leitung der Hochschultagung hatte Carl Schmitt übernommen. Form und Inhalt der Richtlinie gestaltete maßgeblich und ohne besondere Beachtung abweichender Vorschläge allerdings Karl August Eckhardt214 im Auftrag des Erziehungsministeriums. Unter den 170 vertretenen Rechtslehrern waren auch Johannes Heckel, Heinrich Lange, Karl Larenz und Paul Ritterbusch, deren Rolle in der „Kieler Schule“ oder der Akademie für Deutsches Recht an späterer Stelle Erwähnung finden soll.215 209
Jescheck, Die juristische Ausbildung, S. 136. Abgedruckt in: Eckhardt, Das Studium der Rechtswissenschaft (1935), S. 7–15. 211 Vgl. Maier, Nationalsozialistische Hochschulpolitik, S. 87. 212 Jescheck, Die juristische Ausbildung, S. 173. 213 Lang, Die Erziehung des Rechtswahrernachwuchses, in: DR 1939, S. 3 f. 214 Vgl. Nehlsen, Karl August Eckhardt, in: ZRG GA 104 (1987), S. 497 (504). 215 Eckhardt selbst hob allerdings hervor, dass er ganz bewusst keine Ministerialkommission zusammensetzte, sondern sich „sozusagen auf ,völkerrechtlicher‘ Ebene [. . .] zur geistigen Auseinandersetzung“ gestellt hätte. „Neben führenden Männern von Partei und Staat sprachen Dozenten fast aller Rechtsfakultäten; neben Männern der Praxis kamen junge Studenten zu Gehör“, vgl. ders., Das Studium der Rechtswissenschaft (1940), S. 7 f. 210
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In Abschnitt I wurden in einer Art Präambel die „Grundgedanken“ der Richtlinie erläutert: Das Ziel der Studienordnung war die Schaffung einer wahrlich „deutschen“ Rechtswissenschaft, eingeschworen auf das „geistige [. . .] Ringen um neue Werte“ am „Kampfplatz“ der Universität. Dem in der Ausbildungsordnung noch als förderlich geadelten römischen Recht wurde aufgrund seiner vermeintlichen Artfremdheit schon im ersten Absatz der Kampf angesagt. Abschnitt II legte grob den Aufbau des Studiums fest. Der Studienplan war an einer Mindeststudienzeit von sechs Semestern orientiert, ging aber selbst davon aus, dass dies nicht für eine „ausreichende Durchdringung des Stoffes“ genügen würde (Punkt 1). Im Aufbau des Studiums waren wie bei anderen geisteswissenschaftlichen Studiengängen „die völkischen Grundlagen der Wissenschaft“ vorangestellt. Ausdrücklich fielen hierunter die Vorlesungen über Volk, Rasse, Geschichte und Politik, aber auch eine Einführung in die „Sonderaufgaben“ des Juristen (Punkt 2). Hierauf folgte vom dritten bis mindestens zum fünften Semester das Fachstudium, das sich aus Vorlesungen, Übungen, Klausurenkurse, Konversatorien und Seminare zusammensetzte (Punkt 3). Pflichtvorlesungen und ein Belegungszwang in Bezug auf Vorlesungen galten als abgeschafft. Hauptvorlesungen wurden im Studienplan aber mit einem Stern, für besonders wichtig befundene Hauptvorlesungen mit zwei Sternen gekennzeichnet.216 Auch ihr Besuch war allerdings ausdrücklich „völlig freigestellt“ (Punkt 4). Gleichwohl wurde für die Reihenfolge der Belegung der „Hauptvorlesungen“ ein fester Studienplan aufgestellt. Ein früheres Belegen war unzulässig, ein Späteres oder eine Wiederholung dagegen gestattet (Punkt 5). In besagtem Studienplan in Abschnitt V217 wurden die Vorlesungen unterschiedlichen Bereichen zugeordnet. Diese waren: Geschichte, Volk, Stände, Staat, Rechtsverkehr, Rechtsschutz, Außerstaatliches Recht, Rechtsphilosophie, Wirtschaftswissenschaft (für Juristen). Ein Semesterplan erläuterte schließlich die unter den jeweiligen Bezeichnungen abzuhandelnden Themengebiete und welche alten Vorlesungen die neuen ersetzen sollten. Aus dem Studienplan ergab sich – etwas zusammengefasst und gekürzt – folgender Ablauf: In die ersten zwei Semester, die hauptsächlich den „Völkischen Grundlagen“ gewidmet waren, fielen die Vorlesungen „Germanische (oder: Deutsche) Rechtsgeschichte“ (**), die „Verfassungsgeschichte (oder: Rechtsentwicklung) der Neuzeit“ (*), „Deutsches Recht“ (**), „Volk und Staat“ (**), „Familie“ (**), „Volk und Rasse“, „Volkskunde“, „Sippenforschung“,218 „Bauer“ (**), „Vertrag und Unrecht“ (**), „Deutsches Wirtschaftsleben“ (**) und „Volkswirtschaftslehren“ (*). Zu den weiteren zentralen, mit zwei Sternen markierten Vorlesungen des fachjuristischen 216 In der anschließenden Zusammenfassung dargestellt als (*) und (**). Im Original ohne Klammern. 217 Eckhardt, Das Studium der Rechtswissenschaft (1935), S. 9 ff. 218 Diese drei Fächer waren neben dem Fach „neueste politische Geschichte“ die einzigen, die nicht mit wenigstens einem Stern markiert wurden.
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Ausbildungsabschnitts zählten etwa „Arbeiter“, „Verfassung“ und „Verwaltung“, „Boden“, „Handel und Gewerbe“, „Verbrechen und Strafe“, „Rechtsstreit“, das Völkerrecht und die Volkswirtschaftspolitik. In einigen wenigen Fächern schrieb der Studienplan die Einrichtung von Übungen in einem Umfang von 1–2 Wochenstunden vor. Betroffen waren etwa die Fächer „Germanische Rechtsgeschichte“, „Antike (oder: Römische) Rechtsgeschichte“, „Familie“, „Verfassung“ und „Verwaltung“, „Vertrag und Unrecht“ und „Verbrechen und Strafe“.219 Auf den ersten Blick entsprach diese Studienordnung zwei Grundgedanken der Ausbildungsordnung des Vorjahres, indem sie ein Studium der völkischen Grundlagen vor die fachjuristische Ausbildung stellte, den Kanon der schon ihrem Titel nach vom nationalsozialistischen Rechtsdenken geprägten Fächer erweiterte und die Fächer darüber hinaus den oben genannten Lebensgebieten zuwies. Allerdings widersprach die Studienordnung teilweise den Vorschriften der JAO und ging teils über sie hinaus. Die auffälligsten Widersprüche lagen in der vorgenommenen Gewichtung. War das Völkerrecht noch in der JAO von 1934 als Prüfungsfach gestrichen worden, galt es der Studienordnung als immens wichtig und auch den Wirtschaftswissenschaften wurde in der Studienordnung ein außerordentlicher Umfang eingeräumt. Ähnliches gilt für das Kirchenrecht, das Steuer- und das Finanzrecht, die immerhin als Hauptvorlesung eingestuft worden. In der Neubezeichnung der Fächer ging die Studienordnung über die Ausbildungsordnung hinaus. Ein erheblicher Teil an Vorlesungsbezeichnungen war neu und ließ sich auch nicht sofort einem bekannten Rechtsgebiet zuordnen. Die neue Vorlesung „Volk und Staat“ entsprach etwa im Ergebnis am ehesten der früheren allgemeinen Staatslehre.220 Deutlicher wirkte sich die Neufassung der Fächer im Zivilrecht und im Strafrecht aus. War zuvor in beiden Rechtsgebieten zwischen allgemeinen und besonderen Teilen differenziert worden, wurde diese Differenzierung nun aufgegeben. Die neuen Fächer „Vertrag und Unrecht“ 221 und „Verbrechen und Strafe“ 222 traten an die Stelle der traditionellen Kernfächer. „Vertrag und Unrecht“ war dem Semesterplan zufolge eine „[g]rundlegende Vorlesung über vertragliche und deliktische Haftung“. „Verbrechen und Strafe“ enthielt den allgemeinen und besonderen Teil des Strafrechts und sollte bereits nach der neuen Studienordnung eine Verlagerung des Schwergewichts auf den Spez. Teil“ erfahren. 219 Desweiteren fielen abschließend darunter: „Boden“, „Ware und Geld“, „Handel und Gewerbe“, „Gesellschaften“, „Rechtsstreit“, „Volkswirtschaftspolitik“. 220 Vgl. den Semesterplan zum ersten Semester, Eckhardt, Das Studium der Rechtswissenschaft (1935), S. 12. 221 Aus dem Semesterplan (a. a. O., S. 13): „Grundlegende Vorlesung über vertragliche und deliktische Haftung. Übernimmt die Vertragslehren des Allgemeinen Teils und ersetzt den Allgemeinen Teil des Schuldrechts, erstreckt sich ferner auf Geschäftsführung, Ungerechtfertigte Bereicherung, Unerlaubte Handlung.“ 222 Aus dem Semesterplan (a. a. O., S. 13): „Ersetzt ,Strafrecht, Allg. Teil und Spez. Teil‘. Verlagerung des Schwergewichts auf den Spez. Teil ist anzustreben.“
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Der dritte Abschnitt enthielt Leitsätze für die Fakultäten. Darunter fiel etwa die Aufforderung zum Angebot mehrerer paralleler Hauptvorlesungen (Punkt 3) und das Angebot von Übungen im gleichen Semester der zugehörigen Vorlesung (Punkt 5). Abschnitt IV stellte schließlich Leitsätze für die Studenten auf. Ausdrücklich wurde von einer bloßen Wissensanhäufung beim „Pauker“, also beim Repetitor, abgeraten (Punkt 1). Stattdessen wurde ihnen empfohlen, sich zum Studieren bevorzugt an rechtswissenschaftlichen Fakultäten einzuschreiben, die „als politischer Stoßtrupp ausersehen“ waren. Diese Vorreiter im nationalsozialistischen Sinne reformierter Universitäten waren zunächst Kiel, Breslau und Königsberg (Punkt 2). Ausdrücklich wurde darauf verwiesen, dass nur die Vorlesungen belegt werden sollten, die die Studenten „wirklich hören“ wollten – „nicht das Testierbuch, sondern die Leistung entscheidet in der Prüfung“ – und dass die Sterne im Studienplan nur Wegweiser seien (Punkt 4).223 Zuletzt wurde der freiwillige Zusammenschluss der Studenten in Arbeitsgemeinschaften angeraten (Punkt 5). Trotz ihrer relativen Kürze legte die neue Studienordnung den Studienaufbau detailliert fest und zeichnete ein gänzlich neues Bild von der Juristenausbildung. Im Übrigen zeichnete sie sich durch einige inhaltliche Widersprüche zur Justizausbildungsordnung aus. Diese waren – wie später zu zeigen sein wird – nicht nur auf die unterschiedlichen aber sich gleichzeitig überschneidenden Zuständigkeiten von Reichsjustizministerium und Reicherziehungsministerium zurückzuführen, sondern auch auf im Detail durchaus unterschiedliche Vorstellungen224 in der Konzeption einer nationalsozialistischen Juristenausbildung. dd) Die Ausbildungsordnung für den höheren Verwaltungsdienst von 1937 Die Ausbildung der künftigen Beamten des höheren Verwaltungsdienstes wurde erst durch die Verordnung über die Ausbildung für den höheren Dienst in der allgemeinen und inneren Verwaltung vom 20. Juni 1937225 reformiert. Auch diese teilte sich in ein Hochschulstudium und einen Vorbereitungsdienst mit zweiter Prüfung. Für das Hochschulstudium wurde lediglich auf die Bestimmungen der JAO 1934 verwiesen. (§ 1 Abs. 2, 3). Der Vorbereitungsdienst war allerdings ausdrücklich ein „Regierungsreferendariat“. Um in dieses übernommen zu werden, hatte der Aspirant zunächst eine siebenmonatige Vorbereitungszeit als Gerichtsreferendar abzuleisten (§ 3). Prüfungs223 Weiter heißt es: „Wer sich allein nach [den Sternen im Studienplan] richtet, handelt wie der Reisende, der Sehenswürdigkeiten nach dem Reisehandbuch abklappert. Laßt ruhig Hauptvorlesungen aus, die euch nicht anziehen, und hört dafür um so mehr Wahlvorlesungen auf Gebieten, die euch fesseln!“. 224 Siehe hierzu in diesem Abschnitt, c) dd). 225 RGBl. I 1937, S. 666.
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stoff für die künftigen Regierungsassessoren waren etwa „die Grundlagen des nationalsozialistischen Staates, die Geschichte des deutschen Volkes, das Recht von Volk und Staat, einschließlich der Rassenlehre“ und erst hiernach einzelne Rechtsgebiete wie das Verfassungsrecht, das Arbeits- und Wirtschaftsrecht und das bürgerliche Recht (§ 7 Abs. 2). ee) Folgereformen der Juristenausbildung (1) Die Justizausbildungsordnung vom 4. Januar 1939 Zu Beginn des Jahres 1939 wurde die JAO anlässlich des Anschlusses Österreichs zuletzt reformiert (JAO 1939).226 Dabei enthielt die neue Ausbildungsordnung nur wenige Änderungen.227 Bezüglich der inhaltlichen Studiengestaltung wurde eine Neueinteilung der Studien- und Prüfungsfächer des Fachstudiums vorgenommen: Diese waren weiterhin nach Lebensgebieten abgegrenzt, wenngleich auch eine Rückkehr zu konventionelleren Bezeichnungen erfolgte.228 Das „deutsche Gemeinrecht“ erfasste etwa die „Lehre von den Rechtsträgern“, das Schuldrecht und das Sachenrecht (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 JAO 1939). Offiziell in den Kanon der Prüfungsfächer eingeführt wurde auch das „Recht zum Schutze von Rasse und Volksgebundenheit“, das in seiner Gesamtheit erst nach dem Erlass der ersten Ausbildungsordnung wesentliche rechtliche Ausgestaltung erfahren hatte.229 Weiterhin wurde das Völkerrecht als Teil des deutschen Staatsrechts in Nr. 1 aufgenommen. Damit wurden auch die Themen der schriftlichen Aufsichtsarbeiten angepasst. Nach § 18 Abs. 2 waren weiterhin eine Aufgabe aus dem Staats- und Verwaltungsrecht (lit. a) und dem Strafrecht (lit. c) sowie eine geschichtliche Aufgabe (lit. e) zu bearbeiten. Zur Aufsichtsarbeit im „Gemeinrecht“ (lit. b) und im Bauern- und Arbeitsrecht kamen nun noch das Wirtschaftsrecht230 und das „Rasserecht“ (lit. d). Im Ablauf des Vorbereitungsdiensts wurde die Verwaltungsstation abgewertet: sie konnte nur noch auf Antrag abgeleistet werden (§ 37 Abs. 3). Weiter hervorgehoben und ausgestaltet wurden dafür die Arbeitsgemeinschaften: So wurde bestimmt, dass innerhalb der Arbeitsgemeinschaft neben Vorträgen auch Fahrten und Wanderungen stattfinden sollten (§ 47 Abs. 4) und ein wöchentlicher Gemeinschaftstag abzuhalten war (Abs. 7). Das Gemeinschaftslager und seine Grundlagen wurden in § 48 aufgenommen, der den vorher wesentlich weiter gefassten § 42 ersetzte.
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RGBl. I 1939, S. 5. Freisler, Zur neuen Justizausbildung, in: DJ 1939, S. 116. So auch Pientka, Juristenausbildung, S. 59. Richter, in: Palandt/Richter, JAO 1939, § 6, Anm. 19. Das zuvor nur in Grundzügen verlangt wurde.
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(2) Einzelne Änderungen nach Kriegsbeginn Unmittelbar mit Kriegsbeginn wurde ebenfalls begonnen, Prüfungserleichterungen für Wehrdienstleistende und damit Anreize für die Kriegsteilnahme zu schaffen.231 Unter dem Eindruck des Krieges wurde am 10. Juli 1944 eine letzte Studienordnung erlassen, die diejenige aus dem Jahr 1935 ersetzte.232 Wohl auch in Erwartung einer Rückkehr zur Normalität enthielt sie einige inhaltliche Änderungen, darunter eine Ausdehnung der Wirtschaftswissenschaften und die Neuverortung juristischer Inhalte auch in den ersten beiden Semestern, die bislang der weltanschaulichen Schulung vorbehalten waren.233 Ebenfalls fällt die teilweise Rückkehr zu traditionellen Fächerbezeichnungen auf: Das Strafrecht hieß wieder Strafrecht, nicht mehr „Verbrechen und Strafe“, „Familienerbe“ hieß nun „Familiengüter- und Erbrecht“. „Volk und Rasse“ verschwand; „Volkskunde und Volkstumspolitik“ fiel unter die sonstigen empfehlenswerten, vom Studienplan nicht vorgeschriebenen Fächer. Gänzlich neu eingeführt wurden Praktiker-Arbeitsgemeinschaften, die das Bürgerliche Recht, das Strafrecht oder die Verwaltung behandeln sollten. Durch das baldige Kriegsende blieb die Reform ohne praktische Relevanz.234 ff) Beobachtungen Die Justizausbildungsordnungen und auch die Eckhardt’sche Studienordnung setzten zwar eine Zäsur im Ausbildungsrecht und stellten die Ausbildung ersichtlich auf eine weltanschauliche Basis; die innere Logik und der grobe Aufbau der preußischen Juristenausbildung blieben allerdings beibehalten. Die wesentlichen Neuerungen des Juristenausbildungsrechts waren auf der inhaltlichen Ebene eine tiefgreifende, lückenlose Implementierung nationalsozialistischer Weltanschauung in Form der völkischen Allgemeinbildung und der Einbezug neuer nationalsozialistischer Gesetzgebung. Darüber hinaus gab es – jedenfalls bei der Betrachtung des reinen Normtextes – wenige inhaltliche Reformen, auch wenn sowohl in der Ausbildungsordnung als auch in der Studienordnung die Mühe bei der Neuaufteilung und Neubenennung der Fächer auffällt. Auf der organisatorischen Ebene fallen die Reform des Prüfungswesens auf, darunter die teilweise Öffnung der Prüferriegen für alle Vertreter des NS-Staates, die Einführung einer geschichtlichen Aufgabe und der Fokus auf die verstärkt charakterbezogene mündliche Prüfung. Hinzu kamen freilich die an Universitä-
231
Vgl. VO vom 2.9.1939, RGBl. I 1939, S. 1606; VO in: DJ 1941, S. 577. Abgedruckt in: Deutsche Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung 1944, S. 202 ff. 233 Vgl. Pientka, Juristenausbildung, S. 108 ff. 234 Pientka, Juristenausbildung, S. 107. 232
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ten, vor allem aber auch im Vorbereitungsdienst etablierten Arbeitsgemeinschaften und auch die Einführung des Gemeinschaftslagers. b) Das Gemeinschaftslager „Hanns Kerrl“ Als vollständig neuer Teil der juristischen Ausbildung soll das Gemeinschaftslager – nicht zu verwechseln mit der Arbeitsgemeinschaft – an dieser Stelle gesondert Erwähnung finden. Das Gemeinschaftslager in Jüterbog wurde durch Verordnung des Preußischen Justizministeriums vom 29. Juni 1933,235 genauer: durch Justizminister und Gründungsmitglied der Akademie für Deutsches Recht, Hanns Kerrl, begründet, nach dem es später auch benannt wurde. In ihrer Präambel statuierte die Verordnung die Anforderungen an den neuen Juristen des „Dritten Reiches“: ihm „kann nicht genügen, daß der künftige Richter und Staatsanwalt eine gute fachwissenschaftliche Vorbildung und praktische Einarbeitung sowie intellektuelle Eignung [. . .] nachweist. Der nationalsozialistische Staat muss vor allen Dingen wissen, daß derjenige, den er als Richter oder Staatsanwalt mit der Wahrnehmung wichtigster Hoheitsaufgaben des Staates zu betrauen gedenkt, ein Charakter, ein deutscher Mann ist“.236 Um das zu beweisen, sollte der Referendar zwischen schriftlicher und mündlicher großer Prüfung sechs Wochen im Gemeinschaftslager (Nr. 1 der VO) auf „kameradschaftlicher Grundlage unter vollster Durchführung des Führergedankens“ (Nr. 3 S. 1) in „Einfachheit und Schlichtheit“ (Nr. 6) leben. Dabei war der Besuch des Lagers ausdrücklich Teil der Prüfung und eine in dieser Zeit vorgenommene Charakteranalyse wurde in die Prüfungsakten aufgenommen (Nr. 5). Das Lagerleben schloss gleichzeitig ausdrücklich die direkte Vorbereitung auf die Prüfung aus (Nr. 3 S. 2). Die „Hauptgedanken“ des Lagers waren Unterordnung, Herrschaft und Kameradschaft.237 Dies wurde symbolisiert durch Uniformen und waffenloses, aber martialisches Auftreten.238 Die Hauptbetätigungen waren die körperliche Ertüchtigung – Sport mit militärischen Anleihen239 – und der Erwerb geistiger, also politischer und weltanschaulicher Bildung. Dazu gehörten ausdrücklich nicht „nüchterne, wissenschaftliche Abhandlungen“, die den Verstand hätten erweitern sollen, sondern solche, in denen der „Glaube an Deutschland und an sein völkisches Lebensrecht“ im Mittelpunkt stand. Die Dozenten, bewährte Nationalsozialisten,240 sollten dabei mit „ganzer Kraft“ das 235
PrJMBl. 1933 I, S. 210. Zu den Übereinstimmungen der Formulierungen mit denen in Hitlers „Mein Kampf“ näher Schmerbach, Das „Gemeinschaftslager Hanns Kerrl“, S. 23. 237 Freisler/Kunisch/Spieler, Das Gemeinschaftslager „Hanns Kerrl“, S. 21; Haffner, Geschichte eines Deutschen, S. 270 f. 238 Haffner, Geschichte eines Deutschen, S. 264. 239 Freisler/Kunisch/Spieler, Das Gemeinschaftslager „Hanns Kerrl“, S. 12, 18. 240 Heuß, Gemeinschaftslager für Referendare, in: JW 1933, S. 2495 (2496). 236
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„Gemüt der Hörer [. . .] beeindrucken“.241 Sämtliche juristischen Ausbildungsmaterialien waren dagegen zunächst verboten und bereits bei der Ankunft im Lager abzugeben.242 Im Jahr 1935 wurde durch Verordnung vom 9. März 1935 diese besonders körperliche Form der Ausbildung durch Vorträge erweitert.243 Im Oktober 1937 wurde durch neuerliche Verordnung schließlich doch die fachliche Ausbildung weiter in den Mittelpunkt des Lagers gerückt: Gerade das Rasse- und Erbgesundheitsrecht und das Arbeitsrecht fanden besondere Erwähnung; die weltanschaulichen Grundlagen wurden vertieft.244 Mit dem Kriegsausbruch im September 1939 wurde das Lager geschlossen.245 In der Zeit seines Bestehens nahmen etwa 20.000 Referendare am Gemeinschaftslager „Hanns Kerrl“ teil. War es zunächst nur für preußische Referendare vorgesehen, wurde es noch 1934 für Referendare einiger anderer Ausbildungsbezirke geöffnet.246 Ab Ende Januar 1936 war der Besuch des Gemeinschaftslagers für alle Referendare verpflichtend.247 Zum Symbol des Gemeinschaftslagers war ein am Galgen aufgeknüpftes Paragraphenzeichen geworden.248 Aus heutiger Betrachtung mag dieser wohl durchaus auch die Rechtsfeindlichkeit des Regimes verdeutlichen; tatsächlich aber dürfte das Symbol eher auf die später immer weiter aufgeweichte Vorstellung eines von der Rechtswissenschaft freien Lagers zurückgehen. c) Reformdebatten und Erwägungen Bereits die Betrachtung des Ausbildungsrechts macht deutlich, dass sich der politische Wille des Verordnungsgebers regelmäßig bereits in den Vorschriften selbst niedergeschlagen hatte. Ebenfalls im Unterschied zur Weimarer Republik legten die Vertreter des NS-Staates ihre rechtspolitischen Reformerwägungen häufiger öffentlich dar. Besonders prominent tritt dabei neben anderen Veröffentlichungen der staatliche Kommentar von Otto Palandt und Heinrich Richter hervor.249 Damit blieb nicht nur kaum Platz für Interpretation; eine Entscheidung 241
Freisler/Kunisch/Spieler, Das Gemeinschaftslager „Hanns Kerrl“, S. 21. Freisler/Kunisch/Spieler, Das Gemeinschaftslager „Hanns Kerrl“, S. 20. 243 Verordnung des RJM vom 9. März 1935, RGBl. I 1935, S. 359. 244 Schmerbach, Das „Gemeinschaftslager Hanns Kerrl“, S. 122. 245 Schmerbach, Das „Gemeinschaftslager Hanns Kerrl“, S. 255. 246 Kundgabe, abgedruckt in: DJZ 1934, Sp. 1480. 247 AV des RJM vom 30.1.1936, abgedruckt in: DJ 1936, S. 167. 248 Abb. in Freisler/Kunisch/Spieler, Das Gemeinschaftslager „Hanns Kerrl“, S. 51. 249 Dabei wurden die §§ 1–14 vom Kammergerichtsrat Richter, die §§ 25–48 vom Präsidenten des preußischen Landesjustizprüfungsamtes und kommissarischen Präsidenten des Reichsjustizprüfungsamtes Otto Palandt kommentiert, vgl. Palandt/Richter, Vorwort, S. XI. Roland Freisler verfasste ein Geleitwort (S. V–X). Neben eigenen Erwägungen enthielt der Kommentar auch eine Zusammenfassung der zahlreichen Einzelverordnungen, die seitens des Preußischen und schließlich des Reichsjustizministeriums erlassen wurden. 242
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durch die Ministerien und damit durch hohe Funktionäre des NS-Staates erlaubte Widersprüche überhaupt nur in engstem Rahmen. Mehr als zuvor wird es daher um unwidersprochene staatliche Erwägungen als um Beiträge zur Reformdebatte gehen. Auch im Nationalsozialismus finden sich aber, wenngleich in geringerer Anzahl, Beiträge zur Juristenausbildung in Zeitschriften und Monografien. Soweit der Staat sich für die Mitarbeit der Juristen und der juristischen Fakultäten offen gab, waren damit ausschließlich die nationalsozialistischen Rechtslehrer gemeint, die als Mitglieder des BNSDJ, später des NSRB, oder der Akademie für Deutsches Recht aktiv an der Umsetzung der nationalsozialistischen Weltanschauung in die Rechtswissenschaft mitwirkten, ohne dabei selbst als Gesetzgeber aufzutreten.250 Die Rechtszeitschriften, in denen zu Weimarer Zeit ein wesentlicher Teil der Debatte geführt worden war, wurden gleichgeschaltet: Bei der Zeitschrift „Deutsches Recht“ (DR) handelte es sich um ein Organ des BNSDJ unter Reichsjuristenführer Hans Frank, die „Deutsche Rechtspflege“ war eines des NSRB, die „Deutsche Rechtswissenschaft“ wurde maßgeblich durch Karl August Eckhardt geprägt251 und die „Deutsche Juristenzeitung“ (DJZ) diente mittlerweile als Sprachrohr zwischen Frank und den Hochschullehrern in der Reichsfachgruppe.252 Der Diskurs war somit von gleichgeschalteten quasistaatlichen Organen beherrscht, die im Wesentlichen die gleiche politische Stoßrichtung aufwiesen. Die Gründungen des Zeitschriftenamts des BNSDJ im November 1933 und des Amtes für Rechtszeitschriften im Reichsrechtsamt der NSDAP im März 1935 gewährleisteten eine effektive Zensur des Schrifttums: Öffentliche Äußerungen, auch kritische, hatten im Einklang mit der Auffassung der Führung zu stehen oder durften den Herrschaftsanspruch jedenfalls nicht in Frage stellen.253 Eine absolute Meinungseinheit war zwar nicht vorgesehen; die Grenzen des Diskurses allerdings politisch eng gefasst. Die öffentliche Debatte, die grundsätzlich jedem nationalsozialistisch gesonnenen Hochschullehrer offenstand, hatte an Einfluss auf die Entwicklung verloren. Die konkreten Reformvorschläge und -erwägungen stammten aus den Reihen der mit der Erziehungsfrage beauftragten Akademie für Deutsches Recht254 oder 250 Noetzold, Die Akademie für Deutsches Recht, in: DJZ 1934, Sp. 841 (843); Rühle, Jugend und Recht, in: JW 1933, S. 2093. 251 Nehlsen, Karl August Eckhardt, in: ZRG GA 104 (1987), S. 497 (505); Rüthers, Entartetes Recht, S. 49. 252 Schmitt, Editorial, in: DJZ 1934, Sp. 690 f. Siehe im Übrigen die Titelseiten der jeweiligen Zeitschriften. 253 Vgl. Kisch, Der deutsche Rechtslehrer, S. 52; Sunnus, Der NS-Rechtswahrerbund, S. 71 f. 254 Noetzold, Die Akademie für Deutsches Recht, in: DJZ 1934, Sp. 841 (842); Schraut, Die Akademie für Deutsches Recht, in: JW 1933, S. 2092.
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aber von den Juristen, die über das Reichserziehungsministerium gerade in Form der Studienordnung zur Umsetzung ihrer Ideen schreiten konnten. Unter letzteren war mit dem Himmler nahestehenden255 Karl August Eckhardt der Urheber der Studienordnung selbst. Dazu gehörten aber auch andere Rechtslehrer, die an der „Stoßtruppfakultät“ Kiel vorübergehend die illustre, radikal nationalsozialistische „Kieler Schule“ bildeten. Neben Eckhardt waren das unter anderem E.R. Huber, Karl Larenz, Paul Ritterbusch und Wolfgang Siebert.256 Zum Dunstkreis der Gruppe gehörte nicht zuletzt der einflussreiche Reinhard Höhn.257 Unter den prominentesten, am Diskurs beteiligten Mitgliedern der Akademie waren der Initiator des Volksgesetzbuches Heinrich Lange258 sowie Frank selbst, dessen Einfluss bis 1939 seinerseits in die Parteispitze reichte. Der innere Konflikt der – vom gleichen Geiste getriebenen – Interessengruppen lässt sich in fachlicher Hinsicht etwa an der Auseinandersetzung um einen den Universitäten zugeleiteten Reformplan der Akademie für Deutsches Recht aus dem Jahre 1939 aufzeigen, der nicht etwa die Justizausbildungsordnung, sondern die durch Eckhardt geprägte Studienordnung betreffen sollte.259 Die teils unerwartet pragmatischen Reformvorschläge der Akademie wurden von den Kielern,260 vor allem wohl Larenz und Ritterbusch261 in einer harschen Stellungnahme als „wissenschafts-reaktionär“ zurückgewiesen.262 Eine Eskalation des Streits durch Beteiligung höchster Reichsfunktionäre wurde durch das Eingreifen Franks unter Involvierung des Führerstabs abgewendet, womit er gleichzeitig die
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Nehlsen, Karl August Eckhardt, in: ZRG GA 104 (1987), S. 497 (503). Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 3, S. 279 ff. 257 Näher zu dessen Bedeutung in der Staatslehre, in diesem Abschnitt, d) bb) (2). 258 Vgl. Frassek, Reformbestrebungen, in: ZRG GA 111 (1994), S. 564 (585); Frassek, Juristenausbildung, in: ZRG GA 107 (2000), S. 294 (314). 259 Frassek, Reformbestrebungen, in: ZRG GA 111 (1994), S. 564 (577). Dabei stützt Frassek seine Vermutungen über den Inhalt des Entwurfs auf die Reaktion der Kieler Schule. 1939 wurde der „Drei-Männer-Entwurf Lange-Weber-Felgenträger“ im Ausschuss für die Überprüfung der rechtswissenschaftlichen Studienordnung in der Akademie für Deutsches Recht am 6.5.1939 besprochen, BA R 61/348, Bl. 153 ff. 260 Mit „Kieler“ oder „Kieler Schule“ ist im Folgenden der Kreis um Eckhardt gemeint, der nicht zu jedem Zeitpunkt oder – im Falle Höhns – gar nicht unmittelbar zur „Kieler Schule“ oder zur Kieler Rechtslehrerschaft gehörte, ihr und ihren Ideen aber nahestand, vgl. auch Frassek, Reformbestrebungen, in: ZRG GA 111 (1994), S. 564 (577), Fn. 45. 261 Frassek, Reformbestrebungen, in: ZRG GA 111 (1994), S. 564 (577). 262 Vgl. Larenz et al., Stellungnahme zum Akademieentwurf, abgedruckt in: Frassek, Reformbestrebungen, in: ZRG GA 111 (1994), S. 586 (590). Die Autorenschaft Larenz’ und eine Beteiligung anderer ,Kieler‘, insbesondere Busses, Dahms, Ritterbuschs und Sieberts schließt Frassek aus Notizen in den Entwürfen und aus der Zusammensetzung des Verteilers. Die genaue Autorenschaft ist aber ungeklärt. Vgl. Frassek, Reformbestrebungen, in: ZRG GA 111 (1994), S. 564 (577). 256
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Zuständigkeit für Fragen der Ausbildung des Juristennachwuchses vollständig an sich zog.263 Ein über rechtspolitische Differenzen hinausgehender Machtstreit zwischen Himmler und Frank trug neben dem Eintreten des Letzteren für die Beibehaltung der Bedeutung des Rechts und einiger rechtsstaatlicher Grundsätze264 allerdings dazu bei, dass Frank schon bald darauf entlassen wurde.265 Eckhardt war seinerseits bereits 1937, trotz der Unterstützung durch Himmler und Heydrich, durch Hitler persönlich entmachtet worden, nachdem ein 1934 erschienener positiver Nachruf auf einen jüdischen Hochschullehrer bekannt wurde.266 Auch Lange, der eine Privatfehde mit Eckhardt führte, hinter der gleichzeitig eine Konkurrenz der „Stoßtruppfakultäten“ Kiel und Breslau schwelte,267 trat mit dem Ende der dreißiger Jahre ruhiger auf.268 Zur umfassenden, vereinfachenden Studienreform, die noch für das Jahr 1940 vorgesehen war,269 kam es in Ansätzen erst mit der Studienordnung des Jahres 1944. Die Frage der Juristenausbildung war stetig von einer nationalsozialistischen Machtfrage begleitet – allgemein wie speziell in der Wissenschaft und der Rechtspolitik. Im Kern wird den Beteiligten gleichwohl ein ähnliches Leitbild des Juristen zugrunde gelegen haben, das auf nur im Detail unterschiedlichem Wege zu erreichen war: Wenngleich das Leitbild der juristischen Ausbildung im Nationalsozialismus also ohne Zweifel nur das des „nationalsozialistischen Juristen“ gewesen sein kann, bietet die Bedeutung, die den einzelnen Fächern und Ausbildungsmodalitäten zugemessen wurde, die Möglichkeit einer weiteren Ausdifferenzierung. aa) Zielvorstellungen Mit der Vereinheitlichung des Studiums entfiel eine der größten Problemstellungen der Ausbildungspolitik. Damit konnte der gesamten Juristenausbildung 263 Frassek, Reformbestrebungen, in: ZRG GA 111 (1994), S. 564 (579 f.). Zuständig war daraufhin das Reichsrechtsamt unter Frank, vgl. BA R 61/348, Bl. 37. Hierzu Frank, ebd.: „Das ist auch logisch [. . .], denn es ist selbstverständlich, daß auf Seiten der Partei nicht zwei verschiedene Meinungen bestehen können.“ 264 Siehe oben unter 2. b) bb) sowie in diesem Abschnitt unter ff) zu Franks Eintreten für die Richterschaft. 265 Angermund, Deutsche Richterschaft, S. 253; Frassek, Juristenausbildung, in: ZRG GA 117, S. 297 (333 f.). 266 Nehlsen, Karl August Eckhardt, in: ZRG GA 104 (1987), S. 497 (508 ff.). Er stieg zwar trotz der Ablehnung durch Hitler in den Reihen der SS auf, sodass Nehlsen von einer „politischen Rehabilitierung“ spricht (vgl. ders., a. a. O., S. 512; seine rechtspolitische Bedeutung, gerade in Bezug auf die Juristenausbildung ging allerdings weit zurück. 267 Ditt, „Stoßtruppfakultät Breslau“, S. 257, 259 f., 268 Ditt, „Stoßtruppfakultät Breslau“, S. 266. 269 In dieser Erwartung etwa von Schwerin, BA R 61/348, Bl. 153.
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eine neue Richtung gegeben werden. Die formulierten, allgemeinen Zielvorstellungen nehmen das Ergebnis einer noch folgenden Gesamtschau teilweise vorweg: Am Ende der Ausbildung sollte ein wahrlich nationalsozialistischer Jurist stehen: Von weltanschaulicher Allgemeinbildung durchdrungen, ebenso fachlich gebildet und nicht zuletzt auch politisch befähigt,270 sollte er treu zum Staate und zum Volke sein.271 Einigkeit bestand darin, dass die gesamte Ausbildung einschließlich ihrer Prüfungen auf eine Charakter- und Persönlichkeitsbildung des Studenten ausgerichtet sein musste.272 Die Erziehung zum Nationalsozialismus war von Anfang an eines der Hauptanliegen,273 ohne das eine fachliche Ausbildung, die ihrerseits stets die nationalsozialistische Rechtskonzeption beachten musste, undenkbar war. bb) Zulassungsvoraussetzungen Erneut stand im Nationalsozialismus die Frage der Überfüllung der Hochschulen im Raum. Erschien diese nicht jedermann überhaupt problematisch,274 wurde auf sie direkt mit der Begrenzung der Studienzeit eingegangen. Forderungen nach besonders harter Auslese275 wurde nicht entsprochen, schließlich hatte bereits der Ausschluss jüdischer Studierender zu geringeren Studentenzahlen und damit einer Entspannung der Lage an den Universitäten geführt.276 cc) Organisation und Aufbau der Ausbildung (1) Studium Erneut wurde die Dauer der Ausbildung thematisiert. Nun stand im Hintergrund allerdings vor allem die Familienpolitik der Nationalsozialisten, die einen schnellen Abschluss mit einer schnellen Familiengründung verbunden sehen wollte.277 Eine angedachte Verkürzung des Studiums auf vier Semester wurde im Jahr 1939 allerdings einhellig abgelehnt: Der Student durchlaufe die wissen-
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Jescheck, Die juristische Ausbildung, S. 150. Kisch, Rede zum Deutschen Juristentag am 1.10.33, abgedruckt in: Schraut, Deutscher Juristentag, S. 33 (34). 272 Blomeyer, Erneuerungsbewegung und Juristenausbildung, in: DJZ 1933, Sp. 1410; Jescheck, Die juristische Ausbildung, S. 143, 149 f.; Schwister, Leitsätze über die Ausbildung der Juristen, in: DJZ 1933, Sp. 1057 (1058). 273 Heuß, Die politische Schuldung des Juristen, in: DRiZ 1033, S. 297 f. 274 Seidel, Über die wirtschaftliche Not des juristischen Nachwuchses, in: DJZ 1935, Sp. 22. 275 Schwister, Universität und Auslese, in: DJZ 1933, Sp. 263 (267). 276 Vgl. Schaffstein, Politische Universität, in: DJZ 1934, Sp. 511 (514). 277 Rothenberger, Die Reform der juristischen Ausbildung, in: ZAkDR 1939, S. 145 (145, 149). 271
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schaftliche Ausbildung ein einziges Mal in seinem Leben – sie müsse „deshalb hoch und heilig gehalten werden“.278 Besonders auffällig sind die Reformen im Studienablauf durch die Studienordnung. Die Einführung der studentischen Arbeitsgemeinschaften sollte der gegenseitigen weltanschaulichen Erziehung der Studenten dienen.279 Die Streichung von Pflichtvorlesungen durch den Studienplan von 1935 und die Aufhebung des Belegungszwanges erklärte Eckhardt damit, dass dadurch dem Interesse der Studenten ein größerer Raum gelassen werden sollte.280 Von „Normaljuristen“, also Studenten, die sich mangels „größere[n] geistigen Fassungsvermögen[s]“ nicht für „fortschrittliche [. . .] Vorlesungen und Seminare“ eigneten, wurde erwartet, dass sie selbstständig Arbeitsgemeinschaften gründeten.281 Dieser Anschein eines erstaunlichen Maßes an Lehrfreiheit trügt allerdings: Um sich auf die Prüfung vorzubereiten, hatten die Studenten früher oder später ohnehin zahlreiche Veranstaltungen zu besuchen. In der konkreten Wahl der Veranstaltungen waren sie zwar frei; da sie eine Vorlesung aber nicht früher hören durften als vorgesehen, war ein grundlegender Ablauf vorbestimmt. Erst zum Ende der dreißiger Jahre wurde dieser Ansatz Eckhardts als impraktikable „Uebertreibung der akademischen Freiheit des 19. Jahrhunderts“, entstanden aus dem „großem idealistischen Schwung“ des Jahres 1934, wieder vermehrt kritisiert und eine Rückkehr zum „Hörzwang“ befürwortet.282 Überlegungen zu Reformen des Prüfungsprozesses gab es vergleichsweise selten. Geradezu vehement bemühten sich die Hochschullehrer, vor allem in der Akademie für Deutsches Recht, die Stellung der universitären Ausbildung durch den Wandel der ersten Prüfung von einer Eingangsprüfung für den Justizdienst zu einer wissenschaftlichen Abschlussprüfung zu stärken. Dafür gab es ganz unterschiedliche Beweggründe. Otto Koellreutter etwa sah in der Justiz eine „richtige unpolitische Haltung [, die] bei ihr verständlich und sogar notwendig“ gewesen wäre, sie aber ungeeignet für die politische Umsetzung der juristischen Prüfungen machte.283 Umgekehrt wurde seitens der Justizverwaltung – neben einem Verweis auf die Einheitlichkeit der Prüfung – vorgebracht, auf die Ausgestaltung
278 So Hedemann vor der Akademie für Deutsches Recht, BA R 61/348, Bl. 139. Beachtlicherweise scheute man sich auch im Mai 1939 zudem davor, in der Studienzeit hinter den europäischen Standard zurückzufallen, vgl. BA R 61/348, Bl. 119. 279 Schneider, Fachschaftsarbeit, in; DJZ 1934, Sp. 607 (608). 280 Eckhardt, Das Studium der Rechtswissenschaft (1935), S. 31 f. 281 Eckhardt, Das Studium der Rechtswissenschaft (1935), S. 19. Damit bezog sich Eckhardt nicht auf die Arbeitsgemeinschaften der Fachschaften, sondern auf studentische Lerngemeinschaften. 282 Vgl. Weber vor der Akademie für Deutsches Recht, BA R 61/348, Bl. 85 f.; ähnlich von Schwerin, a. a. O., Bl. 68. 283 Koellreutter, Wesen und Gestalt der ersten juristischen Prüfung, ZAkDR 1938, S. 255 (256).
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als Eingangsprüfung könnte nicht verzichtet werden, weil die Universitäten keine Gewähr dafür böten, „daß auch die charakterliche Seite genügend berücksichtigt würde“.284 Dem Großteil der Fürsprecher einer universitären Abschlussprüfung schien es aber weniger um die Effektivität der politischen Ausbildung und Charakterprüfung besorgt. Vielmehr gingen sie davon aus, dass die Prüfungsinhalte auf diesem Wege besser mit den Lehrinhalten abzustimmen wären, was das Verhältnis der Studenten zu den Professoren intensivieren und das Interesse der Studenten an den Vorlesungen wecken sollte – auch um sie so von den Repetitorien fernzuhalten.285 Aufgrund des Widerstandes des Justizministeriums blieb es jedoch bei der Eingangsprüfung.286 Im Übrigen nahm keiner der öffentlichen Beiträge Stellung zur früher noch undenkbaren Aufweichung juristischer Exklusivität in den Prüfungsämtern.287 Nur die Einführung des Führerprinzips in den Prüfungen wurde als hinderlich für einen angemessenen Ausgleich zwischen der Wertung der Theoretiker und Praktiker wahrgenommen.288 Eine derartige Kritik am Führerprinzip als zentrales Organisationsprinzip musste selbstverständlich folgenlos bleiben. Nach den Kommentatoren sollte die mündliche Prüfung zwar weiterhin eine „juristische Fachprüfung“ sein,289 tatsächlich galt sie aber als „der wichtigste und entscheidende Teil der ganzen Prüfung“, weil sich erst hier dessen wahre Persönlichkeit und Fähigkeiten zeigten.290 (2) Vorbereitungsdienst Im Vorbereitungsdienst zeigten sich insbesondere mit der Einführung des Gemeinschaftslagers deutliche Änderungen im äußeren Ablauf. In exponiertem Maße diente es einer Charakterbildung; dem Erlernen der Unterordnung der eigenen Person im soldatischen Stil. Dabei sollte die harte Arbeit vor Ort die geistige Zugänglichkeit des ermatteten Referendars erhöhen.291 Die Zusammenarbeit von Akademikern und Arbeitern sollte die Aufhebung der Stände symbolisieren292 und so die Existenz einer Volkseinheit belegen. Aufgrund der vielen Ebenen der 284
Kreuzfeld vor der Akademie für Deutsches Recht, BA R 61/348, Bl. 90. Jeweils die Wortbeiträge von Weber, Heymann, von Schwerin und Lange, vor dem Ausschuss für die Überprüfung der Studienordnung der Akademie für Deutsches Recht, BA R 61/348, Bl. 88, 92–99. 286 BA R 61/348, Bl. 90, 101. 287 Zum Teil wurde den „braunen Prüfern“ aber vorgeworfen, irrelevante Fragen zu stellen, vgl. von Schwerin, BA R 61/348, Bl. 70; anderer Ansicht Kreuzfeld, BA R 61/ 348, Bl. 73. 288 Schaffstein, Politische Universität, in: DJZ 1934, Sp. 511 (516). 289 Richter, in: Palandt/Richter, JAO 1934, § 14, Anm. 6. 290 Richter, in: Palandt/Richter, JAO 1934, § 14, Anm. 1. 291 Freisler/Kunisch/Spieler, Das Gemeinschaftslager „Hanns Kerrl“, S. 13. 292 Freisler/Kunisch/Spieler, Das Gemeinschaftslager „Hanns Kerrl“, S. 48. 285
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Wirkung und weniger hierauf gerichteter Studien fällt die Gesamteinordnung des Lagers in die nationalsozialistische Erziehung des juristischen Nachwuchses schwer.293 Weit überwiegend scheint die Heranbildung des Juristen zum idealen, „charaktervollen deutschen Manne“ 294 im Vordergrund gestanden zu haben: Spätestens nach Absolvierung des Lagerdienstes sollte der Referendar körperlich kraftvoll, opferbereit und innerhalb der Volksgemeinschaft untergeordnet sein.295 Wurde der Lagerdienst in frühen Jahren noch regelmäßig positiv bewertet und von offizieller Seite seine besonders positive Aufnahme durch die Referendare propagiert;296 ihm nicht zuletzt auch ein maßgeblicher Einfluss bei der Ausbildung künftiger NS-Führungspersönlichkeiten zugemessen,297 trat seine Bedeutung ab 1939 zurück. Der Lagerdienst erschien zu zeitintensiv,298 zumal er durch die allgemeine Wehrpflicht und einen intensivierten Arbeitsdienst299 oder eine Einbindung der Referendare in SA, SS oder Hitlerjugend überflüssig wurde.300 Dies unterstreicht letztlich erneut, dass der Lagerdienst am ehesten dazu gedacht war, den Juristen aus dem gewohnten Umfeld zu lösen und ihm die nationalsozialistischen Befehlsstrukturen und Grundgedanken nahezubringen. Die durch die JAO 1934 reichsweit eingeführten Arbeitsgemeinschaften innerhalb des Vorbereitungsdienstes sollten ebenfalls ein ganz besonderes Gewicht in der weltanschaulichen Ausbildung haben. Darauf lässt schon die auch im amtlichen Kommentar zitierte Allgemeinverfügung des Preußischen Justizministeriums vom 16. Mai 1934301 schließen: Darin werden eine zu geringe Allgemeinbildung, die Lebensfremdheit des Referendars, die „fehlende Gewandtheit in Wort und Schrift“ und eine „Neigung zu Formalismus“ als durch die Arbeitsgemeinschaft zu beseitigende Hauptmängel der geprüften Referendare ausgemacht.
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Vgl. auch Schmerbach, Das „Gemeinschaftslager Hanns Kerrl“, S. 1 f. Schwister, Zur Umgestaltung der Prüfungen, in: DJZ 1933, Sp. 1139 (1141). 295 Bewertung etwa bei Jonas, Die Justizausbildungsordnung vom 22. Juli 1934, in: DJ 1934, S. 995 (999). Erfahrungsberichte von Referendaren mit fragwürdiger Authentizität, vgl. Freisler/Kunisch/Spieler, Das Gemeinschaftslager „Hanns Kerrl“, S. 13. Siehe auch Schwister, Gemeinschaftsdienst und große Staatsprüfung, in: JW 1933, S. 1747 (1748). Vgl. auch Heuß, Die Durchführung der politischen Schulung, in: JW 1934, S. 589 (589 f.). Beispielhaft zu konkreten Abläufen im Lager und zur Form der psychischen Beeinflussung in den Lagern, siehe Haffner, Geschichte eines Deutschen, S. 253 ff. und vor allem die S. 270 ff. 296 Freisler/Kunisch/Spieler, Das Gemeinschaftslager „Hanns Kerrl“, S. 25 ff.; Schwister, Gemeinschaftsdienst und große Staatsprüfung, in: JW 1933, S. 1747. 297 Jescheck, Die juristische Ausbildung, S. 132; Tilka, Prüfung und Ausbildung der Juristen, S. 72. 298 Lang, Erziehung, in: DR 1939, S. 3 (8). 299 AV d. RJM v. 21.10.1937, in: DJ 1937, S. 1636. 300 Rothenberger, Der deutsche Richter, S. 83; ders., Nahziele der Ausbildungsreform, in: DR 1943, S. 2 (5). 301 AV d. PrJM v. 16.5.1934 in: DJ 1934, S. 631; Palandt, in: Palandt/Richter, JAO 1934, § 34, Anm. 1. 294
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Die Arbeitsgemeinschaften sollten weniger fachjuristische Kompetenzen vermitteln, als die Studenten vielmehr zur nationalsozialistischen Staatsauffassung zu erziehen.302 Tatsächlich beschränkten sich manche Arbeitsgemeinschaften auch völlig auf die weltanschauliche Erziehung.303 Wenn aber eine Fachausbildung erfolgte, galt es umso mehr, den Referendaren die Rechtseinheit im NS-Staat zu vermitteln; dass nicht „Gesetzeskunde, sondern Rechtskunde“ betrieben würde.304 Der mit der Ausbildungsordnung des Jahres 1939 ergänzte Gemeinschaftstag und die vorgesehenen Fahrten durften ebenfalls nicht dem Selbstzweck dienen, sondern mussten den Referendaren ein geschlossenes Bild des besuchten Betriebes oder Gebietes vermitteln, um ihm die „Gesamtwirtschaft des Volkes [und die] sozialen Verhältnisse [. . .] der Gefolgschaft“ sowie die regionale Kultur nahezubringen.305 Die in § 47 JAO 1939 aufgeführten Wanderungen sollten eher als Einschübe genutzt werden.306 Die einzelnen Stationen des Referendariats spielten in den Reformerwägungen keine überragende Rolle. Eine Hervorhebung der Relevanz des kleinen Amtsgerichts als „Gelegenheit, Land und Leute“ an Orten kennenzulernen, wo der Referendar „gesunde wirtschaftliche, sittliche, kulturelle und soziale Verhältnisse“ vorfinde,307 entsprach im Wesentlichen einer in Weimar schon vertretenen Auffassung308 und auch dass der angehende Jurist in der Staatsanwaltschaft vor allem lernen sollte, „Volksschädlinge zu bekämpfen“, überrascht nur wenig.309 Die Verwaltungsstation wurde wiederum vor allem aus Zeitgründen gestrichen.310 Wie schon in Weimar sollte im Vorbereitungsdienst insgesamt die Selbstständigkeit des Referendars gefördert werden. Diese wurde zwar höchst selten in Frage gestellt; Freisler ging allerdings davon aus, dass ein Mehr an Selbstständigkeit nicht erreicht wurde.311 Zumindest wahrscheinlich ist, dass die selbstständige Arbeitsweise von der angestrebten ,soldatischen‘ Erziehung nicht profitierte, sondern hinter dem soldatischen Gehorsam zurückstehen musste. In seiner Gesamtheit war der Vorbereitungsdienst natürlich weiterhin auch auf eine praktische Anwendung des erworbenen juristischen Wissens ausgerichtet. Der nationalsozialistische Vorbereitungsdienst mit seinem Lagerdienst und sei-
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Tilka, Prüfung und Ausbildung der Juristen, S. 57. Würfel, Das Reichsjustizministerium, S. 104. 304 Palandt, in: Palandt/Richter, JAO 1934, § 47, Anm. 13. 305 Palandt, in: Palandt/Richter, JAO 1934, § 47, Anm. 14. 306 Palandt, in: Palandt/Richter, JAO 1934, § 47, Anm. 14. 307 Palandt, Der Werdegang des jungen Juristen, in: DJ 1935, S. 586 (587). 308 B. II. 3. b) dd). 309 Palandt, Der Werdegang des jungen Juristen, in: DJ 1935, S. 586 (588); siehe auch den folgenden Abschnitt. 310 So Kreuzfeld in der Akademie für Deutsches Recht, BA R 61/348, Bl. 113 f. 311 Freisler, Zur neuen Justizausbildung, in: DJ 1939, S. 117. 303
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nen Arbeitsgemeinschaften war in seiner Idee allerdings noch wesentlich deutlicher auf eine Beseitigung juristischer „Volks-“ oder „Lebensfremdheit“ und eine Bekämpfung des juristischen Bürokratismus ausgerichtet. dd) Studieninhalte: Art, Umfang und ihre Reihenfolge Bei der Untersuchung der Studieninhalte ist die Aufteilung des juristischen Studiums in eine Fachausbildung und die Allgemeinbildung zu berücksichtigen. Die auffälligste Änderung in der Fachausbildung sind ihre Neubenennung durch die JAO und die Studienordnung sowie die durch die Studienordnung festgelegte Reihenfolge und Prioritätensetzung. Eines hatte die Festlegung der Belegungsreihenfolge durch den Studienplan zweifellos für sich: die Vereinheitlichung des Studienablaufs unter den Universitäten. Sie vergrößerte die Freizügigkeit der Studenten.312 (1) Die Trennung von Fachausbildung und Allgemeinbildung Mit der Aufteilung des juristischen Studiums in Fachausbildung und Allgemeinbildung wurde dem Studium bereits ein gänzlich neues Erscheinungsbild verliehen: Der Jurist sollte nun weniger Rechtswissenschaftler und viel mehr Gelehrter der nationalsozialistischen Ideologie und damit in erster Linie politisch befähigt sein. Diese vermeintlich „böswillige“, 313 aber zweifellos begründete Schlussfolgerung wollten die Urheber der JAO damit entkräften, dass sie die Fachausbildung der Allgemeinbildung als Mittelpunkt des Studiums in der Normenfolge voranstellten.314 Darüber hinaus sollte die Vermittlung der Allgemeinbildung im Unterschied zur Fachausbildung gerade nicht wissenschaftlich betrieben werden, sondern allein die Kenntnis der Weltanschauung durch die Studenten sichern.315 In der überragenden Bedeutung der völkischen Allgemeinbildung als Grundlage jeder juristischen Fachausbildung mussten sich316 alle Reformbeteiligten des „Dritten Reiches“ einig sein. Mehr als für alle anderen Fächer gilt dies für die Geschichte – und das sogar qua Verfügung des preußischen und später Reichsjustizministers Gürtner: „Führer im Volk kann nur sein, wer um sein Volk Bescheid weiß, wer seine Geschichte kennt und aus der Kenntnis von Vergangenheit und Gegenwart die Wege zu ahnen vermag, die zu gehen es bestimmt ist und auf denen zu führen er berufen ist.“ Das gelte zwar für alle Berufe, aber nicht zuletzt der „Diener des Rechts [. . ., der] über Volksgenossen zu Gericht sitzen und ihnen [. . .] helfend zur 312 313 314 315 316
Eckhardt, Das Studium der Rechtswissenschaft (1935), S. 20. Richter, in: Palandt/Richter, JAO 1939, § 5, Anm. 1. Jescheck, Die juristische Ausbildung, S. 144. Tilka, Prüfung und Ausbildung der Juristen, S. 37. Krieck, Ein Weg in die Zukunft, in: Jugend und Recht 1934, S. 149.
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Seite stehen sollen“ dürften nicht nur „Rechtstechniker [sein], die abseits stehen von dem großen Strom völkischen Lebens [. . .]“. Der Jurist musste um „die großen Zusammenhänge, die Entwicklungslinien [. . . und] Aufgaben wissen, die das Schicksal dem deutschen Volk gestellt hat, und die zu lösen ihm noch bevorsteht“.317 Damit stand die „geschichtliche Aufgabe“ im Zentrum der weltanschaulichen Prüfung. In der Sache konnte die Allgemeinbildung daher nicht kritisiert werden. Im Einzelnen gab es dennoch Zweifel: So wurde in der Frühzeit der Ausbildungsordnung von 1934 kritisiert, dass die „völkische Geschichte, die völkische Philosophie, das völkische Leben, das völkische Rechtsbewußtsein“ eben nicht die „Ganzheit von der Frage des Rechts“ symbolisierte und dass der angehende Jurist sich die erlernten Einzelteile selbst zu einem einheitlichen Weltbild zusammensetzen müsste.318 Die Weltanschauung hatte das Studium nicht vollständig durchdrungen. Stellenweise wurde zudem das große Ausmaß des abgefragten Wissens in Frage gestellt.319 Darüber hinaus wurden die durch die Eckhardt’sche Studienordnung vorgeschriebene Reihenfolge und das Verbot einer Fachausbildung schon zu Beginn des Studiums allenfalls als unzweckmäßig kritisiert.320 Die Aufweichung dieser Reihenfolge im Zuge der letzten Studienordnung, war hauptsächlich in einem kriegsbedingten Pragmatismus begründet: Die schnellere Aufnahme des Fachstudiums bedeutete gleichzeitig einen schnelleren Abschluss.321 Dass neben der Allgemeinbildung nun auch die „körperliche Stählung“ und Ertüchtigung zur Prüfungsvoraussetzung wurde, verdeutlichte nur, dass sich auch der Jurist nahtlos in das nationalsozialistische Menschenbild einzufügen hatte. Die Verbindung der geistigen Ausbildung mit der Körperlichen war im Kontext dieses Menschenbildes auch nur konsequent: Nach den biologistischen und rassistischen Vorstellungen der Nationalsozialisten war kein Raum für eine ausschließlich geistige oder geistliche Bildung.322 (2) Zur Neuaufteilung der Fächer Die neuen Bezeichnungen und die Neuaufteilung der Fächer in fachjuristischen Ausbildung sollten eine Abgrenzung „nach Lebensgebieten“ markieren 317
AV d. PrJM v. 27.6.1934, in: DJ 1934, S. 818. Krieck, Ein Weg in die Zukunft, in: Jugend und Recht 1934, S. 149 (150). 319 So von Schwerin, BA R 61/348, Bl. 71. 320 Siebert, Rechtssystem und Studienordnung, in: DR 1939, S. 829 (830 f.). Vgl. auch die Forderungen des Reichsdozentenführers und der Reichsstudentenführung, BA R 61/348, Bl. 145 ff. 321 Kritisch demgegenüber zuvor etwa Freisler, Deutsche Rechtswahrerausbildung I, in: DJ 1941, S. 833 (835). 322 Vgl. Benze, Nationalpolitische Erziehung, S. 9 f. 318
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und dem Studenten so verdeutlichen, dass Recht etwas sei, das stets vom „Volk“ ausging.323 Die Trennung der Fächer sollte sich aber auch gegen die Ausbildungstradition vergangener Tage richten: Sie galt als Durchbrechung eines veralteten und zu überwindenden Rechtssystems.324 Diese in erster Linie formale Änderung325 rief vergleichsweise deutliche Kritik hervor. Die Trennung der Prüfungsfächer erschien als willkürlich; sie führte zu Verwirrung darüber, was genau Gegenstand der jeweiligen Fächer sein sollte.326 Erschwerend kamen die inhaltlichen Widersprüche zwischen der Justizausbildungsordnung und der Studienordnung hinzu, die ebenso offen kritisiert wurden.327 Mit der Studienordnung hatte Eckhardt dem Gesetzgeber – gerade im Schuldrecht – weit vorgegriffen.328 Die Idee hinter diesem Vorgriff war, dass die Rechtswissenschaft schon mit der Ausbildung zur Entstehung eines neuen Rechtssystems beitragen konnte.329 Die sprachliche Ungenauigkeit330 und das Fehlen eines gesetzlichen Bezugspunktes erschwerten allerdings den Umgang mit den neuen Fächern so deutlich, dass es eine Anpassung an die Realität verlangte. Dies trug letztlich maßgeblich dazu bei, dass einige der Fächer ihre alten Bezeichnungen wiedererhielten und neu geordnet wurden. Betroffen war selbst das als „Familienerbe“ in den Studienplan eingegangene Familienrecht. Gerade der Familienbegriff war tief in die völkische Ideologie eingebettet – aber ohne eine gesetzliche Neugestaltung gab es schlicht keinen Ansatzpunkt für eine neue Lehre, die die alte Familienrechtslehre hätte ersetzen können.331 Die Reduktion der weltanschaulichen Hintergründe durch die Studienordnung von 1944 lässt kaum einen Zweifel daran, dass die besondere ideologische Schulung in Kriegszeiten durchaus hinter den praktischen Anforderungen zurücktreten musste.
323
Richter, in: Palandt/Richter, JAO 1939, § 6, Anm. 1. Larenz et al., Stellungnahme zum Akademieentwurf, abgedruckt in: Frassek, Reformbestrebungen, in: ZRG GA 111 (1994), S. 586 (587); anders noch Jonas, Die Justizausbildungsordnung vom 22. Juli 1934, in: DJ 1934, S. 995 (996), der in der Neueinteilung keine Stellungnahme erblicken können wollte. 325 Erst die Trennung und Neueinteilung der Fächer durch die Studienordnung konnte zu tatsächlichen Änderungen im Studienaufbau führen, die im Nachfolgenden auch auf ihre Zielsetzung untersucht werden sollen. 326 Jescheck, Die juristische Ausbildung, S. 157. 327 Vgl. Jescheck, Die juristische Ausbildung, S. 172 f. 328 Lange, zitiert nach Eckhardt, Das Studium der Rechtswissenschaft (1935), S. 16. Auch von Seiten der Universität Frankfurt wurde Kritik an der der Struktur des BGB widersprechenden Aufteilung durch die Studienordnung geäußert, vgl. Wolf, Jenaer Studium, S. 63. 329 Siebert, Rechtssystem und Studienordnung, in: DR 1939, S. 829 (830). 330 Für eine Vereinfachung etwa der Reichsdozentenführer und die Reichsstudentenführung, BA R 61/348, Bl. 145 ff. 331 Wolf, Jenaer Studium, S. 167. 324
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(3) Die Bedeutung der einzelnen Fächer Weniger symbolisch, aber dafür umso wichtiger in der Praxis waren die inhaltlichen und strukturellen Reformen, die sich in der fachjuristischen Ausbildung vollzogen. Das Zivilrecht, dem in Ermangelung eines neuen Volksgesetzbuches noch weit überwiegend unveränderte Vorschriften des BGB zugrunde lagen, wurde in seiner Bedeutung für die Reformbestrebungen in rückblickenden Betrachtungen unterschätzt, wenn nicht unterschlagen. So schrieb Franz Wieacker in seiner angesehenen332 „Privatrechtsgeschichte der Neuzeit“, das Zivilrecht sei im Studium inhaltlich „nicht politisch motiviert“ gewesen und „von politischen Verzerrungen kaum beeinflusst“ worden.333 Im Gegenteil attestiert er der Studienordnung eine Verteilung des Stoffes mit „bemerkenswerter Selbstständigkeit und Sinn für pädagogisch produktive Wirklichkeitszusammenhänge“. 334 Die allgemeine rechtsdidaktische Frage dahingestellt, erscheint eine solche Wertung nicht nur im Kontext einer gänzlich neuen Rechtskonzeption, die am Zivilrecht nicht spurlos hinübergegangen war, sondern auch mit Blick auf die allgemeinen Erwägungen der Reformen fragwürdig. Ein Grundgedanke geht schon aus den Anmerkungen Eckhardts zum Erlass der Studienordnung hervor: Der „Unterschied zwischen öffentlichem und privatem Recht“ sollte aufgrund der Unmöglichkeit einer Unterteilung in private und staatliche Bereiche „radikal“ fallen. Als Beispiel hierfür nennt er die Rechte der Arbeit, der Wirtschaft, des Bauern, der Familien- und des Bodens.335 Damit äußerte sich bereits ein öffentlicher, politscher Einschlag, den das Zivilrecht erhalten sollte. Parallel zur Abschaffung des subjektiv-öffentlichen Rechtes wurden auch die Rechte der Bürger untereinander unter den absoluten Vorbehalt des Gemeinschaftsnutzens gestellt.336 Streitigkeiten unter Bürgern gingen stets die gesamte Gemeinschaft an. Ebenso war neben dem Begriff der Familie auch der des Bodens eng mit der nationalsozialistischen, völkischen Rechtsanschauung verwoben.337 Das belegt auch § 4 Abs. 2 der JAO von 1934: Die weltanschaulichen Grundlagen waren „mit dem Gedanken der Verbindung von Blut und Boden, von Rasse und Volkstum“ zu lehren. Die „völkische“ Allgemeinbildung, also „vereinfacht“ die Ideen von Volkstum, Rasse und Gemeinschaft, das Primat 332
Vgl. etwa Rückert, ,Große‘ Erzählungen, S. 505. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 555 f. 334 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 555. 335 Eckhardt, Das Studium der Rechtswissenschaft (1935), S. 23. Vgl. auch die Forderung nach einer Ausdehnung des Familienrechts bei Larenz et al., Stellungnahme zum Akademieentwurf, a. a. O., S. 584 (590). 336 Vgl. die Anlehnung an Hegel bei Larenz, Rechtserneuerung und Rechtsphilosophie, S. 9. 337 Messerschmidt, Das Reich im nationalsozialistischen Weltbild (1940), S. 40, 61– 63. 333
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des Volkes gegenüber einem Staate und die völkische Auslese,338 wuchsen zum Kerngedanken zivilrechtlicher Teilbereiche heran. Im Übrigen mussten die weltanschaulichen Grundlagen der oben skizzierten Rechtskonzeption ohnehin stets bei der Rechtsanwendung beachtet werden. Hieraus erklärt sich auch ohne Weiteres die im Studienplan vorgenommene Markierung des Familien- und des Bodenrechts mit vollen zwei Sternen. Noch nicht geklärt ist damit die Frage nach der Bedeutung der Neustrukturierung gerade des Zivilrechts durch den Studienplan von 1935, der Anlass für die Abschaffung der Vorlesung über den „allgemeinen“ und den „besonderen Teil“ des BGB und den Ersatz durch eine Vorlesung über die Grundordnung und „Vertrag und Schuld“. Wenn Eckhardt selbst annahm, dass allgemeine Vorlesungen – also auch und gerade diejenigen im Zivilrecht – zu abstrakt seien und der Studierende zunächst die Hintergründe der rechtlichen Konflikte nachzuvollziehen lernen muss,339 scheint Wieacker mit obiger Aussage über pädagogische Erwägungen noch im Recht zu sein. Aber bereits mit einem Verweis darauf, dass der Jurist hierdurch zum „Begriffsjuristen“ erzogen und „für sein ganzes Leben“ verdorben würde,340 deutete Eckhardt an, dass diese verbindliche Reihenfolge nicht bloß didaktische Ziele verfolgte. Diesen Eindruck bestätigt die entschiedene Absage der „Kieler“ Hochschullehrer auf den Reformplan der Akademie für Deutsches Recht aus dem Jahr 1939, der eine Rückkehr zur Lehre des allgemeinen Teils des BGB und zur Schuldrechtsvorlesung vorsah:341 Eine vom Akademieentwurf vorgesehene Rückkehr zum abstraktem Denken in Form der Wiedereinführung systematischer Vorlesungen, wäre aus „pädagogischer wie aus weltanschaulichen und rechtspolitischen Gründen gleichermaßen verhängnisvoll“ gewesen.342 Als Grundlage für ein neues Rechtsverständnis müsste der allgemeine Teil zwingend durch allgemeine Vorlesungen über die Grundordnung, im Zivilrecht die Vorlesung „Vertrag und Unrecht“, ersetzt werden.343 Die „neue Rechtsidee“ des Nationalsozialismus sollte die einzige verbleibende „systembildende Kraft“ sein.344 Der allgemeine Teil des Zivilrechts war demnach nicht nur rechtsdidaktisch nachteilig, sondern 338
Rogge, Beitrag zur Lehre von Volk und Staat, in: DRW 1941, S. 271 (289). Eckhardt, Das Studium der Rechtswissenschaft (1935), S. 24. Ähnlich Siebert, zitiert nach Weber, BA R 61/348, Bl. 148. 340 Eckhardt, Das Studium der Rechtswissenschaft (1935), S. 24; insofern noch auf einer Linie mit Heinrich Lange, vgl. Frassek, Reformbestrebungen, in: ZRG GA 111 (1994), S. 564 (566). 341 Frassek, Reformbestrebungen, in: ZRG GA 111 (1994), S. 564 (575 ff.). Im Übrigen sollte nach Vorstellung Langes, Webers und Felgenträgers die deutsche Rechtsgeschichte einschließlich ihres Systems im ersten Semester gelehrt werden, vgl. Felgenträger vor der Akademie für Deutsches Recht, BA R 61/348, Bl. 156. 342 Larenz et al., Stellungnahme zum Akademieentwurf, a. a. O., S. 586 (591). 343 Larenz et al., Stellungnahme zum Akademieentwurf, a. a. O., S. 586 (587 f.). 344 Larenz et al., Stellungnahme zum Akademieentwurf, a. a. O., S. 586 (587). 339
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gar ein Fremdkörper. Er galt als ein Hindernis für die Verbreitung der nationalsozialistischen Idee, das neben einer Umdeutung eine thematische Neuordnung der Privatrechtsordnung verlangte.345 Ein objektives Rechtsverständnis durfte nicht die Grundlage für die Erlernung eines gesamten Rechtsgebietes darstellen. Hinzu kam, dass darin ausdrücklich liberale Ideen zu Tage traten; namentlich die Privatautonomie, die das Recht des Einzelnen – vermeintlich unzulässig – über die Interessen der Gemeinschaft stellte.346 Dementsprechend warnten die „Kieler“ auch vor einer Überbetonung dieser Teile des Zivilrechts gegenüber dem Bauernund Bodenrecht, also Gebieten, „in denen sich das nationalsozialistische Rechtsdenken am weitesten durchgesetzt“ haben sollte.347 Auch Frassek kommt zu dem sich aufdrängenden Schluss, dass die Umgestaltung des Zivilrechts der Zerstörung seiner liberalen inneren Ordnung dienen sollte, die nicht in erhofftem Maße durch neue Rechtssetzung im nationalsozialistischen Sinne vorangetrieben wurde.348 Die praktische Relevanz des Zivilrechts hatte nicht nachgelassen; im Umgang mit dem Rechtsgebiet zeigten sich allerdings die größten Schwierigkeiten nationalsozialistischer Reformbestrebungen im Ausbildungsrecht. Die notwendige Abwägung zwischen fachlichem Verständnis und weltanschaulicher Durchdringung der juristischen Ausbildung, einschließlich des ,bürgerlichen‘ Zivilrechts, führte bei der „Kieler Schule“ einerseits und der Akademie andererseits zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die Staatsrechtswissenschaften galten schon in der NS-Zeit als durch den Umbruch staatlicher Verhältnisse besonders betroffen.349 Der Inhalt des Staatsrechts, vor allem der Verfassungsrechtslehre, wurde völlig neu definiert. An erster Stelle stand nun eine Vermittlung der „Grundordnung des deutschen Volkes“; eine Lehre über das Volkstum, Führung und Herrschaft.350 Daneben sollte es um andere, ebenfalls politisch geprägte Inhalte gehen: Etwa das „persönliche [. . .] Gefolgschaftsverhältnis“, bestehend aus Treu- und Ehrpflichten und Lebensprinzipien der Gefolgschaft.351 Mit dem Ende des klassischen Staates hielt man es für folgerichtig, durch die Studienordnung auch die allgemeine Staatslehre als Studienfach abzuschaffen.352 Ihre Umwandlung353 zu einer Vorlesung über „Volk und Staat“ bedeutete auch genau dies. Ihre Verortung der neuen Vorlesung im 345
Näher hierzu vgl. Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, S. 117 ff. Larenz et al., Stellungnahme zum Akademieentwurf, a. a. O., S. 586. 347 Larenz et al., Stellungnahme zum Akademieentwurf, a. a. O., S. 586 (588 f.). 348 Frassek, Reformbestrebungen, in: ZRG GA 111 (1994), S. 564 (566). 349 Heckel, Staats-, Verwaltungs- und Kirchenrecht im Dritten Reich, S. 9. 350 Heckel, Staats-, Verwaltungs- und Kirchenrecht im Dritten Reich, S. 17 f. 351 Heckel, Staats-, Verwaltungs- und Kirchenrecht im Dritten Reich, S. 23. 352 Eckhardt, Das Studium der Rechtswissenschaft (1935), S. 26; ders., Das Studium der Rechtswissenschaft (1940), S. 13. Zur noch verbleibenden Bedeutung der allgemeinen Staatslehre im Nationalsozialismus näher unten. 353 Vgl. auch Larenz et al., Stellungnahme zum Akademieentwurf, a. a. O., S. 589. 346
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ersten Semester legt schon ihre Umnutzung als rein weltanschauliche Veranstaltung nahe und tatsächlich sollte die Vorlesung „Volk und Staat“ der „Durchdringung der nationalsozialistischen Staatsidee“ dienen.354 Das besondere Verständnis für den NS-Staat, das die nun nicht mehr ,allgemeine‘, sondern sehr konkret nationalsozialistische Staatslehre mit sich bringen sollte, wurde von manchem vor allem für die künftigen Regierungsreferendare als unentbehrlich erachtet.355 Die Kerngedanken der neuen Ordnung wurden in den Examina abgefragt.356 Eine beabsichtigte Verringerung des Umfangs der Vorlesung wurde daher scharf kritisiert.357 Dass die Staatsrechtslehre sich auch praktisch von einer wissenschaftlichen Arbeitsweise verabschiedete, soll an späterer Stelle ausführlicher dargelegt werden.358 Die zwischenzeitliche Abschaffung des Völkerrechts als Studieninhalt war nicht nur eine Verjüngung des Lehrplans,359 sondern ging mit einer allgemeinen Ablehnung einer Internationalisierung oder Internationalität des Rechts einher.360 Gleichzeitig traf die Abschaffung als Prüfungsfach auf bisweilen sanft formulierte, aber deutliche Kritik; etwa auf die Nachfrage, ob man „leichten Herzens auf das Völkerrecht verzichten“ könne.361 Schließlich war das Völkerrecht bald zum Instrument der Rechtfertigung für außenpolitische Akte geworden.362 Die durch die Studienordnung erfolgte Kennzeichnung des Völkerrechts mit zwei Sternen unterstrich diese gegenläufigen Prioritäten. Die Wiedereinführung des Völkerrechts zum Beginn des Jahres 1939 bestätigte dann auch dessen mit zunehmenden internationalen Spannungen wachsende Relevanz.363 Bis dahin war der wissenschaftliche Anspruch an den Umgang mit dem Völkerrecht aber faktisch aufgegeben worden.364 Das Strafrecht galt ebenso wie das öffentliche Recht im engeren Sinne als besonders betroffen.365 Das nunmehr auf Beseitigung von „Volksschädlingen“ und 354
Larenz et al., Stellungnahme zum Akademieentwurf, a. a. O., S. 589. Vgl. Koellreutter, Wesen und Gestalt der ersten juristischen Prüfung, ZAkDR 1938, S. 255. 356 Stolleis, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, S. 21. 357 Larenz et al., Stellungnahme zum Akademieentwurf, a. a. O., S. 589. 358 Im folgenden Abschnitt d) bb) (2). 359 Zur Stoffminderung weggefallen waren auch das Kirchenrecht, das Steuer- und das Finanzrecht, vgl. Richter, in: Palandt/Richter, JAO 1934, § 5, Anm. 12. 360 Messerschmidt, Das Reich im nationalsozialistischen Weltbild (1940), S. 39. 361 Walz, Völkerrecht und Reichsjustizausbildung, S. 51; vgl. auch Jescheck, Die juristische Ausbildung, S. 158. 362 Wolfrum, Nationalsozialismus und Völkerrecht, S. 91. 363 Allgemeiner dagegen Richter, in: Palandt/Richter, JAO 1939, § 5 Anm. 2. Freisler spricht insofern unrichtig nur von einer „Klarstellung“, vgl. ders., Justizausbildung, in: DJ 1939, S. 116 f. 364 Wolfrum, Nationalsozialismus und Völkerrecht, S. 95 f. 365 Henkel, Neugestaltung des Rechtsstudiums, S. 30. 355
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Wahrung inneren „Arbeits- und Volksfriedens“ 366 ausgerichtete Strafrecht erforderte eine Neuausrichtung im Sinne einer politischen Strafrechtswissenschaft.367 Damit im Einklang stand die Umbenennung des gesamten Rechtsgebiets. Für den Umfang der universitären Beschäftigung damit blieb das neue Strafrechtsverständnis allerdings ohne sichtbare Bedeutung.368 Die Rechtsgeschichte wurde zwar in der Ausbildungsordnung als Fach gestrichen, aber stets als Hintergrundwissen in anderen Rechtsgebieten vorausgesetzt. Dies bedeutete freilich nichts anderes, als dass der Rechtsstudent zu wissen hatte, aus welcher vermeintlich arischen, germanischen Tradition das Recht hervorgegangen war.369 Im Ergebnis handelte es sich bei der Rechtsgeschichte um einen universalen Anknüpfungspunkt für die nationalsozialistische Weltanschauung auch im Bereich der fachlichen Ausbildung.370 Die Bedeutung einer rechtsgeschichtlichen Bildung blieb unbestritten, im Detail gab es aber Unstimmigkeiten: Der Vorschlag, die Privatrechtsgeschichte der Neuzeit im Umfang zu stärken und damit das Studium privatrechtlicher auszurichten, stieß auf Widerstand aus Kieler Kreisen.371 Zudem erschien die Hervorhebung des römischen Rechts durch die Studienordnung bei gleichzeitiger Verkündung seiner Bekämpfung in den Richtlinien wie auch dem Parteiprogramm der NSDAP widersprüchlich.372 Eine vollständige Abschaffung des römischen Rechts erschien manchen aufgrund der Verbindung mit der Ausbildungstradition als von vornherein unzulässig.373 Ein möglicher Konflikt mit der Weltanschauung wurde dadurch vermieden, dass die Rechtsgeschichte ohnehin nur die Entwicklung bis 1871 abdeckte374 und dass das römische Recht nur noch rein historisch – als Wissen über Vergangenes – gelehrt werden sollte.375 Die Rechtsgeschichte war so insgesamt ideologisch geprägt, aber anders als zu vermuten kein praktisch herausragendes Mittel der poli-
366
Freisler, Das Werden der Juristen, I. Teil, S. 33. Henkel, Neugestaltung des Rechtsstudiums, S. 30. 368 Wolf, Jenaer Studium, S. 161 f. 369 Ein Beispiel dafür bieten die Ausführungen Thoß’ zu Heinrich I.: „Der Nordische Mensch weiß Treu mit Treue zu vergelten. Das germanische Gefolgschaftswesen, das Heinrich [. . .] zum Grundsatz seiner Herrschaft als deutscher König erhob, kennt nicht herrischen Befehl [. . .], sondern das Gesetz der Mannschaft, nachdem das In-Treue Zueinanderleben die Ehre jedes einzelnen ist [. . .]. – Auch der Führer Adolf Hitler herrscht nach diesem Leitbild in Deutschland“ (ders., Heinrich I., S. 58). 370 Wohl deswegen ging Freisler davon aus, dass die Rechtsgeschichte an die Spitze des Studiums gehörte, vgl. ders., Das Werden der Juristen, S. 27. 371 Larenz et al., Stellungnahme zum Akademieentwurf, a. a. O., S. 584 (589). 372 Jescheck, Die juristische Ausbildung, S. 174. 373 Schaffstein, Politische Universität, in: DJZ 1934, Sp. 511 (513). 374 So wurden die staatlichen Umbrüche und die aus ihnen folgenden Rechtsentwicklungen ausgespart, vgl. Wolf, Jenaer Studium, S. 164 f. 375 Larenz et al., Stellungnahme zum Akademieentwurf, a. a. O., S. 584 (587). 367
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tischen Einflussnahme innerhalb des Studiums.376 In Form der „geschichtlichen Aufgabe“ und der volkskundlichen Prüfung war die vermeintliche deutsche Geschichte allerdings weiterhin ein ganz zentraler Teil der weltanschaulichen Juristenausbildung.377 Die Rechtsphilosophie fand in der öffentlichen Debatte wenig Beachtung. Manch Betrachter würdigte sie allein mit der Feststellung, dass sie nicht geprüft würde.378 Karl Larenz, der ihre Bedeutsamkeit schon zu Weimarer Zeiten hervorhob, war nun selbst an der ausbildungspolitischen Einbeziehung der Rechtsphilosophie beteiligt: Nicht nur mit seinem Werk zur Rechtserneuerung und Rechtsphilosophie im neuen Staat,379 sondern mutmaßlich auch in der Stellungnahme der Kieler Schule: Die Rechtsphilosophie hatte hiernach die Aufgabe, „die nationalsozialistische Rechtsidee in ihrer ganzen Tiefe zu entwickeln [. . .]“.380 Damit fügte sie sich als vollständig weltanschaulich geprägtes Bindeglied in die Ausbildung ein. Dass die nationalsozialistische Rechtsauffassung ohnehin in der universitären Ausbildung allgegenwärtig war, schmälerte allerdings sichtbar ihre Bedeutung als Lehrfach.381 Dass weder die Rechtsgeschichte noch die Volkswirtschaftslehre und die Rechtsphilosophie Einzug als Prüfungsfächer in die JAO von 1934 erhalten hatten, wurde im staatlichen Kommentar damit begründet, dass man davon ausging, dass die geschichtlichen Grundlagen stets Beachtung finden würden, ein Besuch einer rechtsphilosophischen Vorlesung Teil eines „ordnungsmäßigen Rechtsstudium(s)“ sei und dass der Student stets die wirtschaftlichen Verhältnisse berücksichtigte.382 Als originär nationalsozialistisches Recht nahm das Recht zum Schutz von Rasse und Volksgesundheit grundsätzlich eine Sonderstellung ein. Inhaltliche Ausgestaltung erhielt es erst durch die nach der ersten JAO erlassenen Nürnberger Rassengesetze.383 Die spätestens mit den Novemberpogromen von 1938 rasant eskalierende Judenverfolgung wurde nicht von einem Diskurs über eine Hervorhebung der Rassenlehre begleitet. Im Gegenteil wurde die im Studienplan schon nicht durch einen Stern priorisierte Vorlesung „Volk und Rasse“ im Akademieentwurf zur Streichung und als Randgebiet der Vorlesung „Volk und Staat“
376 Frassek, Die nationalsozialistische Studienreform in Halle, S. 107 f.; Wolf, Jenaer Studium, S. 164 f. Zur praktischen Umsetzung der Studienpläne vgl. die kurzen Ausführungen in dieser Arbeit unter d) bb) (3). 377 Würfel, Das Reichsjustizministerium, S. 164 ff. Vgl. ferner im nächsten Abschnitt, d) bb) (3). 378 Jescheck, Die juristische Ausbildung, S. 153. 379 Larenz, Rechtserneuerung und Rechtsphilosophie, passim. 380 Larenz et al., Stellungnahme zum Akademieentwurf, a. a. O., S. 584 (589). 381 Larenz et al., Stellungnahme zum Akademieentwurf, a. a. O., S. 584 (590). 382 Richter, in: Palandt/Richter, JAO 1934, § 5, Anm. 10 f. 383 Vgl. Freisler, Zur neuen Justizausbildung, in: DJ 1939, S. 116.
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vorgesehen; sehr zum Missfallen der „Kieler Schule“.384 Die Rassenideen waren zwar tief in der nationalsozialistischen Weltanschauung und damit auch im nationalsozialistischen Recht verankert, die Rassengesetze mussten als eigenständiges Fach aber zugunsten einer effektiven Gestaltung des Studiums zurückgestellt werden.385 Ohne besondere Ausführungen blieben die Aufnahme des „Rechts der geistigen und künstlerischen Schöpfung als Prüfungsfach in der JAO. Manchem Betrachter mutete sie gar seltsam an.386 Auch die Betonung des Kirchenrechts mit einem Stern durch den Studienplan steht zumindest scheinbar im Widerspruch zum grundsätzlich kirchenfeindlichen387 Staat. Während hinter Ersterem nur allgemeine weltanschaulich-kulturelle Interessen vermutet werden können, lässt sich Letzteres wohl am ehesten noch mit einer Verbundenheit der Urheber gegenüber der preußischen Tradition388 und dem weiterhin vorangetriebenen Versuch der Gleichschaltung der Kirchen389 erklären. Die geringe Bedeutung im Diskurs legt allerdings nahe, die Gebiete bei der Suche nach einem Leitbild der nationalsozialistischen Juristenausbildung auszusparen. Erschien die Bedeutung der Volkswirtschaftslehre im Vergleich zur Weimarer Republik als zurückgedrängt, belegt die Studienordnung das Gegenteil: Sämtliche der fünf vorgesehenen und über die ersten fünf Semester verteilten Fächer der Wirtschaftswissenschaften erhielten mindestens einen Stern. Die betont weltanschaulich-politischen Fächer, „Deutsches Wirtschaftsleben“ und „Volkswirtschaftspolitik“ sogar zwei. Bei aller Ablehnung einer privatrechtlichen Ausrichtung der juristischen Schulung hatten die wirtschaftlichen Fähigkeiten der Juristen noch eine große praktische Relevanz. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Väter der nationalsozialistischen Studienreformen, vor allem innerhalb der Akademie, versuchten, auch ein hohes fachliches Niveau beizubehalten. Einen vollständigen Bruch mit alten Traditionen zogen die neuen Studieninhalte nicht nach sich. Die Öffnung des wissenschaftlichen Studiums für die politische Schulung hatte jedoch eine Umdeutung der gesamten fachlichen Ausbildung zur Folge: Die politische Schulung war stets Teil der Ausbildung;390 in allen Fachbereichen hatten neue, weltanschaulich auf-
384
Larenz et al., Stellungnahme zum Akademieentwurf, a. a. O., S. 584 (589). Vgl. auch BA R 51/348, Bl. 148 f. 386 Jescheck, Die juristische Ausbildung, S. 151 ff.; „g–“, Justizausbildungsordnung, in: DJZ 1934, Sp. 1079 (1082). 387 Zipfel, Kirchenkampf, S. 106 ff. 388 Allgemeiner Jescheck, Die juristische Ausbildung, S. 156. 389 Vgl. Scholder, Die Kirchen und das Dritte Reich II, S. 119 ff.; Zipfel, Kirchenkampf, S. 107. 390 Schaffstein, Politische Universität, in: DJZ 1934, Sp. 511 (514). 385
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geladene Rechtsbegriffe schon kurz nach der Machtübergabe Einzug an den Universitäten erhalten.391 Sowohl die Dringlichkeit als auch die Umsetzbarkeit von Reformen hingen vom konkreten Fach ab: Die nationalsozialistische Durchsetzung des besonders prüfungsrelevanten Staatsrechts und der allgemeinen Staatslehre wurden schnell und problemlos vollzogen. Andere Fächer kamen erst auf Grundlage nationalsozialistischen Rechts hinzu oder erhielten aufgrund der weiten ideologischen Berührungspunkte einen tiefen nationalsozialistischen Einschlag: Das Recht zum Schutz der Rasse und der Volksgesundheit, das Boden- und das Bauernrecht. Die liberale Ausrichtung des Vertragsrechts und der allgemeine Teil des BGB machte eine Reform zwingend notwendig. Dessen praktische Relevanz brachte eine Reform der Ausbildung, solange keine neue Rechtsgrundlage bestand, an ihre Grenzen. Die weltanschauliche Ausrichtung des gesamten Studiums war von höchster Priorität. Nur in den wenigen Fällen durfte – und musste – die Ideologie hinter praktischen Erwägungen zurückstehen. ee) Wissenschaftlichkeit und die juristische Methode Die „juristische Methode“ verschwand als Schlagwort der Juristenausbildung innerhalb kurzer Zeit nach dem Systemwechsel aus dem wissenschaftlichen Sprachgebrauch. Schließlich stand eine objektive, von Auslegungsmethoden getragene Arbeitsweise im scharfen Widerspruch zur neuen Rechtskonzeption. Das Erfordernis einer wissenschaftlichen Ausbildung an der Universität392 und die Ablehnung einer bloßen praktischen Berufsbildung393 standen dennoch zunächst – als Ziel oder Grenze – im Mittelpunkt zahlreicher Reformansätze; ebenso die einmütige Auffassung, bei Prüfungen müsse es sich stets um Verständnisprüfungen und nicht um Wissensprüfungen handeln.394 Der Versuch, die Universitäten durch die Einführung der universitären Abschlussprüfung zu stärken, war im Jahr 1939 gescheitert.395 Ganz im Gegenteil nahm so im Krieg der Einfluss all jener Stimmen zu, die schon zuvor an einer universitären und theoretischen Prägung des Studiums starkes Missfallen gefunden und sich für eine Annäherung von Wissenschaft und Praxis oder – häufiger –
391
Höhn, Der junge Jurist, in: DR 1934, S. 382 f. Siebert, Rechtssystem und Studienordnung, in: DR 1939, 829; Jescheck, Die juristische Ausbildung, S. 169; Blomeyer, Erneuerungsbewegung und Juristenausbildung, in: DJZ 1933, Sp. 1410. 393 Eckhardt, Das Studium der Rechtswissenschaft, S. 16. 394 Beispielhaft nur Jescheck, Die juristische Ausbildung, S. 150. Ähnlich Thierack, Lebensnahe Rechtswissenschaft, in: DR 1943, S. 873 (877). 395 Siehe unter cc) (1). 392
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für ein praktischeres Studium ausgesprochen hatten.396 Eine deutliche Durchbrechung juristischer Lehrtradition war bereits die Abkehr von der Vorlesung als zentrale Lehrmethode der Universität, die mit der Eckhardt’schen Studienordnung eingeleitet wurde. In der Ausbildungsdebatte äußerte sich ein Widerstand gegenüber einer allzu universitätsnahen Ausbildung in unterschiedlichen Forderungen, wie die Abschaffung jeglicher universitärer Prüfungen.397 Im Mittelpunkt stand der Ruf nach einer näheren Orientierung des Studiums an der Praxis.398 Andere Anregungen gingen hierüber hinaus: Etwa sollte der Hochschullehrer zum Wechsel zwischen Praxis und Wissenschaft verpflichtet werden, um eine nicht zu wissenschaftliche und spezialisierte Anschauung des Rechts zu lehren.399 Eine solche praktische Ausrichtung der gesamten Ausbildung hatte, wie bereits im Zuge der Betrachtung des Vorbereitungsdienstes einschließlich Lagerdienst und Arbeitsgemeinschaften festgestellt, einer „Lebens-“ oder „Volksfremdheit“ des Juristen entgegenwirken sollen.400 Die Einbindung der Praxis in die universitäre Ausbildung war vor allem Justizminister Thierack so wichtig, dass er 1943 damit drohte, die Universitäten durch Fachschulen zu ersetzen, wenn deren Ausbildung weiterhin unzureichend erfolgen sollte.401 Eine Kritik der Dekanenkonferenz an der Entwicklung von der universitären Ausbildung zu einer durch Praktiker geführten402 wurde so in aller Kürze beiseitegeschoben. ff) Berufsbilder: Die „Fähigkeit zum Richteramt“ und der Universaljurist „Wenn ich Richter sein will, dann muß ich als die wichtigste Figur des Rechtslebens klarer, erhabener und auch würdiger sein; ich muß dann auch schon an mir selbst eine Weihe tragen, die auch ohne Robe wirkt.“ 403
Zumindest für Hans Frank war klar, dass das Ideal der Juristenausbildung nur der Richter sein könnte: In seiner Erhabenheit übertreffe er alle anderen juristischen Berufsbilder; wer sich zum Richter eignete, könne auch jeden anderen
396 Freisler, Geleit, in: Palandt/Richter, JAO 1934, S. IX; Lang, Die Erziehung des Rechtswahrernachwuchses, in: DR 1939, S. 3 (6); Dahm, Wissenschaft und Praxis, in: DR 1939, S. 824 (825). 397 Rothenberger, Die Reform der juristischen Ausbildung, in: ZAkDR 1939, S. 145 (148). 398 Rothenberger, Der deutsche Richter, S. 69 ff. 399 Freisler, Deutsche Rechtswahrerausbildung II, in: DJ 1941, S. 850 (852). 400 Vgl. Blomeyer, Erneuerungsbewegung und Juristenausbildung, in: DJZ 1933, Sp. 1410 (1413). 401 Zitiert nach Frassek, Juristenausbildung, in: ZRG GA 117 (2000), S. 294 (296). Gürtner hatte sich zu Leb- und Amtszeiten noch ausdrücklich für die Wissenschaftlichkeit der juristischen Ausbildung ausgesprochen, vgl. BA R 61/348, Bl. 134 f. 402 Wolf, Jenaer Studium, S. 80 m.w. N. 403 Frank vor dem Ausschuss für die Überprüfung der Studienordnung am 5.5.1939, BA R 61/348, Bl. 46.
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juristischen Beruf ausüben.404 Welche praktischen Folgen dieses Ideal für die Gestaltung der nationalsozialistischen Juristenausbildung haben sollte, ließ er gleichwohl offen. Obwohl die Befähigung zum Richteramt im Grundsatz nach wie vor Ziel und Maßstab der Ausbildung war und obwohl § 39 JAO 1934 den Erfolg der großen Prüfung nun unmittelbar daran knüpfte, dass der Kandidat seine persönliche, charakterliche und praktische Eignung für das Richteramt vorweisen konnte, wurden die Qualitäten des nationalsozialistischen Richters kaum näher erörtert. Allein Rothenberger orientierte sich sichtlich am Richteramt, als er vorschlug, mit Blick auf die vermeintliche „Vertrauenskrise“ auch Positiv- und Negativlisten von Urteilen zu besprechen, um den Studenten die gewünschte Rechtsanwendung zu verdeutlichen.405 Derartige Verknüpfungen von Richteramt und Juristenausbildung waren selten: An anderer Stelle wurde etwa eine bessere Ausbildung für nötig gehalten, um fachlichen Mängeln in der Richterschaft zu begegnen406 oder betont, dass der künftige Richter nach der nationalsozialistischen Konzeption einer nicht nur praktischen, sondern vor allem charakterlichen Erziehung bedurfte.407 Selbst im Palandt/Richter von 1934 beließ man es bei der Formel, dass die Gemeinschaftslager zur „Auslese der künftigen Richter und Staatsanwälte“ dienten, ohne auf deren Fähigkeiten und Charakteristika einzugehen.408 Im Geleit zum Kommentar der Justizausbildungsordnung von 1934 schrieb Roland Freisler zwar auch, der Richter wäre das Idealbild des Juristen;409 andernorts warnte er aber ausdrücklich vor einer zu direkten Ausrichtung des Studiums auf das Richteramt.410 Im Gegenteil ging er selbst davon aus, dass nur ein Universaljurist die Anforderungen des „Organisator[s]“ oder „Berater[s]“ des Volkes erfüllen können würde.411 Eine ausschließliche Ausrichtung der juristischen Ausbildung auf das Richteramt wurde schließlich auch von Seiten des Justizministeriums abgelehnt.412 Das Leitbild des zum Richteramt befähigten Juristen blieb auch im „Dritten Reich“ farblos.
404
BA R 61/348, Bl. 46, 54. Rothenberger, Der deutsche Richter, S. 75. 406 von Schwerin im Akademieausschuss, BA R 61/348, Bl. 32. 407 Vgl. Schlockermann, Richterpersönlichkeit, in: DRiZ 1934, S. 103 f. 408 Palandt, in: Palandt/Richter, JAO 1934, § 42, Anm. 2. § 39 enthielt nur Anmerkungen zur Prüfung selbst. 409 Freisler, Geleit, in: Palandt-Richter, JAO 1934, S. VIII. 410 Freisler, Das Werden der Juristen, S. 13. 411 Freisler, Das Werden der Juristen, S. 13, 18. 412 Siehe auch Jonas, Die Justizausbildungsordnung vom 22. Juli 1934, in: DJ 1934, S. 995 (999). 405
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gg) Beobachtungen Jedenfalls im Vergleich zur Situation in der Weimarer Republik war der öffentliche Reformdiskurs geradezu von Einhelligkeit geprägt. Hinter den Kulissen spielte sich gleichwohl ein beispielloser Machtkampf ab, der von persönlichen Angriffen der Beteiligten gekennzeichnet war,413 die ein allgemeines Streben der Hochschullehrer nach einer Führerstellung im neuen Staat414 besonders ernst genommen hatten. Die Justizausbildungsordnung von 1934 wurde als solche weitestgehend positiv aufgenommen,415 auch wenn sie radikaleren Ausbildungsrevolutionären bloß als erster Schritt auf dem Wege zu einer vollständigen Universitätsreform und einer „völkischen Lebensganzheit“ erschien.416 Während die Justizausbildungsordnung das nationalsozialistische Weltbild vor allem durch die Einführung der „völkischen Bildung“, die Gestaltung der Prüfung und eine gemeinschaftsbezogene Reform des Vorbereitungsdienstes prägte, brachte die Studienordnung ein neues Gesamtbild der übrigen universitären Ausbildung. Sie legte die weltanschauliche Schulung an den Beginn des Studiums und bedingte eine weltanschaulich begründete Neuordnung der fachlichen Studieninhalte. Es bestand Einmütigkeit darin, dass die fachliche Bildung nicht unabhängig von einer Weltanschaulichen sein konnte. Entsprechend wurden sämtliche Fächer entweder komplett neu konzipiert – vor allem die allgemeine Staatslehre – oder aber in ihren Ansprüchen dem nationalsozialistischen Denken angepasst und dafür in ihren alten Strukturen durchbrochen. Dass die ideologische Festigung – anders als die Gesetzgebung – so lückenlos vorangetrieben wurde, veranlasste die Akademie noch vor Eskalation des Krieges zur Annahme, dass eine pragmatischere Ausrichtung des Studiums vorzugswürdig sei und dass die weltanschauliche Bildung deshalb gekürzt werden konnte. Gleichzeitig war erkannt worden, dass die fachliche Bildung unter dem Mangel an einem gesetzlichen Anknüpfungspunkt litt, sodass aus ebenso praktischen Gründen die in ihrer Radikalität zu ambitionierte Studienordnung teilweise revidiert werden sollte. War das Studium stets auf eine feste weltanschauliche Grundlage gestellt, änderte sich der Schwerpunkt der darauf aufbauenden Studieninhalte. Davon sollte allerdings nicht die geistige, wissenschaftliche Ausbildung profitieren: Bis 1938 konnte sich die Kieler Schule mit dem Ziel einer vollkom413 414
Näher Frassek, Juristenausbildung, in: ZRG GA 107 (2000), S. 294 (311, 313). Klausing, Rechtswissenschaft, Professoren und Fakultäten, in: DJZ 1936, Sp. 344
(347). 415 Freisler, Zur neuen Justizausbildungsordnung, in: DJ 1939, S. 116; Sattelmacher, Die Justizausbildungsordnung vom 22. Juli 1934, in: JW 1934, S. 2292 (2297). 416 Krieck, Ein Weg in die Zukunft, in: Jugend und Recht 1934, S. 149 (150). Mit besonderer Würdigung des „durch Jahrhunderte bewährte[n]“ preußischen Ausbildungssystems dagegen Heymann, BA R 61/348, Bl. 35.
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men ideologischen Aufarbeitung der Studieninhalte durchsetzen. Danach setzte sich mehr und mehr eine praktische Orientierung durch. Diese war zunächst auch rechtsdidaktisch begründet; mit den vierziger Jahren und der beginnenden „Vertrauenskrise“ wurde der Kampf gegen die vermeintliche Volks- und Lebensfremdheit des Juristen417 zur vordringlichsten Aufgabe, die sich auch in der Ausbildung niederschlug. Auf der einen Seite sollte ein allzu geistiges Rechtsdenken, auf der anderen juristisch-technischer, bürokratischer Formalismus aus der Erziehung zum Juristen verschwinden. Auch, aber nicht mit gleicher Frequenz, wurde erneut die Rechtsfremdheit des Volkes als Ansatzpunkt für Reformen auserkoren: Vielfach wurde eine nationalsozialistische Rechtspädagogik für die Gesamtheit des Volkes und gerade an Schulen vorgeschlagen.418 Zu den zentralen Fertigkeiten des angehenden Juristen gehörte die einer volksgerechten Entscheidungsfindung. Das Recht war im nationalsozialistischen Sinne anzuwenden. Erst sekundär kam es in den Erwägungen zur neuen Juristenausbildung überhaupt auf die Beherrschung fachjuristischer Inhalte an: Bereits aus der neuen Rechtskonzeption zwingend eine andere Ausrichtung der Lehre. Durch das neue Ausbildungsrecht wurden die fachlichen Anforderungen ausgeführt: Der umfassend über die geschichtlichen, insbesondere völkischen Hintergründe seines ganzen Tuns unterrichtete Jurist sollte die zivilrechtliche Bedeutung für den Schutz von Familie und Rasse kennen, im Strafrecht die Erkennung und Beseitigung von „Volksschädlingen“ erlernen und im öffentlichen Recht den Aufbau des nationalsozialistischen Staates und der ihm zugrundeliegenden „Lehre“ verinnerlicht haben. Praktisch begründet, aber weltanschaulich durchzogen waren Reformen des nur begrenzt zu handhabenden Schuldrechts und des Völkerrechts, das aber eher eine Randnotiz der Ausbildung darstellte. Gerade das öffentliche Recht bildete einen weltanschaulichen Unterbau, der sich in der Rechtsanwendung der Juristen wiederfinden sollte. d) Die Rolle der Universitäten Wurden durch die Justizausbildungsordnung und die Studienordnung bereits der Studienverlauf und dessen Inhalte in erheblichem Umfang vorgegeben, verblieb die Aufgabe der konkreten Ausgestaltung des Studiums und damit die Verantwortung für die Umsetzung des nationalsozialistischen Programms bei den Universitäten.419 Wie die Grundlagen der Juristenausbildung änderte sich auch das Verständnis akademischer Ausbildung selbst und die Stellung und Bedeutung der Universitäten im Staat. 417
Vgl. hierzu auch AV d. PrJM vom 16.5.1934, abgedruckt in DJ 1934, S. 631. Herschel, Recht und Volk, S. 16 f.; Keßler, Rechtspädagogik, in: ZAkDR 1942, S. 68 (69 f.); von Leers, Arteigenes Recht und Unterricht, S. 5; Messerschmidt, Vom Sinn des Rechtsunterrichts, in: DRPfl. 1939, S. 33 (34). 419 Vor der Studienordnung etwa Tilka, Prüfung und Ausbildung der Juristen, S. 13. 418
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aa) Die Hochschulen im Nationalsozialismus Die strukturelle Reorganisation der Universitäten erfolgte in wenigen großen Schritten: Der Zentralisierung der Universitätsverwaltung durch Gesetz über den Neuaufbau des Reiches420 folgten der Erlass einer Reichs-Habilitations-Ordnung (RHO) am 13. Dezember 1934421 und die Schaffung einer reichsweiten Universitätsverfassung durch die Richtlinien zur Vereinheitlichung der Hochschulverwaltung vom 1 April 1935.422 Die Verhältnisse der Studentenschaft regelten, neben anderen, das schon zuvor erlassene Gesetz über die Bildung von Studentenschaften an den wissenschaftlichen Hochschulen vom 22. April 1933423 und die Strafordnung für Studenten, ebenfalls vom 1. April 1935.424 Die Reichs-Habilitationsordnung bedeutete bereits eine Aufweichung der akademischen Selbstverwaltung. Die Fakultäten verloren ihr Recht auf Erteilung der venia legendi mit Ablegung der Habilitation.425 Diese war von nun an von einer Genehmigung durch das erst 1934 neu gegründete Reichswissenschaftsministerium abhängig,426 sodass die Möglichkeit bestand, zunächst die Gesinnung der Aspiranten zu prüfen.427 Und auch die Habilitanden hatten an gesinnungsfestigenden428 Gemeinschaftslagern teilzunehmen.429 Eine erteilte Lehrbefugnis konnte im „Hochschulinteresse“, also bei politischer Unzuverlässigkeit, zudem jederzeit durch den Reichswissenschaftsminister entzogen werden.430 Die neue Hochschulverfassung zog noch keine „innerliche“ Erneuerung nach sich,431 bedeutete aber die endgültige reichsweite Aufhebung der akademischen Selbstverwaltung, die im natürlichen Widerspruch zum streng hierarchischen Führerprinzip stand, das teils bereits in Verfassungen der Universitäten432 oder
420
RGBl. I 1933, S. 75. R U I 730/34 des Reichserziehungsministeriums. 422 Abgedruckt in: Deutsche Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung 1935, S. 137. 423 RGBl. I 1933, S. 61. 424 Veröffentlicht in DJZ 1935, Sp. 495 f. 425 Schroeder, Eine Universität, S. 508. 426 Schroeder, Eine Universität, S. 508. 427 Zschucke, Preußische Hochschulverfassung, in: DJZ 1934, Sp. 63 (64). 428 Schmerbach, S. 205. Im Einzelnen zu den Unterschieden des Gemeinschaftslagers für Referendare und denen für künftige Dozenten, siehe ders., a. a. O., S. 208. 429 Schroeder, Eine Universität, S. 508 f. 430 Auch an dieser Stelle waren die Ausführungen relativ gering. So werden in der amtlichen Kommentierung zur RHO von 1939 ausschließlich Ausführungen zur Entlassung gemacht, vgl. Senger, Reichs-Habilitations-Ordnung, S. 40 f. Im Ergebnis bestand hierin die Möglichkeit zu Entlassungen aus politischen Zweckmäßigkeitserwägungen. 431 Eckhardt, Richtlinien zur Vereinheitlichung der Hochschulverwaltung, in: DRW 1934, S. 89 (91). 432 Vgl. Weisert, Verfassung der Universität Heidelberg, S. 126 ff. 421
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der Fakultäten selbst verankert worden war.433 An der Spitze der Universität stand weiterhin der Rektor, nun als Führer der Universität. Dieser wurde vom Reichserziehungsminister – oder durch Wahl, aber nach Durchführung eines Vorschlagsverfahrens434 – ernannt und unterstand diesem unmittelbar (Punkt 4 der RL). Die zentralisierte und damit wissenschaftsferne Entscheidung über den Führer der Universität erntete durchaus Kritik.435 Sie wurde aber damit gerechtfertigt, dass der zahlenmäßig überwiegenden alten Generation an den Universitäten bei allem Respekt nicht die Entscheidung über die Spitze der Universität überlassen werden konnte, wollte man einen Neuaufbau der Hochschulen erreichen.436 Dem Rektor wurde ein Beirat zur Seite gestellt, der als „Stoßtrupp“ besondere Unterstützung bei der Umsetzung nationalsozialistischer Ideologie an der Hochschule leisten437 und dabei aber nicht nur politisch, sondern auch wissenschaftlich beraten sollte.438 Wiederum der Rektor bestimmte über die Dekane, die ihrerseits die Fakultäten führten (Punkt 10). Untergeordnete Fakultäts- und Universitätsangehörige hatten wie üblich439 noch eine beratende Funktion, insbesondere als Teils des Senats (Punkt 8). Hierzu gehörten die 1933 gegründeten Studentenschaften. Nach § 1 des Gesetzes über die Bildung von Studentenschaften gehörten hierzu sämtliche Deutschen unabhängig von der Staatsangehörigkeit – sprich: jene, die aufgrund ihrer Abstammung als Deutsche anerkannt wurden. Die Studentenschaft hatte „mitzuwirken, daß die Studenten ihre Pflichten gegen[über] Volk, Staat und Hochschule“ erfüllten (§ 2). Die am 7. Februar 1934 erlassene „Verfassung der deutschen Studentenschaft“ wiederholte diese Aufgabenzuteilung und stellte die Studenten unter Pflicht zum SA-Dienst und zur politischer Schulung durch den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund.440 Durch Verordnung waren den Studentenschaften schon zuvor Mitwirkungsrechte verliehen worden,441 nun 433 434 435
Schroeder, Eine Universität, S. 507. Adam, Hochschule und Nationalsozialismus, S. 62. Krieck, Führung in der künftigen deutschen Hochschule, in: DRW 1934, S. 87
(88). 436 Eckhardt, Richtlinien zur Vereinheitlichung der Hochschulverwaltung, in: DRW 1934, S. 89 (90). 437 Groh, Universitätsverfassung, in: DR, S. 3 (5). 438 Walz, Der Rektor, in: DR 1935, S. 6 (8). 439 So war die Möglichkeit der Fakultäten, bei Berufungen Vorschläge zu unterbreiten alles andere als „erstaunlich“ (Schroeder, Eine Universität, S. 507), sondern entsprach gerade dem System der Führung. Die Entscheidung war nämlich weiterhin dem jeweiligen „Führer“ vorbehalten. Auch dem Rektor wurde für den Fall, dass ein besonderes Interesse das erforderte, ein Senat beigestellt, den dieser befragen konnte, aber keineswegs musste, vgl. Zschucke, Preußische Hochschulordnung, in: DJZ 1934, Sp. 63 (65). Erstaunlich war dagegen, wie weit die Universitäten faktisch selbst Personalentscheidungen treffen konnten, vgl. Hammerstein, Wissenschaftssystem, S. 221. 440 Vgl. Roegele, Student im Dritten Reich, S. 144. 441 Adam, Hochschule und Nationalsozialismus, S. 48.
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waren sie ebenso Teil des Senats (Punkt 8). Die Stärkung der Studentenschaften sollte das politische, „revolutionäre Potential“ der Jugend nutzen, um den nationalsozialistischen Einfluss an den Universitäten – gerade mit Blick auf die ältere, potenziell weniger beeinflussbare Dozentenschaft – zu erhöhen.442 Die konkrete Umsetzung des Führerprinzip konnte dabei ganz unterschiedliche Gestalt annehmen, wie es der beispielhafte Vergleich der Universitäten Heidelberg und Tübingen verdeutlicht. Während der Rektor der „Stoßtruppuniversität“ Heidelberg etwa relativ bald eigenständig personelle Maßnahmen ergriff,443 übten Dekane und Rektoren der Tübinger Fakultät ihr alleiniges Führungsrecht bis 1937 nicht aus und ließen wie bisher die Selbstverwaltungsgremien wirken.444 Von größter theoretischer wie praktischer Bedeutung war noch vor der strukturellen Anpassung die ideologische Integration des Universitätsbetriebes in den nationalsozialistischen Staat und damit der innerliche Neuaufbau der Hochschulen. Die voraussetzungslose, neutrale, freie, eigenverantwortliche Suche nach Wahrheit und Erkenntnis war tief verankert in einem liberalen Wissenschaftsbegriff, der als solcher mit dem totalen Staat und dessen Weltanschauung unvereinbar war. So schwelte vor allem in der frühen Phase des Reiches hinter den vordergründig sichtbaren strukturellen Anpassungen der Universität an den nationalsozialistischen Machtapparat die Frage um die Daseinsberechtigung der Universität an sich.445 Die drängendste Aufgabe war somit die Beseitigung des Widerspruchs zwischen dem liberalen Grundverständnis und der neuen Weltanschauung.446 Nicht zuletzt, weil – gerade im Bereich des juristischen Studiums447 – auf die Notwendigkeit einer wissenschaftlicher Ausbildung bestanden worden war, blieben die Universitäten und Juristenfakultäten bestehen. Sie erhielten gleichwohl in Bezug auf die Rechtswissenschaft eine neue Aufgabe: Die „Verwirklichung des neuen geistigen Rechts“.448 Diese ließ freilich keinen Raum für Indifferenz und Voraussetzungslosigkeit449 oder ein Ideal wissenschaftlicher Forschung.450 Kennzeichnend für die nationalsozialistische Universität war ihre politische Ausrichtung. Unter Berücksichtigung ihrer sozialen Funktion sollte sie vor allem pädagogische Aufgaben wahrnehmen und eine Politisierung der Stu-
442
Adam, Hochschule und Nationalsozialismus, S. 48. Schroeder, „Eine Universität“, S. 507 ff. 444 Adam, Hochschule und Nationalsozialismus, S. 210. 445 Schaffstein, Politische Universität, in: DJZ 1934, Sp. 511 (512). Vgl. auch Ritterbusch, Rechtswissenschaft und Politik, in: DJZ 1934, Sp. 1361 (1362). 446 Köttgen, Hochschulrechtliche Reformen, in: DJZ 1934, Sp. 1523; vgl. auch Lange, Verfall des Persönlichkeitsgedankens, in: DJZ 1935, Sp. 406 (409). 447 Selbst mitten im Kriege etwa Dahm, Rechtsstudium an der Universität, in: DR 1943, S. 561. Vgl. auch oben unter 3. c) ee). 448 Ritterbusch, Idee und Aufgabe der Universität, S. 9. 449 Ritterbusch, Rechtswissenschaft und Politik, in: DJZ 1934, Sp. 1361 (1363 f.). 450 Köttgen, Hochschulrechtliche Reformen, in: DJZ 1934, Sp. 1523 (1524 f.). 443
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denten vorantreiben.451 Klärungsbedürftig blieb damit, ob Wissenschaftlichkeit als Suche nach Wahrheit mit der Wahrnehmung einer nationalpolitischen Erziehungstätigkeit überhaupt noch möglich sein würde.452 Gelöst wurde dieser Konflikt um eine Umdeutung der Wahrheit selbst: „wahr und wirklich“ konnte ohnehin nur ein „Geist des rassegebundenen Seins“ sein.453 Die wissenschaftliche Tätigkeit der Universität diente also nicht der Suche nach beliebiger Wahrheit, sondern explizit der in der nationalsozialistischen Weltanschauung begründeten Wahrheit. Sie diente zur „Gestaltung und Schaffung der Einheit und Gemeinschaft des nationalsozialistischen Geistes“,454 also dazu, die nationalsozialistische Weltanschauung durch ihre Forschung und Wissenschaft zu begründen und nahm so eine zentrale Rolle im „geistigen Kampf“ um die Weltanschauung ein.455 Die Universitäten und gerade die juristischen Fakultäten schöpften ihre Daseinsberechtigung nunmehr ausschließlich aus ihrer Bedeutung für die wissenschaftliche Unterfütterung und Verbreitung nationalsozialistischer Ideologie. Die Wissenschaft war, anders als von einigen erwartet,456 unfrei, wurde aber mit unangemessen kurzem Begründungsaufwand dennoch für frei erklärt: Voraussetzungslosigkeit sei kein Merkmal für Freiheit, sondern die Freiheit der Wahl des „Ausgangspunktes und des Zusammenhangs der (rechtswissenschaftlichen) Ergebnisse mit der zugrunde gelegten Weltanschauung“.457 Für die Rechtswissenschaft bedeutete das, dass neben der Erziehung der Studenten und der politischen Weiterbildung nur wenige Aufgaben verblieben: Sie sollte zur Verbindung der Gesetzgebungswerke beitragen, wissenschaftliche Erkenntnisse über die völkische Ordnung gewinnen und so über die Theorie hinaus auch praktisch ihren Beitrag dazu leisten, die rechtliche Einheit der Reichsordnung zu festigen.458 bb) Die Lehre mit besonderem Blick auf die Staatsrechtslehre (1) Lehrfreiheit und Beamtenstellung Die Verfassungsänderungen und die neue Ausrichtung der Universität hatten ganz unmittelbare Folgen für die Lehre. Der Nationalsozialismus beendete 451
Köttgen, Hochschulrechtliche Reformen, in: DJZ 1934, Sp. 1523 (1525 ff.). Zweifelnd insofern Köttgen, Hochschulrechtliche Reformen, in: DJZ 1934, Sp. 1523 (1526). 453 Ritterbusch, Idee und Aufgabe der Universität, S. 10. 454 Ritterbusch, Idee und Aufgabe der Universität, S. 10. 455 Krieck, Weltanschauung und Hochschule, in: DR 1935, S. 2. 456 Kisch, Rede zum Deutschen Juristentag am 1.10.33, abgedruckt in: Schraut, Deutscher Juristentag, S. 33 (34). 457 Kisch, Der deutsche Rechtslehrer, S. 49 f.; Messerschmidt, Das Reich im nationalsozialistischen Weltbild (1940), S. 99. 458 Busse, Zur Aufgabe der heutigen Rechtswissenschaft, in: DRW 1935, S. 289 (292–297). 452
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schlagartig jegliche Diskussion über die akademische Lehrfreiheit: Die verfassungsrechtliche Garantie der Lehrfreiheit endete mit der Abschaffung der Grundrechte. Als liberalistisches Abwehrrecht gegen den Staat erschien jede Form von Lehrfreiheit als nicht mehr zeitgemäß und abwegig.459 Der Hochschullehrer, dem vorgeworfen wurde, sich vom Volke entfremdet zu haben,460 musste nun umso mehr „Diener seines Volkes und seines Faches“ sein.461 Als Akademiker trug er mit seiner Erziehungsaufgabe eine besondere Verantwortung für die „Zukunft von Volk und Staat“ 462 und hatte besonders aktiv bei der charakterlichen Auslese des künftigen Rechtsstandes mitzuwirken.463 So war jegliche geistige Distanz, die der beamtete Hochschullehrer noch zum Staate hätte wahren können, aufgehoben. Eine Lehrfreiheit bestand nicht mehr; die Freiheit zur Äußerung negativer Urteile über die Führung hätte unmittelbar die totale Geltung der Weltanschauung in Frage gestellt.464 Die Freiheit der Wissenschaft und der Lehre war in der Republik noch stets als Bollwerk gegen den ,gefährlichen‘ Parlamentarismus und die ,Parteiinteressen‘ verstanden worden – auf große Zustimmung hatte das Ende einer echten, „voraussetzungslosen“ Wissenschaft damit nicht stoßen können.465 Kritische Stimmen traten gleichwohl nur vereinzelt auf. Zwar beteiligten sich bei weitem nicht alle Hochschullehrer am „Bekenntnis der Professoren zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat“; weitgehend zeigte sich jedoch eine stillschweigende Hinnahme der neuen Verhältnisse.466 Appelle an die neue Regierung seitens der Fakultäten unterblieben, möglicherweise um die eigene Stellung nicht zu gefährden.467 Allenfalls wurde versucht, über Parteifunktionäre Einfluss zu gewinnen und so Versetzungen zu verhindern.468 Schließlich bestand ab 1934 nach dem Aufbau eines effektiven Machtapparates und der Sicherung der Totalität des Staates und der nationalsozialistischen Ideologie ohnehin keine Möglichkeit
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Jescheck, Die juristische Ausbildung, S. 160. Groh, Universitätsverfassung, in: DR 1935, S. 3. 461 Haberland, Nationalsozialismus und Hochschule, in: Volk im Werden 1933, S. 35 (37). Hieran ändert auch die Bemerkung Haberlands, einen „Hochschullehrer, welcher aus Zwang wissenschaftliche Arbeit liefert, kann der nationalsozialistische Staat nicht gebrauchen. [. . .] Der Hochschullehrer soll etwas ganz Besonderes in der Wissenschaft bedeuten [. . .].“ Gemeint war damit nicht etwa eine Lehrfreiheit, sondern dass der Hochschullehrer bereits aus seiner Denkweise heraus Nationalsozialist zu sein hatte und dies nicht nur vorgeben dürfte. 462 Obenauer, Die Erziehungsaufgabe des Hochschullehrers, in: DR 1935, S. 10. 463 Gonnella, Jungjuristennot, in: DJZ 1934, Sp. 1492 (1493). 464 Kisch, Der deutsche Rechtslehrer, S. 50 ff. 465 Eckhardt, Das Studium der Rechtswissenschaft (1940), S. 7. 466 Lück, Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät Halle, S. 24. Mit Blick nach Heidelberg, vgl. Schroeder, Eine Universität, S. 498 f. 467 Schroeder, Eine Universität, S. 505. 468 Kunkel, Der Professor im Dritten Reich, S. 117. 460
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wirksamen gewaltfreien Protests.469 Auch die personellen Aussonderungen hatten bereits Wirkung gezeigt. Allenfalls stellte sich so Resignation ein, als die Erkenntnis wuchs, dass in der Weimarer Republik zu wenige politische Bemühungen unternommen worden waren.470 Neben der geistigen verloren die Hochschullehrer bald auch die rechtliche Distanz zum Staat: Wie andere Staatsbedienstete waren sie den Folgen des BBG und den weiterführenden Bestimmungen ausgesetzt, vor allem dem „Gesetz über die Entpflichtung von Hochschullehrern aus Anlaß des Neuaufbaus des deutschen Hochschulwesens“, 471 erlassen am 21. Januar 1935. Hierdurch wurde bereits zwei Jahre vor Inkrafttreten des DBG eine Altersgrenze von 65 Jahren für Hochschullehrer festgesetzt (§ 1); mutmaßlich zu Gunsten regimetreuer oder aus Personalmangel noch erforderlicher Professoren konnten hiervon Ausnahmen gemacht werden (§ 2). § 3 räumte die Möglichkeit zur Versetzung der Professoren an andere Lehrstühle ein, um damit den Neuaufbau der Hochschulen zu beschleunigen. Zuständig für die meisten Entscheidungen war der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (§ 6). Mit der Bedeutungslosigkeit der akademischen Lehrfreiheit konnten die Hochschullehrer auch nicht länger eine herausragende Stellung unter den Beamten geltend machen. Der Erziehungsauftrag, integraler Teil der Juristenausbildung und Hauptaufgabe des Universitätsbetriebs, verpflichtete den Rechtslehrer nur zusätzlich und bedeutete eine besonders enge Bindung an und Einbindung in den staatlichen Apparat. Der Hochschullehrer war höchstpersönlich für die charakterliche Auslese der künftigen juristischen Elite verantwortlich.472 (2) Die nationalsozialistische Staatsrechtslehre Obwohl an der absoluten Erziehungsaufgabe eines jeden Hochschullehrers kein Zweifel besteht, soll erneut auf die Staatsrechtslehre eingegangen werden. Die Staatsrechtslehre war besonders betroffen von den politischen Entlassungen und Rückzügen der Hochschullehrer ins Exil. Von all denen, die in der Krise der Weimarer Staatsrechtslehre als zentrale Figuren aufgetreten waren, blieben nur Schmitt und der zuvor noch weniger einflussreiche473 Koellreutter als geistige und juristische Wegbereiter des totalitären und nationalsozialistischen Staates von Bedeutung.474 Heller war 1933 verstorben,475 Jellinek wurde 1936 aufgrund 469 Dreier, Staatsrechtslehre im Nationalsozialismus, S. 196; so auch Schroeder, Eine Universität, S. 498. 470 Wolff, zitiert nach Schroeder, Eine Universität, S. 498. 471 RGBl. I 1935, S. 23. 472 Gonnella, Jungjuristennot und Volksverantwortung, in: DJZ 1934, Sp. 1492 (1493). 473 Gleichwohl nicht unbedeutende, vgl. Schmidt, Otto Koellreutter, S. 179, Fn. 825. 474 Vgl. Cybidowski, Die nationale Methode, in: DJZ 1934, Sp. 643 (644). 475 Schluchter, Hermann Heller, S. 42.
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seiner jüdischen Abstammung trotz aller Versuche, als Deutscher anerkannt zu werden, aus seiner Stellung gedrängt,476 ähnliches galt für Kelsen.477 Smend konnte seine Lehrtätigkeit fortführen, musste in Berlin allerdings Reinhard Höhn weichen und besetzte anschließend einen Lehrstuhl in Göttingen.478 Anschütz erklärte bereits 1933, dass er aufgrund seiner Ablehnung der neuen nationalsozialistischen Ordnung nicht im Stande sein könnte „die Studierenden im Sinne und Geist der geltenden Verfassungsordnung zu erziehen“ und ließ sich emeritieren.479 Darüber hinaus fielen Distanzierungen und Kritik überaus spärlich aus.480 Die noch in Weimarer Zeiten so hochgehaltene Forderung nach einer Bindung der Staatsgewalt verklang im NS-Staat481 – möglicherweise, weil neben eines Überwiegens der Freude über das Ende der Weimarer Verfassung und des durch sie verankerten Parlamentarismus482 die Bedeutung der Ereignisse schlicht unterschätzt wurde und es schon ein Jahr nach Beginn des Aufbaus eines neuen totalitären Staatsapparates ohnehin zu spät für jede Form akademischer Anklage war.483 Diejenigen, die nicht von selbst aufgaben, vertrieben wurden oder sich widerspruchslos in die neue Ordnung fügten, konnten bis in die Spitze der neuen nationalsozialistischen Staatsrechtslehre aufsteigen. So neben den gerade Erwähnten etwa Forsthoff, Heckel, Huber, Höhn, Krüger und Maunz. Nicht unbeachtet bleiben soll, dass diese grob in zwei Gruppen eingeteilt werden konnten: eine, die den NS-Staat wohl „nur“ als einen möglichen Ausdruck ihres Ideals einer starken Ordnung, eines totalen Staates sah und die darüberhinausgehende Ideologie in ihr Werk aufnahm, ohne selbst überzeugte Nationalsozialisten sein zu müssen, und eine andere, die wirklich den Inbegriff einer neuen nationalsozialistischen Staatsrechtslehre darstellte. Ohne dass dies ihren ganz erheblichen Beitrag schmälern könnte, verlor erstere Gruppe, zu der Koellreutter, Schmitt und Forsthoff zählen dürften, allmählich ihre Relevanz – teils aus eigener Motivation, gerade Schmitt aber unfreiwillig.484 Für einen Ruf an wichtige Lehrstühle ver476
Mußgnug, Briefwechsel Forsthoff/Schmitt, S. 18. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 3, S. 311. 478 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 3, S. 257. 479 Zitiert nach Forsthoff, Gerhard Anschütz, in: Der Staat 6 (1967), S. 139. 480 Leibholz etwa bemühte sich noch Anfang 1933, „die strukturellen Veränderungen des künftigen Staatsbildes mit einer gewissen Verläßlichkeit aufzuzeigen“, „ohne daß mit den ebenso populären wie wissenschaftlich unbrauchbaren Kategorien von Schuld und Vorwerfbarkeit operiert werden muß“ und versuchte, eine mögliche Vereinbarkeit von Demokratie und Diktatur nachzuweisen, vgl. ders., Die Auflösung der liberalen Demokratie in Deutschland, S. 6, 79. 481 Sontheimer, Antidemokratisches Denken, S. 111. 482 Dreier, Staatsrechtslehre im Nationalsozialismus, S. 197 f. 483 Dreier, Staatsrechtslehre im Nationalsozialismus, S. 196. 484 Zur allmählichen Distanzierung Forsthoffs im Verlauf der Entwicklung, siehe auch Dreier, Staatsrechtslehre im Nationalsozialismus, S. 193, Fn. 39. Zu den günstigen 477
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körperten die beiden Letztgenannten nicht hinreichend die Gesinnung, die an den Universitäten vermittelt werden sollte.485 Die neue nationalsozialistische Staatsrechtselite dagegen sah ihre Aufgabe in der wissenschaftlichen Ausfüllung und missionarischen Verbreitung der neuen Ideologie und ihrer Begriffe von Volk, Bewegung und Führung. Fanatische Verherrlichung oder gar Gottesvergleiche in Bezug auf Hitler gehörten in der Regel zwar nicht dazu;486 sowohl Inhalt als auch Form des staatsrechtlichen Lehrbetriebs änderten sich aber auch ohne eine derart offenkundige Aufgabe jeglichen Wissenschaftlichkeitsanspruches. Neuer „Kern der Staatslehre“ war die „Staatsauffassung Adolf Hitlers“.487 Eine Pluralität der Weltanschauungen, die Vorstellung einer unpolitischen Staats- und damit auch Staatsrechtslehre waren evident unvereinbar mit den Ideen der Nationalsozialisten.488 Mit der neuen weltanschaulichen Grundlage des Staatsrechts bedurfte diese auch neuer Begriffe.489 Frühe, ganz vereinzelte Mahnungen, Propagandabegriffe nicht kritiklos in die Wissenschaft zu übernehmen, wurden überhört.490 Der neue Gegenstand der Staatsrechtslehre des Nationalsozialismus sollte die „politische Ordnung des Volkslebens“ sein,491 wobei es Aufgabe der Staatsrechtswissenschaft sein sollte, die Wissenschaft dem Leben anzupassen.492 Die Propagandabegriffe „Volk“, „Führung“ und „Bewegung“ wurden die neuen Grundbegriffe eben dieser Staatsrechtslehre. Zentrale, tief in der alten Lehre verankerte Begriffe, etwa der vom Rechtsstaat oder von der Unabhängigkeit des Richters, versuchte man nach Maßgabe der nationalsozialistischen Weltanschauung neu zu definieren, anstatt sie konsequenterweise aufzugeben.493 Der Rechtsstaatsbegriff etwa wurde erbittert am Leben erhalten, indem er im Grundsatz unbedingt, im Ergebnis aber unterschiedlich radikal von seinen „bürgerlich-liberaAussagen Anschütz’ und Jellineks für Forsthoff in dessen Entnazifizierungsverfahren, vgl. Mußgnug, Briefwechsel Forsthoff/Schmitt, S. 19, 22. Ebenfalls für „sein Eintreten für das Recht“ gelobt von Kunkel, Der Professor im Dritten Reich, S. 129. Zu einer behaupteten, aber letzlich spekulativen Abwendung Koellreutters vom vermeintlich radikalisierten Nationalsozialismus, vgl. Schmidt, Otto Koellreutter, S. 109, 135. 485 Schartner, Universität Wien, S. 31 ff.; Mußgnug, Briefwechsel Forsthoff/Schmitt, S. 16. 486 Dreier, Staatsrechtslehre im Nationalsozialismus, S. 200 f. 487 Cybidowski, Siegmund, Die nationale Methode, in: DJZ 1934, Sp. 643 (644). 488 Ritterbusch, Idee und Aufgabe der Reichsuniversität, S. 16 f. 489 Höhn, Führer oder Staatsperson, in: DJZ 1935, Sp. 65 (71 f.). 490 Helfritz, Rechtsstaat und nationalsozialistischer Staat, in: DJZ 1934, Sp. 426 (427). Möglicherweise aufgrund seiner Enthaltung bei der Ausübung von Druck auf die jüdischen Kollegen wurde der durchaus auch republikfeindliche und der DNVP angehörige Helfritz schon 1933 als Rektor in Breslau abgesetzt, vgl. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 3, S. 161 Fn. 35, 261. 491 Heckel, Staats-, Verwaltungs- und Kirchenrecht im Dritten Reich, S. 15. 492 Höhn, Die Wandlung im staatsrechtlichen Denken, S. 46. 493 Zur Unabhängigkeit des Richters siehe schon oben, unter II. 2. b), unter der Maßgabe, dass es sich hierbei um eine Begrifflichkeit von besonderem öffentlichen Interesses handelte – bei der des Rechtsstaats bloß um eine eher theoretisch relevante.
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len“ Wurzeln getrennt wurde.494 Gerade die älteren unter den Staatsrechtslehrern waren zwar durchaus bemüht, auf die Geltung von Formerfordernissen für Rechtssätze hinzuweisen und so zumindest einzelne rechtsstaatliche Grundsätze zu übernehmen;495 praktisch wurden solche Eingaben der Staatsrechtler allenthalben verworfen496 oder ignoriert,497 handelte es sich doch um bürokratische Formalismen die im NS-Staat keinen Raum haben sollten. Für die Staatsrechtslehre ergaben sich zwei Tätigkeitsbereiche: Zum Einen konnte sie versuchen, die bislang geltenden Prinzipien anhand der nationalsozialistischen Weltanschauung in Frage zu stellen.498 Zum anderen blieb ihr die Abkehr von allem Normativen, die Hinwendung zum Politischen499 und damit der Verzicht auf die Suche nach juristischen Antworten.500 Ohne Möglichkeit, das Staatsrecht mitzugestalten, und reduziert auf die Aufgabe der Darstellung der völkischen Ordnung der nationalsozialistischen Weltanschauung, blieb eine „Staatsrechtslehre ohne Objekt“ zurück.501 Dem angemessen war auch ein neuer Publikationsstil, der weniger die wissenschaftliche Auseinandersetzung als vielmehr das Bekenntnis und die Bejahung der nationalsozialistischen Weltanschauung in den Vordergrund stellte.502 War in der Republik noch betont worden, dass Verfassungstreue gerade bedeutete, mithilfe der staatsrechtlichen Methode zur stetigen Verbesserung der Verfassung und des Staates beizutragen und damit das Erfordernis der Verfassungstreue relativiert worden, hatte der Rechtslehrer nun um jeden Preis die geltende Ordnung zu rechtfertigen. Öffentliche Kritik kam nicht in Betracht; allenfalls noch eine Mitwirkung bei der Neugestaltung des Rechts,503 wenn dieser nicht von vornherein Geringschätzung entgegenschlug. Mehr noch als die anderen Bereiche des Rechts war die Staatsrechtslehre dem Nationalsozialismus unterworfen; ihre Funktion auf die Erziehung zur nationalsozialistischen Ordnung beschränkt. Die Entwicklung zur politischen Wissenschaft war prägend für die Weimarer
494 Vgl. Freisler, Der Rechtsstaat, in: DJ 1937, S. 151 (152); Schmitt, Aufgabe und Notwendigkeit des deutschen Rechtsstandes, in: DR 1936, S. 181 (185). Näher dazu Hilger, Rechtsstaatsbegriffe im Dritten Reich, S. 11 ff., ansonsten im Detail passim. 495 Noch 1944 etwa Huber, Die Verkündung von Rechtsvorschriften, in: ZgS 104 (1944), S. 336 (366). 496 Kritisch gegenüber Koellreutter, etwa Freisler, Der Rechtsstaat, in: DJ 1937, S. 151 (153). 497 Vgl. Dreier, Staatsrechtslehre im Nationalsozialismus, S. 236 f. 498 Sehr anschaulich dafür der weit überwiegende Teil der hier zitierten Werke Reinhard Höhns; treffend daher die ähnliche Wertung von Dreier, Staatsrechtslehre im Nationalsozialismus, S. 238 f. 499 Dernedde, Staatslehre als Wirklichkeitswissenschaft, in: JW 1934, S. 2514 ff. 500 Wißmann, Besprechung in JW 1935, S. 3455. 501 Dreier, Staatsrechtslehre im Nationalsozialismus, S. 237. 502 Dreier, Staatsrechtslehre im Nationalsozialismus, S. 195. 503 Busse, Zur Aufgabe der heutigen Rechtswissenschaft, in: DRW 1936, S. 289 (299).
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Staatslehre; die Entwicklung zum politischen Organ für die nationalsozialistische Staatsrechtslehre. Bis auf ihren Anteil an der Lehre über den neuen Staat war die Staatsrechtslehre bedeutungslos geworden.504 (3) Exkurs: Lehre und Dozenten in der Praxis Wenn auch im Ergebnis ohne große Bedeutung für die Untersuchung – eben in erster Linie theoretischer – staatlicher Leitbilder, soll zum Abschluss auf einige weitere tatsächliche Auswirkungen der zahlreichen personellen Umgestaltungen und der Vorgabe neuer Lehrinhalte eingegangen werden. Sie verdeutlichen, dass sich auch ein offenkundiges, nur im Detail umstrittenes Leitbild bisweilen nur bedingt in die Ausbildungspraxis übersetzen ließ. Eine gesonderte Untersuchung der tatsächlichen Lehrpläne mit besonderem Blick auf den Einsatz der Dozenten und den schwankenden Grad der Umsetzung der neuen Aufteilung des Zivilrechts im Studium hat Frassek vorgenommen.505 Eine detaillierte Darstellung zu Lehrmaterialien und Prüfungsinhalten bieten Wolf 506 und Würfel. Letzterer insbesondere durch eine Auswertung der Archivbestände zur volkskundlichen Prüfung und der geschichtlichen Aufgabe in der ersten Prüfung.507 Bereits im Vorfeld war in Ermangelung der erforderlichen Personalmengen klar, dass das Ideal der neuen Universität nicht überall gleichermaßen umgesetzt werden könnte, zumal noch keine Erfahrungswerte im Umgang mit einer neuen Studienordnung vorlagen. Dass einzelne juristische Fakultäten, unter diesen Kiel, Breslau und Königsberg sowie später auch Heidelberg,508 in der Studienordnung von 1935 als „Stoßtruppfakultäten“ ausersehen worden waren, bedeutete, dass dort die Umsetzung der nationalsozialistischen Vorstellungen besonders eifrig vorangetrieben wurde: Zum einen durch den Einsatz regimetreuer Dozenten und zum anderen durch die gewissenhafte Umsetzung der neuen Studienpläne. Wenngleich gerade in Breslau und Kiel das nationalsozialistische Reformstreben deutliche Erfolge zeigte,509 wurden die nationalsozialistischen Ansprüche an eine reichsweite Umsetzung der Ideale für Universität und Dozenten nicht erfüllt. Das lag im Wesentlichen an einem Fachkräftemangel dessen Ursachen teils lange vor dem Kriegsbeginn lagen. So fehlte bereits ein wesentlicher Teil der Kriegsgeneration des Ersten Weltkriegs als Quelle des Nachwuchses; aber auch die finanziellen Erwartungen lenkten die Interessen der angehenden Akademiker in 504
Vgl. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 3, S. 319 f. Frassek, Juristenausbildung, in: ZRG GA 117 (2000), S. 249 (315–331). 506 Wolf, Jenaer Studium, S. 112 ff. 507 Würfel, Das Reichsjustizministerium, S. 99 ff. 508 Abschnitt IV. Punkt 2 StO 1935, vgl. zuvor unter a) cc); Schroeder, „Eine Universität“, S. 530 f. 509 Eckert, Kieler Schule, S. 37; Frassek, Die nationalsozialistische Studienreform in Halle, S. 99; Lück, Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät Halle, S. 17. 505
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andere Bereiche, zumal das Ansehen der Hochschullehrer, als Art liberale Opposition verklärt, gelitten hatte, und Juristen ohnehin Feindseligkeit ausgesetzt waren.510 Der Staat war gezwungen, seine Ansprüche zu senken: Auch politisch neutrale oder sichtbar oberflächlich nationalsozialistisch engagierte Dozenten wurden habilitiert, um die Arbeitsfähigkeit der Universitäten sicherzustellen.511 Auch die Konzentration der nationalsozialistischen Elite in Kiel hatte dieses Problem verschärft und musste aufgegeben werden, sodass sich die Kieler Schule ab 1937 in der Auflösung befand.512 Neben dem Personal fehlte es auch an Lehrmaterial. Der plötzliche Umsturz des Rechtssystems erforderte ungeheure Mengen an neuer Literatur, die in der kurzen Zeit nicht zur Verfügung stehen konnte. Es bestand Sorge über einen möglichen Rückgriff auf zwar vergleichsweise konservative, im Kern aber doch liberale oder gar jüdische Literatur durch die Studenten.513 Wenn diese nicht zum Einsatz kam, wurde sie regelmäßig durch Literatur ohne wissenschaftlichen Anspruch substituiert.514 Ab 1936, überwiegend aber erst ab 1938/39 erschien die erforderliche Literatur.515 Der Grad der ideologischen Färbung schwankte: In den Kerngebieten, Bauern- und Bodenrecht, war sie unübersehbar.516 An anderen Stellen beschränkte man sich darauf, die nationalsozialistischen Grundlagen des Rechts vorauszusetzen, ohne die Hintergründe näher zu erläutern.517 In den tatsächlichen Lehrplänen zeigte sich, dass die Vorgaben des Studienplans weitestgehend umgesetzt wurden.518 Vereinzelt wurde aber zunächst noch „Schuldrecht“ anstelle von „Vertrag und Unrecht“ gelehrt, selbst an der „Stoßtruppfakultät“ Königsberg.519 Die Prüfungen waren in ebenso unterschiedlichem Maße weltanschaulich geprägt: Das Zivilrecht hatte deutlich materiell-rechtliche Schwerpunkte; im öffentlichen Recht wurden die Hintergründe der nationalsozialistischen Staatsordnung dagegen regelmäßiger relevant.520 Vor allem in der geschichtlichen Aufgabe war allerdings stets mindestens ein „(Lippen-)bekenntnis“ von den Prüflingen erwartet worden.521 Die Fragestellungen waren volkskund-
510
Vgl. Kisch, Der deutsche Rechtslehrer, S. 81 f. Beispielhaft Schroeder, „Eine Universität“, S. 511. 512 Eckert, Kieler Schule, S. 69 f. 513 Schroeder, „Eine Universität“, S. 530; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 3, S. 356 ff. 514 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 3, S. 357. 515 Siehe die Jahresangaben zu einzelnen Werken bei Wolf, Jenaer Studium, S. 112 ff. 516 Wolf, Jenaer Studium, S. 121, 136. 517 Wolf, Jenaer Studium, S. 116 f. 518 Siehe Frassek, Juristenausbildung, in: ZRG GA 117 (2000), S. 294 (356 ff.). So auch Nehlsen, Karl August Eckhardt, in: ZRG GA 104 (1987), S. 497 (505). 519 Wolf, Jenaer Studium, S. 63. 520 Wolf, Jenaer Studium, S. 174, 176, 180 f. 521 Würfel, Das Reichsjustizministerium, S. 171. 511
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licher, weltanschaulicher Natur und betrafen in erster Linie die Entwicklung des völkischen Staates und seiner Gesellschaft.522 Wenn die praktischen Folgen hier auch nur ausschnittsweise betrachtet werden, deutet sich an, dass die Nationalsozialisten mit ihren Vorstellungen einer neuen Juristenausbildung schnell an die Grenzen des Machbaren stießen. Die Beobachtung deckt sich insofern mit den Debatten über die teilweise Rückkehr zu einer pragmatischeren Juristenausbildung: Eine Neuordnung und die Umbenennung der Fächer hatten sich nicht bewährt. In der Folge waren die Universitäten zwar alles andere als ein Bollwerk gegen den Nationalsozialismus; sie waren mit Sicherheit aber auch nicht das erhoffte Wundermittel der ideologischen Indoktrination. cc) Beobachtungen Die Universitäten konnten im Nationalsozialismus ihren Fortbestand sichern, ein „Ringen“ 523 um die Rechtswissenschaft hatten die Rechtslehrer für sich entschieden, wenngleich das Fortbestehen der Juristenfakultäten ab 1943 wieder zur Debatte gestellt wurde. Die Universität als Einrichtung der Wissenschaft, Forschung und Lehre hatte dabei jedoch nicht nur ihre Konturen, sondern auch ihren Inhalt eingebüßt. Zwar findet sich in der nationalsozialistischen Literatur die relativierende Erwägung, Wissenschaft oder Lehre seien frei gewesen, sie bewegten sich bloß im Rahmen der weltanschaulichen Voraussetzungen des Nationalsozialismus;524 aber bereits das für den Nationalsozialismus konstituierende Führerprinzip war ein Sinnbild von Unfreiheit. Durch die ausdrückliche Neuausrichtung der universitären Aufgaben waren die Universitäten und gerade die juristischen Fakultäten ihrer Konzeption nach vollständig, aber auch praktisch in weiten Teilen zu Weltanschauungsschulen geworden. Ihr Zweck und ihre Verantwortung bestanden darin, durchsetzt von regimetreuen Wissenschaftlern auf eine Rechtfertigung des Staates und der staatlichen Herrschaft hinzuarbeiten. Dies traf umso mehr eine ihres wissenschaftlichen Zwecks beraubte Staatsrechtslehre. Aufgrund des nur schleppenden Voranschreitens der Gesetzgebung, der fehlenden Lehrmaterialien und Dozenten bestanden bei der Umsetzung dieses praktisch-weltanschaulichen Leitgedankens der Juristenausbildung zwar erhebliche Schwierigkeiten; die weltanschauliche und auf den völkischen Staat zentrierte Stoßrichtung der universitären Ausbildung stellt dies allerdings nicht grundlegend in Frage.
522 Vgl. erneut insbesondere die Auswertung der Fragestellungen der geschichtlichen Aufgabe bei Würfel, Das Reichsjustizministerium, S. 187 ff. 523 Klausing, Rechtswissenschaft, Professoren und Fakultäten, in: DJZ 1936, Sp. 344 (350). 524 Vgl. Jescheck, Die juristische Ausbildung, S. 160. Ähnlich Würz, Rechtswissenschaftliches Studium, in: DJ 1935, S. 668.
III. Auswertung
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III. Auswertung 1. Juristen und Staat Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten setzte eine deutliche Zäsur zur Weimarer Republik. Die Etablierung der neuen Herrschaftsstrukturen auf allen Ebenen der staatlichen Organisation einschließlich der Justiz und die radikale Verfolgung der Juden und der politischen Gegner ließen den Juristen – mit Ausnahme Einzelner – keinen Raum zur Entwicklung eigener Machtpositionen. Hinzu kam die Unterwerfung der Justiz unter das neue Beamtenrecht: Der Jurist war dem Machtapparat der Nationalsozialisten untergeordnet worden. Seine oberste Pflicht war die Treue zur Führung. Gleichzeitig trieb der Staat besonders effektiv die personellen Erneuerungen in allen Bereichen der juristischen Tätigkeit voran, wenngleich er an den Universitäten bald an seine Grenzen stieß. Im neuen Staat erfüllten die Juristen wichtige Aufgaben: Die Rechtsprechung und vor allem die Rechtswissenschaft entwickelten ein nationalsozialistisches Recht und bestimmten auch den weiteren Umgang mit dem alten, aus der Zeit der Weimarer Republik übernommenen Recht, nachdem die Gesetzgebung dem kurzfristigen Reformbedarf nicht gewachsen war.525 Vor allem die Rechtsprechung hatte die Aufgabe, in der Öffentlichkeit die Geltung der neuen Ordnung und des neuen Rechts zu verkörpern. Aufgrund der staatlichen Zensur kam eine offene Staatskritik seitens des Juristenstandes, ob durch Richter oder Rechtslehrer, generell nicht in Betracht. Erstaunlich ist allerdings, dass kaum vor einer Abschaffung des Juristenstandes gewarnt wurde. Schließlich war es hier nicht nur eine kommunistische Partei im Parlament, sondern die Führungsspitze selbst, die aus ihrer Ablehnung des Juristen kaum einen Hehl machte.526 Eine Äußerung Himmlers, wonach ein neues, verständliches Volksrecht die Beseitigung des gesamten Juristenstandes hätte ermöglichen sollen,527 wurde zwar nicht öffentlich getätigt; eine Ablehnung des Juristen und sämtlicher bürokratischer Vorgänge528 musste jedoch zumindest den Akademikern bewusst gewesen sein. Der Juristenstand wog sich aber in Sicherheit und ging etwa davon aus, dass das neue Volksgesetz allenfalls eine neue „Erkenntnisquelle“ darstellen, der Jurist sicher nicht entbehrlich würde.529 Mit der Entmachtung Hans Franks, der in der Führung und der Öffentlichkeit am sichtbarsten für den Juristenstand und dessen Ansehen eingetreten war, und dem verringerten Einfluss der Akademie für Deutsches Recht, zumal ab August 1942 unter Leitung Thieracks, hätte auf lange Sicht auch einer Verdrängung des akade525 526 527 528 529
Eckert, Kieler Schule, S. 65. Rüthers, Die Ideologie des Nationalsozialismus, S. 19. Kersten, Totenkopf und Treue, S. 134 f. Peterson, Die Bürokratie und die NSDAP, S. 165. Glauning, Recht und Wissenschaft, in: DR 1936, S. 374 f.
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mischen Juristen wenig entgegengestanden. Ob eine solche Abschaffung des gesamten Standes oder eine fachschulische Ausbildung der Juristen beim Fortbestand des „Dritten Reiches“ tatsächlich gedroht hätte – zumal Himmler mit der Zeit bereits den ersehnten Einfluss auf die Justiz gewonnen hatte – ist kaum einzuschätzen. 2. Staatliche Juristenleitbilder Bei der Skizzierung eines staatlichen Juristenleitbildes sollen Abschaffungstendenzen daher überwiegend außer Acht gelassen werden. Die Mitwirkung Karl August Eckhardts an den Richtlinien für das Studium der Rechtswissenschaft, an den Richtlinien zur Vereinheitlichung der Hochschulverwaltung und an den Leitsätzen über die Stellung und Aufgaben des Richters verspricht bereits eine sichtbare Abstimmung der neuen Erwartungen an den Richter mit der Rechtswissenschaft und der juristischen Ausbildung. a) Leitbild der juristischen Ausbildung Trotz aller Rechts- und Juristenfeindlichkeit kam ein Verzicht auf – nationalsozialistischen – juristischen Nachwuchs jedenfalls zunächst nicht in Betracht.530 Die Erziehung zum Nationalsozialisten war Teil des Staatszwecks an sich.531 Jeder „Volksgenosse“ sollte zum „gesunden und tüchtigen“, „tatbereiten Glied der Volksgemeinschaft“ erzogen werden und die Weltanschauung in sich aufgenommen haben.532 Betroffen war dabei ausnahmslos jede Form der schulischen wie beruflichen Ausbildung.533 Selbst eine Erziehung zum nationalsozialistischen Rechtsdenken sollte nicht auf Juristen beschränkt sein, wenngleich tiefergreifende Vorstellungen zur Etablierung einer lückenlosen Rechtspädagogik nicht umgesetzt werden konnten. Aber gerade dem Juristen als Rechtsanwender sollte eine besondere Pflicht zur Mitwirkung im Staate zukommen.534 Die Erziehung des juristischen Nachwuchses zu einem wahrhaft Nationalsozialistischen war also umso wichtiger. Der Juristenausbildung lag ein Bild des aufopferungsbereiten, tapferen, völkisch deutschen Mannes zugrunde, der im nationalsozialistischen Staat führen und geführt werden konnte. Damit einher ging eine Ausrichtung der Ausbildung auf die Persönlichkeits- oder Charakterbildung. In der Fachausbildung sollte der durch seine „Allgemeinbildung“ umfassend über die geschichtlichen und völkischen Hintergründe seines ganzen Tuns unterrichtete Jurist befähigt werden, mit
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Frassek, Die nationalsozialistische Studienreform in Halle, S. 97. Höhn, Die Wandlung im staatsrechtlichen Denken, S. 35. Benze, Nationalpolitische Erziehung, S. 8. Mansfeld, Berufserziehungsrecht, in: ZAkDR 1936, S. 594. Freisler, Geleit, in: Palandt/Richter, JAO 1934, S. V.
III. Auswertung
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den Mitteln des Rechts entsprechend der nationalsozialistischen Ideologie Familie und Volk zu bewahren, „Volksschädlinge“ zu erkennen und zu beseitigen. Den Aufbau des nationalsozialistischen Staates und der ihm zugrundeliegenden „Lehre“ musste er vollständig verinnerlicht haben. Bei allen sorgfältigen Erwägungen über die Ziele der Ausbildung enthielt das Leitbild des NS-Juristen gerade in den späten Jahren eher als Randnotiz die universitäre, „wissenschaftliche“ Bildung, obschon sie nie abgeschafft wurde. Der angehende Jurist musste nicht im klassischen Sinne geistig befähigt sein, schon gar nicht durfte er objektiv handeln, schlimmer noch, Bürokrat sein. Um dieses Ziel zu erreichen musste bisweilen auch die Tiefe der weltanschaulichen Festigung zur Disposition gestellt werden. In seiner Gesamtheit sollte der angehende Jurist fähiger Vermittler des nationalsozialistischen, völkischen Rechts sein. So stand die Verhinderung einer „volksfremden“ Einstellung der künftigen Generation des Berufsstandes umso mehr im Raum. „Volksnah“ bedeutete wiederum eine Rechtsanwendung im Sinne der völkischen Ideologie und des „Volksempfindens“. Der Inhalt des „Volksempfindens“ war freilich wiederum durch die Führung vorgegeben.535 An der Spitze der Ausbildung stand am Ende der vom Krieg noch unberührten Entwicklung die praktische Fähigkeit des in den Führerstaat integrierten Juristen zur „volksnahen“, ergebnisorientierten Rechtsanwendung. b) Nationalsozialistische Richterbilder Das Richterleitbild der Nationalsozialisten war im Kern eindeutig. Der Richter war nicht unabhängig, sondern an das Wort Hitlers und die nationalsozialistische Weltanschauung und Politik gebunden. Er war mit der Aufgabe betraut, öffentlichkeitswirksame Urteile im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie zu sprechen; im Regelfall, indem er abschreckende Strafen gegen vermeintliche Feinde des Volkes verhängte. In diesem Sinne war er auch ein „Dolmetscher“ des Rechts,536 der eben diesem eine verständliche Form geben und dem Volk den Inhalt, die Hintergründe und die absolute Geltung vermitteln sollte. Nur nach außen bedeutete die Rede vom 26. April 1942 eine Zäsur für das staatliche Richterleitbild: Die vorgebliche Freiheit des Richters hatte eine Verbundenheit zur deutschen Tradition signalisieren und den Eindruck eines Richters im Rechtsstaate vermitteln sollen. Die offene, absolute Unterwerfung der Richter unter die Willkür Hitlers versinnbildlichte endgültig die ausnahmslose Bindung jedes Einzelnen an den Führerwillen. So wandelte sich das Bild des Richters im „Dritten Reich“ vom freien Richter zum Soldaten des Führers.
535 536
Herschel, Recht und Volk, S. 9. Rothenberger, Der deutsche Richter, S. 21.
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3. Juristenleitbilder und Staatsbewahrung Das Bild des „deutschen“ Mannes, der in der Führungshierarchie gleichermaßen die bedingungslose Unterordnung wie die Bedeutung der eigenen Befehlsgewalt verinnerlicht hatte, und die Betonung einer Ständeunabhängigkeit waren kein spezifisch juristisches Leitbild. Dennoch sollten beide Aspekte gerade den Juristen, der als eigensinnig und volksfremd galt, zur Folgsamkeit und zu einer neuen Stellung in der Gesellschaft zwingen und den „sozialistischen“ Anspruch ebenso wie die Totalität des Staates untermauern. Aber auch das spezifische Juristenleitbild war unübersehbar vom Ziel der Staatsbewahrung und Machtbehauptung getragen. Der unbedingte Glaube des Richters an die nationalsozialistische Rechtskonzeption, der in den Urteilen erkennbar werden sollte, war ein unverzichtbarer Garant für die Aufrechterhaltung eines stabilen Staates: einerseits, um den Glauben an die nationalsozialistische Rechtsordnung zu stärken;537 andererseits um eben diese vor störenden Einflüssen und Feinden zu schützen. Die juristischen Fakultäten waren nicht bloß Nebenkriegsschauplätze,538 sondern eine zentrale Weiche in der Ausbildung des künftigen Juristen und nicht zuletzt des Richters.
537 Frank, An die deutschen Rechtswahrer!, in: DJZ 1936, Sp. 401; Schmitt, Aufgabe und Notwendigkeit des deutschen Rechtsstandes, in: DR 1936, S. 181 (183). 538 Auch im Gegensatz zu anderen Fakultäten oder Universitäten, vgl. Maier, Nationalsozialistische Hochschulpolitik, S. 74. Dort war der Wissenschaftsbetrieb oft von der Politik nicht wesentlich beeinträchtigt weitergegangen, vgl. Hammerstein, Wissenschaftssystem, S. 221.
D. Die Deutsche Demokratische Republik I. Grundlegendes 1. Beobachtungszeitraum und wichtige Stationen Über 40 Jahre bestand die DDR – und somit länger als die beiden vorangegangenen Erscheinungsformen des deutschen Staates, sodass der beobachtete Zeitraum des Umbruchs hier einer genaueren Eingrenzung bedarf. Das Kapitel folgt der Entstehung des neuen Staates von der Übernahme der Regierungsgewalt der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) und der Gründung der Sowjetischen Besatzungszone am 9. Juni 19451 bis in die ersten Jahre nach dem Mauerbau. In diesen Zeitraum fallen mehrere große Schritte des werdenden Staates: die Entwicklung zur Einparteienherrschaft der SED unter Walter Ulbricht, der Erlass der ersten Verfassung im selben Jahr, die Proklamation des „Aufbaus des Sozialismus“ auf dem II. Parteitag der SED 1952, die Babelsberger Konferenz 1958, der Mauerbau im August 1961 und zuletzt die wirtschaftlichen Reformen durch das „Neue Ökonomische System“ (NÖS) im Juli 1963. Bereits mit der Absicherung der innerdeutschen Grenze waren die staatlichen Verhältnisse wesentlich stabilisiert. Auch nach der Übernahme des Parteivorsitzes der SED durch Erich Honecker wurde auf die bisherige Entwicklung aufgebaut und die Parteiherrschaft – wenngleich unter Aufgabe des Personenkults um Ulbricht – nur weiter gefestigt.2 Dieser Zeitraum bleibt daher unberücksichtigt. Der Beobachtungszeitraum erstreckt sich hauptsächlich auf die Jahre 1945 bis 1963. 2. Abriss des DDR-Verfassungsrechts Noch in der Besatzungszeit wurden einige staatsorganisationsrechtliche Grundlagen der Weimarer Republik wiederbelebt: 1945 wurde die Bildung und Betätigung neuer Parteien als Teil eines antifaschistischen Blocks zugelassen.3 Kurzfristig wurden auch föderale Strukturen wiedereingeführt, den Ländern und Provinzen eine beschränkte Gesetzgebungskompetenz eingeräumt.4 Die ohnehin wenig pluralistische Parteienlandschaft wurde durch die Vereinigung der wiedergegründeten KPD und SPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands 1 2 3 4
SMAD-Befehl Nr. 1 vom 9.6.1945. Breithaupt, Rechtswissenschaftliche Biographie, S. 52 f. SMAD-Befehl Nr. 2 vom. 9.6.1945. SMAD-Befehl Nr. 45 vom 22.12.1945.
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D. Die Deutsche Demokratische Republik
(SED) bestimmt. Auf ihrer ersten Parteikonferenz im Januar 1949 definierte sich die SED als „Partei neuen Typus“, deren Machtanspruch sich die bürgerlichen Parteien zu beugen hatten.5 Am 7. Oktober 1949 trat die erste Verfassung der DDR6 in Kraft. Als Kompromiss zwischen der SED und den Blockparteien und unter Berücksichtigung der Möglichkeit einer baldigen Wiedervereinigung7 orientierte sie sich noch an der Weimarer Verfassung8 und nahm einige liberale und föderale Ideen wieder auf; darunter eine grundsätzliche Eigenstaatlichkeit der Länder in Art. 1 und freiheitliche Bürgerrechte unter der Überschrift „Inhalt und Grenzen der Staatsgewalt“ in den Art. 6 bis 18. Mit der Aufgabe der früheren Gewaltenteilung distanzierte sich die neue Verfassung allerdings von der Weimarer Verfassung. Die Volkskammer als einziges – vermeintlich – unmittelbar demokratisch legitimiertes Parlament erhielt auf Grundlage der Art. 56 ff. die Aufsicht über sämtliche anderen Staatsorgane.9 Auch die Bürgerrechte konnten gegenüber dem Parlament keine absolute Geltung beanspruchen: Schranken für Gesetzgeber wurden als undemokratisch verworfen.10 Dabei berief sich die Verfassung an keiner Stelle ausdrücklich auf den Sozialismus. Lediglich die Bestimmungen zur Wirtschaftsordnung in den Art. 24 ff. etablierten aber das neue Prinzip des „Volkseigentums“, in das nun wichtige Produktionsmittel überführt werden sollten und erklärten den Kampf gegen einen Missbrauch des Privateigentums. Einer sozialistischen Verfassung bedurfte es aber nicht zur Begründung einer sozialistischen Verfassungswirklichkeit. Im Juli 1952 rief die SED auf ihrer II. Parteikonferenz den „Aufbau des Sozialismus“ aus.11 Zunächst wurden die Länder durch das Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der Deutschen Demokratischen Republik vom 23. Juli 195212 gleichgeschaltet, 13 durch eine Verfassungsänderung vom 8. Dezember 195814 wurden die Länderparlamente gänzlich aufgelöst. In der mit unbegrenzter Machtfülle ausgestatteten Volkskammer bedeuteten die Blockparteien keine Konkurrenz für die SED, die als stärkste Fraktion aufgrund des Art. 92 der ersten Verfassung stets den Ministerpräsidenten 5 Müller, . . . stürmt die Festung Wissenschaft, S. 137 ff.; Richert, Sozialistische Universität, S. 91. 6 DDRGBl. I 1949, S. 5. 7 Brunner, Handbuch des Staatsrechts I, § 10 Rn. 6. 8 Brunner, Handbuch des Staatsrechts I, § 10 Rn. 6. 9 Melzer, Staats- und Rechtsgeschichte der DDR, S. 89. 10 Schultes, Rechtsstaat und Gerichtsbarkeit, in: NJ 1948, S. 1 (5). 11 Brunner, Handbuch des Staatsrechts I, § 10 Rn. 7. 12 DDRGBl. I 1952, S. 613. 13 Vgl. Polak, Die Demokratie unserer Arbeiter- und Bauernmacht, in: NJ 1954, S. 681 (682). 14 DDRGBl. I 1958, S. 867.
II. Staat und Juristen in der DDR
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stellte.15 An der Spitze der SED wiederum stand Walter Ulbricht als Generalsekretär, bzw. Erster Sekretär.16 Zum Ende der fünfziger Jahre war der Sozialismus zwar nicht in Form geschriebenen Verfassungsrechts, dafür aber in ungeschriebenen sozialistischen Verfassungsprinzipien verwirklicht. Zu den neuen Verfassungsprinzipien gehörte an erster Stelle „die Ausübung der Staatsmacht“ durch die Werktätigen, die Arbeiterklasse. Ebenso wurde die führende Rolle der SED als Partei der Arbeiterklasse festgesetzt und so eine de-facto Einheit von Partei und Staat begründet. Unter den Prinzipien des „demokratischen Zentralismus“ und der „Einheit der Staatsmacht“ wurde die Staatsgewalt zentralisiert und in der Partei konzentriert. Damit wurde der Grundsatz einer schrankenlosen Gesetzgebungsmacht der Volkskammer zum Prinzip der Ungebundenheit der Staatsmacht und der SED ausgebaut.17 Auch das neue sozialistische Rechtsverständnis, die „sozialistische Gesetzlichkeit“, wurde zum eigenen Verfassungsprinzip erhoben.18 Das Prinzip der Planung, als deren zentraler Zweck die Verwirklichung der Grundsätze der politischen Ökonomie galt,19 gab der DDR zudem eine sozialistische Wirtschaftsverfassung.20 Auch von anderen grundlegenden Elementen des freiheitlichen Staates nahm man Abstand: Erneut wurde die Unterscheidung zwischen dem Individuum und dem Staat als bürgerliches Rechtskonzept verworfen.21 Die neuen Prinzipien des Staates verdrängten das verfassungsrechtliche Erbe des liberalen – oder: formalistischen und bürgerlichen – Staates, lange bevor im April 1968 die erste geschriebene sozialistische Verfassung22 in Kraft trat.
II. Staat und Juristen in der DDR „Recht und Rechtspflege müssen aus ihrer verhängnisvollen Volksfremdheit herausgelöst und in den Dienst des demokratischen Aufbaus gestellt werden. Dies kann nur dann gelingen, wenn das Recht die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Grundlagen der Demokratie festigt und so ihre volle Entfaltung sichert“,23 hieß es in der Präambel der „Grundsätze zur Rechtserneuerung“ des 15 Zur Bedeutung dieses Artikels für die „Verankerung der Macht der Arbeiter und Bauern“, Melzer, Staats- und Rechtsgeschichte der DDR, S. 89. 16 Als durch verfassungsänderndes Gesetz vom 12. September 1960 (DDRGBl. I 1960, S. 505) ein Staatsrat an die Stelle des Präsidenten trat, übernahm er dessen Vorsitz, vgl. Brunner, Handbuch des Staatsrechts I, § 10 Rn. 8. 17 Erst in den letzten Jahren der DDR wurden wieder Grundlagen einer Rechtsbindung der Staatsgewalt erörtert, vgl. Roggemann, Verfassungsrecht der DDR, S. 123. 18 Etwas ausführlicher in diesem Kapitel unter II. 2. 19 Polak, Die Demokratie unserer Arbeiter- und Bauernmacht, in: NJ 1954, S. 681. 20 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege, S. 107; Bönninger, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 43. 21 Siehe im Anschluss unter II. 1. 22 DDRGBl. I 1968, S. 199. 23 Schäfermeyer, Grundsätze zur Rechtserneuerung, S. 325.
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rechtspolitischen Beirats der SED von 1948. Gerade in Abgrenzung zum NSStaat, aber auch mit dem Anspruch auf die Gründung eines vollkommen neuartigen, sozialistischen deutschen Staates legte die SED Wert auf eine Neukonzeption des Rechtes und auf die Begründung einer neuen Rechtspflege, die dieses Recht umsetzen sollte. Der geplante „Aufbau der Demokratie“, der sich schon bald als Synonym für den Aufbau des Sozialismus entpuppte, sollte in den Jahren des Umbruchs maßgeblich für die neue Beziehung von Staat und Juristen sein. Juristen bedeutete in diesem Falle allerdings Justiz und Rechtswissenschaft. Die Aufmerksamkeit für andere Zweige der juristischen Tätigkeit, insbesondere innerhalb der Rechtsanwaltschaft, blieb bis in die sechziger Jahre gering.24 In der Justiz hatte die Sowjetische Militäradministration bald nach dem Kriegsende eine umfassende Säuberung der Justiz vorangetrieben. Aufgrund SMAD-Befehls Nr. 49 vom 4. September 194525 wurden Mitglieder der NSDAP und all jene, die „an der Strafpolitik unter dem Hitlerregime unmittelbar teilgenommen“ hatten, aus dem Justizdienst entfernt – auch diejenigen, die aufgrund Personalmangels zwischenzeitlich wieder eingestellt worden waren.26 Damit kam sie sogar teilweise der Kontrollratsdirektive Nr. 2427 zuvor. Diese ordnete die personelle Entnazifizierung innerhalb öffentlicher Ämter und als bedeutend geltender privater Unternehmen an. Mitglieder der NSDAP und die Gegner der Alliierten waren „durch solche Personen zu ersetzen, die nach ihrer politischen und moralischen Einstellung für fähig erachtet werden, die Entwicklung wahrer demokratischer Einrichtungen in Deutschland zu fördern“ (Art. 1). Zu entfernen waren nach Art. 10 Nr. 2a der Direktive neben hochrangigen Funktionären der NSDAP „[a]lle Mitglieder der NSDAP, die der Partei beitraten oder als Mitglieder aufgenommen wurden, bevor die Mitgliedschaft in der Partei im Jahre 1937 ein Zwang wurde oder die in anderer Weise sich mehr als nominell an der Tätigkeit der NSDAP beteiligt haben.“ Durch SMAD-Befehl Nr. 201 vom 16. August 194728, den „Richtlinien zur Anwendung der Direktiven Nr. 24 und Nr. 38 des Kontrollrats über die Entnazifizierung“, wurde den neu gegründeten Verwaltungsorganen die Aufgabe der Entnazifizierung und der personell gesäuberten ordentlichen Gerichtsbarkeit die Aufgabe der Verfolgung der Kriegsverbrecher übertragen.29 In kürzester Zeit wurden die nationalsozialistischen oder wenigstens verdächtigen Juristen aus ihren Machtpositionen verdrängt, die Justiz in den Dienst der Besatzungsmacht und der neuen Zentralverwaltung gestellt. Rund 24 Vgl. etwa Streit, Einige Hinweise zur Auswertung der 3. Parteikonferenz der SED, in: NJ 1956, S. 257 (259). 25 Abgedruckt in: Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege, Bd. I, S. 64 f. 26 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege, Bd. I, S. 65. 27 Kontrollratsdirektive Nr. 24, abgedruckt in: Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland Nr. 5, S. 98. 28 Etwa ThüringerRegBl. III 1947, S. 39. 29 Vgl. Otto, Die Entnazifizierung der Justiz in der SBZ/DDR, S. 34 f.
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80 % aller Richter und Staatsanwälte waren als Angehörige der NSDAP oder ihrer Unterorganisationen betroffen – und auch der weit überwiegende Teil der akademisch gebildeten Justizmitarbeiter und der Verwaltungsjuristen wurden ihrer Stellen enthoben.30 Gleichzeitig wurde das rechtliche Verhältnis des Staates zu den für ihn tätigen Juristen durch neue beamtenrechtliche Entwicklungen reformiert. Schon die Verfassungen der neu gegründeten Länder verordneten eine Abkehr vom Berufsbeamtentum.31 An die Stelle eines traditionellen, bürokratischen Beamtentums traten Kader: Die mit den nötigen „politischen, fachlichen und charakterlichen Qualitäten“ ausgestatteten Verwaltungsmitarbeiter wurden von den Personalabteilung nach den Parteibeschlüssen und Vorgaben der Justizministerien gezielt gefördert und als politische Funktionäre eingesetzt. Die frühere, vergleichsweise formal verordnete Staatstreue wurde durch ein System politischer Verantwortung des Einzelnen ergänzt.32 Die Justizjuristen, aber auch andere Juristen im Staatsdienst, fanden sich so in einer besonderen persönlichen Bindung zum Staatsapparat wieder. Im Folgenden werden erneut die wesentlichen Eigenheiten der neuen Rechtskonzeption herausgearbeitet, um anschließend das Verhältnis des Staats zu den Juristen über den Umgang mit der Justiz zu charakterisieren und schließlich nach Leitbildern einer sozialistischen Juristenausbildung zu suchen. 1. Die Babelsberger Konferenz In der jüngeren Geschichte des deutschen Rechts gibt es wohl kein einzelnes Ereignis, das das Verhältnis eines Staates zu seinen Juristen so sehr repräsentierte wie die Staats- und Rechtswissenschaftliche Konferenz, die am 2. und 3. April 1958 in Potsdam-Babelsberg stattfand; die Babelsberger Konferenz. Die erhebliche Bedeutung der Konferenz für die Entwicklung des Rechts und des Juristenstandes – und damit für unterschiedliche Abschnitte dieses Kapitels – erfordert einen Vorgriff an dieser Stelle. Sechs Jahre nach der Verkündung des Aufbaus des Sozialismus sah die Staatsführung die Zeit für einen nächsten Abschnitt in der Staatsentwicklung gekommen, der auf dem V. Parteitag als Sieg des Sozialismus eingeleitet werden sollte. Auf Vorschlag Ulbrichts sollten Konferenzen auf allen akademischen Gebieten den Beginn einer Kulturrevolution einleiten.33 Auf der juristischen Konferenz in Babelsberg resümierte die Staatsführung über die Entwicklung des Rechts und der Rechtswissenschaft und stellte ein Ultimatum für die Umsetzung sozialistischer Vorstellungen in der Rechtsanwendung. Auch wenn weithin unterschied30 31 32 33
Amos, Justizverwaltung in der SBZ/DDR, S. 2; Wentker, Volksrichter, S. 9 f. Schultes, Rechtsstaat und Gerichtsbarkeit, in: NJ 1948, S. 1 (9). Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege II, S. 84. Mohnhaupt, Normdurchsetzung, Bd. 5, S. 58.
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liche Ansichten über die tatsächlichen Auswirkungen der Konferenz bestanden und bestehen34, hatte sie zweifellos einen herausgehobenen symbolischen Wert und wurde in der offiziellen Darstellung als Anlass für diverse Reformen angeführt. Zur Wahrung des Überblicks muss in Ausnahme vom im Übrigen chronologischen Aufbau vorab die grundlegende Bedeutung der Konferenz umrissen werden. Ein maßgeblicher Anlass für die Konferenz war der XX. Parteitag der KPdSU, von dem seit Februar 1956, „neue Impulse“ 35 ausgegangen waren. Auf dem „Parteitag der Entstalinisierung“ 36 waren vor allem die zahlreichen Morde im Rahmen der Säuberungsaktionen Stalins aufgedeckt worden. Dies beendete den Personenkult um Stalin und ebnete zunächst den Weg für Reformen in der Sowjetunion. Gleichzeitig drohte die Krise der Sowjetunion, mit dem Stalinismus alsbald auch die Autorität der Staatsführung und die staatliche Entwicklung der DDR in Frage zu stellen. Nicht zuletzt war die Stellung Ulbrichts gefährdet, der sich nicht nur nach außen, sondern auch innerhalb der SED gegen politischen Widerstand durchsetzen musste.37 So handelte es sich auch um einen parteiinternen Kampf um das weitere Vorgehen beim Ausbau des Sozialismus und um die Legitimierung der Fortsetzung einer stalinistischen Rechtspolitik.38 Handelte es sich dem Namen nach um eine rechtswissenschaftliche Konferenz, war sie als faktische SED-Parteikonferenz39 weder offen für die Teilnahme sämtlicher Rechtswissenschaftler noch ging es um einen wissenschaftlichen Austausch im eigentlichen Sinne. Im Mittelpunkt stand Walter Ulbricht, der auf Grundlage der Gedanken Karl Polaks – und möglicherweise auch in dessen Worten –40 seine Erwartungen gegenüber der Rechtswissenschaft und der Rechtspraxis äußerte. Zu diesem zentralen Vortrag äußerten sich anschließend zahlreiche Funktionäre und Professoren, etwa Herbert Kröger, der Rektor der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“. Die Teilnehmer der Konferenz waren im Vorfeld der Veranstaltung nach politischen Vorgaben ausgewählt worden: Rechtswissenschaftler, denen Bürgerlichkeit oder Revisionismus vorgeworfen worden waren, waren überwiegend ausgeladen worden.41 In seinem zentralen Wortbeitrag „Die Staatslehre des Marxismus-Leninismus und ihre Anwendung in Deutschland“ ging Ulbricht zunächst auf die ideologi34
Dazu einleitend Eckert, Die Babelsberger Konferenz, in: Der Staat 1994, S. 59 ff. Ulbricht, Die Staatslehre des Marxismus-Leninismus, in: Protokoll, S. 9. 36 Leonhard, Der Parteitag Chruschtschows, in: DIE ZEIT, Nr. 05/1959, S. 3. 37 Eckert, Die Babelsberger Konferenz, in: Der Staat 1994, S. 59 (65); Mohnhaupt, Normdurchsetzung, Bd. 5, S. 55. 38 Breithaupt, Rechtswissenschaftliche Biographie, S. 29. 39 Eckert, Die Babelsberger Konferenz, in: Der Staat 1994, S. 59 (61). 40 Eckert, Die Babelsberger Konferenz, in: Der Staat 1994, S. 59 (63); Howe, Karl Polak, S. 209. 41 Mollnau, Vorbereitungen zur Babelsberger Konferenz, S. 21 f. 35
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schen Hintergründe und die Entwicklung des Klassenkampfes bis zum XX. Parteitag der KPdSU ein. Die Verbrechen Stalins wurden kaum thematisiert und allenfalls als individuelle, bereits beseitigte „Fehler“ beiseitegeschoben,42 um sich schließlich dem Hauptthema der Konferenz, der Staats- und Rechtswissenschaft im sozialistischen Staat zu widmen. Seine Hauptanklage betraf ein Zurückbleiben der Staats- und Rechtswissenschaft aufgrund von „Einflüssen der bürgerlichen Ideologie, des Formalismus und Dogmatismus“ und eine „mangelhafte Verbindung“ der Wissenschaftler „mit dem Leben des sozialistischen Aufbaus“, insbesondere eine mangelhafte „Verbindung der marxistisch-leninistischen Staatslehre mit den Fragen der politischen und wirtschaftlichen Praxis“.43 Zu den einzelnen angeprangerten Formen des noch verbreiteten bürgerlichen Rechtsdenkens zählte – wieder einmal – das Konzept subjektiver-öffentlicher Rechte und jegliche Form des „bürgerlichen Individualismus“.44 Das mit diesen Konzepten eng verzahnte Verwaltungsrecht verwarf Ulbricht als gegenüber dem Staatsrecht eigenständige Disziplin. Es repräsentierte eine bürokratische, formaljuristische Denkweise und ginge fälschlich von der Existenz eines neutralen Staates aus.45 Als hauptursächlich für die verzögerte sozialistische Entwicklung der Staatsund Rechtstheorie wurde eine unterbliebene Arbeit mit dem historischen und dialektischen Materialismus46 benannt.47 Zu den ideologisch-methodischen Defiziten hatte Ulbricht zufolge nicht zuletzt der ideologische Druck aus dem Westen beigetragen, aber auch eine unzureichende persönliche Auseinandersetzung der Wissenschaftler mit dem Marxismus-Leninismus und dessen praktischer Bedeutung, ein Mangel an kollektiver Zusammenarbeit sowie ein Unverständnis für die Verbindlichkeit der Parteibeschlüsse für die wissenschaftliche Arbeit.48 Nur bei einer Beseitigung dieser Missstände und einer unbedingten Verbindung der Rechtswissenschaft mit dem sozialistischen Aufbau49 sollte die Wissenschaft ihren Beitrag dazu leisten können, entsprechend der Marx’schen Vorstellung den „bürgerlichen Rechtshorizont“ zu überschreiten und der Organisation von Staat und Gesellschaft in der nächsten Phase der staatlichen Entwicklung eine neue 42
Ulbricht, Grundfragen der Politik, S. 69. Ulbricht, Die Staatslehre des Marxismus-Leninismus, in: Protokoll, S. 9. 44 Ulbricht, Die Staatslehre des Marxismus-Leninismus, in: Protokoll, S. 26. 45 Ulbricht, Die Staatslehre des Marxismus-Leninismus, in: Protokoll, S. 35. 46 Die Philosophie des historischen und dialektischen Materialismus kennzeichnete ein Denken in historischen Gesetzmäßigkeiten und Widersprüchen. Im Bezug auf Staat und Recht bedeutete dieser Materialismus nach Karl Polak die „Erkenntnis der Geschichtlichkeit des Staates und des Rechts [und die] Tatsache, daß Staat und Recht in den Klassen und in Klassenkämpfen und in den diesen zugrunde liegenden Gesetzmäßigkeiten ihre Fundamente haben“, vgl. ders., Zur Dialektik in der Staatsrechtslehre, S. IX. 47 Ulbricht, Die Staatslehre des Marxismus-Leninismus, in: Protokoll, S. 37. 48 Ulbricht, Die Staatslehre des Marxismus-Leninismus, in: Protokoll, S. 40 ff. 49 Ulbricht, Die Staatslehre des Marxismus-Leninismus, in: Protokoll, S. 48 f. 43
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Form und einen neuen Inhalt zu geben.50 Mit seiner einleitenden Rede nahm Ulbricht die Juristen aus Wissenschaft und Lehre – mittelbar auch aus der Praxis – in die Pflicht zur aktiven Teilnahme an der Absicherung des sozialistischen Staates. Der Parteiorganisation der SED erteilte Ulbricht den Auftrag, unter Berücksichtigung und Verbreitung der sowjetischen rechtswissenschaftlichen Erkenntnisse gegen die „opportunistischen, revisionistischen und anderen versteckten bürgerlichen Ideologien zu kämpfen.51 In seinen Schlussworten bekräftige Ulbricht schließlich erneut, dass die juristische Tätigkeit im neuen Staat nicht „Selbstzweck“ sein konnte. Sie musste der „sozialistischen Umwälzung dienen“.52 Nicht alle Rechtswissenschaftler, an die sich die Vorwürfe des bürgerlichen Denkens und des Rechtsformalismus richteten, waren auch ausgeladen worden. Einige der Verbleibenden, unter ihnen am auffälligsten Karl Bönninger, versuchten, sich zu rechtfertigen und wurden durch zahlreiche Zwischenrufe der Anwesenden diskreditiert.53 Nach Abschluss der eigenen Wortbeiträge erhielten sie keine Gelegenheit, zu den Vorwürfen aus Partei und Kollegium Stellung zu beziehen.54 Andere hingegen bemühten sich, Einsicht zu beweisen und übten schärfste Selbstkritik.55 Trotz der Schwere der erhobenen Vorwürfe war der Beitrag Ulbrichts keine pauschale Anfeindung der Rechtswissenschaft, der Justiz oder etwa der Juristen im Allgemeinen.56 Wiederholt wurde auch auf die sichtbaren Bemühungen der Wissenschaft hingewiesen, ihren Beitrag zum Aufbau des Sozialismus zu leisten.57 Die Drohungen gegen Wissenschaftler, die es wagten von der Parteilinie oder der stalinistischen Rechtskonzeption abzuweichen,58 ließen im Grunde Raum für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Im Gegenzug sprachen die anwesenden juristischen Funktionäre Ulbricht ihr Vertrauen aus.59 So wurde auf der Konferenz doch – mit Ausnahme der als Revisionisten gebrand-
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Ulbricht, Die Staatslehre des Marxismus-Leninismus, in: Protokoll, S. 38. Ulbricht, Die Staatslehre des Marxismus-Leninismus, in: Protokoll, S. 48 f. 52 Ulbricht, Schlusswort auf der Babelsberger Konferenz, in: Protokoll, S. 191. 53 Vgl. den Diskussionsbeitrag Karl Bönningers, Diskussionen, in: Protokoll, S. 62– 70. Ebenfalls direkt betroffen waren Hermann Klenner und Heinz Such, vgl. Howe, Karl Polak, S. 205 f. Insgesamt fiel Ulbricht mit mehr als 90 Zwischenrufen auf, vgl. Breithaupt, Rechtswissenschaftliche Biographie, S. 32. Zum Verwaltungsrechts in der der Ausbildung in diesem Kapitel II. 4. b) cc) (4) (c). 54 Breithaupt, Rechtswissenschaftliche Biographie, S. 32. 55 Breithaupt, Rechtswissenschaftliche Biographie, S. 31. 56 Plakativer Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 4, S. 292: „Auf der Babelsberger Konferenz wurde mit den Juristen abgerechnet.“ 57 Ulbricht, Die Staatslehre des Marxismus-Leninismus, in: Protokoll, S. 31 f. 58 Vgl. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 4, S. 293. 59 Vgl. Herbert Kröger, Diskussionen, in: Protokoll, S. 130 f. 51
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markten Teilnehmer – eine Geschlossenheit von Staatsführung und Rechtswissenschaft vermittelt. Inhaltlich brachte die Babelsberger Konferenz keine entscheidenden Neuerungen.60 Sie diktierte aber in aller Klarheit die Rolle der Rechtswissenschaft und des Rechts, letztlich auch des Juristenstandes selbst, beim weiteren Aufbau des Sozialismus. Ganz entscheidend war die Hervorhebung der absoluten Bindung der Wissenschaft an die Beschlüsse der Partei und die Erinnerung, dass eine Abweichung von der parteilichen Linie nichts anderes als „Revisionismus“ bedeutete – und damit das baldige Karriereende.61 Zudem schaffte die Konferenz durch ihre Symbolwirkung zusätzlichen Reformantrieb, etwa für den V. Parteitag der SED. Zur effektiven Durchsetzung der Erkenntnisse der Konferenz wurde die Kommission für Staats- und Rechtswissenschaft beim Zentralkomitee der SED gegründet, deren juristische Leitung Karl Polak übertragen wurde.62 In den Aufgabenbereich des Komitees fiel die rechtspolitische Prüfung und Überwachung wichtiger Gesetzesentwürfe, der Vorlesungsprogramme, des juristischen Schrifttums und die Nachwuchsförderung.63 2. Recht im Sozialismus: Die „sozialistische Gesetzlichkeit“ „(Das) Recht ist die Gesamtheit der Verhaltensregeln (Normen), die durch die Staatsmacht festgesetzt oder sanktioniert worden sind und den Willen der herrschenden Klasse ausdrücken.“ 64 Durch dieses Dogma „sozialistischer Gesetzlichkeit“ sollte sich das Recht des sozialistischen Staates von demjenigen des bürgerlichen unterscheiden, das nach der Lehre Lenins ein bloßes Mittel zur „Unterdrückung und Ausbeutung der Arbeiterklasse“ war.65 Auf der Suche nach einem neuen Rechtsverständnis, das die sowjetische Besatzungszone und schließlich die DDR von dem des nationalsozialistischen Staates und dem des bürgerlichen, „imperialistischen“ Westens unterscheiden sollte,
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So auch Eckert, Die Babelsberger Konferenz, in: Der Staat 1994, S. 59 (72). Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 4, S. 293. Bönniger wurde auf Beschluss der Abteilung Wissenschaften im Ministerium für Volksbildung vom Amt eines stellvertretenden Staatssekretärs für 2 Jahre in das eines Sekretärs eines Kreisratsvorsitzenden strafversetzt; Klenner wurde ebenfalls strafversetzt und von der HumboldtUniversität Berlin mit einem Hausverbot belegt, konnte seine Tätigkeit aber zwei Jahre später wieder aufnehmen, vgl. Howe, Karl Polak, S. 208; Mohnhaupt, Normdurchsetzung, Bd. 5, S. 63. 62 Mohnhaupt, Normdurchsetzung, Bd. 5, S. 62. 63 Breithaupt, Rechtswissenschaftliche Biographie, S. 35 f. 64 Rechtsinstitut der Akademie der Wissenschaft der UdSSR (Hrsg.), Theorie des Staates und des Rechts (1940), S. 114, übersetzt aus dem Russischen von: Steiniger, Zur Systematik des Rechts, in: NJ 1951, S. 158. 65 Vgl. Bratus, Einige Fragen der Rechtstheorie, in: RwInfo 1955, Sp. 310 (324). 61
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orientierte man sich – nicht ohne Druck66 – in weiten Teilen am sowjetischen Vorbild. Hier wie dort sollte das Recht zur Durchsetzung des Willens der nun vorgeblich herrschenden Arbeiterschaft und einer Entwicklung der gesellschaftlichen Verhältnisse zu sozialistischen dienen.67 Damit folgte das Rechtsdenken der DDR demjenigen den Grundlagen des Stalinismus68 und orientierte sich an den Veröffentlichungen des sowjetischen Juristen Andrei Wyschinski.69 Trotz der weiten rechtstheoretischen Übernahmen und Anleihen und der Förderung der Veröffentlichung sowjetischer Rechtsliteratur in rechtswissenschaftlichen Zeitschriften,70 beanspruchte die Rechtswissenschaft der DDR aber durchaus eine begrenzte Souveränität. Spätestens ab der Babelsberger Konferenz war die strikte Befolgung der Rechtstheorie Wyschinskis verpönt.71 Nicht unmittelbar die sowjetische Rechtspolitik, sondern die SED-Parteipolitik und die Bedürfnisse der DDR sollten fortan die Aufgaben des Rechts beim weiteren Aufbau des Sozialismus diktieren. Ein sozialistisches Recht nach diesen Maßstäben setzte zweierlei voraus: Es musste inhaltlich und nach seiner Anwendung geeignet sein, dem Aufbau des Sozialismus und der Sicherung der Parteiherrschaft72 Vorschub zu leisten. Damit wurde es an die Grundlagen des Marxismus-Leninismus geknüpft. Hiernach musste und sollte Recht kein Ergebnis eines Prozesses demokratischer Deliberation sein, sondern bloß die von Marx, Engels und Lenin beschriebenen objektiven historischen Gesetzmäßigkeiten der Politik und der Sozialökonomie in Rechtsform wiedergeben.73 Zu den auf dieser Prämisse fußenden normativen Neuerungen gehörten etwa das Recht der Planung und der Produktionssteuerung, die Bodenreformen und die Vergesellschaftung von Betrieben zur rechtlichen Durchsetzung der ökonomischen Ziele des sozialistischen Staates.74 Einzelne bestehende Rechtszweige sollten im Rahmen einer neuen Systematik zusammengefasst werden.75 Zudem wurde die Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Zivilrecht, deren Ursprung in den Traditionen der Sklaverei verortet wurde 66 Inwieweit das stalinistische Rechtsverständnis durch die Sowjetunion „aufoktroyiert“ (Schroeder, Die Übernahme der sowjetischen Rechtsauffassung, S. 12) wurde oder bereitwillig von den loyalen SED-Funktionären übernommen wurde, bedarf ob der tatsächlichen Umsetzung keiner näheren Erörterung. 67 Polak, Reden und Aufsätze, 1968, S. 397. 68 Polak, Stalin – der Schöpfer der Lehre vom sozialistischen Staat, in: NJ 1953, S. 257 ff. 69 Vgl. Breithaupt, Rechtswissenschaftliche Biographie, S. 32. 70 Siehe das Vorwort, in: RwInfo 1952, Sp. 1. Vgl. auch unter II. 4. b) bb). 71 Vgl. Eckert, Die Babelsberger Konferenz, S. 67 f. Anders noch in der Zeit unmittelbar nach dem Tod Stalins, vgl. Stolleis, Sozialistische Gesetzlichkeit, S. 28. 72 Roggemann, Verfassungsrecht der DDR, S. 121 f. 73 Roggemann, Verfassungsrecht der DDR, S. 121. 74 Vgl. Melzer, Staats- und Rechtsgeschichte, S. 40 f. 75 Breithaupt, Rechtswissenschaftliche Biographie, S. 34.
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und als Auflösung eines „naturwüchsigen Gemeinwesens“ begriffen wurde76 – also als Ausdruck des Individualismus den sozialistischen Anschauungen widersprach – formell aufgegeben. Mehr Synonym als Bestandteil der sozialistischen Rechtskonzeption war die „sozialistische Gesetzlichkeit“.77 Im Jahr 1949 als fester Begriff in die Reformdiskussionen eingeführt,78 beanspruchte die „sozialistische Gesetzlichkeit“ nach ihrer Proklamation durch Hilde Benjamin auf dem V. Parteitag der SED 195479 absolute Geltung. Von vornherein war sie eng gebunden an den Grundsatz der „Parteilichkeit der Rechtsanwendung“.80 Trotz der Allgegenwärtigkeit der Formel war ihre Bedeutung schwerlich greifbar und in rechtliche Folgen umzusetzen. Zusammengefasst wurde sie als „Einheit von strikter Einhaltung der Gesetze und der Parteilichkeit ihrer Anwendung.“ 81 Jedenfalls war das Recht im Sinne der „sozialistischen Gesetzlichkeit“ die „Methode der Diktatur des Proletariats“ und eine Umsetzung historischer Gesetzmäßigkeiten.82 Im Detail blieb die Auslegung des Begriffs aber unscharf bis widersprüchlich. Einerseits sollte die sozialistische Gesetzlichkeit nahezu ausschließlich Ausdruck im gesetzten Recht finden,83 was gerade Naturrechtskonzepten keinen Platz ließ, darüber hinaus aber auch grundsätzlich jeder extensiven Auslegung durch Rechtsanwender widersprach. Andererseits war eine der ersten rechtspolitischen Forderungen der SED die Überwindung formalistischen Rechtsdenkens84 und die Umsetzung einer unbedingt parteilichen Vorstellung von Recht, die sich nicht zuletzt in der Bindung der Rechtsanwendung an die Parteibeschlüsse und Veröffentlichungen des Politbüros85 äußerte. Das Resultat der einander widersprechenden Forderungen waren zwei unterschiedliche Auffassungen, von denen eine, prominent vertreten durch Benjamin86, die Einhaltung des positiven Rechts betonte und die Aufgabe der Gestaltung bei der Gesetzgebung verortete; die andere, ihrerseits durch Karl Polak vertreten, Positivismus deutlicher ablehnte und auch den Parteiäußerungen eine unmittelbarere Geltung zusprach.87 Die Demonstration der Macht der SED auf der Babelsberger Konferenz entschied den Streit zulasten jeglicher positivisti76
Steiniger, Zur Systematik des Rechts, in: NJ 1951, S. 158 (159). Aus dem Russischen übernommen, bedeutungsgleich mit dem Begriff der „demokratischen Gesetzlichkeit“, vgl. Preuss, Begriff der sozialistischen Gesetzlichkeit, S. 14. 78 Preuss, Begriff der sozialistischen Gesetzlichkeit, S. 14. 79 Stolleis, Sozialistische Gesetzlichkeit, S. 30. 80 Schroeder, Die Übernahme der sowjetischen Rechtsauffassung, S. 17. 81 Schroeder, Die Übernahme der sowjetischen Rechtsauffassung, S. 17. 82 Klenner, Formen und Bedeutung der Gesetzlichkeit, S. 50. 83 Klenner, Formen und Bedeutung der Gesetzlichkeit, S. 50. 84 Schäfermeyer, Grundsätze zur Rechtserneuerung, S. 311. 85 Mollnau, Sozialistische Gesetzlichkeit, S. 79 f. 86 Vgl. Lingelbach, Verwaltung ohne rechtliche Grenzen, S. 1889. 87 Vgl. Roggemann, Verfassungsrecht, S. 156 f. 77
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scher Tendenzen. Entsprechend hieß es dann bei Benjamin, auch unabhängig von der neuen Ausgestaltung des Rechts dürfte sich dessen Anwender nicht „kleinlich“ nach dem Wortlaut richten.88 Damit wurde allenfalls das „auch für eine sozialistische Rechtsordnung notwendige Mindestmaß an Rechtssicherheit und Planbarkeit“ 89 anerkannt. Die Gesetzgebung kam dieser Entwicklung durch die Verwendung offener Generalklauseln entgegen. Das Ergebnis – eine Lösung vom Gesetzeswortlaut und gleichzeitig eine absolute Bindung an den Willen der politischen Führung – skizzierte Stolleis später treffend als einen „parteiliche[n] Gesetzespositivismus“.90 „Sozialistische Gesetzlichkeit“ bedeutete allerdings auch die unbedingte Einhaltung des sozialistischen Rechts und der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung durch alle Bürger und jedes Staatsorgan gleichermaßen und zugleich eine Pflicht aller Staatsorgane zur Durchsetzung des sozialistischen Rechts91 und der Parteigrundsätze. Kurzum: Die sozialistische Gesetzlichkeit begründete nicht mehr oder weniger als eine Pflicht aller zur Teilnahme am Aufbau des Sozialismus. 3. Die Richterschaft im sozialistischen Staat Den Neuaufbau der Justiz in der SBZ wie auch der DDR verstand die Parteiund Staatsführung als „Kampf um die Beseitigung der reaktionären Formaljustiz durch eine demokratische Justizreform – als „Demokratisierung der Justiz“.92 Tiefgreifende Maßnahmen der Staatsleitung betrafen den Aufbau der Justizverwaltung, die Gerichtsstrukturen und die Stellung der Richter im Staat. a) Neuaufbau der Gerichtsbarkeit Die wesentlichen Fragen des Wiederaufbaus der Gerichtsbarkeit betrafen die Verfassungsgerichtsbarkeit und die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Idee eines Wiederaufbaus der Verfassungsgerichtsbarkeit nach dem Weimarer Vorbild stieß bereits aufgrund der allgemeinen Vorbehalte gegenüber einer politischen Gerichtsbarkeit auf deutliche Zweifel.93 Diskutiert wurde vor dem Inkrafttreten der ersten Verfassung stattdessen etwa eine gerichtliche Prüfungskompetenz über al88 Benjamin, Die dialektische Einheit von Gesetzlichkeit und Parteilichkeit durchsetzen, in: NJ 1958, S. 365 (368). 89 Roggemann, Verfassungsrecht der DDR, S. 156 f. 90 Stolleis, Sozialistische Gesetzlichkeit, S. 30; jedenfalls soweit zutreffend, wie eine normative Grundlage noch bestand. Ausführlicher zur gezielten Aufweichung klarer Begrifflichkeiten etwa Mollnau, Sozialistische Gesetzlichkeit, S. 78 ff. 91 Klenner, Formen und Bedeutung der Gesetzlichkeit, S. 50. 92 Fechner, Vorwort, in: ders., Beiträge zur Demokratisierung der Justiz, S. 5. 93 Schultes, Rechtsstaat und Gerichtsbarkeit, in: NJ 1948, S. 1 (6).
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tes, insbesondere nationalsozialistisches Recht94 oder eine allgemeine Prüfungskompetenz aus den Widerstandsrechten der Landesverfassungen, etwa in Art. 6 Abs. 2 der brandenburgischen oder Art. 147 Abs. 1 hessischen Verfassung.95 Als der Grundsatz der Gewaltenteilung endgültig aufgehoben wurde und die Volkskammer der DDR eine schrankenlose Staatsgewalt beanspruchte, hatte sich diese Frage erledigt. Eine Verfassungsgerichtsbarkeit, die in der Lage war, Entscheidungen der Volksvertretung zu revidieren, konnte es nicht geben. aa) Das „Oberste Gericht“ der DDR Stattdessen wurde mit Gesetz vom 8. Dezember 194996 das „Oberste Gericht der Deutschen Demokratischen Republik“ an die Spitze der Gerichtsbarkeit gestellt. Dieses hatte immense politische Bedeutung, die sich bereits an der Berufung, später der Wahl, seiner Richter zeigte. Diese sollten sich durch eine besonders enge Verbindung mit der Bevölkerung auszeichnen, die Sprache des Volkes sprechen und selbst aktiv am öffentlichen Leben teilnehmen.97 Nur die politisch zuverlässigsten Richter schafften es an das Gericht. Mit seiner Rechtsprechung, gerade in Strafsachen, war es eng in den Kampf gegen vermeintliche Agenten des „imperialistischen“ Westens und andere Feinde des Staates eingebunden. Nicht weniger bedeutend war die Mitwirkung des Gerichts an der Ausarbeitung sozialistischer Rechtsgrundsätze und vor allem an der Schaffung und Anleitung einer einheitlichen sozialistischen Rechtsprechung.98 In diesen Tätigkeiten war das Oberste Gericht gegenüber der Volkskammer; zwischen ihren Tagungen dem Staatsrat der DDR unmittelbar verantwortlich99 und stand selbst unter ständiger rechtlicher Kontrolle.100 bb) Der Untergang der Verwaltungsgerichtsbarkeit Die Verwaltungsgerichtsbarkeit war zwar durch Befehl der SMAD vom 8. Juli 1947 wiederhergestellt; der neu eingeführte Art. 138 Abs. 1 der Verfassung von 1949 verlieh ihr allerdings mit der Kompetenz der bloßen Feststellung einer 94
Schultes, Rechtsstaat und Gerichtsbarkeit, in: NJ 1948, S. 1 (8). Abendroth, Die Justiz in den Landesverfassungen, in: NJ 1947, S. 112 (116). 96 DDRGBl. I 1949, S. 111. 97 Die Volkskammer der DDR wählte die Richter des Obersten Gerichts, Bericht, in: NJ 1964, S. 65. 98 Melzer, Staats- und Rechtsgeschichte der DDR, S. 94 f. Siehe auch im Folgenden unter II. 3. 99 Polak, Bericht der Kommission des Staatsrates, in: Schriftenreihe des Staatsrates 2/63, S. 13 (18). 100 Insbesondere wurden im Vorfeld der Babelsberger Konferenz auch Vorwürfe einer zu liberalen Rechtsprechung erhoben, vgl. Mollnau, Vorbereitungen zur Babelsberger Konferenz, S. 21. 95
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Rechtswidrigkeit von Verwaltungshandeln wenig effektive Handhabe. Die Macht der Verwaltungsgerichte wurde in der Praxis dennoch bald als Hemmnis für die „fortschrittliche, demokratische Entwicklung“ wahrgenommen.101 1952 wurde die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Rahmen der Neugliederung und Zentralisierung der Verwaltung durch eine Auflösung der Gerichte faktisch abgeschafft.102 Abschließende Worte zum Verwaltungsrecht und damit zur Existenzberechtigung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit103 wurden auf der Babelsberger Konferenz gesprochen. Die Distanzierung vom „bürgerlichen“ Individualismus104 bedeutete auch, dass es keine subjektiven Rechte gab, die vor den Verwaltungsgerichten hätten eingeklagt werden können. Ohnehin widersprach die Möglichkeit eines Gerichts zur Überprüfung und Aburteilung staatlicher Tätigkeit dem Anspruch der SED auf alleinige Staatsführung.105 An die Stelle der Verwaltungsgerichte trat mit dem „Erlass des Staatsrates über die Eingaben der Bürger und die Bearbeitung durch die Staatsorgane“ vom 27. Februar 1961106 das Eingabewesen. Jedem Bürger wurde das Recht eingeräumt, sich mit Eingaben an sämtliche Stellen, Volksvertretungen, Abgeordnete, Staatsorgane, Betriebe und Institutionen zu wenden (§ 1 Abs. 1). Eingaben sollten Vorschläge, Hinweise, Kritiken, Beschwerden und Anliegen enthalten, die von den Adressaten zur Verbesserung der eigenen „Leitungstätigkeit“ ausgewertet werden mussten (§ 10 Abs. 1). Die Eingaben waren von Leitern und Mitarbeitern der Staatsorgane unter Androhung von Disziplinarmaßnahmen zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 2). Über die Einhaltung der Vorschriften wachten die Zentrale Kommission für Staatliche Kontrolle und die anderen staatlichen Kontrollorgane (§ 13). Die Hauptanliegen des Eingabewesens waren mit einer Aufdeckung und Beseitigung „bürokratische[r] Erscheinungen“ (§ 13 lit. b) und der Wahrung der Rechte der Bürger – wohlgemerkt nach Abkehr vom subjektiv-öffentlichen Recht – und der strikten Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit (§ 13 lit. c) auf die sichtbare Einhaltung sozialistischer Grundsätze durch die Staatsorgane gerichtet. Tatsächlich sollten aber vor allem die Beziehung der Bevölkerung zu den Funktionären und das Vertrauen in den Staat gestärkt werden.107 Auch die Gerichtsbarkeit war dem neuen Eingabewesen unterworfen. An die Stelle einer Überprüfung der Verwaltung durch die Gerichtsbarkeit rückte eine Kontrolle der Gerichtsbarkeit in Bezug auf ungerechte Urteile und eine formale und bürokratische Arbeit.108 101 102 103 104 105 106 107 108
Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 336, Fn. 11. Lingelbach, Verwaltung ohne rechtliche Grenzen, S. 1875. So auch Howe, Karl Polak, S. 205. Vgl. oben, I. 2.; II. 1. Vgl. oben, I. 2. DDRGBl. I 1961, S. 7. Vgl. Grzegorek/Schreier, Die Eingaben der Werktätigen, in: NJ 1964, S. 67 (69). Grzegorek/Schreier, Die Eingaben der Werktätigen, in: NJ 1964, S. 67 (68 f.).
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Durch den Verzicht auf eine wirkliche Verfassungsgerichtsbarkeit, die Einsetzung eines politischen Obersten Gerichts und die Abschaffung der Verwaltungsgerichtsbarkeit war eine Überprüfung der staatlichen Macht – mit Ausnahme der zumindest denkbaren Strafverfolgung einzelner Funktionäre – effizient unterbunden worden. b) Die neuen Richtertypen: Richter im Soforteinsatz und Volksrichter Die Funktionsfähigkeit der Gerichtsbarkeit in der SBZ sollte innerhalb kurzer Zeit wiederhergestellt werden. Diesem Anliegen standen jedoch die durch die umfassenden Entnazifizierungsmaßnahmen begründeten personellen Engpässe entgegen.109 Zudem sollte nicht irgendeine Justiz wiedererrichtet werden: Gebraucht wurden „Gericht und Staatsanwaltschaft der neuen Ordnung“.110 Allein mit der Wiedereinsetzung der älteren Richterschaft ließ sich dieses Problem nicht lösen. Zu wenige der überhaupt verfügbaren Richter galten als nicht belastet und zu viele hätten aufgrund ihres vorangeschrittenen Alters schon bald wieder aus dem Amt ausscheiden müssen.111 Die Suche nach einem angemessenen Ersatz fand schließlich außerhalb der Justiz statt. Fündig wurde man bei den weitaus weniger belasteten Rechtsanwälten, die darüber hinaus auch eine entsprechende juristische Vorbildung vorzuweisen hatten. Behelfsweise wurden sie in einzelnen Ländern durch Verordnung zum Dienst in der Rechtsprechung herangezogen.112 Ihre Zahl reichte aber nicht aus, um die personellen Mängel zu überbrücken. Zudem wurden auch die Rechtsanwälte in den sozialistischen Kreisen der Justizverwaltung der SBZ zu den „bürgerlich-formal denkenden, gesellschaftlichen Veränderungen kaum aufgeschlossenen Juristen“ gerechnet,113 denen man tief misstraute. aa) Richter im Soforteinsatz Noch 1945 wurde das Amt des „Richters im Soforteinsatz“ geschaffen. Eingesetzt wurden, auch ohne die nach § 2 GVG nötige Befähigung zum Richteramt,114 „im Klassenkampf erfahrene“ 115, kommunistische Arbeiter, ohne juristische Vorbildung, teils aber auch Referendare. Bis zum Ende des Jahres 1945 109 Diese erste Phase der „Um- und Neubesetzungen“ der Justiz hielt bis zum Beginn der fünfziger Jahre an, vgl. Amos, Justizverwaltung in der SBZ/DDR, S. 181; Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege II, S. 147. 110 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 116. 111 Vgl. Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 119 f. 112 Thüringer RegBl. I 1947, S. 81 = NJ 1948, S. 116. 113 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 116. 114 Es gab allerdings landesrechtliche Ausnahmen, vgl. VO über die Befähigung zum Richteramt vom 3.12.1945, VOBl. Provinz Sachsen Nr. 9, S. 12. 115 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 116.
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machten diese immerhin einen Anteil von 22 Prozent aller Richter und Staatsanwälte in der SBZ aus.116 Sie waren allerdings bis 1952 überwiegend wieder aus ihren Positionen ausgeschieden.117 bb) Volksrichter Eine nachhaltigere Veränderung der Justizlandschaft brachte die Einführung des „Volksrichters“ durch unveröffentlichte Anweisung der SMAD vom 17. Dezember 1945118 mit sich: In zunächst sechsmonatigen, am Ende zweijährigen Lehrgängen wurden Personen ohne juristische Vorkenntnisse,119 zwischen 25 und 40 Jahren, die als Befürworter des Antifaschismus galten, zu Volksrichtern ausgebildet. Anders als die bisherige Richterschaft hatten die Volksrichter also weder Studium noch Vorbereitungsdienst absolviert. Sie unterschieden sich auch in der sozialen Herkunft und ihrer Vorbildung – hatten Volksschulabschlüsse statt der Hochschulreife und entstammten vielfach der Arbeiterschaft. Für die vorliegende Arbeit sind zwei Gesichtspunkte relevant: Zu klären ist zum einen, wie die Volksrichterausbildung aussah und welche Ziele die Staatsleitung bei der Gestaltung der massiv verkürzten, mit alten Ausbildungstraditionen brechenden Ausbildung konkret verfolgte. Dem bisherigen Aufbau folgend, soll diese Frage erst an späterer Stelle, im Rahmen der Darstellung der Juristenausbildung eingehend behandelt werden.120 Zum anderen ist bereits vorab auf die allgemeine Stellung der Volksrichter in der Justiz einzugehen: War der Volksrichter ein eigenständiges, neues sozialistisches Konzept, das die Tradition einer akademisch gebildeten Justiz beenden sollte oder handelte es sich um eine Maßnahme zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Justiz? Immerhin machten die Volksrichter schon Mitte 1947 immerhin 17 Prozent121 der gesamten Richterschaft aus; 1950 hatten mehr als die Hälfte der Richter und Staatsanwälte eine Volksrichterausbildung abgeschlossen.122 Für die Neuordnung der Justiz war in der SBZ die der SMAD unter- und beratend zur Seite stehende Deutsche Zentralverwaltung für Justiz (DJV);123 später das Justizministerium der DDR zuständig. Die SMAD selbst machte der Verwal116
Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 90. Stolleis, Sozialistische Gesetzlichkeit, S. 31. 118 Abgedruckt in: Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 147. 119 Hartwig, Die Ausbildung der Volksrichter, in: NJ 1947, S. 157 (158). 120 Hierzu ausführlich unter 4. a). 121 Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 16. Benjamin et al. gehen von 17 % der Richter und Staatsanwälte aus (dies., Geschichte der Rechtspflege I, S. 106). 122 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, 110; Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 124. 123 Wentker, Volksrichter, S. 15. 117
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tung über die Verpflichtung zur Umsetzung der Volksrichterausbildung hinaus nur wenige inhaltliche Vorgaben und sah den Volksrichter vor allem als temporäre Maßnahme zur Überwindung der personellen Engpässe.124 Die Justizverwaltung beabsichtigte ihrerseits zweierlei: Die Aufrechterhaltung der Rechtspflege in der DDR125 und die Besetzung der „Gerichte mit solchen Kräften [. . .], die wirklich das Vertrauen des Volkes haben“.126 Bereits die soziale Zusammenstellung der erneuerten Richterschaft127 unterstrich den Anspruch der sozialistischen Führung, in diesem Zuge die Arbeiter- und Bauernschaft in die Staatsorganisation einzubinden und mögliche Klassengrenzen der Justiz zu beseitigen. Ideologisch hatte der Volksrichter damit ein erhebliches Potenzial, das über seinen praktischen Nutzen hinausging: Er schien geeignet, die „klassenmäßige [. . .] Umgestaltung der Richterschaft“ 128 einzuleiten. Darüber allerdings, welche Rolle die Volksrichter in der DDR auf lange Sicht einnehmen sollten und vor allem, in welchem Verhältnis sie zu den universitär gebildeten Juristen stehen sollten, waren sich die Akteure in der Justizverwaltung uneinig. Nicht zuletzt lag das an der heterogenen politischen Zusammensetzung der Beteiligten. Zu den Namhaften unter ihnen gehörten der erste Präsident der DJV, der liberale Politiker und ehemalige Weimarer Reichsjustizminister Eugen Schiffer129; und mit Hilde Benjamin und Ernst Melsheimer zwei sozialistische Juristen, die unter Ulbricht zu Amt und Würden innerhalb der Justiz gelangten: die eine als Vizepräsidentin des Obersten Gerichts und Justizministerin, der andere als Generalstaatsanwalt der DDR. Der Mangel an akademischer Bildung des Volksrichters bewegte Schiffer zu dem erfolglosen Versuch, eine Gleichstellung der Volksrichter mit dem klassischen Richtertum von vornherein auszuschließen: Unter Umgehung der zuständigen Gesetzgebungsabteilung der DJV stellte er einen Entwurf eines neuen Gerichtsverfassungsgesetzes vor, das für den Volksrichter eine von vornherein untergeordnete, auf erstinstanzliche Gerichte beschränkte Rolle vorsah.130 Das Unterfangen scheiterte. Stattdessen setzte sich das insbesondere von Benjamin, letztlich auch dem zunächst skeptischen Melsheimer131 vertretene Konzept des 124
Wentker, Volksrichter, S. 24 f. Hartwig, Die Ausbildung der Volksrichter, in: NJ 1947, S. 157 (159). 126 Benjamin, Aufzeichnung „Zur Frage des Volksrichters“, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 105 (107). 127 Liwinska, Die juristische Ausbildung in der DDR, S. 25. 128 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 182. 129 Zu dessen Ansätzen einer Justizreform in der Weimarer Republik, vgl. B. II. 2. b) dd). 130 Wagner, Hilde Benjamin, S. 61; Wentker, Volksrichter, S. 17. Vgl. auch zum Versuch Erich Wendes, deutlicher zwischen Volksrichtern und Volljuristen zu differenzieren, Wentker, Volksrichter, S. 19. Zu Wendes Wirken in der Weimarer Republik, vgl. B. II. 3. c) bb) (1). 131 Hattenhauer, Über Volksrichterkarrieren, S. 5. 125
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Volksrichters als vollwertiger, gleichberechtigter Richter mit verkürzter Ausbildung durch.132 Die formale Gleichstellung der Volksrichter mit den akademischen Richtern schaffte SMAD-Befehl Nr. 193 vom 6. August 1947.133 Er verlieh den Volksrichtern schließlich auch offiziell die Befähigung zum Richteramt. Ein Schritt, der notwendig geworden war, nachdem auch Rechtsanwälte – erfolglos – versuchten, die Urteile der Volksrichter mit Verweis auf deren fehlende Befähigung zum Richteramt im Sinne von § 2 GVG, anzugreifen.134 Nicht nur von Seiten liberaler Justizmitarbeiter und einiger Rechtsanwälte schlug der neuen Institution des Volksrichters Misstrauen entgegen: Im öffentlichen Diskurs der Rechtswissenschaft wurde Kritik am „Volksrichter“ zwar kaum geäußert; Zweifel an dessen Eignung waren aber in der Tagespresse,135 unter Richtern wie auch konservativen und liberalen Politikern weit verbreitet136 und bargen die Gefahr in sich, die Autorität der Volksrichter zu untergraben. Die Kritiker befürchteten einerseits eine fachliche Inkompetenz des Volksrichters, andererseits die Verdrängung des anerkannten, akademisch gebildeten Juristen. Erstere Befürchtung griff die Justizverwaltung regelmäßig auf und verwarf sie unter Verweis etwa auf hohe Erfolgsquoten in den Abschlussprüfungen137 oder auf eine Uninformiertheit der Presse über die „Vorbildung und Arbeit des Volksrichters“.138 Die SMAD139 und auch der zuvor noch kritische Schiffer lobten die Arbeit der neuen Volksrichter öffentlich in den höchsten Tönen.140 Bemühungen
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Leim, Vorschlag zur Neugestaltung der juristischen Ausbildung, in: NJ 1959,
S. 57. 133
ZVBl. 1947, S. 165. Wentker, Volksrichter, S. 38. Vgl. ebd. sowie Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 9 f.: Der unveröffentlichte Befehl der SMAD zu Ausbildung und Einsatz der Volksrichter an Gerichten und Staatsanwaltschaften wurde als gesetzliche Ausnahme vom Wortlaut des § 2 GVG angesehen (Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 94; vgl. Punkt 6 des Befehls, wiedergegeben in einem Schreiben der DJV an die Landesverwaltungen, abgedruckt in: Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 147). Letztlich entschieden so auch die höheren Gerichte, so etwa ein Urteil des OLG Dresden vom 21.3.1947, zitiert nach Benjamin, Volksrichter, S. 181. Gleichwohl schaffte der SMADBefehl aus dem Jahr 1947 abschließend Rechtsklarheit. 135 Vgl. Benjamin, Volksrichter, S. 182 zu einem Artikel des „Tagesspiegel“ vom 17. November 1945. 136 Insbesondere in der LDPD und CDU, vgl. Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 98, 108. 137 Vgl. Hartwig, Die Ausbildung der Volksrichter, in: NJ 1947, S. 157 (159); Hartwig, Ausgestaltung der Lehrgänge für Richter und StA, in: NJ 1949, S. 13 (15); Rehse, Mit den Augen des Volksrichters . . ., in: NJ 1948, S. 152. 138 Benjamin, Volksrichter, S. 182. 139 Vgl. SMAD-Befehl Nr. 193 vom 6.8.1947, abgedruckt in: Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 151 f. 140 Schiffer, Die Konstanzer Juristentagung, in: NJ 1947, S. 116 (117); Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, 94. Vgl. zu einem Aufsatz Schiffers in der „Täglichen Rundschau“ vom 21.2.1947, Benjamin, Volksrichter, S. 182. 134
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einzelner älterer Richter, eine Zusammenarbeit mit Volksrichtern zu verweigern, unterbanden die Justizbehörden energisch.141 Der Vorwurf, dass die Entwicklung des Volksrichters das Ziel hätte, den akademischen Juristen zu verdrängen, wurde vehement zurückgewiesen.142 Als lauteste Fürsprecherin des Volksrichters hatte sich Hilde Benjamin, die den „langjährig im bürgerlichen Klassenrecht ausgebildeten“ Juristen unabhängig von deren „persönliche(r) Vergangenheit“ ablehnend gegenüberstand,143 hervorgetan. Sie betonte zwar die Einheit zwischen alten und neuen Richtern, von denen sich die einen durch akademische Bildung, die anderen durch ihre Lebenserfahrung auszeichneten;144 gleichwohl hielt sie die neue Richterausbildung für der Akademischen eindeutig überlegen.145 Auch sie verkündete aber, die Volksrichterausbildung sei nur eine Übergangslösung bis zur gesellschaftlichen Öffnung der Justiz und zur Reform des universitären Unterrichts.146 Diese Einschätzung Benjamins traf zu. Bereits zu Beginn der fünfziger Jahre war eine Akademisierung der Volksrichterausbildung absehbar, die als neuer Richtertypus des akademisch geschulten Volksrichters beworben wurde.147 Im Jahr 1955 wurden die Lehrgänge zum Volksrichter schließlich zum Hochschulstudium mit Staatsexamen umgewandelt und die den Volksrichter ausmachende Ausbildung abgeschafft.148 Der Volksrichter konnte sich also nicht als neues Konzept durchsetzen; war aber von vornherein nicht als endgültiger Ersatz für den akademisch gebildeten Richter gedacht. Allerdings waren Volksrichter – wenn auch bei Weitem nicht alle – schon bald sowohl in höchste Ämter, etwa an das Oberste Gericht, gelangt,149 als auch in politisch wichtige Schauprozesse wie die Waldheimer Prozesse150 involviert und wirkten so höchst aktiv an der Entwicklung der sozialistischen Justiz und dem Ausbau der Staatsmacht mit. Beacht141
Benjamin, Volksrichter, S. 174. Fechner, Volk und Justiz, S. 15; Melsheimer, Vom politischen zum unpolitischen Richter, in: NJ 1950, S. 70 (73); Schiffer, Die Konstanzer Juristentagung, in: NJ 1947, S. 116 (117). 143 Vgl. Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 91; Wentker, Volksrichter, S. 27. 144 Benjamin, Volksrichter in der Sowjetzone, in: NJ 1947, S. 13 (15). 145 Benjamin, Zur Heranbildung des neuen Richters, in: NJ 1949, S. 129 (132). Vgl. auch Benjamin, Zur Frage des Volksrichters, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 105 (108); ebenso Toeplitz, zitiert nach Schibor, Zum Abschluß des ersten ZweijahrLehrgangs, in: NJ 1952, S. 270. 146 Benjamin, Volksrichter, S. 184. 147 Leim, Vorschlag zur Neugestaltung der juristischen Ausbildung, in: NJ 1950, S. 57. 148 Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 29. 149 Helm, Stand und künftige Entwicklung der Richterschulen, in: NJ 1951, S. 308; Mohnhaupt, Normdurchsetzung, Bd. 5, S. 58. Vgl. auch Hattenhauer, Über Volksrichterkarrieren, S. 13, 18. 150 Vgl. Mollnau, Sozialistische Gesetzlichkeit, S. 86. 142
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lich ist freilich, dass die Hälfte der sorgsam ausgewählten Richter in diesen frühen – und daher richtungsweisenden – Waldheimer Prozessen selbst Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der SED-Vorgaben hatte, die Volksrichterschaft also nicht vollkommen blind und folgsam war.151 Ein nicht geringer Teil der Volksrichter beging zudem im Laufe der Jahre Republikflucht.152 Der frühe Untergang des Volksrichters als eigenständige Erscheinungsform des Richters und die Mängel an Parteiloyalität dürfen aber keinesfalls dazu veranlassen, den Volksrichter für „erstaunlich schnell gescheitert“ 153 zu erklären: Die Bedeutung des Volksrichters ist nicht bloß in seinem oberflächlichen Verhältnis zum akademisch gebildeten Richter, sondern einerseits in der frühen Etablierung eines ideologischen Einflusses der Sozialisten in der Justiz154; andererseits in der durch diese Maßnahme eingeleiteten strukturellen und inhaltlichen Neuausrichtung der gesamten juristischen Ausbildung zu suchen. c) Unabhängigkeit und Gesetzesbindung des Richters Schon vor der Staatsgründung stand fest, dass der neue Staat auch eines neuen, „demokratischen“ Richtertypus bedurfte.155 Fest stand ebenso, dass der Richter des sozialistischen Staates unabhängig sein sollte. aa) Ideologische und rechtliche Grundlagen So fand sich der Grundsatz der Unabhängigkeit des Richters in den Verfassungen der DDR wie auch im Gerichtsverfassungsgesetz.156 Er wurde gleichwohl unter weltanschaulichen Aspekten neu interpretiert und als Gegenentwurf zum bürgerlichen Unabhängigkeitsbegriff konzipiert. Der bürgerliche Begriff der Unabhängigkeit des Richters galt als Resultat des Misstrauens des Volkes gegenüber einem übergriffigen Staat. Langfristig hätte er aber nur zum Aufstieg des Bürgertums beigetragen und letztlich zur Isolation des Richters vom Volk geführt.157 Im sozialistischen Staat hingegen sollte die Unabhängigkeit des Richters keinesfalls eine „Unabhängigkeit vom Willen des Volkes“ sein.158 Hieraus folgten weltanschauliche wie rechtliche Konsequenzen.
151 Mollnau, Sozialistische Gesetzlichkeit, S. 86 f. Entsprechend vernichtend fiel das anschließende Urteil über die politische Eignung einiger Beteiligter aus. Vgl. insb. die Dokumente 1b und 1e im Anhang bei Mollnau, a. a. O., S. 94 ff., 102 ff. 152 Hattenhauer, Über Volksrichterkarrieren, S. 23. 153 Hattenhauer, Über Volksrichterkarrieren, S. 31. 154 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 110. 155 Schultes, Rechtsstaat und Gerichtsbarkeit, in: NJ 1948, S. 1 (10). 156 DDRVerf 1949, DDRVerf 1962, § 5 GVG 1952. 157 Benjamin, Die Entwicklung des sozialistischen Rechts, in: NJ 1962, S. 759 (764). 158 Benjamin, Die Entwicklung des sozialistischen Rechts, in: NJ 1962, S. 759 (764).
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In ideologischer Hinsicht bedeutete dies, dass der Richter unbedingt politisch – und zwar sozialistisch – sein musste. Zunächst wurde dies noch vorsichtig formuliert. So wurde die unpolitische Haltung der Weimarer Richterschaft als Grund für ihre spätere Beteiligung im NS-Staat ausgemacht und ein politisches Bewusstsein gefordert.159 Mit dem voranschreitenden „Aufbau des Sozialismus“ wurden die Vorgaben deutlicher. Der unabhängige Richter musste politisch sein; „erfaßt [. . .] von der wachsenden moralisch-politischen Einheit [des] Volkes“.160 Die Unabhängigkeit des Richters war also von dessen Parteilichkeit gerade für den Sozialismus nicht zu trennen.161 Die Tätigkeit des Richters musste entsprechend dem stalinistischen Rechtsverständnis von einem gefestigten sozialistischen Rechtsbewusstsein getragen sein.162 Erwartet wurde, dass der Richter „sich vorbehaltlos für den Sieg des Sozialismus“ einsetzte, „nach den Grundsätzen der sozialistischen Moral [lebte und] aktiv und vorbildlich beim umfassenden sozialistischen Aufbau [mitwirkte]“.163 Keinesfalls durfte der Richter daher formalistisch, objektiv sein.164 Bereits im Jahr 1951 wurde deutlich, was das für die methodische juristische Arbeit bedeuten sollte: Per Politbürobeschluss wurde die Nutzung von Kommentaren und die Verwendung rechtstheoretischer Hinweise in der Justiz als „Mangel an ideologischem Bewußtsein“ verurteilt.165 Gleichzeitig wurde Wert darauf gelegt, zu bekräftigen, dass mit dieser Neugestaltung richterlicher Tätigkeit keineswegs am Grundsatz einer objektiven Sachverhaltsermittlung gerüttelt würde.166 Gesetzlich normiert wurden diese Pflichten des Richters zur sozialistischen Rechtsprechung und zur Verteidigung der sozialistischen Staatsmacht im Rahmen der Reform des Gerichtsverfassungsgesetzes des Jahres 1952167, das bereits wesentliche Gedanken der „sozialistischen Gesetzlichkeit“ verschriftlichte. In dessen § 2 Abs. 1 hieß es: „Die Rechtsprechung [. . .] dient dem Aufbau des Sozialismus [. . .]. Ihre Aufgabe ist a) der Schutz der auf der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik beruhenden gesellschaftlichen und staatlichen 159
Melsheimer, Vom politischen zum unpolitischen Richter, in: NJ 1950, S. 70 (71). Benjamin, Der neue Strafprozess, in: NJ 1952, S. 467 (468). 161 Melsheimer, Sozialistische Gesetzlichkeit im Strafverfahren, in: NJ 1956, S. 289 (294 f.). 162 Wyschinksi, Theorie der gerichtlichen Beweise, S. 190 ff. 163 Benjamin, Die Entwicklung des sozialistischen Rechts, in: NJ 1962, S. 759 (764). 164 Eine der selbst 1948 wenigen Ausnahmen noch bei Berger, Die Rechtsprechung im Westen, S. 308. 165 Politbürobeschluss vom Dezember 1951 (SAPMO BArch J IB 2/2/182), zitiert nach Mollnau, Sozialistische Gesetzlichkeit, S. 69, Fn. 19. 166 Beschluss des Staatsrats der DDR über die weitere Entwicklung der sozialistischen Rechtspflege in der DDR vom 30.1.1961, abgedruckt in: NJ 1961, S. 73 (74). Benjamin, Die Entwicklung des sozialistischen Rechts, in: NJ 1962, S. 759 (764). Vgl. auch Wyschinksi, Theorie der gerichtlichen Beweise, S. 192. 167 DDRGBl. I 1952, S. 983. 160
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Ordnung und ihrer Rechtsordnung, b) der Schutz und die Förderung der Grundlagen der sozialistischen Wirtschaft, vor allem des sozialistischen Eigentums und der der Volkswirtschaftspläne, c) der Schutz der verfassungsmäßigen Interessen der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Organisationen, d) der Schutz der gesetzlichen Rechte und Interessen der Bürger.“ Dabei reichte es nicht, dass in den Urteilen die sozialistische Einstellung des Richters sichtbar wurde. Sie mussten auch eine erzieherische Wirkung entfalten. Die Bürger sollten durch die Rechtsprechung fortan „in ihrem beruflichen und persönlichen Leben zu einem verantwortungsbewussten Verhalten und zur gewissenhaften Befolgung der Gesetze“ erzogen werden (§ 2 Abs. 2). In Folge der Babelsberger Konferenz wurden auch gestiegene Erwartungen der Staatsleitung an die Wirkung der sozialistischen Rechtsprechung deutlich. Die Richter übernahmen nun eine „propagandistische Tätigkeit [. . .] über die Grundfragen [des] Arbeiter- und Bauernstaates und seines sozialistischen Rechts“.168 In seiner Rechtsprechung war der Richter an die Vorgaben des Sozialismus nach staatlicher Auslegung gebunden und hatte sich aktiv für die Förderung und Verteidigung der gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung und die Volkserziehung169 einzusetzen. Die Konformität der Rechtsprechung mit den Grundsätzen des Sozialismus und die Mitwirkung der Richter an der Umsetzung der staatlichen Ziele wurde durch eine Schwächung der rechtlichen Stellung des Richters sichergestellt. Zunächst wurde die Unabsetzbarkeit des Richters aufgehoben. Noch in der SBZ waren die Gerichte unter die Aufsicht der Landtage gestellt worden.170 Hatten die einzelnen Landesverfassungen zunächst keine Stellungnahme zur Unabsetzbarkeit des Richters bezogen,171 änderte dies die erste Verfassung der DDR, in deren Art. 131 im Gegenteil eine ausdrückliche Absetzbarkeit der Richter verankert wurde.172 Erneut wurde dabei auf die Erfahrungen der Weimarer Republik verwiesen;173 zu groß erschien die Gefahr einer Justiz als „Staat im Staate“.174 Der sozialistische Richter sollte zwar unabhängig sein, allerdings nicht von seiner Rechenschaft gegenüber dem Volk entbunden werden.175 Prägnant formulierte dies Ernst Melsheimer, der erste Generalstaatsanwalt am Obersten Gericht der DDR: „Wir wollen die richterliche Unabhängigkeit nicht als lebenslange Un168
Benjamin, Die Wahl der Richter, in: NJ 1959, S. 689 (692). Vgl. Benjamin, Die Entwicklung des sozialistischen Rechts, in: NJ 1962, S. 759 (761); Fechner, Aufgaben der weiteren Demokratisierung, in: NJ 1948, S. 121 (126); Polak, Unser Recht, in: ND v. 9.4.1963, S. 3. 170 Abendroth, Die Justiz in den Landesverfassungen, in: NJ 1947, S. 112 (113). 171 Abendroth, Die Justiz in den Landesverfassungen, in: NJ 1947, S. 112 (113). 172 Siehe auch Schultes, Rechtsstaat und Gerichtsbarkeit, in: NJ 1948, S. 1 (9). 173 Abendroth, Die Justiz in den Landesverfassungen, in: NJ 1947, S. 112 (113). 174 Rede Ulbrichts auf dem II. Parteitag der SED, zitiert nach H. N., Einführung neuer Richter, in: NJ 1957, S. 537. 175 Hermann/Schüssler, Inhalt und Bedeutung der Unabhängigkeit des Richters, in: NJ 1963, S. 129 (134). 169
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absetzbarkeit und Unversetzbarkeit aufgefaßt wissen, wir wollen, daß der Richter nicht um seiner selbst und um seiner vermeintlichen ,Rechtsidee‘ willen, sondern um des Volkes willen da ist und den Willen des Volkes erfüllt; deshalb wollen wir, daß ein Richter, der gegen die Verfassung und gegen die Gesetze verstößt oder seine Pflichten als Richter gröblich verletzt, vom höchsten Organ des Volkes, vom Volksparlament abberufen werden kann.“ 176 Mit diesem Gedanken wurde auch wiederholt seine strikte Bindung an das Gesetz und die sozialistische Gesetzlichkeit bekräftigt.177 Die sozialistische Gesetzlichkeit kannte keine Ausnahme und eine vom Gesetz gelöste Gerichtsbarkeit durfte den „gesellschaftlichen Umwälzungsprozess [. . .]“ nicht behindern.178 Die rechtliche Bedeutung des sozialistischen Begriffs der Unabhängigkeit des Richters wurde damit weitestgehend reduziert. Entsprechend der sowjetischen Anschauung179 verblieb nicht mehr als eine grundsätzliche Freiheit des Richters von fremden Einwirkungen in seiner konkreten Rechtsprüfung.180 Er galt als – und war damit im weitesten Sinne – weisungsfrei.181 bb) Die Lenkung der Justiz Nicht nur die Verpflichtung zur sozialistischen Parteilichkeit und Gesetzlichkeit sowie die stets drohende Absetzung beschnitten den Handlungsspielraum des einzelnen Richters. Die formale Weisungsfreiheit wurde von einer umfassenden staatlichen Lenkung der Rechtsprechung konterkariert. Diese staatliche Lenkung zog sich durch sämtliche Ebenen der staatlichen Organisation. Die politische Grundlinie legte nicht nur die Volkskammer, sondern auch die SED direkt durch ihre Beschlüsse fest.182 Darüber hinaus wurde die Rechtsprechung durch die unterschiedlichen über- oder beigeordneten Stellen unmittelbar oder mittelbar gelenkt.
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Melsheimer, Vom politischen zum unpolitischen Richter, in: NJ 1950, S. 70 (73). Benjamin, Die Entwicklung des sozialistischen Rechts, in: NJ 1962, S. 759 (764). Herrmann/Schüsseler, Inhalt und Bedeutung der Unabhängigkeit des Richters, in: NJ 1963, S. 129 (130 f.). 178 Herrmann/Schüsseler, Inhalt und Bedeutung der Unabhängigkeit des Richters, in: NJ 1963, S. 129 (131). 179 Vgl. Wyschinksi, Theorie der gerichtlichen Beweise, S. 192. Dazu auch Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege II, S. 123. 180 Melsheimer et al., Neue Rechtsprinzipien, in: Fechner, Beiträge zur Demokratisierung der Justiz, S. 116; Schultes, Rechtsstaat und Gerichtsbarkeit, in: NJ 1948, S. 1 (9). 181 Bönninger, Der Gegenstand des demokratischen Verwaltungsrechts, in: NJ 1952, S. 388 (391). 182 Vgl. Jahn/Petzold, Die weitere Entwicklung der sozialistischen Rechtspflege, in: NJ 1961, S. 117 (118); Hermann/Schüsseler, Inhalt und Bedeutung der Unabhängigkeit des Richters, in: NJ 1963, S. 129 (131). 177
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Die unmittelbare Anleitung der Gerichte übernahm zunächst die zentralisierte Justizverwaltung183 – auch wenn sie nach offizieller Lesart nur für Klarheit in politischen Fragen sorgen sollte.184 Für die infolge der Abkehr vom Grundsatz der Unabsetzbarkeit der Richter deutlich erleichterte Abberufung von Richtern war das Justizministerium zuständig. Außer in Fällen strafbaren Handelns kam diese besonders bei politischer Unzuverlässigkeit der Richter in Betracht.185 Die Verfolgung der politischen Ziele und die Einhaltung der politischen Vorgaben durch die Justizverwaltung wurde ihrerseits genauestens beobachtet. Dies zeigte sich nur zu deutlich, als Justizminister Max Fechner nach dem Volksaufstand des 17. Juni 1953 in einem Interview im Neuen Deutschland vom 30. Juni 1953 ordentliche Strafverfahren und im Ergebnis sogar Straffreiheit für einen großen Teil der verhafteten, vermeintlich von Faschisten irregeführten Streikenden ankündigte.186 Kurzerhand wurde er nicht nur wegen „partei- und staatsfeindlichen Verhaltens“ aus der SED ausgeschlossen, seines Amtes enthoben und durch Hilde Benjamin ersetzt; er wurde zum Geständnis einer schädlichen Tätigkeit und einer auf fehlender „Weiterbildung“ fußenden fachlichen und politischen Unfähigkeit gezwungen.187 Durch den 1. Strafsenat des Obersten Gerichts wurde er schließlich zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt.188 Das Gericht sah nicht nur als erwiesen an, dass Fechner sich politischer Straftaten schuldig gemacht hatte; verurteilt wurde er zur öffentlichen Herabwürdigung auch wegen mehrerer vorgeblicher189 Fälle homosexueller „Unzucht“.190 Die Statuierung eines derartigen Exempels, aber auch der Einsatz der politisch ambitionierten Benjamin stellte sicher, dass in den Folgejahren eine engmaschige Anleitung der Rechtspflege durchgeführt wurde. Zu den weiteren Formen dieser Anleitungstätigkeit durch die Justizverwaltung gehörte auch die ständige Weiterbildung der Justiz in fachlicher191 wie in ideologischer Hinsicht. Dabei setzte sie die Kaderpolitik der SED 183
Immisch, Der sozialistische Richter, S. 137 ff. Benjamin, Die Entwicklung des sozialistischen Rechts, in: NJ 1962, S. 759 (765). 185 Vgl. Immisch, Der sozialistische Richter, S. 208 f. 186 Alle Inhaftierten kommen vor ein ordentliches Gericht, in: ND v. 30.6.1953, S. 5: „Indem die tatsächlich Volksfeinde bestraft und die inhaftierten irregeführten Arbeiter nach sofortiger Prüfung unverzüglich entlassen werden, wird sich das Vertrauen der Bevölkerung zur Justiz in der [DDR] immer mehr festigen.“ 187 Amos, Justizverwaltung in der SBZ/DDR, S. 133 f. Vgl. auch den Bericht über den ehemaligen Minister Fechner an das Politbüro der SED vom 16. März 1956, Dokument 16, abgedruckt in: Amos, Justizverwaltung in der SBZ/DDR, S. 260. 188 Amos, Justizverwaltung in der SBZ/DDR, S. 134. 189 Amos, Justizverwaltung in der SBZ/DDR, S. 134 f. 190 Amos, Justizverwaltung in der SBZ/DDR, S. 133 f. Vgl. auch den Bericht über den ehemaligen Minister Fechner an das Politbüro der SED vom 16. März 1956, Dokument 16, abgedruckt in: Amos, Justizverwaltung in der SBZ/DDR, S. 260 (262 f.). 191 Hierzu zählten wohl auch die Unterrichtsbriefe für Volksrichter, die nach Verlautbarung der DJV nur fachliche Mängel beheben sollten und damit nicht mit Richterbriefen der NS-Zeit zu verwechseln werden sollten, vgl. Hartwig, Die Fortbildung der Ab184
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um,192 die als fester Bestandteil der staatlichen Leitungstätigkeit193 auch für die Einbindung der Juristen in den Staat eine ganz wesentliche Rolle spielte. Von der Auswahl der Bewerber bis zur Aufgabenzuweisung in den Staatsorganen und Parteistellen trugen die Behörden zur Heranziehung von Funktionären bei. Früh wurde auch die Stellung der Staatsanwaltschaft gestärkt. Nachdem die Gerichte erst zu einer engeren Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften angehalten worden waren, wurde durch das Gesetz über die Staatsanwaltschaft der Deutschen Demokratischen Republik vom 23. Mai 1952194 ihre zentrale politische Führungsrolle bei der Einhaltung der „sozialistischen Gesetzlichkeit“ weiter herausgestellt.195 Die Generalstaatsanwaltschaft der DDR übte „die höchste Aufsicht aus über die strikte Einhaltung der Gesetze und der Verordnungen der Deutschen Demokratischen Republik“ (§ 10 Abs. 1). „Diese Aufsicht erstreckt[e] sich auf alle Ministerien, Ämter und ihnen unterstellten Dienststellen und Einrichtungen, auf Betriebe und ebenso auf alle Funktionäre des Staatsapparates und Bürger“ (Abs. 2). Die Befugnisse der Staatsanwaltschaft gingen nun weit über die Ermittlung und Anklage im Strafverfahren hinaus. Ausdrücklich konnte sie auch an jedem Zivilprozess und jedem Verfahren freiwilliger Gerichtsbarkeit mitwirken, um die „demokratische Gesetzlichkeit“ zu wahren (§ 20). Auf diese Weise sicherten die Staatsanwaltschaften mindestens mittelbar die politische Konformität der einzelnen Verfahren, selbst wenn die Gerichte formal weisungsfrei blieben. Die Einführung der Richterwahl zum Ende der fünfziger Jahre führte die Richter parallel zur Entwicklung des Eingabesystems weiter in die Öffentlichkeit. Für die tatsächliche Besetzung der Richterposten war der Wahlvorgang gleichwohl von geringerer Relevanz; die Vorauswahl der Richter und die Wahl durch die Volkskammer stellten hinreichend sicher, dass eine grundlegende politische Zuverlässigkeit bestand.196 Die Richterwahl forderte vom Richter vor allem eine öffentlichere Orientierung. Er war gezwungen, politische Massenarbeit zu betreiben, um seine Wahlaussichten nicht zu gefährden.197 In erster Linie sollte so die „Verbundenheit“ zwischen Richtern und der Bevölkerung gefördert werden.198 solventen der Lehrgänge, in: NJ 1948, S. 78; Hartwig, Ausgestaltung der Lehrgänge für Richter und StA, in: NJ 1949, S. 13 (14). In späteren Jahren wurde die Unterscheidung zwischen fachlicher und politischer Bildung allerdings fallengelassen. 192 Immisch, Der sozialistische Richter, S. 136 f. 193 Feige, Leitungstätigkeit und Kaderpolitik, in: SuR 1959, S. 1462. 194 DDRGBl. I 1952, S. 408. 195 Polak, Die Demokratie unserer Arbeiter- und Bauernmacht, in: NJ 1954, S. 681 (682). 196 Vgl. Plan für die Arbeit des Ministeriums der Justiz bis zum Jahre 1965, Mitteilung, in: NJ 1962, S. 551 (552). 197 Plan für die Arbeit des Ministeriums der Justiz bis zum Jahre 1965, Mitteilung, in: NJ 1962, S. 551 (552). 198 Die Richterwahl hat begonnen, in: NJ 1960, S. 712.
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Das bedeutete nichts anderes, als dass der Richter noch deutlicher als Person für den Sozialismus eintreten musste. Zudem sollte durch die Wahlen der Einfluss der örtlichen Organe der Staatsmacht auf die Richterschaft gestärkt werden.199 Mit der Festigung der sozialistischen Staatsmacht fand die Lenkung der Gerichte zunehmend auch innerhalb der Gerichtsbarkeit selbst statt. Das gerichtsinterne Disziplinarverfahren für Richter, wenngleich von erzieherischer Bedeutung, war dabei allerdings nachrangig.200 Herausgehoben wurde nur die Stellung des Obersten Gerichts, dessen Urteilspraxis durch seine Bindungswirkung früh einen großen Einfluss auf die Rechtsprechung erlangt hatte.201 Zu Beginn der sechziger Jahre wurden erstmals offen Zweifel an der Lenkung der Gerichte durch die Justizverwaltung geäußert – bezeichnenderweise durch die mittlerweile als Justizministerin eingesetzte Benjamin selbst. Ihr zufolge bedeutete die Anleitung der Gerichte durch die Verwaltung keinen Eingriff in den Grundsatz der Unabhängigkeit, barg jedoch eine „Gefahr der Gängelei“ und beeinträchtigte so die „Eigenverantwortlichkeit der Richter“.202 Um dem entgegenzutreten wurde der „Ausbau der einheitlichen Anleitung der Rechtsprechung aller Gerichte durch das Oberste Gericht“ ausgebaut.203 Mit dem Rechtspflegeerlass des Staatsrates vom 4. April 1963204 übernahm das Oberste Gericht schließlich die Verantwortlichkeit für die Anleitung und Kontrolle der Gerichte. Dabei wurde bereits im ersten Abschnitt zu den Aufgaben und der Arbeitsweise der Gerichte klargestellt205, dass kein Raum für ideologische Freiheiten gelassen werden durfte: „1. Das Oberste Gericht sichert, daß die Rechtsprechung den Erfordernissen der
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Polak, Die Wahl der Richter, in: NJ 1959, S. 694 (695). Immisch, Der sozialistische Richter, S. 210 f. Disziplinarrechtliche Sanktionen gegen Richter konnten erstmals aufgrund der ersten Disziplinarordnung für Richter vom 19. März 1953 (DDRGBl. I 1953, S. 467) ergehen. Dort konnte eine Abberufung nach § 23 Abs. 2 GVG angeregt werden. Die Entscheidung über Sanktionen wurde allerdings gerade nicht durch staatliche Kontrollorgane, sondern durch an den Gerichten gebildete Ausschüsse getroffen (vgl. Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege II, S. 124). So war das Disziplinarrecht zwar durchaus ein Mittel zur politischen Steuerung (vgl. Immisch, Der sozialistische Richter, S. 214), wirkte allerdings eher mittelbar als Mittel politischer Selbstkontrolle. 201 Vgl. Hermann/Schüssler, Inhalt und Bedeutung der Unabhängigkeit des Richters, in: NJ 1963, S. 129 (132). 202 Benjamin, Unser sozialistisches Recht, in: Schriftenreihe des Staatsrates Nr. 5/ 1962, S. 38; Hermann/Schüssler, Inhalt und Bedeutung der Unabhängigkeit des Richters, in: NJ 1963, S. 129 (133). 203 Benjamin, Unser sozialistisches Recht, in: Schriftenreihe des Staatsrates Nr. 5/ 1962, S. 38. 204 Erlass des Staatsrates über die grundsätzlichen Aufgaben und die Arbeitsweise der Organe der Rechtspflege vom 4.4.1963 (Rechtspflegeerlass), abgedruckt in: Schriftenreihe des Staatsrates 2/1963, S. 99 ff. 205 Zur „Diskussion mit der Bevölkerung“ auch in der sozialistischen Tagespresse, vgl. Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege III, S. 46. 200
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objektiven Gesetze des Sozialismus entspricht und der Festigung und dem Schutz der sozialistischen Gesellschaftsverhältnisse, insbesondere der Entwicklung des Staats- und Rechtsbewußtseins der Bürger dient. [. . .] 3. Das Oberste Gericht ist verantwortlich für – die ständige Anleitung der Rechtsprechung aller Gerichte, um zu sichern, daß diese den Gesetzen entspricht und der Lösung der Grundfragen beim umfassenden sozialistischen Aufbau, besonders der Hauptprobleme der nationalen Wirtschaft sowie dem Kampf gegen alle Rechtsverletzungen dient; – die ständige Kontrolle und Auswertung der gesellschaftlichen Wirksamkeit der Rechtsprechung aller Gerichte [. . .].“ 206 Die Kontrollmittel des Obersten Gerichts umfassten den Erlass von Richtlinien und Beschlüssen, die Gerichtskritik, die Durchführung von Inspektionen und die Herausgabe der Zeitschrift „Neue Justiz“.207 In absteigender Hierarchie waren die dem Obersten Gericht verantwortlichen Bezirksgerichte wiederum, mit ansonsten gleichlautendem Auftrag, für die Kontrolle der Kreisgerichte zuständig, mussten dabei allerdings eng mit den örtlichen Organen zusammenarbeiten.208 Die zentrale, fachliche wie politische Leitung oblag allerdings stets dem Obersten Gericht. Effektiv bedeutete der Rechtspflegeerlass keine etwaige vertrauensvolle Selbstkontrolle der Gerichte, sondern einen Übergang der Verantwortlichkeit auf das den Gerichten fachlich nächste staatstreue Organ. Weniger eine Frage der Lenkung, aber dennoch eine Einschränkung des gerichtlichen Einflusses auf das tägliche Leben war die Einführung von Konfliktkommissionen, die im Jahr 1953 erstmals in Betrieben und Verwaltung eingerichtet209 und ab dem Beginn der sechziger Jahre mit weitergehenden Kompetenzen ausgestattet wurden.210 Die Konfliktkommission bestand aus jeweils zwei von der Belegschaft und zwei von der Leitung gewählten Vertretern (§ 3 VO 1953). Aufgrund des besonderen Vertrauens der Belegschaft (Präambel VO 1953) entschied sie zunächst auf Antrag (§ 9 VO 1953) in Konflikten in Bezug auf Arbeitsmoda-
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Rechtspflegeerlass, abgedruckt in: Schriftenreihe des Staatsrates 2/1963, S. 99
(110). 207 Rechtspflegeerlass, abgedruckt in: Schriftenreihe des Staatsrates 2/1963, S. 99 (111). Die Zeitschrift war bis dahin das Sprachrohr des Justizministeriums und wurde zur Klärung einzelner Richtungsfragen der Justiz, einschließlich der Juristenausbildung, genutzt, vgl. unter 4. b) cc). 208 Rechtspflegeerlass, abgedruckt in: Schriftenreihe des Staatsrates 2/1963, S. 99 (117 ff.). 209 Verordnung über die Bildung von Kommissionen zur Beseitigung von Arbeitsstreitfällen (Konfliktkommissionen) in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben und in den Verwaltungen v. 30.4.1953, DDRGBl. I 1953, S. 695. 210 § 144 des Gesetzbuches der Arbeit (GBA) v. 12.4.1961, DDRGBl. I 1961, S. 27; Änderungsgesetz zum GBA v. 17.4.1963, DDRGBl. I 1963, S. 63; Richtlinien des Bundesvorstandes des FDGB über die Wahl und die Arbeitsweise der Konfliktkommissionen v. 30.3.1963; Verordnung über die Konfliktkommissionen v. 17.4.1963, vgl. jeweils Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege III, S. 60 ff.
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litäten (§ 5 VO 1953).211 Seit 1963 erstreckte sich ihre Zuständigkeit auf einen weiten Kreis an „Rechts- und Moralverstößen“: Sie umfasste Verstöße gegen die Arbeitsmoral, einige geringfügige Straftaten und sogar kleinere Zivilrechtsstreitigkeiten.212 Begründet war diese Ausweitung der Kompetenzen der Konfliktkommission in ihrer hervorragenden erzieherischen Wirksamkeit.213 cc) Das Wort von der „Justizkrise“: Rechtsprechung in der Öffentlichkeit Die lückenlose Kontrolle der Rechtsprechung war mit großer Wahrscheinlichkeit der Hauptgrund, warum die DDR – anders als die Weimarer Republik oder der NS-Staat – ohne vorgebliche oder tatsächliche Justizkrise auskam. Das bedeutete nicht, dass es keine Kritik gab oder dass Kritik an Gerichten und ihren Urteilen besonders selten war; gerade Urteile, die in ihrer Ausführung als unparteilich oder undialektisch empfunden wurden, waren scharfer Kritik ausgesetzt.214 Gleiches gilt für als zu milde empfundene Urteile im Zuge der Verfolgung der nationalsozialistischen Verbrechen.215 Zehn Jahre nach Beginn des Aufbaus einer sozialistischen Rechtspflege resümierte Benjamin nichtsdestotrotz, dass zwar Mängel bestanden, die Aufgaben aber erfüllt wurden.216 Im Anschluss an die Babelsberger Konferenz nahm die Kritik an der Arbeit der Gerichte wieder zu, auch wenn die die Ausführungen Ulbrichts über einen vermeintlich verbreiteten Revisionismus auf der Konferenz217 in erster Linie die Rechtswissenschaft betrafen. Wiederholt wurden Richter für die Nichterfüllung ihrer Aufgaben im sozialistischen Staat kritisiert und mit dem Verweis auf teils falsche Vorstellungen von der Unabhängigkeit des Richters auf die Einhaltung der sozialistischen Vorgaben gepocht.218 So wurde ihnen ein geringes histori211 Ihr Zuständigkeitsbereich umfasste etwa Fragen des Beginns, Bestehens, der „Dauer, Änderung oder Beendigung eines Arbeitsvertragsverhältnisses“ (Nr. 1), des Gehaltes (Nr. 3) und des Urlaubs (Nr. 6). 212 § 3 Abs. 1 lit. e, Abs. 2 GBA in der Fassung vom April 1963. Soweit es sich nicht um Beleidigungen handelte, musste die Strafsache durch Untersuchungsorgane, Gericht oder Staatsanwaltschaft übergeben werden. Als zivilrechtliche Streitigkeiten kamen Streitigkeiten über Geldforderungen unter 500,– DM (§ 3 Abs. 2 lit. a), solche mit einfachem Sachverhalt (lit. b) oder über die Erfüllung von bereits „rechtsverbindlich festgestellten Unterhaltsverpflichtungen“ (lit. c) in Betracht. 213 Vgl. Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege III, S. 60. 214 Benjamin, Die sozialistische Gesetzlichkeit strikt verwirklichen!, in: NJ 1956, S. 228 (229). 215 Melsheimer, Der Kampf der deutschen Justiz gegen die Naziverbrecher, in: NJ 1948, S. 126 (130). 216 Benjamin/Melsheimer, Zehn Jahre demokratischer Justiz, in: NJ 1955, S. 259 (265). 217 Vgl. oben, Abschnitt II. 1. 218 Ein Kollektiv der Justizverwaltungsstelle Potsdam, Einige Fragen des dialektischen Materialismus, in: NJ 1958, S. 584 (588).
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sches Bewusstsein, ein mangelndes Verständnis für die Bedeutung der Rechts für den Vollzug des Sozialismus und ein ebenso geringes Bewusstsein für den eigenen Anteil an der Staatsleitung vorgeworfen.219 Sie wurden angehalten, auf Überheblichkeit zu verzichten und enger mit den leitenden Staatsstellen zusammenzuarbeiten.220 Dabei wurde bisweilen auch die Urteilsqualität als solche kritisiert, wo politische Ausführungen isoliert neben der Darlegung der juristischen Seite zum Tragen kamen.221 Gleichzeitig wurden Richter ermahnt, die eigenen Fehler objektiv zu betrachten und nicht bloß „Sabotage“ von außen zu behaupten, um einer Kritik zu entgehen.222 Im Großen und Ganzen bemühte sich die Staatsleitung trotz der öffentlichen Kritik um eine Vereinnahmung der Gerichte und eine organische Einbindung in den Staatsapparat und blieb so bei der von Ulbricht auf dem II. Parteitag der SED verkündeten Linie, dass der „demokratische“ Richter keine Repressalien fürchten bräuchte.223 Vehementen öffentlichen Angriffen durch sämtliche Organe der sozialistischen Staatsgewalt sah sich dagegen die Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik ausgesetzt. Die Übernahme unzähliger nationalsozialistischer Richter in die Rechtspflege der Bundesrepublik und die unterbliebene Aufklärung der nationalsozialistischen Verbrechen224 boten dafür einen denkbar willkommenen Ansatzpunkt: Wieder wurde eine „Justizkrise“ beschworen – dieses Mal allerdings nicht im eigenen Machtbereich: Berichtet wurde vom Wiederaufbau einer Klassenjustiz, von Richtern – „Blutrichtern“ 225 –, die sich erneut als „Vollstrecker des Willens der den Staat beherrschenden Monarchie“ hervortraten und denen vom Volke mit Missachtung begegnet wurde; ganz im Gegensatz zur vorgeblichen allseitigen Anerkennung der Volksrichter in der DDR.226 Das Vorgehen der Strafjustiz gegen Kommunisten im Westen wurde als „moderne Inquisition“ und „Gesinnungsterror“ dargestellt.227 Das „Richterrecht“ der Bundesrepublik, sprich: die Abkehr vom Rechtspositivismus,228 wurde als Einfallstor absoluter richterlicher Willkür 219 Jahn/Petzold, Die weitere Entwicklung der sozialistischen Rechtspflege, in: NJ 1961, S. 117 (118). 220 Benjamin, Die dialektische Einheit von Gesetzlichkeit und Parteilichkeit, in: NJ 1958, S. 365 (366); Ein Kollektiv der Justizverwaltungsstelle Potsdam, Einige Fragen des dialektischen Materialismus, in: NJ 1958, S. 584 (588). 221 Görner, Zur Verbesserung der politischen Massenarbeit, in: NJ 1958, S. 453. 222 Jahn/Petzold, Die weitere Entwicklung der sozialistischen Rechtspflege, in: NJ 1961, S. 117 (119). 223 Rede Ulbrichts auf dem II. Parteitag der SED, zitiert nach H. N., Einführung neuer Richter, in: NJ 1957, S. 537. 224 Vgl. E. II. 2. c). 225 Vgl. zur Geschichte näher von Miquel, Ahnden oder amnestieren?, S. 27 ff. 226 Melsheimer, Vom politischen zum unpolitischen Richter, in: NJ 1950, S. 70 f. 227 Streit, Unsere Rechtsordnung, in: Schriften des Staatsrates Nr. 5/1952, S. 40 (41 f.). 228 Näher unter E. II. 2. b); c) aa); 3. b) ff).
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stilisiert.229 Gleichzeitig wurde die Bundesrepublik des Angriffs auf die Unabhängigkeit ihrer Richter bezichtigt: Gezielt ließe sie die Richter um ihre wirtschaftliche Existenz bangen.230 Angesichts allgegenwärtiger Versuche der staatlichen Einflussnahme, gegen die die Richter ihre Unabhängigkeit hätten verteidigen müssen,231 rühmte man sich, den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit in der Bundesrepublik als bloßes Mittel zur Wahrung einer rechtsstaatlichen Fassade zu entlarven.232 Dem nach liberalem Verständnis unabhängigen Richter attestierte man in gleich doppelter Hinsicht eine Isolation vom Volk; er galt gleichzeitig als ungeschützt gegenüber der staatlichen Willkür und als unantastbarer Vertreter des Imperialismus.233 dd) Beobachtungen Die Unabhängigkeit des sozialistischen Richters sollte eine „einheitliche Verwirklichung der Politik von Partei und Regierung im gesamten Staatsgebiet“ garantieren und ihn in die Lage versetzen, „wirksam den Kampf gegen alle subjektivistischen Einstellungen zu führen.“ 234 So häufig die richterliche Unabhängigkeit auch beschworen wurde – der rechtliche Gehalt und die Konsequenzen einer Abkehr von diesem Grundsatz wurde kaum in deutliche Worte gefasst. Tatsächlich verblieb in rechtlicher Hinsicht auch nicht mehr als ein Mindestmaß an Eigenverantwortlichkeit und an schöpferischer Freiheit.235 Die Frage, ob angesichts dessen überhaupt noch von einer Unabhängigkeit des Richters gesprochen werden kann, soll hier nicht abschließend entschieden werden.236 Dennoch war selbst der Staatsführung bewusst, dass eine kontinuierliche Lenkung der Justiz Eingriffe in Einzelfällen entbehrlich machte;237 dass die Unabhängigkeit des Richters keine praktischen Auswirkungen mehr hatte. Nach außen hin bemühte 229
Streit, Rechtsordnung – nationaler Hüter der Gerechtigkeit, in: ND v. 9.4.1963,
S. 3. 230 Deutsches Institut für Rechtswissenschaft, Die Zerstörung der Unabhängigkeit des Richters, in: NJ 1955, S. 184 (186). 231 Heidelberger Juristenkonferenz für Recht und Freiheit, Bericht, in: NJ 1953, S. 465. 232 Deutsches Institut für Rechtswissenschaft, Die Zerstörung der Unabhängigkeit des Richters, in: NJ 1955, S. 184. 233 Vgl. Benjamin, Die Entwicklung des sozialistischen Rechts, in: NJ 1962, S. 759 (764). 234 Hermann/Schüssler, Inhalt und Bedeutung der Unabhängigkeit des Richters, in: NJ 1963, S. 129 (133). 235 Hermann/Schüssler, Inhalt und Bedeutung der Unabhängigkeit des Richters, in: NJ 1963, S. 129 (133); Toeplitz, in: NJ 1963, S. 34; Benjamin, Die Entwicklung des sozialistischen Rechts, in: NJ 1962, S. 759 (764). 236 So wendet Immisch ein, dass bei der Betrachtung keine modernen Maßstäbe anzulegen seien, sondern die in der DDR herrschenden – und hiernach sei der Richter unabhängig gewesen, ders., Der sozialistische Richter, S. 243 f. 237 Vgl. Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege II, S. 123, m.w. N.
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man sich dennoch, das Bild einer unabhängigen Gerichtsbarkeit, einer selbstständigen, dem Volk nah und offen stehenden Schiedsstelle zu zeichnen.238 d) Auswertung Die Staatsführung der DDR schenkte der Rechtspflege und den Richtern ihre volle Aufmerksamkeit. Der Neuaufbau und die Neukonzeption der Aufgaben der Gerichtsbarkeit stellten die Richter in den Dienst des Sozialismus. Effektiv wurde verhindert, dass die Justiz einen Gegenpol zur Herrschaft der SED bilden konnte und ebenso effektiv wurde die Freiheit des einzelnen Richters beschränkt. Schon bald waren sämtliche Rechtsfragen zwingend anhand der politischen Ziele der Partei zu entscheiden. An anderer Stelle wurde Fingerspitzengefühl gezeigt: Die umfassende Kaderarbeit bezog die Richterschaft in die Tätigkeit der politischen Staatsführung ein, dem akademisch gebildeten Richter wurde seine Existenzberechtigung versichert und durch die ununterbrochene Beschwörung der Unabhängigkeit des Richters wurde seine besondere Stellung im Staat herausgehoben. Die SED hatte die gesellschaftliche Bedeutung und eine erzieherische, „politisch-ideologische“ Wirkung der Rechtsprechung erkannt.239 Eine dem Volk verbundene, im Staatsapparat als unabhängig, aber politisch engagiert geltende Rechtsprechung förderte das Vertrauen in das sozialistische Recht und den sozialistischen Staat – und die Zugänglichkeit für die sozialistische Erziehung durch die Gerichte. 4. Die Ausbildung der sozialistischen Juristen Die personellen Engpässe und die Bemühungen um eine Umgestaltung des Juristenstandes im sozialistischen Sinne erforderten erhebliche Anpassungen im Ausbildungswesen. Das betraf die vollkommen neue Erscheinung der nichtuniversitären Volksrichterausbildung genauso wie das juristische Fachstudium. Außen vor bleibt an dieser Stelle dagegen die Ausbildung von Diplomjuristen an der 1965 gegründeten240 Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit in Potsdam. Ihre Bedeutung nahm erst in den siebziger Jahren zu. Zudem war die Ausbildung so wesentlich auf den späteren operativen, geheimdienstlichen Einsatz ausgelegt, dass ihr die Anerkennung als juristische Ausbildung im Einigungsvertrag schließlich verweigert wurde.241 238 Vgl. noch Benjamin, Die Entwicklung des sozialistischen Rechts, in: NJ 1962, S. 759 (761). 239 Ranke/Jahn, Der V. Parteitag und einige Aufgaben der Justizorgane, in: NJ 1958, S. 517 (519). 240 Gerber, Diplomjuristen an der Hochschule des MfS, S. 32. 241 Gerber, Diplomjuristen an der Hochschule des MfS, S. 39, 1. Die Hochschule in Potsdam wurde aufgrund des SMAD-Befehls Nr. 45 vom 19. März 1948 gegründet (abgedruckt in: Handel/Köhler, Dokumente, S. 44). Von Anfang an war ihre Tätigkeit
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a) Die Volksrichterausbildung Der akute Mangel an Richtern stellte in den ersten Jahren der DDR die Volksrichterausbildung in den Vordergrund der juristischen Ausbildung, ihrer Reformen und Reformdebatten.242 aa) Rechtsgrundlagen und Entwicklung Unmittelbar nach dem Kriegsende begannen die Überlegungen, wie die durch eine Entnazifizierung bedingten personellen Engpässe zu schließen wären. Zuständig für die Beantwortung dieser Frage war die der SMAD unterstellte Deutsche Zentralverwaltung für Justiz.243 Unter den mit der Ausarbeitung der ersten Ausbildungspläne befassten Vertretern der Justizbehörden waren neben den später hochrangigen SED-Funktionären Hilde Benjamin und Ernst Melsheimer auch Politiker der SPD und LDPD.244 Die gesamte rechtliche Ausgestaltung erfolgte durch Rundverfügungen an die Justizministerien der Länder. Nur in wenigen Fällen wurden die Ausbildungspläne und -voraussetzungen ganz oder auszugsweise in der Fach- und Tagespresse veröffentlicht. (1) Sechs- und Achtmonatslehrgänge 1945/46 Begründet wurde die neue Ausbildung durch unveröffentlichte Anweisung der SMAD vom 17. Dezember 1945.245 In juristischen Kursen sollten ab dem 1. Februar 1946 jeweils bis zu 40 „aktive Antifaschisten“ im Alter von mindestens 25 Jahren, ohne juristische Vorkenntnisse,246 mindestens aber mit Volksschulausbildung innerhalb von sechs Monaten247 zu Volksrichtern ausgebildet werden. Die Zulassungsvoraussetzungen wurden, wenn auch nicht öffentlich einsehbar, in den Ausführungsbestimmungen weitergehend bestimmt: Die Auswahl der Lehrlinge ergab sich aus Vorschlägen der wenigen zugelassenen Parteien.248 Gezielt wurde nach geeigneten Arbeitern und Frauen gesucht, Bewerber mit Abitur hingegen abgewiesen.249 hiernach auf die Ausbildung „pädagogischer und wissenschaftlicher Kader“ ausgerichtet. 242 Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 74. 243 Wentker, Volksrichter, S. 15. 244 Wentker, Volksrichter, S. 15 f. Vgl. zuvor unter 3. b) bb). 245 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 97. SMAD-Befehl abgedruckt in: Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 147. 246 Hartwig, Die Ausbildung der Volksrichter, in: NJ 1947, S. 157 (158). Erst später wurde das Höchstalter auf 45 Jahre festgelegt. 247 Benjamin, Volksrichter in der Sowjetzone, in: NJ 1947, S. 13 (14). 248 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 97. 249 Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 12. Vgl. im Anhang bei Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 190.
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Der durch die DJV ausgearbeitete und durch die SMAD bewilligte, nicht zwingende250 Ausbildungslehrplan251 sah zunächst eine Zweiteilung der Ausbildung vor: An eine zweimonatige Grundlagenausbildung sollte eine viermonatige Ausbildung entweder zum Straf- oder Zivilrichter anknüpfen.252 Noch im Mai, während des laufenden ersten Lehrgangs253 wurde dieser Ansatz bereits zugunsten einer gemeinsamen Ausbildung aufgegeben,254 nachdem einzelne Länder bereits davon abgewichen waren und überhaupt keine oder aber eine kürzere Zeit zur Spezialisierung in ihren Lehrplänen vorgesehen hatten.255 Somit waren sämtliche ursprünglich in den Landesverwaltungen und der DJV ausgearbeiteten Lehrpläne hinfällig. Durch die Verdopplung der Stoffmenge im zweiten Teil der Ausbildung drängte auch die Zeit. Bereits im März hatte sich Walter Ulbricht mit der Bitte um eine Verlängerung der Unterrichtsdauer an die SMAD gewandt256 und schon im April begann Schiffer, mit den involvierten Lokalverwaltungsstellen Voraussetzungen für eine solche Verlängerung zu besprechen.257 Daraufhin verlängerte die SMAD die Dauer des ersten Lehrgangs im Mai erst auf sieben Monate,258 bevor die Ausbildungszeit mit Geltung für den zweiten Lehrgang schließlich auf acht Monate festgesetzt wurde. Der Lehrplan für die gemeinsame Ausbildung hatte für die theoretische Ausbildung eine Dauer von insgesamt 769 Stunden angesetzt.259 Die Grundlagenausbildung enthielt vor allem die Grundbegriffe des Staatsrechts, der Dialektik von
250 Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 41. Der grundlegende Aufbau war aber zu berücksichtigen, vgl. Wende, Der erste Richterlehrgang, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 135 (137, 142). 251 Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 155; vgl. den Entwurf dazu bei Benjamin, Stellungnahme „Zur Frage des Volksrichters“, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 105 (111). 252 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 100. Plan abgedruckt in: Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 155 f. 253 Die folgenden Angaben zur jeweiligen Zahl des Lehrgangs beziehen sich auf die Situation in Sachsen. Einerseits, weil sich die ausführliche Arbeit von Pfannkuch, Volksrichterausbildung, passim, hierauf konzentriert, andererseits, weil Sachsen bei der Volksrichterausbildung eine Vorreiterrolle einnahm. Andere Länder veranstalteten weniger Lehrgänge, vgl. Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 121. 254 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 100; Wende, Der erste Richterlehrgang, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 135 (143). M. w. N. auch Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 21. 255 Schreiben Ulbrichts an Chef der Justizabteilung der SMAD vom 9.3.1946, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 124. 256 Vgl. Ulbricht, ebd. 257 Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 22. 258 Benjamin, Volksrichter, S. 169; Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 23. 259 Vgl. Aktennotiz der DJV v. 31.7.46, abgedruckt in: Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 157. Um die Ausbildung zeitnah abschließen zu können, wurde den Ländern die Entscheidung über eine Herabsetzung der Vorlesungszeit überlassen, vgl. Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 22 f.
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„Gesellschaft, Wirtschaft und Recht“ 260, aber auch des Allgemeinen Teils des BGB und des Strafrechts sowie – auch für künftige Strafrichter – Grundzüge des Arbeitsrechts. Die Spezialisierung dagegen sollte vorrangig auf die fachjuristische Ausbildung im jeweiligen Spezialisierungsbereich ausgerichtet sein: auf das Zivilrecht oder das Strafrecht, einschließlich kriminologischer Grundlagen. Der im August 1946 festgelegte Lehrplan261 für den direkt an den Ersten anschließenden zweiten Lehrgang berücksichtigte von vornherein die auch mit der Verlängerung auf acht Monate nicht vollständig aufgelösten zeitlichen Engpässe und senkte die Gesamtstundenzahl auf 570. Kürzungen betrafen fast ausschließlich das Zivilrecht und das Zivilprozessrecht: Die ursprünglich umfangreichsten Vorlesungen wurden um mehr als ein Drittel der Zeit reduziert. Hinzu kam allerdings eine zweiwöchige Einführungszeit, in der die Teilnehmer mit den Anforderungen des Richterberufs und der Rechtspflege vertraut gemacht wurden.262 Ebenfalls für diese Zeit war eine Vorlesung zu „Gesellschaft, Wirtschaft und Staatslehre“ eingeplant, die als Verbindung dieser Themen ein Vorbote der später für die sozialistische Ausbildung charakteristischen gesellschaftswissenschaftlichen Ausrichtung war.263 Neben den Vorlesungen, deren Lehrpläne sich grob an universitären Vorlesungsverzeichnissen orientierten,264 wurden Übungen zur Wiederholungen des Stoffs angeboten. Eine entschiedene Neuerung waren an Samstagen stattfindende Zusatzveranstaltungen über Wirtschaft und Politik sowie die Verbindung von Theorie und Praxis.265 Der Unterricht fand an durch die Länder und Provinzen eigens dafür eingerichteten Schulen statt.266 Nähere Vorgaben für die Unterrichtsmethode gab es noch nicht.267 Die Richterschulen folgten aber in Bezug auf den groben Tagesablauf dem Modell der Richterschule im sächsischen Bad Schandau, wo auf morgendliche Vorlesungen am Nachmittag seminarartige Fallbearbeitungen unter Anleitung von Praktikern folgten.268 Die Durchführung des Rechtsunterrichts übernahmen neben Praktikern – Richtern, Staatsanwälten und Rechtsanwälten –
260 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 100. Plan abgedruckt in: Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 155 f. 261 Abgedruckt in: Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 157. 262 Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 40. 263 Vgl. Benjamin, Zur Heranbildung des neuen Richters, in: NJ 1949, S. 129 (132). 264 Hartwig, Die Ausbildung der Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 162 (171). 265 Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 40. 266 Benjamin, Volksrichter in der Sowjetzone, in: NJ 1947, S. 13 (14); Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 98. 267 Wende, Der erste Richterlehrgang, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 135 (137). 268 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 102.
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selten auch Professoren.269 Es fehlte aber an sozialistisch eingestelltem Lehrpersonal270 und auch die sozialistischen Lehrer waren nicht hinreichend für eine auf den dialektischen Marxismus abgestimmte Lehre geschult.271 Zwar gehörten im ersten Lehrgang bereits einige Dozenten der SED an;272 nicht wenige Lehrkräfte vertraten aber liberale Rechtsauffassungen oder einen gänzlich unpolitischen Stil, der – bei hinreichender didaktischer Befähigung – vorerst geduldet wurde.273 Den Schulen standen überdies kaum Materialien zu Verfügung;274 erst recht keine, in denen das geltende Recht nach marxistisch-leninistischer Anschauung neu aufbereitet worden wäre. Um den Mangel an Materialien zu lindern, wurde auf alte Lehrbücher zurückgegriffen, die eine bürgerliche Rechtsauffassung vertraten. Ein marxistisch-leninistischer Gegenpol wurde durch den Einsatz von Klassikern wie die „Kritik des Gothaer Programms“ von Karl Marx geschaffen.275 Zum weiten Einsatz von Broschüren und anderen Veröffentlichungen der SED dagegen kam es auch aufgrund einer vehementen Ablehnung durch einige Justizminister der Länder nicht.276 Der in den Lehrplänen fehlende praktische Bezug war ein klares Defizit in einer Ausbildung, die gerade zum schnell nahenden praktischen Einsatz befähigen sollte. Für die Dauer des ersten Lehrgangs waren allerdings keine Vorgaben für die praktische Ausbildung gemacht worden. Stattdessen hatte die DJV den örtlichen Justizverwaltungsstellen nahegelegt, selbst Einblicke in die Praxis anzubieten.277 Der Lehrgang endete mit einer Prüfung, die anfangs aus jeweils einem zivilrechtlichen und einem strafrechtlichen Fall bestand. In einer mündlichen Prüfung wurden auch tiefere Kenntnisse des Marxismus erwartet, vor allem in der Abgrenzung zum Nationalsozialismus.278 Die Prüfung wurde von einem Vertreter der jeweiligen Landesverwaltung und der Justiz sowie dem Lehrgangsleiter durchgeführt. Die DJV konnte bei Bedarf ebenfalls einen Vertreter entsenden.279 269 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 99; Hartwig, Die Ausbildung der Volksrichter, in: NJ 1947, S. 157 (158). 270 Wentker, Volksrichter S. 33. 271 Vgl. Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 99 f. 272 Im sächsischen Bad Schandau waren es 6 von 13, vgl. Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 31. 273 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 99. 274 Wende, Der erste Richterlehrgang, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 135 (136); Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, 105; Wentker, Volksrichter, S. 32. 275 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 103. 276 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 103. 277 Wende, Der erste Richterlehrgang, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 135 (143 f.). 278 Hartwig, Ausgestaltung der Lehrgänge für Richter und StA, in: NJ 1949, S. 13 (14). 279 Wentker, Volksrichter, S. 36, m.w. N.
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Ein Bestehen der Prüfung und die Erteilung der Befähigung zum Richteramt bedeutete allerdings nicht etwa einen Ausbildungsabschluss:280 Auf die Ausbildung folgte ein Weiterbildungssystem, dem alle Juristen verpflichtet waren. Dennoch bedeutete das erfolgreiche Ablegen der Prüfung den direkten Einsatz in der Praxis als Richter und Staatsanwälte, wenn auch zunächst eine dreimonatige, beaufsichtigten Vorbereitungszeit zu absolvieren war, in der erstmals das Abfassen von Urteilen erlernt wurde.281 (2) Einjahreslehrgänge ab 1947 Mit dem SMAD-Befehl Nr. 193 vom 6. August 1947282 übernahm die SMAD erneut die Initiative bei der Ausgestaltung der Volksrichterausbildung. Während durch die Gleichstellung der Volksrichter mit den Volljuristen283 die Rechtsstellung der Volksrichter im Allgemeinen geregelt wurde, betraf der umfassendere Teil des Befehls die Erweiterung der Volksrichterausbildung. Die Teilnehmerzahl wurde auf 350 erhöht, die Dauer der Rechtslehrgänge auf ein Jahr. Zudem wurde erneut bekräftigt, dass „nur solche Personen Aufnahme finden können, die nach ihren moralischen und politischen Eigenschaften fähig sind, eine demokratische Rechtsprechung zu verwirklichen“. Frühere Angehörige nationalsozialistischer Organisationen waren ausdrücklich weiterhin von der Teilnahme auszuschließen. Durch Rundverfügung der DJV an die Landes- und Justizministerien vom 8. September 1947284 trat ein neuer Lehrplan in Kraft. Er galt ab dem dritten Lehrgang, der in den Ländern teils bereits im August begonnen hatte.285 Veränderungen setzten entsprechend den Anforderungen der SMAD bereits bei der Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an. Begünstigt wurde die Auslese durch eine erhöhte Vorbereitungszeit der dafür zuständigen Parteien.286 Vor allem die SED verfeinerte ihre Methoden: Neben einer 15-minütigen Überprüfung der sprachlichen und orthografischen Fähigkeiten wurde der Bewerber einer politischen Prüfung unterzogen.287 Die Vorgeschlagenen wurden anschließend einer allgemeinen schriftlichen und mündlichen Aufnahmeprüfung unterzogen, in
280 Benjamin, Volksrichter, S. 174, Hartwig, Die Ausbildung der Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwäte, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 168. 281 Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 37 f. 282 ZVOBl. 1947, S. 165. Ebenfalls abgedruckt in: Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 151. 283 Vgl. oben, 3. b) bb). 284 RV vom 8.9.1947, BAP, DP1 VA Nr. 6527, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 190 f. Dazu auch Hartwig, Die Ausbildung der Volksrichter, in: NJ 1947, S. 157 ff. 285 Vgl. den Bericht Schiffers über den Beginn des 3. Volksrichterlehrgangs, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 153 (154 ff.). 286 Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 59. 287 Benjamin, Volksrichter, S. 171; Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 62.
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der sie entweder einen „Sachverhalt klar und verständlich wiederzugeben“ oder „sich zu aktuellen Tagesfragen mit Verständnis zu äußern“ hatten. Letztlich stellten SED-Mitglieder erneut den größten Teilnehmeranteil; die Vorschläge der Liberalen wurden bisweilen weit überwiegend durch die sächsische Landesregierung zurückgewiesen.288 Der Lehrplan, von dem nun nicht mehr abgewichen werden konnte,289 wurde feiner aufgegliedert und durch einige Vorlesungen ergänzt; der Gesamtumfang der Veranstaltungen wurde nahezu verdoppelt. Zu Beginn des Lehrgangs stand neben einer neuen Vorlesung zur „Einführung in die Rechtswissenschaft“ die „Rechtsoziologie“, die in den ersten zwei Wochen gelehrt werden sollte. Neue Inhalte boten die Vorlesung zur deutschen Rechtsgeschichte, dem Gesetzgebungsrecht der Okkupationsmächte, dem Wirtschaftsstrafrecht und die Erweiterung des Zivilrechts durch die Bodenreform. Die in den bekannten Vorlesungen behandelten Inhalte sollten unverändert bleiben. Die meiste der zusätzlich zur Verfügung stehenden Zeit wurde dem Zivilrecht und dem Strafrecht, einschließlich des jeweiligen Prozessrechts zugewiesen. Konkrete Themen sollten nicht durch die Erhöhung des Stundenpensums gefördert werden. Vielmehr wurde den Lehrern die Möglichkeit gegeben, auf individuelle Bedürfnisse der Kurse Rücksicht zu nehmen und das Angebot an Übungen erweitert, in denen unter Leitung von Richtern und Staatsanwälten etwa Beschlüsse, Urteile, Anklagen und Verfügungen anzufertigen waren.290 Als praktische Vorbildung kam aber das verpflichtende Vorpraktikum hinzu, das die Teilnehmer als „Richteranwärter“ an die Gerichte führte, wo sie Einblicke in die richterliche Arbeit erhielten.291 Auch die äußere Gestalt der Lehrgänge änderte sich. Die Richterschulen wurden vermehrt zu Internaten umstrukturiert, die entweder als „Vollinternate“ oder „Tagesinternate“ unter der Leitung eines hauptamtlichen Lehrers fungierten. Dieser Lehrer war als Lehrgangsleiter für die „organisatorische und pädagogische Betreuung der Schüler“ wie auch der Absolventen zuständig.292 Die eigentlichen Lehrgänge standen aber weiterhin vor dem Problem der Materialknappheit. In fachjuristischen Belangen sollten Unterrichtsbriefe den Mangel an Büchern lindern.293 Diese enthielten insbesondere Falllösungen zu praktisch relevanten Problemen.294 In der Gesellschaftskunde 288
Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 63. Insbesondere, weil die Länder nicht genug Zeit hatten, einen eigenen Plan auszuarbeiten, vgl. Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 58. 290 Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 58. 291 Benjamin, Volksrichter, S. 170. Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 107. 292 Benjamin, Volksrichter, S. 169 f. 293 Hartwig, Ausgestaltung der Lehrgänge für Richter und StA, in: NJ 1949, S. 13 (14). 294 Benjamin, Volksrichter, S. 175. 289
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stellte die DJV von Anfang an einheitliches Schulungsmaterial zur Verfügung.295 Zur Wiederholung des Stoffes begannen die Schüler, sich in freiwilligen Arbeitsgemeinschaften zusammenzuschließen. (a) Gesellschaftskunde und die Demokratisierung der Volksrichter Ein Meilenstein der Volksrichterausbildung war eine am 31. Januar 1949 erlassene Rundverfügung der DJV an die Landesregierungen und Justizministerien.296 Sie setzte Forderungen um, die zuvor von der 1. Tagung des Parteivorstandes der SED im Januar 1948 über die erste Juristenkonferenz der DJV am 11. und 12. Juni bis zur zweiten, auf Anordnung der SMAD veranstalteten297 Juristenkonferenz vom 25. und 26. November 1948 erarbeitet und konkretisiert wurden. Auf der ersten Juristenkonferenz waren weitere Bemühungen bei der Demokratisierung der Justiz gefordert worden: Konkret sollte in erster Linie die wirtschaftliche und politische Bildung der Richter und Staatsanwälte erhöht, das Fortbildungswesen und zuletzt die Auswahl der Lehrkräfte wie auch der Teilnehmer der Richterlehrgänge verbessert werden.298 Dem folgte der Beschluss der zweiten Konferenz. Er legte fest, dass die Gesellschaftswissenschaften einen herausragenden Anteil im neuen Lehrplan einzunehmen hatten.299 Der erneuerte Lehrplan, der etwa in Sachsen ab dem fünften Lehrgang galt,300 erhöhte die Stundenzahl der Gesellschaftskunde von den 24, die bislang der Rechtssoziologie zugewiesen waren, auf 153. Die Themen, die durch das Lehrprogramm Gesellschaftskunde301 vorgegeben waren, behandelten gesellschaftliche Fragen in chronologischer Reihenfolge. Vorangestellt wurde eine soziologische Einführung: „Gesetzmäßigkeit der gesellschaftlichen Entwicklung und die Bedeutung des Rechts“. Anschließend begann man bei der „Urgesellschaft“, dem „Sklavenstaat“ und der „Feudalgesellschaft“ und gelangte über die Entwicklung des bürgerlichen Staates zum längsten Themenabschnitt über den „Wissenschaftliche(n) Sozialismus“, die „marxistische Staatslehre“, politische Ökonomie
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Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 104. RV vom 31.1.1949, BAP, DP1 VA Nr. 7844, Bl. 306–308, 317, abdruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 192–196. 297 Wentker, Volksrichter, S. 49. 298 RV der DJV zur ersten Juristentagung am 11./12.7. vom 20.9.1948, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 224 ff. Vgl. auch Fechner, Aufgaben der weiteren Demokratisierung, in: NJ 1948, S. 121 (124); Max Fechner – Minister der Justiz, in: NJ 1950, S. 476. 299 Die zweite Juristenkonferenz der Deutschen Justizverwaltung, Bericht, in: NJ 1948, S. 265 (266 f.). 300 Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 92. 301 RV vom 31.1.1949, BAP, DP1 VA Nr. 7844, Bl. 306–308, 317, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 192 (196). 296
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und Imperialismus. Im weiteren Verlauf ging man von der Entwicklung der Sowjetunion über die Novemberrevolution 1918 und den Faschismus über zu „Problemen der ökonomischen und politischen Einheit Deutschlands“ und den aktuellen Zweijahresplan für die SBZ von 1949/1950. Die weiteren Veranstaltungen wurden feiner aufgegliedert und teils gestrafft, wobei ein Großteil der Ausbildung weiterhin im Strafrecht, im Schuldrecht und dem jeweiligen Prozessrecht stattfand. Zu den Neuerungen gehörten etwa eine Einheit zur „Einführung in die Technik der geistigen Arbeit“ für Bewerber, die an eine „rein geistige Arbeit nicht gewöhnt waren“, eine Zusammenfassung des öffentlichen Rechts zum „Staats-, Verfassungs- und Verwaltungsrecht“, vor allem aber eine Verselbstständigung des Bodenrechts gegenüber dem Sachenrecht, eine Ausgliederung einer Vorlesung über „Wirtschaftsplanung und volkseigene Betriebe“ aus dem Handelsrecht. In der fachjuristischen Ausbildung wurden nun sozialistische Prioritäten gesetzt. In den letzten acht Wochen der Ausbildung sollte schließlich weniger weltanschauliche Bildung erfolgen, um die Vorbereitung auf die fachliche Prüfung zu erleichtern, die in eigens dafür eingerichteten Repetitorien stattfand.302 An der Durchführung der Lehrgänge selbst änderte sich nur wenig. Im wöchentlichen Rhythmus wechselten sich die Vorlesungen nun mit Seminaren und einem verpflichtenden Selbststudium ab. Zusätzlich zu diesen Veranstaltungen waren neben „schriftliche[n] Arbeiten, Teilnahmen an Gerichtssitzungen“ auch „Vorträge von Politikern oder für die Besichtigung von Betrieben oder Strafvollstreckungseinrichtungen“ angesetzt.303 Die Vorträge, die von SED-Funktionären und Justizverwaltungsmitarbeitern gehalten wurden, fanden regelmäßig innerhalb von Abendseminaren statt.304 (b) Die Neuausrichtung der juristischen Fachausbildung Ergänzt wurden diese Neuerungen bereits am 23. Februar 1949 durch neuerliche Rundverfügung der DJV.305 Sie enthielt maßgeblich die Anordnung, das marxistische Rechtsverständnis auch in den althergebrachten Rechtsbegriffen zur Geltung zu bringen. Zu den aufgeführten Grundbegriffen, die nun neu auszulegen waren, gehörten der von „Treu und Glauben“ in § 242 BGB und der der „guten Sitten“ nach § 826 BGB. „Ebenso [. . .] einer eingehenden Kritik zu unterziehen“ war das Handelsrecht. Hier sollte umso kritischer das Beruhen gerade der gesellschaftsrechtlichen Regelungen auf „privatkapitalistischen Anschauungen“ aufgezeigt werden – drastischer noch, dass es gerade durch diese „Vor302 303 304 305
RV der DJV v. 31.1.49, a. a. O., S. 193 f. RV der DJV v. 31.1.49, a. a. O., S. 193. Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 104. RV der DJV v. 23.2.1949, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 197 ff.
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schriften den beherrschenden verderblichen Einfluß der Kapitalanhäufung in wenigen Händen (Kartelle, Konzerne, Truste) und den wirtschaftlichen Imperialismus“ ermöglicht hatte.306 Kontrastierend war dem die positive Bedeutung des Gesellschaftsrechts für die Entwicklung der Genossenschaften in der sowjetischen Besatzungszone gegenüberzustellen.307 In aller Deutlichkeit setzte die Justizverwaltung eine Fähigkeit zur Vermittlung dieser Wertung als notwendige Bedingung für eine Lehrtätigkeit in der Volksrichterausbildung voraus. Lehrkräften, die „der Aufgabe nicht gewachsen“ seien, wurde „ihre Ersetzung durch geeignetere Kräfte“ in Aussicht gestellt.308 Die sozialistische Weltanschauung erhielt Einzug in die Fachausbildung der künftigen Volksrichter. (3) Zweijahreslehrgänge ab 1950 Ihre endgültige Form enthielt die Volksrichterausbildung in einem letzten Akt der Zentralisierung und Erweiterung in der Mitte des Jahres 1950. Zwar bestanden einige ländereigene Einjahreslehrgänge fort;309 die Regel der Ausbildung sollte von da an die Absolvierung eines Zweijahreslehrgangs an der „Zentralen Richterschule“ sein, die an der Deutschen Hochschule der Justiz in Potsdam eingerichtet wurde.310 Die Altersgrenze für Bewerber wurde auf 23 gesenkt.311 Im Übrigen gestaltete sich der Aufnahmeprozess wie zuvor. Eine Vorauswahl der Bewerber wurde durch Parteien und Massenorganisationen getroffen.312 Die Zuständigkeit für die Letztentscheidung über die Aufnahme in die Richterausbildung wurde nach der Staatsgründung neu festgelegt. Die Überprüfung der Kandidaten auf Seiten der Justizverwaltung übernahm die Kaderabteilung des neu gegründeten Justizministeriums der DDR,313 für das Hilde Benjamin zuständig war.314 Von 209 Teilnehmerinnen und Teilnehmern waren im ersten zweijährigen Lehrgang schon 24 % weiblich, 61 % hatten Volksschulabschlüsse, 63 % entstammten Arbeiterfamilien und 83 % gehörten der SED an; nur noch 3 % waren parteilos.315
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RV der DJV v. 23.2.1949, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 197 (198). RV der DJV v. 23.2.1949, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 197 (199). 308 RV der DJV v. 23.2.1949, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 197 (199). 309 In Sachsen endete der siebte und letzte ländereigene Lehrgang im März 1951, Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 126. 310 Vgl. Scheele, Zur Eröffnung der Zentralen Richterschule, in: NJ 1950, S. 183. 311 Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 131. 312 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege II, S. 85. 313 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege II, S. 84. 314 Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 128, Fn. 726. 315 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege II, S. 85. 307
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Auch der neue Lehrplan316 fiel in den Aufgabenbereich des Justizministeriums und wurde in Zusammenarbeit mit dem Innenministerium, dem Ministerium für Volksbildung und den ihnen unterstehenden Universitäten sowie der Verwaltungsakademie in Forst Zinna ausgearbeitet.317 Der Gesamtumfang der Ausbildung umfasste nun etwa 4000 Stunden und wurde in einen „Allgemeinen“ und einen „Besonderen Teil“ aufgeteilt, auf den ein letzter, fachjuristischer Teil mit dem Titel „Das geltende Recht“ folgte. Auf die ersten zwei Abschnitte entfiel etwa ein Drittel, auf den letzten Teil zwei Drittel der Ausbildungszeit. Der neue Allgemeine Teil, der ein Grundlagenstudium enthielt, war weitgehend deckungsgleich mit der früheren Gesellschaftskunde: Ausgebildet wurden die Volksrichteranwärter in der politischen Ökonomie, der Philosophie und – etwas weniger als zuvor – der Geschichte.318 In den Besonderen Teil gehörten insbesondere die Themenbereiche „Staat, Verfassung und Verwaltung der DDR“ und „Wirtschaftspolitik“, die den einzelnen Themen nach offensichtlich weltanschaulich-politisch ausgerichtet waren.319 Im letzten Teil ging es nicht mehr um offenkundig politische Bildung, sondern augenscheinlich um „Das geltende Recht“, das neben einer Veranstaltung zur „Entwicklung der Gesetzgebung und der Rechtsprechung während des Lehrganges“ erneut den Besuch eines Repetitoriums vorsah.320 Für die Besetzung des Lehrkörpers sah man hauptsächlich zwei verschiedene Personengruppen vor: Auf der eine Seite die bewährten Lehrer früherer Lehrgänge, auf der anderen Seite Universitätsabsolventen, vorausgesetzt, sie hatten Lehrgänge der Deutschen Verwaltungsakademie besucht.321 Das Lehrpersonal stellte kein wesentliches Problem mehr dar und auch mit der Knappheit an Materialien hatte man sich arrangiert: Auf die „bürgerlichen“ Lehrbücher wurde voll316 Studienplan für die Zweijahreslehrgänge der Zentralen Richterschule vom 1.6. 1950, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 199 ff. 317 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege II, S. 86. 318 Vergleich von Helm, Stand und künftige Entwicklung, in: NJ 1951, S. 308 (309). Die Geschichte wurde aber gleich zwei Mal berücksichtigt: Einmal zu Beginn als Theorie und Geschichte der Gesellschaft, des Staates und des Rechts, einmal später als Überblick über die Geschichte. Themen waren etwa: „Entstehung und Wesen der Klassen“, „[. . .] des Staates“ und „[. . .] der Nation“, „Der bürgerliche Staat im Zeitalter des Imperialismus, Faschismus und Neofaschismus“, „politische Ökonomie“, „politische Ökonomie des Sozialismus“ und, im Rahmen der „Philosophie“, „[d]er dialektische Materialismus“ (zum Begriff des historischen und dialektischen Materialismus vgl. kurz in diesem Kapitel in Fn. 46); Angaben jeweils aus dem Studienplan v. 1.6.1950, a. a. O., S. 199 ff. 319 Themen in diesem Bereichen waren: „Die demokratische Gesetzlichkeit [. . .]“, „Volkseigentum“, „Der Zweijahresplan [. . .]“, „Die Rolle der Privatindustrie“. 320 Im Übrigen wurden die Veranstaltungen der Fachausbildung nur weiter untergliedert; das Zivilprozessrecht etwa zu „Zivilprozeßrecht I“, „Urteilslehre“, „Zivilprozeßrecht II“. 321 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege II, S. 86.
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ständig verzichtet, und damit auf Lehrbücher im Allgemeinen. Ersetzt wurden sie durch Leitfäden der Schulungsabteilung des Justizministeriums, die einer Prüfung durch eine Kommission bestehend aus Vertretern des Justizministeriums, dem Obersten Gericht und der Generalstaatsanwalt unterzogen wurden.322 Die höchsten politischen Stellen der Justiz entschieden gemeinsam über die fachjuristischen Ausbildungsinhalte. Für die politisch-ideologische Erziehung wurde vermehrt die Parteiorganisation bemüht. So erhielt auch die Freie Deutsche Jugend, die FDJ, Einzug in die Volksrichterausbildung und kämpfte neben der SED für die Etablierung eines marxistisch-leninistischen Denkens. (4) Ende und Nachwirkung der Volksrichterausbildung Bereits in den frühen fünfziger Jahren erklärten einige die Demokratisierung für erreicht, die Mängel in der Richterschaft für beseitigt.323 Am 2. Mai 1952 wurde die Zentrale Richterschule zur Deutschen Hochschule der Justiz umgewandelt; Anfang 1953 schließlich mit der Deutschen Verwaltungsakademie „Walter Ulbricht“ zur Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“ zusammengeführt.324 1953 wurde die Lehrgangsdauer zunächst auf drei, 1955 auf vier Jahre erhöht.325 Mit ihren korrespondierenden Lehrplänen war die Volksrichterausbildung gänzlich in einer akademischen Ausbildung aufgegangen. Zudem wurde die nachträgliche Akademisierung der Volksrichter und Staatsanwälte vorangetrieben. Auf Beschluss des Justizministeriums sollten sie bis 1960 die Möglichkeit zur Ablegung des juristischen Staatsexamens wahrnehmen.326 Ergriff zunächst nur eine Handvoll Volksrichter diese Gelegenheit, schlossen bis 1960 insgesamt 80 Prozent der Richter und Staatsanwälte, die eine Volksrichterausbildung durchlaufen hatten, auch das juristische Studium ab.327 bb) Reformdebatten und Erwägungen: Zur Bedeutung der Volksrichterausbildung für den Aufbau des Sozialismus Das Vorbild des Volksrichters entstammte der Sowjetunion: Dort bedurften Richter ab 1938 keines besonderen Bildungsgrades mehr. Die juristische Vorbil-
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Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege II, S. 87. Helm, Stand und künftige Entwicklung der Richterschulen, in: NJ 1951, S. 308. 324 Schibor, Zum Abschluß des ersten Zweijahr-Lehrgangs, in: NJ 1952, S. 270; Grube, Das juristische Studium, in: NJ 1953, S. 65 (68). 325 Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 29. 326 Benjamin/Melsheimer, Zehn Jahre demokratischer Justiz, in: NJ 1955, S. 259 (261). Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege II, S. 160; Tölg, Zu neuen Erfolgen, in: NJ 1954, S. 395. 327 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege II, S. 92. 323
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dung wurde stattdessen durch kurze Rechtslehrgänge vermittelt.328 Das bedeutet aber nicht, dass die Volksrichterausbildung der DDR überwiegend durch die SMAD gestaltet worden wäre. Über die Rahmenbedingungen hinaus hatte die SMAD der Justizverwaltung freie Hand gelassen. Daher sind in der DJV angestellte Erwägungen gerade nicht mit dem Willen der Besatzungsmacht gleichzusetzen, auch wenn sie an ihn anknüpften und ohne ihn nicht umsetzbar gewesen wären. Die verschriftlichten Erwägungen von staatlicher Seite finden sich überwiegend in den Bekanntmachungen und Berichten der DJV, vor allem seitens Hilde Benjamin, sowie im internen Schriftverkehr.329 Ein öffentlicher Diskurs fand dagegen kaum statt.330 Besprochen wurden Reformen der Volksrichterausbildung aber auf Juristenkonferenzen – und nicht zufälligerweise fielen die zwei für die Entwicklung der Volksrichterausbildung relevantesten Juristenkonferenzen in das Jahr 1948. Zwar bildeten Benjamin und Melsheimer in der Justizverwaltung schon früh ein sozialistisches Gegengewicht zum liberalen Eugen Schiffer;331 frühe vereinzelte Vorstöße der SED hin zu einer stärker am Marxismus-Leninismus orientierten Ausgestaltung der Ausbildung ließen sich allerdings nicht umsetzen.332 Eine personelle Änderung erweiterte den Handlungsspielraum der SED schlagartig: Schiffer wurde durch den Leiter des Zentralsekretariats der SED, Max Fechner, abgelöst.333 Die Gestaltung der Lehrgänge erforderte von da an keine politischen Kompromisse mehr. Sämtliche Inhalte standen nun unter ideologischen Vorzeichen und die SED erhielt eine unbegrenzte Freiheit in Fragen der Ausgestaltung der Volksrichterausbildung und vor allem ihrer ideologischen Inhalte. (1) Zielvorstellungen Die Vorschriften zur Volksrichterausbildung hatten auf jegliche Zielvorstellungen in Form von Präambeln verzichtet. Das lag wohl nicht zuletzt an der rechtlichen Ausgestaltung in Form von Rundverfügungen und dem entsprechenden Fehlen einer zusammenhängenden Rechtsgrundlage, der man eine Erklärung typischerweise vorangestellt hätte. Selbstverständlich war aber schon bald nach der Einführung der Volksrichterausbildung klar, dass sie einer der Dreh- und Angelpunkte für die „Demokratisierung der Justiz“ war. Hauptanliegen der Volksrich328
Wentker, Volksrichter, S. 12 f. Zahlreiche Dokumente abgedruckt in: Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 155 ff.; Wentker, Volksrichter, S. 95 ff. 330 Anregungen erhielt die DJZ durch Einbezug einzelner Lehrgangsleiter, vgl. Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 57 f. 331 Hattenhauer, Über Volksrichterkarrieren, S. 2. 332 Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 59. 333 Amos, Justizverwaltung in der SBZ/DDR, S. 66; Melsheimer, Der scheidende Chef der Deutschen Justizverwaltung, in: NJ 1948, S. 141 f. 329
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terausbildung war die „Befähigung zum Richteramt“, und zwar in Gestalt des „demokratischen“ Richters. (2) Zulassungsvoraussetzungen: Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer Die soziale Zusammensetzung der künftigen Teilnehmer war von zentraler Bedeutung für die sozialistische Rechtspflege. In den Entwurf einer Verfassung für die DDR vom 17. November 1946 wurde der Volksrichter – im weiteren Sinne – aufgenommen: „Die Republik trägt durch den Ausbau der juristischen Bildungsstätten dafür Sorge, daß Angehörigen aller Schichten des Volkes die Möglichkeit gegeben wird, die Fähigkeit zum Richteramt zu erlangen.“ 334 Selbst der liberale Eugen Schiffer erklärte bald, dies würde einer „Entfremdung von Volk und Recht“ entgegenwirken.335 Im Auftrag der SMAD suchte daher zunächst die DJV, später die Justizverwaltung der DDR, mithilfe der zugelassenen Parteien in erster Linie geeignete Arbeiter, die – so die Hoffnung – aus ideellen Gründen336 einen juristischen Beruf ergreifen wollten.337 Zu der neben Arbeitern am meisten umworbenen Gruppe gehörten die Frauen: Das lag einerseits am kriegsbedingten, deutlichen „Frauenüberschuss“, andererseits darin, dass die SED einen Gegenentwurf zum frauenfeindlichen Nationalsozialismus schaffen wollte.338 Entsprechend fand sich die Förderung der Frau innerhalb der Volksrichterausbildung auch im Programm der SED wieder.339 Problematisch für die Leitung der Lehrgänge gestaltete sich, dass Frauen, die als „Hausfrauen und Mütter“ gelebt hatten, geringe politische Erfahrung vorweisen konnten.340 Ein zentraler Anlass für die Bevorzugung der Arbeiterschaft gegenüber Angestellten oder dem Kleinbürgertum liegt auf der Hand: Der Einzug der Arbeiter in die Justiz war notwendige Voraussetzung für die Etablierung der „führenden Rolle der Arbeiterklasse“ im sozialistischen Staat.341 Zudem sprach die Justizverwaltung insbesondere den Arbeitern eine „hohe politisch-ideologische Reife“ 342 334
Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 93. Vgl. Schiffer, Die Konstanzer Juristentagung, in: NJ 1947, S. 116 (117); Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 93. 336 Vgl. die Enttäuschung über „von ihrem Beruf entfremdete Angestellte“ und „Bewerber, die in der Ausbildung bloß eine Berufswahl“ oder die „Chance eines sozialen Aufstiegs sahen“ bei Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 98. 337 Wentker, Volksrichter, S. 51 f. 338 Benjamin, Zur Frage des Volksrichters, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 105 (107). 339 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 92, Fn. 4. 340 Wentker, Volksrichter, S. 51. 341 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 105. 342 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 104. 335
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zu. Damit war keine etwaige wissenschaftliche Vorbildung in den Anschauungen des Marxismus-Leninismus gemeint, sondern eine Unzufriedenheit mit dem alten System, die die Arbeiter zugänglich für eine neue, revolutionäre und sozialistische Ideologie machte. Insofern erscheint es auch naheliegend, dass die SED erwartete, dass die Arbeiter dem System, das den sozialen Aufstieg und eine Einbindung in das Herrschaftssystem ermöglichte, in Dank verpflichtet bleiben würde.343 Mit Blick auf die Politisierung der Ausbildung lässt sich auch die politische Auswahl der Teilnehmer erklären. Das Mindestmaß der politischen Einstellung der Bewerber war die Überzeugung vom Antifaschismus in einem noch vergleichsweise weiten Sinne. Das sollte nicht nur überzeugte Nationalsozialisten von einem Eintritt in die Justiz abhalten. Vielmehr hoffte man, diese politische Grundhaltung würde die Teilnehmer der Lehrgänge und späteren Richter davor schützen, von liberalen Vorstellungen beeinflusst oder gar „von den alten Akademikerkreisen ,assimiliert‘“ zu werden.344 Die Auswahl der Bewerber führte aber schon bald darüber hinaus zu einem weit überwiegenden Anteil an SED-Anhängern; nur in seltensten Fällen waren die angehenden Volksrichter parteilos.345 Die Auslese der Teilnehmer, begonnen mit der Werbung ausschließlich durch die Parteien, verfeinert durch die Zulassungen durch die Justizverwaltung und im Wesentlichen schon vor Ablegung der Prüfung durch unnachgiebige politische Erziehung abgeschlossen, diente bestenfalls zur Sicherung der politischen Konformität der zukünftigen Richter, mindestens aber als Vorsichtsmaßnahme gegen allzu unpolitische, objektive Bewerber. Entsprechendes galt für die Altersgrenzen. Sie sollten nach oben hin sicherstellen, dass die Bewerber nicht zu sehr in der alten Ordnung verhaftet blieben, nach unten hin vermeiden, dass Bewerber ihre Lebenserfahrung ausschließlich im Nationalsozialismus oder gar im Krieg gesammelt hatten.346 Allenfalls im Detail bestand Uneinigkeit, wie hoch die Untergrenze zu setzen sei.347 Das Problem wurde freilich dadurch entschärft, dass durch den zunächst unbedingten Ausschluss von HJ-Mitgliedern348 ein entscheidender Teil bedenklich erscheinender Aspiranten herausgefiltert wurde. Erst 1950, als ein Großteil der Bewerber in einer Zeit aufgewachsen war, in der eine Pflicht zum HJ-Beitritt bestand, lockerte 343 Wentker, Volksrichter, S. 92 f. Allerdings nahmen die Arbeiter mit dem Berufswechsel auch wirtschaftliche Nachteile in Kauf: Regelmäßig verdienten sie besser als die Richter, vgl. zuvor Wentker, Volksrichter, S. 51. 344 Benjamin, Volksrichter, S. 175. 345 Vgl. für 1947: Schiffer, Bericht über den Beginn des 3. Volksrichter-Lehrgangs, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 153 (156 f.). Für 1950: Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege II, S. 85. 346 Benjamin, Aufzeichnung „Zur Frage des Volksrichters“, a. a. O., S. 107. 347 Benjamin, Aufzeichnung „Zur Frage des Volksrichters“, a. a. O., S. 107. 348 Vgl. Wentker, Volksrichter, S. 34.
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die Justizverwaltung die Vorschriften, um die Gefahr eines Nachwuchsmangels abzuwenden und ließ Ausnahmen zu.349 (3) Organisation und Aufbau der Ausbildung Die Organisation der Volksrichterausbildung wurde innerhalb kürzester Zeit zentralisiert und konzentriert. Damit setzte man einerseits den allgemeinen Grundsatz des „demokratischen Zentralismus“ um;350 andererseits hielt man ohnehin die Grenzen der Möglichkeiten in der landeseigenen Ausbildung für erreicht.351 Ebenso wie der Einsatz der Volksrichter durch die Länder352 entsprach ihre Ausbildung nicht hinreichend den Vorstellungen der zentralen Justizverwaltung. Das Zwischenziel eines breiten Einsatzes des Volksrichters musste daher durch eine einheitliche Ausbildung gefördert werden. Für die Konzentration der Ausbildung sorgte die Einrichtung von zentralen Richterschulen und die Gründung von Internaten. Letztere hatte unterschiedliche Ziele. Sie trug etwa dazu bei, die teils abgeschiedene Lage der Richterschulen auszugleichen und befreite die Lehrlinge von jeglichen Sorgen um ihre persönliche Lebensführung. Ganz besonders trug die örtliche Konzentration von Schülern und Lehrern aber zu einer „Intensivierung der Arbeit“ durch unmittelbare Nähe zu den benötigten Einrichtungen, einschließlich der knappen Bücher bei und gewährleistete einen „ständigen gegenseitigen Gedankenaustausch“.353 Zunächst war dies auch für die Tiefe der fachlichen Ausbildung von entscheidendem Vorteil.354 Später wurde den Schülern so die Möglichkeit genommen, sich den ideologischen Gehalten der Ausbildung zu entziehen. Bei der Gründung der Zentralen Richterschule wurde schließlich deutlich erklärt, dass ihr Zweck selbstverständlich auch die Ausbildung „fachlich hochqualifizierte[r] Juristen“ sei, die wirkliche Neuerung aber in der Entwicklung eines Erziehungsinstitutes liege.355 Die erste grundlegende Entscheidung über den Aufbau der Ausbildung war die Zweiteilung der zivil- und strafrechtlichen Ausbildung. Bei der Zweiteilung handelte es sich, wohl ausgehend von Erich Wende,356 um einen Versuch, in der 349
Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 131. Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege II, S. 86. 351 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege II, S. 85. 352 Benjamin, Bericht über Dienstreise nach Thüringen vom 24.1.1948, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 222. 353 Benjamin, Volksrichter, S. 169. 354 Wende, Der erste Richterlehrgang, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 135 (138 f.). 355 Scheele, Zur Eröffnung der Zentralen Richterschule, in: NJ 1950, S. 183 (185). 356 Vgl. Wentker, Volksrichter, S. 20 f. Anders Amos, die von einer Vorgabe der SMAD ausgeht (vgl. dies., Justizverwaltung in der SBZ/DDR, S. 163). Die sowjetischen Vorgaben waren allerdings weitaus weniger detailliert. 350
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Kürze der Zeit eine möglichst detaillierte Ausbildung durchzuführen. In der restlichen Justizverwaltung357, besonders bei der DJV und selbst bei Ulbricht traf dieses Konzept allerdings auf tiefen Unmut: Eine Teilausbildung drohte, „Schmalspurjuristen“ hervorzubringen, deren Anerkennung allgemein in Zweifel gezogen würde und die gleichzeitig Schwierigkeiten hätten, sich gegenüber den alten, vollausgebildeten Juristen zu behaupten.358 Aus Sicht der Verwaltung entschied also schon der Aufbau der Ausbildung über die spätere Durchsetzungskraft der Volksrichter in der Justiz und den Erfolg des „Volksrichters“ an sich. Dabei war noch nicht berücksichtigt worden, dass diese einseitige Ausbildung auch einen weiteren „Aufstieg [der Volksrichter] in leitende Funktionen“ erschweren könnte.359 Untergeordnet war die Frage auch von praktischer Relevanz: Da an manchen Gerichten keine sachliche Trennung zwischen Zivil- und Strafsachen stattfand, wären Volksrichter sonst schlicht ungeeignet für den Einsatz an solchen Gerichten gewesen.360 Im Übrigen hatte die fachliche Ausgestaltung geringere Priorität. Großer Wert wurde zwar auf die Erleichterung des Praxiseintritts gelegt, gerade in Form der Vorpraktika.361 Die juristisch-theoretische Arbeit wurde dagegen vergleichswese vernachlässigt. Zur dezidiert fachlichen Förderung und zur Vorbereitung auf die Prüfung dienten im Wesentlichen die Repetitorien. Das Angebot von Übungsklausuren wurde im Zuge der letzten großen Reform der Volksrichterausbildung gestrichen: Es mangelte schon an personellen Kapazitäten, um die Klausuren korrigieren zu lassen.362 Auch die Prüfungspraxis deutet auf eine geringe Wertschätzung für eine umfassende fachliche Ausbildung hin. Die SMAD und mit ihr die DJV beklagten gerade zu Beginn der Volksrichterausbildung häufige Abgänge und unangemessene Durchfallquoten.363 Nach der Intensivierung der Bemühungen in der Bewerberauswahl, der Verschiebung des Prüfungsschwerpunkt hin zur Gesellschaftskunde, aber nicht zuletzt mit der Ausweitung der ideologisch gefärbten Veranstaltungen, verschwand das Problem kurzerhand. Für Prüfungsmisserfolge wurde pauschal eine negative Stimmung der ausbildenden alten Elite verantwortlich gemacht.364 Die Vermutung liegt nahe, dass die nach der In357 Vgl. Schreiben des Präsidenten der Provinzialverwaltung Mark Brandenburg Steinhoff an die DJV v. 26.3.1946, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 120. 358 Schreiben Ulbrichts an Chef der Justizabteilung der SMAD v. 9.3.1946, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 124. 359 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 100 f. 360 Schreiben Ulbrichts an Chef der Justizabteilung der SMAD v. 9.3.1946, ebd. 361 Benjamin, Volksrichter, S. 170. 362 Vgl. Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 129. 363 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 104. Im ersten Lehrgang bestanden 58 % (Benjamin, Volksrichter, S. 172), im siebten Lehrgang schon etwa 88 % der Teilnehmer (jedenfalls für Sachsen vgl. Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 126) die Prüfung. 364 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 108.
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tensivierung der weltanschaulichen Ausbildung verbleibenden fachlichen Mängel wesentlich weniger problematisch erschienen als ideologische.365 Die Priorität bei der zügig vorangebrachten Ausweitung der Ausbildung wurde auf die Nähe zur sozialistischen Praxis und auf die direkte Interaktion der Auszubildenden mit den Funktionären des sozialistischen Staates gelegt. Die fachliche Ausbildung hingegen wurde organisatorisch kaum bedacht – Änderungen betrafen nahezu ausschließlich den Umfang der Vorlesungen. (4) Lehrinhalte: Art, Umfang und Reihenfolge Die herausragende inhaltliche Neuerung der Volksrichterausbildung war der Fokus auf die Gesellschaftskunde. Als „roter Faden“ der Volksrichterausbildung galt nun die soziale Funktion des Rechts.366 Diese Entwicklung wurde durch die Vorgaben der SMAD zu gesellschaftskundlichen Inhalten in der Vorlesung zu Recht, Gesellschaft, Wirtschaft und Staat367 eingeleitet. Für die sozialistischen Mitglieder der Justizverwaltung verstand es sich aber von selbst, dass auch eine Einführung in die Volkswirtschaftslehre als „soziologische Einführungsvorlesung“ 368 zu verstehen sein müsste. Die bald hinzugekommenen Einführungsvorlesungen zur Rechtswissenschaft im Allgemeinen und zur Soziologie im Speziellen schafften den entscheidenden Anknüpfungspunkt für ein marxistisch-leninistisches Rechtsverständnis.369 Angesichts der teils deutlich liberal eingestellten Dozentenschaft erschien eine Heranführung an die Auseinandersetzung mit dem abzulehnenden „bürgerlichen Staats- und Rechtsbegriff“ 370 auch umso dringlicher. Diese frühen Erscheinungsformen der Gesellschaftskunde galten aber als „unvollkommen“ 371 – eine detaillierte Ausbildung im Marxismus-Leninismus war schon aufgrund der Kürze der vorgesehenen Zeit noch nicht umsetzbar. Mit dem Jahreswechsel 1948/49 und der endgültigen Hoheit der SED über die Justizverwaltung konnte die Lehre marxistischer Theorie schließlich gezielt gefördert werden. Die verbleibende Herausforderung war die Verknüpfung von Recht und Ideologie im Sinne des sozialistischen Rechtsverständnisses. Mit dem Marxismus-Leninismus fand auch die Vorstellung von Recht als Machtinstrument der herrschenden Klasse Einzug in die Ausbildung, wenngleich sie vielen Teilneh365 Nicht ausgeschlossen ist daneben aber, dass auch die fachliche Ausbildung durch die eine unmittelbare, engere Anleitung profitiert hatte und somit erfolgreicher verlief, vgl. die positiven Eindrücke des BRD-Richters Rosenthal, erwähnt in Brintzinger, Jahrestagung der Fachgruppe Rechtswissenschaften, JZ 1958, S. 350 (351). 366 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 101. 367 Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 40. 368 Benjamin, Stellungnahme „Zur Frage des Volksrichters“, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 105 (110). 369 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 101. 370 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 101. 371 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 101.
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mern noch als etwas Ungewohntes erschien.372 Die Volksrichter sollten ihre fachlichen Fähigkeiten zur Durchsetzung der parteilichen Weltanschauung nutzen. Entsprechend offensiv wurde die ideologische Schulung, die Einbindung in die Parteiorganisationen und die Nähe zu Parteifunktionären – teils selbst Absolventen der Richterlehrgänge – gefördert.373 Vollkommen entgegengesetzt zur Gesellschaftskunde entwickelte sich das bürgerliche Recht. Dessen durchweg großer, im Reformverlauf nur wenig abnehmender Anteil an den Studieninhalten entsprach in erster Linie den tatsächlichen Erfordernissen der Rechtspraxis. Er stand aber im Widerspruch zu den Bestrebungen der Justizverwaltung, die Verbreitung eines bürgerlichen Rechtsverständnisses von vornherein zu unterbinden.374 Dass im Unterricht auf die vom bürgerlichen Denken geprägten Lehrbücher zurückgegriffen wurde, machte eine Lösung des Problems umso dringlicher. Erst die Rundverfügung der DJV vom 23. Februar 1949375, die den genauen Umgang mit dem bürgerlichen Recht und die Umsetzung neuer Rechtsgedanken im alten Zivilrecht vorschrieb, vermochte das Dilemma zu lösen, dass man einerseits der praktischen Relevanz des Zivilrechts gerecht werden musste, dabei aber andererseits nicht Gefahr laufen durfte, die eigene Ideologie in Frage zu stellen. Anders als die allgemeinen, vor allem schuldrechtlichen Grundlagen des Zivilrechts boten einzelne Teilgebiete des Zivilrechts von Anfang an taugliche Anknüpfungspunkte für eine Politisierung und Ideologisierung. So verwundert es nicht, dass das Arbeitsrecht selbst bei der frühen Zweiteilung des Studiums auch von Strafrichtern zu erlernen war, wenngleich die fachjuristische Relevanz mit der Etablierung des gesellschaftskundlichen Ausbildungsschwerpunkts wieder sank. Gleiches gilt für den Einbezug der Bodenreform in das Sachenrecht und die folgende Ausgliederung als eigenständige Veranstaltung: Die Enteignung von Großgrundbesitzern und Kriegsverbrechern war einerseits rechtlicher Ausdruck sozialistischer Umverteilung376, andererseits ein Beispiel für den rigorosen Umgang mit Nationalsozialisten. Mit der Etablierung der Gesellschaftskunde trat das Staatsrecht, nachdem es in den Einjahreslehrgängen neben dem Recht der Besatzungsmächte zunächst noch hervorgehoben wurde,377 vorerst in den Hintergrund. In seinen Grundzügen war es nun kaum mehr von der Gesellschaftskunde und von den staatlichen Grundlagen des Marxismus zu trennen.378 Diese Einschätzung bestätigt auch der Studien372
Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 102 f. Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege II, S. 87. 374 Vgl. Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 101. 375 RV vom 23.2.1949, BAP, DP1 VA Nr. 1050, Bl. 181 f., abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 197. 376 Vgl. Schäfermeyer, Grundsätze zur Rechtserneuerung, S. 326. 377 Benjamin, Volksrichter, S. 170. 378 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 105. 373
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plan für die Zentrale Richterschule von 1950. Die Veranstaltung zu Staat, Verfassung und Verwaltung war – obwohl im Besonderen Teil verortet – ein Hybrid fachjuristischer und gesellschaftskundlicher Ausbildung; in jedem Fall aber kein Teil des geltenden, fachlich zu beherrschenden Rechts. Das Strafrecht hatte eine in zwei Richtungen erhöhte Bedeutung: Die Verfolgung vermeintlicher und tatsächlicher Naziverbrecher war eines der akuten Anliegen der SMAD und der DJV. Die andere Hauptaufgabe der Strafgerichte war der Kampf gegen „Saboteure des Aufbaus“ 379 – all diejenigen, die der Entwicklung des sozialistischen Staates im Wege standen. In dieser Hinsicht konnte das Strafrecht ideologisch nutzbar gemacht werden. Das frühe Haupteinsatzgebiet der Volksrichter waren so auch die „201-Verfahren“.380 Mit der Festigung der Parteiherrschaft verschob sich die Ausbildung inhaltlich deutlich zum ideologischen Teil. Vordergründig musste der angehende Volksrichter einerseits ein großes Verständnis für den Marxismus-Leninismus und den historischen Materialismus besitzen, andererseits musste er dazu in der Lage sein, das gesamte Recht, insbesondere das bürgerlich-liberale Zivilrecht ideologiekonform anzuwenden – bei erster Betrachtung ein erstaunlich hoher, auch wissenschaftlicher Anspruch an einen im Eilverfahren ausgebildeten Juristen. Gleichwohl wurde die Verbindung ideologischer und fachlicher Gehalte nicht dem Zufall – und schon gar nicht den Richterlehrlingen selbst – überlassen. Die Auslegung des Rechts im Sinne des Sozialismus nahmen bereits Materialien der Justizabteilung der SED und die in den Abendseminaren vertretenen SED-Funktionäre, einschließlich Hilde Benjamin selbst, vor. Im Rahmen der „aktiv[en] [. . .] Auseinandersetzung um Fragen der marxistischen Staats- und Rechtsauffassung“ 381 erhielten besonders sozialistisch eingestellte Lehrgangsteilnehmer die Möglichkeit eines intensiven ideologischen Austausches. In erster Linie wurde aber sichergestellt, dass die Lehrgangsteilnehmer persönlich und unmittelbar von den Funktionären des Staates und der Partei geschult wurden. Auch in fachlicher Hinsicht wurde nicht zu viel verlangt. Zwar warnte Benjamin eindringlich vor „juristischer Halbbildung“;382 gleichzeitig betonte sie aber, dass es im Hinblick auf die spätere praktische Tätigkeit vielmehr um Volksnähe gehen müsste; um Urteile, die „menschlich verständlich“ 383 und nicht etwa rechtlich einwandfrei sein sollten. An anderer Stelle war man noch deutlicher: Zu viel
379
Melsheimer et al., Neue Rechtsprinzipien, S. 126, 145. Vgl. RV der DJV vom 20.9.1948, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 224 (226). Zum SMAD-Befehl Nr. 201, vgl. die Einl. zu Abschnitt II. 381 Vgl. Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 104 f. 382 Benjamin, Stellungnahme „Zur Frage der Volksrichter“, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 104. 383 Benjamin, Volksrichter, S. 178. 380
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Fachwissen barg in den Augen der Sozialisten stets auch eine Gefahr des Rechtsformalismus.384 (5) Zur Auswahl der Lehrkräfte Den Lehrkräften, die die Aufgabe hatten, die Volksrichterausbildung in der Kürze der Zeit zum Erfolg zu verhelfen, stand die Justizverwaltung zunächst wohlwollend gegenüber. Die erste Inkaufnahme einer liberalen Gesinnung zugunsten einer fachlich fundierten Auffassung endete allerdings mit der rasanten Politisierung infolge der SED-Vorherrschaft in der DJV ab 1948. Um den neuen inhaltlichen Anforderungen gerecht zu werden, wurde ein entsprechend geschultes Personal benötigt; der Vorwurf einer unpolitischen oder gar liberalen Haltung wog nun schwer. Wurde ein solcher Vorwurf erhoben,385 zog dies sofort Ermittlungen nach sich. Wenn auch nach einer solchen Ermittlung Zweifel an der politischen Haltung einer Lehrkraft bestanden, bedeutete dies aber nicht zwingend, dass Sanktionen gegen den Betroffenen verhängt wurden. Im Gegenteil wurde das Problem durch eine noch verstärkte Einbindung in die Parteiarbeit, durch das Verleihen von Ämtern und Funktionen gelöst.386 Auch diese weltanschauliche Schulung der Lehrkräfte war unverzichtbarer Bestandteil der Volksrichterausbildung. cc) Beobachtungen und erste Einordnung „Lehrgänge der Richterschulen [wurden] zu Stätten ideologischer Auseinandersetzung und wissenschaftlichen Meinungsstreites. [. . .] Die Einführung und Durchsetzung der marxistisch-leninistischen Rolle der Arbeiterklasse und ihrer Partei in den Lehrgängen waren kein unwichtiges Glied in diesem Prozeß.“ 387
Die Volksrichterausbildung war gerade in wissenschaftlicher Hinsicht weit davon entfernt, diesem Resümee im wohl heute noch meistzitierten rechtsgeschichtlichen Werk über die Justiz der DDR gerecht zu werden. Unzweifelhaft begründeten die Richterschulen aber einen neuen Abschnitt der Verbindung fachlicher und ideologischer Rechtsausbildung, der ohne eine erste Etablierung der Parteiherrschaft kaum möglich gewesen wäre. Trafen die ideologischen Ansprüche der SED und deren größter Vertreterin, Hilde Benjamin, in den ersten Jahren auf liberalen Widerstand, konnte sich ab 1948 eine Volksrichterausbildung nach so-
384
Helm, Stand und künftige Entwicklung der Richterschulen, in: NJ 1951, S. 308. Vgl. Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 105. 386 Vgl. Pfannkuch, Volksrichterausbildung, S. 106. 387 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 105. Dabei knüpften Benjamin et al. an die konkrete Beobachtung an, dass Auszubildende begannen, den Lehrern zu widersprechen. Im Kontext der Darstellung darf aber davon ausgegangen werden, dass die Formulierung durchaus Allgemeingültigkeit haben sollte. 385
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zialistischer Vorstellung durchsetzen.388 So konnte die Volksrichterausbildung Richter und Staatsanwälte hervorbringen, die mit ihrer Rechtsprechung tatsächlich der Durchsetzung der SED-Politik dienten. Am Ende der Ausbildung stand der politische Justizjurist – „frei von der traditionellen Beamtenideologie“.389 Um dieses Ziel zu erreichen, waren wichtige Funktionäre, nicht zuletzt Benjamin, stets direkt involviert. Nach 1955 spielten der Volksrichter und die Volksrichterausbildung kaum mehr eine Rolle im Diskurs über die weitere Ausbildung der Richter und Staatsanwälte. Der durch sie geschaffene Prototyp des sozialistischen Juristen wurde stattdessen an den Universitäten weiterentwickelt. b) Die akademische Juristenausbildung aa) Rechtsgrundlagen und Entwicklung390 Die Wiederaufnahme des Hochschulbetriebes und der akademischen Juristenausbildung hatte einige Zeit in Anspruch genommen. Eine erste Phase der Hochschulreformen391 erstreckte sich von 1945 bis 1949. Zwischen Oktober 1945 und Februar 1946 wurden die Universitäten wiedereröffnet – und mit ihnen die Juristenfakultäten.392 Ermöglicht wurde dies durch Befehl Nr. 50 der SMAD über die Vorbereitung der Hochschulen auf den Beginn des Unterrichts vom 4. September 1945.393 Der Deutschen Verwaltung für Volksbildung und den Ländern wurde darin die Aufgabe übertragen, die Neuaufnahme des Unterrichts vorzubereiten. Zur Sicherung der „Ausbildung solcher Kräfte [. . .], die fähig wären, demokratische Grundsätze in die Praxis umzusetzen“ waren in erster Linie „nazistische und militaristische Lehren“ aus der universitären Ausbildung zu entfernen. Zudem waren die Hochschulangehörigen einer genaueren Betrachtung zu unterziehen: Die Hochschulen wurden personell entnazifiziert. Die ersten Reformansätze betrafen aber maßgeblich die Studenten: In der ersten Zeit sollte das Studium für neue Schichten geöffnet werden. Wie im Rahmen der Volksrichterausbildung erleichterte man den Zugang für Bewerber aus Arbeiter- und Bauernfamilien, selbst wenn diese keine Hochschulreife vorweisen konnten. Diese wurden für kurze Zeit Begabtenprüfungen unterzogen, die schließlich 388 Wentker, Volksrichter, S. 27. Treffend teilt er dort die Entwicklung der Ausbildung in zwei Phasen; eine der „Optimierung“ und eine der „Ideologisierung“. 389 Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege I, S. 111. 390 Aufgrund der detaillierten Darstellung der zahlreichen Lehrpläne sei an dieser Stelle ausdrücklich auf die kurze Zusammenfassung unter (4) verwiesen. Tabellarische Übersichten zu den Studienplänen bieten Liwinska und Lehmann am jeweils angegebenen Ort. 391 Die Einteilung folgt Breithaupt, Rechtswissenschaftliche Biographie, S. 3, m.w. N. Abweichend davon Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 68. 392 Vgl. die SMAD-Befehle Nr. 97/45; Nr. 4/46; Nr. 8/46; Nr. 12/46; Nr. 27/46; Nr. 28/46; abgedruckt in: Handel/Köhler, Dokumente, S. 27 ff. 393 Abgedruckt in: Handel/Köhler, Dokumente, S. 18 f.
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durch Vorbereitungskurse und universitäre „Vorstudienanstalten“ ersetzt wurden.394 Durch Stipendien wurden zusätzlich Studierende aus nicht-bürgerlichen Schichten gefördert. Nur dann, wenn all diese Studierenden bereits Stipendien erhalten hatten, erhielten auch Studierende bürgerlicher Herkunft Zugang zu Fördermitteln.395 Was den grundlegenden Ablauf und Inhalt des juristischen Studiums anging, setzte die universitäre Juristenausbildung in der SBZ weitestgehend dort an, wo sie in der Weimarer Republik aufgehört hatte. Nach wie vor galt § 2 Abs. 2 GVG, wonach zur Erlangung der Befähigung zum Richteramt ein dreijähriges Studium und ein folgender Vorbereitungsdienst zu absolvieren waren. Ergänzende Regelungen fanden sich zunächst nur in den provisorischen Referendarprüfungsordnungen. Für das noch ungeteilte Groß-Berlin galt eine „Berliner Ausbildungsund Prüfungsordnung für Referendare und Gerichtsassessoren im Kammergerichtsbezirk“ (BAPO)396. Für die restliche SBZ galt die von der SMAD genehmigte und durch die DJV erlassene „Ordnung der Referendarprüfung und der Ausbildung der Gerichtsassessoren“ vom 16. Dezember 1946 (SPrO).397 Vor dem Jahr 1949 fielen inhaltliche Änderungen des juristischen Studiums spärlich aus. Vor allem eine gesellschaftswissenschaftliche Ausbildung schaffte es nicht an die juristischen Fakultäten. Einen ersten Vorstoß in diese Richtung bildeten die neuen pädagogischen und sowie die durch SMAD-Befehl Nr. 333 vom 2. Dezember 1946398 begründeten gesellschaftswissenschaftlichen Fakultäten. Die juristischen Studienpläne entsprachen also noch weitestgehend dem Stand vor dem Krieg. Allerdings führte die Personalknappheit dazu, dass anfangs nicht für jede Vorlesung ein Dozent zur Verfügung stand und an den verschiedenen Universitäten unterschiedliche Ausfälle hinzunehmen waren.399 In erster Linie gestalteten die frühen Prüfungsordnungen nur das Prüfungsverfahren aus und um. Zur Prüfung zugelassen wurden nur Demokraten und Antifaschisten (§ 10 Abs. 1 SPrO).400 Eine Politisierung der Prüfungen fand allerdings noch nicht statt. Weltanschauliche Fragen wurden seitens der Prüfer in 394
Breithaupt, Rechtswissenschaftliche Biographie, S. 3. Richert, Sozialistische Universität, S. 46. 396 VOBl. Großberlin 1947, S. 185 f. Abkürzung nach Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 66. 397 Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 66 f.; Schindowski, Neuregelung des juristischen Studiums, in: NJ 1949, S. 280 f. 398 Abgedruckt in: Handel/Köhler, Dokumente, S. 56, vgl. Breithaupt, Rechtswissenschaftliche Biographie, S. 3; später wortgleich Hüls, Juristenausbildung Halle, S. 13. 399 Vgl. für Jena, Lingelbach, Verwaltung ohne rechtliche Grenzen, S. 1879. 400 Ähnlich § 1 BAPO: „Die Stellung eines Referendars muß von Männern und Frauen eingenommen werden, welche wirklich Demokraten oder Antifaschisten sind [. . .].“ Zudem räumte § 44 Abs. 1 BAPO politisch, religiös oder aufgrund ihrer Rasse Verfolgten ein Vorrecht bei der Ablegung der Referendar- und Assessorprüfung ein. 395
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schriftlicher wie mündlicher Prüfung vermieden.401 Dabei bot § 17 SPrO zumindest eine Grundlage für die Überprüfung auch politischer Fragen. Vermittelt werden sollte nämlich auch ein „Verständnis für innere Zusammenhänge zwischen den Rechtsnormen und [. . .] ihre soziale, wirtschaftliche und politische Bedeutung“.402 Das Prüfungszeugnis enthielt anders als in der britischen Besatzungszone auch kein Charakterbild des Prüflings.403 (1) Die ersten Studienpläne und der Beginn der zweiten Hochschulreform Zur Mitte des Jahres 1949 begann das sozialistische Studium mit dem Erlass einer „vorläufigen Arbeitsordnung der Universitäten und wissenschaftlichen Hochschulen der Sowjetischen Besatzungszone“ vom 23. Mai 1949404 (vAO 1949) Form anzunehmen. Durch die von der zentralen Verwaltung für Volksbildung entworfene und erlassene405 Arbeitsordnung wurden die Universitäten unter die Aufsicht ebendieses Organes gestellt. Faktisch wurde ihnen auch das Immatrikulationsverfahren entzogen. Die Zuständigkeit hierfür erhielt nun ein Studentendekan, der auf Vorschlag der Volksbildungsministerien der Länder von der Deutschen Verwaltung für Volksbildung ernannt wurde (§ 21 vAO 1949). In der Praxis arbeitete der Studentendekan in diesen Fragen nicht etwa mit dem Kollegium, sondern der FDJ zusammen,406 die so eine Schlüsselposition bei der Auslese geeigneter Studierender erhielt. (a) Die Studienpläne 1949/1950 Begleitet wurde die vorläufige Arbeitsordnung von einem für alle juristischen Fakultäten verbindlichen vorläufigen Studienplan vom 22. August 1949, ausgearbeitet durch das Ministerium für Volksbildung in Zusammenarbeit mit dem Justizministerium.407 Parallel zur Entwicklung in der Volksrichterausbildung wurde nun auch die akademische Juristenausbildung zweigeteilt: In eine Grundausbildung in den ersten drei Semestern und eine darauffolgende „Spezialausbildung“, weitgehend in der bekannten Fächeraufteilung. Die Grundausbildung hatte einen gesellschafts401 402
Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 68. Vgl. Schindowski, Neuregelung des juristischen Studiums, in: NJ 1949, S. 280
(281). 403
Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 67. Abgedruckt in: Baske/Engelbert, Dokumente, S. 114 ff. 405 Müller, . . . stürmt die Festung Wissenschaft, S. 141. 406 Müller, . . . stürmt die Festung Wissenschaft, S. 143. 407 Nicht veröffentlicht, zusammengefasst durch die Hauptreferentin des DDR Justizministeriums Schindowski, Die Neuregelung des juristischen Studiums an den Universitäten, in: NJ 1949, S. 280 f. Datierung von Kaiser, Einige Erfahrungen, in: NJ 1950, S. 391. 404
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wissenschaftlichen Schwerpunkt, wobei noch kein inhaltlicher Zusammenhang zum Fachstudium408 hergestellt wurde. Inhaltlich waren die gesellschaftswissenschaftlichen Vorlesungen uneinheitlich gestaltet, sie umfassten Fragen der sozialistischen Philosophie, der Staats- und Gesellschaftspolitik, der Geschichte und der sozialistischen Volkswirtschaft.409 Einen ersten fachlichen Bezug schafften Vorlesungen zu den Grundbegriffen des Bürgerlichen Rechts und des Strafrechts. Am Ende dieses ersten Ausbildungsteils stand eine Zwischenprüfung.410 Das durch den ersten Studienabschnitt vermittelte Grundlagenwissen war hiernach nicht etwa irrelevant: Es konnte aufgrund des weiterhin geltenden § 17 der Referendarprüfungsordnung vom Dezember 1946 in den Examina erneut zum Prüfungsgegenstand gemacht werden.411 Während das Selbststudium weiterhin im Mittelpunkt des universitären Lernprozesses stand, wurden Kolloquien eingeführt, in denen Dozenten und Studierende enger zusammenarbeiteten. Dabei sollten die Dozenten auf individuelle fachliche und persönliche Fragen eingehen und auch sicherstellen, dass die Studierenden ihr Studium nicht im Widerspruch zur Reihenfolge des Studienplanes aufbauten.412 Auf Anweisung des Ministeriums für Volksbildung vom 1. Februar 1950 wurde für das Sommersemester 1950 schließlich ein wiederum unter Mitwirkung des Ministeriums der Justiz entstandener Studienplan erlassen, der den vorläufigen Plan vom Wintersemester 1949/50 in den entscheidenden Punkten übernahm.413 Zu den Kolloquien kamen wissenschaftliche Seminare und Übungen, in denen die „gesellschaftlichen Grundlagen der einzelnen Rechtsgebiete erarbeitet werden [sollten]“. Am Ende eines solchen Seminars stellte der Dozent eine Beurteilung aus, aus der der Entwicklungsstand und eine Charakteristik der einzelnen Studierenden hervorgehen sollte.414 In den Hintergrund traten dagegen Haus-
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Liwinska, Das juristische Studium, S. 70. Unter den behandelten Themen waren eine „Einführung in den historischen Materialismus“, die „Entwicklung des Staates und der Verfassungstheorien“, „Die großen demokratischen Reformen seit 1945“, „Geschichte der Methodik der Philosophie“, „Politische Ökonomie“, „Politische und soziale Probleme der Gegenwart“ sowie „Politische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung der Sowjetunion“, vgl. Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege II, S. 390, mit Verweis auf Halbjahresberichte des Ministeriums der Justiz im ersten Halbjahr 1950, AMJ. 410 Schindowski, Die Neuregelung des juristischen Studiums an den Universitäten, in: NJ 1949, S. 280. 411 Schindowski, Die Neuregelung des juristischen Studiums an den Universitäten, in: NJ 1949, S. 280 f. 412 Schindowski, Die Neuregelung des juristischen Studiums an den Universitäten, in: NJ 1949, S. 280 (281). 413 Nicht abgedruckt, zusammengefasst von Kaiser, Erfahrungen bei der Durchführung des neuen Studienplans, in: NJ 1950, S. 391 ff. 414 Kaiser, Durchführung des neuen Studienplans, in: NJ 1950, S. 391 (392). 409
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arbeiten, von denen nur noch eine je Übung geschrieben wurde. Die Fachausbildung wurde durch die Einrichtung universitärer Repetitorien ergänzt.415 Ab August 1950 trat im gesamten Wissenschaftsbetrieb der DDR das gesellschaftswissenschaftliche Minimalprogramm in Kraft: Alle Studierenden waren unabhängig von ihrer Fachrichtung zum Besuch ebensolcher Vorlesungen, insbesondere zur Theorie des Marxismus-Leninismus verpflichtet.416 Eine der wenigen unmittelbar folgenden Neuerungen des juristischen Studiums war die Aktualisierung der Prüfungsordnung in Form der Referendarprüfungsordnung vom 11. Dezember 1950.417 Die neue Prüfungsordnung stellte erhöhte Erwartungen an die gesellschaftswissenschaftlichen Kenntnisse der Prüflinge. Das Gesamtziel der Prüfung war nach § 1 der Prüfungsordnung weiterhin, festzustellen, „welche Kenntnisse der Prüfling auf politischem, wirtschaftlichem und rechtlichem Gebiete besitzt und ob er Verständnis für die politische, soziale und wirtschaftliche Bedeutung gewonnen hat“. Eine der drei fünfstündigen schriftlichen Aufsichtsarbeiten war stets eine gesellschaftswissenschaftliche; die beiden anderen entstammten dem Zivilrecht und dem Strafrecht (§ 12). Auf die Klausuren folgten wiederum zwei Hausarbeiten, von denen eine gesellschaftswissenschaftlich, die andere auf einen konkreten Rechtsfall bezogen war (§ 13 Abs. 1). In der abschließenden mündlichen Prüfung musste mindestens einer der fünf Prüfer ein „Vertreter der Gesellschaftswissenschaft“ sein (§ 14 Abs. 1). Am Ende der Prüfung konnte das Abschneiden auf dem gesellschaftswissenschaftlichen Gebiet über das Bestehen der Prüfung entscheiden. Nur in diesem Gebiet bedeutete eine ungenügende Leistung der Studierenden ein Nichtbestehen der Gesamtprüfung (§ 20 Abs. 2). Gefestigte Kenntnisse der Gesellschaftswissenschaften waren nun endgültig unentbehrlich für den Erfolg des juristischen Studiums. Nebenbei setzte sich auch das Prüfungsamt anders zusammen als zuvor. Durch eine offene Formulierung des § 3 Abs. 4 konnten „Richter, Staatsanwälte, Mitarbeiter der Ministerien, Rechtsanwälte, Vertreter der Wissenschaft“, aber auch „andere geeignete Personen berufen werden“. Damit konnten – zumindest grundsätzlich – auch politische und wirtschaftliche Funktionäre in die Prüfungskommissionen aufgenommen werden. Da eine Befähigung der Prüfer zum Richteramt nicht mehr vorausgesetzt wurde, galt dies auch für Volksrichter.418
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Kaiser, Durchführung des neuen Studienplans, in: NJ 1950, S. 391. Rühle, Idee und Gestalt der deutschen Universität, S. 172. 417 DDRGBl. I 1950, S. 1229. Durch Art. II Abs. 1 trat die Prüfungsordnung vom 16.12.46 außer Kraft. 418 Vgl. Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 73. 416
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(b) Die „Zweite Hochschulreform“ und die Abschaffung des Vorbereitungsdienstes ab 1951 Mit dem 4. Plenum des Zentralkomitees der SED im Januar 1951 fasste die Partei die Umgestaltung des Hochschulstudiums näher ins Auge. Der Beschluss des Zentralkomitees mit dem Titel „Die nächsten Aufgaben in den Universitäten und Hochschulen“ 419 läutete mit einem Fünfjahrplan (1951–1955) die „nächste Etappe“ der Entwicklung des Hochschulwesens ein, die heute als „Zweite Hochschulreform“ bekannt ist. Auf diesem Beschluss fußte die Verordnung über die Neuorganisation des Hochschulwesens vom 22. Februar 1951.420 Die Aufgabe der „einheitlichen zentralen Leitung“ und der Durchführung einer „grundlegenden Hochschulreform“ wurde dem neu gegründeten Staatssekretariat für Hochschulwesen übertragen (§ 2 der VO). Im gleichen Zuge wurde die Hauptabteilung Hochschulwesen im Ministerium für Volksbildung geschlossen. Zu den Hauptaufgaben des Staatssekretariats gehörte auch die „Gestaltung des Studiums, der Lehre und der Forschung auf der Grundlage der fortschrittlichen Wissenschaft“ (§ 3 Nr. 3), wobei die Staatlichen Plankommissionen und die fachlich zuständigen Ministerien oder Staatssekretariate zu beteiligen waren (§ 5 Abs. 3). Im Einzelnen galt es unter Anderem, ein gesellschaftliches Grundstudium und einen russischen421 Sprachunterricht durchzusetzen (§ 6 Nr. 1), die „Durchführung des Fachstudiums im Sinne der fortschrittlichen Wissenschaft“ (§ 6 Nr. 2) zu gewährleisten und das gesamte Hochschulwesen zu vereinheitlichen (§ 6 Nr. 3). Nicht erst durch die Verordnung, sondern durch den Beschluss selbst begründet war der Auftrag, all diese Maßnahmen ab August 1951 innerhalb eines „Zehnmonatestudienjahres“ umzusetzen.422 Dies löste die herkömmliche Semesteraufteilung ab. Im August/September 1951 trat ein neuer Studienplan für die juristischen Fakultäten423 in Kraft, der all diese Forderungen umsetzte. Der Studienplan brach mit der althergebrachten Teilung der juristischen Ausbildung in einen universitärtheoretischen und einen außeruniversitären praktischen Teil, indem er das Referendariat, den Vorbereitungsdienst, durch längere Pflichtpraktika ersetzte. Auf jedes Studienjahr folgte ein Praktikumsabschnitt, der einen fachlichen Bezug zum vorangegangen oder nachfolgenden universitären Ausbildungsabschnitt herstellte. Die Gesamtdauer der Praktikantenzeit betrug neun Monate. 419
Abgedruckt in: Baske/Engelbert, Dokumente, S. 174 ff. DDRGBl. I 1951, S. 123; auch abgedruckt in: Baske/Engelbert, Dokumente, S. 180 ff. 421 Die nächsten Aufgaben, abgedruckt in: Baske/Engelbert, Dokumente, S. 174 (177). 422 Die nächsten Aufgaben, abgedruckt in: Baske/Engelbert, Dokumente, S. 174 (178). 423 Nicht abgedruckt, zusammengefasst vom Hauptreferenten im Staatssekretariat für Hochschulwesen, Graefrath, Das juristische Studium, in: NJ 1951, S. 291 ff. 420
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Die inhaltliche Teilung des Studiums an den Universitäten wurde aufrechterhalten, sodass im ersten Studienjahr die – wiederum größtenteils gesellschaftswissenschaftlichen – Grundlagen gelehrt wurden.424 Hinzu kam das Fach „Russisch“. An das erste Studienjahr schloss sich ein sechswöchiges Verwaltungspraktikum an, das einerseits die Kenntnisse der Staats- und Rechtstheorie vertiefen, andererseits auf die folgende Veranstaltung im Verwaltungsrecht vorbereiten sollte: Im zweiten Studienjahr wurden das Verwaltungsrecht, das Staatsrecht und – das ganze Jahr über – das Strafrecht, das Zivilrecht sowie das davon ausgegliederte Familienrecht gelehrt.425 Hieran schloss sich nun ein erstes, wiederum sechswöchiges Gerichtspraktikum an. Das dritte Studienjahr war auf 16 Vorlesungswochen beschränkt, in denen auch das materielle Zivilrecht, das verselbstständigte Arbeitsrecht, Kriminalistik, in der Hauptsache aber das Strafund Zivilprozessrecht gelehrt wurden. Der folgende letzte – und mit einer Dauer von einem halben Jahr längste – Praktikumsabschnitt fand wieder an unterschiedlichen Stationen innerhalb eines Gerichts statt. Am Ende der ersten drei Studienjahre fanden Zwischenprüfungen in allen Fächern statt.426 Die Zwischenprüfungen bestanden aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil. Im Zivilrecht und Strafrecht wurden im schriftlichen Teil zwar Fälle gestellt, spätestens in der mündlichen Prüfung waren dann aber vertiefte ideologische Kenntnisse gefordert.427 Die dritte Zwischenprüfung hingegen war am Assessorexamen orientiert. In zwei fünfstündigen, an den jeweiligen Gerichten stattfindenden Klausuren wurde von den Prüflingen eine Bearbeitung von Fällen anhand von Akten, in Form von Urteilen oder Anklageschriften verlangt. Hierauf folgte eine zweistündige mündliche Prüfung.428 Prüfungsgegenstand waren ausschließlich das Zivil- oder Strafrecht und das jeweilige Prozessrecht.429 Im Falle eines wiederholten Nichtbestehens einer Zwischenprüfung konnte der Prüfling exmatrikuliert werden.430 424 Die Grundlagen des Marxismus-Leninismus, die politische Ökonomie, Theorie und Geschichte des Staates und des Rechts in den ersten beiden Semestern; nur im zweiten Semester Geschichte des Staates und Rechts in Deutschland. 425 Nowack/Rudolph, Die ersten Zwischenprüfungen des 10-Monate-Studienjahres, in: NJ 1952, S. 359 (361). Nach dem Studienplanentwurf war das Staatsrecht für das Grundstudium vorgesehen, vgl. Graefrath, Das juristische Studium, in: NJ 1951, S. 291. 426 Nowack/Rudolph, Die ersten Zwischenprüfungen des 10-Monate-Studienjahres, in: NJ 1952, S. 359. 427 Einen Überblick bieten Nowack/Rudolph, a. a. O., S. 362. Im Staatsrecht wurde etwa „Das Prinzip des demokratischen Zentralismus in der Stalinschen Verfassung“, im Strafrecht die „philosophische Grundlage der imperialistischen Rechtsideologie“ und im Zivilrecht die „Verabsolutierung des Besitzes im kapitalistischen Recht“ thematisiert. 428 Näher zu den Prüfungen vgl. Mierau, Die juristischen Abschluß- und Diplomprüfungen, S. 109 ff. 429 Graefrath, Das juristische Studium, in: NJ 1951, S. 291 (291, 293 f.). 430 Graefrath, Das juristische Studium, in: NJ 1951, S. 291 (293).
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Im vierten und letzten Studienjahr mussten die Studenten sich für ein Spezialisierungsgebiet entscheiden. Zur Auswahl stand eine schwerpunktmäßige Ausbildung zum Verwaltungs- oder zum Justizjuristen. Unter den hierfür angedachten Fächern waren etwa die Kriminalistik, die Gerichtsmedizin und besondere Gebiete des Verwaltungsrechts.431 Im fachlichen Teil des Studiums wurden die Vorlesungen weiterhin durch Übungen zum Zivil, Straf- und Verwaltungsrecht ergänzt, in denen jeweils vier fachjuristische Klausuren geschrieben wurden.432 Ebenfalls für diese Fächer wurden Hauptseminare mit wissenschaftlicher Ausrichtung veranstaltet, die von den Dozenten der Hauptseminare angeleitet und von Wissenschaftlichen Assistenten durchgeführt wurden.433 Das Vorbild hierfür waren seit Sommer 1951 etablierte FDJ-Studiengruppen, in denen die Aufgabe der Wissensvermittlung durch Studierende übernommen worden war.434 Das Examen am Ende des vierten Studienjahres bestand aus einer vierwöchigen Hausarbeit, drei fünfstündigen Klausuren und einer längeren mündlichen Prüfung.435 Der erfolgreiche Abschluss des Examens befähigte die Absolventen je nach Spezialisierung bereits zur Aufnahme einer Tätigkeit in der Justiz, als Richter oder Staatsanwalt, oder in der Verwaltung. Von hier aus ging die endgültige Abschaffung des Vorbereitungsdienstes mit schnellen Schritten voran. Die Reform der GVG im Jahr 1952436 ersetzte die alten Rahmenbestimmungen für die juristische Ausbildung und die Zulassung zum Richteramt. Richter konnte nun werden, wer den „Erwerb einer juristischen Ausbildung auf einer dazu bestimmten Ausbildungsstätte“ nachweisen konnte (§ 11 Abs. 2 GVG). Ein Vorbereitungsdienst und ein Studium waren damit nicht mehr explizit vorausgesetzt – wenngleich das Studium mittlerweile schon wieder im Begriff war, sich als Standard der Juristenausbildung durchzusetzen. Nach einem Beschluss des DDR Justizministeriums vom 9. Januar 1953 wurde das erfolgreiche Ablegen der dem Studium folgenden, früher „ersten“ Prüfung als Abschluss der juristischen Ausbildung im Sinne des § 11 Abs. 2 GVG anerkannt.437 Der frühere zweite Ausbildungsabschnitt war damit vollends abgeschafft.438 431
Graefrath, Das juristische Studium, in: NJ 1951, S. 291 (292). Graefrath, Das juristische Studium, in: NJ 1951, S. 291 (293). 433 Graefrath, Das juristische Studium, in: NJ 1951, S. 291. 434 Graefrath, Das juristische Studium, in: NJ 1951, S. 291 (293); Nowack/Rudolph, Die ersten Zwischenprüfungen des 10-Monate-Studienjahres, in: NJ 1952, S. 359 (360). 435 Graefrath, Das juristische Studium, in: NJ 1951, S. 291 (294). 436 DDRGBl. I 1952, S. 983. 437 Vgl. Grube, Das juristische Studium und die Fortbildung der Richter, in: NJ 1952, S. 65 (68). 438 Im Jahr 1952 wurden noch einige Übergangsvorschriften für fortgeschrittene Studenten geschaffen: Nach den §§ 1, 2 der Verordnung über den juristischen Vorbereitungsdienst vom 1. Juli 1952 (DDRMinBl. 1952, S. 97) hatten Studenten, die am 432
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Noch vor dem Ende des laufenden Fünfjahresplanes wurde die praktische Ausbildung durch Anordnung des Justizministeriums vom 2. Juni 1954439 um eine zusätzliche viermonatige Praktikantenzeit – zunächst nur für Richter – ergänzt. Diese Praktikantentätigkeit fand ausschließlich an einem Gericht statt. Der Studienplan vom 21. Juli 1955440 fasste die bisherige Entwicklung überwiegend zusammen. Hinzugekommen war eine über die meisten Semester obligatorische Sportveranstaltung und die Möglichkeit, neben dem Russischen ein weiteres Fremdsprachenfach zu belegen. Durch eine neue Prüfungsordnung für die Rechtswissenschaftlichen Fakultäten vom 20. Januar 1956441 wurden die Zulassungsvoraussetzungen für das Examen verschärft. Zugelassen wurde, wer „als Bürger der DDR seine Kenntnisse zur Verwirklichung der Ziele der Regierung einzusetzen bereit“ war. Der Prüfungsumfang wuchs um zwei Klausuren an. Prüfungsstoff konnten die Grundlagen des Marxismus-Leninismus, die Grundlagen der politischen Ökonomie, das Staatsrecht, das Verwaltungsrecht, sowie das Zivil- oder Strafrecht mit dem jeweiligen Prozessrecht sein.442 (2) Die dritte Hochschulkonferenz, der V. Parteitag und die Babelsberger Konferenz Das Jahr 1958 brachte die nächste Intensivierung der Reformbemühungen mit sich. Auf der dritten Hochschulkonferenz der SED, vom 28. Februar bis zum 2. März, einberufen vom Zentralkomitee der SED,443 wurden fünf Hauptaufgaben der Universitäten verkündet, von denen drei unmittelbare Bedeutung für die Gestaltung des Studiums hatten: Eine weitere Vertiefung der Kenntnisse des dialektischen Materialismus, eine nähere Orientierung der Erziehung am Sozialismus und die Reform der Auswahl- und Zulassungsverfahren.444 Zur Verbesserung der ideologischen Ausbildung sollte einerseits die marxistisch-leninistische
3. September das 6. oder 7. Fachsemester begonnen hatten, noch den zweijährigen Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Referendarprüfung nach der Prüfungsordnung vom 11. Dezember 1950 abzulegen. Als letzte Übergangsregelung wurde die Anordnung über den juristischen Vorbereitungsdienst und das zweite juristische Staatsexamen vom 18. Dezember 1952 (DDRMinBl. 1952, S. 226) erlassen. Bis zum 31. März – auf Wunsch aber auch früher – mussten sich die Referendare einer Abschlussprüfung unterziehen, die den Vorbereitungsdienst beendete (§§ 1, 2 Abs. 1). 439 Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Justiz Nr. 8/1954; vgl. auch Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 84 f. 440 Nicht veröffentlicht, ausführlich aufgeführt in: Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 87. 441 Nicht veröffentlicht, vgl. Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 87; Brintzinger, Jahrestagung, in: JZ 1958, S. 350 f. 442 Brintzinger, Jahrestagung, in: JZ 1958, S. 350 (351). 443 Richert, Sozialistische Universität, S. 182. 444 Hager, Der Kampf um die weitere sozialistische Umgestaltung, abgedruckt in: Baske/Engelbert, Dokumente, S. 359.
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Schulung in den FDJ-Gruppen intensiviert,445 andererseits der Kampf – auch der Juristen – gegen den Revisionismus verstärkt werden.446 Wesentlich deutlicher wurde der Rahmen für die künftige Auswahl der Studierenden gezogen. Bewerber mit Berufsausbildung oder Erfahrungen in der Produktion sollten gegenüber Oberschülern bevorzugt werden. Diesen stand ein Studium nur dann offen, wenn sie eine einjährige Tätigkeit in der Produktionspraxis nachweisen konnten.447 Der V. Parteitag der SED und die Babelsberger Konferenz setzten die Reformen in der juristischen Ausbildung fort. Maßgeblich sollte die auf beiden politischen Großereignissen propagierte und proklamierte Einheit von Theorie und Praxis in der Rechtswissenschaft umgesetzt werden.448 (a) Der Studienplan von 1959 Dazu wurde im Jahr 1959 zunächst ein neuer Studienplan erlassen.449 Es blieb bei einem Umfang von vier Studienjahren und einer relativ scharfen Teilung in eine ideologische Grundausbildung in den ersten zwei Jahren und eine anschließende überwiegend fachjuristische Ausbildung. Das erste Studienjahr entsprach weitgehend dem Stand von 1951. Dem Studium vorangestellt wurde eine zweiwöchige Veranstaltung namens „Die Politik von Partei und Regierung im gegebenen Stadium der Entwicklung unserer volksdemokratischen Ordnung“.450 Die Hauptveranstaltung trug den vielsagenden Titel „Wissenschaftlicher Sozialismus, Staats- und Rechtstheorie, Geschichte der Arbeiterbewegung, dargestellt am Kampf der Arbeiterklasse und der Volksmassen unter Führung der kommunistischen Partei um die Errichtung der Diktatur des Proletariats und den Sieg des Sozialismus.“ Eigenständig davon wurde der dialektische und historische Materialismus gelehrt, zudem die politische Ökonomie451 und die Staats- und Rechtsgeschichte. Hier begann der dreijährige Russischunterricht und die zweijährigen Sportveranstaltungen. Im zweiten Studienjahr wurde neben wirtschaftlichen Inhalten, einschließlich des Wirtschaftsrechts, hauptsächlich das Staatsrecht der DDR gelehrt. Hinzu kamen aber Veranstaltun-
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Hager, Der Kampf um die weitere sozialistische Umgestaltung, a. a. O., S. 376. Hager, Der Kampf um die weitere sozialistische Umgestaltung, a. a. O., S. 364. 447 Hager, Der Kampf um die weitere sozialistische Umgestaltung, a. a. O., S. 369. 448 Vgl. Görner, Engere Verbindung des staats- und rechtswissenschaftlichen Studiums, in: NJ 1959, S. 232 (232). 449 Nicht veröffentlicht, Übersicht von Rosenthal, Die Juristenausbildung in der SBZ, in: Jahrbuch für Ostrecht 1960 (Bd. I, H. 2), S. 7 (14 ff.). 450 Rosenthal, Die Juristenausbildung in der SBZ, in: Jahrbuch für Ostrecht 1960 (Bd. I, H. 2), S. 7 (13). 451 Nun in einem ausdrücklichen Gegensatz von kapitalistischer und sozialistischer Wirtschaft. 446
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gen, die in eine justizorientierte fachliche Ausbildung einführten.452 Im dritten Jahr traten die juristischen Kernfächer in den Vordergrund: neben dem traditionellen Zivil- und Strafrecht auch das Bodenrecht, das Arbeitsrecht und das LPGRecht. Eine Ausnahme im Kontext der überwiegend fachjuristischen Ausbildung des dritten Jahres waren die Fächer „Sozialistische Ethik“ und „Kritik der imperialistischen Soziallehren“. Das letzte Jahr diente erneut vor allem der Vorbereitung auf das Staatsexamen. Nach einer ersten Übung zum Staatsrecht, die schon im zweiten Halbjahr des dritten Jahres stattgefunden hatte, begannen nun die Übungen in den anderen Fächern. Zudem gab es ein Spezialseminar im dialektischen und historischen Materialismus und eine Auswahl an Spezialseminaren „auf allen Gebieten des Staates und des Rechts“. In geringem Umfang Stundenzahl kamen die sonstigen Vorlesungen hinzu: Völkerrecht, Wirtschaftsrecht, Kriminalistik, die Gerichtsmedizin sowie die gerichtliche Psychiatrie und Psychologie. Internationale Bezüge schaffte eine vergleichende Vorlesung zum Straf- und Strafvollzugsrecht der DDR, der UdSSR und Westdeutschland sowie eine Vorlesung zum internationalen Zivilrecht. In ebenfalls eher geringem Umfang bedacht wurden das Familienrecht, das Erbrecht und die Logik. An der Vermittlung der Inhalte änderte sich wenig. Es wurden neue Vorlesungen ausgearbeitet und über die Universitätsgrenzen hinweg vereinheitlicht. 453 Neben den Studiengruppen wurden Studienkollektive geschaffen,454 die das Selbststudium anleiteten und die Fortschritte der Studenten überwachten,455 aber auch ihrerseits angeleitet von den juristischen Instituten Referate und Übungen vorbereiteten und ausarbeiteten.456 In jedem Studienjahr war ein thematisch passendes, sechswöchiges Praktikum zu absolvieren. Das Erste in einem sozialistischen Betrieb oder einem massenpolitischen Organ wie der Nationalen Front, das Zweite wieder in der Verwaltung. Das Dritte rückte nun erstmals eine wirtschaftsbezogene praktische Ausbil452 Gerichtsverfassung, Staatsanwaltschaft, Grundsätze „der Bekämpfung der Kriminalität“ und das Strafrecht. 453 Rosenthal, Die Juristenausbildung in der SBZ, in: Jahrbuch für Ostrecht 1960 (Bd. I, H. 2), S. 7 (17). 454 Die Begriffe Seminargruppe, Studiengruppe und Studentenkollektiv wurden teils synonym verwendet, nach Panzram/Maskow sollen sich die Begriffe aber unterscheiden: Studentenkollektive stellten eine Verkörperung des sozialistischen Gemeinschaftsgedankens in einer Seminargruppe, Studiengruppen hingegen Gruppen zur Erhöhung des „wissenschaftliche[n] Niveau[s]“ dar und waren voneinander getrennt (dies., Erziehungs- und Bildungsarbeit, in: SuR 1960, S. 471 (475)). Sowohl die Studiengruppe als auch das Studentenkollektiv dienten allerdings der Disziplinierung der eigenen Mitglieder (dies., a. a. O., S. 477). Der im Ergebnis marginale Unterschied scheint in dem Auftreten der Studentenkollektive nach außen zu bestehen (vgl. Ramminger, Parteierziehungsarbeit, in: SuR 1960, S. 986 (991 f.)). 455 Panzram/Maskow, Erziehungs- und Bildungsarbeit, in: SuR 1960, S. 471 (476 f.). 456 Panzram/Maskow, Erziehungs- und Bildungsarbeit, in: SuR 1960, S. 471 (477).
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dung, insbesondere bei einem Vertragsgericht oder einer VVB (Vereinigung volkseigener Betriebe) in den Vordergrund; der vierte Praktikumsabschnitt führte den Studenten wieder in die Justiz.457 Die turnusmäßigen Praktika wurden so zwar verkürzt – ein langes letztes Praktikum gab es nicht mehr –, an einem vorlesungs- und seminarfreien „praktischen Tag“ in der Woche mussten die angehenden Juristen jedoch „in einem Betrieb, einer LPG, einer Dienststelle der Verwaltung, oder bei einem andern Staatsorgan entsprechend dem Schwerpunkt ihres jeweiligen Ausbildungsabschnitts“ arbeiten. Hinzu kam ein vor allem durch die FDJ-dominierten Studiengruppen ausgeübter Druck zur Teilnahme an Versammlungen der Genossenschaften, an Rats- und Vorstandssitzungen, an einer kontinuierlichen Arbeit in der gemeindlichen Landwirtschaft und in den massenpolitischen Organisationen.458 Darüber hinaus waren die Studenten jährlich zu einem zweiwöchigen Einsatz in den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften verpflichtet und auch die Teilnahme an der militärischen Ausbildung wurde erwartet.459 Die Praxis jährlicher Zwischenprüfungen wurde fortgesetzt. Das abschließende Staatsexamen umfasste nun eine mündliche Prüfung und eine achtwöchige Hausarbeit. Zulässige Prüfungsfächer der Hausarbeit waren „Wissenschaftlicher Sozialismus und Staats- und Rechtstheorie“, „dialektischer und historischer Materialismus, politische Ökonomie“, „Staatsrecht der DDR, Bekämpfung der Kriminalität“, „Wirtschaftsrecht, Arbeitsrecht und LPG-Recht“ sowie „Zivilrecht und Zivilverfahren“.460 (b) Die Praktikantenzeit: Gesellschaftsdienst statt Vorbereitungsdienst Im Beschluss des V. Parteitages war die Einführung einer auf das Studium folgenden Praktikantenzeit461 für sämtliche Absolventen der juristischen Fakultäten, insbesondere Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte festgelegt worden. Ihren Rahmen erhielt die Praktikantenzeit durch gemeinsame Anordnung des DDRJustizministers und des Generalstaatsanwalts vom 1. August 1959.462 Innerhalb von 18 Monaten sollten die Absolventen „in die vielfältige gesellschaftliche Praxis eingeführt, gegenüber allen Gefahren formal-juristischen Verhaltens gefestigt und zur konsequenten Parteilichkeit für die Sache der Arbeiter457 Rosenthal, Die Juristenausbildung in der SBZ, in: Jahrbuch für Ostrecht 1960 (Bd. I, H. 2), S. 7 (18 ff.). 458 Vgl. Ramminger, Parteierziehungsarbeit, in: SuR 1960, S. 986 (990). 459 Rosenthal, Die Juristenausbildung in der SBZ, in: Jahrbuch für Ostrecht 1960 (Bd. I, H. 2), S. 7 (19 f.). 460 Rosenthal, Die Juristenausbildung in der SBZ, in: Jahrbuch für Ostrecht 1960 (Bd. I, H. 2), S. 7 (21). 461 Ranke/Jahn, Der V. Parteitag, in: NJ 1958, S. 517 (518). 462 Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums der Justiz der DDR 1959, S. 21.
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und Bauernmacht erzogen werden (§ 2 AO). Die Praktikantenzeit war somit weniger eine Rückkehr zum praktischen juristischen Vorbereitungsdienst als vielmehr eine Vorbereitung auf die Tätigkeit in der sozialistischen Gesellschaft. Über die Hälfte der vorgesehenen Zeit verbrachten die Praktikanten in gesellschaftlichen Stationen; mit Arbeit in der Produktion (3 Monate), Kreisausschüssen der Nationalen Front (2 Monate), in Gewerkschaften (2 Monate) und Räten (3 Monate).463 Doch auch die juristischen Stationen, etwa diejenige in der Staatsanwaltschaft, sollten die Einheit der fachlichen Tätigkeit mit „den Anstrengungen der Werktätigen im Kampf um die Sicherung und Festigung des sozialistischen Aufbaus“ verdeutlichen (§ 8 AO). In einem Musterrahmenausbildungsplan wurden die Erwartungen an die Juristen weiter konkretisiert: Hiernach war die Vorbildfunktion jederzeit zu berücksichtigen. Als „politischer Agitator“ sollte der Praktikant stets auch justizpolitische Fragen beantworten.464 Bei positiver Einschätzung des Juristen wurde dieser nach Ablauf der Praktikantenzeit und ohne weitere Prüfung in den Justizdienst, die sonstige Verwaltung, die Rechtsanwaltschaft oder die Wirtschaft übernommen.465 Besonders vorbildliche Praktikanten konnten bereits vorzeitig in den staatsanwaltlichen Dienst übernommen werden (§ 3 AO). (3) Der VI. Parteitag und die Profilierung der juristischen Fakultäten ab 1963 Zwei Jahre nach dem Bau der Berliner Mauer begann eine neue Phase der Ausbildungsreformen, die auch die letzte hier zu betrachtende ist. Der VI. Parteitag der SED hatte im Januar 1963 die Entwicklung der Wirtschaft als nächste Aufgabe des sozialistischen Staates festgelegt und einen wirtschaftlichen Reformprozess eingeleitet. Noch im Frühjahr desselben Jahres forderten das Justizministerium und im Anschluss an die Babelsberger Konferenz gegründete Kommission für Staats- und Rechtswissenschaft des Staatsrates der DDR unter der Leitung Karl Polaks466, Juristen müssten „neben ihrem Fachwissen vor allem über Erfahrung bei der Lösung der politischen und ökonomischen Aufgaben [des] Arbeiter-und-Bauern-Staates verfügen, um den an sie gestellten Aufgaben gewachsen zu sein“.467 Auch der Rechtspflegeerlass vom 4. April 1963 nahm den Reformgeist auf und berücksichtigte die neuen wirtschaftlichen Aufgaben 463 Benjamin, Die Wahl der Richter, in: NJ 1959, S. 691 (692); Schneider/Falk, 150 Jahre Humbold-Universität, in: NJ 1960, S. 705 (707); Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums der Justiz der DDR, 1959, S. 21. 464 Zitiert nach Rosenthal, Die Juristenausbildung in der SBZ, in: Jahrbuch für Ostrecht 1960 (Bd. I, H. 2), S. 7 (23). 465 Rosenthal, Die Juristenausbildung in der SBZ, in: Jahrbuch für Ostrecht 1960 (Bd. I, H. 2), S. 7 (23). 466 Vgl. in diesem Kapitel unter II. 1. 467 Polak, Bericht der Kommission des Staatsrates, in: NJ 1963, S. 225 (228). Vgl. auch Benjamin, Ökonomie und Ausbildung der Juristen, in: ND v. 27.3.1963, S. 4.
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der Rechtspflege nach dem „endgültige[n] Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse“.468 In der Richtlinie des Präsidiums des Ministerrates für das neue ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft vom 11. Juli 1963469 wurden die neuen wirtschaftlichen Regelungen schließlich umgesetzt, ohne auf die Rolle der Juristen und des Rechts im „Neuen Ökonomischen System“ genauer einzugehen. Festgestellt wurde allein, dass das System nur dann seine bestmögliche Wirkung entfalten könnte, wenn die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen garantiert wäre.470 Auf Veranlassung des Sekretariats des Zentralkomitees der SED ordnete das Präsidium des Ministerrats per Beschluss über den Inhalt und das System der Aus- und Weiterbildung der Juristischen Kader vom 10. Oktober 1963 eine Reform der juristischen Ausbildung an, die die neuere Entwicklung einbeziehen sollte.471 Das Ergebnis war ein neuer Rahmenstudienplan vom Dezember 1963.472 Waren in den Jahren zuvor nur ein Ausbau des Fernstudiums und eine Verschärfung des Aufnahmeverfahrens durch Beschluss vom 21. Dezember 1962473 und Anordnung über das Aufnahmeverfahren zum Direkt-, Fern- und Abendstudium vom 20. Februar 1963474 vorangetrieben worden, betraf das neue Reformprojekt wieder sämtliche Aspekte des Ausbildungsgangs. Die größten Änderungspunkte waren aber die Einführung einer Spezialausbildung, die Verlängerung der Gesamtdauer des Studiums auf fünf Jahre und die Ersetzung der Praktikantenzeit durch zwei praktische Semester während der juristischen Ausbildung.475 Nach wie vor sollte das Studium geteilt sein, nunmehr aber in eine einheitliche Grundausbildung und eine anschließende Spezialisierung, entweder im Bereich der Justiz oder aber im Bereich der Wirtschaft. Damit 468 Erlass des Staatsrates vom 4.4.1963, in: Schrifenreihe des Staatsrates 2/1953, S. 99 (103, 105 ff.). 469 DDRGBl. II 1963, S. 453. 470 DDRGBl. II 1963, S. 453 (457). 471 Wolff, Inhalt und System der Ausbildung, in: NJ 1964, S. 33. 472 Nicht veröffentlicht. Abgedruckt bei Lehmann, Die juristische Ausbildung, in: JuS 1968, S. 341 (342); mit Verweis auf Lehmann auch bei Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 127 ff.; in der DDR zusammengefasst von Wolff, Inhalt und System der Ausbildung, in: NJ 1964, S. 33 ff. 473 DDRGBl. II 1963, S. 1. Beschlossen wurde vor allem die stärkere Berücksichtigung des Leistungsprinzips (1.), die Einführung von zusätzlichen Eignungsprüfungen (2.) und die Erhöhung des Anteils von Studierenden aus der Arbeiter- und Bauernschaft und der Produktion (4.). 474 DDRGBl. II 1963, S. 143. Die Anordnung setzte den Beschluss um. Geregelt wurde etwa eine Regelaltersgrenze von 35 Jahren für das Direktstudium (§ 3), weitere allgemeine Voraussetzungen wie der aktive Einsatz im sozialistischen Aufbau und neben einer guten Arbeitsdisziplin ein Wille, zur sozialistischen Entwicklung beizutragen (§ 5) und entsprechende Eignungsprüfungen (§ 6), die Bevorzugung von praktisch erfahrenen Bewerbern (§ 14). 475 Wolff, Inhalt und System der Ausbildung, in: NJ 1964, S. 33.
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einher ging eine „Profilierung“ der juristischen Fakultäten: In Leipzig und Berlin sollten Juristen für die Rechtspflege, in Halle und Jena Wirtschaftsjuristen ausgebildet werden.476 Diese Neuerung kam schon in einer weiteren Erhöhung der Zulassungsvoraussetzungen zum Tragen: Bewerber mit besonderer Lebenserfahrung, im besten Falle einer abgeschlossenen Berufs-, Fach-, oder Hochschulausbildung, sollten bevorzugt werden; Bewerber für die Ausbildung zum Justizjuristen sollten mindestens zwei Jahre Erfahrung als Facharbeiter vorweisen können. Das gemeinsame Grundstudium fand in den ersten fünf Semestern statt.477 In den ersten Semestern wurden weiterhin vorrangig die wirtschaftlichen, philosophischen und geschichtlichen Grundlagen gelehrt. Neben der Staats- und Rechtstheorie wurde auch das Staatsrecht endgültig hier verortet.478 Früh begann aber auch die Vermittlung der Grundkenntnisse im Zivil- und Zivilprozessrecht, die Unterrichtung über die gerichtlichen Aufgaben und die Ausbildung im Strafrecht. Nach dem dritten Semester fand ein erstes sechswöchiges Gerichtspraktikum statt.479 In den folgenden Semestern blieb daneben noch Zeit für besondere Fächer, auf der weltanschaulichen Seite etwa „pädagogische und psychologische Grundlagen sozialistischer Leitungstätigkeit“ und die „Leitung und Planung der Volkswirtschaft“, auf der fachjuristischen etwa das LPG-Recht.480 Jeweils nach dem zweiten, dritten und vierten Semester musste eine Zwischenprüfung in einzelnen Fächern der Grundlagenausbildung abgelegt werden.481 Das Grundstudium wurde seinerseits mit dem Ablegen einer umfangreichen, auch fachjuristischen Zwischenprüfung, dem sogenannten „Vorexamen“, beendet.482 An diese Grundausbildung schlossen sich die Spezialisierungsbereiche an. Das sechste Semester war ein praktisches Semester.483 Im Spezialstudium der Rechtspflege hatte der Student dieses erste Praktikum an Gerichten oder Notariaten, staatlichen Untersuchungsorganen, einschließlich der Staatsanwaltschaften und als Justiziar in einem Großbetrieb abzuleisten.484 Das im siebten Semester fort476
Wolff, Inhalt und System der Ausbildung, in: NJ 1964, S. 33 (34). Wolff, Inhalt und System der Ausbildung, in: NJ 1964, S. 33 (34). 478 Zur Einordnung des Staatsrechts vgl. Wolff, Inhalt und System der Ausbildung, in: NJ 1964, S. 33. 479 Lehmann, Die juristische Ausbildung, in: JuS 1968, S. 341 (342). 480 Weiterhin nennenswerte Fächer waren auf der weltanschaulichen Seite etwa „Wissenschaftlicher Sozialismus/Kommunismus“ und „Spezialprobleme der Staats- und Rechtstheorie“; auf der fachjuristischen Seite das Arbeitsrecht, das Bodenrecht, das Familienrecht und das Finanzrecht. Die sportliche und sprachliche Ausbildung fand ebenfalls im Grundstudium statt, vgl. Lehmann, Die juristische Ausbildung, in: JuS 1968, S. 341 (342). 481 Darunter die Wirtschaftswissenschaft, die Philosophie, das Staatsrecht und Russisch, vgl. Lehmann, Die juristische Ausbildung, in: JuS 1968, S. 341 (343). 482 Wolff, Inhalt und System der Ausbildung, in: NJ 1964, S. 33. 483 Wolff, Inhalt und System der Ausbildung, in: NJ 1964, S. 33 (34). 484 Lehmann, Die juristische Ausbildung, in: JuS 1968, S. 341 (342). 477
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gesetzte Studium entsprach in der Wahl der Fächer weitgehend dem Studienplan von 1959.485 An sämtlichen geeigneten Stellen waren aber – auch in dieser Spezialausbildung für die Justiz – Probleme der Planung und Leitung der Volkswirtschaft zu berücksichtigen.486 Im Bereich der Wirtschaft wurde der Student zunächst als Justitiar in einen Großbetrieb entsandt; die weiteren Abschnitte führten an Gerichte oder Staatsanwaltschaften und zuletzt an ein Vertragsgericht487.488 In den verbleibenden drei Semestern an der Fakultät – vom siebten bis zum neunten Semester – sollten die Rechtsstudenten lernen, „die ökonomischen Aufgaben mit den Mitteln des Rechts lösen zu helfen und die Interessen der Volkswirtschaft in dem sich erweiternden Handel mit anderen Staaten zu sichern“.489 Die wirtschaftliche Ausbildung umfasste dementsprechend Vorlesungen mit wirtschaftsrechtlichen Zusammenhängen.490 Beide Spezialbereiche forderten vom Studenten erneut die Belegung von gesellschaftskundlichen Fächern, wobei der Auseinandersetzung mit dem Staat ein ganz erhebliches Gewicht zukam.491 Nach dem siebten Semester folgte eine weitere Zwischenprüfung. Im siebten Semester hatte die Lenkung der beruflichen Laufbahn der Studenten begonnen, sodass der sechzehnwöchige Praktikumsabschnitt des zehnten Semesters bereits im künftigen Beruf des Praktikanten stattfinden konnte.492 Auf die ersten fünf Wochen des zehnten Semesters entfiel aber zunächst ein erster 485 Gelehrt wurden neben dem Zivil- und Zivilprozessrecht, LPG-Recht, Arbeitsrecht, Straf- und Strafprozessrecht und der Kriminalistik etwa das Erfinder- und Patentrecht, das Urheber- und Verlagsrecht, das internationale Privatrecht und die Psychologie und gerichtliche Psychiatrie, vgl. Lehmann, Die juristische Ausbildung, in: JuS 1968, S. 341 (342). Zum Studienplan von 1959, siehe zuvor unter (2) (a). 486 Wolff, Inhalt und System der Ausbildung, in: NJ 1964, S. 33 f. 487 Die Vertragsgerichte waren kein Teil der Justiz, entschieden aber als Instrument der Planung und Lenkung der Wirtschaft in wirtschaftsrechtlichen Streitigkeiten, vgl. Felgentreu, Die Staatliche Vertragsgerichtsbarkeit, S. 50 ff. 488 Lehmann, Die juristische Ausbildung, in: JuS 1968, S. 341 (342). Nach den Angaben Lehmanns ging die praktische Ausbildung der Wirtschaftsjuristen mit einem Umfang von insgesamt 30 Wochen sogar über das Semester hinaus, während das Praktikum der Rechtspflegejuristen einen Umfang von nur 21 Wochen hatte. 489 Wolff, Inhalt und System der Ausbildung, in: NJ 1964, S. 33 (34). 490 Vor allem also Vorlesungen über die wichtigsten Wirtschaftszweige und solche zum nationalen und internationalen Finanz-, Privat-, Handels- und Gesellschaftsrecht. Ebenso dazu gehörten neben dem Arbeitsrecht das Zivilrecht, das Urheberrecht, das Erfinder- und „Neuererrecht“ wie das Patent- und Warenzeichenrecht, vgl. Lehmann, Die juristische Ausbildung, in: JuS 1968, S. 341 (342). In besonderen Veranstaltungen wurde zudem etwa die Ausbildung im LPG-Recht fortgesetzt, vgl. Wolff, Inhalt und System der Ausbildung, in: NJ 1964, S. 33 (34). 491 Zu belegen waren: „Staats- und Rechtsgeschichte“, „Staats- und Rechtstheorie“ und „das Staatsrecht der DDR, anderer sozialistischer Staaten und der bürgerlichen Staaten“, vgl. Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 128 f. 492 Die Lenkung beruhte auf einer von der Staatlichen Planungskommission herausgegebenen Richtlinie, vgl. Wolff, Inhalt und System der Ausbildung, in: NJ 1964, S. 33 (34); Lehmann, Die juristische Ausbildung, in: JuS 1968, S. 341 (342).
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Teil des dreiteiligen Staatsexamens: Prüfungsfächer für beide Spezialisierungsbereiche waren die politische Ökonomie, der dialektische und historische Materialismus, Staats- und Rechtstheorie sowie das Völkerrecht. Nur die Justizjuristen wurden im Staatsrecht, im LPG-Recht, im Bodenrecht und in der Kriminalistik geprüft; nur die Wirtschaftsjuristen im Strafrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht der bürgerlichen und nationaldemokratischen Staaten und im Internationalen Privatrecht.493 Das Praktikum selbst war Teil des zweiten Examensabschnittes. Im engen Zusammenhang mit seiner praktischen Tätigkeit hatte der Student eine Diplomarbeit zu verfassen, „deren Ergebnisse der Praxis dienen“ mussten.494 Nach einer letzten mündlichen Prüfung im Anschluss an das zehnte Semester wurde dem erfolgreichen Absolventen unter Verleihung des Titels „Diplom-Jurist“ das Diplom verliehen.495 Keine nennenswerten Änderungen gab es in der übrigen Ausgestaltung der Ausbildung, insbesondere im Angebot der Veranstaltungstypen. Die bereits zuvor durchgeführten Seminar- und Studiengruppen hatten weiterhin Bestand.496 Während des Studiums hatten die Studierenden – wie auch diejenigen anderer Fakultäten – an Ernteeinsätzen, militärischen und vormilitärischen Schulungen und gesellschaftlichen Tätigkeiten der FDJ teilzunehmen.497 (4) Zusammenfassung Die detaillierte Darstellung der ausführlichen Lehrpläne gebietet eine kurze Zusammenfassung des wesentlichen ausbildungsrechtlichen Entwicklungsverlaufs. In einer ersten Phase der Reformen ab der Mitte des Jahres 1949 wurde eine gesellschaftswissenschaftliche Grundausbildung eingeführt, die mit geschichtlichen, wirtschaftlichen und philosophischen Fächern den „historischen Materialismus“ an die Universität brachte. Durch Kolloquien wurde die enge Zusammenarbeit von Studierenden und Dozenten gefördert, der Charakter der Studierenden wurde in den Vordergrund geschoben. Parallel zur „zweiten Hochschulreform“ wurde ab 1951 das Referendariat durch eine Praktikantenzeit ersetzt. Im letzten Studienjahr mussten sich die Studierenden spezialisieren: entweder auf die Verwaltung oder die Justiz. FDJStudiengruppen ergänzten den Universitätsbetrieb. Die körperliche Betätigung wurde in die Studienpläne aufgenommen. Ab 1956 wurde zur Prüfung nur noch zugelassen, wer bereit war, sich für die Umsetzung der Regierungspolitik einzu493
Lehmann, Die juristische Ausbildung, in: JuS 1968, S. 341 ff. Wolff, Inhalt und System der Ausbildung, in: NJ 1964, S. 33 (34). 495 Lehmann, Die juristische Ausbildung, in: JuS 1968, S. 341 (343). Eine entsprechende Diplomordnung wurde 1968 erlassen, vgl. Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 123. 496 Lehmann, Die juristische Ausbildung, in: JuS 1968, S. 341 (343). 497 Lehmann, Die juristische Ausbildung, in: JuS 1968, S. 341. 494
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setzen. Zwei zusätzliche Klausuren, deren Gegenstand auch die Grundlagen des Marxismus-Leninismus und der politischen Ökonomie sein konnten, kamen zur Prüfung hinzu. Nach der dritten Hochschulkonferenz der SED, ihrem V. Parteitag und der Babelsberger Konferenz wurden die Anforderungen an die weltanschaulichen Kenntnisse verschärft, eine Zulassung von Oberschülern wurde erheblich eingeschränkt. Die gesellschaftswissenschaftliche Grundausbildung umfasste nun zwei Jahre, ins zweite fiel das Staatsrecht der DDR. Das sozialistische Recht wurde weiter in den Fokus der Fachausbildung gerückt. Die Studierenden wurden unter anderem durch den Einfluss der FDJ zur Arbeit in der Produktion und in politischen Organisationen bewegt. Hinzu kamen verpflichtender Produktions- und Militärdienst. Im praktischen Dienst wurde der Praktikant nun in sozialen und politischen Schaltstellen und in der Rolle eines „politischen Agitators“ für die Interessen des Sozialismus eingesetzt. Im Jahr 1963 hatte das juristische Studium nur noch wenige Ähnlichkeiten mit dem der Weimarer Republik. Zahlreiche Fächer, die sich an der Lebenswirklichkeit des sozialistischen Staates orientierten, waren hinzugekommen; traditionelle Fächer wie das Verwaltungsrecht und die Rechtsgeschichte waren verschwunden. Mehr als noch die ursprünglichen gesellschaftswissenschaftlichen Fächer dominierten die für beide Ausbildungszweige verpflichtenden Grundlagenfächer die Lehrpläne. Durch die Arbeit im Feld, in Betrieben und in Massenorganisationen wurde der Anteil der eigentlich akademischen Ausbildung zurückgedrängt. Die Ausbildung war erkennbar auf die spätere Wahrnehmung einer staatlichen Leitungsfunktion in Justiz oder Wirtschaft ausgerichtet. Man begann, schon im Studium die spätere berufliche Laufbahn der Studierenden zu lenken. bb) Die Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“ und das Weiterbildungssystem der DDR Weder mit dem Bestehen der Prüfung zum Volksrichter noch dem Ablegen des juristischen Staatsexamens an der Universität war die Ausbildung beendet. Die juristischen Staatsfunktionäre wurden in ein striktes Weiterbildungssystem eingebunden. Das hatte anfangs auch sehr pragmatische Gründe: Nach der Volksrichterausbildung mussten Defizite der kurzen Ausbildungszeit ausgeglichen werden.498 Eine rein fachliche Weiterbildung gab es allerdings nicht lange. Schon im Jahr 1946 wurden innerhalb der Justiz Schulungsbriefe verschickt und regelmäßige 498 Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 23. Von den Richtern wurde unabhängig vom eigentlichen Fortbildungssystem eine eigenständige Selbstschulung im Prozessrecht erwartet, vgl. Grube, Das juristische Studium und die Fortbildung der Richter, in: NJ 1952, S. 65 (68).
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Zusammenkünfte einberufen.499 In der im März 1948 durch SMAD-Befehl Nr. 46500 gegründeten Deutschen Verwaltungsakademie wurden Juristen gezielt auf leitende Positionen vorbereitet.501 Seit 1950 gab es monatliche Fortbildungsveranstaltungen zur weltanschaulichen und fachlichen Weiterbildung der leitenden Justizangestellten.502 Diese Praxis der Kaderausbildung wurde an der aus der Verwaltungsakademie hervorgegangenen Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“ fortgesetzt, die von nun an die juristischen Spitzenfunktionäre des Staatsapparats hervorbringen sollte.503 Als höchstes staats- und rechtswissenschaftliches Institut erhielt die Akademie unter Herbert Kröger eine Leitungsfunktion in Fragen der Entwicklung der Rechtswissenschaft und in der juristischen Ausbildung, insbesondere in Fragen der Abstimmung der Rechtswissenschaft mit den Anschauungen des Marxismus-Leninismus.504 Auf der Babelsberger Konferenz wurde die Vormachtstellung der Akademie in dieser Frage gesichert.505 Die Beziehung zur Staatsführung war aber keineswegs reibungsfrei. Polak etwa forderte im Anschluss an die Konferenz, dass die Akademie ihre Aufgabe als Hochschule der Partei wahrnehmen müsste.506 Zudem warf man der Akademie vor, im Kampf gegen den Revisionismus untätig geblieben zu sein: Die daraus folgende „nicht unbeträchtliche Krise“ in der Institution diente als willkommener Anlass zur Verschärfung der staatlichen Kontrolle.507 Nach dem Mauerbau änderten sich auch die Erwartungen an die Entwicklung der Rechtswissenschaft. Die Verlagerung der Reformvorhaben hin zu wirtschaftlichen Fragen forderte der Akademie einen Kampf um den Erhalt des eigenen Aufgabenbereiches ab.508 Er endete 1963 mit einer weitgehenden organisatorischen Umgestaltung und der Einstellung des Lehrbetriebes vor Ort.509 Das juristische Fernstudium, dessen erste Versuche hier begonnen hatten, wurde dagegen fortgesetzt.510 499
RV der DJV im November 1946, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 204 f. SMAD-Befehl Nr. 46 vom 22. März 1948, abgedruckt in: Handel/Köhler, Dokumente, S. 73 f. 501 Benjamin, Volksrichter, S. 175. 502 RV des MJ vom 17.8.1950, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 213 ff. 503 Vgl. Bernhardt, Die Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften, S. 17. 504 Bernhardt, Die Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften, S. 130 f. 505 Vgl. Lingelbach, Verwaltung ohne rechtliche Grenzen, S. 1900. 506 Bernhardt, Die Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften, S. 138. 507 Grüneberg, Für eine Wende, in: SuR 1959 Beiheft 1, S. 1 (4). 508 Bernhardt, Die Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften, S. 150. 509 Bernhardt, Die Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften, S. 153 ff. 510 Tölg, Zu neuen Erfolgen, in: NJ 1954, S. 395 ff. Die Studiengänge hatten eine Dauer von zunächst drei oder fünf Jahren und waren als angeleitetes Selbststudium ausgestaltet. Zu Beginn des Semesters fanden an der Akademie „Direktivtagungen“ statt. 500
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Ebenfalls Fortbestand hatte der Weiterbildungsbetrieb an der Akademie, wenn auch nur für die leitenden Kader der Rechtspflege. Diese wurden ausnahmslos zur Teilnahme an Veranstaltungen im festen Turnus verpflichtet.511 Die Weiterbildung der Wirtschaftsjuristen fand in Form von postgradualen Studiengängen und Sonderlehrgängen statt.512 Einen einheitlichen Plan gab es bis 1963 nicht.513 Durch das Weiterbildungssystem konnte zwar auch die Tiefe der fachlichen Ausbildung erhöht werden; gerade die Funktionäre der Justiz wurden aber enger in den Staatsapparat eingebunden und weltanschaulich kontrolliert. cc) Reformdebatten und Erwägungen Der Diskurs über die weitere Entwicklung der Juristenausbildung entfaltete sich erstmals zum Ende der vierziger Jahre. Mit dem Beschluss des Zentralkomitees der SED über „Die nächsten Aufgaben in den Universitäten und Hochschulen“ vom Januar 1951 nahmen auch die Wortmeldungen zum juristischen Studium in den Fachzeitschriften zu. Die „Neue Justiz“ als Organ des Justizministeriums der DDR stellte die größte Anzahl der Beiträge. Deren Autoren wiederum waren überwiegend Referenten des Justizministeriums selbst und des Ministeriums für Volksbildung. Mit dem Verschwinden der Volksrichterausbildung kamen auch die parteiangehörigen Hochschulvertreter zu Wort. Mit einem „Rechtswissenschaftlichen Informationsdienst“ hatte auch das Deutsche Institut für Rechtswissenschaft, später die Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“, einen Kanal für die Verbreitung von übersetzten Veröffentlichungen der sowjetischen Rechtswissenschaft.514 Zum Ende der fünfziger Jahre ging die Zeitschrift im wesentlich nationaler orientierten Organ der Akademie, der Zeitschrift „Staat und Recht“ auf, das sich mit den „Grundfragen der Staats- und Rechtsentwicklung der Deutschen Demokratischen Republik“ beschäftigte.515 Über die Akademie wurde neben der fachlichen auch die politische Erziehung geleitet (vgl. Tölg, a. a. O., S. 395, 397). Erst nach dem Ende des Betrachtungszeitraums, nämlich ab 1964 wurde das Fernstudium auch an den Fakultäten besonders gefördert, vgl. Wolff, Inhalt und System der Ausbildung, in: NJ 1964, S. 33 (34). Zuvor wurde das Fernstudium nicht unkritisch betrachtet. Im Vergleich zum örtlich konzentrierten Direktstudium wurde ein Mehr an unparteilichen, undialektischen Urteilen beobachtet, vgl. Benjamin, Die sozialistische Gesetzlichkeit strikt verwirklichen!, in: NJ 1956, S. 228 (229). In Bezug auf den Vorlesungsstoff entsprach das Fernstudium dem Direktstudium; hinzu kamen persönliche Konsultationen mit Lehrenden und regelmäßige Seminare, vgl. Lehmann, Die juristische Ausbildung, in: JuS 1968, S. 341 (343). 511 Wolff, Inhalt und System der Ausbildung, in: NJ 1964, S. 33 (33, 35). 512 Wolff, Inhalt und System der Ausbildung, in: NJ 1964, S. 33 (35). 513 Größere Veranwortung der juristischen Fakultäten, Mitteilung, in: NJ 1963, S. 335 (336). 514 Vgl. zur Orientierung der DDR-Rechtswissenschaft an der Sowjetischen und die Rolle der Zeitschrift auch das redaktionelle Vorwort, in: RwInfo 1952, Sp. 1. 515 An unsere Leser!, Mitteilung, in: RwInfo 1959, Sp. 542.
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Verbunden waren die meisten Beteiligten über ihre Teilnahme an den juristischen- und Hochschulkonferenzen, ihre Mitwirkung in den unterschiedlichen Arbeitsgemeinschaften und Gremien sowie besonderen Staatssekretariaten. Bei Entscheidungen über die Zukunft des juristischen Studiums wurden die Fakultäten – und nicht nur einzelne Rechtslehrer – vor allem gegenüber der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften nachrangig berücksichtigt.516 Dabei bestand der Beitrag der Fakultäten nicht in jedem Fall in der Äußerung konstruktiver Kritik. Die parteinahen Prodekane und Beiräte an den Fakultäten konnten ihre Macht dahingehend ausüben, dass die Fakultät ihre eigenen Verfehlungen bei der Entwicklung zum angestrebten ideologischen Niveau in den Zeitschriften verkündete. So war auch in der DDR der öffentliche Diskurs durch die Machtposition der Parteimitglieder an den Fakultäten vorgeprägt. Die staatliche Zensur stellte schließlich sicher, dass die geäußerte Kritik im Einklang mit den staatlichen Vorgaben stand. Die „Neue Justiz“, der das Zentralsekretariat der SED in ihren frühen Jahren aufgrund einer stark fachlichen Ausrichtung kritisch gegenüberstand,517 wurde so ebenfalls zu einem Propagandainstrument. Diese Steuerung war so deutlich, dass in der „Neuen Justiz“ selbst eine Kritik an der internen Veröffentlichungspraxis veröffentlicht wurde: Die Auswahl der zu veröffentlichenden Arbeiten durch die Redaktion und die nachträgliche abschließende Stellungnahme durch Justizmitarbeiter zeigte sich als hemmend für die Teilnahme am öffentlichen Diskurs.518 Dass auch Ulbricht den Mangel an Meinungsstreits und einen stockenden wissenschaftlichen Austausch auf der Babelsberger Konferenz ansprach,519 führte nicht zu Änderungen und war – gerade zu diesem Zeitpunkt – kaum ein Ausdruck einer Liberalisierung, sondern vielmehr der Notwendigkeit weiterer Veröffentlichungen zu den theoretischen Grundlagen des sozialistischen Rechts. Ein besonderer Ort zunächst weniger regulierter öffentlicher Meinungsäußerungen und intensiveren Streites waren allenfalls die universitätseigenen Zeitschriften. Spätestens nach einer Veröffentlichung drohte Kritikern aber auch hier das vorzeitige Karriereende.520 Die gemeinsame Grundlage des öffentlichen Diskurses waren letztlich die Beschlüsse der SED-Organe und die Veröffentlichungen der Staatsorgane. Einer neuen Reformdebatte ging in aller Regel eine Grundsatzentscheidung in den Zentralkomitees oder auf den Parteitagen voraus. Hierauf bezogen sich auch die – selten veröffentlichten – Pläne und Anordnungen der Ministerien in ihrer eigenen Zielsetzung.521 516
Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 4, S. 294. Amos, Justizverwaltung in der SBZ/DDR, S. 63. 518 Streit, Einige Hinweise zur Auswertung der 3. Parteikonferenz der SED, in: NJ 1956, S. 257 (259). 519 Ulbricht, Die Staatslehre des Marxismus-Leninismus, in: Protokoll, S. 50; ders., Schlusswort, in: Protokoll, S. 187. 520 Vgl. Lingelbach, Verwaltung ohne rechtliche Grenzen, S. 1887. 517
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(1) Ziel der Ausbildung Die übergeordneten Ziele der streng gelenkten akademischen Juristenausbildung wurden in Anweisungen an die Universitäten und in Veröffentlichungen der beteiligten Ministerialbeamten bekanntgegeben. Zur Einleitung einer neuen akademischen Ausbildung hieß es in Anweisung Nr. 3 des Ministeriums für Volksbildung vom 1. Februar 1950, das Ziel der Ausbildung sei die „Heranbildung eines Nachwuchses, der auf der Grundlage des fortschrittlichen Rechtswissenschaft gelernt hat, die Gesetze unseres demokratischen Staates in Justiz, Verwaltung und Wirtschaft so anzuwenden, daß sie voll und ganz den Interessen des unseren Staat tragenden werktätigen Volkes und seiner führenden Kraft, der Arbeiterklasse dienen“.522 Damit wurde nichts anders erklärt, als dass der Jurist das Recht in allen Bereichen des Staates bestimmungsgemäß anzuwenden hatte – nämlich so, dass es der Arbeiterklasse und der Durchsetzung sozialistischer Verhältnisse diente. Nach dem VI. Parteitag der SED trat diese allgemeine Forderung der Hochzeit des sozialistischen Aufbaus in den Hintergrund und das Ausbildungsziel wurde detaillierter und pragmatischer formuliert: „Die juristischen Hochschulkader sind so auszubilden, daß sie in der Lage sind, das sozialistische Recht mit höchster Wirksamkeit als Instrument des sozialistischen Staates bei der Leitung der Volkswirtschaft, der Entwicklung sozialistischer Beziehungen der Bürger zueinander und zu ihrem Staat sowie der Erziehung des neuen, sozialistischen Menschen anzuwenden. Insbesondere muß die Ausbildung die künftigen Juristen befähigen, das sozialistische Recht [. . .] durchzusetzen und somit zur planmäßigen Entwicklung der Produktivkräfte, zur Festigung der sozialistischen Produktionsverhältnisse und zur Weiterentwicklung der sozialistischen Demokratie beizutragen“.523 Mit dieser Forderung wurden Vorstellungen, die schon in der früheren Formulierung angelegt waren, ausformuliert und um aktuelle Bedürfnisse ergänzt. Der Jurist war Teil der sozialistischen Kader – also Staatsfunktionär. Er sollte das Recht im Sinne der Staatsziele durchsetzen und dabei einerseits die Volkswirtschaft, andererseits die gesellschaftliche Dynamik lenken. Nun, nachdem die Errichtung der Berliner Mauer den „Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse“ ermöglicht hatte,524 musste auch der Jurist vorrangig zu wirtschaftlicher Funktion und Effizienz beitragen.
521 Vgl. erneut die VO vom Februar 1951, abgedruckt in: Baske/Engelbert, Dokumente, S. 180 ff. 522 Anweisung Nr. 3 des Ministeriums für Volksbildung vom 1.2.1950, zitiert nach Kaiser, Durchführung des neuen Studienplans, in: NJ 1950, S. 391. 523 So Wolff, Inhalt und System der Ausbildung, in: NJ 1964, S. 33. 524 Vgl. Anlage 1 zur NÖS-Richtlinie, DDRGBl. II 1963, S. 482.
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(2) Zulassung und Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer Mit der politischen Auslese der künftigen Juristen führte man die Linie der Volksrichterausbildung fort. Einen Neuaufbau der juristischen Fakultäten befand man nur für möglich, wenn auch neue Schichten an die Universitäten gelangten.525 Die Politik der Stipendienvergabe ermöglichte eben diesen den Zugang zum Studium und trug so zur Beseitigung eines bürgerlichen Bildungsprivilegs bei.526 Gerade für die frühen Jahre ist die Annahme naheliegend, dass die Staatsführung sich von den so Begünstigten später wiederum Dank und Gefolgschaft erwartete.527 Nachdem auf der Babelsberger Konferenz von 1958 die Einheit von Theorie und Praxis beschworen und neue Bemühungen im Kampf gegen Formalismus und Objektivismus angekündigt worden waren,528 erhielt die Erfahrung der Studienbewerber in der Produktionspraxis eine wesentlich höhere Bedeutung. Das lag zwar auch an der wirtschaftlichen Sachnähe der erfahrenen Arbeiterschaft; eine ebenso große Rolle wird aber ein gerade beim Bildungsbürgertum gefundener Mangel gespielt haben: Die Bildung auf der Oberschule hätte eine Neigung zum formalen Lernen gefördert.529 Das bedeutete eine unerwünschte unparteiliche Einstellung zum Recht und dessen Anwendung. Spätestens nach Ulbrichts Machtwort musste einer solchen Gefahr entschiedener begegnet werden. Dass die Produktionspraxis ab 1963 überhaupt als Zulassungsvoraussetzung festgelegt werden konnte wurde dadurch ermöglicht, dass es erstmals wesentlich mehr Interessenten als Studienplätze gab.530 (3) Organisation und Aufbau der akademischen Ausbildung Bis in die sechziger Jahre hinein erfuhr die universitäre Juristenausbildung zahlreiche strukturelle Änderungen, die ihr Gesamtbild massiv prägten. Sämtliche Änderungen basierten auf sozialistischen Grundgedanken. Die Einführung des Vorstudiums in den ersten Jahren war noch pragmatisch und wurde auch von bürgerlichen Professoren unterstützt.531 Die Einrichtung der Vorstudienanstalten war aber gleichzeitig entscheidend für die Vorbereitung der neuen bildungsfernen Bewerber auf das Studium und somit für die Aufhebung des bürgerlichen Bildungsprivilegs und die Entwicklung eines Arbeiter- und Bauernstudiums. 525
Benjamin/Melsheimer, Zehn Jahre demokratischer Justiz, in: NJ 1955, S. 259
(261). 526
So auch Breithaupt, Rechtswissenschaftliche Biographie, S. 2. Vgl. Richert, Sozialistische Universität, S. 89. 528 Näher in diesem Kapitel unter II. 1. 529 Nowack/Rudolph, Die ersten Zwischenprüfungen des 10-Monate-Studienjahres, in: NJ 1952, S. 359 (360). 530 Vgl. Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 124 f. 531 Vgl. Richert, Sozialistische Universität, S. 64. 527
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Im weiteren universitären Ausbildungsbetrieb wurden die Ziele einer sozialistischen Lenkung nur deutlicher. Aus der Volksrichterausbildung übernommen wurde die Durchführung von Kolloquien. Auch an den Universitäten sollte damit einerseits eine Einhaltung des Studienplans begünstigt werden, vor allem aber die Bindung des Studenten an den Dozenten und damit dessen Wirksamkeit als Erzieher gefördert werden.532 Die Zusammenfassung der Studenten in Studiengruppen und Seminargruppen ermöglichte einerseits die fachliche Wiederholung. Dies war auch für einen erneuten Kampf gegen private Repetitorien nicht irrelevant: Sie galten freilich als fachlich und – wesentlich schwerwiegender – politisch unqualifiziert für die Ausbildung des juristischen Nachwuchses.533 Allerdings konnten auch die Studiengruppen lange nicht allen an sie gestellten Erwartungen gerecht werden. Früh wurde anerkannt, dass die von Professoren kontrollierten Gruppen zu einer besseren Auslese wissenschaftlicher Kader beitragen konnten.534 Darüber hinaus wurde allerdings gehofft, dass die Gruppen andererseits zur frühen Entwicklung des studentischen Zusammenhalts beitragen und sich durch gegenseitige Beobachtung fördern würden.535 Lange Zeit galten sie aber trotz des FDJ-Einflusses als unpolitisch und als Einladung zum „formalen Lernen“.536 Durch die Ergänzung der Studentenzusammenschlüsse um Studienkollektive, die auch das Selbststudium überwachten und die Studenten nach außen repräsentierten, wurde eine weitere studentische Instanz zur Durchsetzung der Disziplin und für eine gegenseitige Kontrolle der politisch-ideologischen Entwicklung geschaffen.537 Damit wurde der größte Mangel des Selbststudiums, „Beschränkung der unmittelbaren, direkten Einwirkung des Lehrers auf den Studierenden“ 538 behoben. Während der gesamten Dauer der Ausbildung wurde so die Arbeitsmoral aufrechterhalten und eine sozialistische Denkweise eingefordert. Eine Selbstständigkeit oder gar eine Lehrfreiheit der Studierenden wurde ausgeschlossen. Die praktische Ausbildung bedeutete für die Studierenden auch eine erste Einbindung in die sozialistische Staatspraxis. Das zeigte sich schon im noch aus der alten Ausbildungstradition übernommenen und weiterentwickelten Vorbereitungsdienst. Dessen Reform im Jahr 1952 stellte den praktischen Ausbildungsteil
532 Schindowski, Die Neuregelung des juristischen Studiums an den Universitäten, in: NJ 1949, S. 280 (281). 533 Kaiser, Durchführung des neuen Studienplans, in: NJ 1950, S. 391 (392). 534 Graefrath, Das juristische Studium, in: NJ 1951, S. 291 (293). 535 Schindowski, Neuregelung des juristischen Studiums, in: NJ 1949, S. 280 (281). 536 Nowack/Rudolph, Die ersten Zwischenprüfungen des 10-Monate-Studienjahres, in: NJ 1952, S. 359 (360). Ähnlich Benjamin, Einige Gedanken, in: NJ 1960, S. 705 (706). 537 Panzram/Maskow, Bildungs- und Erziehungsarbeit, in: SuR 1960, S. 471 (477); Rüthers, Die Wende-Experten, S. 157. 538 Grüneberg, Für eine Wende, in: SuR 1959 Beiheft 1, S. 1 (12).
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im Zuge seiner Abschaffung noch in den Dienst des Sozialismus. In § 2 Abs. 2 VO über den juristischen Vorbereitungsdienst vom 1. Juli 1952 hieß es: „Das Ziel des Vorbereitungsdienstes ist, staatsbewußte Juristen zu erziehen, deren Kenntnisse und Fähigkeiten den Anforderungen entsprechen, die der antifaschistischdemokratische Staat an seine Richter und Staatsanwälte stellt.“ Zu den Fähigkeiten, die die DDR von ihrer Justiz erwartete, gehörte die Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit. Nicht nur allgemeines Staatsbewusstsein, sondern eine Entwicklung zur Parteilichkeit wurde von den Referendaren erwartet. Die Prüfungsordnung539, die zum Ende des Jahres 1952 auch eine neue, letzte Abschlussprüfung mit sich brachte, verlangte in § 2 Abs. 2, angelehnt an § 11 Abs. 1 der neuen GVG, dass die Prüfung herausstellte, „ob der Prüfling in gesellschaftlicher und fachlicher Hinsicht in der Lage ist, eine verantwortliche Funktion zu versehen, und ob er die Gewähr dafür bietet, daß er seine zukünftige Tätigkeit gemäß den Grundsätzen der Verfassung ausübt und sich vorbehaltlos für die Ziele der Deutschen Demokratischen Republik einsetzt.“ Schon der Referendar sollte also in erster Linie zum Staatsfunktionär in der Justiz ausgebildet werden. Die dennoch sehr auf die selbstständige fachliche Tätigkeit ausgerichtete praktische Ausbildung wurde zugunsten einer betrieblichen und gesellschaftsorientierten mit allenfalls geringem Fachbezug umgewandelt. Anfangs war der Umfang dieser Entwicklung noch nicht vollkommen absehbar. Ein im Jahr 1950 – mit Genehmigung der Redaktionsleitung der Neuen Justiz – veröffentlichter Vorschlag, durch einen einjährigen Einsatz der Studenten in Betrieben die soziale Schulung und so eine größere Volksnähe derselben zu fördern,540 stieß auf breite Ablehnung. Eingewandt wurde, dass bereits das Referendariat in Fragen der sozialen Lage schulte,541 dass ein Jahr ohnehin zu kurz für eine wirklich langfristige Änderung der inneren Einstellung der Studenten wäre542 und dass die Arbeitskraft der Juristen schnell benötigt würde.543 Erneut brachten der V. Parteitag und die Babelsberger Konferenz eine Kehrtwende in der Frage der praktischen Ausbildung. Schlagartig wurde der soziale und erzieherische Nutzen der betrieblichen Tätigkeit der Juristen hervorgekehrt. Den angehenden Juristen sollte dadurch eine Achtung vor körperlicher Arbeit544 und ein Eindruck der gesellschaftlichen Praxis vermittelt werden.545 Diese Praxis- und Lebensnähe sollte wiederum Tendenzen des Formalismus entgegenwir539
DDRMinBl. 1952, S. 226. Vgl. auch oben unter aa) (1) (b). Leim, Zur Neugestaltung der juristischen Ausbildung, in: NJ 1950, S. 57. 541 Weiß, Zur Neugestaltung der juristischen Ausbildung, in: NJ 1950, S. 120 (121). 542 Fakultätsrat der HU Berlin, Zur Neugestaltung der juristischen Ausbildung, in: NJ 1950, S. 119. 543 Reichel, Zur Neugestaltung der juristischen Ausbildung, in: NJ 1950, S. 119 f. 544 Hager, Der Kampf um die weitere sozialistische Umgestaltung, abgedruckt in: Baske/Engelbert, Dokumente, S. 369. 545 Schneider/Falk, 150 Jahre Humboldt-Universität, in: NJ 1960, S. 701 (706). 540
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ken.546 Auf der anderen Seite wurde zunehmend erkannt, dass die Juristen ihrerseits Einfluss auf die Arbeiterschaft nehmen konnten. Einer der positiven Effekte der Teilnahme der Studenten an Produktionseinsätzen und in der Praktikantenzeit sollte die Erkenntnis der Arbeiter sein, dass Juristen, gerade die der Justiz, ebenso Arbeiter waren.547 Damit sollte die Akzeptanz der Arbeiter gegenüber der Justiz und des durch sie durchgesetzten Rechts erhöht werden. Nicht zuletzt sollten die Juristen auch eine allgemeine propagandistische Tätigkeit verfolgen und als Staatsfunktionäre die Parteilichkeit verkörpern.548 Diesen Gedanken einer juristischen Gesellschaftslenkung führte die ebenfalls verpflichtende Mitarbeit in den Massenorganen konsequent zu Ende. Durch die Arbeit in Gremien und Vorständen wurden die Studenten und Praktikanten darüber hinaus unmittelbar an der Umsetzung der sozialistischen Entwicklung und an Planungsprozessen beteiligt.549 Schon vor dem Ausbildungsabschluss fand sich der Student in einer staatlichen Funktion wieder. Zweifel am Nutzen der nunmehr praktischen und fachfernen Ausbildung gab es nicht. Allenfalls eine erste überstürzte und wenig durchdachte Umsetzung der Verbindung von Theorie und Praxis erschien kritikwürdig.550 (4) Studieninhalte: Reihenfolge, Art und Umfang Die Entwicklung der Studienpläne einschließlich der Studieninhalte beruhte in großen Teilen auf den Erfahrungen der Verwaltungsakademie und der Richterschulen.551 Die auch an den Universitäten stilprägende Änderung der Ausbildungsinhalte war die neue gesellschaftswissenschaftliche Ausbildung. Diese wurde zwar schnell in jedem akademischen Bildungszweig in Form eines gesellschaftswissenschaftlichen Grundstudiums552 vorausgesetzt; die Auswirkungen auf das juristische Studium waren allerdings weitaus deutlicher als in anderen Fachbereichen. Auch wenn es nicht zu einem teils erwogenen Ersatz der juristischen Fakultäten durch gesellschaftswissenschaftliche und pädagogische Fakultäten kam,553 wurde die Rechtswissenschaft nun den Gesellschaftswissenschaften zu- und untergeordnet.554 Die neue Klassifizierung erforderte zwangsläufig eine sichtbare Reform der Studieninhalte. 546 547
Benjamin, Die Wahl der Richter, in: NJ 1959, S. 691 (692). Wostry, Bemerkungen zur Ausbildung der Staatsanwälte, in: NJ 1958, S. 751
(752). 548
Vgl. Benjamin, Die Wahl der Richter, in: NJ 1959, S. 689 (692). Vgl. Ramminger, Parteierziehungsarbeit, in: SuR 1960, S. 986 (991 f.). 550 Panzram/Maskow, Erziehungs- und Bildungsarbeit, in: SuR 1969, S. 471 (477). 551 Kaiser, Durchführung des neuen Studienplans, in: NJ 1950, S. 391. 552 Müller, . . . stürmt die Festung Wissenschaft, S. 239. 553 Müller, . . . stürmt die Festung Wissenschaft, S. 47 f. 554 Kaiser, Durchführung des neuen Studienplans, in: NJ 1950, S. 391; Schindowski, Neuregelung des juristischen Studiums, in: NJ 1949, S. 280. 549
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(a) Die gesellschaftswissenschaftliche Ausbildung Die gesellschaftswissenschaftliche Ausbildung schaffte und festigte die weltanschaulichen Grundlagen jedes sozialistischen Akademikers. Gerade in den frühen Jahren der DDR kamen die angehenden Juristen hier erstmals mit den Ideen des Sozialismus, insbesondere dem dialektischen und historischen Materialismus in Kontakt. Im juristischen Studium waren die gesellschaftskundlichen Veranstaltungen darüber hinaus von Anfang an als klare Absage an die traditionelle Ausbildung angelegt. Dieser unterstellte man, Formalisten und Spezialisten des objektiven Denkens hervorgebracht zu haben. Die Verortung der weltanschaulichen Schulung in die ersten Semester und das Unterbinden einer fachlichen Ausbildung sollte den Beginn einer Entwicklung zum objektiven Juristen unterbinden.555 Im Studienplan von 1963 wurde diese Trennung längst nicht mehr so deutlich eingehalten. Nur das erste Semester verzichtete noch auf fachjuristische Inhalte; vor allem aber zogen sich die Gesellschaftswissenschaften durch das weitere Studium. Die Existenzberechtigung dieser gesellschaftskundlichen Ausbildung wurde nicht in Frage gestellt. Dazu trug die Verkündung des Aufbaus des Sozialismus und die eindeutige, allseitige Distanzierung vom alten Leitbild des objektiven Richters bei. Weder vereinzelte Zweifel am Grundstudium, die mit dem Beginn der Entstalinisierung aufgekommen waren, noch die Studentenproteste von 1956 brachten einen ernstzunehmenden Diskurs über Reformmöglichkeiten hervor.556 Auf der Babelsberger Konferenz wurden mögliche verbleibende Vorbehalte allein durch den Beitrag Ulbrichts endgültig tabuisiert. Gleichzeitig wurde dort die Aufgabe des Grundstudiums in der juristischen Ausbildung hervorgehoben: Das Studium des Marxismus sollte den Studenten nicht zuletzt die Führungsrolle der SED bewusst machen.557 Dass die gesellschaftskundlichen Fächer bis 1963 dennoch wieder im Umfang abnahmen,558 ist nicht zuletzt ein Ausdruck der Babelsberger Forderung Ulbrichts nach einer weiteren Verbindung von Theorie und Praxis. Die Ausbildung in den sozialistischen Grundlagen musste mehr erreichen als die propagandistische Durchsetzung des Machtanspruchs der SED. Gerade das Studium der Rechtswissenschaften war auf die Vermittlung der Prinzipien sozialistischer Leitungstätigkeit ausgerichtet.559 (b) Die Grundlagenfächer: Verknüpfung von Weltanschauung und Rechtsausbildung Als erfolgversprechendster Anknüpfungspunkt für die Verbindung sozialistischer Vorstellungen mit den traditionellen rechtswissenschaftlichen Fachgebieten 555 556 557 558 559
Schindowski, Neuregelung des juristischen Studiums, in: NJ 1949, S. 280 (281). Vgl. Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 89 ff. Steiniger, Diskussionen, in: Protokoll, S. 112 (116). Vgl. oben. So auch Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 132. Wolff, Inhalt und System der Ausbildung, in: NJ 1964, S. 33.
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erschienen Grundlagenfächer und solche, die in Grundlagenfächer umgedeutet wurden. Am deutlichsten zeigte sich dies an der Entwicklung von Staatslehre und Staatsrecht. In Babelsberg wurde eine Untrennbarkeit der juristischen und geschichtlich-gesellschaftlichen Dimension der Staatslehre festgelegt; das Verständnis für die Herkunft und Funktion des Staates als besonders relevant für die Ausbildung von Staatsfunktionären hervorgehoben.560 Auf dieser Grundlage war die Staatstheorie 1959 zwischenzeitlich in der gesellschaftswissenschaftlichen Ausbildung aufgegangen. 1963 erhielt sie aber ihre Eigenständigkeit zurück. Neben dem Staatsrecht, das nun auch den sozialistischen Grundlagen zugeordnet wurde,561 durchzog sie das gesamte Studium. Die sozialistische Betrachtung von Staatsrecht und Staatstheorie hatte zwei wesentliche Inhalte: Einerseits sollten über allgemeinpolitische Darstellungen hinaus die unterschiedlichen Rollen und Aufgaben im Staat und konkrete Strukturprobleme erläutertet werden.562 Andererseits sollten bei dieser Gelegenheit auch die Gegensätze zum westlichen Staat betont werden,563 um so Feindbilder zu schaffen oder zu verstärken. Ein anderes Grundlagenfach, das bis in die fünfziger Jahre Bestand hatte, war die Rechtsgeschichte. Die geschichtliche Darstellung der Rechtsentwicklung sollte der Entlarvung bürgerlicher „Geschichtsverdrehung“ dienen.564 Sie wurde aber aus Zeitgründen gestrichen.565 Erhalten blieb dagegen die Geschichte der Arbeiterbewegung als gesellschaftskundliches Fach. (c) Der Einbruch der Ideologie in die juristische Fachausbildung Während die Grundlagenfächer sich leicht für eine weltanschauliche Ausbildung nutzbar machen ließen, fiel die weitere Verknüpfung von weltanschaulicher Lehre und Fachausbildung teils wesentlich schwerer. Zwar wurde schon im Zuge des Studienplans von 1951 ein Kampf gegen „imperialistisches Rechtsdenken“ bei der Darstellung des Rechts erklärt;566 einer der Hauptkritikpunkte, der auf der Babelsberger Konferenz an die Lehre gerichtet wurde, war allerdings die weiterhin von „politischen Grundfragen“ und vom dialektischen Materialismus isolierte Behandlung des Rechts.567 Nicht etwa der fehlende Wille, sondern vor
560
Polak, Zur Ausbildung leitender Staatsfunktionäre, in: SuR 1959, S. 483 (489). Wolff, Inhalt und System der Ausbildung, in: NJ 1964, S. 33. 562 Polak, Die Erhöhung des Niveaus der juristischen Vorlesungen, in: Staat und Recht 1955, S. 541 (544). 563 Polak, Die Erhöhung des Niveaus der juristischen Vorlesungen, in: Staat und Recht 1955, S. 541 (543). 564 Polak, Die Erhöhung des Niveaus der juristischen Vorlesungen, in: Staat und Recht 1955, S. 541 (544). 565 Kröger, Diskussionen, in: Protokoll, S. 132. 566 Gerats, Methodik der Vorlesungen, in: NJ 1951, S. 301 (303). 567 Kröger, Diskussionen, in: Protokoll, S. 132. 561
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allem ein Mangel an Zeit wurde als Grund für eine bis dahin unzureichende Auseinandersetzung mit „opportunistischen“ und „revisionistischen“ Auffassungen angegeben.568 Im Anschluss an die Konferenz wurde eilig erklärt, dass von da an sämtliche Probleme mit Bezugnahme auf „Klassenstandpunkt“ und „Parteilichkeit“ darzustellen und zu erörtern waren.569 Die in der Volksrichterausbildung begonnene sozialistische Umdeutung der zivilrechtlichen Inhalte und Begriffe wurde intensiviert. Zwar wurde die stets auch für das Studium vorgesehene Aufgabe der bisherigen Unterteilung in öffentliches Recht und Zivilrecht und das Gegenkonzept einer Unterteilung nach gesellschaftlichen Funktionen570 kaum sichtbar umgesetzt; die Darstellung des Zivilrechts wurde dennoch mit den weltanschaulichen Grundlagen verbunden. In einem Musterlehrprogramm für das Zivilrecht aus dem Jahr 1958 wurde festgelegt, dass der Vorlesung eine gesellschaftliche Komponente vorangestellt werden musste. Dabei reichte es nicht aus, das Zivilrecht von seine liberalen Wurzeln zu lösen – vielmehr sollte ausdrücklich die „Lüge von den sogenannten ,bürgerlichen Freiheiten‘“ entlarvt werden.571 Die Herauslösung der Rechtswissenschaft aus den bürgerlichen Vorstellungen und Begriffen wurde aber gerade im Zivilrecht weiter vorangetrieben.572 Davon abgesehen blieb das Zivilrecht in weiten Teilen fachlich. Es wurden allerdings Unterschiede im Zivilrecht der BRD und der DDR hervorgehoben und staatliche Ziele berücksichtigt. So wurde im Mietrecht etwa die eher mit dem klassischen öffentlichen Recht verbundene Frage einer staatlichen Wohnraumlenkung behandelt.573 Die in der sozialistischen Ausbildung verselbstständigten, früheren Nebengebiete hatten dagegen wiederum originäres sozialistisches Recht zur Grundlage. Im Arbeitsrecht etwa prägte das „Gesetz der Arbeit“ vom 19. April 1950574 und 568
Mohnhaupt, Normdurchsetzung, Bd. 5, S. 63. Stiller/Schönrath/Schüssler, Vorschläge zur Gestaltung der Vorlesung über die Rolle der Arbeiter- und Bauernmacht, in: NJ 1958, S. 469. 570 Graefrath, Das juristische Studium, in: NJ 1951, S. 291 (292). 571 Musterlehrprogramm „Zivilrecht des Bürgers“ 1958, abgedruckt in: Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 290. 572 Polak, Zur Lage der Staats- und Rechtswissenschaft I, in: SuR 1959, S. 1326 (1326, 1334). 573 Musterlehrprogramm „Zivilrecht des Bürgers“ 1958, abgedruckt in: Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 290 (293). 574 Abgedruckt in: Sekretariat der Nationalen Front des Demokratischen Deutschland (Hrsg.), Gesetz der Arbeit zur Förderung und Pflege der Arbeitskräfte, zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und zur weiteren Verbesserung der materiellen und kulturellen Lage der Arbeiter und Angestellten vom 19. April 1950. Den immensen ideologischen Wert des Arbeitsrechts in der DDR machen die Präambel sowie § 1 des Gesetzbuches der Arbeit v. 12.4.1961 deutlich, DDRGBl. I 1961, S. 27. Aus der Präambel: „Indem es die Rechte und Pflichten der Arbeiter in der Periode des Kampfes für den Sieg des Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik gesetzlich festlegt, gewinnt das Arbeitsrecht eine aktive Rolle bei der Entfaltung der Produktivkräfte und der Vervoll569
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dessen neuen Grundsätze zur betrieblichen Mitbestimmung und der Produktivitätssteigerung die Studieninhalte.575 Das LPG-Recht wurde als „Verbindung von staatlicher Leitung und innergenossenschaftlicher Demokratie und Selbstständigkeit“ beworben und enthielt neue Formen sozialistischer Gemeinschaftsarbeit.576 Die Rolle des Strafrechts wandelte sich. Wurde in den frühen Jahren des Staates vor allem dessen Bedeutung bei der Abwehr von Feinden herausgehoben,577 verallgemeinerte man die Vorstellung des Strafrechts später zu einem Instrument der staatlichen Leitung zur Durchsetzung der „sozialistischen Moralgesetze“.578 Eine Konsequenz daraus war die Wahrnehmung des Strafrechts als Mittel der gesellschaftlichen Erziehung.579 Die Andere war der Wandel zum Gesinnungsstrafrecht.580 In dieser Funktion war das Strafrecht zwar von besonderer Wichtigkeit; es wurde paradoxerweise aber weit weniger besprochen als andere Fächer der Juristenausbildung.581 Einer der wenigen Vorschläge zu einer Reform betraf die Kriminalistik, deren Belegung für alle Studenten obligatorisch war, obwohl sie außerhalb der Justiz irrelevant war.582 In der wirtschaftsjuristischen Ausbildung tauchte das Fach schließlich auch nicht mehr auf. Die zivil- und strafprozessrechtliche Ausbildung war für die zunächst vorrangig für den Einsatz in der Justiz vorgesehenen Juristen unentbehrlich. Zu Beginn der fünfziger Jahre attestierte das Justizministerium der DDR den Berufseinsteigern und Studierenden ungenügende Kenntnisse des Prozessrechts.583 Bis zur Babelsberger Konferenz hatte sich der Eindruck aber gewandelt. Nun wurde kritisiert, dass das Prozessrecht gelehrt wurde, obwohl es nach der Ausbildung für viele Juristen überhaupt nicht relevant war.584 Im Plan von 1963 war dementsprechend gerade für spätere Wirtschaftsjuristen nur eine Veranstaltung im gesamten Studium vorgesehen. kommnung der sozialistischen Produktionsverhältnisse. Es hilft, die sozialistische Arbeitsdisziplin und Arbeitsmoral weiterzuentwickeln und fördert die Erziehung und Selbsterziehung der Werktätigen zu neuen, sozialistischen Menschen.“ 575 Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 78. 576 Polak, Zur Lage der Staats- und Rechtswissenschaft I, in: SuR 1959, S. 1326 (1330). 577 Hering, Verbesserung der Erziehungsarbeit an den juristischen Fakultäten, in: Staat und Recht 1954, S. 181 (184). 578 Bein et al., Entwicklung des sozialistischen Strafrechts, in: SuR 1959, S. 1378 (1381). 579 Bein et al., Entwicklung des sozialistischen Strafrechts, in: SuR 1959, S. 1378 (1382). 580 Vgl. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 4, S. 100. 581 Polak, Zur Lage der Staats- und Rechtswissenschaft II, in: SuR 1960, S. 1 (10). 582 Kröger, Diskussionen, in: Protokoll, S. 132; Größere Verantwortung der juristischen Fakultäten, Mitteilung, in: NJ 1963, S. 335 (336). 583 Graefrath, Das juristische Studium, in: NJ 1951, S. 291. Die Ausbildung zum Rechtsanwalt blieb auch hier außen vor. 584 Kröger, Diskussionen, in: Protokoll, S. 132.
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D. Die Deutsche Demokratische Republik
Das Verwaltungsrecht ereilte nahezu dasselbe Schicksal wie die Verwaltungsgerichtsbarkeit: Es verschwand zwar wenigstens begrifflich nicht ganz, wurde aber mitsamt seinen rechtsstaatlichen Grundlagen bedeutungslos und ging im Staatsrecht auf. Dabei war die Frage, welche Rolle das Verwaltungsrecht haben sollte, bis zur Babelsberger Konferenz selbst unter sozialistischen Rechtslehrern noch ungeklärt. Es gab schlicht zu wenige Grundlagenarbeiten, die versuchten, das Verwaltungsrecht als Ergebnis liberaler Rechtsentwicklung nach sozialistischen Maßstäben neu aufzuarbeiten. Noch 1957 hatte Karl Bönninger ein Lehrbuch zum Allgemeinen Teil des Verwaltungsrechts der DDR herausgegeben. Es verschrieb sich zwar den ideologischen und organisatorischen Grundsätzen des sozialistischen Staates und stellte dessen Verfassungsprinzipien voran;585 gleichzeitig enthielt es aber die traditionellen Vorstellungen des Verwaltungsaufbaus und des Verwaltungshandelns, implizierte eine Gewaltenteilung sowie die Existenz eines Gesetzesvorbehalts für Verwaltungshandeln586 und ging ausführlich auf Rechtsmittel ein,587 die ebenso wie die Verwaltungsgerichtsbarkeit als solche längst nicht nur ihre Relevanz, sondern auch ihre Daseinsberechtigung verloren hatten.588 Gerade diese Veröffentlichung nahm Ulbricht zum Anlass, das Verwaltungsrecht auf der Babelsberger Konferenz als bürgerlich und revisionistisch zu verwerfen und Bönninger anzuprangern. So trug sie auch zur vollständigen Beseitigung der gerichtlichen Kontrolle des Staatshandelns durch Verwaltungsgerichte bei.589 Mit dem Verwaltungsrecht wurde ein Rechtsgebiet aus den Lehrplänen gestrichen, dessen freiheitliche Tradition nicht sinnvoll in Einklang mit den sozialistischen Theorie und Herrschaftsanspruch der DDR zu bringen gewesen war. Das Völkerrecht blieb stets unumstrittener Bestandteil des Studiums. Obwohl es Teil des Fachstudiums war, war die Politisierung der Fachrichtung kaum zu übersehen. Seine Kernbedeutung fand es in der Koordinierung mit dem Recht der verbündeten Staaten, in der Frage der staatlichen Anerkennung der DDR und in der Abgrenzung gegenüber der Bundesrepublik.590 Der nicht nur im juristischen Studium verpflichtende Russischunterricht hatte einerseits den Zweck, Lektüre und Verständnis der sowjetischen Veröffentlichungen zu ermöglichen.591 Gleichzeitig sollte das Fach der „Hebung des kulturellen Niveaus“ dienen – Eine Erwägung, die eng mit dem Kampf gegen den an den
585
Vgl. erneut Bönninger, Verwaltungsrecht, S. 43. So Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 4, S. 291. 587 Bönninger, Verwaltungsrecht, S. 77 f., 169 ff. 588 Zur Abschaffung der Verwaltungsgerichtsbarkeit vgl. II. 3. a) bb). 589 Lingelbach, Verwaltung ohne rechtliche Grenzen, S. 1876. 590 Vgl. beispielhaft Meister, Westberlin und die Souveränität der DDR in: SuR 1962, S. 1669 (passim). 591 Müller, . . . stürmt die Festung Wissenschaft, S. 244. 586
II. Staat und Juristen in der DDR
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Universitäten verbreiteten „Kosmopolitismus“ zusammenhing.592 Der Blick der Studierenden sollte von einem unbefangenen Internationalen in einen Parteiischen, gen Osten gewandten, gewandelt werden. Die Sportveranstaltungen wurden besonders von der FDJ gefördert: Man versprach sich davon eine verbesserte Gesundheit, eine erhöhte Aufnahmefähigkeit und eine Vorbereitung auf körperliche Arbeit sowie nicht zuletzt die militärische Ausbildung.593 (d) Der Aufstieg der (politischen) Ökonomie Eine eher geringe Würdigung in der Reformdebatte und in den staatlichen Erwägungen erfuhren zunächst die wirtschaftlichen und besonders volkswirtschaftlichen Kenntnisse des Juristen. Die gesellschaftswissenschaftliche Ausbildung forderte zwangsläufig auch ein Verständnis für die Zusammenhänge von Wirtschaft und Politik; von der zentralen Bedeutung der politischen Ökonomie für den sozialistischen Staat. Die Relevanz des Rechts für die Umsetzung der staatlichen Wirtschaftspolitik blieb zu Beginn der Ausbildung ohne besondere Würdigung. Erst zur Mitte der fünfziger Jahre kam Kritik an einer gerade inhaltlich nahezu exklusiv am Justizdienst orientierten Ausbildung ohne Wirtschaftsbezug auf.594 Nach der Babelsberger Konferenz war die Kritik allgegenwärtig.595 Ulbricht hatte herausgestellt, dass die Verbindung von Theorie und Praxis auch die direkte Orientierung der rechtswissenschaftlichen Ausbildung an der sozialistischen Volkswirtschaft bedeutete.596 Um ihrer leitenden Funktion in den Rechtswissenschaften gerecht zu werden, initiierte die Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften einen ersten Reformprozess.597 In einem ersten Studienplan für die eigene Ausbildung von Staatsfunktionären wurde die Ökonomik als grundlegende Materie der staatlichen Leitung anerkannt, eine „Meisterung der Ökonomik“ durch die Arbeiterklasse“ zur dringlichsten Aufgabe erhoben.598 Aber auch an den Universitäten kam der Ruf nach einer stärkeren Orientierung der Ausbildung an den Bedürfnissen der Volkswirtschaft auf, der in einer Forderung der Spezialisierung auf die zwei Hauptbereiche Rechtspflege und Wirtschaft mündete.599 592 Die nächsten Aufgaben, abgedruckt in: Baske/Engelbert, Dokumente, S. 174 (175, 177). 593 Panzram/Maskow, Erziehungs- und Bildungsarbeit, in: SuR 1969, S. 471 (485). 594 Mit komplementären Erwägungen zur rechtswissenschaftlichen Schulung der Ökonomen, vgl. Schaul, Zu einigen Aufgaben der Rechtswissenschaft, in: NJ 1956, S. 230 (232). 595 Vgl. Grüneberg, Für eine Wende, in: SuR 1959 Beiheft 1, S. 1 (17 f.); Römer, Gedanken zur Ausbildung der Juristen, in: NJ 1963, S. 332 (333). 596 Ulbricht, Schlusswort, in: Protokoll, S. 189. 597 Grüneberg, Für eine Wende, in: SuR 1959 Beiheft 1, S. 1 (44). 598 Grüneberg, Für eine Wende, in: SuR 1959 Beiheft 1, S. 1 (17 f.). 599 Römer, Gedanken zur Ausbildung der Juristen, in: NJ 1963, S. 332 (333).
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D. Die Deutsche Demokratische Republik
Das Jahr 1963 bot optimale Voraussetzungen für eine Reform. Die Mauer war errichtet,600 der Prozess der betrieblichen Kollektivierung abgeschlossen601, der „Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse“ errungen. Der Aufbau des Sozialismus war damit noch nicht abgeschlossen.602 Für die Folgezeit wurden den Juristen gleichwohl neue Aufgabenbereiche angekündigt: „Unsere Juristen werden in einer Zeit tätig werden, in der an die Lenkung und Leitung der Wirtschaft und des gesamten staatlichen und gesellschaftlichen Lebens höchste Anforderungen gestellt werden.“ 603 Das sozialistische Wirtschaftsrecht verselbstständigte sich als eigenes Fach gegenüber dem Zivilrecht604 und der Stellwert der ökonomischen Kenntnisse des Juristen war soweit gewachsen, dass sie allen Rechtsstudenten – und nicht nur den Wirtschaftsjuristen – abverlangt werden sollten.605 Unter dem Stichwort der neuen Einheit von Ökonomie und Recht606 – und somit auch Fachausbildung und Ökonomie607 – sollte der Jurist in die Lage versetzt werden, das Recht nicht nur als Mittel zur gesellschaftlichen Lenkung, sondern nun auch als „Hebel“ der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung nutzbar zu machen.608 Der Umfang der Aufgaben, die das Staatssekretariat für Hoch- und Fachhochschulwissen für den Wirtschaftsjuristen ermittelt hatte, war gewaltig: „Unterstützung und Beratung der Leiter staatlicher Organe, volkseigener Betriebe und Einrichtungen in allen Rechtsfragen und deren juristische Betreuung; Gewährleistung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit im Tätigkeitsbereich; Qualifizierung der Leitung zur wissenschaftlichen Planung und Planerfüllung und zur Durchsetzung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts mit den Mitteln des Rechts; Einbeziehung der Werktätigen in den Planungs- und Leitungsprozeß der Produktion mit Hilfe des sozialistischen Rechts; wissenschaftliche Analysentätigkeit über die Wirksamkeit der Rechtsnormen und selbstständige rechtschöpferische Initiative zur Durchsetzung der objektiven ökonomischen Gesetze.“ 609 Dabei sollte der Wirtschaftsjurist wie der Justizjurist
600
Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 118. Mohnhaupt, Normdurchsetzung, Bd. 5, S. 166. 602 Vgl. die zeitliche Einteilung bei Benjamin et al., Geschichte der Rechtspflege III, S. 39 ff. 603 Römer, Gedanken zur Ausbildung der Juristen, in: NJ 1963, S. 332 (334). 604 Artzt, „Recht der sozialistischen Wirtschaft“, in: SuR 1962, S. 1360. 605 Vgl. Dornberger, Juristen in der volkseigenen Wirtschaft, in: NJ 1964, S. 368 (369); Römer, Gedanken zur Ausbildung der Juristen, in: NJ 1963, S. 332 (334). 606 Römer, Gedanken zur Ausbildung der Juristen, in: NJ 1963, S. 332 (334). 607 Wolff, Inhalt und System der Ausbildung, in: NJ 1964, S. 33. 608 Römer, Gedanken zur Ausbildung der Juristen, in: NJ 1963, S. 332 (334); Büchner-Uhder/Posch, Ausbildung von Wirtschaftsjuristen, in: SuR 1964, S. 1239 (1240); Wolff, Inhalt und System der Ausbildung, in: NJ 1964, S. 33 (34). Büchner-Uhder/ Posch, Ausbildung von Wirtschaftsjuristen, in: SuR 1964, S. 1239 (1242). 609 Vgl. Büchner-Uhder/Posch, Ausbildung von Wirtschaftsjuristen, in: SuR 1964, S. 1239 (1242). 601
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wiederum vor allem „Erzieher von Menschen“ sein.610 Allgemein sollte ein Verständnis jedes Juristen für die Wirtschaft zur Entwicklung einer „durch die Klassen gleichmäßigen und festen Arbeitsdisziplin“ 611 beitragen. Dazu musste der politischen Ökonomie an allen Stellen – einschließlich der Fachinhalte – besondere Beachtung geschenkt werden.612 An die Stelle der Klagen über mangelhafte ideologische Grundlagen rückte die Klage über Schwierigkeiten bei Darstellung des Zusammenhangs zwischen Ökonomie und Recht.613 Das vorherige Ziel der „Einheitlichkeit von Parteilichkeit und Fachlichkeit“ trat damit in den Hintergrund.614 Die Gestaltung der Inhalte der juristischen Ausbildung orientierten sich deutlich an den aktuellen Bedürfnissen. Durch die Pionierarbeit der Volksrichterausbildung konnten schon zu Beginn des Hochschulbetriebes weltanschauliche Inhalte in die Ausbildung eingeflochten werden. Der Aufbau des Sozialismus und die Ausbildung sozialistischer Kader verlangte schließlich nach einer Ausbildung, die die Funktionsfähigkeit des Staates und des Rechts als dessen Machtinstrument verständlich machte. Gleichzeitig sollte der Jurist sich innerlich vom vermeintlich imperialistischen Staat und dessen Recht abgrenzen. (5) Wissenschaftlichkeit und die juristische Methode In methodischer und wissenschaftlicher Hinsicht sollte das sozialistische Rechtsstudium die „Tradition westlicher Denkweise durchbrechen“.615 Die in der Nachkriegszeit kurzzeitig wiedererstarkte abstrakte Lehre wurde erneut als zu schwierig empfunden.616 Stattdessen sollte die Anwendung des Rechts eine Anwendung marxistisch-leninistischer Erkenntnistheorie bedeuten; Unterricht und Erziehung eine Einheit bilden.617 Der Beschluss des Politbüros vom Dezember 1951, in dem etwa die Nutzung von Kommentaren in der Justiz untersagt wurde, bedeutete auch das beginnende Ende der juristischen Methodenlehre; mehr noch: jeglicher methodischen Ausbildung.618 Die Babelsberger Konferenz änderte hieran zwar im Grundsatz nichts, stigmatisierte aber die bürgerliche, objektive und formalistische Ausbildungstradi610 Büchner-Uhder/Posch, Ausbildung von Wirtschaftsjuristen, in: SuR 1964, S. 1242. 611 Heuer, Recht als Mittel zur Festigung der Arbeitsdisziplin, in: SuR 1960, S. 378 (379 f.). 612 Wolff, Inhalt und System der Ausbildung, in: NJ 1964, S. 33 f. 613 Wolff, Inhalt und System der Ausbildung, in: NJ 1964, S. 33 (35). 614 So auch Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 132. 615 Gerats, Methodik der Vorlesungen, in: NJ 1951, S. 301 (305). 616 Schindowski, Die Neuregelung des juristischen Studiums, in: NJ 1949, S. 280. 617 Gerats, Methodik der Vorlesungen, in: NJ 1951, S. 301 f. 618 Mollnau, Sozialistische Gesetzlichkeit, S. 69, Fn. 19.
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tion.619 Ohne dass ein methodisch-systematischer Gegenentwurf geboten worden wäre, wurde nun gefordert, die alte, undialektische Lehrsystematik aufzugeben.620 Stattdessen sollte die auf dem V. Parteitag der SED geforderte und auf der Babelsberger Konferenz proklamierte Einheit von Theorie und Praxis auch das Leitmotiv der juristischen Ausbildung sein.621 Dies führte zur Forderung nach einer praxisnahen Ausrichtung der Ausbildung,622 wobei ganz unterschiedliche Vorstellungen über das Ausmaß einer solchen Praxisnähe bestanden. Wohl über das Ziel hinaus schoss ein Vorschlag, kurzerhand die Theorie wortwörtlich in die Praxis zu verlegen und Vorlesungen in Werkshallen abzuhalten.623 Der eigentliche Kern der Verbindung von Theorie und Praxis auch als Grundlage des juristischen Studiums bestand in der „wissenschaftlichen Leitidee, Staat und Recht in der DDR als Machtinstrumente der Arbeiterklasse und damit als Mittel zur Errichtung des Sozialismus darzustellen.“ 624 Die Studenten sollten innerhalb ihres Studiums die „Fähigkeit der gesellschaftlichen und staatlichen Leitung“ erlangen.625 So verschob sich der Ausbildungsschwerpunkt weg von der ursprünglichen Fachwissenschaft und hin zur gesellschaftlichen Praxis;626 zur Arbeit in staatlichen Betrieben und Organen. Der Student galt aufgrund seiner gesellschaftswissenschaftlichen und fachjuristischen Kenntnisse als wissenschaftlich gebildet, war aber in erster Linie ein zur gesellschaftlichen Erziehung und staatlichen Leitung befähigter „Arbeiterjurist“.627 Das bedeutete freilich, dass er auch in der Lage war, propagandistisch die führende Rolle der SED durchzusetzen.628 Ob die sozialistische Juristenausbildung anhand der neuen Maßstäbe noch als wissenschaftlich bezeichnet werden kann, ist fragwürdig. Dass sie damals zwingend als wissenschaftlich geltend musste, erreichte Ulbricht mit einer Klarstel-
619
Mohnhaupt, Normdurchsetzung, Bd. 5, S. 75. Stiller/Schönrath/Schüssler, Vorschläge zur Gestaltung der Vorlesung über die Rolle der Arbeiter- und Bauernmacht, in: NJ 1958, S. 469. 621 Görner, Engere Verbindung mit der sozialistischen Praxis, in: NJ 1959, S. 232; Müller/Frenzel, Praxisverbundene Ausbildung der Studenten, in: NJ 1959, S. 445; Nathan, Die Entwicklung der juristischen Fakultät der Humboldt-Universität, in: NJ 1960, S. 779 (784). 622 Kulitzscher, Einige Vorschläge zur Ausbildung der Studenten, in: NJ 1958, S. 752. 623 Vgl. Görner, Engere Verbindung mit der sozialistischen Praxis, in: NJ 1959, S. 232 (233). 624 Görner, Engere Verbindung mit der sozialistischen Praxis, in: NJ 1959, S. 232 (233). 625 Görner, Engere Verbindung mit der sozialistischen Praxis, in: NJ 1959, S. 232 (234). 626 Schneider/Falk, 150 Jahre Humboldt-Universität, in: NJ 1960, S. 705 (706). 627 Ramminger, Parteierziehungsarbeit, in: SuR 1960, S. 986 (989); Schneider/Falk, 150 Jahre Humboldt-Universität, in: NJ 1960, S. 705 (707). 628 Vgl. Ramminger, Parteierziehungsarbeit, in: SuR 1960, S. 986 (987). 620
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lung: „Das Kriterium für die Wissenschaftlichkeit unserer Staats- und Rechtslehre ist ihr Nutzen für die Praxis des sozialistischen Aufbaus.“ 629 (6) Berufsbilder: Vom Richteramt zum Spezialisten Weit mehr als in den bisher betrachteten Entwicklungsstufen der juristischen Ausbildung in Deutschland stand in der DDR ein Berufsbild am Ende des Ausbildungsweges. Zumindest in der Anfangszeit war die Fähigkeit zur Ausübung eines Richteramtes im Sinne des § 2 GVG a. F., § 11 Abs. 2 GVG 1952 auch eines der Hauptanliegen der juristischen Ausbildung. So wurde die akademische Ausbildung zunächst vernachlässigt, gerade weil große Zweifel daran bestanden, ob die Fakultäten in der Lage sein würden, einen angemessenen Beitrag zur Begründung einer neuen, „demokratischen“ Justiz zu erbringen. Auch in der Folgezeit war die Ausbildung besonders auf die spätere Übernahme einer Tätigkeit als in der Justiz ausgerichtet. Gleichwohl orientierte sich die weite Vielzahl der hier betrachteten Beiträge nicht an den erwarteten Qualitäten eines Richters, sondern am Beitrag der künftigen Juristen zum Aufbau des sozialistischen Staates in Form der Anwendung des Rechts im Interesse der Arbeiterklasse im Allgemeinen. Die Funktion des Juristen als Erzieher äußerte sich zwar zunächst am deutlichsten in der richterlichen Tätigkeit, war aber nicht auf diese beschränkt. Dass sich das Studium zunächst dennoch an den Bedürfnissen der Justiz orientierte, lag nicht zuletzt daran, dass neben dem Ministerium für Volksbildung, und später dem Staatssekretariat für Hochschulwesen als einflussreichstes Staatsorgan, das Ministerium der Justiz beteiligt war und so eigene rechtspolitische Interessen vertrat.630 Trotz der Einführung eines ersten Schwerpunktstudiums im Jahr 1952 förderte das Studium noch den justizorientierten Einheitsjuristen.631 Erst die Gleichstellung der Ausbildungszweige zum Justizjuristen und zum als Justiziar eingesetzten Wirtschaftsjuristen verfestigte zwei gleichrangige, übergeordnete Berufsbilder. Anders als die Anforderungen an den Richter wurden die Erwartungen an die Fähigkeiten der späteren Justiziare und ihre Mitwirkung an der staatlichen Entwicklung deutlich formuliert und der Reform des Jahres 1963 zugrunde gelegt. (7) Beobachtungen Ein Ruf nach Reformen folgte stets einem richtungsweisenden Beschluss, einer Anordnung oder einer Rede eines hochrangigen SED-Funktionärs – maßgeb629
Ulbricht, Die Staatslehre des Marxismus-Leninismus, in: Protokoll, S. 30. Vgl. Größere Verantwortung der juristischen Fakultäten, Mitteilung, in: NJ 1963, S. 335. 631 Der Beruf des Rechtsanwalts, der schon in der Volksrichterausbildung nur in Nebensätzen behandelt wurde (vgl. die RV der DJV v. 20.9.1948, abgedruckt in: Wentker, Volksrichter, S. 224 (226)), blieb gänzlich außen vor. 630
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lich der Rede Ulbrichts auf der Babelsberger Konferenz. Die Reformen der juristischen Ausbildung dienten dazu, die Juristinnen und Juristen immer enger an den sozialistischen Staat und seine Ideologie heranzuführen und für seinen späteren Einsatzzweck brauchbar zu machen. Nur in einer kurzen Phase der sozialistischen Entwicklung des Studiums hatte der Student überhaupt einen eigenen Gestaltungsspielraum in seiner Ausbildung. Bald schon war die Organisation der juristischen Ausbildung verschult632 und so zugeschnitten worden, dass die Auszubildenden keine Möglichkeit hatten, sich der weltanschaulichen Ausbildung zu entziehen. Der strenge Aufbau sollte dazu führen, dass der Jurist am Ende seiner Ausbildung volksnah erschien und parteitreu dachte, um die für ihn vorgesehene Rolle als Staatsfunktionär zu erfüllen. Im Studium sollte der Student zwar eine fachjuristische Grundausbildung erhalten; seine tiefe weltanschauliche Bildung musste ihm aber ermöglichen, das Recht in einer späteren staatlichen Leitungstätigkeit parteilich und zielführend anzuwenden. Eine Auseinandersetzung mit den Inhalten der Fachausbildung gab es im Reformprozess nur dort, wo bürgerliche, objektive Tendenzen zurückgeschlagen werden sollten oder eine Verknüpfung mit Ideen des Marxismus-Leninismus benötigt wurde. In letztere Gruppe fallen gerade Fächer mit Staatsbezug: Vor allem die Staatslehre und das Staatsrecht sollten mehr als zuvor einen auf die spätere Praxis des Juristen konzentrierten Ausblick geben. Dass die Vermittlung der absoluten Grundlagen des Marxismus-Leninismus ab den sechziger Jahren in den Hintergrund trat und mehr Wert auf solche juristisch-weltanschaulichen Grundlagenfächer gelegt wurde, ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die sozialistische Erziehung auch in anderen Lebensbereichen ein festes Niveau erreicht hatte und auch die Fachausbildung war vollständig politisiert: Auf das Zivilrecht als Recht zwischen Einzelpersonen konnte trotz der erklärten Abkehr vom Individualismus zwar nicht verzichtet werden; durch die Abtrennung des Wirtschaftsrechts wurde seine Relevanz aber gemindert und verbleibende liberale Deutungsweisen wurden bekämpft. Die praktische Ausbildung war ebenfalls auf eine spätere Funktionärstätigkeit ausgerichtet; fachjuristische Fähigkeiten schienen kaum relevant zu sein. Diskussionsbeiträge beschränkten sich auf Leitungs- und Erziehungsgedanken. dd) Die Rolle der Universitäten Einige wesentlichen Grundzüge der sozialistischen Hochschulpolitik haben sich bereits anhand der vorangegangenen Darstellung abgezeichnet – etwa mit Blick auf das gesellschaftswissenschaftliche Grundstudium. Im Zeitpunkt der Verlagerung des Ausbildungsschwerpunktes von den Richterschulen zu den Universitäten hatte die SED ihre Macht bereits gefestigt. Ihre Auffassung vom strik632
Breithaupt, Rechtswissenschaftliche Biographie, S. 23.
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ten Erziehungsgedanken floss in die Studienreformen ein, die regelmäßig mit allgemeinen Hochschulreformen einhergingen. Gleichzeitig wurde dort die staatliche Kontrolle über das Hochschulwesen stufenweise gesteigert. Die Situation an den wiederbegründeten Universitäten soll daher kürzer skizziert werden. (1) Die Hochschulen im deutschen Sozialismus Der Grundsatz akademischer Selbstverwaltung wurde zwar durch § 5 der vorläufigen Arbeitsordnung vom 23. Mai 1949 wiederhergestellt, aber bis zu seiner baldigen endgültigen Abschaffung im Zuge der zweiten Hochschulreform zu Beginn der fünfziger Jahre längst wieder untergraben. Die durch die vorläufige Arbeitsordnung (§ 2 vAO 1949) hergestellte Aufsicht der zentralen Staatsorgane über die Hochschulen und die Übertragung der Studierendenangelegenheiten an einen durch ebenjene Aufsichtsstellen eingesetzten Studentendekan beschnitten bereits die Eigenständigkeit der Universitäten.633 Mit Beiräten und parteinahen Prodekanaten wurden Organe ideologischer Führung eingerichtet, über die sowohl von Seiten des Staatssekretariats für Hochschulwesen als auch durch die Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft politischer Einfluss genommen werden konnte.634 Gleichzeitig etablierte die von der SED unmittelbar angeleitete FDJ635 sozialistische Organisationsformen in der Studentenschaft und übernahm ihrerseits eine eigenständige Rolle in der Vermittlung politischer Inhalte. Die Beseitigung der akademischen Selbstverwaltung wurde als Kampf gegen eine Entfremdung von Wissenschaft und Volk gerechtfertigt.636 Erneut galten die Universitäten als zu brechendes Bollwerk des Liberalismus. Jegliche Forderungen nach einer freien Wissenschaft und einem freien Geiste, wie sie im Zuge des Prager Frühlings noch einmal aufkamen, wurden als bürgerlich verurteilt und abgelehnt.637 Um die Notwendigkeit von Hochschulreformen zu bekräftigen, wurden noch auf der III. Hochschulkonferenz der SED im Frühjahr 1958 erschreckende Bilder von der Situation an den Universitäten gemalt: Wenngleich man zugeben musste, dass die stärksten „reaktionären Kräfte“ durch die Entnazifizierung längst von den Universitäten verschwunden waren, sagte man den verbleibenden „reaktionären Ideologien, [dem] weitverbreiteten Objektivismus und Kosmopolitismus“, „Sozialdemokratismus und [. . .] Sektierertum“ an den Hoch633
Vgl. in diesem Abschnitt unter b) aa) (1). Nathan, Die Entwicklung der juristischen Fakultät der Humboldt-Universität, in: NJ 1960, S. 779 (785). 635 Nowack/Rudolph, Die ersten Zwischenprüfungen des 10-Monate-Studienjahres, in: NJ 1952, S. 359 (361). 636 So bereits angedeutet von Wandel, Das neue Hochschulstudium, in: Forum 1947 Nr. 1, S. 2. 637 Lingelbach, Verwaltung ohne rechtliche Grenzen, S. 1878. 634
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schulen „einen unversöhnlichen Kampf“ an.638 Aufgrund dieser Einschätzung und der Ergebnisse der Babelsberger Konferenz wurde die Kontrolle der Universitäten schließlich erneut verstärkt.639 Durch einen runderneuerten Wissenschaftsbegriff nahm die Forschungstätigkeit an den Universitäten in den fünfziger Jahren ebenfalls eine neue Form an. Das Wissenschaftsverständnis der SED gab Ulbricht auf der Babelsberger Konferenz von 1958 kund; zwar mit konkretem Bezug auf die Rechtslehre, aber durchaus mit allgemeiner Bedeutung: „Das Kriterium für die Wissenschaftlichkeit unserer Staats- und Rechtslehre ist ihr Nutzen für die Praxis des sozialistischen Aufbaus.“ Wissenschaft bedeutete also nicht mehr die „Suche nach Wahrheit“, sondern nach Lösungen für Fragen des Staatsaufbaus. Zum Fundament der Wissenschaft wurden die Parteibeschlüsse erklärt. Wissenschaftliche Erkenntnisse waren von der staatlichen Akzeptanz notwendig abhängig und waren nur mit „Ergebenheit gegenüber der Partei der Arbeiterklasse“ zu erwarten.640 Die von reaktionärem Gedankengut befreite, sowjetisierte Hochschule des Sozialismus sollte nach Auffassung der Partei schließlich zwei Kernaufgaben wahrnehmen: Sie sollte der Mittelpunkt sowohl wissenschaftlicher Arbeit als auch der Kaderentwicklung sein.641 Bald sank auch die Bedeutung der Universitäten für die Wissenschaft, als die Forschungsaufgaben vermehrt an Akademien ausgegliedert wurden.642 Umso mehr rückte damit die Rolle der Universitäten als Stätte vertiefter ideologischer Erziehung in den Vordergrund.643 (2) Die Lehre mit besonderem Blick auf die Staatsrechtslehre Auch die Lehre musste sich den neuen Vorgaben der SED anschließen; jedenfalls der geringe Teil, der nicht bereits in der frühen Besatzungszeit aus Sorge vor der sowjetischen Politik644, aufgrund der Entnazifizierungsmaßnahmen oder infolge der weiteren Politisierung und Stalinisierung spätestens nach der III. Hochschulkonferenz645 Position und Land verlassen hatte.
638
Die nächsten Aufgaben, abgedruckt in: Baske/Engelbert, S. 174 (175 f.). Vgl. Hager, Der Kampf um die weitere sozialistische Umgestaltung, abgedruckt in: Baske/Engelbert, Dokumente, S. 375. 640 Grüneberg, Für eine Wende, in: SuR 1959 Beiheft 1, S. 1 (39). 641 So Benjamin, zitiert nach Polak, Bericht über die theoretische Konferenz am 15. und 16. Dezember 1951, in: NJ 1952, S. 7 (12). 642 Hering, Verbesserung der Erziehungsarbeit an den juristischen Fakultäten, in: SuR 1954, S. 181 (199). 643 Ranke/Jahn, Der V. Parteitag und einige Aufgaben der Justizorgane, in: NJ 1958, S. 517 (518); Rühle, Idee und Gestalt der deutschen Universität, S. 202. 644 Richert, Sozialistische Universität, S. 12. 645 Liwinska, Die juristische Ausbildung, S. 94. 639
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(a) Lehrfreiheit und Beamtenstellung Die spätestens auf der Babelsberger Konferenz abschließend bestätigte, unbedingte Bindung der Hochschullehrer an den Marxismus-Leninismus der SED lässt erahnen, wie es um die Lehrfreiheit bestellt war. Doch zumindest in der ersten Verfassung der DDR von 1949 wurde diese wenigstens formal neben der Freiheit der Wissenschaft in Art. 34 Abs. 1 garantiert: „Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei.“ Bereits der nächste Absatz brachte allerdings die rechtliche Relativierung in Form einer weiten, politisch offenen Schranke: „Der Staat nimmt an ihrer Pflege teil und gewährt ihnen Schutz, insbesondere gegen den Mißbrauch für Zwecke, die den Bestimmungen und dem Geist der Verfassung widersprechen.“ Eine Lehrfreiheit wurde nur so weit gewährt, wie die Lehre im Einklang mit dem sozialistischen Geist der Verfassung stand. Was im Einklang mit dem sozialistischen Geist stand, bestimmte die wiederum die SED. Das sozialistische Konzept von Lehre als Anleitung zum Handeln,646 konkretisierte die Aufgabe der Lehre schon so weit, dass in ideologischer Hinsicht ohnehin keine Freiräume bestanden: Die Aufgabe des Hochschullehrers war primär die Erziehung der Studierenden; sekundär das Vermitteln der eigentlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Vorlesungen wurden nach der Babelsberger Konferenz vermehrt durch rechtsgebietsspezifische Kommissionen an den Fakultäten ausgearbeitet und vereinheitlicht,647 noch bis 1964 teilweise aber den Dozenten überlassen; dafür fanden regelmäßig Hospitationen durch Mitarbeiter der Aufsichtsbehörden statt.648 Mängel in der ideologischen Tiefe der Ausbildung konnten durch die Erziehungsarbeit sozialistischer Studiengruppen aufgefangen;649 potenziell schädliche, weil liberale, Einflüsse durch liberale Rechtslehrer abgeschwächt werden. Die Auslese der Hochschullehrer war streng und die Maßstäbe für die Erteilung einer Lehrbefähigung wurden mit dem Ausbau der Parteimacht nur weiter erhöht. Nach der dritten Hochschulreform am Ende der sechziger Jahre650 wurden für eine Berufung grundsätzlich insgesamt zwei Promotionen anstelle der früheren Habilitation benötigt. Eine Promotion kam nur bei Vorliegen eines Nachweises über die Beherrschung marxistisch-leninistischer Kenntnisse und
646
Die nächsten Aufgaben, abgedruckt in: Baske/Engelbert, Dokumente, S. 174
(177). 647 Rosenthal, Die Juristenausbildung in der SBZ, in: Jahrbuch für Ostrecht 1960 (Bd. I, H. 2), S. 7 (17). 648 Wolff, Inhalt und System der Ausbildung, in: NJ 1964, S. 33 (35). 649 Vgl. Panzram/Maskow/Zimmermann, Die sozialistischen Studiengruppen, in: NJ 1960, S. 708 (708 f., 711). 650 Die dritte Hochschulreform liegt damit zwar außerhalb des Betrachtungszeitraums. Sie setzte allerdings hinsichtlich der Auswahl der Dozenten eine bereits in Gang gesetzte Entwicklung weiter um und soll daher kurz erwähnt sein.
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einer aktiven Beteiligung an der Lösung politisch-sozialer Probleme des Staates in Betracht. Die Lehrbefähigung wurde teils aber auch ohne zweite Promotion erteilt – bei hinreichender politischer Wichtigkeit.651 So wurde ein beschleunigtes Nachrücken der parteitreuen Kader in Lehrpositionen begünstigt. Im Zuge der Umsetzung der „Einheit von Theorie und Praxis“ wurden später auch die praktischen Anforderungen an die Hochschullehrer verschärft. Soweit keine zweijährige Praxiserfahrung nachgewiesen werden konnte, mussten sich die Rechtslehrer in Betrieben weiterbilden lassen.652 Kritik an einer nicht hinreichend marxistisch-leninistischen inneren und äußeren Einstellung der Lehrenden, wie sie auf der Babelsberger Konferenz geäußert wurde, gab es in dieser Schärfe nicht erneut. Das Problem erschien allerdings in den Folgejahren auch nicht gelöst.653 Überdies genügte der Staatsführung die Menge an Veröffentlichungen nicht. Ulbrichts Forderung nach einem „echte(n) Meinungsstreit über die Anwendung unserer Staatstheorie und die Probleme des sozialistischen Rechts“ als Beitrag zum „großen sozialistischen Aufbauwerk“ 654 konnte nur teilweise erfüllt werden, sodass hier auch öffentlicher Druck aufgebaut wurde. Einzelne Aufforderungen zu vermehrter Zusammenarbeit655 wurden ab dem Ende der fünfziger Jahre von einem Verlangen nach wahrer Kollektivarbeit abgelöst.656 So sollte einerseits die gewünschte Zahl an Publikationen erreicht werden, andererseits der Grundsatz sozialistischer Gemeinschaftsarbeit657 auch in Lehre und Forschung ankommen, der mit der Unterteilung der Universitäten in Sektionen und die Einführung von Forschungskollektiven zum Ende der sechziger Jahre das neue Bild der sozialistischen Hochschule prägte. Die Kollektive sollten ihrerseits nicht bloß die Anzahl an Veröffentlichungen mehren; der Einbezug der Lehrkräfte in Kollektive diente auch zur Erziehung und als Erinnerung des Einzelnen an die eigene „politisch-moralische Verpflichtung“ zur Mitarbeit.658 Hochschullehrer, die dieser Entwicklung unter Verweis auf die „Lehrfreiheit“ öffentlich659 widersprochen hätten, gab es nicht.
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Breithaupt, Rechtswissenschaftliche Biographie, S. 16 f. Wolff, Inhalt und System der Ausbildung und Weiterbildung der Juristen, in: NJ 1964, S. 33 (35). 653 Vgl. Grüneberg, Für eine Wende, in: SuR 1959 Beiheft 1, S. 1 (3 ff.). 654 Ulbricht, Die Staatslehre des Marxismus-Leninismus, Protokoll, S. 50. 655 Hering, Verbesserung der Erziehungsarbeit an den juristischen Fakultäten, in: SuR 1954, S. 181 (199). 656 Nathan, Die Entwicklung der rechtswissenschaftlichen Lehre, in: NJ 1959, S. 678 (680). 657 Kellner, Für die Weiterentwicklung der Staats- und Rechtswissenschaft, in: NJ 1960, S. 65 (65 f.). 658 Grüneberg, Für eine Wende, in: SuR 1959 Beiheft 1, S. 1 (42). 659 Gleichwohl wird von einer teils ablehnenden Stimmung berichtet, vgl. Grüneberg, Für eine Wende, in: SuR 1959 Beiheft 1, S. 1 (43). 652
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(b) Die sozialistische Staatsrechtslehre Insbesondere gab es keinen Widerspruch aus der Staatsrechtslehre. Die Voraussetzungen dafür hatte schon die personelle Entwicklung in der Besatzungszeit geschaffen, die sich gerade im öffentlichen Recht als regelrechter „Kahlschlag“ bemerkbar machte.660 An die Stelle der Vordenker eines nationalsozialistischen Staates rückten nun die des marxistisch-leninistischen Staates und seiner Staatslehre. Namentlich waren das Karl Polak und Alfons Steiniger.661 Besonders Polak stach heraus, der – wenn auch unter Rückgriff auf die Grundlagen Wyschinskis – den Rechtsbegriff der DDR schöpfte.662 Dessen Lehre war so bestimmend, dass Kritik hieran erst zulässig wurde, als der Untergang des Staates ohnehin kurz bevorstand.663 Polak war es auch, der früh die Aufgaben und Arbeitsweise der neuen Staatswissenschaft und Staatslehre umriss: „Die Heranführung der Massen an den Staat durch die Überwindung überkommener, längst unzeitgemäß gewordener ideologischer und organisatorischer Einrichtungen“; der Kampf gegen den „alten Rechtsformalismus“ von Weimar.664 Diesen Gegensatz der Weimarer und der sozialistischen Staatsrechtslehre wiederholte Ulbricht zehn Jahre später in Babelsberg: Die bürgerliche Staatslehre habe „die Aufgabe, den bestehenden Zustand der kapitalistischen Produktions-, Ausbeutungs- und politischen Machtverhältnisse zu erhalten“.665 „Der [. . .] Gegenstand unserer Staatslehre ist die Anwendung der marxistisch-leninistischen Lehre von der Entwicklung der Gesellschaft und der Natur auf die Bedingungen, unter denen sich die Umwälzung vom Kapitalismus zum Sozialismus bei uns auf staatlichem Gebiet vollzieht.“ 666 Die allseitig geforderte Abkehr von der „abstrakt-normativistische[n] Methode des bürgerlichen Staatswesens“ 667 bedeutete einerseits die unbedingte Verbindung der Staatslehre mit den Anschauungen Marx’ und Lenins, andererseits eine vollständige Abkehr von bürgerlichen Begriffen. Der angeblich inhaltsleere Rechtsstaatsbegriff wurde auf Betreiben Polaks, trotz einiger – nicht stalinistischer, aber doch sozialistischer – Fürsprecher fallen gelassen.668 An dessen Platz rückte das Konzept
660
Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 4, S. 105. Nathan, Die Entwicklung der rechtswissenschaftlichen Lehre, in: NJ 1959, S. 678. Steiniger war zudem Begründer und erster Präsident der Deutschen Verwaltungsakademie, vgl. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 4, S. 114. 662 Howe, Karl Polak, S. 209; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 4, S. 100. 663 Roggemann, Verfassungsrecht der DDR, S. 157. 664 Polak, Marxismus und Staatslehre, 57. 665 Ulbricht, Die Staatslehre des Marxismus-Leninismus, in: Protokoll, S. 31. 666 Ulbricht, Die Staatslehre des Marxismus-Leninismus, in: NJ 1958, S. 257 (259). 667 Kröger, in: Protokoll, S. 132; Polak, Zur Dialektik in der Staatslehre, S. IX. 668 Mollnau, Sozialistische Gesetzlichkeit, S. 62 ff. 661
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sozialistischer Gesetzlichkeit,669 während der Rechtsstaatsbegriff nur noch der Abgrenzung vom Westen diente.670 Mit der Unterstützung Ulbrichts erhielt die neue Staatslehre das Mandat zur staatstheoretischen Aufbereitung der marxistisch-leninistischen Grundlagen. Ein Verbot der Kommentierung der Verfassung der DDR671 und die Bindungswirkung der Parteibeschlüsse, die selbst als „wissenschaftliche Erkenntnisse“ und „objektive [. . .] Wahrheiten“ 672 anzuerkennen waren, sicherten letztlich die Deutungshoheit der SED über die Verfassung. Der tatsächliche Gestaltungsspielraum der Staatslehre war damit eng eingegrenzt. (3) Beobachtungen Die sozialistische Universität und die sozialistische Lehre waren vollständig in die neuen Staatsstrukturen eingebunden und unterlagen der Kontrolle und Lenkung der SED. Die Beseitigung des Grundsatzes akademischer Selbstverwaltung, der Verzicht auf jegliche Diskussion über die akademischen Grundfreiheiten und nicht zuletzt der Einsatz parteitreuer Hochschullehrer garantierten eine grundsätzlich reibungslose Durchführung eines verschulten sozialistischen Lehrbetriebs.
III. Auswertung 1. Juristen und Staat Während die DDR noch lange Zeit unter dem unmittelbaren Einfluss der Sowjetunion stand und in der Zeit ihrer Existenz von dieser abhängig war, bleibt dies in der Untersuchung eines Verhältnisses der Juristen zum Staat weitgehend außen vor. Schon die SMAD hatte ein besonderes Vertrauen gegenüber der neuen deutschen Führung und ließ den Sozialisten und Kommunisten weitgehend freie Hand, auch in rechtspolitischen Details.673 Die Grundlage einer neuen Beziehung zwischen dem neuen Staat und den Juristen war allerdings die angeordnete, strenge Entnazifizierung. Die in ihren öffentlichen Ämtern verbliebenen Juristen waren zwar nicht allesamt Sozialisten, aber doch willens, von den Verhältnissen des nationalsozialistischen Staates sowie von dessen Recht und Justizwesen Abstand zu nehmen. Die Errichtung der SED-Diktatur und die Verkündung des Aufbaus des Sozialismus vertrieb schließlich einen Teil der Juristen, der eine Opposition hätte darstellen können. Dennoch blieb die Befürchtung, gerade eine neue Justiz könnte 669
Mollnau, Sozialistische Gesetzlichkeit, S. 61. Mollnau, Sozialistische Gesetzlichkeit, S. 66. Siehe etwa Meister, Rechtsstaat ohne Gerichtigkeit, in: SuR 1964, S. 1149 (1168 f.). 671 Mollnau, Sozialistische Gesetzlichkeit, S. 68. 672 Grüneberg, Für eine Wende, in: SuR 1959 Beiheft 1, S. 1 (36). 673 Richert, Sozialistische Universität, S. 14. 670
III. Auswertung
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eine unabhängige Kraft im Staat bilden674 und den universalen Machtanspruch der Partei in Frage stellen. Die Gegenmaßnahmen waren so umfassend wie ausgewogen: Durch die Einführung des Volksrichters wurde ein neues Umfeld geschaffen, das die Rechtspflege für den Einfluss der sozialistischen Weltanschauung öffnete. Durch verpflichtende Weiterbildungen wurde dieser Einfluss kontinuierlich erhöht. Die Macht der einzelnen Justizjuristen wurde durch ein striktes, rechtsförmiges System gegenseitiger Kontrolle, an dessen Spitze Volkskammer und Parteifunktionäre standen, stark begrenzt. Neue Strukturen und die Kaderarbeit gerade in der Justiz675 ermöglichten den direkten Einbezug der Juristen in die staatliche Leitungstätigkeit, machte sie gleichzeitig aber politisch lenkbar. Auf Drohungen oder gar eine implizite Androhung politischer Verfolgung wurde verzichtet. Anders als im Nationalsozialismus wurden das Recht und die Juristen wesentlich deutlicher als wichtiges Instrument der staatlichen Organisation gesehen. Eine Abschaffung des Juristenstands war nur ganz hypothetisch denkbar. Im Gegenteil wurde stets ausdrücklich die Wichtigkeit der Achtung des Staatsapparats gegenüber Juristen betont – Kritik in Einzelfällen aber für berechtigt und erforderlich befunden.676 Trotz allem: In der Volkskammer, dem vermeintlich demokratisch legitimierten Zentrum des sozialistischen Staates saßen kaum Juristen.677 2. Staatliche Juristenleitbilder Anders als beide Vorgängerstaaten befasste sich die DDR bis in die Spitzen des Staates und der Partei eingehend mit der Rolle des Rechts und der Juristen in der neuen Ordnung. Für den Juristen galt wie für das Recht, dass seine Rolle im Staat in der Durchsetzung der Herrschaft der Arbeiterklasse und der sie vermeintlich repräsentierenden Partei lag. a) Leitbilder der juristischen Ausbildung Die sozialistische Juristenausbildung war ein Ausdruck der allgegenwärtigen Erziehung der Menschen zum Sozialismus und bereitete auf eine Tätigkeit als „Fachmann [. . .] für die staatliche Leistungsarbeit“ 678 vor. Dieser Staatsfunktionär musste in der Lage sein, das Recht parteilich und unter Berücksichtigung der Beschlüsse der Partei und ihrer Organe anzuwenden. Im Studium musste er dazu vor allem die Hintergründe, Funktion und Organisation nicht nur des eigenen 674 Rede Ulbrichts auf dem II. Parteitag der SED, zitiert nach H. N., Einführung neuer Richter, in: NJ 1957, S. 537. 675 Vgl. die Rede Fechners, abgedruckt in: Die Anwendung der neuen Gesetze, in: NJ 1952, S. 497 (498). 676 Polak, Bericht über die theoretische Konferenz am 15. und 16. Dezember 1951, in: NJ 1952, S. 7 (10). 677 Dahrendorf, Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, S. 261. 678 Kröger, Diskussionen, in: Protokoll, S. 132.
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D. Die Deutsche Demokratische Republik
Staates begreifen. Auch die Fehler und Verbrechen der angeblich imperialistischen westlichen Staaten musste er erkannt haben. Fachliche Mängel selbst waren nie ein Problem – jedenfalls keines, das nicht durch eine entsprechende weltanschauliche Festigung ausgeglichen werden konnte. Der Student wurde dafür geschult, in staatlicher Funktion in erster Linie eng mit den Bürgern zusammenzuarbeiten – ob als Richter im Prozess oder als Wirtschaftsjurist in einem der staatlichen Betriebe. Im Arbeiter- und Bauernstaat funktionierte das nur, wenn der Jurist als „Arbeiterjurist“ erschien und in der Lage war, den Menschen, für die er verantwortlich war, volksnah zu begegnen und sie zur Staatstreue und zum sozialistischen Handeln zu erziehen. Gleichzeitig bedurfte der Jurist auch eines Talents für die staatliche und betriebliche Verwaltung und Führung bei der Umsetzung der sozialistischen Planvorgaben, ohne dass er dabei ein objektiver, unparteiischer Bürokrat sein durfte. Am Ende der betrachteten Entwicklung war der Jurist ein Staatsfunktionär mit besonders rechtlichem Einsatzgebiet, der weder sozial noch fachlich als Jurist aus der Gesellschaft herausstach. So vollzog sich schrittweise eine „Entprofessionalisierung des Juristenstandes“.679 b) Sozialistische Richterbilder: Der erziehende Richter im sozialistischen Kader Dies galt auch für den Richter. Nach außen hin sollte er zwar nicht den „Rechtsstaat“ verkörpern, dafür aber die sozialistische Gesetzlichkeit – ihre Geltung und Funktionsfähigkeit. Gerade der Richter sollte gleichzeitig als unabhängig und als Teil der sozialistischen Gesellschaft erscheinen. Dazu trugen der nur noch rein propagandistisch genutzte Begriff der Unabhängigkeit des Richters ebenso bei wie die parteiliche Kaderarbeit. Mit dieser in die sozialistische Gesellschaft fest integrierten Stellung sollte er Staatsfeinde bekämpfen und das Volk erziehen – mit dem Beginn der sechziger Jahre vor allem auch zur produktiven Mitarbeit in der Volkswirtschaft. 3. Juristenleitbilder und Staatsbewahrung Gerade in den ersten Jahren bedurfte es vor der Etablierung eines neuen sozialistischen Leitbildes zunächst überhaupt einer Rechtspflege, die die Rechtsordnung in der Besatzungszone durchsetzen konnte. Die Staatsgründung knüpfte die Aufgaben des Juristen schließlich an die Durchsetzung der sozialistischen Ordnung. Wie in der Ausbildung galt für die spätere Tätigkeit der Juristen: „Aufbau des Sozialismus ist in erster Linie eine Frage der Erziehung der Menschen“.680 679
Mollnau, Sozialistische Gesetzlichkeit, S. 69, Fn. 19. Hager, Der Kampf für die weitere sozialistische Umgestaltung, abgedruckt in: Baske/Engelbert, Dokumente, S. 376. 680
III. Auswertung
271
Und das Recht galt der Justizführung als entscheidender „Faktor der Bildung des sozialistischen Bewußtseins und der gesellschaftlichen Erziehung, im Besonderen auch der Vorbeugung von Rechtsverletzungen.“ 681 Der Jurist in seiner Funktion als Erzieher des Volkes war damit direkt verantwortlich für den Aufbau des Sozialismus und die Anerkennung der neuen sozialistischen Gesetzlichkeit; für die Entwicklung eines sozialistischen Rechtsbewusstseins.682 Welche konkrete Art des Staatsfunktionärs darüber hinaus benötigt und hervorgebracht wurde, hing unmittelbar mit den Bedürfnissen des Staates zusammen und war einer eingehenden Planung unterworfen. In seiner Hauptrolle als Staatsfunktionär diente der Jurist zwangsläufig der Festigung der neuen Staatsform; in diesem Fall der Parteiherrschaft der SED und den sozialistischen Strukturen.
681
Benjamin, Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, in: NJ 1958, S. 509. Panzram/Maskow, Erziehungs- und Bildungsarbeit, in: SuR 1960, S. 471. Damit entsprach die Funktion des Juristen im Grundsatz auch der des Sowjetischen, vgl. Engelbert, Aufschwung, in: SuR 1964, S. 2174 (2175 f.). 682
E. Die Bundesrepublik Deutschland I. Grundlegendes 1. Beobachtungszeitraum und wichtige Stationen Für die Bundesrepublik ist wie für die DDR eine Eingrenzung des Beobachtungszeitraums zwingend erforderlich. Die Betrachtung beginnt, wie bereits im vorherigen Abschnitt, in der Besatzungszeit. Anders als im Osten lässt sich die staatliche Entwicklung des Westens – mangels zentraler Planung – nicht in kurze, prägnante Phasen einteilen. Auf die Besatzungszeit, in der bereits ein wirtschaftlicher Nachkriegsboom einsetzte, folgten die ersten Jahre unter dem Grundgesetz und unter der Kanzlerschaft Konrad Adenauers. Der nächste bezeichnende Einschnitt der Bundesrepublik war auf verfassungsrechtlicher Ebene die Einführung der Notstandsgesetze1 im Jahr 1968, auf gesellschaftlicher der Beginn der „68er-Bewegung“. Das Ende des Beobachtungszeitraums soll vor diesem erneuten Auf- und Umbruch2 in der Entwicklung in der Geschichte der Bundesrepublik gesetzt werden. Weitestgehend parallel zum letzten Kapitel geht die Betrachtung daher nicht grundlegend über das Jahr 1965 hinaus. 2. Grundentscheidungen der neuen liberalen Verfassung Am 23. Mai 1949 wurde das vom Parlamentarischen Rat am 8. Mai verabschiedete Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland erlassen.3 Unabhängig von der Frage, ob das 1871 gegründete „Deutsche Reich“ rechtlich noch bestand: Der Parlamentarische Rat war sich einig, dass seine Zeit vorüber sein musste.4 Bereits in der Präambel wurden wesentliche Grundentscheidungen für die neue deutsche Ordnung angedeutet: „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat das Deutsche Volk [. . .], um dem staatlichen Leben für eine Überganszeit eine neue Ordnung zu geben, [. . .] dieses Grundgesetz 1 Siebzehntes Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes v. 24.6.1968, BGBl. I 1968, S. 709. 2 Schieder, Ethisch motivierter Rechtsungehorsam, S. 6; Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 475. 3 BGBl. I 1949, S. 1. 4 Vgl. von Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz I, S. 27.
I. Grundlegendes
273
[. . .] beschlossen. Es hat auch für jene Deutschen gehandelt, denen mitzuwirken versagt war. Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.“ Ausdrücklich bekannte sich das Grundgesetz zur deutschen Verantwortung gegenüber dem Menschen und dem Frieden in Europa und der Welt. Weil es davon ausging, dass zu einem späteren Zeitpunkt eine gesamtdeutsche Verfassung erlassen würde, verzichtete es auf diesen Begriff. Dass es sich letztlich doch um nichts anderes als eine Verfassung handelte, war schon den ersten Rezipienten bewusst.5 Früh mutmaßten auch einige, dass es nicht zwingend bei einem provisorischen Charakter bleiben würde.6 In zwei zentralen Punkten knüpfte das Grundgesetz an die Tradition der Weimarer Reichsverfassung an: in der Wiedereinführung des Parlamentarismus und des Föderalismus. An anderer Stelle grenzte sich das Grundgesetz hingegen scharf von der Weimarer Staatsorganisation ab: Plebiszite wurden massiv zurückgenommen; der den Reichspräsidenten ersetzende Bundespräsident weitestgehend entmachtet; ein Recht des Ausnahmezustandes bis 1968 nicht eingeführt. Zudem wurde in Art. 20 Abs. 1 GG ausdrücklich der Begriff des Sozialstaats aufgenommen, auch wenn dessen Bedeutung zunächst umstritten war und von manchen gänzlich abgestritten wurde.7 Das Grundgesetz sollte sich allerdings nicht nur in Teilfragen der staatlichen Organisation von der Weimarer Verfassung unterscheiden; auch ihrem Wesen nach sollte die neue Ordnung sich deutlich abheben. Die zweite Republik sollte von einer „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ getragen sein – genannt unter anderem in Art. 10 Abs. 2 S. 2, 11 Abs. 2, 18 S. 1 und 21 Abs. 2 GG. Trotz ihrer Nennung im Zusammenhang mit unterschiedlichen Vorschriften des Grundgesetzes wurde zur rechtlichen Tragweite der neuen Grundordnung nichts ausgeführt. Damit galt diese Aufgabe der Rechtsprechung überlassen.8 Im ersten Parteiverbotsverfahren der Republik bemühte sich sodann auch das Bundesverfassungsgericht um eine rechtliche Konkretisierung und stellte damit hauptsächlich die Artikel 1 bis 21 sowie 97 Abs. 1 des Grundgesetzes zusammen: Die freiheitlich-demokratische Grundordnung sei „eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind 5 Ipsen, Über das Grundgesetz, S. 8. Auch mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG, der von „Treue zur Verfassung“ spricht und damit das zweifellos Grundgesetz meint. Dahingehend kritisch Grewe, Das Grundgesetz, in: DRZ 1949, S. 313 (313, 315). 6 Weber, Spannungen und Kräfte, S. 15. Für ein Provisorium im Hinblick auf eine erwartete Wiedervereinigung aber Ipsen, Über das Grundgesetz, S. 41. 7 Dazu kurz in diesem Kapitel II. 3. c) bb) (2). 8 Jahrreiss, Das Bundesverfassungsgericht, in: JuV 1950, S. 121 (122). Kritisch die BReg im Entwurf zum BVerfGG in: BTDrs. 01/788, § 34.
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E. Die Bundesrepublik Deutschland
mindestens zu rechnen: Die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung,9 die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.“ 10 Diesen Gedanken des Primats der Freiheitlichkeit verdeutlichte schon der Aufbau des Grundgesetzes im Unterschied zur Weimarer Verfassung: Nicht mehr die Republikform und der Ursprung der Staatsgewalt aus dem Volke, sondern die Menschenwürde und die Bindung aller Gewalten an die Grundrechte11 wurden an die Spitze der Verfassung gestellt. Mit seinem „Lüth-Urteil“ verlieh wiederum das Bundesverfassungsgericht den Grundrechten eine Dimension, die aus dem reinen Verfassungstext nicht bereits hervorging. Es stellte aufbauend auf seinem Urteil zum SRP-Verbot fest, dass „das [Grundgesetz] keine wertneutrale Ordnung sein will [. . .], in seinem Grundrechtsabschnitt auch eine objektive Wertordnung aufgerichtet hat und daß gerade hierin eine prinzipielle Verstärkung der Geltungskraft der Grundrechte zum Ausdruck kommt [. . .]. Dieses Wertsystem, das seinen Mittelpunkt in der innerhalb der sozialen Gemeinschaft sich frei entfaltenden menschlichen Persönlichkeit und ihrer Würde findet, muß als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gelten.“ 12 Die freiheitlich-demokratischen Ordnung des Grundgesetzes wurde so durch eine neue, objektive Wertordnung ergänzt.13 In dem Versuch einer Stabilisierung der staatlichen Strukturen gegenüber den Weimarer Verhältnissen wurden der Verfassung Schutzmechanismen verliehen: Die Möglichkeit der Aberkennung der Grundrechte des Art. 18 GG und die „Ewigkeitsklausel“ in Art. 79 Abs. 3 GG boten dem wohlgesonnenen Betrachter das Bild einer „durch Schaden klug gewordene[n,] [. . .] militante[n] Demokratie“;14 einer wehrhaften Verfassung. Ihr heute zumindest theoretisch deutlichster 9 Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung wurde unterstrichen von der Rechtswegsgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Mit dem richterlichen Schutz der eigenen Rechte kehrten auch die subjektiven-öffentlichen Rechte zurück: Aufgrund der dogmatischen Unklarheit kritisch, aber konservativ, Bachof, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, in: VVDStRL 12 (1954), S. 72 ff. So auch Naumann, Aussprache, in: VVDStRL 12 (1954), S. 115. 10 BVerfGE 2, 1 (1, 12 f.) – SRP-Verbot. 11 Ähnlich im Landesrecht, vgl. Thieme, „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“, in: JZ 1955, S. 657. 12 BVerfGE 7, 198 (205) – Lüth-Urteil. 13 Zur Kritik Schmitts an der Verwertung des Rechts s. unter II. 3. c) bb) (2). Zur Entwicklung der objektiven Wertordnung in der jüngeren Rechtsprechung des BVerfG vgl. Sandkühler, Nach dem Unrecht, S. 232. 14 Thoma, Die Lehrfreiheit der Hochschullehrer, S. 25.
II. Staat und Juristen in der Bundesrepublik
275
Ausdruck hingegen, das Widerstandsrecht des Art. 20 Abs. 4 GG, wurde zwar früh diskutiert15, aber vom Parlamentarischen Rat noch mit großer Mehrheit abgelehnt: Man befürchtete, dadurch Ausschreitungen zu legitimieren.16 Die Einführung des Widerstandsrechtes folgte daher erst später, gemeinsam mit den Notstandsgesetzen.
II. Staat und Juristen in der Bundesrepublik „Man schüttet kein dreckiges Wasser aus, wenn man kein reines hat.“
Gleich mehrmals verbildlichte der erste Bundeskanzler der zweiten Republik mit diesem rheinischen Sprichwort, nach welchen Maßstäben er den deutschen Wiederaufbau angehen würde.17 Zwar können die politischen Prinzipien eines Konrad Adenauers keineswegs für die Bundesrepublik verallgemeinert werden wie die eines Walter Ulbricht für die DDR; das tatsächliche Verhältnis des Staates zu seinen Juristen ist damit allenfalls angedeutet. Für die personelle Zusammensetzung des verbeamteten Juristenstandes der Bundesrepublik handelte es sich gleichwohl um das Gebot der Stunde: In der Ära Adenauer konnten zahlreiche „entnazifizierte“ Richter und andere Juristen des „Dritten Reiches“ erstmals oder erneut in führende Positionen des neuen Staates aufrücken.18 Von 53.000 Beamten, die in den westlichen Besatzungszonen entlassen wurden, wurden nur 1071 für unfähig zur Führung eines öffentlichen Amtes erklärt.19 Über das neue Beamtenrecht und das Ausführungsgesetz zu Art. 131 GG20, das sogenannte „131er Gesetz“ wurde einem denkbar weiten Kreis an Beamten die Rückkehr in die staatlichen Strukturen ermöglicht.21 Den in den Regierungs- und Verwaltungsapparat der Bundesrepublik übernommenen nationalsozialistischen Funktionären standen diejenigen gegenüber, die nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten aufgrund ihrer Abstammung oder ihrer politischen Einstellung ins Exil geflohen waren oder sich wenigstens zurückgezogen hatten.22 15
Vgl. DRZ 1946, S. 176. Johst, Begrenzung des Rechtsgehorsams, S. 1 f. 17 Erklärung Adenauers gegenüber dem französischen Hohen Kommissar FrançoisPoncet mit Angaben zum Ursprung des Ausspruches; in diesem Fall bezogen auf die Liquidation großer Unternehmen, vgl. BA online, Kabinettsprotokolle 1950, Dokument Nr. 46, 23. September 1950. In Bezug auf die personelle Besetzung vgl. o. A., Dreckiges Wasser, in: Der Spiegel 51/1993, S. 68. 18 Weniger, Politische Bildung und staatsbürgerliche Erziehung, S. 6; Perels, Demokratie und soziale Emanzipation, S. 59, Anm. 44. Eine Übersicht belasteter Justizjuristen und ihrer alten und neuen Positionen findet sich bei von Miquel, Ahnden oder amnestieren?, S. 385 ff. 19 Niethammer, Reform und Rekonstruktion, S. 52. 20 BGBl. I 1951, S. 1685. 21 Niethammer, Reform und Rekonstruktion, S. 54. 22 Darunter etwa Rudolf Amelunxen: Bis 1932 leitender Verwaltungsbeamter in Preußen, nach dem Krieg zunächst Ministerpräsident, später Sozialminister und schließ16
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E. Die Bundesrepublik Deutschland
1. Zur Rechtskonzeption in der Bundesrepublik Die Pervertierung des Rechts und der Rechtsförmigkeit beim Aufbau der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft forderte mindestens eine Abgrenzung, wenn nicht die Schaffung einer neuen liberalen Rechtskonzeption; eine „Erneuerung des Rechts in der Tiefe“.23 Eine rechtswissenschaftliche Debatte über den neuen Rechtsbegriff stieß Gustav Radbruch mit seinem Aufsatz „Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht“ an, der 1946 in der Süddeutschen Juristen-Zeitung erschien. Die Schrift war eine Abrechnung mit dem Rechtspositivismus, den Radbruch für die Anfälligkeit der Juristen für die nationalsozialistische Willkürherrschaft verantwortlich machte.24 Den Frank’schen Ausspruch, „Recht ist, was dem Volke nützt“ verwarf er und setzte bei Begriffen an, die sich schon früher bewährt hatten: Recht, Rechtssicherheit und Gerechtigkeit.25 Dort, wo das positive Recht in einem unerträglichen Widerspruch zur Gerechtigkeit stand, sollte das Bedürfnis nach Rechtssicherheit zurückstehen, das positive Recht seine „Rechtsnatur“ verlieren.26 Der Rechtsanwender würde sodann auf der Grundlage eines gerechten Rechts entscheiden müssen. Die Radbruch’sche Formel war geschaffen; die Naturrechtsdebatte eröffnet.27 Radbruchs Ausführungen zum Recht, insbesondere zum Verhältnis zwischen positivem Recht und Naturrecht, wurden unterschiedlich rezipiert. In den meisten Fällen wurde ihnen zugestimmt und sie wurden weiterentwickelt. Sie blieben aber nicht ohne Warnungen und Vorbehalte. Auf der Wiesbadener Tagung der Justizverwaltungen im Jahr 1946 wurde eine Abkehr vom Positivismus verkündet, gleichzeitig aber gemahnt, in der nachlassenden Bindung an das positive Recht eine Grenze zur Rechtsfeindlichkeit nicht zu überschreiten.28 Auch wurde dort vor einer Überschätzung des Naturrechts gewarnt.29 Dass diese Warnung
lich Justizminister in Nordrhein-Westfalen, vgl. Bleibtreu, Ein demokratischer Justizminister, in: DRiZ 1958, S. 158 (158 f.). 23 Fechner, Über die Notwendigkeit der Rechtsphilosophie, in: DRZ 1947, S. 385 (390). 24 Radbruch, Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht, in: SJZ 1946, S. 105 (107). 25 Radbruch, Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht, in: SJZ 1946, S. 105 (107). 26 Radbruch, Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht, in: SJZ 1946, S. 105 (107). 27 Mit der Bezeichnung Radbruchs als „Randfigur“ der neuen Naturrechtsdebatte, vgl. Foljanty, Recht oder Gesetz, S. 16; siehe dazu auch dies., a. a. O., S. 335. Radbruchs zentrale Rolle betonend dagegen Rüthers, Recht oder Gesetz?, in: JZ 2013, 822 (824). 28 M., Die Wiesbadener Tagung, in: DRZ 1947, S. 27 (28). 29 Vgl. M., Die Wiesbadener Tagung, in: DRZ 1947, S. 27 (28). Nur selten wurde aber davor gewarnt, sich überhaupt übereilt dem Naturrecht hinzuwenden, so aber
II. Staat und Juristen in der Bundesrepublik
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nicht unberechtigt war, zeigte sich an der unterschiedlichen Auffassung davon, worin eigentlich der Ursprung des Naturrechts liegen sollte.30 Radbruch selbst gab Anlass für eine theologische Anknüpfung, indem er zwei biblische Maximen einander gegenüberstellte: Sich einerseits „der Obrigkeit, die Gewalt über euch hat“ zu unterwerfen und doch andererseits „Gott mehr zu gehorchen als den Menschen“. So wurde bald darauf bestanden, dass das Naturrecht aus der kirchlichen Lehre stammte,31 der Jurist sich also Gott hingeben müsste,32 da das Naturrecht die Gottbezogenheit des Rechts voraussetzte und nur das Naturrecht eine wirkliche Abkehr vom Positivismus bedeutete.33 Diesem Bedürfnis nach einer religiösen Bindung des Rechts wurde unmittelbar widersprochen: Der säkularen Rechtslehre wäre nur eine humanistische Naturrechtsbegründung angemessen,34 der Rechtsbegriff würde sonst „inflatorisch [. . .]“ ausgehöhlt.35 Der Auffassung eines übergesetzlichen Rechtsbestandes – eines Naturrechts – konnten sich zwar zunächst viele Stimmen anschließen.36 Die gesamte Debatte ebbte aber in der Folgezeit ab. Gleichwohl blieb sie nicht ohne Spuren. Der erste Bundesminister der Justiz, der FDP-Politiker Thomas Dehler, bestätigte die Abkehr vom Rechtspositivismus und versuchte, einen neuen Rechtsbegriff nach liberaler Anschauung zu formulieren: „Das Recht soll sein[:] Form, Grundlage, Element des Nebeneinander und des Gegeneinander der Menschen. [. . .] Irrig ist die Annahme, das Recht sei lediglich eine formelle, wertneutrale Ordnung, deren Inhalt sich nach dem Belieben des Gesetzgebers richte; was er verfüge sei Recht oder gar gerecht. Unsere jüngste deutsche Geschichte ist eine einzige Warnung vor der Pervertierung, die das Gesetzesrecht erfahren kann.“ 37 Hans Franks
Clever, Zur Nachkriegskritik des Rechtspositivismus, in: DRZ 1949, S. 348. Beachtlich auch Apelt, Zum Kampf gegen den Rechtspositivismus, in: DRZ 1946, S. 174 (175): „Es geht im Grunde gar nicht um den Positivismus, sondern [. . .] um das sachliche Wertsystem, das die ethische Grundlage eines Staates bildet. Dieses Wertsystem zu bestimmen kann aber nicht in die Zuständigkeit irgendeiner ausführenden Gewalt fallen, auch nicht einem höchsten Gericht anvertraut werden. [. . .] [D]as ist eben Aufgabe des Volkes [. . .]. Versagt das Volk, so wird auch jede Instanz versagen, die eine Verfassung organisieren kann, denn jedes Volk hat letzten Endes die Gesetze, die es verdient.“ 30 Zu den konkreten Positionen einzelner säkularer, evangelischer und katholischer Vertreter in der Debatte vgl. die ausführliche Darstellung am Beispiel von Foljanty, Recht oder Gesetz, Kap. 2–4; kurz bei Stolleis, Staatsbild und Staatswirklichkeit, in: ZRG GA 124 (2007), S. 223 (225). 31 Figge, Die Verantwortlichkeit des Richters, in: SJZ 1947, S. 179 (183). 32 Guggumos, Rechtsphilosophie und Naturrecht, in: JZ 1951, S. 108 (109). 33 Guggumos, Zur Gottbezogenheit des Rechts, in: JZ 1951, S. 441. 34 Wehrhahn, „Gottbezogenheit des Rechts“, in: JZ 1951, S. 284. 35 Wehrhahn, „Gottbezogenheit des Rechts“, in: JZ 1951, S. 284. 36 Neben andereren auch Wieacker, Zur Erweckung des Naturrechts, in: SJZ 1949, Sp. 295. 37 Dehler, Vom liberalen Recht, in: Thomas Dehler, Reden und Aufsätze, S. 40.
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E. Die Bundesrepublik Deutschland
Rechtsbegriff setzte er einen eigenen, liberalen entgegen: „Recht ist, was der Freiheit [. . .] dient [. . .]“.38 Eine wirkliche konzeptuelle Erneuerung ist trotz allem nicht zu verzeichnen. Was das Recht dieses neuen liberalen Staates jedoch auszeichnete, war dessen Emanzipation vom Staat: Zumindest ein Stück weit war das Recht von ihm unabhängig.39 2. Die Richterschaft im neuen liberalen Staat Die personelle Kontinuität der Beamtenschaft war auch in der Richterschaft gewahrt. Über drei Viertel der Richter, selbst solche des Volksgerichtshofes, konnten in der Bundesrepublik in das Richteramt zurückkehren.40 Der vollständige Verlust der richterlichen Unabhängigkeit und die vollständige Entmachtung des Richterspruchs gegenüber den Entscheidungen der Exekutive erforderte allerdings sowohl in den Strukturen der Justiz als auch im Verhältnis des Staates zu seinen Richtern erhebliche Neuerungen, um den Anforderungen eines liberalen Rechtsstaates gerecht werden zu können. Ein Problem ergab sich freilich nicht: Eine Personalnot wurde durch die Wiedereinsetzung vieler Richter abgewendet. Allein in der französischen Besatzungszone wurden in wenigen Fällen Schöffen als Hilfsrichter eingesetzt.41 Mit dem Erlass des Grundgesetzes ließ die Proklamation eines neuen Richtertypus nicht lange auf sich warten. Jedenfalls wurde er in Aussicht gestellt: „Das Grundgesetz will nunmehr einen neuen Richtertyp schaffen, der sich von der übrigen Beamtenschaft abhebt.“ 42 a) Zur Begründung der Bundesverfassungsgerichtsbarkeit Die Wiederherstellung der Verwaltungsgerichtsbarkeit war eine Selbstverständlichkeit für den liberalen Staat, in dem auch das subjektiv-öffentliche Recht wiederauflebte. Anders wurde die Frage bewertet, ob eine Bundesverfassungsgerichtsbarkeit einzurichten und mit welchen Rechten sie auszustatten sei. Nicht zuletzt der Druck der Besatzungsmächte stellte klar, dass die Antwort positiv und die Rechte umfassend ausfallen müssten.43 Das Grundgesetz beantwortete diese 38 Dehler, Vom liberalen Recht, in: Thomas Dehler, Reden und Aufsätze, S. 41. Ähnlich schon Coing, Haftung für die Anwendung naturrechtswidriger Gesetze, in: SJZ 1947, Sp. 62, der dem Begriff der Freiheit die sittlichen Werte gegenüberstellt. 39 Der staatliche Gesetzgeber konnte das positive Recht gestalten – das übergesetzliche Recht nicht, vgl. Schmitt Glaeser, Die Juristen-Fakultäten als Hüter des Rechtsstaats, in: NJW 1995, S. 2597 (2600). 40 von Miquel, Ahnden oder amnestieren?, S. 23 f. 41 Mit Verweis auf VO Nr. 102 der französischen Regierung vgl. Benjamin, Volksrichter, S. 183. 42 Zinn, Die Rechtsprechung, in: DöV 1949, S. 278 (280). 43 Vgl. Wengst, Thomas Dehler, S. 151 f.
II. Staat und Juristen in der Bundesrepublik
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Frage mit den Artikeln 93 und 94: Das Bundesverfassungsgericht wurde als neues oberstes Bundesorgan eingeführt. Ausdrücklich wurde ihm unter anderem die Kompetenz zur Überprüfung der Verfassungskonformität formeller Gesetze und die Entscheidung bei Streitigkeiten zwischen Verfassungsorganen (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GG) zugesprochen. Manche seiner Entscheidungen sollten gar Gesetzeskraft haben (Art. 94 Abs. 2 GG). Zugleich war das Gericht aus dem üblichen Disziplinarverfahren ausgenommen.44 Die Machtfülle des Bundesverfassungsgerichts, dem die Bundesregierung unter Adenauer die Rolle des „Hüter[s] der Verfassung“ zusprach,45 stieß auf teils erheblichen Argwohn. Dies begann beim Umfang des Rechtsschutzes für Bürger durch das Bundesverfassungsgericht: Der Bundesrat war dafür eingetreten, den Rechtsschutz auf eine „Grundrechtsklage“ zu beschränken, mittels derer nur ein Vorgehen gegen Legislativakte ermöglicht werden sollte. Die Kontrolle von Grundrechtsverletzungen durch Exekutiv- und Judikativakte, eine „Super-Revision“ durch das Bundesverfassungsgericht, wurde dagegen abgelehnt.46 Die Bundesregierung setzte gleichwohl ihr Konzept eines umfassenden Schutzes durch die Verfassungsbeschwerde durch.47 Die Verfassungsbeschwerde wurde als in Art. 93 GG nicht genanntes Verfahren in das Bundesverfassungsgerichtsgesetz aufgenommen.48 Am 28. September 1951 wurde das Bundesverfassungsgericht gegründet. Wie in der Frage des Weimarer Staatsgerichtshofes drehten sich die Auseinandersetzungen nicht allein um den Prüfungsumfang, sondern um die Bindungswirkung der Verfassungsrechtsprechung für die Staatsgewalten und den politischen Einfluss der Gerichtsbarkeit. Unter denen, die eine politische Allmacht des Bundesverfassungsgerichts fürchteten, war Bundesjustizminister Thomas Dehler, der umgehend – und erfolglos – versuchte, das Bundesverfassungsgericht in den eigenen Geschäftsbereich einzubeziehen. 49 Als das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss über den Vertrag zur Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft vom 8. Dezember 195250 eine Bindungswirkung seiner Urteile feststellte, warf Dehler dem Gericht eine Anmaßung vor,51 die zum offenen
44
Jahrreiss, Das Bundesverfassungsgericht, in: JuV 1950, S. 121 f. Begründung der BReg zu § 84 des BVerfGG-Entwurfes, BTDrs. Nr. 01/788 v. 28.3.1950, S. 35. 46 Vgl. Jahrreiss, Das Bundesverfassungsgericht, in: JuV 1950, S. 121 (124). 47 Vgl. Jahrreiss, Das Bundesverfassungsgericht, in: JuV 1950, S. 121 (124). 48 BGBl. I 1951, S. 243. 49 Wengst, Thomas Dehler, S. 151 f. 50 BVerfGE 2, 79 – Plenargutachten Heuß. 51 Maassen/Hucko, Thomas Dehler, S. 27; ähnlich Thieme, der seitens des Bundesverfassungsgerichts eine Überschreitung der Grenzen des Justiziablen drohen sah, vgl. ders., „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“, in: JZ 1955, S. 657 (659). 45
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E. Die Bundesrepublik Deutschland
Konflikt mit der oppositionellen Bundestagsfraktion der SPD führte.52 Zu den weiteren mit Besorgnis betrachteten Regelungen gehörte die Ernennung der Richter: Befürchtet wurde eine politische Auswahl der Richter, mit der die Parteien sich die Möglichkeit sicherten, ihre parteipolitischen Anliegen durch die Gerichtsbarkeit durchzusetzen.53 Immerhin ein Problem betraf das Bundesverfassungsgericht nicht: Verbindungen zum Nationalsozialismus.54 In den fünfziger Jahren kamen die Zweifler nicht zur Ruhe. Das Verfassungsgericht erschien als deutlichste „Durchbrechung des Grundsatzes vom Volk als Quelle aller Staatsgewalt“, wie er in Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG festgelegt wurde.55 Das Gericht müsste seiner Aufgabe bewusst sein, nicht Herr der Verfassung, sondern Hüter der Verfassung zu sein.56 An anderer Stelle wurde einer Verfassungsgerichtsbarkeit überhaupt die Eignung abgesprochen, Hüterin der Verfassung zu sein: Die Erfahrungen der NS-Zeit sprachen nicht für ein derart hohes Vertrauen in die Richterschaft.57 In einer Denkschrift vom 27. Juni 1952 bestätigte das Bundesverfassungsgericht selbst seine Funktion im Staat: den Schutz der Grundrechte und die Sicherung der „freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung“ als „Oberste[r] Hüter der Verfassung“.58 Das Hineingreifen der Tätigkeit des Verfassungsgerichts in den „Bereich des Politischen“ wurde nicht etwa bestritten, sondern konsequent gerade als Charakteristikum einer Verfassungsgerichtsbarkeit aufgenommen.59 Das eigene Verhältnis zu den politischen Entscheidungen des Gesetzgebers war allerdings klärungsbedürftig. Mit einiger Zurückhaltung formulierte der Erste Senat im Apothekenurteil vom 11. Juni 1958: „Selbstverständlich werden bei dieser Prüfung die Erfahrungsgrundlagen, Erwägungen und Wertungen des Gesetzgebers für das Bundesverfassungsgericht stets von größter Bedeutung sein; wo sie nicht entkräftet werden, dürfen sie die Vermutung der Richtigkeit für sich in An52
Maasen/Hucko, Thomas Dehler, S. 27. Weber, Spannungen und Kräfte, S. 109 f. Gleichzeitig allerdings mit Zweifeln an einer universalen verfassungsgerichtlichen Überprüfbarkeit, ders., a. a. O., S. 33 f. Ebenfalls Bachof, Grundgesetz und Richtermacht, S. 42. 54 Perels, Demokratie und soziale Emanzipation, S. 43. Aus dieser Problematik ergab sich ein weiterer, früher Konflikt mit dem Bundesgerichtshof, der – entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 3, 58 – Beamtenverhältnisse; 6, 132 – Gestapo) – einen Anspruch auf Wiedereinstellung nationalsozialistischer Beamter vorantrieb. Die Kritik der Rechtswissenschaft und des BGH an der Rechtsprechung des BVerfG ist mit einer Erwiderung in BVerfGE 6, 132 (135 ff.) aufgeführt, berührt jedoch vorrangig zwei andere Themenkomplexe, die in dieser Arbeit nicht ausgeführt werden können: das Verhältnis der Gerichte untereinander und die Rolle der Gerichte in der Entnazifizierung. 55 Thieme, „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“, in: JZ 1955, S. 657. 56 Maasen/Hucko, Thomas Dehler, S. 27. 57 Weber, Spannungen und Kräfte, S. 33 ff. 58 Vgl. Leibholz, Der Status des Bundesverfassungsgerichtes, S. 63. 59 Leibholz, Der Status des Bundesverfassungsgerichts, S. 63 f. 53
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spruch nehmen. Andererseits aber muß die Pflicht zum Schutz des Grundrechts das Gericht daran hindern, die Auffassungen des Gesetzgebers, der legitimerweise auch andere Ziele als die des Grundrechtsschutzes verfolgt, ohne weiteres zu akzeptieren und seine Maßnahmen als unvermeidliche Beschränkungen des Grundrechts hinzunehmen.“ 60 Zu deutlicheren Worten und einer öffentlichen Verteidigung seiner Rolle als Hüter der Verfassung sah sich das Bundesverfassungsgericht im März 1961 gezwungen. Zuvor hatte das Gericht in der Rundfunkentscheidung vom 28. Februar 196161 dem Bund die Kompetenz zur Gründung einer „Deutschland-FernsehenGmbH“ abgesprochen,62 woraufhin Adenauer im Bundestag verkündete: „Das Kabinett war sich einig, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts falsch ist [. . .].“ 63 In einer Erklärung vom 15. März 1961 entgegnete der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Gebhard Müller, unmissverständlich: „1. Jedermann steht es frei, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts kritisch zu würdigen oder auch für falsch zu halten. 2. Kein Verfassungsorgan ist nach der grundgesetzlichen Ordnung befugt, zu beschließen und zu verlautbaren, ein Spruch des Bundesverfassungsgericht entspreche nicht dem Recht.“ 64 Ein Beschluss der Bundesregierung über die Richtigkeit der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung wurde abschließend für verfassungswidrig erklärt – wenn auch nicht in Beschluss- oder Urteilsform. Das Bundesverfassungsgericht beschränkte sich allerdings nicht darauf, seine Stellung als Hüter der Verfassung gegenüber den anderen Verfassungsorganen zu behaupten; es bemühte sich seinerseits um eine Entschärfung des Konfliktpotenzials einer übermächtigen Verfassungsrechtsprechung. Im Jahr 1962 bekräftigte es seinen „feststehenden Grundsatz, daß das Gericht dem Gesetzgeber gegenüber Zurückhaltung zu üben hat und nur die Verletzung äußerster Grenzen der gesetzgeberischen Freiheit feststellen kann. Eine gesetzliche Regelung ist nur dann mit dem Gleichheitssatz unvereinbar, wenn sich für die Regelung schlechterdings ein vernünftiger, sachgerechter Grund nicht erkennen läßt und sie deshalb unverträglich ist mit dem Gedanken der Gerechtigkeit“.65 Eine gerichtliche Zurückhaltung, das judicial self-restraint, wurde uneingeschränkt als notwendige Grenze des zunächst erheblichen politischen Handlungsspielraums der Verfassungsgerichtsbarkeit anerkannt.66 Die Mäßigung der politi60
BVerfGE 7, 377 (412) – Apotheken-Urteil. BVerfGE 12, 205 – Rundfunkentscheidung. 62 Die Deutschland-Fernsehen-GmbH wurde als Versuch der „Inhaber der politischen Macht [betrachtet], ein von ihr beherrschtes Massenmedium aufzubauen“, vgl. Seifert, Die Spiegel-Affäre als Staatskrise, S. 39. 63 Vgl. Wolf, Der Kulturauftrag, S. 157. 64 Müller, Grenzen der Urteilsschelte, in: DRiZ 1961, S. 124. 65 BVerfG, Beschluss vom 31. Januar 1962 – 2 BvL 29/60, Rn. 17. 66 Leibholz, Der Status des Bundesverfassungsgerichts, S. 76 ff. 61
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schen Einflussnahme trug maßgeblich dazu bei, dass der Konflikt um die Kompetenzen des Verfassungsgerichts in den sechziger Jahren abebbte. b) Unabhängigkeit, Unabsetzbarkeit und Gesetzesbindung des Richters Angesichts der Erfahrungen mit dem Staatsgerichtshof der Weimarer Republik war die Entscheidung für die Einrichtung einer obersten Gerichtsbarkeit zwar nicht ausgeschlossen, aber doch weniger selbstverständlich als die Wiederherstellung der Unabhängigkeit des Richters. In der folgenden Betrachtung soll zunächst auf die eher formalrechtliche Frage der richterlichen Unabhängigkeit, anschließend auf den Problemkomplex der Aufarbeitung des richterlichen Unrechts im Nationalsozialismus und zugleich auf die Entwicklung der Justiz- und Vertrauenskrisen der jungen Bundesrepublik eingegangen werden. aa) Unabhängigkeit und Gesetzesbindung in der Gründungszeit (1) Restitution der Unabhängigkeit des Richters Dass die Unabhängigkeit des Richters wiederhergestellt werden würde, war früh absehbar; nicht aber der Umfang, in dem das Grundgesetz sie letztlich gewähren würde. Bereits die Formulierung, „[d]ie rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut [. . .]“, in Art. 92 GG erschien revolutionär. Nicht nur die Gewaltenteilung wurde im Grundgesetz verankert – auch die absolute Monopolstellung der Richter als eigenständige rechtsprechende Gewalt hob die Richter im Verfassungssystem heraus.67 Der im „Dritten Reich“ aufgelöste Grundsatz der Unabhängigkeit des Richters wurde durch Art. 97 Abs. 1 GG erneut bekräftigt: „Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.“ Das Grundgesetz beließ es nicht bei einer allgemeinen Verkündung der Grundsätze für die Gerichte der Bundesrepublik. In Art. 97 Abs. 2, vor allem aber Art. 98 Abs. 1 und 3 GG wurden die Rechte der Richterschaft gestärkt. Letzterer hob den Richter aus dem normalen Beamtenverhältnis hervor – eine Entscheidung die als persönliche Würdigung des Richters, als Stärkung der Gewaltenteilung68 und als Unabhängigkeit der Richter von Personalpolitik und Zweckmäßigkeitsüberlegungen der Verwaltung69 auf nahezu allseitige Sympathien traf.70 In der Wissenschaft zweifelte allein Giese an einer so erheblichen Reichweite der grundgesetz67
Vgl. Baur, Sozialer Ausgleich durch Richterspruch, in: JZ 1957, S. 193. Schmidt, Richtertum, Justiz und Staat, in: JZ 1953, S. 321 (324); Hannemann, Sorgen und Hoffnungen, in: DRiZ 1963, S. 413. 69 Uffhausen, Das Richtergesetz, in: MDR 1961, S. 973 (975). 70 Arndt, Gedanken von Richtern zum Richtergesetz, in: DRiZ 1950, S. 149; Coing, Der Aufbau der rechtsprechenden Gewalt, in: DRiZ 1956, S. 241 (245); Kollmann, Die dritte Gewalt, in: DRiZ 1952, S. 187; von Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz I, S. 492 f. 68
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lichen Regelungen; in der Politik ging nur die Innenministerkonferenz im Jahr 1955 „einmütig“ davon aus, dass Richter zunächst „wie die übrigen Beamten unter Art. 33 Abs. 5 GG“ fielen und Teil eines einheitlichen Berufsbeamtentums wären.71 Eine ernstzunehmende Debatte lösten die wenigen abweichenden Meinungen nicht aus. Zu offensichtlich schien, dass der Richter der Bundesrepublik schon nach dem Grundgesetz kein Diener des Staates, „sondern Hüter des Gesetzes und des Rechts“ sein sollte.72 Die einfachgesetzliche Regelung der Rechtsstellung des Richters blieb in den ersten Jahren auf wenige Änderungen beschränkt. Immerhin waren einige Bestimmungen im Nationalsozialismus nicht aufgehoben, sondern schlicht unterlaufen worden und hatten wieder Geltung erhalten. Auch eine erste Reform des Gerichtsverfassungsgesetzes brachte insoweit wenige wirkliche Neuerungen, sondern hob Kriegsvorschriften und originär nationalsozialistische Normen auf.73 Zur Sicherstellung der richterlichen Unabhängigkeit wurde allerdings die Versetzbarkeit der Richter wieder erschwert und die Ernennung auf Lebenszeit bekräftigt.74 In seiner Rede anlässlich der Eröffnung des Bundesgerichtshofs bekräftigte Bundesjustizminister Dehler die Geltung der richterlichen Unabhängigkeit, die politische Freiheit und die Erhabenheit richterlicher Macht: „Ich will keine ,loyalen‘ Richter, die sich scheuen, illoyal zu sein gegen das Unrecht: Ich will Richter – Männer –, die Gott fürchten, und nur Gott fürchten und sonst niemanden, und sonst keine Macht auf Erden, die diese innere Unabhängigkeit besitzen, die viel wichtiger ist als die vom Gesetz gewährte äußere Unabhängigkeit. In ihre Hände ist eine heilige Macht gegeben, eine Macht, vor der einen schaudern kann. Nur den Würdigsten darf diese Macht anvertraut werden, nur sie können sie tragen.“ 75 (2) Gesetzesbindung und politisches Urteil Mit der Unabhängigkeit des Richters war auch seine Bindung an das Gesetz ins Verfassungsrecht zurückgekehrt. Eine Bindung an das Gewissen, wie es der Herrenchiemseer Entwurf vorgesehen hatte, wurde allerdings nicht übernom71 Giese, Grundgesetz, Art. 92 Anm. 2; Stellungnahme der Innenminsterkonferenz zum Richtergesetz, in: DVBl. 1955, S. 488 (489). Mit Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Stellungnahme vgl. Arndt, Das Bild des Richters, S. 3. 72 Hirschmann, Der Weg zum Rechtspflegeministerium, in: DRiZ 1958, S. 6 (13). Allein die in Art. 98 Abs. 2 GG angelegte Richteranklage bereitete Grund zur Sorge, vgl. etwa Figge, Die Bedeutung des Bonner Grundgesetzes für die Rechtspflege, S. 39; Giese, Grundgesetz, 2. Aufl., Art. 97 Anm. 1. 73 Geiger, Allgemeine Vorbemerkungen, in: SJZ 1950, Sp. 707. 74 Geiger, Zur Vereinheitlichung des Gerichtsverfassungsrechts, in: SJZ 1950, Sp. 708 (709). 75 Maassen/Hucko, Thomas Dehler, S. 29. Verkürzt zitiert je von Guggumos, Rechtsphilosophie und Naturrecht, in: JZ 1951, S. 108 (109); o. A., Thomas Dehler, in: Der Spiegel 34/1953, S. 9 (12).
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men76 – man blieb bei der Formulierung der Zeit des Positivismus.77 Das Aufleben des Naturrechtsdenkens beeinflusste allerdings erheblich das Verständnis von der richterlichen Bindung an das Recht. Die Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht, die in Art. 20 Abs. 3 GG verankert wurde, wurde so interpretiert, dass Naturrechtssätze, also übergesetzliches Recht, als äußerste Grenze des positiven Rechts stets zu berücksichtigen wären.78 Erste Warnungen vor der Gefahr einer politischen, vom positiven Recht entgrenzten Richterschaft gerade in einer Republik,79 verhallten noch ungehört. Praktisch setzte sich das Naturrechtsdenken, eine geistige Lösung vom positiven Recht, bei den Richtern nicht so deutlich durch, wie es zunächst erwartet worden war. Hermann Weinkauff 80 beklagte, das Richtertum klammere „sich an die Vorstellungen des reinen Gesetzespositivismus“ und sei dem Naturrecht und seiner vermeintlichen Uferlosigkeit gegenüber misstrauisch.81 Von anderer Seite wurde dieser Eindruck bestätigt; dort allerdings als verständliche Vorsicht gewertet.82 Dennoch enthielt eine Vielzahl an Urteilen, die in der Nachkriegszeit ergangen waren, übergesetzliche Erwägungen.83 Die Lösung vom positiven Recht oder vielmehr die Bindung an das übergesetzliche Recht eröffnete eine allgemeine Überprüfbarkeit von Rechtsnormen durch Richter – zum Schutz der Sitten als auch des richterlichen Gewissens.84 Zum Ausgleich des Verlusts an Rechtssicherheit wurden Kontrollinstanzen für nötig, aber auch für grundsätzlich ausreichend befunden.85 Eine solche Kontrollinstanz war die Verfassungsgerichtsbarkeit: Zwar stand das Recht zur Nachprüfung nun allen Gerichten offen;86 für nachkonstitutionelle Gesetze hatten die Verfassungsgerichte allerdings das „Verwerfungsmonopol“ inne.87 76
Figge, Die Bedeutung des Bonner Grundgesetzes für die Rechtspflege, S. 39. Kritisch, allerdings später in Bezug auf das DRiG: Schmidt, Das deutsche Richtergesetz, in: JZ 1963, S. 73 (75). Vgl. auch Uffhausen, Das Richtergesetz, in: MDR 1961, S. 973 (975). 78 Darmstaedter, Naturrecht und Positives Recht, in: DRiZ 1952, S. 109; Geiger, Der Richter und seine Bindung an Gesetz und Recht, in: DRiZ 1963, S. 170 (174). 79 Clever, Zur Nachkriegskritik des Rechtspositivismus, in: DRZ 1949, S. 348. 80 Erster Präsident des BGH und Richter am Reichsgericht zur Zeit des Dritten Reiches, vgl. den Nachruf von Himmelmann, Hermann Weinkauff, in: NJW 1994, S. 1268 f. 81 Weinkauff, Richtertum und Rechtsfindung, S. 31. 82 Schmidt, Richter und Staatsanwalt im demokratischen, sozialen Rechtsstaat, in: DRiZ 1952, S. 181 (185). 83 Mit Verweis auf Langner, Der Gedanke des Naturrechts seit Weimar und in der Rechtsprechung der Bundesrepublik, Bonn 1959, vgl. Kübler, Der deutsche Richter, in: AcP 162, S. 104. 84 Rotberg, Zu einem Richtergesetz, S. 14. 85 Rotberg, Zu einem Richtergesetz, S. 14 f. 86 Im Grundgesetz setzte die Richtervorlage des Art. 100 GG dieses Recht voraus, vgl. von Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz I, S. 528, 538 f. 77
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Die Anknüpfung der Rechtsprechung an außerhalb des positiven Rechts liegende Erwägungen verschaffte auch der Frage des politischen Richters in der Bundesrepublik eine neue Aktualität. Auf dem Konstanzer Juristentag 1948 erneuerte der nordrheinwestfälische Justizminister Artur Sträter die Forderung nach einem unpolitischen Richter in der neuen Ordnung.88 Mit der strikten Ablehnung politischer Erwägungen auf Seiten des Richters vertrat Sträter allerdings keine allgemeine Auffassung. Auf derselben Tagung hatte Georg-August Zinn, der bald darauf in den Parlamentarischen Rat entsandt wurde und dort an der Konzeption der Rechtspflege für das Grundgesetz beteiligt war, wohl eher die zeitgemäße Rolle des Richters erfasst: „Juristisches Denken ist unweigerlich politisches Denken, aber es darf kein parteiliches Denken sein.“ 89 Nicht nur ausgehend von der juristischen Methodik; auch als eigene Staatsgewalt wurde der Rechtsprechung später eine durchaus politische Rolle zugesprochen – soweit diese denn demokratisch war.90 Anstelle der Enthaltung vom politischen Denken wurde die Unparteilichkeit des Richters als dessen Charakteristikum hochgehalten.91 Der Richter sollte jedoch insoweit unabhängig sein, als eine politische Betätigung, die Einnahme parteipolitischer Positionen ihm verwehrt sein sollte.92 Die Rechtsfindung und die Rechtsfortbildung des Richters stand für manchen unter einer weiteren Maßgabe: Sie musste wissenschaftlich sein.93 Die Lösung der Rechtsprechung vom positivem Recht erschwerte es deutlich, eine klare Grenze zwischen richterlicher und gesetzgeberischer Tätigkeit zu ziehen.94 Einen erbitterten Streit zwischen den beiden Staatsgewalten gab es aber – jedenfalls in dieser Frage – nicht.95
87 Bachof, Grundgesetz und Richtermacht, S. 13, 18; von Mangoldt, Bonner Grundgesetz I, S. 538. 88 Sträter, Diskussion, in: Der Konstanzer Juristentag, S. 181. 89 Zinn, Schöffen und Geschworene in Hessen, S. 131. 90 Arndt, Das Bild des Richters, S. 19 f. 91 Zum 40. Deutschen Juristentag, in: DRiZ 1953, S. 153; Rotberg, Zu einem Richtergesetz, S. 17 ff. 92 Marcic, Vom Gesetzesstaat zum Richterstaat, S. 265; Rotberg, Zu einem Richtergesetz, S. 17 ff. Gleichwohl eröffnete die Lösung vom positiven Recht auch politisch geprägte Urteile, die dem Geist der neuen Republik nur widersprechen konnten. Etwa, indem man bei der Auslegung von § 242 wohl in Kontinuität des nationalsozialistischen Volksgemeinschaftsdenkens auf den „Gemeinschaftsgedanken“ rekurrierte, vgl. Rückert, Richterrecht seit Weimar?, S. 131 f. mit Verweis auf OLG Bremen, NJW 1963, S. 1455 ff. 93 Brüggemann, Gesetzesrecht und Richterrecht, in: JR 1963, S. 162 (168). Vgl. auch Schmidt, Richter und Staatsanwalt im demokratischen, sozialen Rechtsstaat, in: DRiZ 1952, S. 181 (185). 94 Arndt, Gesetzesrecht und Richterrecht, in: NJW 1963, S. 1273 (1274). 95 Zu den Differenzen über die Grenzen der Rechtsfortbildung vgl. Arndt, Gesetzesrecht und Richterrecht, in: NJW 1963, S. 1273 (1280 ff.) und Brüggemann, Gesetzesrecht und Richterrecht, JR 1963, S. 162 (166 f.).
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bb) Die Unabhängigkeit und die „Große Justizreform“ Für etwa ein Jahrzehnt – vom Beginn der fünfziger bis in die frühen sechziger Jahre – beherrschte ein Schlagwort die Debatten um die Zukunft der westdeutschen Rechtsprechung: Das Stichwort der „Großen Justizreform“ war zurückgekehrt.96 Nachdem das Gerichtsverfassungsgesetz schon keine entscheidenden Reformen gebracht hatte, sollte eine gewaltige Justizreform die Justizlandschaft erneuern. Ihr Ziel war die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, des Rechtsstaats und der Position des Richters unter Einbezug der Richterschaft über den Deutschen Richterbund.97 Eine Reform, die in all diesen Bereichen wirken würde, schien noch im Jahr 1956 nah, als der zweite Bundesjustizminister Fritz Neumayer nur auszugsweise zahlreiche Änderungen ankündigte: Die richterliche Unabhängigkeit sollte endlich in ein angemessenes Verhältnis zur Dienstaufsicht gesetzt werden, die Mitsprache der Richter bei der Ernennung ihrer Amtskollegen vergrößert, eine Beschränkung der Hilfsrichterschaft und eine Stärkung der Unabhängigkeit junger Richter umgesetzt werden.98 Noch 1959 versprach Adolf Arndt, Bundestagsabgeordneter der (oppositionellen) SPD-Fraktion und Jurist, nicht weniger als eine Neuordnung der Rechtspflege mit dem Gesamten der rechtlichen und gesellschaftlichen Ordnung – zeigte aber Zurückhaltung beim Begriff der „Großen Justizreform“.99 (1) Wunsch und Ziel einer „Großen Justizreform“ Diese Zurückhaltung war angebracht. Bis zur Verabschiedung des Richtergesetzes im Jahr 1961 hatten die Reformwünsche einen derart massiven Umfang angenommen, dass nur die für das erhoffte Maß richterlicher Unabhängigkeit repräsentativsten und relevantesten hier Erwähnung finden können. Das größte Reformanliegen war die Schaffung einer einheitlichen Gerichtsbarkeit100 durch Vereinheitlichung des Verfahrensrechts und der Gerichtsverfassungen und die Beaufsichtigung der einheitlichen Gerichtsbarkeit durch ein
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Zur „Großen Justizreform“ in der Weimarer Republik vgl. B. II. 2. b) dd). Vgl. Kommission des DRB für die Große Justizreform, Leitsätze für die Gestaltung der Großen Justizreform, in: DRiZ 1960, S. 33 (passim); Bleibtreu, Ein demokratischer Justizminister, in: DRiZ 1958, S. 158 f.; Buchholz, Richterliche Hilfsarbeiter, in: DRiZ 1959, S. 46 (46); Arndt, Grundfragen einer Reform der deutschen Justiz, in: DRiZ 1959, S. 199 (199). Zu den allgemeinen Erwartungen an eine „Große Justizreform“ siehe auch Schmidt, Richtertum, Justiz und Staat, in: JZ 1953, S. 321 (324). 98 Neumayer, „Hüter der Gerechtigkeit“, in: DRiZ 1956, S. 239 (240). 99 Arndt, Grundfragen einer Reform der deutschen Justiz, in: DRiZ 1959, S. 199 (200). Dennoch mit Zweifeln an der Angemessenheit des Begriffs der „Großen Justizreform“, ders., a. a. O., S. 199. 100 Coing, Der Aufbau der rechtsprechenden Gewalt, in: DRiZ 1956, S. 241 (245). 97
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„Rechtspflegeministerium“ 101 Für die meisten Beteiligten sollte das Rechtspflegeministerium aber nicht bloß ein vergrößertes Justizministerium sein – es sollte die Gerichtsbarkeit, die Wächterin über die Grenzen zwischen Herrschaft und Freiheit im Rechtsstaat, aus der übrigen staatlichen Verwaltung hinausheben.102 Als eigenständiges Ministerium hätte das Rechtspflegeministerium dann die Ausübung der unabhängigen Rechtsprechung sicherstellen sollen.103 Das Justizministerium wäre in diesem Fall mindestens auf eine reine Verwaltungstätigkeit beschränkt worden.104 Noch besser sollte das Amt des Justizministers vollkommen von Belangen der Rechtsprechung getrennt und so eine absolute Selbstverwaltung der Justiz hergestellt werden, die auch eine Unabhängigkeit des Etats bedeutet hätte.105 Den politischen Justizminister galt es etwa durch ein fachlich qualifiziertes „Justizdirektorium als Spitze der Dritten Gewalt“ zu ersetzen.106 Alternativ wurde eine Institution wie der Oberste Justizrat Frankreichs gewünscht.107 Damit sollten einerseits Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit durch das ministeriale Aufsichtsrecht abgewendet werden,108 andererseits sollte so ein Einfluss durch eine politische Personalverwaltung in der Festlegung der Arbeitspensen und der Benennung der Disziplinar- und Hilfsrichter ausgeschlossen werden.109 Gleichzeitig wurde gefordert, die Ernennung der Berufsrichter zu entpolitisieren und weiter in die Hände der Richterschaft zu legen. Schon in den fünfziger Jahren wurden die Richter in Fragen der richterlichen Ernennung und ihrer Aufsicht einbezogen; die Unabhängigkeit so auch ohne wesentliche Reformen organisatorisch gestärkt.110 Die Beteiligung der Exekutive und der Parlamente war dennoch Zweifeln ausgesetzt. Eine Bestimmung der Richter exklusiv aus den Reihen der Exekutive wurde vollständig abgelehnt;111 teils auch die Beteiligung
101 Friederichs, Heran an die „Große Justizreform“!, in: DRiZ 1955, S. 264. M.w. N. auch Hirschmann, Das Rechtspflegeministerium, in: DRiZ 1957, S. 2 (3). Namentlich sollte die Verwaltungsgerichtsbarkeit in die Justiz übernommen werden, vgl. Arndt, Die ungeteilte Rechtsprechung, in: DRiZ 1950, S. 229 (231 f.). 102 Hirschmann, Der Weg zum Rechtspflegeministerium, in: DRiZ 1958, S. 6. 103 Hirschmann, Der Weg zum Rechtspflegeministerium, in: DRiZ 1958, S. 6 (13). Hannemann, Sorgen und Hoffnungen, in: DRiZ 1963, S. 413 (414). 104 Schmidt, Berufsjurist und staatliche Rechtspflege, in: MDR 1948, S. 374 (377). 105 Kollmann, Die dritte Gewalt, in: DRiZ 1952, S. 187 (188); van Husen, Die Entfesselung der Dritten Gewalt, in: AöR 78, S. 49 (54, 56 f., 59). 106 Verweyen, Magna cum diligentia, in: DRiZ 1953, S. 154 f. 107 van Husen, Die Entfesselung der Dritten Gewalt, in: AöR 78, S. 49 (54). 108 van Husen, Die Entfesselung der Dritten Gewalt, in: AöR 78, S. 49 (56). 109 Verweyen, Magna cum diligentia, in: DRiZ 1953, S. 154 (155). 110 Kern, Zum Richtergesetz, in: JZ 1954, S. 604. 111 Coing, Der Aufbau der rechtsprechenden Gewalt, in: DRiZ 1956, S. 241 (244); Seidel, Richtergesetz und Große Justizreform, in: DRiZ 1954, S. 261 (262); van Husen, Die Entfesselung der Dritten Gewalt, in: AöR 78, S. 49 (54).
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der Parlamente an der Richterwahl,112 während sie auf der anderen Seite die demokratische Legitimation des Richters hervorheben und so Vertrauen im Volk stiften sollte.113 Im Einzelnen waren die Positionen aber differenzierter: In den Richtervereinen wurde die Beteiligung der Parlamente unter der Voraussetzung, dass parteipolitische Erwägungen ausgeschlossen würden, gebilligt;114 im Bundestag wurde die Auswahl der Richter für eine Aufgabe der Justizpolitik befunden, bei der Richter nur eine beratende Tätigkeit wahrnehmen könnten.115 Ein ebenfalls in die Reformdiskussion aufgenommener Punkt war die Richterbesoldung. Die grundsätzlich noch gültige Besoldungsordnung von 1927 entsprach nicht mehr dem Lebensstandard des Richters,116 sodass einzelne Länder, vor allem Nordrhein-Westfalen eigenständig neue Besoldungsordnungen erließen.117 Die angemessene Besoldung der Richter wurde als unabdingbar für den Schutz der unabhängigen Rechtsprechung und damit für den Rechtsstaat selbst bewertet.118 Die Sonderstellung des Richters rechtfertigte auch dessen Besserstellung,119 zumal das Richteramt auf diese Weise für den Nachwuchs attraktiver gestaltet werden sollte.120 So sprachen sich die ersten Bundesjustizminister deutlich für eine Besserung der Richterbesoldung aus.121 Bundesjustizminister Neumayer kündigte 1956, als die Reformen ersichtlich in Verzug geraten waren, an, die Besoldung aus dem Komplex der „Großen Justizreform“ zu lösen.122 Noch zwei Jahre später forderte der Deutsche Richterbund allerdings eine vom allge-
112 Weber, Spannungen und Kräfte, S. 101 ff.; Schmidt, Richter und Staatsanwalt im demokratischen, sozialen Rechtsstaat, in: DRiZ 1952, S. 181 (186). 113 Coing, Der Aufbau der rechtsprechenden Gewalt, in: DRiZ 1956, S. 241 (244). 114 Arndt, Gedanken von Richtern zum Richtergesetz, in: DRiZ 1950, S. 149 (150). Kritisch später die Schriftleitung der DRiZ, Zum 40. Deutschen Juristentag, in: DRiZ 1953, S. 153. 115 Arndt, Grundfragen einer Reform der deutschen Justiz, in: DRiZ 1959, S. 199 (204). 116 Vgl. Dufhues zitiert nach DRiZ 1952, S. 145; ähnlich 1965 vgl. DRiZ 1965, S. 404. 117 DRiZ 1952, S. 2 f.; vgl. die Beiträge unter der Überschrift: „Der Richter kann erwarten, daß sich die Volksvertretung seines Schicksals annimmt“, in: DRiZ 1952, S. 145 f. 118 Amelunxen, Volksnahe Rechtsprechung, in: DRiZ 1952, S. 180 (181); Richterrat im Landgerichtsbezirk Kaiserslautern, Zur Besoldung der Richter, in: DRiZ 1965, S. 404 (405). 119 Amelunxen, Vom hohen Amt des Richters, in: DRiZ 1954, S. 147 (148). 120 Haussmann, Bedeutung der richterlichen Unabhängigkeit, in: DRiZ 1956, S. 21 (22); Richterrat im Landgerichtsbezirk Kaiserslautern, Zur Besoldung der Richter, in: DRiZ 1965, S. 404 (406). 121 Dehler, Notlage der Richterschaft, in: DRiZ 1952, S. 186; Neumayer, „Hüter der Gerechtigkeit“, in: DRiZ 1956, S. 239 (240). 122 Neumayer, „Hüter der Gerechtigkeit“, in: DRiZ 1956, S. 239 (240).
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meinen Beamtenbesoldungsrecht losgelöste Regelung der richterlichen Besoldung im Rahmen des – nunmehr absehbaren – Deutschen Richtergesetzes.123 Zu den weiteren Forderungen zählte die Einschränkung der Hilfsrichterschaft bis hin zum Verbot.124 Die Vorbereitung eines Prozesses durch abhängige Hilfsrichter wurde als besorgniserregender Einfluss wahrgenommen.125 Gleichwohl wurde eine Entlastung der Richter begrüßt und als Lösung für die Überlastung der Richterschaft der verstärkte Einsatz von Assessoren angeraten.126 In Fragen der Dienstaufsicht sollten die Dienstvorgesetzten auf Maßnahmen zur Begegnung evidenter Amtspflichtsverletzungen beschränkt werden.127 Die Altersgrenze für Richter sollte einheitlich und starr festgelegt werden, um auszuschließen, dass sich Richter unter Aufgabe ihrer Unabhängigkeit bei der Justizverwaltung für eine Erhöhung ihrer Altersgrenze anbiederten.128 Nur ein Reformvorschlag des Deutschen Richterbundes war offensichtlich von den Erfahrungen der NS-Zeit inspiriert: Den Richtern sollte eine Möglichkeit gegeben werden, die eigene Entlassung aus Gewissensgründen zu beantragen.129 Selbst der Richterbund musste zugeben, dass ein solcher Fall bereits aufgrund der Anerkennung des Naturrechts und der Einrichtung einer Verfassungsgerichtsbarkeit wohl unwahrscheinlich wäre, verwies jedoch auf die Möglichkeit, dass die Todesstrafe wiedereingeführt werden könnte.130 Als deutlich weniger relevant galt schließlich der Richtereid.131 (2) Das Deutsche Richtergesetz und die richterliche Rezeption Die Erwartungen an den Umfang einer „Großen Justizreform“ waren so gewaltig, dass bald geradezu gewarnt wurde, mit dem Richtergesetz eine solche „Große Justizreform“ zu erwarten.132 So fällt auch die Liste der begrüßten Ände123 Vgl. den Entwurf des DRB für einen § 36a DRiG, abgedruckt in: DRiZ 1958, S. 101 (103). 124 Arndt, Gedanken von Richtern zum Richtergesetz, in: DRiZ 1950, S. 149; Schmidt, Richter und Staatsanwalt im demokratischen, sozialen Rechtsstaat, in: DRiZ 1952, S. 181 (186); diesem zust. Dehler, Notlage der Richterschaft, in: DRiZ 1952, S. 186 (186); Wagner, Die Regierungsvorlage zum Richtergesetz, in: JZ 1957, S. 531. 125 Buchholz, Richterliche Hilfsarbeiter, in: DRiZ 1959, S. 46 f. 126 Wagner, Dringende Fragen einer Justizreform, in: DRiZ 1957, S. 93 (97). 127 Dinslage, Richterliche Unabhängigkeit und Dienstaufsicht, in: DRiZ 1960, S. 201 (203 f.). 128 Arndt, Gedanken von Richtern zum Richtergesetz, in: DRiZ 1950, S. 149 (151). So auch Haussmann, Bedeutung der richterlichen Unabhängigkeit, in: DRiZ 1956, S. 21. 129 Vgl. den Entwurf des DRB für einen § 30a DRiG, abgedruckt in: DRiZ 1958, S. 101. 130 DRB zum neuen Entwurf eines Richtergesetzes, in: DRiZ 1958, S. 101 (102 f.). 131 Schmidt, Das deutsche Richtergesetz, in: JZ 1963, S. 73 (75, Fn. 31); Uffhausen, Das Richtergesetz, in: MDR 1961, S. 973 (976). 132 Amelunxen, Volksnahe Rechtsprechung, in: DRiZ 1952, S. 180 (181).
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E. Die Bundesrepublik Deutschland
rungen, die das am 8. September 1961 erlassene Deutsche Richtergesetz133 (DRiG) mit sich brachte, vergleichsweise übersichtlich aus. Allgemein sah man die Unabhängigkeitsformel des Art. 92 GG durch die Vorschriften zum Richterverhältnis in den §§ 8 ff. bestätigt134 und den Unterschied zwischen Richtern und Beamten hervorgehoben.135 Gelobt wurde etwa, dass die §§ 66 ff., 77 ff. DRiG die Disziplinargerichtsbarkeit und interne Verwaltungsgerichtsbarkeit in die Hände der Gerichte legten und den Richter damit weiter vom gewöhnlichen Beamten entfernten.136 Auch die Einschränkung von Nebentätigkeiten durch die §§ 40, 41 DRiG wurde als Wahrung der inneren Freiheit des Richters aufgenommen.137 Der Ersatz des Hilfsrichterbegriffes durch den Richtergehilfen wurde als weitere notwendige Klarstellung begrüßt.138 Schon das größte Anliegen der Rechtsprechung – ihre Selbstverwaltung – wurde aber nicht erfüllt. Der Schaffung eines Rechtspflege- oder Rechtsprechungsministeriums standen von vornherein einige Probleme gegenüber. So war angemerkt worden, der entsprechende Minister würde vielfach in andere Kabinettsbereiche übergreifen,139 eine vollständige Autonomie der Gerichte wäre nicht zu erreichen und die Eigenarten der einzelnen Gerichtsbarkeiten könnten bei einer Vereinheitlichung nicht berücksichtigt werden.140 Weitere einzelne Kritik wurde an der richterlichen Probezeit und ihrer Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Richters geäußert,141 ebenso wie am Fortbestand der Möglichkeit persönlich abhängiger Richter142 und am Austausch des Hilfsrichters durch den Richtergehilfen: Richter war eben nur der, der sich durch seine Erfahrung, seine Tugenden und seinen „Geist von Unabhängigkeit“ als Richter auszeichnete – und damit jedenfalls kein Gehilfe.143 Auch die Unabhängigkeitsformel des Deutschen Richtergesetzes wurde bemängelt: Der Grundsatz des § 25 DRiG, „[d]er Richter ist unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen“, übernehme mit der Bindung an das Gesetz die Formel eines abgelehnten positi-
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BGBl. I 1961, S. 1665. Schmidt, Das deutsche Richtergesetz, in: JZ 1963, S. 73 (74). 135 Schumacher, Das deutsche Richtergesetz, in: DRiZ 1961, S. 86 (87). 136 Schmidt, Das deutsche Richtergesetz, in: JZ 1963, S. 73 (74); Uffhausen, Das Richtergesetz, in: MDR 1962, S. 973 (978). 137 Schmidt, Das deutsche Richtergesetz, in: JZ 1963, S. 73 (75). 138 Schmidt, Das deutsche Richtergesetz, in: JZ 1963, S. 73 (76). 139 Weber, Spannungen und Kräfte, S. 133. 140 Mit Ausnahme der obersten Gerichte, vgl. Hirschmann, Das Rechtspflegeministerium, in: DRiZ 1957, S. 2 (3, 6). 141 Schmidt, Das deutsche Richtergesetz, in: JZ 1963, S. 73 (76). 142 Wagner, Die Regierungsvorlage zum Richtergesetz, in: JZ 1957, S. 531 (533). Ebenso Buchholz, Richterliche Hilfsarbeiter, in: DRiZ 1959, S. 46 (47). 143 Buchholz, Richterliche Hilfsarbeiter, in: DRiZ 1959, S. 46 (48 f.). 134
II. Staat und Juristen in der Bundesrepublik
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vistischen Richterleitbildes. 144 Auch die Besoldungsproblematik bestand fort, wurde nun aber weniger einheitlich bejaht. Während auf der einen Seite noch beklagt wurde, der Lebensstandard könne nicht gesichert werden,145 wurde auf der anderen bemerkt, dass die Besoldung zwar nicht so hoch wie in anderen Ländern wäre, aber doch hoch genug, um die richterliche Unabhängigkeit zu sichern.146 Bereits in der Entwurfsphase wurde deutlich, dass der vom Richtergesetz gewährte Schutz nicht vollständig sein würde:147 Das Deutsche Richtergesetz brachte keine wirkliche Reform der Stellung des Richters,148 insbesondere nicht durch eine abschließende rechtliche Abgrenzung vom Beamtenstand149 und eröffnete auch nicht den erhofften Umfang an Mitsprachemöglichkeiten des Richterstandes.150 Der Anspruch, mit dem Deutschen Richtergesetz eine volle Justizreform durchzuführen, war sichtbar aufgegeben worden.151 Dennoch: Obwohl der Stand zum Ende der Reformphase weit von dem entfernt war, was erhofft, teils sogar als selbstverständlich erwartet worden war, blieb ein nennenswerter Protest aus der Richterschaft aus. Der Einfluss der Justizverwaltung auf die Richter wurde aufgrund praktischer Erfahrungen nicht als erhebliche Gefahr angesehen.152 Trotz aller Kritik galt das Richtergesetz als wünschenswerter Anfang153 und erfüllte immerhin eine sammelnde und bewahrende Funktion.154 Auch ohne die erhoffte richterliche Selbstverwaltung gab das Richtergesetz keinen Anlass für Zweifel an der richterlichen Unabhängigkeit.155 Der Reformdrang ebbte weitgehend ab.
144 Schmidt, Das deutsche Richtergesetz, in: JZ 1963, S. 73 (75). Vgl. auch Uffhausen, Das Richtergesetz, in: MDR 1961, S. 973 (975). 145 Richterrat im Landgerichtsbezirk Kaiserslautern, Zur Besoldung der Richter, in: DRiZ 1965, S. 404. 146 Schilgen, Richterliche Unabhängigkeit, in: FAZ Nr. 247/1962, S. 2. 147 Wagner, Die Regierungsvorlage zum Richtergesetz, in: JZ 1957, S. 531 (535). 148 Schumacher, Das deutsche Richtergesetz, in: DRiZ 1961, S. 86. 149 Uffhausen, Das Richtergesetz, in: MDR 1961, S. 973 (982). Das gleiche Problem ergab sich für die Verfassungsrichter. Vorschriften, die Richter den Beamten gleichstellten, wurden für auf Richter des Bundesverfassungsgerichts unanwendbar befunden, vgl. Leibholz, Der Status des Bundesverfassungsgerichts, S. 85. 150 Zum Beispiel Zustimmungserfordernisse für die Übertragung weiterer Richterämter, Einfluss der Richter im Richtersenat – und größere Mitspracherechte des Richtersenats, vgl. die Stellungnahme des DRB zum neuen Entwurf eines Richtergesetzes, in: DRiZ 1958, S. 101. 151 Vgl. Entwurf DRiG von 1957, BReg-Drucks. 183/57. Mit Kritik am Begriff prognostiziert von Arndt, Grundfragen einer Reform der deutschen Justiz, in: DRiZ 1959, S. 199. 152 Geiger, Der Richter und seine Bindung an Gesetz und Recht, in: DRiZ 1963, S. 170 (171). 153 Schumacher, Das deutsche Richtergesetz, in: DRiZ 1961, S. 86 (87). 154 Brüggemann, Die rechtsprechende Gewalt, S. 84. 155 RiBAG Schilgen, Richterliche Unabhängigkeit, in: FAZ Nr. 247/1962, S. 2.
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c) Aufarbeitung – Richterkritik – Justizkrise Der letzte Abschnitt zur Richterschaft betrifft den geistigen Erneuerungsprozess. Das Ausbleiben der personellen Erneuerung legt zwar die Vermutung nahe, dass ein wirklicher geistiger Wandel auch nur begrenzt stattgefunden haben kann; es soll hier allerdings vielmehr auf das ,gelebte‘ Verhältnis zwischen dem neuen Staat und seiner Rechtsprechung ankommen. Die juristische Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen in der Nachkriegszeit wird bis heute untersucht und vor allem scharf kritisiert. Trotz der fortwährenden Relevanz soll die juristische Aufarbeitung selbst nicht eingehend ausgewertet werden. Die Charakterisierung des Verhältnisses der neuen Republik zu ihren alten Juristen orientiert sich stattdessen einerseits an der Selbstdarstellung und -wahrnehmung der Richterschaft, andererseits an den Stellungnahmen exekutiver und legislativer Vertreter in Fragen der Aufarbeitung durch die Gerichte und des allgegenwärtigen Stichwortes „Vertrauenskrise der Justiz“.156 aa) Aufarbeitung und das Bild des Richters in der frühen Nachkriegszeit Dass noch vor allen anderen Juristen die Strafrichter unmittelbar an der Vernichtungs- und Unterdrückungsmaschinerie des „Dritten Reichs“ beteiligt gewesen waren, konnte und kann nicht bestritten werden. An entsprechenden Versuchen hat es jedoch nicht gemangelt; nicht zuletzt in der Nachkriegszeit. Eine entschiedene Abrechnung mit den reaktionären Richtern Weimars oder den opportunistischen bis verbrecherischen Richtern des Nationalsozialismus gab es nicht. Es war für lange Zeit der Höhepunkt der frühen Kritik aus den eigenen Reihen, dass der Oberstaatsanwalt Karl Siegfried Bader im August 1946 in der zweiten Ausgabe der Deutschen Rechts-Zeitschrift urteilte, getrieben von seinem Minderwertigkeitsgefühl habe sich der Jurist im „Dritten Reich“ hinter dem Begriff des Rechtswahrers versteckt.157 Noch mehr als die Richter hätten allerdings die Verwaltungsjuristen versagt.158 Für den neuen Richterstand forderte er eine neue Standesüberzeugung, die Stärkung des Gemeinschaftsgeistes und die Mitwirkung am „kommenden Rechtsstaat“.159 Der Vorwurf des Minderwertigkeitskomplexes wurde aus Juristenkreisen umgehend zurückgewiesen; die Vertrauenskrisen in der Zeit des „Dritten Reichs“ als Beweis für die Bewahrung der Haltung durch Richter und Juristen trotz einiger „schmerzliche(r)“ Ausnahmen angeführt.160 Bader selbst gab auf diese erste Entgegnung bereits nach und zu, dass seine Formulierungen tatsächlich „zu scharf und den Juristen abträglich“ gewe156 157 158 159 160
Jahrreiss, Das Bundesverfassungsgericht, in: JuV 1950, S. 121 (122). Bader, Die deutschen Juristen, S. 1. Zuvor erschienen in: DRZ 1946, S. 33 ff. Bader, Die deutschen Juristen, S. 19. Bader, Die deutschen Juristen, S. 41 f. Schürholz, Die deutschen Juristen: Entgegnung, in: DRZ 1946, S. 175.
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sen wären, hielt aber im Grundsatz an seinem Vorwurf fest.161 Auch in der Folgezeit erfuhr er damit keine Zustimmung. Auf dem Konstanzer Juristentag von 1948 bemerkte der nordrhein-westfälische Justizminister Artur Sträter in einer Diskussion unter Beifall der Anwesenden: „Es darf nicht vergessen werden, daß ein großer Teil der Richter eine schwere Aufgabe erfüllt hat, er hat den Versuch gemacht, das Recht gegen den Gewalthaber zu schützen. In seiner überwiegenden Mehrheit hat der deutsche Richter vor Hitler nicht kapituliert.“ 162 Auch die an Reichsjustizminister Thierack gerichtete Forderung Hitlers, eine nationalsozialistische Rechtsprechung aufzubauen, wurde als Beweis gedeutet, dass dieses Vorhaben bis 1942 überhaupt nicht hätte umgesetzt werden können.163 Den Richtern wurde so attestiert, „durch zwei Weltkriegskatastrophen, durch unerhörte wirtschaftliche Niederbrüche und Vermögensverluste und durch eine ganze Serie von die Welt verändernden sozialen Umwälzungen“ ihr Berufsethos der „Unbestechlichkeit, bürgerliche[n] Korrektheit, menschliche[n] und sittliche[n] Sauberkeit“ bewahrt zu haben.164 Nicht nur die Richter, auch das Justizministerium wurde geradezu positiv bewertet: Radbruch verklärte dessen Leitung durch Schlegelberger zu einem Einsatz, „Schlimmeres zu verhüten“; zum Kampf um die richterliche Unabhängigkeit.165 Eine Beteiligung der Richter am nationalsozialistischen System war bei aller Relativierung und Umdeutung dennoch nicht abzustreiten. Entsprechende Vorwürfe wurden allerdings ebenfalls abgewiesen, vor allem unter Verweis auf eine Zwangslage der Richter.166 Unter denjenigen, die sich einem solchen Gang der Rechtfertigung nicht anschließen konnten, befand sich wiederum Radbruch. Eine Berufung der Richter auf den Notstand des § 54 StGB a. F. hielt er für „peinlich“: Der Richter, der das Unrecht erkannte, hätte aufgrund seines Amtes im Zweifel mit dem Leben für das Recht einstehen müssen.167 So hohe Erwartungen an die 161 Bader, Zur Entgegnung von LG-Dir. Schürholz, in: DRZ 1946, S. 176: „Es gehört geradezu zum Erscheinungsbild solcher psychischer Lagen, daß sie im Unbewußten entstehen und schon beseitigt sind, wenn sie bewußt empfunden werden. Mein Aufsatz wollte dazu beitragen, diese Einsicht zu fördern. Daß zahlreiche Richter, Verwaltungsjuristen und Anwälte den Zumutungen des NS-Regimes Widerstand leisteten, ist hinreichend bekannt, wenn insgesamt ihre Zahl auch ex nunc betrachtet zu klein erscheint.“ 162 Sträter, Diskussion, in: Der Konstanzer Juristentag, S. 181. Zuvor Zinn: „Juristisches Denken ist unweigerlich politisches Denken, aber es darf kein parteiliches Denken sein“, vgl. ders., Schöffen und Geschworene in Hessen, S. 131. 163 Altmann, Allgemeinbildung und Jurisprudenz, in: JZ 1955, S. 535 (537). Dazu in dieser Arbeit unter C. II. 2. 164 In Anlehnung an Bader, Die deutschen Juristen, S. 17; Schmidt, Berufsjurist und staatliche Rechtspflege, in: MDR 1948, S. 374 (382). 165 Radbruch, Des Reichsjustizministeriums Ruhm und Ehre, in: SJZ 1948, Sp. 57 (60, 63). 166 Rotberg, Zu einem Richtergesetz, S. 15. 167 Radbruch, Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht, in: SJZ 1946, S. 105 (108).
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Richter wurden nicht geteilt. Selbst wo im Grundsatz eine Verantwortung gesehen wurde, setzte man diese weit tiefer an: Der Richter wäre kein Revolutionär; er hätte aber die Pflicht gehabt, seine Robe abzulegen.168 Allerdings bedurfte es keines Verweises auf das Recht des Notstandes, um dem Richter jede Verantwortung für seine eigene Rechtsprechung abzusprechen. Schließlich, so die Argumentation, wurde nur der bereits in Weimar so deutliche „Stein des Positivismus“ 169 fortgetragen. Der durch den Rechtspositivismus „verbildete“ 170 Richter konnte seine naturrechtliche Pflicht, sein naturrechtlich verliehenes Recht zur Überprüfung der Gesetze des NS-Staates schlicht nicht erkennen.171 Mit den Worten Radbruchs: Der Positivismus hatte „den deutschen Juristenstand wehrlos gemacht“.172 Wo dem Richter kein Vorwurf einer verfassungsfeindlichen, reaktionären inneren Einstellung gemacht wurde, gelang auch die Zusammenarbeit mit Staat und Öffentlichkeit. Die Deutsche Richterzeitung konnte von einem gehaltvollen Austausch zwischen Regierungen und Richtern berichten,173 in Nordrhein-Westfalen wurde die Zusammenarbeit von Justiz und Presse beschworen, um Vertrauen zu schaffen, Kritik zu ermöglichen und einer Rechtsfremdheit vorzubeugen.174 Damit war der Begriff der Vertrauenskrise der Justiz nicht verschwunden; er war diffus, aber allgegenwärtig.175 Überwiegend wurde das Schlagwort der Vertrauenskrise als Dauererscheinung ohne besondere Gefahr eingeschätzt,176 die vor allem nicht mit der Weimarer Justizkrise vergleichbar wäre.177 An anderer Stelle wurde die Justizkrise nur als Teil eines größeren Kulturverfalles betrachtet, im Zuge dessen die Achtung vor dem Recht selbst verloren gegangen wäre.178
168 169
Clever, Zur Nachkriegskritik des Rechtspositivismus, in: DRZ 1949, S. 348. Arndt, Grundfragen einer Reform der deutschen Justiz, in: DRiZ 1959, S. 199
(200). 170
Radbruch, Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht, in: SJZ 1946, S. 105
(108). 171 Coing, Haftung für die Anwendung naturrechtswidriger Gesetze, in: SJZ 1947, Sp. 62; Figge, Die Verantwortlichkeit des Richters, in: SJZ 1947, Sp. 179 (183 f.). So noch 1959: Bachof, Grundgesetz und Richtermacht, S. 27. 172 Radbruch, Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht, in: SJZ 1946, S. 105 (107). 173 Vgl. die Mitteilung: „Nahe und herzliche Beziehung zwischen politischer Leitung und Richtertum“, in: DRiZ 1954, S. 146. 174 Amelunxen, Volksnahe Rechtsprechung, in: DRiZ 1952, S. 180. 175 Vgl. Schmidt, Richter und Staatsanwalt im demokratischen, sozialen Rechtsstaat, in: DRiZ 1952, S. 181 (185). 176 Jahrreiss, Das Bundesverfassungsgericht, in: JuV 1950, S. 121 (122); Müller-Meiningen, zitiert nach „Weltweite Unsicherheit in den Wertungen“, in: DRiZ 1955, S. 19. 177 Amelunxen, in der 2. Beratung des Justizetats im Lt. NRW am 28.3.1955, abgedruckt in: DRiZ 1955, S. 133 (134). 178 Groeninger, Justiz – in der Entscheidung, in: DRiZ 1954, S. 5 (5).
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Tiefere Überlegungen zur jüngeren Vergangenheit, zur Stellung und Aufgabe der Justiz in der neuen staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung wurden nicht angestellt. Stattdessen sah sich die Richterschaft in einem neuen Kampf; ihre neue Berufung in der Bewahrung des Rechtsstaates gegenüber den Gefahren des Bolschewismus.179 In der Rechtsprechung gegenüber Kommunisten zeigten sich die Richter entsprechend repressiv.180 Wohlwollend befand wiederum der nordrhein-westfälische Justizminister, Rudolf Amelunxen, noch im Jahr 1955: „Bald nach dem Jahre 1945 trat dann ein grundlegender Wandel ein. [. . .] Der Richter und Staatsanwalt in unserem neuen demokratischen und sozialen Staat wurde ein Träger des Rechts, der nicht eines fehlenden Verständnisses für die sozialen Notwendigkeiten und eines nicht vorhandenen Willens zu einer demokratischen Rechtsprechung verdächtigt werden kann.“ 181 bb) „Unbewältigte Vergangenheit“: Richter- und Gerichtskritik Etwa zur gleichen Zeit kam aber öffentliche Kritik an der Rolle der deutschen Gerichte im Wiedergutmachungsprozess auf. Vermehrt wurde die Rechtsprechung in Landtagen und der Presse relevant. Die Richter zeigten ihrerseits Unbehagen gegenüber Kritik der Presse. Besondere Aufmerksamkeit erhielt die Rechtsprechung zum Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (BEG).182 In den Verfahren, die einen wesentlichen Bestandteil des Wiedergutmachungsprozesses bedeuten sollten, wurde eine deutliche Vielzahl von Entschädigungsansprüchen durch die Gerichte nach langwierigen Verfahren schlicht abgelehnt.183 Drastische Kritik äußerte der Ausschuss für Fragen der Wiedergutmachung in seinem durch den SPD-Abgeordneten Greve erstatteten Bericht am 16. Mai 1956: „Der Ausschuß hat mit Erschrecken und Entsetzen Entscheidungen von Entschädigungsbehörden und -gerichten zur Kenntnis genommen, in denen eine Art des Denkens zum Ausdruck kommt, die zum völligen Versagen, ja zum Teil in das Gegenteil der Wiedergutmachung führen muß. Der Ausschuß wünscht mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck zu bringen, daß das von ihm vorgelegte Gesetz nur dann richtig angewendet werden kann, wenn die Menschen, die es handhaben müssen [. . .] ein echtes inneres Verhältnis zu der ethischen und rechtlichen Aufgabe der Wiedergutmachung [. . .] haben. Sie haben nicht zu fragen, warum und wozu wiedergutgemacht wird, son179 Schmidt, Richter und Staatsanwalt im demokratischen, sozialen Rechtsstaat, in: DRiZ 1952, S. 181 (183); Schmidt, Richtertum, Justiz und Staat, in: JZ 1953, S. 321 (321, 326). 180 Stolleis, Sozialistische Gesetzlichkeit, S. 41. 181 Rede Amelunxen auf der Tagung „Das Streikrecht in der Demokratie“, abgedruckt in: DRiZ 1955, S. 119. 182 BGBl. I 1953, S. 1387. 183 Vgl. van Bebber, Wiedergutgemacht?, S. 17, 355 ff.
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E. Die Bundesrepublik Deutschland
dern nur wiedergutzumachen, und zwar in jedem Falle in dem für den Berechtigten günstigsten Sinn und Umfang.“ 184
Das Bundesjustizministerium nahm die Richter umgehend in Schutz. Es bestätigte ihnen, nach bestem Wissen und Gewissen geurteilt zu haben.185 Die SPD hielt zwar an ihrer Auffassung fest, betonte jedoch auch, die Kritik dürfte nicht generalisiert werden.186 Einige Richter baten um Ablösung von ihren Ämtern,187 beklagten sich über verletzende Kritik, über schlechte Gesetze und eine Behinderung der Amtsführung durch die Parlamente.188 In keiner Weise glich die Ablehnung der parlamentarischen Kritik allerdings der Haltung der Weimarer Richter in der Aufwertungsrechtsprechung. Während die Öffentlichkeit von der Wiedergutmachungsrechtsprechung mangels Interesses kaum Notiz nahm,189 wurden Gerichtsverfahren im Allgemeinen vermehrt von der Presse thematisiert. An anderer Stelle sah sich der BGH etwa gezwungen, sich via Pressemitteilung gegen Behauptung zu wehren, durch seine Rechtsprechung billigte er die Vernichtung von Sinti und Roma im „Dritten Reich“.190 Zunehmend wurden auch aus der Richterschaft Klagen laut: Die „direkte und indirekte Beeinflussung der Richter durch Presse und Rundfunk“ sei die relevanteste Gefahr für die Objektivität und die Unabhängigkeit der Richter; journalistische Stellungnahmen zu laufenden Verfahren, aber auch solche aus Regierungen und Parlamenten, sollten unterlassen werden.191 Es erhoben sich allerdings auch vermittelnde Stimmen: Der Richter sollte sich als Inhaber eines öffentlichen Amtes „der Kontrolle des Volkes, in dessen Namen er Recht spricht, bewußt stellen“.192 Die Kritik im Parlament galt als legitim, solange sie sachlich wäre und nicht den Anschein eines Eingriffs vermittelte.193 Innerhalb kurzer Zeit verschob sich die öffentliche Diskussion: Nicht nur die Urteile, auch die Verflechtungen von Justiz und Nationalsozialismus wurden hinterfragt. Ohne dabei die bereits laufende „Blutrichter“-Kampagne der DDR auf184 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Fragen der Wiedergutmachung (37. Ausschuß), BTDrs. 2/2382. Zur Rechtsprechung der Entschädigungsgerichte, in: DRiZ 1956, S. 155. 185 DRiZ 1956, S. 155. 186 DRiZ 1956, S. 155. 187 DRiZ 1956, S. 155. 188 Schreiben von 30 Entschädigungsrichtern des Landes Baden-Württemberg an das baden-württembergische Justizministerium v. 17.7.1956, abgedruckt in: DRiZ 1956, S. 185. 189 Van Bebber, Wiedergutgemacht?, S. 18. 190 Pressestelle des BGH, Der BGH zur Rassenverfolgung, in: DRiZ 1956, S. 36. 191 Haussmann, Bedeutung der richterlichen Unabhängigkeit, in: DRiZ 1956, S. 21. 192 Voit, Von der „Rechtsfremdheit“ der deutschen Öffentlichkeit, in: DRiZ 1957, S. 300 (301). 193 So Amelunxen, in der 2. Beratung des Justizetats im LT NRW am 28.3.1955, abgedruckt in: DRiZ 1955, S. 133 (134).
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zugreifen – das hätte zu einer Assoziation zu den Propagandaorganen der DDR geführt –,194 hatte der SPIEGEL im Jahr 1957 mit der Reportage „Wer half Schörner?“ die Richterkontinuität in der Bundesrepublik aufgegriffen.195 Die Reaktionen von Bundesregierung und Parlament waren zurückhaltend bis konspirativ: Die weitere filmische Berichterstattung über die Involvierung von Richtern in das nationalsozialistische Unrecht wurde aktiv unterbunden.196 In manchem Landtag wurde das Fernsehen ausgeschlossen, damit nicht „,persönliche Dinge zur Sprache kommen‘ und ,manche Richter mit Namen genannt‘“ würden.197 Zu einer klaren Verurteilung der Richter konnte sich neben anderen auch der SPDAbgeordnete Adolf Arndt nicht durchringen.198 Stattdessen stellte dieser jegliche Justizkrise mit Blick auf das nahende Richtergesetz als bloße Behauptung in Frage und behauptete seinerseits, das Schlagwort der Justizkrise sei durch den aus der Richterschaft dringenden Ruf nach Justizreformen abgelöst worden.199 Eine Atempause für die Richterschaft bewirkte das zeitgleich erschienene Buch Hubert Schorns, „Der Richter im Dritten Reich“.200 Seine Verteidigung der
194 von Miquel, Ahnden oder amnestieren, S. 39; o. A., Kriegsrichter: Wer half Schörner?, in: Der Spiegel 42/1957, S. 22 ff. 195 O. A., Kriegsrichter: Wer half Schörner?, in: Der Spiegel 42/1957, S. 22 (23 f.). Ausführlich zu Schörner selbst vgl. o. A., Aber Schörner weiß von nichts, in: DIE ZEIT, Nr. 41/1957, S. 2. Der Fall selbst und seine Bedeutung für die Frage der Richterkontinuitäten seien an dieser Stelle kurz zusammengefasst: Im Jahr 1957 wurde vor dem LG München I Anklage gegen Ferdinand Schörner erhoben, der zu Beginn des Jahres 1945 die Erschießung dreier Soldaten befohlen hatte. Wichtiger als Schörner selbst waren vier Zeugen – allesamt Richter in herausgehobenen Stellungen vom Landgerichtsrat bis zum Oberlandesgerichtspräsidenten. Im Verfahren stellte sich heraus, dass sie auf unterschiedliche Weise in die damaligen Vorgänge involviert gewesen waren. Einer von ihnen hatte in der Rechtsabteilung des Oberkommandos der Wehrmacht an den Bestimmungen mitgewirkt, die eine Erschießung vermeintlich die Truppe gefährdender Wehrmachtssoldaten straflos stellte; ein anderer hatte den Erschießungsbefehl diktiert. Wiederum ein anderer hatte, als es doch zu einem Kriegsgerichtsverfahren gegen einen der eigentlich zu erschießenden Soldaten kam, als Ankläger die Todesstrafe beantragt, obwohl er diesen für unschuldig hielt. Das Landgericht München I lehnte eine Vereidigung der Zeugen ab, weil einer Vereidigung ein „Verdacht der Teilnahme“ an nationalsozialitischen Straftaten entgegenstand. Abschließend warf der Spiegel selbst die Frage auf, die es nun – über den Fall Schörner hinaus – zu beantworten galt: „Sache der Münchener Strafverfolgungsbehörden ist es, ob sie aus dem Umstand, daß vier hohe amtierende Juristen im Schörner-Prozeß wegen ,Verdachts der Teilnahme‘ unvereidigt blieben, strafrechtliche Konsequenzen ziehen wollen oder ob Glanz und Elend deutscher Richter unter verschiedenen politischen Systemen [. . .] forensisch nicht weiter erörtert werden sollen“, a. a. O., S. 24. 196 von Miquel, Ahnden oder amnestieren, S. 49 f. 197 Vgl. Müller-Meiningen jr., Justiz – nicht ferngesehen, in: Süddeutsche Zeitung 289/1959, S. 1. 198 von Miquel, Ahnden oder amnestieren, S. 42 f. 199 Arndt, Grundfragen einer Reform der deutschen Justiz, in: DRiZ 1959, S. 199. 200 Siehe zuvor unter C. II. 2. b). Nach dem Erscheinen des Buches wiederholte Schorn das erfundene Zitat anscheinend nicht. Stattdessen berief er sich zum Beleg sei-
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Richterschaft war aufgrund seiner tadellosen politischen Vergangenheit unverdächtig.201 Das erfundene Hitler-Zitat von der „Schande [. . .], Jurist zu sein“ wurde vielfältig und unkritisch in Wissenschaft und Presse übernommen.202 Bader relativierte seine eigene Kritik am vom Minderwertigkeitsgefühl mitgerissenen Juristen von 1946, befand die Darstellung durch Schorn für wesentlich zutreffend, wenn auch vereinfacht.203 Mit Blick auf die aktuelle Frage der Justizkrise merkte er bloß an, „Richtern werden Aufgaben überbürdet, die vielfach der Selbstverantwortung des Bürgers unterliegen.“ 204 Dennoch hielt die Kritik an. Der Konsens, dass die Richter des „Dritten Reiches“ vom Positivismus verblendet gewesen wären und damit kein Unrecht getan hätten, wurde in Frage gestellt.205 In Ministerien206 und Landtagen wurde begonnen, nach Lösungen zu suchen, die den notwendigen Schutz der Unabhängigkeit der Richter und die Kritik an politisch motivierten Richtern in ein angemessenes Verhältnis setzten.207 Das Problem der „unbewältigten Vergangenheit“ war so spätestens zur Wende des Jahrzehnts nicht mehr zu ignorieren.208 Noch zum Jahreswechsel hatte der Bundesjustizminister Schäffer der Richterschaft sein volles Vertrauen ausgesprochen: Sie würde zwar diffamiert, wäre aber tatsächlich im Volke angesehen.209 Anlässlich der Veröffentlichung einer Liste von 1.000 mutmaßlichen „Naziblutrichtern“ durch die DDR nahm sich die Zeit nun dem Thema an. Der Artikel „Die Nazis in unserer Justiz“ hob hervor, dass noch immer wenigstens 100 NS-Richter in der bundesrepublikanischen Justiz verblieben waren und den Rechtsstaat und „die Idee von Recht und Gerechtigkeit“ kompromittierten.210 Endlich wurde ein Prozess der Selbstreinigung der Justiz gefordert, der ohne Strafen auskommen, schon gar nicht eine zweite Phase der Entnazifizierung sein,211 aber doch zum Ausscheiden belasteter Richter aus ihren Ämtern ner Darstellung der Richterschaft als Hemmnis für Hitler auf dessen tatsächliche Aussagen, vgl. Schorn, Die Justiz verdient Vertrauen, in: DRiZ 1963, S. 187. 201 So Bader, Die deutsche Justiz im Selbstzeugnis, in: JZ 1960, S. 1 (3). 202 Mielke, Die Schande, ein deutscher Jurist zu sein, in: FAZ vom 4. Dez. 49/1959; Neidhard, Die heutige Lage der Justiz, in: DRiZ 1963, S. 209 (210); Werner, Das Problem des Richterstaates, S. 12. Vgl. zuvor unter C. II. 2. b) bb). 203 Bader, Die deutsche Justiz im Selbstzeugnis, in: JZ 1960, S. 1 (2 f.). 204 Bader, Die deutsche Justiz im Selbstzeugnis, in: JZ 1960, S. 1 (4). 205 Müller-Meiningen jr., Justiz – nicht ferngesehen, in: Süddeutsche Zeitung 289/ 1959, S. 1. 206 Vgl. Müller-Meiningen jr., Justiz – nicht ferngesehen, in: Süddeutsche Zeitung 289/1959, S. 1. 207 Abgeordneter Urbanczyk in der Sitzung des Nds. Landtages am 4.3.1959, zitiert nach: Justizdebatte in Niedersachsen, in: DRiZ 1959, S. 220 (221 f.). 208 Neidhard, „Nazi-Blutrichter“, in: DRiZ 1960, S. 100. 209 Schäffer, Zum Jahreswechsel!, in: DRiZ 1960, S. 1. 210 Sommer, Die Nazis in unserer Justiz, in: DIE ZEIT, Nr. 07/1960, S. 1. 211 Ebenfalls Neidhard, „Nazi-Blutrichter“, in: DRiZ 1960, S. 100. Aus der Politik, vgl. den Auszug aus den Debatten des bayerischen Landtages in DRiZ 1960, S. 26 f.
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führen sollte.212 Auch diese Forderung kam nicht ohne den scheinbar obligatorischen Verweis auf den Mut einiger Richter im „Dritten Reich“ aus.213 Eine Überprüfung der Akten aus der DDR wurde von Seiten der Bundesregierung zunächst abgelehnt; entweder weil dies eine Anerkennung des SED-Staates bedeutet hätte oder weil eine Übersendung nicht erfolgt wäre.214 Die gesamte Darstellung wurde als Schmutzkampagne der DDR bezeichnet und eine allgemeine Schuld der Richter abgewiesen.215 Während in den Landtagen mit Verweis auf SED-Propaganda und Warnungen vor Generalisierungen beschwichtigt wurde, wurde doch die erneute Überprüfung der Lebensläufe beantragt.216 Der Deutsche Richterbund schlug vor, maßgeblich an verbrecherischen Urteilen beteiligte Richter durch die oberste Dienstbehörde mit Zustimmung des Betroffenen in den Ruhestand zu versetzen.217 Eine erste Zusammenfassung ergab, dass die Justizverwaltungen im Anschluss an ihre Untersuchungen weit überwiegend keinen Anlass für Maßnahmen sahen; aber auch, dass einige Richter freiwillig ausgeschieden waren.218 Das Vertrauen zwischen Parlamenten und Gerichten war aufgrund der andauernden Kritik angeschlagen.219 Beobachtung und Kritik der Richter durch Exekutive und Legislative wurden nun ihrerseits harsch kritisiert: „[Die Kritik] überrascht, denn ein Staat, der sich als Rechtsstaat versteht, müßte auch den leisesten Anschein vermeiden, die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gefährden zu wollen.“ 220 Der Deutsche Richterbund nahm unverdächtige Richter in Schutz, bekräftigte jedoch deren Anspruch, von Amtskollegen befreit zu werden, die dem Ansehen der Justiz scha-
sowie die Stellungnahme des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kiesinger in den Badischen Neusten Nachrichten Nr. 293/1959, abgedruckt in: DRiZ 1960, S. 29. 212 Sommer, Die Nazis in unserer Zeit, in: DIE ZEIT, Nr. 07/1960, S. 1. 213 Mit Verweis auf Schorns Buch, „Der Richter im Dritten Reich“, vgl. Sommer, Die Nazis in unserer Zeit, in: DIE ZEIT Nr. 07/1960, S. 1. 214 Sommer, Die Nazis in unserer Zeit, in: DIE ZEIT, Nr. 07/1960, S. 1; Vorwürfe wegen Tätigkeit in der NS-Zeit, in: Bulletin der Bundesregierung v. 16.2.1960, S. 308. 215 Heim, Die unbewältigte Vergangenheit, in: DRiZ 1960, S. 151. Dem Artikel von Sommer stellte die DRiZ eine frühere Darstellung (Carolus, Das böse Erbe für die deutschen Richter, in: Stuttgarter Zeitung, Nr. 26/1956) direkt gegenüber, vgl. die Auszüge in DRiZ 1960, S. 90 f. 216 Aus dem bayerischen Landtag vgl. Die Richter in Bayern, in: DRiZ 1960, S. 26 f.; Überprüfung von Richtern und Staatsanwälten, in: DRiZ 1960, S. 29; Maßnahmen gegen Richter in Baden-Württemberg, in: DRiZ 1960, S. 86 f. 217 Die unbewältigte Vergangenheit, Editorial, in: DRiZ 1960, S. 89. 218 Vorwürfe wegen Tätigkeit in der NS-Zeit, in: Bulletin der Bundesregierung v. 16.2.1960, S. 308. Ähnlich der niedersächsische Justizminister von Nottbeck in der Haushaltsdebatte des 7.12.1960, abgedruckt in: DRiZ 1961, S. 57. 219 Vgl. aus dem Berliner Abgeordnetenhaus (17.11.1960), in: DRiZ 1960, S. 22. 220 „Mißachtung der Dritten Gewalt“, in: Nürnberger Nachrichten v. 21.4.1961, in: DRiZ 1961, S. 193 f.
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deten.221 Andere Richter riefen darüber hinaus dazu auf, der „Geschichtslüge entgegen[zu]treten, die Justiz sei eine willige Handlangerin des Nationalsozialismus gewesen“ 222 und forderten den Schutz von Regierungen und Parlamenten vor einer weiteren Kränkung durch die Bezeichnung als „,Klassen-‘ oder ,Nazijustiz‘“ auf.223 Die Politik wurde aufgefordert, eine Regelung für all diejenigen Fälle zu finden, die bisher nicht straf- oder disziplinarrechtlich erfasst werden könnten.224 Dabei konnte es freilich nur um Fälle gehen, in denen Richter durch „exzessive“ Todesurteile aufgefallen waren.225 Als wünschenswert galt die Einführung von auf Freiwilligkeit beruhenden Maßnahmen, während das kurz vor der Verabschiedung stehende „Richtergesetz, die magna carta der richterlichen Unabhängigkeit, nicht mit dieser Frage“ belastet werden sollte.226 In einer Entschließung vom 14. Juni 1961, die ohne Gegenstimmen beschlossen wurde, kündigte der Bundestag mit einem auffälligen Maß an Differenzierung weitere Maßnahmen an. Zwar sei nur eine kleine Zahl an Richtern und Staatsanwälten von den Vorwürfen betroffen und vor allem nehme man sich der Frage an, weil befürchtet wurde, dass sie sonst „von unberufener Seite mißbraucht [werden könnte], um allgemeinen Verdächtigungen zu rechtsfremden Zwecken zu dienen.“ In ungewohnter Deutlichkeit forderte das Parlament aber auch eine Zäsur zur Vergangenheit: „Der Bundestag erwartet, daß jeder Richter und Staatsanwalt, der wegen seiner Mitwirkung an Todesurteilen mit begründeten Vorwürfen aus der Vergangenheit rechnen muß, sich seiner Pflicht bewußt wird, jetzt aus dem Dienst auszuscheiden, um die klare Trennung zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart zu sichern. Die rechtsstaatliche Justiz kann sich um der Glaubwürdigkeit der Justiz unter der neuen Ordnung des freiheitlichdemokratischen Rechtsstaates willen unter keinen Umständen mit den Verfehlungen der nationalsozialistischen Zeit in Verbindung bringen lassen.“ 227 Die belasteten Juristen galten als untragbar. Noch vor dem Hintergrund des nun mehr als drei Jahre zurückliegenden Falls „Schörner“ 228 wurde mit § 116
221
Deutscher Richterbund, Gegen Diffamierung, für Distanzierung!, in: DRiZ 1960,
S. 97. 222
Neidhard, „Nazi-Blutrichter“, in: DRiZ 1960, S. 100. Mit der Aufforderung, aber auch das eigene Handeln zu überdenken, Greiff, Ehrenschutz des Richters, in: DRiZ 1961, S. 181. 224 Deutscher Richterbund, Gegen Diffamierung, für Distanzierung!, in: DRiZ 1960, S. 97 (98). 225 Neidhard, „Nazi-Blutrichter“, in: DRiZ 1960, S. 100. Schäffer, Nazirichter in der Justiz der Bundesrepublik?, in: Bulletin der Bundesregierung v. 12.4.1960, S. 679 f. 226 Neidhard, „Nazi-Blutrichter“, in: DRiZ 1960, S. 100 (101). 227 Entschließung des Deutschen Bundestages v. 14.6.1961, abgedruckt in: DRiZ 1961, S. 197. 228 Brüggemann, Die rechtsprechende Gewalt, S. 180. 223
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DRiG229 eine bis zum 30. Juni 1962 befristete Möglichkeit für Richter und Staatsanwälte geschaffen, sich aufgrund ihrer Tätigkeit im „Dritten Reich“ in den Ruhestand versetzen zu lassen. Sollten die Betroffenen die Frist ungenutzt verstreichen lassen, wurde bereits eine Änderung des Grundgesetzes in Aussicht gestellt.230 In der Presse wurde das Gesetz als „große Chance, die [. . .] das Parlament dem hohen Stande der Justiz bietet“ aufgefasst.231 Die Richter und Staatsanwälte hatten jedoch keine Verurteilungen zu fürchten und ließen sich nicht ausnahmslos in den Ruhestand drängen,232 zumal sich der Deutsche Richterbund mit ihnen solidarisierte233 und das Bundesjustizministerium schon früh prognostiziert hatte, dass schwerste Verfehlungen ohnehin kaum nachweisbar wären. Dennoch schieden 143 Richter und Staatsanwälte bis Juli 1962 aus dem Dienst.234 Übrig blieben zunächst 14 Richter und Staatsanwälte;235 im September 1962 noch 12 Betroffene, davon acht Richter und vier Staatsanwälte, die nicht von ihrer Antragsmöglichkeit Gebrauch machten.236 Schon im folgenden Monat waren aus „allgemeinen beamtenrechtlichen Gründen“ nur noch fünf der Richter im Dienst; auf der Justizministerkonferenz wurde Unterstützung für weitere Schritte der Gesetzgebung zum Abschluss der Reinigung der Justiz angekündigt.237 Der Deutsche Richterbund sprach sich in diesem Zuge deutlich gegen eine Verfassungsänderung aus.238 Insgesamt wurde § 116 DRiG aus der Politik als deutlicher Erfolg bewertet.239 Von 229 Das DRiG wurde am 8.9.1961 erlassen (BGBl. I 1961, S. 1665). Anders als die meisten übrigen Normen trat § 116 DRiG nicht erst am 1.7.1962, sondern bereits am Tage nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft (§ 126 DRiG). Mit dem Inkrafttreten des DRiG einen Tag nach dem Ablauf der Frist des § 116 DRiG sollte die Vergangenheit also bewältigt sein. 230 Vgl. die Entschließung des Bundestages vom 14. Juni 1961, abgedruckt in: DRiZ 1961, S. 197. Siehe ferner die Pressestimmen zum Richtergesetz, jeweils gesammelt in: DRiZ 1961, S. 233; DRiZ 1961, S. 261. 231 Badische Neueste Nachrichten Nr. 136/1961. 232 von Miquel, Ahnden oder amnestieren, S. 70. 233 von Miquel, Ahnden oder amnestieren, S. 92. 234 Mitteilung der Bundesregierung, abgedruckt in: DRiZ 1962, S. 287. Darunter auch der erst kurz zuvor ernannte Generalbundesanwalt Fraenkel, über dessen Mitwirkung an der NS-Justiz Unterlagen aus der DDR Aufschluss gegeben hatten, vgl. Die Betroffenen des § 116 DRiG, Bericht, in: DRiZ 1962, S. 287; Generalbundesanwalt Fränkel in den einstweiligen Ruhestand versetzt, in: Bulletin der Bundesregierung 1962, S. 1094. 235 von Miquel, Ahnden oder amnestieren, S. 97. 236 Die Gesamtzahl der Ausgeschiedenen wurde auf 149 hochkorrigiert, vgl. Schmidt, Das deutsche Richtergesetz, in: JZ 1963, S. 73 (81); Bericht des BMJ vom 10.9.1962, BTDrs. 1962, IV/634. 237 Hirschmann, 30. Konferenz der Justizminister, in: DRiZ 1962, S. 419. 238 Deutscher Richterbund, Präsidialsitzung in Bonn, in: DRiZ 1961, S. 161. 239 Brief des NRW-Justizministers Flehinghaus an die Welt am Sonntag (Nr. 2/1962), Auszug in: DRiZ 1962, S. 66.
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den Betroffenen wurde der Rückzug aus dem aktiven Dienst allerdings keineswegs als klare Chance wahrgenommen. Manch einer protestierte – wenn auch anonym: „Ich war zeitlebens ein unbequemer Beamter; ich habe stets um jedes Tüpfelchen Recht gekämpft. Dennoch: Jetzt gehe ich. Ich gehe, weil mir die zu erwartende fortwährende öffentliche Erörterung unwürdig erscheint [. . .].“ 240 cc) Zurück zur Grundsatzkritik: Die Justizkrise ab 1962 Auch wenn im Bundestag Einigkeit darüber herrschte, dass die restlichen Fälle unabhängig von ihrer geringen Zahl noch einer Regelung bedurften;241 die politische Vergangenheit der Justizjuristen verschwand aus dem Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmung. Mit der SPIEGEL-Affäre kam es ebenfalls im Oktober 1962 zur nächsten Krise: Die Verfolgung von Presseangehörigen nach dem Erscheinen eines Artikels über die Wehrfähigkeit Westdeutschlands242 wurde von der Öffentlichkeit und der Presse – zu Recht – als schwerer Schlag der Regierung gegen die Pressefreiheit aufgefasst. Die Auseinandersetzungen weiteten sich jedoch bald auf die Justiz aus; sie erhielten nun einen ganz „grundsätzlichen Charakter“.243 Die Kritik verschob sich von der zuvor intensiv diskutierten Vergangenheit der Richter zurück ins Allgemeine: Der Richterschaft wurde vorgeworfen, die Berufsgruppe mit der größten antidemokratische und obrigkeitsstaatlichen Tradition zu sein.244 Eine Vielzahl von Richtern gab sich verletzt, sprach von einer Kränkung der „von Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit getragen[en]“ Rechtsprechung,245 von 240
O. A., Ich war „NS-Richter“, in: DIE ZEIT, Nr. 26/1962, S. 3. Vgl. Kern, Änderung des Grundgesetzes wegen der belasteten Richter?, in: DRiZ 1963, S. 246. Um einer Änderung des Grundgesetzes zu entgehen, schlug dieser etwa vor, den Verbleib der fraglichen Richter in ihren Ämtern als Fehlverhalten Dienstverfahrensrechtlich zu ahnden, ders., a. a. O., S. 248. 242 Ahlers/Schmelz, Bundeswehr: Bedingt abwehrbereit, in: Der Spiegel 41/1962, S. 39–53. 243 Vgl. Rasehorn, Justiz und Rechtswirklichkeit, in: DRiZ 1964, S. 226. Der BGH hatte am 23.10.1962 Haftbefehle u. a. gegen Verleger und Chefredakteur des Spiegels sowie eine Durchsuchungsanordnung ausgestellt, später die Anträge auf Haftprüfung und eine Haftbeschwerde verworfen, vgl. Adenauer, Tatsachen – Ansprache über Fernsehen und Rundfunk, in: Bulletin der Bundesregierung v. 24.11.1962, S. 1845 f. Kritik an seiner Person wies Verteidigungsminister Franz Josef Strauß in der Presse mit dem Verweis auf die Unabhängigkeit des Gerichts zurück, vgl. die Dokumente 18 und 19, in: Seifert, Die Spiegel Affäre I, S. 489 f. Dem Gericht wurde allerdings zugute gehalten, „in der Spiegel-Affäre seine Unabhängigkeit bewiesen“ zu haben, vgl. Grosser, Aspekte der Affäre, S. 27. 244 Haffner, Spiegel Affäre, in: Der Spiegel 14/1963, S. 20 f. Zu dessen Veröffentlichungen im Stern vgl. Rasehorn, Justiz und Rechtswirklichkeit, in: DRiZ 1964, S. 226. 245 Schorn, Die Justiz verdient Vertrauen, in: DRiZ 1963, S. 187 f. Ebd. stellt sich Schorn zugleich dem Vorwurf entgegen, die Richter der Weimarer Republik waren antidemokratisch und reaktionär. Dagegen wiederum Neidhard, Die heutige Lage der Justiz, in: DRiZ 1963, S. 209. 241
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Strapazen für die innere Unabhängigkeit246 und beklagte, dass die Kritik zur erheblichen Gefahr für die Unabhängigkeit des Richters würde.247 Die gegenwärtige mediale, auch filmische Darstellung der Justiz wurde als herabwürdigendes Zerrbild empfunden.248 In dieser neuen Phase der Justizkrise entspannte sich gleichsam das Verhältnis der Richter zu den anderen Staatsgewalten: Die Parlamente nahmen die Richter wieder vor Kritik in Schutz,249 auch wenn eine sich anbahnende Strafprozessrechtsreform als Ausdruck des parlamentarischen Misstrauens aufgefasst wurde.250 Offene Zweifel an der Legitimität des Staates und Kritik an der Staatsform seitens der Richter gab es anders als in Weimar gerade nicht.251 Zunehmend erkannten die Gerichte die Möglichkeit einer Eigeninitiative: Die Öffentlichkeitsarbeit der Justiz.252 Parallel nahm auch der Deutsche Richterbund seine Gegenberichterstattung auf.253 Ebenso wurden Stimmen laut, die anerkannten, dass Richter keineswegs „jeder Kritik entzogen“ wären254, dass die Justiz lernen müsste, Kritik zu ertragen und ihre Neigung, bloß das Bekannte zu bewahren und für gut zu befinden, ablegen müsste, um nicht selbstgerecht zu werden.255 Einige forderten eine geistige Erneuerung der Richterschaft: Die teils verständlichen, teils nicht entschuldbaren Angriffe der Medien dürften nicht überbewertet werden; tatsächlich bedürfte es einen neuen Richtertypus mit veränderter Einstellung zur Wirklichkeit und Rechtswirklichkeit.256 Das bedeutete vor allem eines: dass die Richter sich bemühen mussten, sozial und politisch Schritt zu halten257 Selbstkritik und Besserungsgelöbnissen konnten sich zwar nicht alle 246 Hannemann, Sorgen und Hoffnungen, in: DRiZ 1963, S. 413 (414). Zuvor Meyer, Die Bedrängnis der Justiz, in: DRiZ 1960, S. 70 (71). 247 Neidhard, Die heutige Lage der Justiz, in: DRiZ 1963, S. 209 (211). 248 Berlit, Justiz und Öffentlichkeit, in: DRiZ 1963, S. 225 (226 f.). 249 Vgl. die Wortbeiträge von von Nottbeck und Urbanczyk in der 78. Sitzung des Nds. Landtages,vgl. Justizdebatte in Niedersachsen, in: DRiZ 1963, S. 122 (124), mit Verweis auf die volle Textfassung in: Stenographische Berichte des niedersächsischen Landtages, S. 4450 ff. 250 Neidhard, Die heutige Lage der Justiz, in: DRiZ 1963, S. 209 (211). 251 Neidhard, Die heutige Lage der Justiz, in: DRiZ 1963, S. 209 (211). 252 Berlit, Justiz und Öffentlichkeit, in: DRiZ 1963, S. 225 (226 f.). 253 Vgl. die Berichte „Öffentlichkeitsarbeit“ und „Abwehr von Angriffen auf Richter und Staatsanwälte“ des Deutschen Richterbundes, in: DRiZ 1964, S. 213 f. 254 Hannemann, Sorgen und Hoffnungen, in: DRiZ 1963, S. 413 (414); Ostermeyer, Justiz und Kritik, in: DRiZ 1964, S. 405. 255 Schmid, Die Justiz muß Kritik ertragen lernen, in: DIE ZEIT, Nr. 17/1964, S. 2. 256 Rasehorn, Justiz und Rechtswirklichkeit, in: DRiZ 1964, S. 226 (228 f.). Ebenso Arndt, Gesetzesrecht und Richterrecht, in: NJW 1963, S. 1273 (1283 f.), der die Lösung des Problems in einem höheren Maß an Gerechtigkeit durch eine nähere Orientierung an der Wirklichkeit und eine stärkere Gemeinschaftsbildung suchte. Kritisch zur Umsetzbarkeit einer persönlicheren Justiz, vgl. Philipp, Justiz und Rechtswirklichkeit, in: DRiZ 1964, S. 344 f. 257 Schmid, Die Justiz muß Kritik ertragen lernen, in: DIE ZEIT, 17/1964.
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Richter anschließen;258 die Vertrauenskrise wurde aber überwiegend nicht weiter als erhebliche Gefahr für Richter und Rechtsstaat angesehen. So äußerte sich der Badische Justizminister Wolfgang Haussmann: „Auch Kritik, selbst dann, wenn sie über das Ziel hinausschießt, wird dem Rechtsstaat nicht gefährlich. Gefährlich wäre allein Gleichgültigkeit.“ 259 Ohne Widerworte resümierte ein Oberlandesrichter über die Lage der Justiz: „Die Hauptfrage, ob die Justiz in der Bundesrepublik als unabhängig bezeichnet werden kann, muß uneingeschränkt bejaht werden. [. . .] Niemand, der ernst genommen werden will, zweifelt auch an dieser Unabhängigkeit.“ 260 Die Richter konnten behaupten, um das Vertrauen der „weit überwiegende(n) Mehrheit“ des Volkes zu wissen.261 Damit war die Zeit der Vertrauenskrisen zwar nicht vorbei. Selbst Berichte einer „massive[n] Kritik“ waren aber kein weiterer Anlass für Reformen.262 Der zweite Präsident des Bundesgerichtshofs, Bruno Heusinger, stellte in der Sache 1965 fest, Kritik an der Justiz sei gerade eine Teilaufgabe der öffentlichen Berichterstattung und damit vor allem eines: wünschenswert.263 d) Auswertung: Vom Rechtsstaat zum Richterstaat? „Schützen wir die Richter, so schützen wir die Rechtsprechung und dienen dem Recht. Wir können unserem Volke nicht besser dienen als wenn wir die Hüter der Gerechtigkeit stärken.“ 264 Während aus dem Bundesjustizministerium mit diesen Worten eine starke Richterschaft beschworen wurde, hatten auch die Richter eine ihrer Aufgabe als „immer festere Stütze“ des demokratischen Rechtsstaates entsprechend starke Position eingefordert.265 Die Dynamik zwischen der nach Mitwirkung an der neuen Republik drängenden Richterschaft und dem Willen der Politik, ihnen eine entsprechende Stellung einzuräumen, zeigt sich an zwei wesentlichen Feststellungen aus der bisherigen Betrachtung: Erstens gab es trotz andauernder Vertrauenskrisen keinen schwerwiegenden Konflikt zwischen der Rechtsprechung und den anderen Staatsgewalten. Die Aufarbeitung wurde mit einem Kunstgriff vertagt: Die Richter konnten und mussten sich auf die eigene Verblendung durch den Positivismus berufen und sich so trotz zweifelhafter Vergangenheit in den neuen Staat einpassen. Von Reibungen und Warnungen abgesehen, betonten Parlamente und Regierungen Wert 258
Lintz, Justizkritik, in: DRiZ 1964, S. 305 (306). Haussmann, Probleme der Justiz, in: DRiZ 1963, S. 7 (8). 260 Neidhard, Die heutige Lage der Justiz, in: DRiZ 1963, S. 209 (211). 261 Hannemann, Sorgen und Hoffnungen, in: DRiZ 1963, S. 413. 262 Neidhard, Aktuelle Justizprobleme, in: DRiZ 1965, S. 219 (220 f.). 263 Heusinger, zitiert nach DRiZ 1965, S. 93. 264 Neumayer, „Hüter der Gerechtigkeit“, in: DRiZ 1956, S. 239 (240). 265 Bayerischer Richterverein, Die Rechtsstellung der Richter, Rundschreiben an die Bayerischen Ministerien, abgedruckt in: DRiZ 1956, S. 22 (24). 259
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und Unabhängigkeit der Rechtsprechung, die sich ihrerseits jedenfalls zu keinem Zeitpunkt in der Rolle der Opposition sah; wohl aber als „unverstandene Frau in [der] öffentlichen Ordnung“.266 Zweitens wurde die Stellung des einzelnen Richters zwar nicht wesentlich geändert; dafür allerdings die der Rechtsprechung. Ihre Erhebung zur dritten Gewalt, das umfassende Prüfungsrecht auch für Parlamentsgesetze und die Einrichtung eines mit einem Verwerfungsmonopol ausgestatten Bundesverfassungsgerichtes, die Bindung an das Naturrecht und die unerlässliche Betonung der Unabhängigkeit bedeuteten für viele ein vollkommen neues Bild vom Staat: Die Entwicklung vom Rechtsstaat zum Richterstaat.267 Wurde die zweifellos erhöhte gerichtliche Kontrolldichte268 von Hermann Jahrreiss zunächst noch als „radikaler Rechtswegsstaat“ bezeichnet,269 wurde der Begriff schnell von dem des „Richterstaats“ abgelöst. Weniger schmeichelhaft als den „Richterstaat“ sahen einige die „Justizokratie“ oder „Juristokratie“ 270 nahen. Vor allem Vertreter der Staatsrechtswissenschaften bewerteten die Entwicklung zu einem „Richterstaat“ kritisch oder lehnten sie sogar ab: Die unter Rückgriff auf eigene Wertvorstellungen vorgenommene Auslegung verfassungsrechtlicher Begriffe ebnete den Weg für Urteile mit politischer Wirkung und brächte die Gefahr der Politisierung und des Übergewichts der Gerichte mit sich.271 Die Richter, so wurde auch befürchtet, könnten überlastet und in eine politische Rolle gezwungen werden.272 Selbst wohlwollende Juristen warnten vor der Entwicklung einer „Elite-Ideologie des Richterstandes“ und einer Selbstüberhöhung des Richters über das Volk.273 Vor allem Ernst Forsthoff trat vehement für eine Rückkehr vom „Justizstaat“ zum „Gesetzesstaat“ ein. Er konstatierte: „Darüber, wann er [im Sinne von Art. 20 Abs. 3 GG] an das Gesetz gebunden ist, wann er unter Berufung auf das Recht von der Gesetzesgebundenheit frei ist, entscheidet heute der Richter selbst.“ 274 Die Ursache für diese Entwicklung, innerhalb derer Exekutive und Legislative dem Richter ihre Macht abgetreten hatten, lag seiner Ansicht nach in deren „durch die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte gebrochenen
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Vor einer solchen Haltung warnend Werner, Das Problem des Richterstaates, S. 5. Einige weitere Beiträge, die in diesem Abschnitt keine Berücksichtgung finden konnten, finden sich bei Brüggemann, Die rechtsprechende Gewalt, S. IX–XIII. 268 Bachof, Grundgesetz und Richtermacht, S. 9. 269 Jahrreiss, Das Bundesverfassungsgericht, in: JuV 1950, S. 121 (124). 270 Jung, Justizokratie, in: DRiZ 1952, S. 140. 271 Bachof, Grundgesetz und Richtermacht, S. 41 ff. 272 Werner, Das Problem des Richterstaates, S. 25. Mit anderem Ergebnis Bachof, Grundgesetz und Richtermacht, S. 41. 273 Arndt, Grundfragen einer Reform der deutschen Justiz, in: DRiZ 1959, S. 199 (204). 274 Forsthoff, Die Bindung an Gesetz und Recht, S. 184. Zu Schranken der Richtermacht, insb. aus Art. 79 Abs. 3 GG, vgl. Brüggemann, Gesetzesrecht und Richterrecht, JR 1963, S. 162 (166). 267
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Selbstbewußtsein [. . .] und nicht minder in dem Schwund des Vertrauens, das man ihnen entgegenbringt.“ 275 Die Befürworter einer starken dritten Gewalt hielten dem freilich entgegen, dass nur durch diese Stärkung der Gerichte eine rechtliche Begrenzung der Staatsgewalt gewährleistet werden;276 dass das Recht nur so „Maß der Macht“ sein könnte.277 Dystopischen Einschätzungen wie denen Forsthoffs wurde entgegengehalten, dass auch Ausnahmen der Justiziabilität bestanden, etwa im Bereich der staatlichen Daseinsvorsorge, die schon von vornherein keine befürchtete umfassende Herrschaft der Richter zuließen.278 Dennoch wurde ein weiterer Bewahrer des Rechtsstaates eingeführt: eine mit engen Regeln ausgestattete öffentliche Berichterstattung.279 An der Presse war es nun, richterliche Willkür einzudämmen und zugleich die Richter vor Gängelungen durch die Exekutive zu schützen.280 Losgelöst von der rechtspolitischen Bewertung durch die einzelnen Wortführer kann eines festgestellt werden: Bereits in den ersten Jahren der Bundesrepublik wurde der Richterschaft hochoffiziell staatspolitische Verantwortung übergeben.281 Die Rolle der Rechtsprechung als Hüterin der Verfassung wurde kaum einmal in Frage gestellt – und unabhängig war sie nach der damaligen Einschätzung zweifellos.282 3. Die Ausbildung des bundesrepublikanischen Juristenstandes a) Rechtsgrundlagen und Entwicklung Die Dezentralisierung und die Wiederherstellung des Föderalismus hatten den Großteil der Verantwortung für die Ausgestaltung der Juristenausbildung zurück in die Hände der Länder gelegt. Preußen, das für die Zeit der Weimarer Republik noch als tauglicher Repräsentant der deutschen Juristenausbildung herangezogen werden konnte, wurde durch die Aufteilung in unterschiedliche Besatzungszonen 275 Forsthoff, Die Bindung an Gesetz und Recht, S. 184. Bachof konnte dem insofern zustimmen, als die Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus in der Bevölkerung auch die freiheitsbeschränkende Macht von Gesetzen verdeutlicht hatten und nun auch in Misstrauen gegenüber dem Parlamentarismus umschlugen, vgl. ders., Grundgesetz und Richtermacht, S. 27. 276 Insb. mit Blick auf Österreich vgl. Marcic, Vom Gesetzesstaat zum Richterstaat, S. VII. 277 Bachof, Grundgesetz und Richtermacht, S. 45. 278 Brüggemann, Die rechtsprechende Gewalt, S. 179; von Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz I, S. 498. 279 Brüggemann, Die rechtsprechende Gewalt, S. 180, 188. 280 Schwinge, Der Jurist in der modernen Gesellschaft, S. 16 f. 281 Weber, Spannungen und Kräfte, S. 112. 282 Vgl. Weber, der nur in der Gerichtsbarkeit die Gewaltenteilung tatsächlich verwirklicht sieht, ders., Spannungen und Kräfte, S. 162.
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und die Gebietsabtretungen an die Sowjetunion faktisch, durch das Kontrollratsgesetz Nr. 46283 schließlich auch formell aufgelöst. Keines der Bundesländer, auch keines derjenigen, die aus Preußen hervorgingen, konnte eine vergleichbare Bedeutung für die Juristenausbildung erringen. Die nachfolgende Betrachtung kann sich daher nicht exemplarisch auf eines der Länder beschränken. Um dennoch den Umfang der bloßen Darstellung der Rechtsentwicklung übersichtlich zu halten, werden die unterschiedlichen Regelungen weitestgehend zusammengefasst und im Wesentlichen die Spannweite der unterschiedlichen Regelungen aufgezeigt. aa) Die Wiederaufnahme des Ausbildungsbetriebes und die ersten Ausbildungsordnungen in der Besatzungszeit Auch in den Westzonen wurde der Universitätsbetrieb innerhalb kürzester Zeit wiederaufgenommen, teils schon zum Wintersemester 1945/46.284 Grundlage der Juristenausbildung war nicht etwa das Weimarer Ausbildungsrecht der Länder. Die Justizausbildungsordnung des Jahres 1939 galt in sämtlichen Ländern der Westzonen fort – wenn auch um ihre konkret nationalsozialistischen Inhalte gekürzt.285 In unterschiedlichem Umfang begann man gleichzeitig, die alten Regelungen ganz oder teilweise zu ersetzen.286 Blieb es mitunter bei Teilregelungen, etwa durch bloßen Erlass, traten an anderer Stelle Prüfungsordnungen, Rahmengesetze über die Befähigung zum Richteramt und die Ausbildung zum Richter oder zum höheren Justizdienst oder ganze Justizausbildungsordnungen in Kraft. Die Britische Zone erhielt länderübergreifende, einheitliche Regelungen; in der US-amerikanischen und der französischen Besatzungszone wurden die einzelnen Länder tätig. In der britischen Zone wurde eine zum 1. Januar 1946 eingeführte erste JAO287 durch Regelungen zur Einrichtung eines zentralen Prüfungsamtes288 und zur Vereinheitlichung der Ausbildung der Justiz und des höheren Verwaltungsdienstes289 ergänzt. 1949 wurde die so geänderte Ausbildungsordnung der britischen Zone neu bekanntgegeben (BritJAO 1949).290 In der US-Zone erließ etwa Hessen ein Gesetz über die Befähigung zum Richteramt und zum höheren 283
Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, Ergänzungsblatt Nr. 14, S. 262. Thieme, Deutsches Hochschulrecht (2004), S. 19. Vgl. auch Schumann, Die Göttinger Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, S. 107. 285 Bader, Zum badischen Prüfungs- und Ausbildungswesen, in: JZ 1951, S. 217; Neidhard, Rechtsstudium und erste Staatsprüfung, in: DRZ 1949, S. 153. 286 Überblick bis zum Jahr 1949 bei Neidhard, Rechtsstudium und erste Staatsprüfung, in: DRZ 1949, S. 153 ff.; Neidhard, Der Vorbereitungsdienst, in: DRZ 1949, S. 176 ff.; Neidhard, Die große juristische Staatsprüfung, in: DRZ 1949, S. 205 f. 287 Neidhard, Rechtsstudium und erste Staatsprüfung, in: DRZ 1949, S. 153. 288 VO v. 20.9.1948, in: VOBl. BritZ 1948, S. 109. 289 VO v. 27.4.1948, in: VOBl. BritZ 1948, S. 299, Begründung in ZJBl. 1948, S. 248. 290 VOBl. BritZ 1949, S. 21. In einer weiteren VO vom 5.1.1949, VOBl. BritZ 1949, S. 16, wurde etwa ein Wiederholungsversuch bei zweimaligem Misserfolg geregelt. 284
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Verwaltungsdienst vom 23. März 1948291 und eine darauf beruhende292 JAO vom 1. September 1948 (HessJAO 1948).293 In Bayern wurde am 4. April 1946 eine Verordnung über die Wiederaufnahme der Justizausbildung und die Staatsprüfungen294 erlassen. Abgesehen von einer allgemeinen Prüfungsordnung vom 19. Februar 1947295 blieb es bei den Regelungen der JAO von 1939. Auch WürttembergBaden erließ eine neue Ausbildungsordnung vom 18. Oktober 1948296. In der französischen Zone ging Rheinland-Pfalz am weitesten: ein Landesgesetz über die Errichtung eines Justizprüfungsamtes und über die juristische Ausbildung vom 15. Juli 1948297 (RPJAG 1948) und eine Justizausbildungsordnung vom 15. September 1948298 (RPJAO 1948) ersetzten die JAO von 1939 (§ 18 RPJAG 1948). In Württemberg-Hohenzollern und Baden blieb es bei einzelnen Erlassen.299 In besonderem Maße fanden sich in den frühen Ausbildungsvorschriften Ausnahmeregelungen für Kriegsteilnehmer – in erster Linie in Form einer Verkürzung der Ausbildungszeit. Diese Regeln werden in der weiteren Betrachtung nicht berücksichtigt. Sie sind keine besondere Reaktion auf den Wechsel der Staatsform und waren ähnlich bereits im „Dritten Reich“ angedacht. (1) Ziele der Ausbildung Ausführungen zu den Zielen der juristischen Ausbildung wurden zumeist mit großer Zurückhaltung aufgenommen. Flächendeckend wurden allein die Zwecke der Ersten Prüfung und der großen Staatsprüfung bestimmt: So forderten § 2 BritJAO 1949 und der wortgleiche § 6 RPJAG 1948 wie auch der ähnliche § 2 HessJAO 1948 in der Ersten Prüfung den Nachweis des Erreichens des Studien291
HessGVBl. 1948, S. 69. § 10 des Gesetzes vom 23.3.1948. 293 Erlaß zur Ausführung des Gesetzes über die Befähigung zum Richteramt und zum Höheren Verwaltungsdienst vom 1.9.48, HessStAnz 1948, S. 470. 294 BayGVBl. 1946, S. 214. 295 BayStAnz 13/1947. 296 Verordnung über die Ausbildung für den höheren Justizdienst vom 18.10.48 (ABl. WB 1948, S. 46). Daneben bestanden Allgemeinverfügungen mit Teilregelungen zur Prüfung (AV v. 31.1.47, ABl. WB 1947, S. 17) und zum Vorbereitungsdienst (AVen v. 25.4.47 und v. 30.9.47, ABl. WB 1947, S. 45, 77). Mit Verweis auf eine Übersicht der Verordnungen und Erlasse des Justizministeriums BW v. 4.7.1958, vgl. Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 71. 297 GVBl. RP 1948, S. 323. 298 Landesverfügung des Ministers der Justiz, Sonderveröffentlichung des Justizblattes (vgl. § 44 RPJAO 1957). 299 Für Württemberg-Hohenzollern: Erlass zum Vorbereitungsdienst 16.10.46; Erlass zur großen jur. Staatsprüfung, 10.4.48; Erlass zur ersten jur. Staatsprüfung, 25.11.48, vgl. Neidhard, Rechtsstudium und erste Staatsprüfung, in: DRZ 1949, S. 153 (153). Ferner Soergel, Implementation der Grundlagenfächer, S. 45 f. 292
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ziels und der fachlichen und geistigen Eignung für den Vorbereitungsdienst. In der großen Staatsprüfung sollten die Referendare ihre Eignung für das Richteramt und den höheren Justizdienst beweisen. Neben praktischen, fachlichen und allgemeinen Kenntnissen gehörte hierzu ein „Gesamtbild [der] Persönlichkeit“ (vgl. etwa § 49 BritJAO 1949). Aber auch Sonderwege wurden beschritten. In Hessen wurde ein übergeordnetes Ziel der Ausbildung ausdrücklich in die Justizausbildungsordnung aufgenommen. In § 1 der JAO von 1948 wurden die Erwartungen an die künftigen Juristen und ihre Stellung im Staat mit verhältnismäßig großem Pathos ausgedrückt: „Ziel der Ausbildung ist es, [. . .] einen rechtskundigen Nachwuchs zu erziehen, der mit dem Gesetz als Mittel der Rechtsordnung für das friedliche Zusammenleben der Menschen in ihrer staatlichen und überstaatlichen Gemeinschaft vertraut, von der Erkenntnis der Unteilbarkeit der Rechtsordnung getragen und sich bewußt ist, daß die vollziehende und die rechtsprechende Gewalt im Namen des Volkes und für das Volk auszuüben sind.“ 300 (2) Aufbau der Ausbildung Der äußere Aufbau der Ausbildung wich nur unwesentlich von dem der JAO 1939 ab. Freilich waren unter den gestrichenen Vorschriften das faktische Studienverbot für Frauen und das Erfordernis eines Abstammungsnachweises. Im Übrigen blieb es beim zweistufigen Aufbau. Auf ein Studium von sechs301 oder sieben302 Semestern, innerhalb dessen vier bis sechs Übungen geschrieben wurden und das mit einer Ersten juristischen Prüfung endete folgte ein Vorbereitungsdienst für eine Dauer von mindestens drei Jahren,303 gelegentlich auch darüberhinausgehend.304 Der Vorbereitungsdienst endete seinerseits durch eine Prüfung, die traditionelle „Große juristische Prüfung“. In einigen Ländern, insbesondere denen der französischen Zone, wurde bereits 1946 eine Zwischenprüfung eingeführt: Nach zwei Semestern war das Bestehen zweier Prüfungen nachzuweisen.305 Daneben wurde die Ausbildung der künftigen Justizjuristen und der höheren Verwaltung in der Mehrzahl der Länder zusammengelegt und so vereinheitlicht.306 300 § 1 Erlaß zur Ausführung des Gesetzes über die Befähigung zum Richteramt und zum Höheren Verwaltungsdienst vom 1.9.48, HessStAnz 1948, S. 470. 301 § 3 JAO HessJAO 1948, HessStAnz 1948, S. 470. 302 § 7 RPJAO 1948, GVBl. RP, S. 323. 303 § 13 Abs. 1 RPJAG 1948; § 34 Abs. 1 BritJAO 1949. 304 § 26 HessJAO 1948. 305 Vorgegeben durch das zust. Staatssekretariat, vgl. Kern, Die Zwischenprüfung, in: DRZ 1946, S. 156. 306 Zunächst nur angedacht wurde die Vereinheitlichung in Bayern, Berlin, Rheinland-Pfalz und Württemberg-Baden, vgl. Hornig, Angleichung der landesrechtlichen Vorschriften, in: JZ 1951, S. 14 (15).
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(3) Inhalte: Prüfungs- und Studienfächer Auch bei den Inhalten änderte sich zunächst wenig. Die traditionellen fachjuristischen Fächer gehörten weiterhin zu den Studien- und Prüfungsfächern. Dabei wurde das Zivilrecht regelmäßig vorangestellt; das Strafrecht und das öffentliche Recht in seiner Unterteilung in das Staatsrecht, das Verwaltungsrecht, das Völkerrecht und das Kirchenrecht setzten sich überall durch.307 Weniger homogen war die Ausgestaltung der Nebengebiete, grundverschiedene Entscheidungen wurden in Bezug auf fächerübergreifende Vorlesungen getroffen. Das Handelsrecht wurde zumeist bedacht, das römische Recht und die Rechtsgeschichte kehrten in die Ausbildungsordnungen zurück (etwa § 4 lit. b), g), h) BritJAO 1949) und auch Grundzüge der Volkswirtschaftslehre waren gefragt (etwa § 6 HessJAO). In Rheinland-Pfalz konnte von den Prüflingen auch ein Überblick über das „gesamte Geistesleben“ einschließlich Allgemeinbildung, Philosophie, Psychologie, Psychiatrie, Kunst und Geschichte erwartet werden. (§ 10 RPJAO 1948). Ähnlich verlautbarte die hessische Ausbildungsordnung: „Der allgemeinen Rechtslehre, der Rechtsphilosophie, der Rechtsgeschichte und der Rechtsvergleichung wird entscheidende Bedeutung beigemessen.“ (§ 5 HessJAO 1948). Hinzu traten soziologische und politische Kenntnisse (§ 6 HessJAO 1948). In der Reihenfolge der Auflistung der Prüfungsinhalte ging Hessen einen weiteren auffälligen Sonderweg: Die Rechtsphilosophie wurde voran- und damit den traditionellen Fächern gleichgestellt (§ 7 HessJAO 1948), während sie in anderen Prüfungsordnungen wie der für die britische Zone vollkommen außen vor blieb. (4) Erste Prüfung In organisatorischer Hinsicht wurde im Prüfungswesen eine einheitliche Abkehr von der nationalsozialistischen Ausbildungsordnung vollzogen. Der Einbezug staatlicher Funktionäre ohne juristische Ausbildung wurde wieder ausgeschlossen: Geprüft wurde von Hochschullehrern oder Juristen mit Befähigung zum Richteramt oder höheren Verwaltungsdienst (§ 8 HessJAO 1948, § 7 Abs. 3 BritJAO 1949). Auch das Führerprinzip wurde ausnahmslos gestrichen. Politische Voraussetzungen für die Prüfungszulassung gab es nicht308 – auch keine demokratische Grundhaltung. Gleichwohl behielt man in § 2 BritJAO die Formulierung von der Eignung für den Vorbereitungsdienst unter „Berücksichtigung [der] geistigen Haltung“ des Kandidaten bei. In den einzelnen Ländern wurde die Prüfung selbst unterschiedlich ausgestaltet; begonnen beim Charakter der Prüfung: Teils handelte es sich um eine universitäre Abschlussprüfung, teils um Eingangsprüfungen für den Justizdienst.309 Un307
Neidhard, Rechtsstudium und erste Staatsprüfung, in: DRZ 1949, S. 153 (154). Neidhard, Rechtsstudium und erste Staatsprüfung, in: DRZ 1949, S. 153 (154). 309 § 15 Nr. 2 HessJAO 1948, vgl. auch Neidhard, Rechtsstudium und erste Staatsprüfung, in: DRZ 1949, S. 153 (154). 308
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mittelbare Folgen hatte dies vor allem für die Hoheit über den Prüfungsablauf, etwa wo der Prüfungsvorsitz ausschließlich Justizmitarbeitern vorbehalten; ein Vorsitz durch Hochschullehrer also ausgeschlossen war (vgl. § 7 Abs. 2 BritJAO 1949). Die Prüfung bestand stets aus einer schriftlichen und einer mündlichen Prüfung. Sie begann regelmäßig mit einer mehrwöchigen Hausarbeit.310 Hieran schlossen sich Klausuren an: Zu schreiben waren drei oder mehr fünfstündige Klausuren; im Südwesten auch mehrere dreistündige Klausuren.311 Die Prüfungsfächer stimmten vor allem in einem Punkt überein: Das Zivilrecht und das Strafrecht wurden überall berücksichtigt. Darüber hinaus wurden ganz verschiedene Schwerpunkte gesetzt. Zumeist wurde noch das öffentliche Recht geprüft, teils nur in Form des Völkerrechts.312 In der britischen Zone verzichtete man dagegen auf das öffentliche Recht und setzte an dessen Stelle das Handelsrecht (§ 16 BritJAO 1949). Baden und Württemberg-Hohenzollern forderten zudem Klausuren über die Allgemeinbildung, in denen ein auffällig geringer Erfolg zu verzeichnen war.313 Von den neuen Ausbildungsordnungen wies die Hessische die wenigsten Unterschiede zur Justizausbildungsordnung von 1939 auf: Es wurden weiterhin fünf Klausuren geschrieben und die – rein weltanschauliche – Klausur zur „Allgemeinbildung“ wurde schlicht durch eine Klausur in der Volkswirtschaftslehre ersetzt (§ 15 HessJAO 1948). Abgeschlossen wurde die erste juristische Prüfung ganz traditionell mit einer mündlichen Prüfung.314 Zum Gesamtcharakter der Prüfung verlautbarten die Ausbildungsvorschriften, dass es sich um eine Verständnisprüfung handelte – nicht um eine Wissensprüfung.315 (5) Vorbereitungsdienst Der Abschluss der ersten juristischen Prüfung wurde in jedem anderen Land anerkannt, sodass grundsätzlich überall der Zugang zum Vorbereitungsdienst beantragt werden konnte. Mehrere Länder, etwa die der britischen Zone, Bayern und Württemberg-Baden beschränkten den Zugang jedoch: Im Fall einer Überfüllung konnten Bewerber, die ihr Studium in dem entsprechenden Land abgelegt hatten oder andere engere Beziehungen zum Land oder einen Wohnsitz geltend machen konnten, bevorzugt werden.316 Auch in Rheinland-Pfalz sollte die Zulassung anderer Bewerber die Ausnahme darstellen.317 310
§ 14 HessJAO 1948, § 15 BritJAO 1949. Vgl. § § 15 BritJAO 1949. Übersicht bei Neidhard, Rechtsstudium und erste Staatsprüfung, in: DRZ 1949, S. 153 (155). 312 Neidhard, Rechtsstudium und erste Staatsprüfung, in: DRZ 1949, S. 153 (155). 313 Neidhard, Rechtsstudium und erste Staatsprüfung, in: DRZ 1949, S. 153 (155). 314 Siehe nur § 17 HessJAO 1948, § 10 RPJAG 1948. 315 § 10 RPJAG 1948. Mit Bezug auf die mündliche Prüfung ebenso § 18 Abs. 4 BritJAO 1949. In Hessen gem. § 7 HessJAO 1948 „Wissenschaftsprüfung“. 316 Etwa gem. § 31 Abs. 4 BritJAO 1949. Vgl. i. Ü. Neidhard, Der Vorbereitungsdienst, in: DRZ 1949, S. 176 (177). 311
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In den Fragen der Ausgestaltung fielen die Regelungen der Länder deutlich auseinander.318 Schon in der Dauer des Vorbereitungsdienstes unterschieden sie sich. Waren etwa in der britischen Zone und in Rheinland-Pfalz grundsätzlich drei Jahre abzuleisten, forderte Hessen schon mindestens dreieinhalb Jahre.319 Auch in der Dauer der jeweiligen Ausbildungsabschnitte herrschten bisweilen große Unterschiede. Das betraf vor allem die Verwaltungsstation, der in Hessen zehn (§ 26 HessJAO 1948), in Rheinland-Pfalz dagegen nur vier Monate zugewiesen waren.320 Auch eine Ausbildung an den Verwaltungsgerichten, wie sie in der britischen Zone vorgeschrieben war (§ 44 Abs. 2 BritJAO), gab es nicht überall. Die mit der JAO von 1939 im gesamten Reichsgebiet eingeführten Arbeitsgemeinschaften wurden beibehalten.321 In Hessen waren die Referendare sogar über die Teilnahme an der gewöhnlichen Arbeitsgemeinschaft (§ 30 HessJAO 1948) hinaus zur Teilnahme an zwei sechswöchigen Arbeitsgemeinschaften an der Universität beteiligt, die als „Spätsemester“ bezeichnet wurden (§ 29 HessJAO 1948). Der im Vorbereitungsdienst gewährte Unterhalt war im Übrigen zwar teils rückläufig, wurde aber nur selten gar nicht gewährt.322 (6) Beobachtungen und wesentliche Abweichungen In kürzester Zeit waren die Ausbildungsvorschriften sichtbar auseinandergefallen; nicht nur die Organisation des rechtswissenschaftlichen Studiums, auch die Wahl der Prüfungsfächer und der Stationen des Vorbereitungsdienstes zeigten deutliche Unterschiede. Dabei ließen sich zumindest zwei unterschiedliche Ansätze erkennen: Ein wenigstens in seinen Formulierungen humanistischer Ansatz gerade in Hessen, augenscheinlich orientiert an einem Ideal universaler Bildung, und ein technischer Ansatz, der die weltanschaulichen Inhalte der nationalsozialistischen Ausbildungsordnung zwar bereinigte, aber nicht durch eigene Ideale ersetzte. In keinem Land wurde das traditionelle Ausbildungsmodell radikal geändert. bb) Die Gründung der Bundesrepublik und die Reform des GVG 1950 Auch nach dem Erlass des Grundgesetzes blieb die Ausbildung der Juristen in erster Linie Ländersache. Gemäß der neuen Art. 72 und 75 Nr. 1 GG hatte der Bund allerdings die Kompetenz erhalten, Rahmenvorschriften im Beamtenrecht zu erlassen. Hierzu gehörten auch die Voraussetzungen für die Berufung ins 317
§ 12 Abs. 4 Nr. 2 RPJAG 1948. Vgl. zu den folgenden Angaben die tabellarische Übersicht bei Neidhard, Der Vorbereitungsdienst, in: DRZ 1949, S. 176 (177). 319 § 34 Abs. 1 BritJAO 1949, § 13 RPJAG 1948, § 26 HessJAO 1948. 320 Neidhard, Der Vorbereitungsdienst, in: DRZ 1949, S. 176 (177). 321 Vgl. § 30 HessJAO 1948, § 43 Abs. 1 BritJAO 1949. 322 Neidhard, Der Vorbereitungsdienst, in: DRZ 1949, S. 176 (178 f.). 318
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Richteramt und den Eintritt in den höheren Dienst. Das am 12. September erlassene Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit vom 12. September 1950323 – im Wesentlichen eine Reform des GVG und der Prozessordnungen – war das erste und zunächst auch einzige324 Gesetz auf Bundesebene, das die juristische Ausbildung reformierte. Ganz dem Anspruch in seinem Titel entsprechend schaffte es einheitliche Rahmenbedingungen für den Ausbildungsgang: Für das Rechtsstudium wurde eine Mindestlänge von drei Jahren festgelegt. Der Vorbereitungsdienst musste nach Abs. 3 mindestens dreieinhalb und durfte maximal vier Jahre dauern. Von dieser Zeit waren 30 Monate den „Gerichten, Staatsanwaltschaften, Notaren und Rechtsanwälten“ zugewiesen. Mindestens die Hälfte der verbleibenden Zeit, sechs bis neun Monate, musste – und hierin lag die letzte entscheidende bundesweite Neuerung – der Ausbildung in der öffentlichen Verwaltung und Körperschaften öffentlichen Rechts gewidmet werden. Die restliche Zeit sollte „in einer dem Ausbildungszweck dienenden Weise“ verwendet werden. Davon abweichende Ausbildungsordnungen konnten nach der Schlussvorschrift des Gesetzes (Art. 8 Abs. 2 Nr. 91) aufrechterhalt werden, soweit sie vor dem Ablauf des Jahres 1949 erlassen wurden. Für Rahmenbedingungen wie die Gesamtdauer des Vorbereitungsdienstes galt diese Ausnahmeregelung aber nicht.325 Alle darüberhinausgehenden Regelungen wurden auf Landesebene getroffen und bis zum Ende der fünfziger Jahre hatte der weit überwiegende Teil der Länder ein eigenes Gesetz über die Rahmenvoraussetzungen der Ausbildung der Juristen (JAG)326 oder eine Ausbildungsordnung (JAO) erlassen. Die JAO von 1939 war in Westdeutschland vollständig außer Kraft getreten. In den Ländern der ehemaligen britischen Zone blieb es mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen größtenteils bei der gemeinsamen JAO von 1948. Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen trafen 1950 eine Übereinkunft über die Zusammenlegung der Prüfungsämter.327 Daneben ergingen einzelne Erlasse und Allgemeinverfügungen der Landesjustizverwaltungen, insbesondere zum Vorbereitungsdienst, in Hamburg328, Schleswig-Holstein329 und Niedersachsen.330 In Westberlin wurde bereits 1953 eine neue Ausbildungsordnung331 (BerlJAO 1953) erlassen. In Baden-Württemberg traten 1955 ein neues Ausbildungsgesetz (BWJAG 1955) und eine Ausbil323
BGBl. I 1950, S. 455. Hornig, Angleichung der landesrechtlichen Vorschriften, in: JZ 1951, S. 14 (15). 325 Vgl. Neidhard, Vorbereitungsdienst und kleine Justizreform, in: JZ 1951, S. 45. 326 Stand 1960 tabellarisch in Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 110 ff. 327 Übereinkunft der Länder, in Hamburg etwa als Gesetz v. 12.5.1950, GVBl. HH 1950, S. 101. 328 JVBl. HH v. 6.3.1957, S. 6. 329 Justizausbildungsverfügung des Präsidenten des OLG Schleswig-Holstein v. 17.8.1957, SHABl. 1957, S. 262. 330 NdsRpfl. 1951, S. 78; NdsRpfl. 1956, S. 56. 331 Ausbildungsordnung für Juristen v. 24.1.1953, GVBl. Berl. 1953, S. 77. 324
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dungsordnung (BWJAO 1955) in Kraft,332 die im Wege der Allgemeinverfügung und des Runderlasses durch einzelne Prüfungsvorschriften erweitert wurden.333 1956 folgten in Nordrhein-Westfalen sowohl ein Ausbildungsgesetz334 (NRWJAG 1956) als auch eine Durchführungsverordnung335 (NRWJAO 1956). Das Saarland ergänzte im April des gleichen Jahres seine am 16. Dezember 1949 erlassene Ausbildungsordnung (SaarlJAO 1956).336 1957 erließen Hessen337 und Bayern jeweils eine neue Ausbildungsordnung;338 Rheinland-Pfalz ein neues Ausbildungsgesetz und eine neue Ausbildungsordnung.339 (1) Ziele der Ausbildung Nahezu sämtliche Prüfungsordnungen der fünfziger Jahre enthielten in irgendeiner Form Zielvorstellungen. Hessen blieb weiterhin das einzige Land mit einer – noch aus der Ausbildungsordnung von 1948 übernommenen – pathetischen Formel.340 Das Gesamtziel der Ausbildung umriss ansonsten nur die bayrische Ausbildungsordnung: Ziel war der Erwerb der „Fähigkeit zum Richteramt und des Staatsanwalts in der Justiz oder der Verwaltungsgerichtsbarkeit und zum höheren Verwaltungsdienst“ (§ 1 BayJAO 1957). Damit war Bayern auch das einzige Land, das ein über den Beruf des Richters oder des Verwaltungsbeamten hinausgehendes Ausbildungsziel vorsah. Im Übrigen setzten sich Hessen und 332 Gesetz über die juristischen Staatsprüfungen und den juristischen Vorbereitungsdienst v. 13.6.1955, GBl. BW 1955, S. 95 (JAG); Verordnung der Landesregierung über die Ausbildung der Juristen v. 12.9.1955, GBl. BW 1955, S. 187 (JAO). 333 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 128. 334 Gesetz über die juristischen Staatsprüfungen und den juristischen Vorbereitungsdienst vom 9.4.1956, GVBl. NRW 1956, S. 131. Ersetzte das zwischenzeitlich erlassene JAG v. 1950 (GVBl. NRW 1950, S. 77). 335 Verordnung des Justizministeriums zur Durchführung des JAG v. 2.7.1956, GVBl. NRW 1956, S. 131 (JAO). Die Verordnung ersetzte die vorangegangene JAO und die zwischenzeitlich ergangenen Teilregelungen der JAOen von 1951 (GVBl. NRW 1951, S. 63) und 1953 (GVBl. NRW 1953, S. 293): Die Änderungsverordnung von 1951 verlängerte den Vorbereitungsdienst entspr. § 2 Abs. 3 GVG 1950 auf 31/2 Jahre und passte die Dauer der Stationen an (Art. I); die VO von 1953 ermöglichte eine Ausbildung an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer (Art. I) und erlaubte eine genauere Zeiteinteilung der Zeit an LG und OLG (Art. II). 336 Jeweils unveröffentlicht. Folgende Angaben aus der Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 110 ff., 130. 337 Juristische Ausbildungsordnung v. 27.11.1957, HessGVBl. 1957, S. 161 (HessJAO 1957). 338 Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den höheren Justiz- und Verwaltungsdienst v. 21.6.1957, BayGVBl. 1957, S. 213 (amtl. Abk.: JuVAPO, hier der Einheitlichkeit halber: BayJAO 1957). Ergänzt durch Durchführungsbestimmungen vom 21.6.1957 (BayGVBl. 1957, S. 223). 339 Gesetz über die juristische Ausbildung v. 27.1.1957, GVBl. RP 1957, S. 31 (RPJAG); Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den höheren Justiz- und Verwaltungsdienst v. 14.3.1957, GVBl. RP 1957, S. 45 (RPJAO). 340 S. o., aa) (1).
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Berlin dadurch von den anderen Ländern ab, dass sie die juristische Ausbildung nicht nur als Fachausbildung, sondern wenigstens auch als studium generale konzipierten.341 In Abs. 2 und 3 des neuen § 2 BerlJAO 1953 hieß es, im „Mittelpunkt des Studiums soll eine gründliche und gewissenhafte Fachausbildung stehen, die sich jedoch nicht auf die Gesetzeskunde zu beschränken hat, sondern wissenschaftliches Eindringen in das Recht als überzeitliche kulturelle Erscheinung gewährleisten muß. [. . .] Der Student soll sich ferner einen Überblick über die politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Fragen der Gegenwart und ihre geschichtlichen Grundlagen verschaffen.“ Die verbreitetste Zielvorstellung wurde allerdings in Bezug auf den Vorbereitungsdienst formuliert: die praktische Ausbildung des Juristen.342 Der eigentliche Wert solcher Regelungen lag aber nicht in der Abgrenzung zur wissenschaftlichen Ausbildung der Juristen im Studium, sondern vielmehr in einem meist ausdrücklich verordneten, wenigstens aber impliziten Ausschluss der Nutzung der Referendare als Arbeitskraft.343 In Bayern wurde ausdrücklich der Erwerb von Selbstständigkeit als Ziel des Vorbereitungsdienstes in § 29 BayJAO 1957 verankert; Hessen verlangte auch hier ausschweifender die „Heranbildung einer entschlussbereiten, das Rechtsleben als Ganzes sehenden Persönlichkeit“ (§ 28 Abs. 1 HessJAO 1957). In Rheinland-Pfalz wurden zumindest für die Ausbildung der Justizjuristen genauere Vorstellungen entwickelt: Der Referendar soll im Vorbereitungsdienst lernen, „die Lebensvorgänge in rechtliche Tatbestände einzuordnen, eine gerechte Entscheidung zu fällen, sie knapp und verständlich zu begründen, das Verbrechen zu bekämpfen, die rechtsuchende Bevölkerung zu beraten und so durch seine Tätigkeit dem Recht dienen; außerdem soll er Wesensart und Arbeitsweise der öffentlichen Verwaltung kennenlernen“ (§ 18 RPJAO 1957). (2) Aufbau der Ausbildung Die Vereinheitlichung der Justizausbildung und der Ausbildung zum höheren Verwaltungsdienst wurde in den fünfziger Jahren fortgesetzt; etwa in RheinlandPfalz, wo in den fünf Jahren vor der Reform ohnehin keine eigenständige Staatsprüfung für Referendare der allgemeinen Verwaltung mehr stattgefunden hatte.344 341 Arndt, Die Neuordnung der juristischen Ausbildung im Lande Berlin, in: JZ 1953, S. 139 (140). In Hessen in § 5 Abs. 1, 7 Abs. 1 HessJAO 1957. 342 § 28 BWJAO 1955; § 29 Abs. 1 BayJAO 1957; § 28 Abs. 1 HessJAO 1957; § 25 Abs. 1 NRWJAO 1956 (nur bei verlängertem Vorbereitungsdienst in der Verwaltung); § 18 RPJAO 1957, § 20 Abs. 2, 3 SaarlJAO. 343 § 29 Abs. 1 BayJAO 1957, § 32 BerlJAO 1953, § 28 BWJAO 1955; § 28 Abs. 1 HessJAO 1957; § 22 NRWJAG 1956; § 18 Abs. 2 RPJAO 1957 und in den Ländern der ehemaligen britischen Zone, in denen § 33 BritJAO 1949 im jeweiligen Landesrecht fortbestand. 344 Isele, Die Ausbildungs- und Prüfungsvorschriften in Rheinland-Pfalz, in: JZ 1961, S. 287 (288).
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Entsprechend § 2 Abs. 2 GVG 1950 bewegte sich die Mindestdauer des Studiums vor dem Ablegen der ersten Prüfung zwischen sechs und sieben Semestern. In der Regel waren zumindest zwei Semester des Studiums im jeweiligen Bundesland zu absolvieren.345 Teils konnte der Kandidat stattdessen auch eine besondere Beziehung zum Land geltend machen (§ 7 Abs. 2 BWJAO 1955). Eine Höchstgrenze der Studiendauer gab es nur in Bayern: Dort durfte das Studium ohne besonderen Grund nicht über eine Dauer von 12 Semestern hinausgehen. (§ 2 Abs. 8 BayJAO 1957). Während des Studiums waren Pflicht- und Studienfächer zu hören. Zudem mussten Übungen absolviert werden (§ 2 Abs. 4 BayJAO 1957, § 1 Abs. 2 RPJAO 1957); zusätzlich wurden vermehrt Klausurenkurse und universitäre Repetitorien angeboten.346 Auch kleine Seminare wurden eingerichtet. Ihr Besuch war zwar nicht verpflichtend, aber in Baden-Württemberg, Berlin und RheinlandPfalz zumindest erwünscht.347 Für die vorlesungsfreie Zeit waren überwiegend, aber nicht immer, fakultative vierwöchige bis zweimonatige Praktika bei einem Gericht in allen Bundesländern vorgesehen.348 Zum Teil konnte oder musste ein Verwaltungspraktikum absolviert werden.349 (3) Inhalte: Prüfungs- und Studienfächer An erster Stelle standen in aller Regel weiterhin die fachjuristischen Vorlesungen: An der Spitze das Zivilrecht mit Nebengebieten, anschließend das Strafrecht, das Staats- und Verwaltungsrecht und das zugehörige Prozessrecht.350 Häufig einbezogene zivilrechtliche Nebengebiete waren das Konkursrecht, das Handelsrecht, das Gesellschaftsrecht und das Arbeitsrecht351 sowie internationales Privatrecht;352 gelegentlich auch das Urheberrecht.353 Nur in Bayern gefordert 345 § 2 BayJAO 1957; in aller Regel waren dies die letzten zwei Semester: §§ 5 Abs. 1, 7 Abs. 2 BWJAO 1955; § 2, 9 BerlJAO 1953. Drei Semester in RheinlandPfalz, § 5 RPJAG 1956. 346 Schneider, Repetitoren-Dämmerung, in: JZ 1954, S. 567 (568); Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 91. 347 § 5 Abs. 3 BWJAO 1955; § 1 Abs. 2 RPJAO 1957. Vgl. auch Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 92. 348 Obligatorisch in Bayern (§ 2 Abs. 7 BayJAO 1957), Hessen (§ 4 HessJAO 1957), Rheinland-Pfalz (§ 3 RPJAO 1957), im Übrigen fakultativ. 349 In Bayern obligatorisch (§ 2 Abs. 7 BayJAO 1957), in Berlin (§ 4 BerlJAO 1953), Rheinland-Pfalz (§ 3 RPJAO 1957) fakultativ, in Nordrhein-Westfalen alternativ zum Gerichtspraktikum (§ 3 NRWJAG 1956). 350 Siehe z. B. § 3 Abs. 1 BayJAO 1957, § 3 BerlJAO 1953, § 6 Abs. 1 BWJAO 1955, § 7 Abs. 2 HessJAO 1957. 351 § 3 Abs. 1 Nr. 1 BayJAO 1957, § 3 BerlJAO 1953. Nur Grundzüge in: § 6 Abs. 2 Nr. 3 BWJAO 1955. Ohne Gesellschaftsrecht § 7 Abs. 2 HessJAO 1957, § 3 Abs. 1 lit. a, d NRWJAG 1956. 352 § 3 lit. i BerlJAO 1953, § 3 Abs. 1 Nr. 1 BayJAO 1957, § 7 Abs. 2 HessJAO 1957. 353 § 3 lit. k BerlJAO 1953, § 3 Abs. 1 Nr. 1 BayJAO 1957.
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war „gewerblicher Rechtsschutz“ (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BayJAO 1957). Die meistgenannten Nebengebiete des öffentlichen Rechts waren das Völkerrecht354 und das Kirchenrecht.355 Vergleichsweise ferne Nebengebiete waren das Sozialrecht in Hessen und das Sozialversicherungsrecht in Berlin.356 In der Wahl der prüfungsrelevanten interdisziplinären und Grundlagenfächer gingen die Regelungen nur weiter auseinander. Wohl am häufigsten wurde die Rechtsgeschichte in den Prüfungskanon einbezogen.357 Schon seltener galt dies für die Rechtsphilosophie, die in Hessen allerdings weiterhin vorangestellt war.358 Ebenfalls in Hessen wurde „Allgemeine Rechtslehre und Methodik“ geprüft (§ 5 Abs. 2, 7 Abs. 2 HessJAO 1957); in Bayern „kulturelle und gesellschaftliche Grundlagen des Rechts“ (§ 3 Abs. 2 BayJAO 1957). Die allgemeine Staatslehre fand nur stellenweise ausdrücklich Erwähnung; so in Bayern und Berlin.359 Offen für solche Fächer war die Prüfung in Nordrhein-Westfalen. Sie konnten einbezogen werden, soweit sie als zur „Überprüfung der Arbeitsmethode und Denkfähigkeit des Kandidaten“ hilfreich eingeschätzt wurden (§ 3 Abs. 2 NRWJAG). Die traditionell mit der Juristenausbildung verbundene Volkswirtschaftslehre wurde abgesehen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz in allen Ländern gefordert.360 Der Besuch anderer fachfremder Vorlesung war außer in Bayern (§ 2 Abs. 5 BayJAO 1957) selten verpflichtend vorgesehen, in Hessen galt dies nur für die Soziologie (§ 7 Abs. 2 HessJAO 1957), in Baden-Württemberg sollten Lateinkenntnisse erworben werden (§ 6 Abs. 4 BWJAO 1955). In mehreren Ländern wurde der Blick in andere Disziplinen aber erwartet.361 In Rheinland-Pfalz sollte dies ausdrücklich der Vertiefung der Allgemeinbildung dienen. Auch in Berlin wurden Allgemeinbildung und politisches Wissen explizit aufgeführt (§ 2 Abs. 2 und 3, § 3 BerlJAO 1953); in Hessen neben politischem Verständnis ein „Urteilsvermögen über Vorkommnisse des täglichen Lebens“ (§ 7 Abs. 3 HessJAO 1957). Die universitäre Ausbildung sollte dort auch keinesfalls eine bloße Fachausbildung sein (§§ 5 Abs. 1, 7 Abs. 1 HessJAO 1957).
354 § 3 Abs. 1 Nr. 4 BayJAO 1957; § 6 Abs. 2 Nr. 4 BWJAO 1955, § 7 Abs. 2 HessJAO 1957. 355 § 3 Abs. 1 Nr. 4 BayJAO 1957; § 3 lit. n BerlJAO 1953 § 6 Abs. 2 Nr. 3 BWJAO 1955, § 7 Abs. 2 HessJAO 1957. 356 Respektive § 7 Abs. 2 HessJAO 1957; § 3 lit. l BerlJAO 1953. 357 § 3 Abs. 2 BayJAO 1957, § 6 Abs. 1 BWJAO 1955, § 7 Abs. 2 HessJAO 1957, § 3 Abs. 1 lit. f NRWJAG 1956. 358 § 7 Abs. 2 HessJAO 1957. Im Übrigen siehe § 3 Abs. 2 BayJAO 1957, § 6 Abs. 2 BWJAO 1955. 359 § 3 Abs. 1 Nr. 4 BayJAO 1957, § 3 lit. f BerlJAO 1953. 360 Etwa § 3 Abs. 1 Nr. 6 BayJAO 1957, § 3 lit. q BerlJAO 1953 § 6 Abs. 2 Nr. 3 BWJAO 1955, § 7 Abs. 2 HessJAO 1957. 361 § 5 Abs. 3 BWJAO 1955, § 2 Abs. 2, 3 BerlJAO 1953, § 1 Abs. 3 RPJAO 1957.
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(4) Erste Prüfung Die erste juristische Prüfung sollte klären, ob der Prüfling das Studienziel erreicht hatte und für den Vorbereitungsdienst geeignet schien.362 Sämtliche Länder mit Ausnahme von Baden-Württemberg forderten drei bis sechs fünfstündige Klausuren. In Baden-Württemberg waren es stattdessen acht Klausuren mit einer Schreibzeit von vier Stunden (§ 10 BWJAO 1955). Von diesen Klausuren musste in aller Regel mindestens eine aus dem Zivilrecht oder Bürgerlichen Recht, eine aus dem Strafrecht kommen.363 Als Teil der schriftlichen Leistung war darüber hinaus eine vier- oder sechswöchige Hausarbeit mit eigener Themenwahl einzureichen.364 Die mündliche Prüfung umfasste in allen Ländern zunächst den vorgeschriebenen Prüfungsstoff. In zahlreichen Bundesländern wurde allerdings auf ein darüberhinausgehendes geschichtliches, politisches und wirtschaftliches Verständnis365 sowie der Stand der Allgemeinbildung366 geprüft. In einige der neuen Ausbildungsvorschriften kehrte zudem die Berücksichtigung der „geistigen Haltung“ bei der Entscheidung über die Eignung für den Vorbereitungsdienst zurück.367 (5) Vorbereitungsdienst Wenig änderte sich bei den Stationen des Vorbereitungsdienstes. Sie wurden erweitert und so noch weiter gefächert.368 Zwischen den Ländern ergab sich die größte Schwankung in der Nutzung des durch § 2 Abs. 3 GVG 1950 vorgegeben großen Rahmens für den Verwaltungsdienst. Waren hierfür in Nordrhein-Westfalen 12 bis 15 Monate vorgesehen (§§ 18, 24, 25 NRWJAO 1957), blieb es in Bremen beim Mindestmaß von sechs Monaten (§§ 34, 44 BremJAO). In NordrheinWestfalen und dem Saarland wurde den Referendaren die Möglichkeit gegeben, einen Schwerpunkt der praktischen Ausbildung auf die Verwaltung zu legen (vgl. §§ 18, 24, 25 NRWJAO 1957, §§ 21, 25 SaarlJAO 1956). In der abschließenden großen Prüfung wurden vier oder mehr fünfstündige Klausuren geschrieben. Überwiegend handelte es sich um praktische Fälle, mit einem Schwerpunkt auf dem Verfahrensrecht und orientiert an Akten. Mindestens eine dieser Klausuren stammte jeweils aus dem Zivilrecht, dem Strafrecht 362
§ 1 BerlJAO 1953, § 2 NRWJAG 1956; § 4 RPJAG 1956. Etwa § 7 Abs. 2 NRWJAO 1957. 364 Aufstellung in: Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 126 f. 365 § 15 BWJAO 1955. In Bayern durch die Prüfungsgebiete erfasst, vgl. oben. 366 § 10 Abs. 4 RPJAO 1957. 367 § 1 BerlJAO 1953, § 2 NRWJAG 1956, zuvor bereits in § 2 BritJAO 1949, gerade dort allerdings in Kontinuität der Regelung der JAO von 1939, krit. Soergel, Implementation der Grundlagenfächer, S. 74 f. 368 Etwa durch die Einführung des Arbeitsrechts in § 30 Abs. 2 Nr. 2 lit. c BayJAO 1956. 363
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und dem öffentlichen Recht. Davon abweichend konnten in Hessen auch theoretische Inhalte (§ 39 Abs. 2 S. 2 HessJAO 1957), in Bayern auch die Volkswirtschaftslehre und politisches Wissen (§ 44 Abs. 5 BayJAO 1957) in einer Klausur geprüft werden. Außer in Baden-Württemberg und Bayern war zudem innerhalb von drei oder vier Wochen eine Hausarbeit auf Aktengrundlage zu verfassen.369 Am Ende stand eine mündliche Prüfung. Der Stoff der mündlichen Prüfung stimmte grundsätzlich mit dem der Klausuren überein. In Hessen und BadenWürttemberg erstreckte sich der Prüfungsgegenstand zudem über „das gesamte Gebiet des Rechtslebens“, die Rechtsphilosophie, die allgemeine Rechtslehre und die Rechtsgeschichte (§ 41 HessJAO 1957, ähnlich §§ 41, 15 BWJAO 1955). So umfasste die Prüfung weitgehend fachliche Kompetenzen. In Hessen und Nordrhein-Westfalen sollte auch die Gelegenheit genutzt werden, die charakterliche Eignung der Referendare für das Richteramt oder den höheren Verwaltungsdienst auf die Probe zu stellen (§ 34 HessJAO 1957, ähnlich § 25 NRWJAG 1956). (6) Beobachtungen, wesentliche Abweichungen Die fünfziger Jahre brachten insgesamt nur wenige Änderungen.370 Die Ausrichtung des Studiums verschob sich ins Praktische, die Rechtsphilosophie erhielt mehr Berücksichtigung. Daneben war die Volkswirtschaftslehre nahezu überall Teil einer vollständigen juristischen Ausbildung. Die Ergänzung des Vorlesungsbetriebes durch Seminare nahm zu. Dennoch galten manchem Betrachter Änderungen in der Auswahl der Prüfungsaufgaben und die Notenskala für die Prüfungen als einzig bedeutsame Entwicklung.371 cc) Die Entwicklung in den frühen sechziger Jahren (1) Verlauf der Entwicklung in den ersten Jahren In den frühen sechziger Jahren blieben bahnbrechende Reformen aus. Im Jahr 1960 wurde im Saarland noch ein Juristenausbildungsgesetz und eine Juristenausbildungsordnung erlassen.372 Am 2. August 1961 wurde eine neue Bundes369 Etwa § 55 BerlJAO 1953; § 38 HessJAO 1957; § 29 NRWJAG 1956. Ausdrücklich über eine Zivilrechtsstreitigkeit in Rheinland-Pfalz § 38 RPJAO 1957. 370 Vgl. auch den Bericht des Justizministers Amelunxen, Reform der juristischen Ausbildung in Nordrhein-Westfalen, in: JZ 1956, S. 479, sowie aus dem bayerischen Landesjustizprüfungsamt, Gelbert, Änderungen in der Justiz- und Verwaltungsausbildung in Bayern, in: JZ 1958, S. 82. 371 Sirp, Die Ausbildung der Richter, in: DRiZ 1960, S. 204. Letztere ist aber nur für Fragen der technischen Einheitlichkeit relevant und soll daher auch in diesem Abschnitt nicht tiefer erörter werden. Kurz im Anschluss und unter b) dd) (1). 372 Gesetz Nr. 703 über die Befähigung zum Richteramt und zum höheren Verwaltungsdienst vom 9.2.1960 (SaarlABl. 1960, S. 209), JAO vom 28.3.1960 (SaarlABl. 1960, S. 241).
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laufbahnverordnung erlassen:373 In § 13 Abs. 3 der Verordnung wurden für alle Prüfungs- und Ausbildungsordnungen sechs einheitliche Notenstufen festgelegt. Um eine Siebte, das „Vollbefriedigend“, durften die Prüfungsordnungen ergänzt werden, soweit die Notenstufe – wie in der Juristenausbildung – üblich war. Daraufhin wurden die Notenstufen in den juristischen Ausbildungsordnungen überwiegend vereinheitlicht.374 Weitere Reformen im begrenzten Rahmen brachte das am 14. September 1961 erlassene Deutsche Richtergesetz.375 In § 5 Abs. 1 vereinte es die zuvor an vielen Stellen verteilten Regelungen über die Befähigung zum Richteramt – die bisherigen §§ 2 ff. GVG, § 15 Abs. 2 VwGO, §§ 18 Abs. 3, 19 ArbGG, § 6 SGG. Die Mindestdauer des Studiums wurde auf dreieinhalb Jahre heraufgesetzt (§ 5 Abs. 2) und es wurden grundsätzlich einheitliche Stationen des mindestens dreieinhalbjährigen Vorbereitungsdienstes vorgeschrieben: 24 Monate waren dem Dienst bei den ordentlichen Gerichten, der Staatsanwaltschaft und der Rechtsanwaltschaft zu widmen; sechs Monate dem Dienst bei anderen Gerichten, mindestens zwei bei Arbeitsgerichten. Sechs weitere Monate waren den Verwaltungsbehörden vorbehalten (§ 5 Abs. 3). Dort, wo eine Ausbildung an den Arbeitsgerichten nicht möglich war, war die Ausbildung in anderen mit dem Arbeits- oder Sozialrecht befassten Behörden oder Stellen, insbesondere Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, abzuleisten (§ 5 Abs. 3 S. 3). Ging die Dauer des Vorbereitungsdienstes über die Mindestvorgabe hinaus, konnte die zusätzliche Zeit von den Ländern frei verteilt werden. Als Reaktion wurden in allen Ländern die Ausbildungsvorschriften angepasst.376 Flächendeckend wurde entsprechend § 5 Abs. 3 DRiG die Arbeitsgerichtsstation eingeführt;377 die Regelungen für den Vorbereitungsdienst blieben jedoch uneinheitlich, was sich nicht zuletzt an der Ausgestaltung der Verwaltungsstationen zeigte: In Berlin, dem Saarland und Nordrhein-Westfalen – außer in der Schwerpunktausbildung in der Verwaltung – sollte sie sechs, in Bayern und Niedersachsen sogar elf und zwölf Monate dauern.378
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BGBl. I 1961, S. 1174. Vgl. DRiZ 1962, S. 396; Bähr, Änderungen der Regelung der deutschen Juristenausbildung, in: JuS 1963, S. 331 (332). 375 BGBl. I 1961, S. 1665. Vgl. zuvor unter 2. b). 376 ÄnderungsVO zur BayJAO (JuVAPO) v. 7.8.1962, BayGVBl. 1962, S. 221; ÄndVO zur BerlJAO v. 21.12.1961, BerlGVBl. 1961, S. 1766; BWJAO v. 19.6.1962, BW GBl. 1962, S. 53; HessJAO v. 26.3.1962, HessGVBl. 1962, S. 266; NdsJAO 28.6.1962, NdsGVBl. 1962, S. 61; ÄndG NRWJAG v. 25.6.1962, NRW GV 1962, S. 346 sowie NRWJAO v. 28.6.1962, NRW GV 1962, 362; RPJAO v. 5.12.1962, RP GVBl. 1962, S. 217; ÄndVO zur SaarlJAO v. 26.6.1962, SaarlABl. 1962, S. 461. 377 Bähr, Änderungen der Regelung der deutschen Juristenausbildung, in: JuS 1963, S. 331 (332). 378 Vgl. Art. 1 Nr. 23 ÄndVO zur BerlJAO, Art. 1 Nr. 4 ÄndVO zur SaarlJAO, § 1 Nr. 8 ÄndV zum NRWJAG 1962, § 1 Nr. 3 ÄndVO zur BayJAO, § 27 Abs. 2 NdsJAO 1962. 374
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An den Universitäten entwickelte sich das Erscheinungsbild der juristischen Ausbildung auch ohne große Änderungen weiter. Die durchschnittliche Studiendauer verlängerte sich auch faktisch, Plädierclubs (moot courts)379 wurden gegründet und die Einrichtung von Arbeitsgemeinschaften hatte alle Universitäten erreicht.380 Darüber hinausgehend wurden an der juristischen Fakultät der Universität Tübingen schon im Sommersemester 1964 Pflichtarbeitsgemeinschaften eingerichtet.381 (2) Die Empfehlungen der Justizministerkonferenz vom 11. Februar 1965 Das Ende des Beobachtungszeitraums markiert weniger eine Reform als ein Beschluss, dem Teilreformen folgten. Dabei handelte es sich um die Empfehlung der Konferenz der Justizminister und -senatoren zur Reform der juristischen Ausbildung in Bonn vom 11. Februar 1965.382 Sie bekräftigte die Beibehaltung der „einheitlichen Ausbildung aller Juristen“ (Punkt 1) und ihre Teilung in ein rechtswissenschaftliches Studium und einen praktischen Vorbereitungsdienst (Punkt 2). Auch die von § 5 Abs. 2 S. 1 DRiG vorgegebene Mindeststudiendauer von sieben Fachsemestern sollte einheitlich umgesetzt werden (Punkt 3a). Durch Einführung von Ferienhausarbeiten sollte die Ausbildungszeit effektiver genutzt werden (Punkt 3d). Zusätzlich zu den bekannten Arbeitsgemeinschaften sollten Pflichtarbeitsgemeinschaften für Studienanfänger eingeführt werden; diese Veranstaltungen sollten neben den Übungen in einer vorgeschriebenen Reihenfolge stattfinden. (Punkt 4a). Die Teilnahme an einer solchen Pflichtarbeitsgemeinschaft und der Erfolg bei mehreren Pflichtübungen sollten einheitlich als neue Voraussetzung für eine Prüfungszulassung in die Ausbildungsordnung aufgenommen werden (Punkt 4b, bb) und cc)). Beschlossen wurde weiterhin die Empfehlung einer praktischen Studienzeit von sechs Wochen, in der die Studenten in sämtliche Bereiche der juristischen Tätigkeit – Justiz, Wirtschaft, Verwaltung – Einblick erhalten sollten (Punkt 5). Endgültig sollte die Zweigleisigkeit der ersten Prüfung festgelegt werden: Als universitäre Abschlussprüfung einerseits und als Justizeingangsprüfung andererseits. Die Fakultäten sollten hieran gestalterisch mitwirken. Nicht einheitlich bestimmt wurden die Prüfungsfächer. Hierzu hieß es kurz: „Die Prüfung erstreckt sich auf die Kernfächer und die Grundzüge der übrigen Fächer der Rechtswissenschaft sowie auf das Verständnis des Rechts und der sozialen Welt“ (Punkt 6a). Zwingend musste die Prüfung aus Klausuren und einer mündlichen Prüfung bestehen; eine ebenso vorgesehene Hausarbeit sollte in der Landesregelung durch vier Klausuren ersetzt werden können (Punkt 6c). 379 Brintzinger, 23. Tagung des Fachverbandes Rechtswissenschaften im VDS, in: JZ 1963, S. 483 f. 380 Hanau, Zur Realisierbarkeit, in: JZ 1965, S. 246. 381 Gitter, Erfahrungsbericht über die Arbeitsgemeinschaften an der Universität Tübingen, in: JZ 1965, S. 131. 382 Abgedruckt jeweils in: JZ 1965, S. 275 f.; DRiZ 1965, S. 162 f.
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Auch eine Übereinkunft über den Zweck des Vorbereitungsdienstes wurde getroffen: Das ungeteilte Referendariat sollte „den Nachwuchs so weit aus[. . .]bilden, daß er für die klassischen juristischen Berufe verwendbar ist und für die juristischen Berufe mit Spezialaufgaben gute Grundvoraussetzungen mitbringt“. Dazu galt es, den Stoff und die Zahl der Stationen einzuschränken. In freier Reihenfolge, aber im Übrigen einschließlich der Dauer konkret festgelegte Stationen waren Amtsgericht, Staatsanwaltschaft, Zivilkammer, Verwaltung und Verwaltungsgericht, Rechtsanwalt und Notar, eine „arbeitsrechtliche Ausbildung“ oder die Ausbildung im sozialrechtlichen Bereich sowie die Ausbildung an einem OLG; in Bayern und Baden-Württemberg stattdessen am Verwaltungsgerichtshof (Punkt 7). Gleichzeitig wurde eine Reduktion der Dauer des Vorbereitungsdienstes auf 30 Monate, zweieinhalb Jahre, empfohlen (Punkt 8a). Auf Antrag des Referendars sollte der Vorbereitungsdienst um eine halbjährige Wahlstation ergänzt werden können (Punkt 8b). Die zweite Prüfung sollte aus einer Hausarbeit und vier achtstündigen Klausuren bestehen, von denen ein Drittel dem öffentlichen Recht gewidmet werden durfte. Auch hier wurden nur den Ländern BadenWürttemberg und Bayern abweichende Regelungen eingeräumt (Punkt 10a, b). Die mündliche Prüfung sollte auf einen Aktenvortrag aufbauen, in dem das öffentliche Recht, „[s]oweit genügend geeignete Akten zur Verfügung“ standen, wiederum zu einem Drittel berücksichtigt werden konnte. (3) 1964–1965: § 5 DRiG im Bundestag Die Empfehlung der Justizminister- und -senatorenkonferenz beinhaltete mit der Verkürzung des Vorbereitungsdienstes und der ausgleichenden Einführung einer fakultativen, zusätzlichen Wahlstation eine Reform, die vom in § 5 DRiG gesetzten Rechtsrahmen der juristischen Ausbildung abwich – also nicht durch den Verordnungsgeber geregelt werden konnte. Eine Änderung des § 5 DRiG war erforderlich (so auch Punkt 8c des Beschlusses) und – vom absehbaren Ende der Wahlperiode abgesehen383 – auch wahrscheinlich. Zwischen November 1964 und Februar 1965 hatten nämlich alle drei Fraktionen eigene Entwürfe eingebracht. Die CDU/CSU-Fraktion sprach sich über die Empfehlungen der Konferenz hinaus nicht nur für eine Verkürzung des Vorbereitungsdienstes, sondern auch für eine Verkürzung des Studiums aus und wollte die konkreten Stationen des Vorbereitungsdienstes dem Verordnungsgeber – im Ergebnis den Justizministerien – überlassen.384 Die SPD-Fraktion widersprach der Kürzung der Mindeststudienzeit und mit Verweis auf verfassungsrechtliche Grenzen der Verordnungsermächtigung des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG auch einer Überantwortung der Entscheidung über die Stationen an die Län383
Determann, Zwischenbilanz der Ausbildungsreform, in: JZ 1965, S. 276 (277). Wassermann, Der Stand der Reform der juristischen Ausbildung, in: JuS 1965, S. 162. 384
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der.385 Zudem strengte sie eine genaue Einteilung des Vorbereitungsdienstes im Verhältnis 2:1 – Justiz zu Verwaltung – an.386 In einem wichtigen Punkt ging ihr Gesetzesentwurf deutlich über den Beschluss der Ministerkonferenz hinaus: Als Prüfungsinhalt wollte die Fraktion ein Verständnis für politische, wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge festlegen.387 Am 23. Juni 1965 verabschiedete der Bundestag mit dem „Gesetz zur Verkürzung des Vorbereitungsdienstes für den Erwerb der Befähigung zum höheren Beamtendienst und zum Richteramt“ 388 schließlich einen Kompromiss, der einstimmig389 angenommen wurde: Die Mindeststudiendauer blieb unberührt. Der Vorbereitungsdienst wurde im geänderten § 5 Abs. 3 DRiG auf zweieinhalb Jahre verkürzt. Die konkrete Einteilung blieb den Ländern überlassen; vom 30-monatigen Dienst waren aber 19 bei den ordentlichen Gerichten, Staatsanwaltschaften, Notaren und Rechtsanwälten abzuleisten, wobei die Länder Baden-Württemberg und Bayern über den neu eingefügten § 112a DRiG die Möglichkeit hatten, bis zu vier Monate des Dienstes in der Verwaltungsgerichtsbarkeit hierauf anzurechnen. 9 Monate waren zwingend für die Ausbildung in der Verwaltung, zwei weitere Monate für die Ausbildung bei einer arbeits- oder sozialrechtlich ausgerichteten Stelle abzuleisten. In § 5 Abs. 3 Nr. 2 DRiG wurde nun auch die einheitliche Möglichkeit eingeführt, eine Ausbildung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer auf die Verwaltungsstationen anrechnen zu lassen.390 Über einen neuen, vierten Absatz wurde die einheitliche Möglichkeit einer zusätzlichen sechsmonatigen Wahlstation eingeführt. Damit wurden die Empfehlungen der Justizminister- und -senatorenkonferenz, soweit sie eine Änderung des DRiG erforderten, in größten Teilen übernommen. 385 Wassermann, Der Stand der Reform der juristischen Ausbildung, in: JuS 1965, S. 162. 386 Determann, Zwischenbilanz der Ausbildungsreform, in: JZ 1965, S. 276 (278). 387 Determann, Zwischenbilanz der Ausbildungsreform, in: JZ 1965, S. 276 (278). Vgl. auch den Auszug aus dem Antrag der Fraktion vom 23.2.1965, abgedruckt in: DRiZ 1965, S. 125 (127). 388 BGBl. I 1965, S. 891. 389 DRiZ 1965, S. 305 (306). 390 Die Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer wurde im Januar 1947 auf Beschluss der französischen Militäradministration gegründet (Journal Officiel Nr. 52 v. 17.1.1947, S. 538). Ihr Zweck war von vornherein die Herbeiführung einer Reform des Beamtentums nach demokratischen Maßstäben und mit einem Blick für die politischen und sozialen Bedürfnisse (Morsey, 50 Jahre Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, S. 14, 22). Zum Wintersemester 1950/51 begann man mit der Aufnahme von Rechtsreferendaren im Rahmen der vereinheitlichten Juristenausbildung (Lüder, Fünfzig Jahre Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Anhang, S. 495). Vor der Aufnahme ins DRiG war die dortige Ausbildung der Rechtsreferendare durch Verwaltungsabkommen ermöglicht worden. Trotz des Fortbestehens der Hochschule bis heute soll ihre Bedeutung nicht weiter untersucht werden: Ihr Besuch war weder verpflichtend noch wurde tatsächlich ein wesentlicher Teil der Juristen hier ausgebildet.
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(4) Umsetzungen der Empfehlungen im Landesrecht Ganz gegenteilig entwickelte sich das Landesrecht, auf das sich der weit überwiegende Teil der Empfehlungen bezog. Schon auf der nächsten Justizministerkonferenz im Oktober desselben Jahres musste festgestellt werden, dass die tatsächliche Ausgestaltung des Vorbereitungsdienstes in den Ausbildungsvorschriften der meisten Länder nicht dem gefassten Entschluss entsprach.391 Bis dahin hatten fünf Länder die Vorschriften zum Vorbereitungsdienst reformiert: Darunter Niedersachsen,392 Rheinland-Pfalz,393 Hessen,394 Baden-Württemberg395 und Bremen396.397 In Hamburg398, Schleswig-Holstein399 und Berlin400 wurde die Kürzung durch Verordnung angekündigt. Unterschiede gab es in der Reihenfolge der Stationen, wichtiger aber noch, in ihrer Länge. Die Amtsgerichtsstation umfasste zwischen 4 und 9 Monate. Die Landgerichtsstation, soweit sie – anders als in Bremen – ausdrücklich aufgenommen wurde, war zunächst noch einheitlich auf 4 Monate festgelegt. Für die Staatsanwaltschaft waren zwei (Niedersachsen Rheinland-Pfalz), zweieinhalb (Bremen) oder drei (Hessen, Baden-Württemberg) Monate angesetzt. Nahezu einheitlich wurde auch eine zweimonatige arbeits- oder sozialrechtliche Station geregelt. Nur das Land Niedersachsen beschränkte sich auf die Festlegung einer „arbeitsrechtlichen“ Station. Die Station der Rechtsanwaltschaft sollte drei (Niedersachsen) bis vier Monate (etwa Hessen) umfassen. Gleiches galt für die OLG-Station. Eine bis zu sechs Monaten dauernde Wahlstation wurde entsprechend § 6 Abs. 4 DRiG n. F. über391
Hirschmann, 33. Konferenz der Justizminister, in: DRiZ 1965, S. 401 f. Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Ausbildungsordnung für Juristen vom 12. Oktober 1965, NdsGVBl. A 1965, S. 222; entspricht der neuen Fassung vom 25. Oktober 1965, NdsGVBl. A 1965, S. 225. 393 Landesverordnung zur Überleitung der juristischen Ausbildung vom 12.10.1965, RP GVBl., S. 215. 394 Juristische Ausbildungsordnung vom 10.9.1965, HessGVBl. I 1965, S. 193 (HessJAO 1965). 395 Zweite Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Verordnung über die Ausbildung der Juristen v. 28.9.1965, BW GBl. 1965, S. 257; Bekanntmachung der Neufassung in: BW GBl., S. 262. 396 Zweite Verordnung zur Änderung der Justizausbildungsordnung v. 28.9.1965, HB GBl. 1965, S. 125. 397 Die betroffenen Normen waren § 27 NdsJAO, § 18 RPJAO, § 28 HessJAO, § 27 BWJAO, § 34 JAO Bremen. 398 Verordnung über die Kürzung und Anpassung des juristischen Vorbereitungsdienstes v. 21.9.1965, HH GVBl. 1965, S. 153. 399 Verordnung zur Durchfürhung des Gesetzes zur Kürzung des Vorbereitungsdienstes für den Erwerb der Befähigung zum höheren Beamtendienst und zum Richteramt v. 22.9.1965, SH GVBl. 195, S. 89. 400 Gesetz zur Übernahme des Gesetzes zur Kürzung des Vorbereitungsdienstes für den Erwerb der Befähigung zum höheren Beamtendienst und zum Richteramt, BerlGVBl. 1965, S. 1085. 392
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all eingeführt. In Baden-Württemberg wurde eine Tätigkeit bei gesetzgebenden Körperschaften ausdrücklich empfohlen, in Bremen eine Mindestdauer von drei Monaten vorgeschrieben. Die Verwaltungs- und verwaltungsgerichtlichen Stationen waren unterschiedlich geregelt. Ihre Dauer betrug zwar insgesamt neun Monate, die Verteilung ging aber weit auseinander: In Niedersachsen sollten sieben Monate in den Behörden und nur zwei bei Gericht verbracht werden, während Bremen mit je fünf und vier Monaten eine gleichmäßigere Verteilung vorsah. Hessen ging den Sonderweg, die Verwaltungsstation aufzuteilen: dreieinhalb Monate waren bei einer unteren Verwaltungsbehörde, zweieinhalb ausdrücklich bei einem Regierungspräsidenten abzuleisten. Die im Dezember 1965 und im Jahr 1966 erlassenen Ausbildungsordnungen und -gesetze waren nicht einheitlicher. Zwar lag Berlin mit der Änderung401 des § 8 BerlJAG 1966 genau bei der Empfehlung; die Regelungen in Nordrhein-Westfalen (§ 23 NRWJAG 1966)402, Bayern (§ 35 BayJAPO 1966)403, im Saarland (§ 45 SaarlJAO 1966404) fielen allerdings erneut auseinander. Im Rahmen einer allgemein erforderlichen Reform der Ausbildungsvorschriften wurden aber auch weitergehende Entscheidungen getroffen. So änderte das Land Hessen seine Vorschriften zur rechtswissenschaftlichen Ausbildung. In der bisher hervorgehobenen Rechtsphilosophie wurden ebenso wie in der Geschichte nur noch die Grundlagen gefordert (§ 9 HessJAO 1965). Damit wurden beide Fächer von eigenständigen Prüfungsfächern zu bloßen Studieninhalten herabgestuft. b) Reformdebatten und Erwägungen Wie in der Weimarer Republik und noch im Nationalsozialismus fanden die meisten Änderungen auf der Verordnungsebene statt. Die Justiz- und Juristenausbildungsgesetze legten regelmäßig nur den Rahmen der Ausbildung und Zuständigkeiten fest, während die Ausbildungsordnungen die eigentliche Ausgestaltung der Ausbildung vornahmen. Soweit es nicht um die erst vom GVG, später vom DRiG vorgegebene Dauer des Studiums und des Vorbereitungsdienstes mitsamt seinen Stationen ging, waren die Landesjustizministerien die wahren Orte der Entscheidung.
401
Gesetz über die juristische Ausbildung v. 29.4.1966, BerlGVBl. 1966, S. 735. Gesetz zur Änderung des Juristenausbildungsgesetzes, des Landesbeamtengesetzes und des Gesetzes über den höheren bautechnischen und den höheren vermessungstechnischen Verwaltungsdienst v. 14.12.1965, GV NRW 1965, S. 374. Neufassung in GV NRW 1966, S. 78. 403 Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen (JAPO) v. 18.3.1966, BayGVBl. 1966, S. 120. 404 Dritte Verordnung zur Änderung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung zur Erlangung der Befähigung zu Richteramt und zum höheren Verwaltungsdienst (Ausbildungsordnung für Juristen – JAO – v. 28. März 1960, Amtsbl. S. 241) v. 30.8.1966, SL ABl. 1966, S. 697. 402
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E. Die Bundesrepublik Deutschland
Zur Entscheidungsfindung kam es trotz des wiedergefundenen Föderalismus allerdings nicht nur in den einzelnen Ministerien. Den effizienten Austausch zwischen Ministerien sicherten seit 1946 die Tagungen der deutschen Justizverwaltung405, die mit der Gründung der Bundesrepublik in Justizminister- und -senatorenkonferenzen übergingen.406 Obwohl sie grundsätzlich informeller Natur407 waren, war ein – seltener – bundesweiter Konsens richtungsweisend: Die Beschlüsse der Konferenz legten zumeist den Rahmen für die einheitlichen Reformvorhaben der nächsten Zeit fest. Den Abschluss des Beobachtungszeitraumes markiert die 32. Justizministerkonferenz im Februar 1965, deren Schlusserklärung und Begründung408 daher genauer zu betrachten sein wird. Berücksichtigung fand dort nicht nur die bisherige Reformdebatte; auch ein von der sonst unbeteiligten ständigen Innenministerkonferenz in Auftrag gegebenes Gutachten zur Ausarbeitung eines Reformprogramms unter Wahrung der Interessen der Verwaltung, verantwortet von Wilhelm Loschelder, wurde in die Überlegungen einbezogen.409 Von einigem Gewicht in den Reformdebatten waren die Hochschulkonferenzen und -tagungen, etwa die frühe Hinterzartener Tagung über die Probleme der deutschen Hochschulen im August 1952;410 viel mehr aber die Fakultätskonferenzen und die Tagungen des Deutschen Juristen-Fakultätentages.411 Der Juristen-Fakultätentag, der im Juli 1961 in Tübingen stattfand, bildete mit dem Beschluss eines Reformprogramms den „vorläufigen Abschluß“ der Debatten unter den Fakultäten.412 Zudem wurden Referendar- und Fachschaftskonferenzen durchgeführt, die die Wünsche und Forderungen der jeweiligen Interessengruppen abbildeten. Nach dem gelenkten Diskurs des vergangenen Jahrzehnts entwickelte sich erneut
405 Arndt, Die Neuordnung der juristischen Ausbildung im Lande Berlin, in: JZ 1953, S. 139. 406 Hornig, Angleichung der landesrechtlichen Vorschriften, in: JZ 1951, S. 14 (15). Im folgenden meist verkürzt als „Justizministerkonferenz“. 407 Zur Rechtsnatur der Justizministerkonferenzen, siehe Lührig, Die Diskussion über die Reform der Juristenausbildung, S. 212 f. 408 Beschluss der 32. Justizministerkonferenz, abgedruckt in: DRiZ 1965, S. 162 f. Zur Begründung der Empfehlungen der 32. Justizministerkonferenz, siehe DRiZ 1965, S. 199. Nur ausblickshaft anzusprechen ist die 33. Konferenz, auf der ein erstes Resümee gezogen wurde, vgl. Hirschmann, 33. Konferenz der Justizminister, in: DRiZ 1965, S. 401 f. 409 Gutachten über die juristische Ausbildung (Loschelder), passim. 410 Eigentlich „Arbeitstagung über Probleme der deutschen Hochschulen“, vgl. den Bericht zur Reform der Studien- und Prüfungsordnungen, in: JZ 1952, S. 715 (passim). 411 Der Deutsche Fakultätentag ist als solcher keine offizielle Vertretung der Juristenfakultäten, wurde aber ähnlich einer solchen gewürdigt, vgl. Knemeyer, Deutscher Juristen-Fakultätentag, S. 18. 412 Bader, Zur Studien- und Ausbildungsreform, in: JZ 1961, S. 735 ff. Ebenfalls abgedruckt in: JuS 1961, S. 370 ff. Bis zum Ende des Betrachtungszeitraumes fanden auch keine weiteren entscheidenden Tagungen statt.
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eine offene Diskussion. Gerade in der JuristenZeitung,413 aber auch in anderen Zeitschriften wurden die wichtigen Konferenzen ebenso wie Einzelbeiträge rezipiert. An diesem Dialog beteiligten sich die Ministerien und Prüfungsämter, die Minister und Ministerialbeamten, 414 von einer bloßen Darstellung bis zur eingehenden Stellungnahme. In die Ausarbeitung von Reformvorschlägen bezogen die Ministerien aktiv Professoren ein.415 Eine reibungslose, enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Regierung wurde als Motor der Reform gefördert.416 So basierte etwa das Land Nordrhein-Westfalen ein Zehn-Punkte-Programm der Justiz im Jahr 1953 nahezu vollständig auf Vorschlägen des späteren Professors Gerhart Husserl.417 Dieser stand im Mittelpunkt einer wesentlichen Neuentwicklung der fünfziger Jahre, die der Bundesrepublik eigen war – die Bildung eines heterogenen, über die Grenzen des eigenen Tätigkeitsfeldes hinausgehenden Interessenkreises; des im Herbst 1954 gegründeten Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung.418 Der Arbeitskreis unter dem Vorsitz Hans Dölles und unter der Leitung Husserls fasste nicht nur Professoren, sondern zahllose andere Juristen zusammen: einen Staatssekretär des Bundesjustizministeriums, Vertreter der Landesjustizverwaltungen, Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundespatentamtes ebenso wie solche der Oberlandesgerichte, Repräsentanten des Deutschen Juristentags, des Deutschen Richterbundes, des Deutschen Anwaltvereines und anderer juristischer Berufsorganisationen.419 Aktiv gefördert wurden der Arbeitskreis und sein Wirken zusätzlich durch den nordrhein-westfälischen Justizminister Ame413
Ridder, Bemerkungen zur Reform des juristischen Studiums, in: JZ 1956, S. 525
(526). 414
In diesem Kapitel sind das etwa die Justizminister Rudolf Amelunxen und dessen Nachfolger Otto Flehinghaus (Nordrhein-Westfalen), die Präsidenten der Landesjustizprüfungsämter Hans Altmann (Berlin), Karl Siegfried Bader (Baden) und Wolfgang Kohleiß (Baden-Württemberg) sowie die Ministerialbeamten in den Prüfungsämtern Karl Gelbert und W. Rößner (jeweils Bayern) sowie Hoepner (Mainz) und andere Ministerialbeamte, etwa E. Hornig (Niedersachsen) und K. Jordan. Angaben zur Tätigkeit jeweils aus den zitierten Aufsätzen. 415 Vgl. die Nachricht zur Tagung im hessischen Schloss Waldleiningen, in DRZ 1949, S. 469. 416 Hornig, Angleichung der landesrechtlichen Vorschriften, in: JZ 1951, S. 14 (15). 417 Vgl. Das nordrhein-westfälische Programm für Studium, Aus- und Fortbildung, Bericht, in: JZ 1953, S. 337. 418 Vorstand des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung, Arbeitskreis für Fragen der Juristenausbildung, in: JZ 1955, S. 76 f.; Arbeitskreis für Fragen der Juristenausbildung, Bericht, in: JZ 1956, S. 15. 419 Vorstand des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung, Arbeitskreis für Fragen der Juristenausbildung, in: JZ 1955, S. 76; Amelunxen, Reform der juristischen Ausbildung in Nordrhein-Westfalen, in: JZ 1956, S. 479. Vgl. auch den Bericht zur Heidelberger Tagung des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung, in: JZ 1956, S. 633 f.
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lunxen.420 Das erklärte Ziel des Arbeitskreises war die Untersuchung der Juristenausbildung auf neuer, nämlich soziologischer, historischer, politischer und rechtsvergleichender Grundlage.421 Auf der Heidelberger Tagung des Arbeitskreises am 23. und 24. Mai 1956 wurden bereits einige unterschiedliche Ansätze vorgestellt.422 Das mit Spannung erwartete Ergebnis war eine 1960 unter dem Titel „Die Ausbildung der deutschen Juristen“ veröffentlichte Denkschrift.423 Bereits die Gründung des personell eindrucksvoll aufgestellten Arbeitskreises provozierte eine unmissverständliche Klarstellung: Er konnte nicht beanspruchen, eine gemeinsame Stimme der Beteiligten zu erheben.424 Auch die Fakultäten sahen sich gezwungen, gegenüber solchen Interessenverbänden ihre Eigenverantwortlichkeit und Eigenständigkeit zu bekräftigen.425 Der Arbeitskreis selbst beschwichtigte kurz, dass er selbstverständlich keine eigene Kompetenz zur verbindlichen Vorgabe oder Durchführung einer Reform besaß.426 Zumindest bestand aber über die Grenzen des Arbeitskreises ebenso wie die der juristischen Berufe hinweg ein Konsens über die Reformbedürftigkeit des Studiums427 – wenn auch mit ganz unterschiedlicher Begründung. Im Hinterzartener Beschluss von 1952 formulierte man verheißungsvoll: „Die Ausbildung der Juristen wird zu einer der Grundfragen der Existenz unseres Staates werden“ 428 – und auch Husserl erklärte 1953 entschieden, die neu auszubildenden Juristen wären entscheidend für den Aufbau der „neuen deutschen Demokratie“.429
420
Bleibtreu, Ein demokratischer Justizminister, in: DRiZ 1958, S. 158 (160). Husserl, Bericht über Errichtung, Aufgabe und Arbeitsprogramm der Arbeitsstätte des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung, in: JZ 1956, S. 634 (635). 422 Vgl. erneut JZ 1956, S. 633 f. sowie darauf folgend Dölle, Eröffnung der Tagung, in: JZ 1956, S. 634; Husserl, Bericht über Errichtung, Aufgabe und Arbeitsprogramm der Arbeitsstätte des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung, in: JZ 1956, S. 634 ff.; Kunkel, Grundsätzliche Überlegungen zur Problematik der Juristenausbildung, in: JZ 1956, S. 637 ff.; Duden, Bemerkungen über die heutige deutsche Juristenausbildung vom Standpunkt des Praktikers, in: JZ 1956, S. 644 ff. 423 Zitiert als Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960). Eine Zusammenfassung bietet die Denkschrift auf den S. 341 ff. Ausführlicher zusammengefasst von Hirschmann, Die Ausbildung der deutschen Juristen, in: JuS 1961, S. 167 (168). 424 Ridder, Bemerkungen zur Reform des juristischen Studiums, in: JZ 1956, S. 525. 425 Abgedruckt in: JZ 1955, S. 446. 426 Dölle, Eröffnung der Tagung, in: JZ 1956, S. 634; Husserl, Bericht über Errichtung, Aufgabe und Arbeitsprogramm der Arbeitsstätte des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung, in: JZ 1956, S. 634 f. 427 Brintzinger, Husserls Reformpläne im Kreuzfeuer der Kritik, in: JZ 1953, S. 546. Eine der wenigen Gegenstimmen findet sich etwa bei Wengler, Juristische Studienreform, in: NJW 1957, S. 201. 428 Hinterzartener Beschluss, abgedruckt in: JZ 1952, S. 715 (718). 429 Husserl, Reform des deutschen Rechtsstudiums, in: JZ 1953, S. 453 (456). 421
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aa) Zielvorstellungen und einzelne Leitbilder Was Ziel- und Leitvorstellungen der juristischen Ausbildung anging, wurden die Ausbildungsvorschriften denkbar wenig konkret. Dafür bezogen Einzelpersonen, meist Hochschullehrer, Stellung. Zur Aufgabe des Studiums und des aus ihm hervortretenden Juristen hieß es etwa, es solle „dem Rechtsstudierenden zeigen, daß er selbst einen Beitrag zu dieser künftigen Gestaltung des Rechtslebens zu leisten verpflichtet ist; es soll die zur Erfüllung dieser Verpflichtung nötigen Kräfte in ihm wecken und mit ihrer Ausbildung beginnen.“ 430 Das Studium sei eine Erziehung zum Recht, geeignet, den „Wille(n) zur Gerechtigkeit“ zu erwecken und zu stärken.431 Der Jurist müsse zur Überlegenheit „beim Anfassen der Ordnungsaufgaben einerseits“ und Überlegenheit im „Verständnis der Lebenszusammenhänge andererseits“ erzogen werden.432 Er sei im modernen Staat „in allen Zweigen des öffentlichen Lebens“ benötigt.433 Auch der Richter solle innerhalb des Vorbereitungsdienstes die Aufgabe wahrnehmen, im Juristen die Idee des Rechts zu festigen, damit er „mit Eifer und mit Freude dem Recht um seiner selbst willen diene [. . .]“.434 Besondere Erwähnung findet das Bild des Juristen in der Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung von 1960. Die Denkschrift beginnt mit dem Versuch, zunächst eine gemeinsame Definition des abendländischen Juristen zu formulieren: „Überall [im abendländischen Kulturkreis] erscheint uns der Jurist [. . .] als ein Mann, der aufgrund besonderer Schulung in einem ausgezeichneten Maße befähigt ist, zu der Lösung sozialer Probleme einen wirksamen Beitrag (mit den Mitteln des Rechts) zu leisten.“ 435 Bezogen auf Deutschland folgt sodann die Einschränkung, die „für Deutschland charakteristische Einheit der Juristenausbildung ist ein Ausdruck eines Strebens nach Universalität oder anders gesehen: sie beruht auf der Ablehnung der Idee des Juristen als eines juristischen Spezialisten“.436 Ihren eigenen Reformüberlegungen stellte der Arbeitskreis schließlich ein eigenes Leitbild voran – schließlich bedürfe „das Bild des ,idealen‘ Juristen, an dem die Juristenausbildung jeweils orientiert ist, einer ständigen Revision“.437 Das Leitbild des Arbeitskreises war keine greifbare For430 Darmstaedter, Die Jugend und das Rechtsstudium, in: JZ 1952, S. 107. Ähnlich Mühl, Erfahrungen aus der großen juristischen Staatsprüfung, in: DRiZ 1961, S. 244. 431 Pringsheim, Zur Verbesserung des Rechtsstudiums, in: JZ 1953, S. 301 (302). 432 Duden, Bemerkungen über die heutige deutsche Juristenausbildung, in: JZ 1956, S. 644 f. 433 Wassermann, Grundfragen der praktischen Juristenausbildung, in: JR 1963, S. 121 (122). 434 Flehinghaus, Probleme des juristischen Nachwuchses, in: DRiZ 1959, S. 105 (106). 435 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 6. 436 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 7 f. 437 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 232.
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mel. Sie orientierte sich an einer „Reihe von Blickpunkten“, die den nicht zwingend idealen, gleichwohl wünschenswerten Durchschnitt des Juristen auszeichnen sollten:438 Der Jurist sollte in den rechtlichen Grundlagen, der juristischen Methode geschult sein, aufgrund seines tiefgehenden Verständnisses für die Zusammenhänge des Rechts Antworten auf die Fragen nach dessen Sinn und Zweck geben können.439 Zur Lösung sozialer Probleme sollte er die Fähigkeit der Rechtsvergleichung nutzbar machen.440 Er sollte bei einer grundsätzlichen Aufgeschlossenheit gegenüber Veränderung traditionsbewusst sein. Der Wandel in der Welt verlangte dem Juristen soziologische und wirtschaftliche Einsicht ab. In seiner Denkweise sollte er mit der Fachsprache aller Spezialisten vertraut sein, die für die Tätigkeit im Rechtsleben für „Fragen der sozialen Wirklichkeit“ relevant wären.441 Gleichzeitig sollte er seine Sprache beherrschen, mit der Rechtssprache zu überzeugen wissen, da gerade die öffentliche Diskussion für die Bildung von Recht ausschlaggebend wäre.442 Vor allem aber müsste er an der „schöpferischen Gestaltung des Rechts“ mitwirken können und dort, wo das positive Recht nicht helfen könnte, anhand der obersten Werte der Rechtsordnung zu einer gerechten Lösung finden.443 Das setzte einen ganz bestimmten Charakter voraus, dessen prägende Merkmale vor allem kritische „Distanz“, „Objektivität“, „Sachlichkeit“, „Menschenkenntnis“ und „Entschlusskraft“, einschließlich des Mutes zur eigenen Meinung sein sollten.444 Das Voranstellen eines derart feinen Leitbildes wurde dem Arbeitskreis und seiner Denkschrift in einem der wenigen Beiträge, die sich nicht bloß auf dessen praktische Änderungsvorschläge beschränkten, zugutegehalten.445 Das gezeichnete Leitbild wurde aufgrund seiner Genauigkeit aber auch kritisiert. Studierendenvertreter wandten ein, dass es sich im Widerspruch zum Ideal der Humboldt’schen Universität befände.446 Ein ähnliches und dennoch nicht im Ansatz so detailliertes und mit der Juristenausbildung verknüpftes Leitbild wurde nur für den Verwaltungsbeamten formuliert. Der Verwaltungsbeamte wäre hiernach von der „subsumierenden Tätigkeit des Richters oder der meditierenden Haltung des Wissenschaftlers“ streng abzu438 439
Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 233. Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 234,
236. 440
Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 235. Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 235. 442 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 236 f. 443 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 238. 444 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 239 ff. 445 Hirschmann, Die Ausbildung der deutschen Juristen, in: JuS 1961, S. 167 (168). 446 Brintzinger, Tagung des Fachverbands Rechtswissenschaften, in: JZ 1961, S. 487. Von anderer Seite wurde gleichwohl angemerkt, dass dieses Bildungsideal für die Juristenausbildung ohnehin nicht mehr vollkommen zeitgemäß wäre, vgl. Wassermann, Grundfragen der praktischen Juristenausbildung, in: JR 1963, S. 121 (123). 441
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grenzen.447 Seine Tätigkeit forderte „Überzeugungskraft, Charme, Fähigkeit zum Gestalten, Zivilcourage, Initiative und Ausdauer“; mehr noch: „eine in sich geschlossene harmonische Persönlichkeit, die Sicherheit, Zuversicht und Selbstvertrauen auszustrahlen vermag“ und dem Verwaltungsbeamten ermöglichte, statt bloß den „bürokratischen Apparat“ vielmehr das Gemeinwesen zu repräsentieren.448 Die scheinbare Regelmäßigkeit, mit der knappe Leitsätze für eine Reform der Juristenausbildung und Ziele der Ausbildungsabschnitte formuliert wurden, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie insgesamt selten waren und dass Einblicke in persönliche Vorstellungen vom idealen Juristen nur in Fragmenten geboten wurden. Der Arbeitskreis für Fragen der Juristenausbildung blieb auch das einzige Gremium, das seinen Reformvorschlägen ein detailliertes Leitbild zugrunde legte. In anderen Gremien waren Leitbilder allem Anschein nach weniger konsensfähig: Im Beschluss des Fakultätentages hieß es bloß, das Ziel der juristischen Ausbildung wäre der „kenntnisreiche, geistig selbstständige und seiner Verantwortung bewusste Jurist“.449 In den Beschlüssen der Justizminister wurde gänzlich auf pathetische Formeln verzichtet. bb) Bundesweite Einheitlichkeit Die Dezentralisierung des Reiches führte unweigerlich zur Dezentralisierung der juristischen Ausbildungsregelungen. Das Erfordernis einer grundlegenden bundesweiten Einheitlichkeit war gleichwohl allen Beteiligten bewusst. Die Wahrung der Einheitlichkeit war auch das Hauptanliegen, mit dem der Bundestag die erste Reform des Gerichtsverfassungsgesetzes im Hinblick auf die juristische Ausbildung anging.450 Vereinzelte Forderungen von Seiten der Referendare und Fachschaften, eine vollkommen einheitliche Juristenausbildung auf Grundlage der konkurrierenden Bundeskompetenz für das Gerichtsverfassungswesen zu schaffen und die Länder zu übergehen,451 konnten sich allerdings nicht durchsetzen. Mit der Einheitlichkeit wurden freiheitliche wie arbeitsmarktpolitische Anliegen verfolgt: So sollte die Freizügigkeit der Studierenden,452 vor allem aber die 447 von der Groeben, Zum Nachwuchsproblem der Verwaltung, in: DVBl. 1965, S. 137. 448 von der Groeben, Zum Nachwuchsproblem der Verwaltung, in: DVBl. 1965, S. 137. 449 Tübinger Fakultätentag, zit. in: Bader, Zur Studien- und Ausbildungsreform, in: JZ 1961, S. 735. 450 Geiger, Zur Vereinheitlichung des Gerichtsverfassungsrechts, in: SJZ 1950, Sp. 708. 451 Vgl. Brintzinger, Jahrestagung der Fachgruppe Rechtswissenschaften, in: JZ 1959, S. 546 (547). 452 Hinterzartener Beschluss, abgedruckt in: JZ 1952, S. 715.
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Freizügigkeit der juristischen Berufe im Bundesgebiet sichergestellt werden.453 Mit großem Nachdruck wurde auch die Bedeutung der Einheitlichkeit der juristischen Ausbildung für die Einheit der Rechtsordnung im Bundesgebiet hervorgehoben.454 Trotz dieses scheinbaren Konsenses wurde die Einheitlichkeit jedenfalls in Bayern nur unter Vorbehalt unterstützt.455 cc) Zulassung Allgemeine Zulassungsvoraussetzungen für die Aufnahme des juristischen Studiums wurden kaum diskutiert. Betont wurde die Freiheit der Universität und eine damit einhergehende Distanzierung von Eignungsprüfungen.456 Von den Fakultäten angeregt wurde zwar eine Förderung begabter und bedürftiger Studenten aus öffentlichen Mitteln,457 die 1957 mit dem „Honnefer Modell“ auch eingeführt wurde;458 im Übrigen wurde eine proaktive Erstreckung des Zugangs zur juristischen Ausbildung auf alle Schichten aber von keiner Seite für erforderlich gehalten.459 Probleme wurden eher in der großen Zahl der Studenten gesehen. Drei Jahre nach dem Krieg war die Anzahl der Immatrikulierten vielerorts wieder auf dem Vorkriegsstand, sodass die Anzahl der Zulassungen gering gehalten wurde.460 Bis zum Ende des Beobachtungszeitraums blieb die „Überfüllung“ der juristischen Fakultäten ein Problem; für manch einen gar das „brennendste“.461 Auch wenn hiergegen der Einwand erhoben wurde, eine solche Überfüllung konnte schon zu Zeiten der Weimarer Republik problemlos hingenommen wer453
Hornig, Angleichung der landesrechtlichen Vorschriften, in: JZ 1951, S. 14. So ausdrücklich in Baden, vgl. Neidhard, Der Vorbereitungsdienst nach dem neuen Justizausbildungsrecht, in: DRZ 1949, S. 176 (178). Ebenso Sirp, Die Ausbildung der Richter, in: DRiZ 1960, S. 204. 455 Näher in diesem Abschnitt dd) (2). 456 Husserl, Reform des deutschen Rechtsstudiums, in: JZ 1953, S. 453. 457 Entschließung der Fakultätenkonferenz zur juristischen Studienreform, abgedruckt in: JZ 1957, S. 116 (117). 458 Nach Scheidemann diente das Honnefer Modell nur zur Begabtenauslese aus dem Kreis der Bedürftigen (ders., Das Honnefer Modell, in: DRiZ 1961, S. 359 (360)). 459 Die in der SBZ aufgestellte Formel, das Amt des (Volks-)richters stehe allen Schichten des Volkes offen, wurde allenfalls als Versuch der Aufweichung der Rechtspflege durch Verdrängung des Berufsrichters rezipiert, vgl. Schmidt, Berufsjurist und staatliche Rechtspflege, in: MDR 1948, S. 374 f. Dass diese Idee auch im Westen zumindest nicht allzu fern lag, bezeugt die frühe Absichtserklärung der Nordwestdeutschen Hochschulkonferenz in Göttingen vom 28.5.1946, die „bedauert[e], daß so wenige Kinder aus wirtschaftlich und sozial benachteiligten Schichten, insbesondere der Arbeiterschaft, zum Studium gelang[t]en“, vgl. die Nordwestdeutsche Rektorenkonferenz v. 28.5.1946, abgedruckt in: Neuhaus, Dokumente, S. 20. Das Mittel der Wahl war schließlich die Wiedereinführung der Studienstiftung des deutschen Volkes. Ein Weg zum Studium für Studenten ohne Hochschulreife wurde an allen Universitäten eingeführt, vgl. Vom Nordwestdeutschen Hochschultag und Süddeutschen Hochschultag, Münster, 9.9.1947, Neuhaus, Dokumente, S. 32 f. 460 Vgl. Coing, Die Berufsaussichten der jungen Juristen, in: SJZ 1948, Sp. 484 f. 461 Bader, Zur Studien- und Ausbildungsreform, in: JZ 1961, S. 735. 454
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den,462 blieb das Schlagwort von der Überfüllung lange Zeit aktuell – allerdings im Kampf um die richtige Ausgestaltung des Studienaufbaus und nicht in der Frage der Zulassung. Erst 1965 hieß es wieder: „von einem Überfüllungsdruck an den Juristischen Fakultäten [kann] heute nicht mehr die Rede sein.“ 463 Ganz unmittelbare Bedeutung für die Frage der Zulassung erhielt die Überfüllung aber, als sie sich mit den Absolventen von der Universität auf den Vorbereitungsdienst verlagerte: Die Einschränkung der Zulassung durch das Erfordernis eines bereits im gleichen Land absolvierten Studiums oder einer besonderen Verbundenheit zum Land wurde als unzulässige Einschränkung der akademischen Freizügigkeit empfunden. Die Benachteiligung von Bewerbern aus anderen Ländern stellte gerade nach Auffassung der Studentenverbände die bundesweite Anerkennung der Ausbildung in Frage.464 Aus dem Mainzer Prüfungsamt wurde diese Kritik vehement zurückgewiesen und zur Begründung auf eine bessere Kenntnis des Landesrechtes verwiesen.465 Weiterhin wurden aber Maßnahmen gegen eine solche Einschränkung der akademischen Freizügigkeit gefordert.466 Die restriktiven Zulassungsvoraussetzungen wurden in der Diskussion sogar für verfassungswidrig erklärt, womit sie ein schlechtes Vorbild für den angehenden Juristen wäre,467 dessen „Erziehung [. . .] zur Rechts- und Verfassungsstaatlichkeit“ dadurch gehemmt würde.468 Der Einwand der akademischen Freizügigkeit tauchte mit Beginn der sechziger Jahre nur noch selten auf.469 Andere Erwägungen zur Verschärfung der Zulassung zum Vorbereitungsdienst, wie etwa die Überprüfung der Eignung mittels psychologischer Gutachten wie sie in Hamburg und anderen Ländern für Eintritt in den öffentlichen Dienst durchgeführt wurden, wurden angesprochen, aber nicht weiter verfolgt.470 462 Hinweis bei Husserl, Bericht über Errichtung, Aufgabe und Arbeitsprogramm der Arbeitsstätte des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung, in: JZ 1956, S. 634 (635 f.). 463 Raiser, Die Rechtswissenschaft im Gründungsplan für Konstanz, in: JZ 1965, S. 86 (87). 464 Vgl. Brintzinger, Für die akademische Freizügigkeit, in: JZ 1954, S. 384 f. 465 Hoepner, „Für die akademische Freizügigkeit“, in: JZ 1954, S. 487 f. Mit dem begründeten Einwand, in der juristischen Ausbildung, noch weniger im Vorbereitungsdienst sei das Ziel die Kenntnis des Landesrechtes, vgl. Bachof, Nochmals: „Für die akademische Freizügigkeit“, in: JZ 1954, S. 629 (630). 466 Ridder, Bemerkungen zur Reform des juristischen Studiums, in: JZ 1956, S. 525 (526). 467 Menzel, Die Verfassungswidrigkeit einzelner Bestimmungen der Justizausbildungsordnungen, in: JZ 1959, S. 657. 468 Menzel, Die Verfassungswidrigkeit einzelner Bestimmungen der Justizausbildungsordnungen, in: JZ 1959, S. 657 (662). 469 Zuletzt 1965 mit dem Verweis auf eine Zersplitterung der Ausbildungsvorschriften, vgl. Friesenhahn, Beschluß der Ständigen Deputation des Deutschen Juristentags, in: JZ 1965, S. 756. 470 Nicken, Vorbereitungsdienst und Große Staatsprüfung, in: JZ 1957, S. 207 (219).
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dd) Organisation und Aufbau der Juristenausbildung Im grundlegenden Aufbau der Juristenausbildung blieb Vieles beim Althergebrachten. Von der auch in der sowjetischen Besatzungszone letztlich nur vorübergehenden Abkehr vom ehernen Grundsatz der akademischen Juristenausbildung wurde zwar Notiz genommen; ganz bewusst wurde die Frage aber bei den westdeutschen Reformanliegen ausgespart.471 Auch eine Abschaffung des Vorbereitungsdienstes, ein Ende der so traditionellen zweiphasigen Juristenausbildung, schien von vornherein ausgeschlossen.472 Ein für Studium und Vorbereitungsdienst gleichermaßen technisch relevanter und daher hier vorwegzunehmender Reformpunkt waren etwa die Prüfungsnoten. Die länderspezifischen Regelungen beeinträchtigten auch die Vergleichbarkeit der Prüfungsergebnisse, die gerade in beruflichen Einstellungsverfahren aber dringend erforderlich war.473 Die Justizminister hatten die Vereinheitlichung daher auf der Justizministerkonferenz im Herbst 1961 zu einem der nächsten Reformpunkte erhoben,474 der schon im folgenden Jahr umgesetzt werden konnte.475 (1) Studium und erste Prüfung Die Frage eines einheitlichen Studiums für die unterschiedlichen juristischen Berufe wurde – anders als der Vorbereitungsdienst – von der Diskussion fast vollständig ausgenommen. Allein aus der Verwaltung drangen Vorschläge, die sogar eine Trennung des Studiums in zivilrechtliche, öffentlich-rechtliche („staatswissenschaftliche“), wirtschaftsrechtliche und sozialrechtliche Teile befürworteten.476
471
Vgl. M., Die Wiesbadener Tagung, in: DRZ 1947, S. 27 (28). Vereinzelt wurde dagegen aus anderen Berufständen, namentlich dem Verein Deutscher Ingenieure, ein Zugang zur Richterschaft auch ohne Ablegen der juristischen Prüfungen gefordert – wenn diese Vorstellungen überhaupt aufgegriffen wurden, wurden sie knapp abgelehnt, vgl. Der soziologische Standpunkt des Juristen, in: DRiZ 1956, S. 240 (241). 472 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 244, 246. Ebenso die Begründung der Empfehlungen der 32. Justizministerkonferenz, abgedruckt in: DRiZ 1965, S. 199 (199); Erdsiek, Zum Stand der juristischen Ausbildungsreform, in: NJW 1964, S. 697 (697 f.); Gutachten über die juristische Ausbildung (Loschelder), S. 105 ff.; Wassermann, Grundfragen der praktischen Juristenausbildung, in: JZ 1963, S. 121 (122). Diskutiert wurde hingegen die Abschaffung der großen Prüfung, vgl. die Beispiele bei Ranniger, Zu den angeblichen Mängeln der großen juristischen Staatsprüfung, in: DRiZ 1960, S. 5. 473 Anstatt vieler nur Mühl, Erfahrungen aus der großen juristischen Staatsprüfung, in: DRiZ 1961, S. 244 (247). 474 Hirschmann, 29. Konferenz der Justizminister, in: DRiZ 1961, S. 388 (390). 475 Vgl. DRiZ 1962, S. 396. 476 Grabendorff, Die Problematik der Ausbildung für den höheren Verwaltungsdienst, in: DVBl. 1952, S. 135 f.; Neeße, Die Ausbildung für den höheren Verwaltungsdienst, S. 20.
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Mit Verweis auf die Einheit der Rechtsordnung wurden sie auch im LoschelderGutachten als unvertretbar verworfen.477 An erster Stelle erschien die Dauer des rechtswissenschaftlichen Studiums reformbedürftig. Die noch im Gerichtsverfassungsgesetz festgelegte Mindestdauer von sechs Semestern weckte bereits Zweifel im Bundesjustizministerium, das anmerkte, eine längere tatsächliche Dauer des Studiums sei gewünscht, um auch philosophische, ökonomische, geschichtliche und sozialwissenschaftliche Kenntnisse vermitteln zu können.478 In den Ländern schloss man sich dem an, verallgemeinerte jedoch, dass ein längeres Studium für jede wissenschaftliche Vertiefung notwendig sei.479 Anderweitig wurde vorgebracht, auch der Reifeprozess erforderte ein längeres Studium.480 Angemerkt wurde zudem, dass eine Verlängerung der Studiendauer solche Studenten abschrecken würde, die das Jurastudium wegen seiner vergleichsweisen Kürze wählten, daran im Übrigen aber kein Interesse hatten.481 Bis zur Jahrzehntwende hatte sich die Anschauung durchgesetzt, dass eine Verlängerung des Studiums unverzichtbar sei, um überhaupt die Möglichkeit bieten zu können, den Stoff in angemessener Tiefe erarbeiten zu können.482 Einzelne Stimmen verbanden dort bereits ihre Forderung nach einer Verlängerung des Studiums mit dem Wunsch nach einer Verkürzung des Vorbereitungsdienstes.483 Schließlich sprachen sich der Deutsche Richterbund für die Verlängerung auf sieben Semester Mindeststudium,484 der Arbeitskreis für Fragen der Juristenausbildung und wiederholt auch die Fakultätenkonferenz sowie der Tübinger Fakultätentag für eine Erhöhung der Studiendauer auf acht Semester aus.485 Für eine Höchstdauer zur Erhöhung der Leistungsstandards setzte sich nur das von der Innenministerkonferenz in Auftrag gegebene Gutachten über die Bedürfnisse der Verwaltung bei der Reform der juristischen Ausbildung ein.486 477
Gutachten über die juristische Ausbildung (Loschelder), S. 86. Geiger, Zur Vereinheitlichung des Gerichtsverfassungsrechts, in: SJZ 1950, Sp. 708. 479 Hornig, Angleichung der landesrechtlichen Vorschriften, in: JZ 1951, S. 14 (15). 480 Bader, Zur Studien- und Ausbildungsreform, in: JZ 1961, S. 735 (738). 481 Flehinghaus, Probleme des juristischen Nachwuchses, in: DRiZ 1959, S. 105 (106). 482 Flehinghaus, Probleme des juristischen Nachwuchses, in: DRiZ 1959, S. 105 (106). 483 Kunkel, Grundsätzliche Überlegungen zur Problematik der Juristenausbildung, in: JZ 1956, S. 637 (641); Bader, Zur Studien- und Ausbildungsreform, in: JZ 1961, S. 735 (738). 484 Schreiben des Deutschen Richterbundes an alle Justizminsiter und Justizsenatoren des Bundes und der Länder, zitiert nach: Reform der juristischen Ausbildung, in: DRiZ 1965, S. 125. 485 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 296; Entschließung der Fakultätenkonferenz zur juristischen Studienreform, abgedruckt in: JZ 1957, S. 116; Bader, Zur Studien- und Ausbildungsreform, in: JZ 1961, S. 735 (736). 486 Gutachten über die juristische Ausbildung (Loschelder), S. 82 f. 478
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Der Studienaufbau bis zum Jahre 1965 war geprägt von einem wachsenden Nebeneinander von Vorlesungen und Übungen, Kolloquien und Seminaren sowie Arbeitsgemeinschaften und Praktika, nachdem von fast allen Seiten ein direkterer Einbezug der Studenten gefordert worden war.487 Welchen Stellwert die einzelnen Ausbildungsformen haben und wie sie ausgestaltet sein sollten, war freilich nicht unumstritten. Zumindest enge Pläne für das Studium waren als Widerspruch zur akademischen Freiheit488 und als Hindernis für die Entwicklung einer Eigenständigkeit489 des späteren Juristen ausgeschlossen worden. Mit dieser Erwägung wurde auch von einem möglichem Vorlesungszwang zur Straffung des Studiums Abstand genommen.490 An späterer Stelle wird allerdings separat auf die Vorschläge zur Neustrukturierung der Studieninhalte einzugehen sein.491 An dieser Stelle vorwegzunehmen ist jedoch, dass eine deutlichere Schwerpunktsetzung bereits für das Studium gefordert wurde, um in der anschließenden Prüfung dem Charakter einer Wissensprüfung entgegenzuwirken.492 Einer erforderlichen Vertiefung sollten Seminare und Kolloquien mit wissenschaftlichem und methodischem Schwerpunkt dienen.493 Große Hoffnungen in die Kolloquien legte Gerhart Husserl, der sie als Chance sah, die deutsche Juristenausbildung von seinen positiven Erfahrungen mit den US-amerikanischen law schools profitieren zu lassen.494 Einer weitgehenden Übernahme des amerikanischen Modells, dem Ersatz von Vorlesungen durch Kolloquien, wurde aber umgehend, insbesondere von den Studierenden aus Sorge um das wissenschaftliche Niveau, widersprochen.495 Bald galt allgemeinhin, dass das Modell der law school nicht auf die deutsche
487 So insbesondere im Rahmen des „Hattenheimer Plans“ von 1957, vgl. die Entschließung der Fakultätenkonferenz zur juristischen Studienreform v. 9.1.1957, abgedruckt in: NJW 1957, S. 214 f.; ebenfalls in: JZ 1957, S. 116 f. Erhebliche Kritik an dieser Entwicklung äußerte Wengler, der als „Idealbild des juristischen Studenten [den] für sich allein im juristischen Buch Lesenden“ vor Augen hatte, vgl. ders., Juristische Studienreform, in: NJW 1957, S. 201 (203 f.). 488 Kunkel, Grundsätzliche Überlegungen zur Problematik der Juristenausbildung, in: JZ 1956, S. 637 (642). Im Grundsatz so auch das Gutachten über die juristische Ausbildung (Loschelder), S. 76 f. 489 Duden, Bemerkungen über die heutige deutsche Juristenausbildung, in: JZ 1956, S. 644 (648). 490 Husserl, Reform des deutschen Rechtsstudiums, in: JZ 1953, S. 453 (456). 491 Näher unter ee) (3). 492 Noll, Zur Reform des juristischen Studiums, in: JZ 1965, S. 567 f. 493 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 293; Bader, Zur Studien- und Ausbildungsreform, in: JZ 1961, S. 735 (736). 494 Husserl, Reform des deutschen Rechtsstudiums, in: JZ 1953, S. 453 (455 ff.); Schmidt-Räntsch, Die Vorbereitung des Richters, in: DRiZ 1958, S. 274 (275). Kritisch Bader, Zur Studien- und Ausbildungsreform, in: JZ 1961, S. 735. 495 Brintzinger, Die juristischen Fachschaften zur Studien- und Prüfungsreform, in: JZ 1953, S. 270 (271).
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Juristenausbildung übertragbar sei,496 sodass sich auch im Arbeitskreis keine Anlehnung hieran durchsetzen konnte.497 Ein ständiger Begleiter der Debatte über die Reform der juristischen Ausbildung war die Zwischenprüfung. Obwohl man davon ausging, dass eine fachliche Begrenzung für die Bemühungen der Studierenden abträglich wäre, wurde die Zwischenprüfung teils als probates Mittel zur Auslese anerkannt.498 Die Einwände waren zahlreich. Entweder wurde der Zwischenprüfung die Eignung zur erfolgreichen Auslese von vornherein abgesprochen499 oder aber darauf verwiesen, dass die Prüfung sich selbst bei einem grundsätzlichen Erfolg der Auslese nachteilig auf den Studienfluss begabter und geeigneter Studenten auswirkte.500 Leichten Aufwind erhielten die Fürsprecher der Zwischenprüfung zu Beginn der sechziger Jahre. Die Denkschrift des Arbeitskreises für Juristenausbildung empfahl zwar keine „Zwischenprüfung“, aber doch eine Vorprüfung, ein Zwischenexamen, das in Form einer schriftlichen und einer mündlichen Prüfung am Ende des viersemestrigen Grundstudiums stehen sollte.501 Vermehrt wurden nun auch Vorteile diskutiert.502 Zustimmung erhielt die Einführung einer Zwischenprüfung gerade seitens der Referendare in einer Denkschrift des Bundesreferendarverbandes.503 Im Übrigen traf der in der Denkschrift des Arbeitskreises erneuerte Vorschlag einer Zwischenprüfung dennoch auf erneute, vehemente Ablehnung,504 insbesondere seitens der Fakultäten mit nur einer Ausnahme.505 Diejenigen, die ein Bedürfnis nach einer verstärkten Auslese befürworteten, verorteten sie von Anfang in den Übungen,506 später in Pflichtarbeitsgemeinschaften. Vorläufer besagter Pflichtarbeitsgemeinschaften waren freiwillige Arbeitsgemeinschaften. Diese Arbeitsgemeinschaften sollten die Ausbildung in kleineren 496
Schmidt-Räntsch, Die Vorbereitung des Richters, in: DRiZ 1958, S. 274 (277). Das gilt einerseits für die Zweiphasigkeit (vgl. Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 247), andererseits für den gesamten Aufbau des Studiums (a. a. O., S. 265). 498 Vgl. Kern, Die Zwischenprüfung, in: DRZ 1946, S. 156. 499 Kern, Die Zwischenprüfung, in: DRZ 1946, S. 156. 500 Ridder, Bemerkungen zur Reform des juristischen Studiums, in: JZ 1956, S. 525 (526 f.); Sirp, Die Ausbildung der Richter, in: DRiZ 1960, S. 204 (205). 501 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 278. Inhaltlich bestand hierein kein Unterschied. Vgl. Lorenz, Göttinger Diskussion über die Reform der Juristenausbildung, in: JuS 1961, S. 172 (172). 502 Brintzinger, Tagung des Fachverbandes Rechtswissenschaften, in: JZ 1961, S. 213 (214). 503 Vgl. den Bericht zur Denkschrift des Bundesreferendarverbandes, in: DRiZ 1963, S. 204. 504 Gutachten über die juristische Ausbildung (Loschelder), S. 83. 505 Ohne Hinweis auf die Fakultät, Bader, Zur Studien- und Ausbildungsreform, in: JZ 1961, S. 735 (737). 506 von Weber, Zur Frage der Zwischenprüfung, in: DRZ 1947, S. 216. 497
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Gruppen und dadurch im engen persönlichen Kontakt mit der Leitung der Arbeitsgemeinschaft ermöglichen.507 Obwohl auf der Hinterzartener Tagung noch der Wunsch geäußert wurde, die Arbeitsgemeinschaften sollten unter der Leitung von Volljuristen abgehalten werden,508 wurde die Aufgabe letztlich – bereits aus Ressourcengründen – Tutoren, wissenschaftlichen Assistenten und Referendaren übertragen.509 Die spätere Einführung einer Teilnahmepflicht, der sich auch die Empfehlungen der Justizminister- und -senatorenkonferenz anschloss,510 verfolgte zwei Ziele. Das didaktische Ziel war die propädeutische Einführung in die juristische Arbeitstechnik,511 die in Vorlesungen nur begrenzt gelehrt werden konnte. Zudem kam ihr aber auch eine Warnfunktion zu, die der Tübinger Fakultätentag betonte: Anstelle einer Zwischenprüfung sollten die Pflichtarbeitsgemeinschaften wenigstens die offenbar ungeeigneten Studenten von einer Fortsetzung des Studiums abbringen.512 Ebenso umkämpft wie die Zwischenprüfung war die praktische Ausgestaltung im Rahmen der universitären Ausbildung. Die Einführung eines fünfmonatigen, praktischen Studiensemesters im Anschluss an das viersemestrige Grundstudium war eine der zentralen Forderungen des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung.513 Der Einblick in die Praxis sollte der universitären Ausbildung einen weniger einseitigen Anstrich verleihen, die Wissenschaft mit der Rechtswirklichkeit verbinden.514 Die Einwände waren auch hier ganz erheblich: In der Aufteilung des Studiums wurde die Gefahr einer Aufsplitterung erblickt.515 Befürchtet wurde, das praktische Semester füge sich nicht in die universitäre Ausbildung ein, führe gar zu einer Desillusionierung der Studierenden.516 Der halbjährige Anschauungsunterricht mit gleichzeitiger Studienunterbrechung wurde schließlich auch durch den Fakultätentag verworfen. Ebenfalls mit dem Ziel, die 507 Entschließung der Fakultätenkonferenz zur juristischen Studienreform, abgedruckt in: JZ 1957, S. 116 f. 508 Empfehlungen der Hinterzartener Arbeitstagungen, abgedruckt in: Neuhaus, Dokumente, S. 400 (417). 509 Gitter, Erfahrungsbericht über die Arbeitsgemeinschaften an der Universität Tübingen in: JZ 1965 S. 131; Hanau, Zur Realisierbarkeit, in: JZ 1965, S. 246. 510 Empfehlungen der Konferenz der Justizminister und -senatoren zur Reform der juristischen Ausbildung, abgedruckt in: JZ 1965, S. 275. 511 Gitter, Erfahrungsbericht über die Arbeitsgemeinschaften an der Universität Tübingen, in: JZ 1965, S. 131 (131). So auch in der Begründung der Empfehlungen der 32. Justizministerkonferenz, abgedruckt in: DRiZ 1965, S. 199 (200); ebenso das Gutachten über die juristische Ausbildung (Loschelder), S. 88. 512 Bader, Zur Studien- und Ausbildungsreform, in: JZ 1961, S. 735 (736). 513 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 297 ff. 514 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 256. 515 Brintzinger, Tagung des Fachverbands Rechtswissenschaften, in: JZ 1961, S. 487 (488). 516 Baur, Die Ausbildung der deutschen Juristen, in: JZ 1961, S. 1 (2).
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„Rechtswirklichkeit sichtbar [zu] machen“, wurde eine einmalige Ferienpraxis und der Besuch „geeigneter Verhandlungen der verschiedenen Gerichte [. . .], von Straf- und Erziehungsanstalten [und] Einblicke in das Arbeiten der Verwaltung und der parlamentarischen Körperschaften“ unter Führung eines Ausbildungsleiters vorgeschlagen.517 Die Auseinandersetzung zwischen staatlichen Ausbildungsstellen und dem Repetitorwesen setzte sich in der Bundesrepublik fort. Die Universitäten mussten zugeben, dass ihre Existenz ein Indikator für die gefühlten oder tatsächlichen Unzulänglichkeiten der Universität war und wenigstens gegen den „befähigten Repetitor [. . .] nichts einzuwenden“ wäre.518 Kurzzeitig wurde auch diskutiert, die universitäre Ausbildung an die Methode des Repetitors anzulehnen. Die Idee wurde gleichwohl sofort, auch vom progressiven Husserl, mit Zweifeln an der Wissenschaftlichkeit dieser „Repetitormethoden“ verworfen.519 Den Repetitorien wurde im Großen und Ganzen weiterhin vorgeworfen, „bloße [. . .] Rechtstechniker“, bar einer selbstständigen Urteilsfähigkeit hervorzubringen.520 So beschränkte sich die Reaktion auf eine zurückhaltende Bekämpfung der Flucht zum Repetitor. Das Mittel der Wahl: die Ausweitung von Übungen.521 Die Dritte der großen organisatorischen Fragen des Studiums betraf die Ausgestaltung der ersten Prüfung: Nicht im Hinblick auf die Art und Zahl der Prüfungsleistungen, sondern auf ihre rechtliche Umsetzung entweder als universitäre Abschlussprüfung oder als Eingangsprüfung für den Justizdienst. Die Hochschulen drängten darauf, die erste juristische Prüfung als Abschlussprüfung umzusetzen,522 um den Einfluss der Hochschullehrer auf die Prüfung zu stärken.523 Dabei ging es nicht nur um eine Frage der Machtverteilung zwischen Fakultäten und Justizverwaltung. Die Befürworter der universitären Abschlussprüfung führten an, die Justiz richtete die Prüfung nach ihren praktischen Erwartungen aus – und damit vorbei am Wissen, das an der Universität vermittelt wurde.524 Das Bewusstsein, am Ende des Studiums läge die Prüfung bei den Praktikern, würde am Ende auch die Studierenden zu einer übermäßig praktischen Ausrichtung des
517
Bader, Zur Studien- und Ausbildungsreform, in: JZ 1961, S. 735 (737). Empfehlungen der Hinterzartener Arbeitstagung, abgedruckt in: Neuhaus, Dokumente, S. 400 (416). 519 Husserl, Reform des deutschen Rechtsstudiums, in: JZ 1953, S. 453 (454). 520 Erdsiek, Zum Stand der juristischen Ausbildungsreform, in: NJW 1964, S. 697. 521 Meiss, Die Universitäts-Übungen und der Repetitor, in: JZ 1953, S. 218 f. 522 Wolff, Juristische Theorie und Praxis, in: JZ 1951, S. 585 (587). 523 Peters, Die Notlage der Ausbildung für den höheren Verwaltungsdienst, in: DöV 1951, S. 369 (371); Wolff, Juristische Theorie und Praxis, in: JZ 1951, S. 585 (587). In der Sache zust. Baur, Einige Bemerkungen zu Ausbildungsfragen, in: JZ 1952, S. 301 (302). 524 Brintzinger, Husserls Reformpläne im Kreuzfeuer der Kritik, in: JZ 1953, S. 546. 518
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Studiums bewegen.525 Letztlich könnte nur die Abschluss-, nicht aber die Eingangsprüfung wahrlich eine wissenschaftliche Verständnisprüfung sein.526 Die Länder beharrten in der Regel auf ihrer Position und verwiesen einerseits auf die hohe Relevanz der Prüfung für den Justizdienst, andererseits auf die doch auch bei der Eingangsprüfung sehr erfolgreiche Kooperation zwischen Praktikern und Professoren.527 Auch dem Einwand, gerade das öffentliche Recht könne nur angemessen geprüft werden, wenn die Prüfung in die Hände der Universitäten gelegt würde, wurde aus dem Landesjustizprüfungsamt Mainz mit Verweis auf die hinreichende Beteiligung der Lehrer des öffentlichen Rechts begegnet.528 In Bayern wurde von vornherein darauf verwiesen, dass eine hybride Form der ersten Prüfung diese Probleme umginge.529 Teils wurde eine praktische Auswirkung der Zuständigkeit in der Prüfungshoheit auch für vernachlässigbar, der Streit für akademisch gehalten.530 Zuletzt setzte sich der Arbeitskreis für Fragen der Juristenausbildung erfolgslos für eine einheitliche Universitätsabschlussprüfung an Stelle der ersten Prüfung in Form einer Eingangsprüfung ein.531 Nur wenige Anmerkungen gab es zum konkreten Ablauf der Prüfung, obwohl die Uneinheitlichkeit der Prüfungsaufgaben neben der Benotung als wesentlicher Unterschied in den Länderregelungen hervorgehoben wurde.532 Bemerkenswert ist die Auffassung des langjährigen Bundesverwaltungsgerichtspräsidenten Fritz Werner: Er kritisierte die geringe pädagogische Umsetzung der Prüfungen, die ihm darüber hinaus nicht hinreichend politisch und zu wenig Charakterprüfungen waren. Eine solche Ausrichtung böte nicht genügend Schutz vor unfähigen Personen in öffentlichen Ämtern.533 Im Übrigen ging es eher um einen wissenschaftlichen, als um einen politischen Anspruch der Prüfungen: Zumindest erwähnt wurden die Hausarbeiten, die als Möglichkeit wahrgenommen wurden, die individuelle geistige Neigung der Studierenden zu berücksichtigen534 und abschlie525
Schmidt-Brücken, Juristische Diplomprüfung?, in: DVBl. 1951, S. 241 (242). Nipperdey, Die Kölner Rechtsfakultät zur Studienreform, in: JZ 1954, S. 114 (115). 527 Hornig, Angleichung der landesrechtlichen Vorschriften, in: JZ 1951, S. 14 (15); Isele, Die Ausbildungs- und Prüfungsvorschriften in Rheinland-Pfalz, in: JZ 1961, S. 287. 528 Hoepner, Zum Prüfungs- und Ausbildungswesen in Rheinland-Pfalz, in: JZ 1952, S. 27. 529 Rößner, Die Neuordnung der Justiz- und Verwaltungsausbildung in Bayern, in: JZ 1952, S. 299 (300). 530 Baur, Einige Bemerkungen zu Ausbildungsfragen, in: JZ 1952, S. 301 (302). Ähnlich auch im Hinterzartener Beschluss, abgedruckt in: JZ 1952, S. 715 (717). 531 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 278, 325 f. 532 Sirp, Die Ausbildung der Richter, in: DRiZ 1960, S. 204. 533 So BVerwG-Präsident Werner, Betrachtung über die juristischen Staatsprüfungen, in: JZ 1960, S. 479 ff. 534 Hoepner, Zum Prüfungs- und Ausbildungswesen in Rheinland-Pfalz, in: JZ 1952, S. 27 (28). 526
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ßend noch einmal zu ,sieben‘.535 Gleichzeitig trugen sie dazu bei, den wissenschaftlichen Anspruch der Prüfung zu sichern.536 Ebenfalls der wissenschaftlichen Vertiefung sollte der Vorschlag Husserls, ein freiwilliges Nachstudium als dritten Studienabschnitt einzuführen, dienen.537 Diese Überlegung, die dem hessischen „Spätsemester“ ähnelte, wurde allerdings alsbald verworfen. (2) Vorbereitungsdienst und große Prüfung Eine seinem Anteil an den tatsächlichen Reformen entsprechende hohe Aufmerksamkeit erhielt der Vorbereitungsdienst, der nach wie vor die rechtswissenschaftliche Vorbildung in die Rechts- und Lebenswirklichkeit tragen sollte.538 Die bundeseinheitliche Gestaltung eines effektiven Vorbereitungsdienstes erwies sich als ausgesprochen schwierig. Dies zeigte sich schon an der dringenden Frage der Vereinheitlichung der Juristenausbildung für den Justizdienst und für den höheren Verwaltungsdienst im Referendariat. Der Nutzen einer gemeinsamen Ausbildung wurde vor allem für die Verwaltungsjuristen häufig betont: Sie trage, etwa durch die erfahrene Verantwortung in zivilrechtlicher Prozessführung,539 eine rechtsstaatliche Einstellung in die Verwaltung.540 Sie galt als Ausdruck der Einheit der Rechtsidee541 und damit der Rechtsordnung. Vor allem in den frühen Jahren der Vereinheitlichung kam Kritik auf: So hieß es, eine effektive praktische Ausbildung in der Verwaltung sei von vornherein nicht möglich542 und die Referendare klagten über die Dauer und die Anzahl der Stationen in der Verwaltung, die zu einer Oberflächlichkeit der Verwaltungsausbildung führte.543 Ein gänzlich anderes Problem warf der Sonderweg auf, den Nordrhein-Westfalen beschritten hatte: die Möglichkeit, im Vorbereitungsdienst zwischen einer Minimalausbildung und einer Schwerpunktausbildung in der Verwaltung zu wählen. Als Grund für diese Differenzierung wurden einerseits eine rechtstechnische Schwierigkeit bei der Vereinheitlichung des Referendariats, andererseits der Wunsch nach ein535
Hinterzartener Beschluss, abgedruckt in: JZ 1952, S. 715 (717). Schultz, Die häusliche Arbeit in der ersten juristischen Prüfung I, in: MDR 1952, S. 728 (729). Wohl am wissenschaftlichen Niveau zweifelnd Wengler, Juristische Studienreform, in: NJW 1957, S. 201 (204). 537 Husserl, Reform des deutschen Rechtsstudiums, in: JZ 1953, S. 453 (455). 538 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 8, 249 f. Zustimmend Wassermann, Grundfragen der praktischen Juristenausbildung, in: JZ 1963, S. 121 (125). 539 So jedenfalls Ruscheweyh, Zur Reform der juristischen Ausbildung in NordrheinWestfalen, in: JZ 1957, S. 50 (52). Warum ausgerechnet an den Zivilprozess angeknüpft wird, bleibt allerdings unklar. 540 Hornig, Angleichung der landesrechtlichen Vorschriften, in: JZ 1951, S. 14 (15). 541 Erdsiek, Zum Stand der juristischen Ausbildungsreform, in: NJW 1964, S. 697. 542 Wolff, Juristische Theorie und Praxis, in: JZ 1951, S. 585 (588). 543 Vulpius, Zur Reform der Verwaltungsausbildung für Referendare, in: JZ 1955, S. 733. 536
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gehend geschulten Beamten vermutet.544 Die Regelung wurde als faktische Trennung des Vorbereitungsdienstes für Verwaltungs- und Justizjuristen durch die Hintertür wahrgenommen – und somit als Gefahr der Zersplitterung der Juristenausbildung.545 Aber auch aus praktischer Sicht wurde die Sonderausbildung in der Verwaltung kritisiert. In Nordrhein-Westfalen sank bald nach ihrer Einführung die Zahl der Interessenten erheblich, wohl auch, weil die Referendare, die diesen Weg beschritten, keine sichere Aussicht auf Übernahme in den Verwaltungsdienst hatten.546 Der Tübinger Fakultätentag ließ diesen Sonderweg in seinem Reformprogramm des Jahres 1961 daher unberücksichtigt.547 Auf den Justizministerkonferenzen wurde er zwar ab Herbst 1961 besprochen,548 in den Empfehlungen der Konferenz 1965 allerdings ebenso wenig berücksichtigt. Der Grund hierfür war wohl nicht zuletzt seine immer weiter zurückgehende Beliebtheit bei den Referendaren.549 Stattdessen wurden die Ausbildungsbereiche Justiz und Verwaltung in ein allgemeines 2:1 Verhältnis gesetzt.550 Am Ende der Ausbildung sollte der Universaljurist stehen – in der Lage, auch später sozial mobil zwischen den juristischen Berufen zu wechseln.551 Prägnant hieß es in der Begründung der Empfehlungen der 32. Justizministerkonferenz im Februar 1965: „Es ist kein noch so spezialisierter Berufszweig des Juristen denkbar, der nicht den Gesamtblick über die Grundfragen des Rechts erfordern würde.“ 552 Erhebliches Streitpotenzial bot auch die Dauer des Vorbereitungsdienstes. Eine dreieinhalb- bis vierjährige praktische Ausbildung erschien vielen zu lang. Dennoch fand sie Fürsprecher: Diese machten geltend, dass eine längere praktische Ausbildung den Reifeprozess in allen Bereichen der praktischen Berufsausübung fördern würde553 und dass mit einer Verkürzung der Dienstzeit auch die Nähe zum Examen den Druck erhöhen würde.554 Ebenso wurde bemängelt, eine Ver544
Gutachten über die juristische Ausbildung (Loschelder), S. 123. Ruscheweyh, Zur Reform der juristischen Ausbildung in Nordrhein-Westfalen, in: JZ 1957, S. 50. Ähnlich Schmidt-Räntsch, Die Vorbereitung des Richters, in: DRiZ 1958, S. 274 (275). 546 Loschelder, Ausbildung und Fortbildung der Beamten, S. 25. 547 Bader, Zur Studien- und Ausbildungsreform, in: JZ 1961, S. 735 (737). 548 Hirschmann, 29. Konferenz der Justizminister, in: DRiZ 1961, S. 388 (390). 549 Und der entsprechenden Ablehnung dieser „unechten Einheitsausbildung“ des Verwaltungsbeamten im Gutachten über die juristische Ausbildung (Loschelder), S. 124. 550 Vgl. Determann, Zwischenbilanz der Ausbildungsreform, in: JZ 1965, S. 276 (277). 551 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 242 f., zustimmend die Justizministerien, vgl. DRiZ 1965, S. 199. Ebenso Wassermann, Grundfragen der praktischen Juristenausbildung, in: JR 1963, S. 121 (123); Vulpius, Zur Reform der Verwaltungsausbildung für Referendare, in: JZ 1955, S. 733. 552 Abgedruckt in: DRiZ 1965, S. 199. 553 Wassermann, Weniger Ausbildung – mehr Fortbildung, in: JZ 1963, S. 473 (474). 554 Wassermann, Grundfragen der praktischen Juristenausbildung, in: JZ 1963, S. 121 (126). 545
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kürzung bereite bei gleichzeitiger Beibehaltung des 2:1 Verhältnisses zwischen Justiz und Verwaltung nicht hinreichend auf das Richteramt vor.555 Eher nachrangig erscheint eine Erwägung, nach der ein hinreichend langer Vorbereitungsdienst für „Doktoranden-Referendare“ angesichts mangelnder staatlicher Zuschüsse die wesentliche Einkommensquelle darstellte.556 In den sechziger Jahren setzte sich die Mehrzahl der Stimmen für eine Verkürzung ein. Zunächst forderte der Arbeitskreis für Fragen der Juristenausbildung eine Straffung und Verkürzung des Vorbereitungsdienstes auf zweieinhalb Jahre.557 In seinem Beschluss hatte der Tübinger Fakultätentag 1961 die Verkürzung des Vorbereitungsdienstes auf zwei bis zweieinhalb Jahre gefordert, war aber ersichtlich von einer Kürzung auf zweieinhalb Jahre ausgegangen.558 In der Folgezeit fand die Verkürzung weitere Zustimmung.559 Besondere prominente Unterstützung erfuhr das Anliegen in der Person des Abgeordneten Dichgans auch aus dem Bundestag.560 Besonders eindringlich hatte dieser von einer Überalterung der Akademiker und vor Problem für die Familiengründung gewarnt.561 Der Sorge schloss sich die Justizministerkonferenz an, die vorrechnete, selbst im theoretisch günstigsten Fall könnte die zweite Prüfung erst im Alter von 29 Jahren abgelegt werden und daraufhin an der einzigen ihr denkbar erscheinenden Stelle Kürzungen vornahm: an der Länge des Vorbereitungsdienstes.562 Die Verkürzung des Vorbereitungsdienstes erforderte auch eine Antwort auf die Frage nach Art und Anzahl der konkreten Stationen. Von nahezu allen Seiten wurden eine Konzentration, Straffung und Intensivierung des Vorbereitungsdiens-
555 Mannzen, Staatssekretär im Nds. Justizministerium, zitiert nach: Reform der juristischen Ausbildung, in: DRiZ 1965, S. 125 (127). 556 Stötter, Ist eine Verkürzung des Vorbereitungsdienstes empfehlenswert? in: JZ 1962, S. 160 (161). 557 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 3308 f. 558 Es wurde von vornherein nur ein auf zweieinhalb Jahre ausgerichteter Stationenplan präsentiert, vgl. Bader, Zur Studien- und Ausbildungsreform, in: JZ 1961, S. 735 (737). 559 Neben anderen etwa der Bundesreferendarverband, vgl. Wassermann, Grundfragen der praktischen Juristenausbildung, in: JZ 1963, 121 (126). Mit Bedenken sogar gegen eine Kürzung auf zweieinhalb Jahre, gleichzeitg aber einer Festlegung von drei Jahren als absolute Höchstgrenze, s. Bader, Zur Studien- und Ausbildungsreform, in: JZ 1961, S. 735 (738). 560 Determann, Zwischenbilanz der Ausbildungsreform, in: JZ 1965, S. 276 (277). 561 Dichgans, Die Dauer der Ausbildung für akademische Berufe, S. 8, 18. Ebenso NRW-Justizminister Sträter in einem Vortrag am 10.2.1965, zitiert nach: Reform der juristischen Ausbildung, in: DRiZ 1965, S. 125 (128). Mit Zweifeln Erdsiek, Zum Stand der juristischen Ausbildungsreform, in: NJW 1964, S. 697 (700). 562 Begründung der Empfehlungen der 32. Justizministerkonferenz, abgedruckt in: DRiZ 1965, S. 199 (201).
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tes563 und eine Abwendung seiner Zersplitterung in kleine Abschnitte gefordert.564 Die Stationen sollten gleichzeitig lang genug sein, um neben dem Angebot eines repräsentativen Einblickes auch das Interesse an den unterschiedlichen juristischen Berufen zu wecken.565 Neben dem allgemeinen Ruf nach Kürzungen wurde an mehreren Stellen das Bedürfnis nach einer Verschiebung des Ausbildungsschwerpunktes ausgedrückt. Der Vorschlag, die Ausbildung der angestellten Wirtschaftsjuristen im Sinne einer Spezialisierung bei gleichzeitiger Ressourcenersparnis zu trennen,566 wurde als abträglich für den Gesamteindruck eines geordneten Rechtslebens und als Fehleinschätzung der Bedeutung des Wirtschaftsjuristen für Recht und Rechtspflege abgelehnt.567 Singulär blieb die Erwägung des badischen Prüfungsamtes, auch eine Besichtigung in der Industrie könnte das Verständnis der sozialen Lage im Land fördern.568 Sie wurde nicht weiterverfolgt. Ohne Auswirkungen blieb auch der Gedanke, dass die Ausbildung beim Notar einen Abstand vom gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen „Hoheitsdenken“ und den „Umgang mit Menschen“ förderte.569 Seit der Gründung der Bundesrepublik wurde dafür die Bedeutung der Arbeitsgerichtsbarkeit, besser gesagt, ihre Geringschätzung in der Ausbildung kritisiert. Arbeitsrichter, Sozialrichter und der Deutsche Gewerkschaftsbund waren in der Frage vereint, dass die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit aufgrund der Relevanz ihres Rechtsgebiets für die Rechtsgemeinschaft weiter einbezogen werden müsste.570 Besonders das Land Bayern rühmte sich seiner Arbeitsrechtsstation: 563 Brintzinger, Jahrestagung 1957 des Bundesreferendarverbandes, in: JZ 1958, S. 116 (117); Erdsiek, Zum Stand der juristischen Ausbildungsreform, in: NJW 1964, S. 697 (699); Redeker, Bemerkungen zur Referendarausbildung, in: JZ 1955, S. 575; Sirp, Die Ausbildung der Richter, in: DRiZ 1960, S. 204 (206). 564 Gelbert, Änderungen in der Justiz- und Verwaltungsausbildung in Bayern, in: JZ 1958, S. 82 (83). 565 Stötter, Ist eine Verkürzung des Vorbereitungsdienstes empfehlenswert?, in: JZ 1962, S. 160 (161). 566 Rössner, Was ist der Vorbereitungsdienst der Referendare?, in: JZ 1954, S. 25 (29). Für eine Ausweitung dieses Vorschlags auf eine praktische Ausbildung des Wirtschaftsjuristen neben dem juristischen Studium, vgl. Franz, Sonderausbildung für Wirtschaftsjuristen, in: JZ 1955, S. 201 (201). 567 Geppert, Sonderausbildung für Wirtschaftsjuristen, in: JZ 1954, S. 317. Ebenfalls ablehnend: Gutachten über die juristische Ausbildung (Loschelder), S. 133. 568 Bader, Zum badischen Prüfungs- und Ausbildungswesen, in: JZ 1951, S. 217 (218). 569 Bader, Zur Studien- und Ausbildungsreform, in: JZ 1961, S. 735 (739). Der Autor war zu diesem Zeitpunkt bereits aus dem Dienst im Prüfungsamt (vgl. o. und vorherige Fn.) ausgeschieden. 570 Müller, Die Ausbildung der Referendare bei den Arbeitsgerichten, in: DRZ 1949, S. 538. Deutscher Gewerkschaftsbund, Gewerkschaftsbund und Richtergesetz, in: DRiZ 1959, S. 31. Für eine obligatorische Sozialgerichtsstation, vgl. die Eingabe des deutschen Sozialgerichtsverbands im November 1965, abgedruckt in: DRiZ 1965, S. 410 (411).
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Nicht nur würde dort der besonderen sozialpolitischen Bedeutung Genüge getan, auch könnten Referendare ihre allgemeinen Kenntnisse durch die Anwendung der methodischen Besonderheiten des Arbeitsrechts noch vertiefen.571 Anders wurden Verwaltungsgerichte und Amtsgerichte bewertet. Der Einbezug der Verwaltung in die Ausbildung war Konsens, nicht aber der Einbezug der Verwaltungsgerichte.572 Sogar die Notwendigkeit einer Ausbildung am Amtsgericht wurde bezweifelt. Der nordrhein-westfälsche Justizminister führte 1956 an, dessen praktische Bedeutung sei überschätzt573 und auch der Arbeitskreis für Fragen der Juristenausbildung ging davon aus, dass die Rolle der Amtsgerichte durch das Traditionsdenken der älteren Juristen überhöht wurde.574 In den Empfehlung der Justizminister- und -senatorenkonferenz blieben überwiegend die Hauptbereiche der bisherigen Ausbildung erwähnt. Mit dem zweimonatigen Dienst in Stellen mit Arbeits- und Sozialrechtsbezug und der Einrichtung einer Wahlstation575 wurden die wichtigsten Anliegen aufgenommen und eine Möglichkeit der individuellen Wirtschaftsausbildung geboten. Erhebliche Kritik galt sodann dem tatsächlichen Ablauf des Vorbereitungsdienstes und nicht seiner rechtlichen Ausgestaltung. Wiederholt wurde die geringe Betreuung während der Beschäftigung der Referendare gerügt. Befürchtet wurde ein zu geringes Maß an Erziehung zu Eigenverantwortlichkeit und Selbstständigkeit – schwerwiegende Hindernisse für die gewünschte Persönlichkeitsbildung.576 Auch an die Arbeitsgemeinschaften wurden, sogar seitens der Justizministerkonferenz, hohe Erwartungen gestellt. Hier sollte den Referendaren ein eigenständiges Denken vermittelt werden; und damit eine Denkweise, die sich nicht nur auf die höchstrichterliche Rechtsprechung bezog. Gleichzeitig sollte die freie Rede geübt und Achtung für „die Gebote der Toleranz“ entwickelt werden.577 Thematisch wurde zu einer vertieften Beschäftigung mit „rechtsphiloso-
571 Gelbert, Änderungen in der Justiz- und Verwaltungsausbildung in Bayern, in: JZ 1958, S. 82 (83). 572 Hornig, Angleichung der landesrechtlichen Vorschriften, in: JZ 1951, S. 14 (15). 573 Amelunxen, Reform der juristischen Ausbildung in Nordrhein-Westfalen, in: JZ 1956, S. 479. 574 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 310. Allerdings wurde offen gelassen, ob das Amtsgericht tatsächlich unbedeutend war, da das praktische Studiensemester die Referendarausbildung beim Amtsgericht ersetzen sollte (ebd.). 575 Empfehlungen der Konferenz der Justizminister und -senatoren, in: JZ 1965, S. 275 (276). 576 Baur, Eine Reform des „Vorbereitungsdienstes“ tut not!, in: JZ 1953, S. 217 f. Grundsätzlich zust. ein Vorsitzender des badischen JPA, Bader, Zur Reform des Vorbereitungsdienstes, in: JZ 1953, S. 269 (270). Ähnlich Nicken, Vorbereitungsdienst und Große Staatsprüfung, in: JZ 1957, S. 207 (210). 577 Begründung der Empfehlungen der 32. Justizministerkonferenz, abgedruckt in: DRiZ 1965, S. 199 (201).
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phischen, soziologischen, politischen und literarischen Fragen“ aufgefordert,578 ohne dass dies in den Prüfungsordnungen zum Ausdruck gekommen wäre. Ein mit steter Regelmäßigkeit angesprochenes Problem war im Übrigen die Vergütung des Vorbereitungsdienstes,579 die jedoch nicht mit dem Ausbildungszugang für die unterschiedlichen sozialen Schichten in Verbindung gebracht wurde. Wenigstens Befürworter größerer staatlicher Unterstützung gingen davon aus, dass die finanzielle Entlastung den Verlauf der Ausbildung begünstigte und die Entwicklung von Eigenverantwortlichkeit und einer weltoffenen Persönlichkeit förderte.580 Das Land Bayern hatte mit den Ausnahmebestimmungen des § 5 Abs. 4 DRiG 1965 erreicht, dass sein Sonderweg in der Aufteilung von Justiz- und Verwaltungsausbildung im Bundesgesetz legitimiert wurde. In Bayern wurde das nicht nur nicht als Gefahr für die Einheitlichkeit der deutschen Juristenausbildung angesehen; man ging sogar davon aus, dass schwierige und umfangreiche Prüfungen einer Überfüllung entgegenwirken und den guten Ruf der lokalen Ausbildung sichern würden.581 Als Ausdruck der historischen Unterschiede zwischen dem norddeutschen und dem bayerisches Ausbildungssystem wurden diese Differenzen aber hingenommen.582 ee) Studieninhalte: Art, Umfang und Reihenfolge An der Notwendigkeit der Ausbildung in den klassischen juristischen Fächern bestanden nie ernsthafte Zweifel. Sie galt vor allem als für die methodische Ausbildung des Juristen unabdingbar.583 Ein allgemeines Problem stellte aber das stetige Wachstum der Stoffmenge auch in diesen Fächern dar,584 dem alsbald
578 Begründung der Empfehlungen der 32. Justizministerkonferenz, abgedruckt in: DRiZ 1965, S. 199 (201). 579 Etwa Bader, Zum badischen Prüfungs- und Ausbildungswesen, in: JZ 1951, S. 217 (219); Hornig, Angleichung der landesrechtlichen Vorschriften, in: JZ 1951, S. 14 (16); Neidhard, Der Vorbereitungsdienst nach dem neuen Justizausbildungsrecht, in: DRZ 1949, S. 176 (178 f.). 580 Gelbert, Änderung in der Justiz- und Verwaltungsausbildung in Bayern, in: JZ 1958, S. 82 (84). 581 Rößner, Die Neuordnung der Justiz- und Verwaltungsausbildung in Bayern, in: JZ 1952, S. 299 (301). Bekräftigt für die gesamte juristische Ausbildung in Bayern von Gelbert, Änderungen in der Justiz- und Verwaltungsausbildung in Bayern, in: JZ 1958, S. 82 f. 582 Erdsiek, Zum Stand der juristischen Ausbildungsreform, in: NJW 1964, S. 697 (700). 583 Ridder, Bemerkungen zur Reform des juristischen Studiums, in: JZ 1956, S. 525 (527). 584 Kunkel, Grundsätzliche Überlegungen zur Problematik der Juristenausbildung, in: JZ 1956, S. 637 (641); Ridder, Bemerkungen zur Reform des juristischen Studiums, in: JZ 1956, S. 525 (527).
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Stimmen für eine Eingrenzung folgten.585 Die betraf auch den Vorbereitungsdienst zur Erleichterung des Prüfungsdrucks;586 vor allem aber das Studium. (1) Die fachjuristische Ausbildung Trotz eines nahezu allseitig anerkannten Reformbedürfnisses finden sich nur spärlich Vorschläge, die eine Gewichtung der traditionellen Lehrfächer vornahmen, weniger noch solche, die sich für eine Streichung von Fächern aussprachen:587 Für den Kernbereich des Zivilrechts wurde bloß eine stärker rechtsvergleichende Ausrichtung vorgeschlagen.588 Nur in der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde die Wichtigkeit einer Kenntnis des Gerichtsverfassungsrechts für die Rolle der Rechtspflege im Rechtsstaat betont.589 Eine Verringerung der Stoffmenge wurde etwa im Familien- und im Erbrecht vorgeschlagen, ohne dass die konkrete Auswahl begründet wurde.590 Etwas häufiger noch wurde noch das öffentliche Recht thematisiert. Vornehmlich wurde dessen Bedeutung gerade angesichts der Einheitlichkeit der Justizund Verwaltungsausbildung im Vorbereitungsdienst hervorgehoben.591 Im Hinterzartener Beschluss der frühen fünfziger Jahre wurde eine erforderliche Gleichrangigkeit des öffentlichen Rechts gegenüber den anderen Rechtsgebieten mit weitaus pädagogischeren Argumenten untermauert: Sie sei erforderlich, um „den Rechtsgedanken in allen Gebieten in gleicher Weise durchzusetzen“ – nicht bloß in der Justiz.592 Die neue öffentliche Ordnung, die freiheitlich demokratische Rechtsordnung wurde darüber hinaus kaum als Studiengegenstand hervorgehoben. Mit einigem Pathos wurde zwar durchaus betont, dass die Ausbildung berücksichtigen müsste, „dass der Volljurist untrennbar mit dem Gedanken des 585 Entschließung der Fakultätenkonferenz zur juristischen Studienreform v. 9.1. 1957, abgedruckt in: NJW 1957, S. 214 f.; Pringsheim, Zur Verbesserung des Rechtsstudiums, in: JZ 1953, S. 301 (302); Ridder, Bemerkungen zur Reform des juristischen Studiums, in: JZ 1956, S. 525 (527); Werhahn, Die Verwirklichung der Studienreform, in: JZ 1953, S. 693 (694). Noll, Zur Reform des juristischen Studiums, in: JZ 1965, S. 567 (568). Vgl. auch Bleibtreu, Ein demokratischer Justizminister, in: DRiZ 1958, S. 158 (160); Gutachten über die juristische Ausbildung (Loschelder), S. 82. 586 Amelunxen, Reform der juristischen Ausbildung in Nordrhein-Westfalen, in: JZ 1956, S. 479 (481). 587 Bader, Zur Studien- und Ausbildungsreform, in: JZ 1961, S. 735 (737): „Einige Fakultäten regen an, darüber hinaus gewisse, näher zu bezeichnende Fächer [. . .] von der Prüfung endgültig auszunehmen. Nach Ansicht des Fakultätentages ist diese Anregung für die Klausuren und die mündliche Prüfung, nicht aber für die Hausarbeit erwägenswert.“ 588 Ridder, Bemerkungen zur Reform des juristischen Studiums, in: JZ 1956, S. 525 (528). 589 Schmidt, Berufsjurist und staatliche Rechtspflege, in: MDR 1948, S. 374 (379). 590 Pringsheim, Zur Verbesserung des Rechtsstudiums, in: JZ 1953, S. 301 (302). 591 Baur, Weitere Bemerkungen zu Ausbildungsfragen, in: JZ 1952, S. 652. 592 Hinterzartener Beschluss, abgedruckt in: JZ 1952, S. 715 (716).
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Rechtsstaates verbunden ist“;593 diese Verknüpfung fand aber weder große Resonanz und Zustimmung, noch wurden praktische Folgerungen für eine Juristenausbildung im modernen Rechtsstaat gezogen. Ausdrückliche Bezüge zum Grundgesetz und dessen Bedeutung für die konkrete Gestalt des deutschen Rechtsstaates gab es nicht. Das Völkerrecht wurde wie selbstverständlich als Lehrfach beibehalten. Eine Erwägung dahingehend, dass die Studenten darauf aufbauend ein Verständnis für die Stellung Deutschlands in Europa oder für die rechtliche Sicherung des internationalen Friedens entwickeln könnten, fand sich nicht.594 Die allgemeine Staatslehre wurde ebenso kaum diskutiert. Die Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung beschränkte sich auf die Beobachtung, das Fach würde sich besonders eignen, auf dem aus der Schule mitgebrachten Grundverständnis der Studenten aufzubauen.595 Damit erfüllte die Denkschrift nicht alle Erwartungen. Ihr wurde vorgeworfen, die Bedeutung der allgemeinen Staatslehre als Grundlage für ein Verständnis der „obersten Grundwerte der Rechtsordnung“ zu verkennen.596 Auch aus der Verwaltung wurde im Jahr 1965 noch angemahnt, das öffentliche Recht stärker zu berücksichtigen.597 Als Bindeglied zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht wurde auch eine Stärkung des Sozialrechts gefordert. Vornehmlich Sozialrichter machten geltend, dass aus der praktischen Bedeutsamkeit des Sozialversicherungswesens auch eine Prüfungsrelevanz der Grundzüge des Sozialrechts, insbesondere des Sozialversicherungsrechts folgen müsste.598 Auch die sozialen Aspekte des Sozialrechts wurden hervorgehoben: Es sollte die ablaufenden sozialen Umschichtungen sichtbar machen.599 Für die ebenfalls fächerübergreifend relevante Rechtsvergleichung wurde ausschließlich vom Bundesreferendarverband eine Auseinandersetzung mit sowjetzonalem Recht gefordert.600 (2) Der interdisziplinäre und allgemeinbildende Ansatz Weitaus mehr als die traditionellen Studien- und Prüfungsfächer bewegten die interdisziplinären und fachfremden Fächer, nicht zuletzt der Wunsch nach Allgemeinbildung des Juristen die Gemüter. Gerade in den ersten Jahren nach dem 593
Baur, Eine Reform des „Vorbereitungsdienstes“ tut not!, in: JZ 1953, S. 217. Vornehmlich von Studenten wurde für den Bereich der universitären Ausbildung allenfalls ein größerer Austausch gewünscht, vgl. Brintzinger, 23. Tagung des Fachverbandes Rechtswissenschaften im VDS, in: JZ 1963, S. 483 (485). 595 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 281. 596 Baur, Die Ausbildung der deutschen Juristen, in: JZ 1961, S. 1 (3). 597 von der Groeben, Zum Nachwuchsproblem der Verwaltung, in: DVBl. 1965, S. 137 (140). 598 Eingabe des deutschen Sozialgerichtsverbands im November 1965, abgedruckt in: DRiZ 1965, S. 410 f. 599 Schmidt, Das Sozialrecht in der juristischen Ausbildung, in: DRiZ 1960, S. 429. 600 Vgl. DRiZ 1963, S. 204. 594
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Kriegsende wurde den Detailfragen der fachjuristischen Studieninhalte geringe Aufmerksamkeit gewidmet. Die Debatte verlagerte sich ins Grundsätzliche; in die Frage nach dem Gesamtcharakter der juristischen Ausbildung und des Studiums. Schon 1946 wurde das überfachliche Studium, insbesondere ein verstärkter Blick auf die Grundlagenfächer Philosophie, Römisches Recht und Geschichte diskutiert.601 Einige wenige Länder verlangten, eine Grundsatzentscheidung zu treffen. Auf einer der frühen Justizverwaltungstagungen in Wiesbaden schlug das hessische Justizministerium vor, das „Recht als Kulturerscheinung und Friedensordnung“ ins Zentrum des Studiums zu rücken – ein Vorschlag, der zwar nicht die Unterstützung, aber doch die Billigung aller Beteiligten602 erhielt. Von diesem Reformgeist waren vor allem sechs Ausbildungsbereiche betroffen: Die Rechtsphilosophie, die Rechtsgeschichte, die Rechtssoziologie, die Wirtschaftswissenschaften, die Politikwissenschaften und die „Allgemeinbildung“. Die frühe Debatte über eine dem neuen Juristen angemessene Ausgestaltung der Studien- und Prüfungsinhalte betraf zunächst die Rechtsphilosophie, die zuvor maßgeblich in süddeutschen Ausbildungsordnungen verankert war.603 Philosophie und Rechtsphilosophie hatten den Auftrag, dem angehenden Juristen zum Ausbruch aus dem reinen positiven Recht zu verhelfen;604 sie sollten in scharfer Abgrenzung zum Nationalsozialismus die Bedeutung des menschlichen Lebens auch im Recht zum Ausdruck bringen.605 Damit waren die beiden Fächer einer der wenigen Reformgegenstände, die ganz ausdrücklich einer Abgrenzung vom Nationalsozialismus dienen sollten. Vornehmlich in seiner Rolle als Gestalter des Rechts galt es den Befürwortern einer vertieft philosophischen Ausbildung schließlich auch, den Juristen in die Lage zu versetzen, alle Bedeutungsebenen des Rechts zu erfassen.606 Dazu sollten die Zusammenhänge zwischen Recht und Macht, Recht und Sittlichkeit,607 die Komplexität von Leben und Rechtsleben deutlich gemacht werden.608 Am Ende seiner rechtsphilosophischen Ausbildung würde der Jurist dann ein ganzheitliches Denken, frei vom positiven Recht, an 601 Tagung der deutschen Justizverwaltungen in Bad Godesberg, Bericht, in: DRZ 1946, S. 59 (61). 602 M., Die Wiesbadener Tagung, in: DRZ 1947, S. 27 (28). 603 Bader, Die deutschen Juristen, S. 28. 604 Fechner, Über die Notwendigkeit der Rechtsphilosophie, in: DRZ 1947, S. 385 (386); von Weber, Zur Frage der Zwischenprüfung, in: DRZ 1947, S. 216; Weinkauff, Richtertum und Rechtsfindung, S. 33. 605 Fechner, Über die Notwendigkeit der Rechtsphilosophie, in: DRZ 1947, S. 385 (386). Abgeschwächt später Altmann, Allgemeinbildung und Jurisprudenz, in: JZ 1955, S. 535 (537 f.). 606 Fechner, Über die Notwendigkeit der Rechtsphilosophie, in: DRZ 1947, S. 385 (386 f.). 607 Fechner, Über die Notwendigkeit der Rechtsphilosophie, in: DRZ 1947, S. 385 (387). 608 Guggumos, Rechtsphilosophie und Naturrecht, in: JZ 1951, S. 108.
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den Tag legen.609 Diejenigen, die im Naturrecht eine rechtliche Verankerung des christlichen Glaubens sahen, schlugen über die Rechtsphilosophie auch die Brücke in eine sonst an keiner Stelle angelegte theologische Ausbildung des Juristen.610 Die Abkehr vom Rechtspositivismus und die Zuwendung zum Naturrecht entsprachen der frühen Diskussion um den Rechtsbegriff des neuen Staates, der Naturrechtsdebatte. In der Folgezeit wurde der Rechtsphilosophie kein eigenständiger Diskussionsbeitrag gewidmet, sie ging aber auch nicht unter. Ihr wurde von manchen noch pauschaler eine Schlüsselfunktion für die Entwicklung eines richtigen „Rechtsgefühl[s]“ 611 und der Fähigkeit, das Recht zu hinterfragen612 zugesprochen. In eine ähnliche Kerbe schlugen all diejenigen, die sich für einen Fokus auf die Rechtsgeschichte und die Rechtssoziologie613 aussprachen. Auch diese sollte für einen hinreichend kritischen Abstand des Studenten zum positiven Recht sorgen.614 Die Rechtssoziologie wie auch eine allgemeine sozialwissenschaftliche Ausbildung wurden zudem für im Umgang mit der Praxis unabdingbar befunden, vor allem im Strafrecht.615 Sie sollte den Studenten zudem die modernen sozialen Errungenschaften nahebringen.616 Daraus folgte nicht unbedingt, dass gefordert wurde, den beiden Fachgebieten auch ein eigenes Fach zuzuweisen. Stattdessen wurde früh vorgeschlagen, sie in allen Fächern sichtbar zu machen.617 Schon die Studierenden hatten eine sozialwissenschaftliche Vertiefung gewünscht, sie gleichzeitig aber als Gefahr einer weiteren inhaltlichen Überfüllung wahrgenommen.618 So galten die sozialwissenschaftlichen Lehren in der Juristenausbildung weiterhin als oberflächlich.619 Noch im Jahr 1958 wurde eine dem Richter vorgeworfene „Weltfremdheit“ auf sein fehlendes Verständnis für soziologische und wirtschaftliche Zusammenhänge zurückgeführt.620
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Guggumos, Rechtsphilosophie und Naturrecht, in: JZ 1951, S. 108. Guggumos, Rechtsphilosophie und Naturrecht, in: JZ 1951, S. 108 f. 611 Jordan, Ist unsere gegenwärtige Referendarausbildung richtig?, in: JZ 1952, S. 219 (221). 612 Duden, Bemerkungen über die heutige deutsche Juristenausbildung, in: JZ 1956, S. 644 (646). 613 Teils auch direkt der Rechtsphilosophie zugerechnet, vgl. Fechner, Über die Notwendigkeit der Rechtsphilosophie, in: DRZ 1947, S. 385 (388). 614 Schmidt, Berufsjurist und staatliche Rechtspflege, in: MDR 1948, S. 374 (377). 615 Less, Weniger Dogmatik, mehr Erfahrungswissenschaft!, in: JZ 1952, S. 173 (174). 616 Husserl, Reform des deutschen Rechtsstudiums, in: JZ 1953, S. 453 (455). 617 Schmidt, Berufsjurist und staatliche Rechtspflege, in: MDR 1948, S. 374 (378). 618 Stötter, Probleme des Rechtsunterrichts aus studentischer Sicht, in: JZ 1952, S. 476. 619 Kunkel, Grundsätzliche Überlegungen zur Problematik der Juristenausbildung, in: JZ 1956, S. 637 (641). 620 Schmidt-Räntsch, Die Vorbereitung des Richters, in: DRiZ 1958, S. 274 (277). 610
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Auf der Hinterzartener Hochschulkonferenz wurde schließlich die ökonomische Ausbildung des Juristen hervorgehoben: Während in den fakultätsübergreifenden Beschlüssen eine Förderung des universitären studium generale im Mittelpunkt stand,621 legte sich der Ausschuss für Rechtswissenschaften genauer fest. Ohne Umschweife gelangte man zu der Feststellung, „[e]in guter Jurist ist nicht denkbar ohne Einsicht in die wirtschaftlichen Zusammenhänge“. 622 Gleichzeitig kam man dort zu dem Schluss, dass die Volkswirtschaftslehre – trotz gegenteiliger Regelung in einigen Ländern – in Prüfungen kaum umsetzbar wäre, das Lehrpersonal aber den Auftrag zur Vermittlung volkswissenschaftlicher Kenntnisse hätte.623 Die um 1950 an Relevanz zunehmende Frage nach der Bedeutung der politischen Allgemeinbildung und der politikwissenschaftlichen Ausbildung an der Universität624 erreichte bald auch die Rechtswissenschaften und die Prüfungsämter. So drückte das Westberliner Justizprüfungsamt die Bedeutung der politischen Bildung des Juristen etwa damit aus, dass es die politische Bildung schlechthin mit Rechtsstaatlichkeit gleichsetzte.625 In den Empfehlungen der Westdeutschen Rektorenkonferenz für die politische Bildung und Erziehung an den Universitäten und Hochschulen von 1954 wurde zudem ausdrücklich betont, dass eine Einführung der politischen Wissenschaft als Nebenfach des juristischen Studiums das staatsrechtliche Verständnis unterstützen könnte.626 Ähnliches drang aus dem Arbeitskreis für Fragen der Juristenausbildung. Dort hieß es, erst eine hinreichende politische Bildung würde auch die Fähigkeit zur Erklärung von Sinn und Richtigkeit der Rechtsordnung verleihen.627 Eine derart herausgehobene Bedeutung der Politikwissenschaften wurde mit dem Ende der fünfziger Jahre vorerst nicht mehr diskutiert. Aber auch ein Einbezug der Politikwissenschaften in den Begriff der regelmäßig durch die Prüfungsordnungen aufgenommenen „Allgemeinbildung“ hätte wohl geringe Auswirkungen gehabt: die Notwendigkeit einer umfassenden Allgemeinbildung des Juristen erschien zwar allen Beteiligten offensichtlich; sie ließ sich aber nur schwerlich in wissenschaftliche und prüfungsrechtliche Bahnen len-
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Vgl. Empfehlungen der Hinterzartener Arbeitstagungen, in: Neuhaus, Dokumente, S. 400 (406). 622 Hinterzartener Beschluss, abgedruckt in: JZ 1952, S. 715. 623 Hinterzartener Beschluss, abgedruckt in: JZ 1952, S. 715. 624 Vgl. zur Westdeutschen Rektorenkonferenz in Hannover, Neuhaus, Dokumente, S. 40 f. Später gleichlautend aber deutlich gegen Pflichtfächer und Pflichtprüfungen, Westdeutsche Rektorenkonferenz, Göttingen, 6.1.1954, S. 65, in: Neuhaus, Dokumente, S. 65. Näher unter c) aa) (2). 625 Altmann, Allgemeinbildung und Jurisprudenz, in: JZ 1955, S. 535 (537 f.). 626 Abgedruckt in: Neuhaus, Dokumente, S. 65 (66). 627 Duden, Bemerkungen über die heutige deutsche Juristenausbildung, in: JZ 1956, S. 644 (645).
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ken. Einer der größten Befürworter einer Prüfung der Allgemeinbildung war der Präsident des Westberliner Justizprüfungsamtes Altmann. Dieser sah sie als eigentlichen Ausdruck der Verständnis- und Persönlichkeitsprüfung,628 als Mittel gegen den zu weit vorangeschrittenen Spezialisierungsprozess in der juristischen Ausbildung.629 Sehr ähnlicher Ansicht war man in Bayern: Zur „Allgemeinen Aufgabe“ in der Ersten juristischen Prüfung, die Fragen der Volkswirtschaftslehre, Finanzwissenschaften und politischen Wissens enthalten konnte, hieß es, das Ergebnis der Rechtsfindung hänge von einem Verständnis für staatspolitische, kulturelle und wirtschaftliche Zusammenhänge – also von Allgemeinbildung – ab.630 Und das, obwohl sich die Fakultäten entschieden dagegen aussprachen.631 Gerade dort, wo der Begriff der Allgemeinbildung in der Studienordnung nicht weiter eingegrenzt wurde, führte er nämlich zu Unklarheit und damit Rechtsunsicherheit. Charakteristisch ist der Berliner Versuch einer Eingrenzung: Der Präsident des Prüfungsamtes schlug vor, zur Ermittlung des prüfungsrelevanten Wissens zwischen rechtsnahen und rechtsfernen, zeitnahen und zeitfernen Fächern zu unterscheiden.632 Rechtsnah sollten danach zum Beispiel die Geographie und die Wirtschaftsgeographie, nicht aber die Musik, die bildende Kunst und die Naturwissenschaften sein.633 Diese als willkürlich wahrgenommene Differenzierung wurde harsch kritisiert.634 Zumindest in der Wissenschaft herrschte der Konsens, dass sowohl der Begriff635 als auch eine auf ihm aufbauende Prüfung636 der Allgemeinbildung unbrauchbar wären. Der Begriff sei zu schwammig637 und eine wenigstens denkbare Prüfung in Form einer Abfrage von Schulund Allgemeinwissen werde ihm nicht gerecht.638 Mit der Veröffentlichung der Denkschrift des Arbeitskreises um Husserl wurden viele Forderungen der einzelnen Mitglieder des Arbeitskreises wieder relati628
Altmann, Allgemeinbildung und Jurisprudenz, in: JZ 1955, S. 535 (539). Altmann, Allgemeinbildung und Jurisprudenz, in: JZ 1955, S. 535 (536). 630 Gelbert, Änderungen in der Justiz- und Verwaltungsausbildung in Bayern, in: JZ 1958, S. 82 (83). 631 Gelbert, Änderungen in der Justiz- und Verwaltungsausbildung in Bayern, in: JZ 1958, S. 82 (83). 632 Altmann, Allgemeinbildung und Jurisprudenz, in: JZ 1955, S. 535 (538). 633 Altmann, Allgemeinbildung und Jurisprudenz, in: JZ 1955, S. 535 (538). 634 Ostermeyer, Die Allgemeinbildung, in: JZ 1956, S. 155 (156); Zuck, Im Rechtskreis gebildet?, in: JZ 1957, S. 163. 635 Duden, Bemerkungen über die heutige deutsche Juristenausbildung, in: JZ 1956, S. 644 (646). 636 Neidhard, Rechtsstudium und erste Staatsprüfung nach dem neuen Justizausbildungsrecht, in: DRZ 1949, S. 153 (155); Hinterzartener Beschluss, abgedruckt in: JZ 1952, S. 715 (716). 637 Zuletzt Kaufmann, Allgemeinbildung und Rechtsstudium, in: JuS 1961, S. 13 (15). 638 Fechner, Über die Notwendigkeit der Rechtsphilosophie, in: DRZ 1947, S. 385 (386). 629
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viert.639 Im ersten Semester sollten ausdrücklich die Rechtsgeschichte, die allgemeine Staatslehre, vielleicht das Staatsrecht und Grundbegriffe des Rechts sowie die Volkswirtschaftslehre, im zweiten Semester dann die Grundlagen der traditionellen Fächer und weiterhin die Volkswirtschaftslehre gehört werden.640 Übrig blieben vier bis fünf Stunden, in denen „frei gewählte Vorlesungen außerhalb des Fachstudiums“ gehört werden sollten.641 Hierzu gehörten die Philosophie, die Soziologie und die Geschichte, denen in den Reformvorschlägen des Arbeitskreises letztlich nur ein Nebensatz gewidmet wurde.642 Auch in einer späteren Vertiefungsphase sollte die Rechtsphilosophie nur nach Wahl des Studenten relevant werden.643 Damit setzten sich diejenigen des Kreises durch, die schon auf der Heidelberger Tagung 1956 Zweifel an der Eignung einer rechtsphilosophischen Ausbildung für Studienanfänger angemeldet hatte.644 Für die notwendige Pflege der Allgemeinbildung befürwortete die Denkschrift Sollvorschriften für den Besuch weiterführender Veranstaltungen.645 Zu Recht wurde angemerkt, dass das Ergebnis des Arbeitskreises letztlich eine unter den Erwartungen geringe soziale Komponente enthielt.646 Der Tübinger Beschluss ging einen ähnlichen Weg: Ein Bereich der Vertiefungsvorlesungen waren nach seinem Plan „Vorlesungen über Grundfragen des Rechts, die den inneren Zusammenhang und die Einheit der Rechtsordnung erkennen ließen (z. B. Spezialgebiete der Rechtsphilosophie, Geschichte der Rechtswissenschaft, Juristische Methodenlehre, Rechtsvergleichung, Rechtssoziologie, Wissenschaftliche Politik, aber auch etwa die Bedeutung der Grundrechte auf verschiedenen Rechtsgebieten).“ 647 Damit ermöglichte er zwar eine schwerpunktmäßige Beschäftigung mit Grundlagenfächern und eine vertiefte interdisziplinäre Ausbildung; neben diesem Bereich der Vertiefungsvorlesungen stand aber alternativ die rein fachliche Vertiefung in den traditionellen Fächern offen. Somit konnten die interdisziplinären und allgemeinbildenden Fächer auch vollständig ausgespart werden. Noch bevor die Justizministerkonferenz ihre Empfehlungen äußern konnte, musste im Landesrecht eine rückläufige Entwicklung der Anforderungen ver639 Das gilt über inhaltliche Fragen hinaus auch für den Aufbau des Studiums, vgl. folgend unter (3). 640 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 283 f. 641 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 283 f. 642 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 280. 643 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 293. 644 Kunkel, Grundsätzliche Überlegungen zur Problematik der Juristenausbildung, in: JZ 1956, S. 637. 645 Mit Verweis auf § 2 Abs. 5 BayJAO 1957, vgl. Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 287. 646 Vgl. die Anmerkung im Beitrag von Schmidt, Das Sozialrecht in der juristischen Ausbildung, in: DRiZ 1960, S. 429 (431). 647 Bader, Zur Studien- und Ausbildungsreform, in: JZ 1961, S. 735 (736).
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zeichnet werden: Neben dem Gerichtsverfassungsrecht, dem Prozessrecht und dem Römischen Recht wurde etwa in Rheinland-Pfalz die Deutsche Rechtsgeschichte auf Grundzüge reduziert und das Kirchenrecht, die Rechtsphilosophie und auch die Volkswirtschaftslehre als Prüfungsfach gestrichen, um einer stofflichen Überfüllung entgegenzuwirken und so den Charakter der ersten Prüfung als Verständnisprüfung hervorzuheben.648 Die Entscheidung des Landes widersprach den Empfehlungen der Justizministerkonferenz letztlich nicht. Die Betonung der Zusammenhänge, die der Entwurf der SPD-Bundestagsfraktion von 1965 gefordert hatte, waren nicht berücksichtigt worden;649 ebenso wenig das Loschelder-Gutachten, wonach die Kenntnis der wichtigsten Erscheinungen des Staats-, Gesellschafts- und Wirtschaftslebens im Studienplan deutlicher hervorgehoben werden sollte.650 Bis auf das für die Prüfung formelhaft vorausgesetzte „Verständnis des Rechts und der sozialen Welt“ ließ sich die jahrelange Debatte über das richtige Verhältnis der Rechtswissenschaft zur Philosophie, der Geschichte, den Sozialwissenschaften und der Volkswirtschaftslehre nicht wiederfinden. Im Bundestag hatte eine entsprechende Reform noch geringere Erfolgsaussichten: Wohl übereinstimmend mit der Unionsfraktion wandte der Abgeordnete Dichgans ein, die allgemeine, menschliche Bildung solle den erwachsenen Studenten selbst überlassen werden.651 Gänzlich beendet war die Debatte um die interdisziplinäre Ausbildung des Juristen damit nicht. Im gleichen Jahr wurde wieder die Forderung nach einer politikwissenschaftlichen Ausbildung und Prüfung für ein Verständnis der politischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit, der „Bedingtheiten, Verpflichtungen und Abhängigkeiten“ erhoben.652 Auch die im hessischen Prüfungsrecht vorgenommene Zusammenfassung der Grundlagenfächer unter dem Begriff geschichtlicher und philosophischer Grundlagen und deren Streichung aus dem Prüfungskanon, wohl – ebenso wie in Rheinland-Pfalz – zur Reduktion der Stoffmenge, wurde seitens der Fakultäten kritisiert.653 Auf einen einzigen mängelbehafteten Bereich in der Vor- und Ausbildung des Juristen konnte man sich gleichwohl einigen: die Beherrschung der deutschen Sprache.654 648 Vgl. Isele, Die Ausbildungs- und Prüfungsvorschriften in Rheinland-Pfalz, in: JZ 1961, S. 287. 649 Determann, Zwischenbilanz der Ausbildungsreform, in: JZ 1965, S. 276 (278). 650 Gutachten über die juristische Ausbildung (Loschelder), S. 76 f. 651 Dichgans, in der Beratung des Deutschen Bundestages am 23.6.1965, zitiert nach: Reform der juristischen Ausbildung, in: DRiZ 1965, S. 305 (306). 652 Wassermann, Rechtsstudium und politische Wissenschaft, in: JZ 1965, S. 440 f. 653 Vgl. Soergel, Implementation der Grundlagenfächer, S. 64. Weitere Nachweise ebd., Fn. 190. 654 So im Hinterzartener Beschluss, abgedruckt in: JZ 1952, S. 715; Altmann, Allgemeinbildung und Jurisprudenz, in: JZ 1955, S. 535 (537); Duden, Bemerkungen über
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(3) Der inhaltliche Ablauf des Studiums Die Frage nach einer Grundlagenbildung des Juristen war ursprünglich eng mit der Frage nach dem richtigen Studienablauf verbunden. Im „10-Punkte-Programm der Justiz“ in Nordrhein-Westfalen war ein zweisemestriges studium generale „unseres Weltbildes“ vorgesehen, das die Philosophie und Psychologie, die Soziologie und die Wirtschaftswissenschaften umfassen sollte und vor dem anschließenden fünfsemestrigen Fachstudium zu absolvieren gewesen wäre.655 Dieser nicht umgesetzte Reformentwurf ging unmittelbar auf einen gleichlautenden Vorschlag von Husserl zurück.656 Wo dieser Vorschlag besprochen wurde, stieß er auf Kritik. Es wurde nicht nur eine Oberflächlichkeit eines solchen Grundstudiums prophezeit; auch eine Gefahr für die Eigenständigkeit der juristischen Ausbildung, ein Erscheinen der Jurisprudenz als „esoterische Angelegenheit“ wurde befürchtet.657 Die Fakultäten schlossen die Einführung verbindlicher Studienpläne von vornherein aus.658 In der Denkschrift des Arbeitskreises blieb die Aufteilung des Studiums eine zentrale Forderung. Die früher vorgenommene Trennung des Bildungsstudiums und der fachlichen Ausbildung wurde dagegen nicht weiterverfolgt.659 Angelehnt an das belgische Modell einer vor Aufnahme des Fachstudiums zu bewältigenden zweijährigen „candidature“, sollte zunächst ein viersemestriges Grundstudium, dann ein Vertiefungsstudium absolviert werden.660 Das Grundstudium sollte eng festgelegt sein und den Studierenden von seiner Reife nicht entsprechenden Vorlesungen fern halten.661 Der für das Vertiefungsstudium aufgestellte Studienplan selbst sollte unverbindlich sein.662 Der Beschluss des Tübinger Fakultätentages stellte klar, dass das Studium mit dem Fachstudium beginnen musste663 und verwehrte sich so der Überlegung, dem Fachstudium ein Grundstudium ganz oder teilweise vorzuschalten. Eine dort die heutige deutsche Juristenausbildung, in: JZ 1956, S. 644 (647); Hornung, Sprache und Stil in juristischen Arbeiten, in: DRiZ 1959, S. 176 (passim). 655 Rehborn, 10-Punkte-Programm der Justiz in Nordrhein-Westfalen, in: NJW 1953, S. 253 (254). Zuvor bereits Werhahn, Gedanken zu einer Reform des juristischen Studiums, in: JR 1950, S. 426 (429). Siehe dort auch die Schilderung zu einem entsprechenden Versuch in Tübingen. 656 Brintzinger, Die juristischen Fachschaften zur Studien- und Prüfungsreform, in: JZ 1953, S. 270 (271). 657 Schmidt, Richtertum, Justiz und Staat, in: JZ 1953, S. 321 (324). 658 Entschließung der Fakultätenkonferenz zur juristischen Studienreform, abgedruckt in: JZ 1957, S. 116. 659 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 280. 660 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 263. 661 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 281 ff. 662 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 296. 663 Bader, Zur Studien- und Ausbildungsreform, in: JZ 1961, S. 735 (736).
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ebenfalls vorgenommene Unterscheidung in Vertiefungsstudium und Grundstudium bedeutete zunächst nur eine Vertiefung des Veranstaltungsangebotes für fortgeschrittene Studierende664 und damit keine scharfe Trennung der Studienabschnitte.665 Die Justizministerkonferenz bezog keine Stellungnahme. Sie überließ die Frage des Studienaufbaus den Ländern und – vor allem – den Universitäten. (4) Zusammenfassung Bis 1965 wurden die Erwägungen, einer zu starken Spezialisierung des Juristen sei durch die Vermittlung von Grundlagen entgegenzuwirken666 und der Jurist müsse die Zusammenhänge des Rechts verstehen können, immer weiter in den Hintergrund gedrängt. Selbst die Überlegung, bei einem Verzicht auf Vollständigkeit die Einbindung philosophischer, psychologischer, soziologischer, rechtspolitischer und rechtsvergleichender Grundlagen fördern zu können,667 war keine allgemeine Ansicht. An den wichtigen Stellen hatte sich die Auffassung durchgesetzt, dass eine vertiefte Grundlagenausbildung angesichts der stofflichen Überfüllung nicht auch noch möglich war. ff) Wissenschaftlichkeit und die juristische Methode In der frühen Nachkriegszeit wirkte es zunächst, als sei das Verhältnis von Wissenschaft und Praxis in der juristischen Ausbildung geklärt. Nach ersten Ansätzen aus der Richterschaft, in der britischen Zone eine dezidiert auf die praktische Tätigkeit ausgerichtete Ausbildungsreform durchzusetzen,668 wurde auf der Bad Godesberger Tagung der Deutschen Justizverwaltung im Jahr 1946 die Zweiteilung der Ausbildung in das theoretische Studium und den praktischen Vorbereitungsdienst bekräftigt.669 Das Studium als ausgesprochen wissenschaftlicher Bildungsweg war auch in den Ausbildungsordnungen verankert. In Hessen etwa sollte das Studium „keine Fachausbildung in Gesetzeskunde, sondern wissenschaftliches Eindringen in das Recht, die Gesetzgebung und Rechtsprechung sein. Das Recht als überzeitliche und überstaatliche Kulturerscheinung muß im Mittelpunkt stehen.“ 670 Auch die Hochschulen und Hochschullehrer671 konnten 664
Bader, Zur Studien- und Ausbildungsreform, in: JZ 1961, S. 735 (736). Hiergegen auch das Gutachten über die juristische Ausbildung (Loschelder), S. 88 f. 666 Altmann, Allgemeinbildung und Jurisprudenz, in: JZ 1955, S. 535 (537 f.). 667 Zuvor schon Nipperdey, Die Kölner Rechtsfakultät zur Studienreform, in: JZ 1954, S. 114 (115). 668 Vgl. Rückert, Abbau und Aufbau, in: NJW 1995, S. 1251 (1256). 669 Tagung der deutschen Justizverwaltungen in Bad Godesberg, Bericht, in: DRZ 1946, S. 59 (61). 670 § 5 HessJAO1948. 671 Schmidt, Berufsjurist und staatliche Rechtspflege, in: MDR 1948, S. 374 (377). 665
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dem nur beipflichten. Auf der Kölner Rektorenkonferenz im Juli 1951 wurde angeregt, die Studien- und Ausbildungsordnungen gezielter als wissenschaftliche Berufsvorbildung, nicht als „vorzeitige Einübung in die künftige berufliche Praxis“ auszugestalten.672 Auf der Hinterzartener Hochschultagung wurde gerade für die Rechtswissenschaften eine denkbare Trennung in wissenschafts- und praxisbezogene Studiengänge abgelehnt.673 Schon im Jahr 1951 setzte sich allerdings eine neue Lesart durch. Sie schloss sich zwar dem Grundsatz an, dass das Studium eine theoretische Ausbildung sei, warf aber auf, dass die Gefahr bestand, dass die „Realitäten des sozialen Lebens“ verkannt würden.674 Ein reines Theoriestudium genügte nicht, wo vom angehenden Juristen eine schöpferische Mitarbeit am Entstehen einer Rechtsgemeinschaft erwartet wurde.675 Man befürchtete, eine zunehmende Entfremdung zwischen Juristenrecht und Volksrecht würde dem Rechtsbewusstsein des Volkes schaden. Um das zu verhindern benötigte der Jurist vor allem Charakter und Takt;676 auch das juristische Urteil müsste letztlich aus dem Gefühl kommen.677 Die vollständige Trennung der „Beschäftigung mit der Ordnung der Menschen im Staate“ vom Studium wurde so als ursächlich für den Vorwurf der Lebensfremdheit gegenüber den Juristen ausgemacht.678 Teils wurde das Maß des Vorwurfes allerdings auch relativiert: So wurde angeführt, dass eine zu große Lebensnähe des Juristen und seiner Ausbildung auch die ihn und sie auszeichnende Abstraktionsfähigkeit gefährden könnte.679 Die Fakultäten mahnten, im Reformeifer dennoch die Wissenschaftlichkeit des Studiums zu wahren.680 Von Seiten zweier Landgerichtsräte wurde angemerkt, dass sich in den Prüfungen letztlich kaum „lebensfremde [. . .] Endergebnisse“ gefunden hätten.681 Dennoch wurde den juristischen Prüflingen auch in den sechziger Jahren noch Lebensfremdheit vorgeworfen – wenn auch nicht unwidersprochen.682 672 Kölner Entschließung der Rektorenkonferenz vom 30./31.7.1951, zitiert nach: Zur Reform der Studien- und Prüfungsordnungen, in: JZ 1952, S. 715. 673 Hinterzartener Beschluss, abgedruckt in: JZ 1952, S. 715 (716). 674 Wolff, Juristische Theorie und Praxis, in: JZ 1951, S. 585. 675 Darmstaedter, Die Jugend und das Rechtsstudium, in: JZ 1952, S. 107 (108). 676 Darmstaedter, Die Jugend und das Rechtsstudium, in: JZ 1952, S. 107 (109). 677 Jordan, Ist unsere gegenwärtige Referendarausbildung richtig?, in: JZ 1952, S. 219 (220). 678 Schmidt-Brücken, Juristische Diplomprüfung?, in: DVBl. 1951, S. 241. 679 Baur, Einige Bemerkungen zu Ausbildungsfragen, in: JZ 1952, S. 301. Ähnlich unter dem Begriff der notwendigen „Abgezogenheit“, vgl. Schmidt-Brücken, Juristische Diplomprüfung?, in: DVBl. 1951, S. 241. 680 Entschließung der Fakultätenkonferenz zur juristischen Studienreform, abgedruckt in: JZ 1957, S. 116. 681 So für Baden-Württemberg Dunz/Horn, Ist unsere gegenwärtige Referendarausbildung richtig?, in: JZ 1952, S. 411 (412). 682 Schneider, Des Esels Schatten, in: JZ 1960, S. 212 (213). Erhebliche Kritik am Beispiel in diversen Beiträgen, in: JZ 1961, S. 484 ff.
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Trotz einiger Einwände konnte Hans Carl Nipperdey als Dekan der Kölner Juristenfakultät 1954 verkünden, man sei sich „[m]it allen beteiligten und interessierten Stellen einig“, dass die Reformen auf eine „engere Verbindung des Studiums mit den Lebens- und Wertgrundlagen des Rechts“ auszurichten wären und dabei eine höhere pädagogische Wirkung sowie eine höhere Zweckmäßigkeit für die Berufsausbildung zu erzielen wäre.683 Die Verbindung des Studiums mit der Praxis wurde in einigen der bereits andernorts beleuchteten Reformen gesucht. So sollten die von Referendaren und Assistenten geleiteten propädeutischen Arbeitsgemeinschaften mehr auf Pädagogik und weniger auf Wissenschaft fokussiert sein.684 Ein anderer Vorschlag, der sich hingegen nicht durchsetzen konnte, war die von Fachschaften angeregte Entsendung von Praktikern an die Universitäten, wo man diese mit der Aufgabe einer Verbindung von Theorie und Praxis betrauen wollte.685 Ähnliches gilt für die Forderung, eine Ausnahme vom gegenseitigen Ausschluss von Richteramt und Beamtenstelle für Hochschullehrer im Richteramt zu schaffen, um die Verbindung von Theorie und Praxis weiter zu fördern.686 Die Denkschrift selbst ging in diesem Kontext einen unerwarteten Weg, indem sie forderte, das Studium theoretischer, den Vorbereitungsdienst praktischer zu gestalten. Damit wollte der Arbeitskreis in erster Linie eine schleichende Abschaffung der zweiphasigen Ausbildung vermeiden.687 Eine Verbindung der Rechtswirklichkeit mit dem Studium hätte dafür das – sonst universal abgelehnte – praktische Studiensemester bieten sollen.688 In der ersten Hälfte der sechziger Jahre blieb es um die Frage der Wissenschaftlichkeit ruhig. Kritisiert wurde freilich weiterhin, dass die Prüfungen zu wenig Verständnis- und zu viel Wissensprüfung wären.689 Mit dem Begriff der juristischen Methode als Gegenstand der Juristenausbildung beschäftigte sich nur der Arbeitskreis für Fragen der Juristenausbildung intensiv. Er fasste den sonst vielsagenden, aber unbestimmten Begriff der juristischen Methode als „Standeskunst“ des Juristen zusammen – als „Vielfalt gedanklicher Mittel und Wege, deren sich der Jurist bedient, um richtige und gerechte Lösungen zu gewinnen“.690 Darin eingeschlossen war die Logik, insbesondere die Logik des Rechtssystems und die Fähigkeit, „neuartige juristische Lebens-
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Nipperdey, Die Kölner Rechtsfakultät zur Studienreform, in: JZ 1954, S. 114. Brintzinger, Husserls Reformpläne im Kreuzfeuer der Kritik, in: JZ 1953, S. 546. 685 Brintzinger, Die juristischen Fachschaften zur Studien- und Prüfungsreform, in: JZ 1953, S. 270 (271). So auch Wengler, Juristische Studienreform, in: NJW 1957, S. 201 (205). 686 Kern, Zum Richtergesetz, in: JZ 1954, S. 604 f. 687 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 251. 688 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 256. 689 Hanau, Zur Realisierbarkeit, in: JZ 1965, S. 246 f.; Schmitt, Kritische Bemerkungen zur juristischen Ausbildung, in: JZ 1965, S. 247. 690 Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 236. 684
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sachverhalte juristisch zu analysieren und darüber hinaus nach Wertmaßstäben zu beurteilen, die im positiven Recht einen nur unvollkommenen Ausdruck gefunden haben mögen“.691 Um diese Kunst wirklich zu beherrschen, benötigte der Jurist „praktische Erfahrung“. Auch damit war nicht viel gesagt, außer, dass der Jurist befähigt sein müsste, aufgrund seines tiefgehenden Rechtsverständnisses in jedem Sachverhalt richtig und gerecht“ zu entscheiden.692 Nur vereinzelte Stellungnahmen in der Reformdebatte bieten wirklich einen Einblick in das, was als eine diesem Anspruch entsprechende, richtige Methode der Rechtsfindung gelten sollte – die Denkschrift selbst ging hierauf nicht mehr ein. Allerdings bildete sich schon in der frühen Nachkriegszeit eine Art ,negativer Konsens‘ innerhalb der Justizverwaltung wie in der Wissenschaft heraus: Jedenfalls der verpönte Rechtspositivismus könnte auf keinen Fall Teil der neuen juristischen Methode sein.693 Keinesfalls durfte der Jurist bloßer Rechtstechniker sein.694 Das Naturrechtsdenken hatte – deutlich abgeschwächt – auch die juristische Ausbildung erfasst. Seine genauen Auswirkungen695 blieben aber vom Rest der Debattenteilnehmer unkommentiert. An anderer Stelle wurde die induktive Methode des case laws mit dem Hinweis, darauf, dass das System der USA auch an dieser Stelle nicht übertragbar sei, abgelehnt.696 Auch gegen etablierte Schemata, die im Vorbereitungsdienst für eine juristische Schlüssigkeitsprüfung herangezogen wurden, regte sich nun Widerstand.697 Ihnen wurde der Vorwurf gemacht, den Referendar weg vom „lebensoffenen Rechtsgefühl [. . .]“ und hin zum Positivismus zu leiten.698 gg) Berufsbilder: Die Befähigung zum Richteramt und der Universaljurist Die Befähigung zum Richteramt war – neben der Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst – weiterhin eines der großen Ziele der juristischen Ausbil691
Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 236. Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 236. 693 M., Die Wiesbadener Tagung, in: DRZ 1947, S. 27 (28); Jordan, Ist unsere gegenwärtige Referendarausbildung richtig?, in: JZ 1952, S. 555. Zuletzt Raiser, Die Rechtswissenschaft im Gründungsplan für Konstanz, in: JZ 1966, S. 86 (88). 694 von Weber, Zur Frage der Zwischenprüfung, in: DRZ 1947, S. 216. Später bestätigt, etwa von Dunz/Horn, Ist unsere gegenwärtige Referendarausbildung richtig?, in: JZ 1952, S. 411 (413); Kommission des DRB für die Große Justizreform, Leitsätze für die Gestaltung der Großen Justizreform, in: DRiZ 1960, S. 33 (34). 695 Zur „objektiv-teleologischen Auslegungsmethode“ nach 1949 mit weiteren Nachweisen kurz Rüthers, Die heimliche Revolution, S. 27 f. 696 Schmidt-Räntsch, Die Vorbereitung des Richters, in: DRiZ 1958, S. 274 (277). 697 Baur, Weitere Bemerkungen zu Ausbildungsfragen, in: JZ 1952, S. 652; Jordan, Ist unsere gegenwärtige Referendarausbildung richtig?, in: JZ 1952, S. 219 ff.; ders., Ist unsere gegenwärtige Referendarausbildung richtig?, in: JZ 1952, S. 555. 698 Zusammenfassung des Aufsatzes von Jordan, Dunz/Horn, Ist unsere gegenwärtige Referendarausbildung richtig?, in: JZ 1952, S. 411 (412). 692
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dung. In aller Regel wurde bei den Reformvorschlägen dennoch vom Universaljuristen ausgegangen.699 Jedenfalls auf das, was gerade den ausgebildeten Richter auszeichnen würde, wurde nicht Bezug genommen. Zu bedenken gegeben wurde aber auch, dass die Ausrichtung des Studiums und ihre staatliche Gestaltung ihr den Gesamtcharakter eines Beamtenstudiums verleihen würde.700 Einige Stimmen stellten auch die Verbindung zwischen juristischer Ausbildung und Richteramt her. So wurde die Betonung der Justiz im Vorbereitungsdienst gerade als Vorbereitung des Referendars auf die spätere Übernahme eines selbstständigen Richteramtes wahrgenommen.701 Noch konkreter hieß es andernorts, die Universität forme den deutschen Richter.702 Dort wurden der Richter und seine Unabhängigkeit eng mit der rechtswissenschaftlichen Ausbildung verbunden: „[D]er angehende Richter muß während der Ausbildung gelernt haben, Probleme methodisch zu durchdenken, größere Zusammenhänge zu sehen und die bewegenden Probleme seiner Zeit zu erkennen. Der so ausgebildete Richter wird wirklich und nicht nur in einem formalen Sinne unabhängig sein.“ 703 Die wissenschaftliche Ausbildung galt als unverzichtbar für den Richter,704 seine Rechtsfortbildung musste zwingend wissenschaftlich sein.705 So wurde zwar die Bedeutung der wissenschaftlichen Ausbildung für den Richter durchaus hervorgehoben, umgekehrt aber nicht die Bedeutung der Fähigkeit zum Richteramt und die Entwicklung der Rolle der Rechtsprechung im Staat für die juristische Ausbildung. hh) Gegenentwürfe und Sonderwege Nur punktuell wurden vergleichsweise revolutionäre Reformvorschläge unterbreitet. Sie beschränken sich etwa auf den Vorschlag, an Rechtspflegerschulen orientierte Rechtsakademien aufzubauen, in denen zur Vorbereitung auf das Rechtsstudium für zwei Semester in Kleingruppen intensiv die Grundlagen gelehrt würden.706 Einen tatsächlichen Sonderweg, der allerdings auf wenig Gegen699 Vgl. Gutachten über die juristische Ausbildung (Loschelder), S. 111. Zwar zustimmend, aber für eine neue Diskussion Wassermann, Grundfragen der praktischen Juristenausbildung, in: JR 1963, S. 121 (123). 700 Wassermann, Grundfragen der praktischen Juristenausbildung, in: JR 1963, S. 121 (124). 701 So Mannzen, Staatssekretär im Nds. Justizministerium, zitiert nach: Reform der juristischen Ausbildung, in: DRiZ 1965, S. 125 (127). 702 Pringsheim, Zur Verbesserung des Rechtsstudiums, in: JZ 1953, S. 301 (302). 703 Schmidt-Räntsch, Die Vorbereitung des Richters, in: DRiZ 1958, S. 274 (275). Ähnlich die Kommission des DRB für die Große Justizreform, Leitsätze für die Gestaltung der Großen Justizreform, in: DRiZ 1960, S. 33. 704 Schmidt, Richtertum, Justiz und Staat, in: JZ 1953, S. 321 ff. 705 Brüggemann, Gesetzesrecht und Richterrecht, in: JR 1963, S. 162 (168). 706 Kohnle, Reformplan für das juristische Studium, in: JZ 1959, S. 696 (697); ders., Studienreform unter Berücksichtigung der Erfahrungen mit den Rechtspflegerschulen, in: DRiZ 1961, S. 241.
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liebe stieß, ging die Universität Konstanz. Anstelle einer eigenständigen rechtswissenschaftlichen Fakultät und damit eines vollwertigen, klassischen Studiums bot die Universität nur ein Teilstudium für Juristen an.707 Diese Konzeption sollte die Rechtswissenschaften näher an die empirischen Sozialwissenschaften rücken708 und so das Prinzip der Arbeitsteilung unter den Universitäten verwirklichen, um einerseits die Erscheinung des „Nur-Juristen“, andererseits die der rechtsfremden Volkswirte und Soziologen zu ergänzen.709 Aus der Rechtswissenschaft wurden daraufhin Befürchtungen eines Verlusts an Autonomie und Methode in den Rechtswissenschaften geäußert.710 Aus dem Kreis der am Gründungsplan Beteiligten hieß es, dass durch die Einrichtung fünf rechtsdogmatischer Lehrstühle eine produktive Kooperation sichergestellt wäre.711 ii) Zum Fortbildungswesen Auch in Westdeutschland galt der Abschluss der zwei juristischen Prüfungen nicht als Abschluss des Bildungsprozesses. Zu Beginn der fünfziger Jahre wurden in Nordrhein-Westfalen Fortbildungen für Richter und Staatsanwälte angeboten, in denen Fragen des Rechtslebens auch außerhalb des üblichen Arbeitsbereiches ebenso diskutiert werden sollten wie solche des politischen Lebens, der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.712 In den sechziger Jahren trat vor allem Rudolf Wassermann, einer der Vordenker der späteren einstufigen Juristenausbildung, für einen Ausbau des Fortbildungswesens ein: Allgemein sollte neben der fachlichen Vertiefung mehr Berührung mit anderen Wissensgebieten gefördert; ein „Verständnis für die Umwelt und die gesellschaftlichen und politischen Probleme“ vermittelt werden.713 Gerade aus der mittlerweile von allen Seiten geforderten Kürzung des Vorbereitungsdienstes wurde auf der anderen Seite ein Bedürfnis nach intensiverer Weiterbildung gefolgert.714 Vorgeschlagen wurde eine – zum Schutz vor einer Zersplitterung – zentrale Fortbildungseinrichtung, wie sie in anderen Wissenschaftszweigen bestand.715 707
Raiser, Die Rechtswissenschaft im Gründungsplan für Konstanz, in: JZ 1966,
S. 86. 708
Lange, Konstanz und die Rechtswissenschaft, in: JZ 1965, S. 737. Raiser, Die Rechtswissenschaft im Gründungsplan für Konstanz, in: JZ 1966, S. 86 (87). 710 Lange, Konstanz und die Rechtswissenschaft, in: JZ 1965, S. 737. 711 Raiser, Die Rechtswissenschaft im Gründungsplan für Konstanz, in: JZ 1966, S. 86 (89). 712 Das nordrhein-westfälische Programm für Studium, Aus- und Fortbildung, Bericht, in: JZ 1953, S. 337; Bleibtreu, Ein demokratischer Justizminister, in: DRiZ 1958, S. 158 (160). 713 Wassermann, Die Fortbildung des Richters, in: DRiZ 1963, S. 80 (82). 714 Wassermann, Weniger Ausbildung – mehr Fortbildung, in: JZ 1963, S. 473 (475). 715 Wassermann, Die Fortbildung des Richters, in: DRiZ 1963, S. 80 (84 f.); Wassermann, Unsere konservativen Richter, in: DIE ZEIT, Nr. 11/1964, S. 32. 709
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Ein entsprechender Vorschlag des Justizsenators von Berlin, dort eine Richterakademie einzurichten, wurde auf der Justizministerkonferenz im Januar 1965 eingebracht und umgehend verworfen: Inwiefern eine gemeinsame Einrichtung organisatorisch und inhaltlich umzusetzen wäre, müsste schließlich gründlich geprüft werden.716 In der abschließenden Erklärung distanzierte sich die Konferenz weiter: „Die Konferenz der Justizminister hält es für erwünscht, den Richtern aller Gerichtsbarkeiten und den Staatsanwälten in größerem Umfang als bisher die Möglichkeit zu geben, sich über die Fortentwicklung des Rechts, der Wissenschaft auf allen Gebieten, der politischen und geistigen Entwicklung zu informieren.“ Auf eine effektive, länderübergreifende Zusammenarbeit war nicht zu hoffen. Parallel zur Fortbildung der Justizjuristen wurde zur weiteren Ausbildung spezialisierter Verwaltungsbeamter mit abgeschlossener juristischer Ausbildung zuletzt auch die Einrichtung einer eigenständigen Führungsakademie vorgeschlagen.717 jj) Beobachtungen und erste Einordnung (1) Der Verlauf der Reformdebatte im Überblick Die Diskussionen über die Reform der Juristenausbildung wurden unmittelbar nach dem Krieg wiederaufgenommen. Neben der seit Jahrzehnten nicht entschärften Problematik einer effizienten Ausbildung des Juristen kam wahrnehmbarer Reformeifer auf, der nicht zuletzt mit der Feststellung der Hinterzartener Tagung, die Juristenausbildung wäre eine Grundfrage der Existenz des Staates, ein neues Kapitel der Juristenausbildung einzuleiten schien. Die Anforderungen an das Verhältnis des Juristen zum Recht, an die Weltgewandtheit des Juristen, schienen ein neues Niveau zu erreichen, wenngleich wenige sich an die Aufgabe wagten, ein Leitbild der neuen bundesrepublikanischen Juristenausbildung zu formulieren. Die Rechtsphilosophie war allgegenwärtig; man glaubte, alle Bereiche der Ausbildung seien von einer neuen, soziologischen Fragestellung erfasst.718 Nachdem einige der radikalsten und revolutionärsten Forderungen durch den Widerstand der Fakultäten verebbt waren,719 setzte zur Mitte der fünfziger Jahre eine Verlagerung der Reformdebatten ein. Der Auftrag, Reformvorschläge auszu-
716
Hirschmann, 32. Konferenz der Justizminister, in: DRiZ 1965, S. 85 (86). von der Groeben, Zum Nachwuchsproblem der Verwaltung, in: DVBl. 1965, S. 137 (141). 718 So Duden, zitiert nach Fröhlich, Deutsch-Niederländische-Juristentagung, in: JZ 1955, S. 59 (60). 719 Nipperdey, Die Kölner Rechtsfakultät zur Studienreform, in: JZ 1954, S. 114. 717
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arbeiten, wurde an Gremien übertragen,720 deren Entscheidungen – wie die des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung – lange Zeit abgewartet wurden. Dieses Zuwarten auf zentrale Gremien- und Verbandsentscheidungen wurde auch kritisch gesehen: die Gelegenheit, erst durch den Föderalismus ermöglichte Experimente durchzuführen, ließ man damit verstreichen.721 Als wichtigste Neuerung der juristischen Ausbildungsreform bis in die sechziger Jahre galt manchen schon die Einführung der universitären Arbeitsgemeinschaften.722 Eine der wenigen Ausnahmen, ein ausdrückliches Sofortprogramm,723 sollte der „Hattenheimer“-Plan sein. Dessen Folgen waren begrenzt, aber durchaus sichtbar: nämlich in Form der weiteren Ergänzung des Lehrbetriebes durch Kolloquien und Arbeitsgemeinschaften. Das Ende der Gremienarbeit in der Mitte der sechziger Jahre war zugleich das Ende der ersten Reformphase der Bundesrepublik.724 Zumindest in der Masse der Veröffentlichungen waren die Ergebnisse beachtlich. Jede Stelle, die sich dazu berufen fühlte, veröffentlichte eine Stellungnahme, ein Gutachten oder eine Denkschrift zur nur scheinbar immer näher rückenden allumfassenden Reform der Juristenausbildung.725 Die Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung fand allseitige Aufmerksamkeit und ihr wurde mit dem Loschelder-Gutachten sogar eine umfassende rechtspolitische Auseinandersetzung gewidmet.726 Obwohl sie inhaltlich gegenüber den frühen Forderungen gemäßigte Ansätze vertrat, zog sie nur im sehr begrenzten Maße Änderungen nach sich. Der Beschluss der 32. Justizministerkonferenz im Jahr 1965 war letztlich eine Zusammenfassung nur der wichtigsten Forderungen, insbesondere des Tü-
720 So Ridder, Bemerkungen zur Reform des juristischen Studiums, in: JZ 1956, S. 525. Nicht zuletzt bestätigt durch die auch in dieser Arbeit erkennbar abnehmende Menge an Literatur ab 1955. 721 Noll, Reform des juristischen Studiums an der Universität Mainz, in: JZ 1965, S. 17. 722 Hanau, Zur Realisierbarkeit, in: JZ 1965, S. 246. 723 Wengler, Juristische Studienreform, in: NJW 1957, S. 201. 724 So auch Wassermann, Umwelt und Recht, in: NJW 1964, S. 1215 (1217). 725 Nicht unerheblich waren die Stellungnahmen des Fachverbandes Rechtswissenschaften im Verband Deutscher Studentenschaften (in: Bader, Zur Studien- und Ausbildungsreform, in: JZ 1965, S. 735 (737 f.)), des Bundesreferendarverbandes, vgl. den Bericht zur Justizausbildung, in: DRiZ 1963, S. 204 (passim)), und die Stimmen aus der Wirtschaft (vgl. Determann, Zwischenbilanz der Ausbildungsreform, in: JZ 1965, S. 276 (277)) und der Justiz (vgl. oben zitierte Rede des Justizministers Sträter, zitiert nach: Reform der juristischen Ausbildung, in: DRiZ 1965, S. 125 (127 f.)) sowie der Einfluss der durch die Justizministerkonferenz einberufen Kommission zur Reform der Juristenausbildung (vgl. den Bericht: Justizausbildung, in: DRiZ 1962, S. 104 f. Im Übrigen forderten die Vertreter der einzelnen Rechtsdiszplinen regelmäßig eine Betonung ihres eigenen Rechtsgebietes ein, vgl. Baur, Zivilprozeßrechtslehrertagung 1956, in: JZ 1956, S. 731 (732). 726 Gutachten über die juristische Ausbildung (Loschelder), S. V.
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binger Fakultätentages, und nahm die Erkenntnisse des Arbeitskreises fast vollständig aus.727 Die Ergebnisse der Reformbemühungen bis zum Jahr 1965 waren nicht die anfangs in Aussicht gestellten radikalen Reformen des Ausbildungswesens. Ebenso wenig fand eine „innere Reform“ der Juristenausbildung statt.728 Neben der zurückhaltenden Ergänzung der Lehrformen durch die Arbeitsgemeinschaften und Seminare sowie der Einführung einer universitären Examensvorbereitung bemühten sich die Länder vornehmlich um eine Lösung der Uneinheitlichkeit der Ausbildung, die durchweg kritisiert wurde729 – ohne Erfolg, wie die Ministerkonferenz zum Ende des Jahres 1965 feststellen musste. Die Länder waren vielfach von den Erwägungen der 32. Ministerkonferenz abgewichen. Der mit langem Anlauf gestartete Versuch einer Vereinheitlichung blieb ohne Ergebnis und hinterließ die Konferenz in „spürbarer Resignation“.730 Ihr nächstes Ziel: Die Durchsetzung des „Dreistufenplans“ für das juristische Studium – nun allerdings ohne jede zeitliche Maßgabe und Zielsetzung.731 (2) Juristenausbildung und Erziehung Obwohl insbesondere das Land Hessen die Möglichkeit aufzeigte, einer Ausbildungsordnung ein neues Bild des Juristen zugrunde zu legen,732 orientierten sich die meisten Reformerwägungen an den Bedürfnissen einer didaktisch effektiven Ausbildung. Die berücksichtigten Reformvorschläge der Juristenausbildung waren vornehmlich organisatorischer Natur. Ein großer – hier kaum zur Sprache gekommener – Anteil an Reformforderungen bezog sich zudem von vornherein nicht auf Änderungen der Ausbildung, sondern auf die Vermehrung von Lehrpersonal und Lehrmaterialien. 733 Kaum wurde in den Wortbeiträgen auf den Beitrag der juristischen Ausbildung zur Erziehung des Juristen eingegangen. Noch seltener wurde die Überlegung angestellt, welchen Beitrag die Rechtsausbildung zur 727 Determann, Zwischenbilanz der Ausbildungsreform, in: JZ 1965, S. 276 (277); Wassermann, Rechtsstudium und politische Wissenschaft, in: JZ 1965, S. 440. 728 Determann, Zwischenbilanz der Ausbildungsreform, in: JZ 1965, S. 276 (277); Wassermann, Rechtsstudium und politische Wissenschaft, in: JZ 1965, S. 440. 729 Sirp, Die Ausbildung der Richter, in: DRiZ 1960, S. 204 (207). 730 Hirschmann, 33. Konferenz der Justizminister, in: DRiZ 1965, S. 401 f. 731 Hirschmann, 33. Konferenz der Justizminister, in: DRiZ 1965, S. 401 (402). 732 Siehe oben unter 3. a) aa) (1). Zur Erinnerung: § 1 HessJAO 1948 lautete: „Ziel der Ausbildung ist es, [. . .] einen rechtskundigen Nachwuchs zu erziehen, der mit dem Gesetz als Mittel der Rechtsordnung für das friedliche Zusammenleben der Menschen in ihrer staatlichen und überstaatlichen Gemeinschaft vertraut von der Erkenntnis der Unteilbarkeit der Rechtsordnung getragen und sich bewußt ist, daß die vollziehende und die rechtsprechende Gewalt im Namen des Volkes und für das Volk auszuüben sind.“ 733 Vgl. insb. Entschließung der Fakultätenkonferenz zur juristischen Studienreform vom 9. Januar 1957, in: JZ 1957, S. 116 (117).
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Abwendung einer Wiederholung des nationalsozialistischen Unrechtsstaates leisten könnte. Die frühen Debatten zur Juristenausbildung deuteten noch einen Wandel der rechtswissenschaftlichen Ausbildung zum studium generale an. Dieses hätte dem künftigen Juristen neben der fachlichen Ausbildung ein größeres Verständnis für soziale und historische Umstände verleihen und eine an die neuen gesellschaftlichen Verhältnisse angepasste Rechtsanwendung ermöglichen sollen. Dieses studium generale wurde in kurzer Zeit einschließlich philosophischer, soziologischer und wirtschaftlicher Bezüge auf Nebensätze der fachjuristischen Veranstaltungen reduziert, um einem allgemeinen Kürzungsbedarf entgegenkommen zu können. Bezüge zum rechtsstaatlichen Denken und zur neuen staatlichen Ordnung waren nahezu vollständig außen vor geblieben. Die Reformbedürftigkeit wurde in der Mitte der sechziger Jahre von manchen nur noch in der Zahl der Prüfungsmisserfolge erblickt.734 Zu optimistisch erscheint die Auffassung des Tübinger Professors und Mitherausgebers der JZ, Fritz Baur, auch in der Reform der Juristenausbildung in der Nachkriegszeit wäre das Bewusstsein unausgesprochen aber allgegenwärtig gewesen, dass der Jurist die Entfaltung des Unrechtsstaates nicht verhindert hat, „obwohl er dazu in erster Linie berufen gewesen wäre“ und den Unrechtsstaat sogar gerechtfertigt und gestützt habe.735 Im Überblick über die Reformdebatte und die ministerialen Erwägungen hat sich ein solcher Eindruck nicht bestätigt. Es galt allenfalls, eine Entwicklung des Auszubildenden zum Rechtstechniker oder gar zum Rechtspositivisten zu verhindern. Auf die notwendigen Charakterzüge des neuen Juristen wurde nur selten eingegangen. Nur in einem nicht weiter rezipierten Beitrag der früheren fünfziger Jahre kam die Verantwortung der juristischen Ausbildung für den neuen Staat, sein Recht und seine Richter wirklich zum Tragen: „Niemand ist für den Aufbau eines neuen Rechtsbewußtseins des Volkes verantwortlicher als die Rechtsfakultäten. Von ihnen wird die Erziehung zu einer wahrhaft richterlichen Gesinnung erwartet. Die Gestalt des deutschen Richters, die den ethischen Sinn des deutschen Anwalts und Beamten mitbestimmt, wird mehr von ihnen als von Justizministerien und Parlamenten geformt.“ 736 (3) Reformhindernisse Nicht nur Reformen mit weltanschaulichem, gesellschaftlichem oder staatlichem Bezug waren selten; überhaupt Reformen, die Ausdruck eines gänzlich neuen Juristentypus hätten sein können. Revolutionäre Ideen, vor allem die des 734
Noll, Reform des juristischen Studiums an der Universität Mainz, in: JZ 1965,
S. 17. 735 736
So jedenfalls Baur, Die Ausbildung der deutschen Juristen, in: JZ 1961, S. 1. Pringsheim, Zur Verbesserung des Rechtsstudiums, in: JZ 1953, S. 301 (302).
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Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung wurden erst entschärft, dann überwiegend verworfen. Nicolas Lührig machte in seiner Betrachtung der Debatten zwischen 1945 und 1995 vor allem die Fakultätentage als ständiges Reformhindernis aus:737 Sowohl der Fakultätentag als auch die Justizministerkonferenzen hätten eine wesentliche Abneigung gegen Veränderungen gezeigt.738 Jedenfalls für den Betrachtungszeitraum der vorliegenden Arbeit lässt sich ein solch pauschaler Schluss nicht ziehen. Als wesentliche Hemmnisse zeigten sich das lange Zuwarten in einer Phase der Gremienarbeit und der Föderalismus: Reformentwicklungen in anderen Ländern wurden entweder bedacht abgewartet739 oder aber es wurde – gerade in Bayern – versucht, an eine eigene Ausbildungstraditionen anzuknüpfen und die Qualität der eigenen Ausbildung hervorzuheben. Auch die Legislative half dem nicht ab. Im Gegenteil folgte sie dem Verlauf der Diskussion zwischen Vertretern von Wissenschaft und Praxis und enthielt sich konkreten Reformforderungen.740 Die Bewertung der Reformergebnisse fiel zum Ende des Betrachtungszeitraumes allerdings teils überraschend günstig aus: Der Tübinger Beschluss von 1960 wurde nicht nur als Absage an „rezeptionsfreudige Schwarmgeister“, sondern gleichzeitig als Absage an einen „akademischen Quietismus“ wahrgenommen.741 Anscheinend war von Seiten der Wissenschaft eine noch wesentlich passivere Haltung erwartet worden. c) Die Rolle der Universitäten unter dem Grundgesetz: Die Renaissance der Freiheit von Wissenschaft und Lehre „Niemand ist für den Aufbau eines neuen Rechtsbewußtseins des Volkes verantwortlicher als die Rechtsfakultäten.“ 742 Mit dieser eindrucksvollen, aber zu ihrer Zeit kaum rezipierten Einschätzung vor Augen gilt es nun, ein weiteres Mal die Rolle der Universitäten, Fakultäten und der Lehre zu untersuchen. 737 Lührig, Die Diskussion über die Reform der Juristenausbildung, S. 207 f. Die frühe Nachkriegszeit wurde allerdings vergleichsweise wenig berücksichtigt. Die Schuldzuweisung Lührigs mit Blick auf die Grundlagenfächer einschränkend, Soergel, Implementation der Grundlagenfächer, S. 23. 738 Lührig, Die Diskussion über die Reform der Juristenausbildung, S. 207 f., 213. 739 Wassermann, Unsere konservativen Richter, in: DIE ZEIT, Nr. 11/1964, S. 32. 740 Vgl. Wassermann, Umwelt und Recht, in: NJW 1964, S. 1215 (1215, 1217). Ein Beispiel dafür bietet Adolf Arndt, der zwar eine Reform der Ausbildung gerade des Richters hin zu mehr Weltkenntnis, Lebenserfahrung und Reife fordert, jedoch keine Schlüsse daraus zieht, ders., Grundfragen einer Reform der deutschen Justiz, in: DRiZ 1959, S. 199 (201). 741 Bader, Zur Studien- und Ausbildungsreform, in: JZ 1961, S. 735. Vor allem zu letzterem zustimmend Wassermann, Grundfragen der praktischen Juristenausbildung, in: JR 1963, S. 121 (122). 742 Pringsheim, Zur Verbesserung des Rechtsstudiums, in: JZ 1953, S. 301 (302). Ausführlicher zuvor unter jj) (2).
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aa) Die Stellung der Hochschulen (1) Zur organisationsrechtlichen Stellung der Hochschulen Mit der Wiederaufnahme des Hochschulbetriebes wurde auch die von den Nationalsozialisten abgeschaffte akademische Selbstverwaltung743 wiederbelebt und das durch die Richtlinien zur Vereinheitlichung der Hochschulverwaltung eingeführte Führerprinzip beseitigt.744 Das bedeutete nicht zwingend eine vollständige Rückkehr zu Weimarer Verhältnissen. Eine radikale Trennung der Universität vom Staat aber, wie sie von manchen gewünscht worden war, erfolgte nicht.745 Zumindest war die Beteiligung des Bundes an der Hochschulgesetzgebung zunächst ähnlich gering wie die des Reiches in der Weimarer Republik: Art. 75 Nr. 1 GG räumte eine Rahmengesetzgebungskompetenz zwar nicht für Körperschaften öffentlichen Rechts, aber doch für in ihren Diensten stehende Personen ein. Im Bereich des Hochschulrechts blieb diese Kompetenzzuordnung aber ohne Relevanz.746 In seiner rechtlichen Wirkung interessanter war Art. 5 Abs. 3 GG: die Freiheit von Wissenschaft, Lehre und Forschung. Nachdem das Bundesverfassungsgericht den Universitäten trotz ihres Status als juristische Person öffentlichen Rechts die Berechtigung zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde zugesprochen hatte,747 wurde angenommen, dass sich Universitäten auch unmittelbar auf die Wissenschaftsfreiheit berufen konnten.748 Im Grunde jede Regelung des Verhältnisses zwischen Staat und Universitäten fand auf Landesebene statt. Überall dort, wo die Landesverfassungen überhaupt Bezug auf das Universitätswesen nahmen, wurde auch die akademische Selbstverwaltung anerkannt.749 Im organisatorischen Verhältnis zum Staat ergaben sich daraus einige Unterschiede – zur Zeit nach 1933 ohnehin, aber auch zur Weimarer Republik. Leiter der selbstverwaltenden Körperschaft öffentlichen Rechts750
743 Mit Zweifeln am Begriff und einer „Selbstständigkeit der Universität“ als Gegenentwurf, vgl. Raiser, Die Universität im Staat, S. 6. 744 Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1956), S. 36. 745 Vgl. Raiser, Die Universität im Staat, S. 7. 746 Erst 1969 wurde dem Bund mit der Einführung des Abs. 1 Nr. 1a in Art. 75 GG (BGBl. I 1969, S. 363) die ausdrückliche Möglichkeit zur Regelung der allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens eingeräumt. 747 BVerfGE 15, 256 – Universitäre Selbstverwaltung. Die Frage nach dem tatsächlichen Schutzumfang des Art. 5 Abs. 3 GG wurde hingegen nicht abschließend beantwortet. 748 Menzel, Hochschulgesetze und Hochschulverfassungen A, in: JZ 1964, S. 166 (168). 749 Menzel, Hochschulgesetze und Hochschulverfassungen A, in: JZ 1964, S. 166 (168). Vgl. auch die Hochschulverfassungen, abgedruckt in: Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1956), S. 438 f. 750 Vgl. unter B. II. 3. c) aa) (1): sowie erneut Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1956), S. 105 ff.
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war der Rektor, der direkt den Ministerien, teils untergeordnetem Verwaltungsorgan unterstellt war.751 Auch am Berufungsverfahren waren die Hochschulen beteiligt, aus Sicht der Universitäten allerdings nicht im durch die Selbstverwaltung gebotenen Maße: Kritik und den Ruf nach gleichberechtigter Mitwirkung provozierte die personelle Letztentscheidungskompetenz der jeweiligen Regierungen im Berufungsverfahren.752 Auch für das Disziplinarverfahren der Hochschule wurde eine Stärkung der Autonomie der Universität oder eine Übertragung an die unabhängige Gerichtsbarkeit gefordert.753 Gerade kriegsbedingte, akute Schwierigkeiten brachte die kritische wirtschaftliche Lage: Nur eine finanziell abgesicherte Universität könnte sich auch tatsächlich selbst verwalten754 und wirklich Wissenschaftsfreiheit behaupten.755 Die innere Organisation der einzelnen Universitäten regelten Verfassungen. Unmittelbar nach der Dezentralisierung und Entnazifizierung waren das in Ermangelung neuerer Regelungen die vor der Machtübergabe geltenden Verfassungen, die teils ausdrücklich, meist aber stillschweigend, gewohnheitsrechtlich wieder angewandt wurden.756 Dabei wurden zunächst noch einige staatliche Hochschulverfassungen erlassen;757 mit der Stärkung der akademischen Selbstverwaltung ging das Satzungsrecht allerdings auf die Universitäten über. An die Stelle staatlicher Satzungen rückten Universitätsverfassungen mit staatlichem Genehmigungsvorbehalt.758 Dies drückte sich auch in den Einleitungsformeln solcher neuer Verfassungen aus: Sie betonten, dass die Hochschule sich die Verfassung selbst gegeben hatte.759 Bis in die sechziger Jahre hatte sich keine bundesweite Praxis zum Recht der Universitätsverfassung ausgebildet. In der Folge wurden die benötigten Genehmigungen bisweilen nicht oder spät erteilt, es herrschten Rechtsunsicherheit und „Chaos“.760 Insgesamt galt die Hochschule trotz allem als von „politischen Zwecksetzungen“ funktionell unabhängig.761 Al751
Gerber, Hochschule und Staat, S. 37 f. Gerber, Hochschule und Staat, S. 20 f.; Riezler, Freiheit und rechtliches Eigenleben der Wissenschaft, S. 22. 753 Gerber, Hochschule und Staat, S. 28 f. 754 Gerber, Hochschule und Staat, S. 31 f.; Raiser, Die Universität im Staat, S. 12. So bereits im Gutachten zur Hochschulreform vom Studienausschuß für Hochschulreform („Blaue Gutachten“), abgedruckt in: Neuhaus, Dokumente, S. 291 f. 755 Empfehlung „Hochschule und Staat“ der Westdeutschen Rektorenkonferenz (1953), abgedruckt in: Neuhaus, Dokumente, S. 55 (56). 756 Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1956), S. 37. 757 Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1956), S. 37, Fn. 62. 758 Menzel, Hochschulgesetze und Hochschulverfassungen A, in: JZ 1964, S. 166 f. 759 Menzel, Hochschulgesetze und Hochschulverfassungen B, in: JZ 1964, S. 214. 760 Menzel, Hochschulgesetze und Hochschulverfassungen B, in: JZ 1964, S. 214 (216). 761 Gerber, Hochschule und Staat, S. 10 f.; Hirsch, Vom Geist und Recht der Universität, S. 45 f. Einschränkend noch Riezler, Freiheit und rechtliches Eigenleben der Wissenschaft, S. 25. 752
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lein die Reichweite der Ansprüche, die sich aus dieser Unabhängigkeit ergaben, war umstritten. (2) Idee und Aufgabe der neuen Hochschule Die Annahme einer solchen institutionellen Unabhängigkeit gibt nur bedingt Aufschluss darüber, welche Aufgabe die Universität im neuen Staat haben sollte, welche Verpflichtungen sie gegenüber Gesellschaft und Staat trafen. In den Hochschulverfassungen wurde die Aufgabe der Universität unterschiedlich formuliert. Stets wurde ihre wissenschaftliche Aufgabe, ihre Teilnahme an Forschung und Lehre, und auch die Vorbereitung der Jugend auf die akademischen Berufe angesprochen.762 Doch auch die – noch aus Weimar bekannte – Formel der Erziehung zur „verantwortungsvolle[n] Mitarbeit an Staat und Kultur“ fand erneut Verwendung.763 Wesentliche Neuerungen im Vergleich zur Universität Weimars sind hier also zunächst nicht zu finden. Mit den Aufgaben der Universität beschäftigten sich stattdessen vor allem die zahlreichen Konferenzen und Tagungen der Rektoren und Hochschulvertreter. Ein Vorläufer der späteren Rektorenkonferenzen waren die Marburger Hochschulgespräche, die erstmals im Jahr 1946 abgehalten wurden. Zur Diskussion einer neuen Gestaltung der Wissenschaft764 trafen sich Hochschullehrer, Ministerialbeamte, Vertreter der US-amerikanischen Militärregierung und Publizisten. Obwohl der Rahmen der Veranstaltung ungewiss, sie auch keineswegs amtlich war,765 hatte sie einen repräsentativen Charakter. In ihrem „Beschluss über die Freiheit der Wissenschaft“ 766 bekräftigte die Tagung die politische Verantwortung der Universitäten im neuen Staat und die sie erwartende Aufgabe der Erziehung: Alle Teilnehmer wären „durchdrungen von der Notwendigkeit einer demokratischen Neuordnung des staatlichen Lebens in Deutschland und bekennen sich zu der Überzeugung, daß die Erziehung zur demokratischen Gesinnung und Haltung die dringlichste Aufgabe des Erziehungswesens unserer Zeit ist.“ 767 „Das 762 § 3 Satzung der FU Berlin 1948 (Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1956), S. 438 ff.); § 1 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 Verfassung der Universität Bonn vom. 28.6.1950 § 1 Satzung der Universität Göttingen in der Fassung v. 19.1.1952 (Auszug in: Thieme, a. a. O., S. 448 f.); Abschnitt I §§ 2, 3 Satzung der Universität Heidelberg v. 8.4.1952 (Thieme, a. a. O., S. 449 ff.); § 1 Abs. 1, 3 Verfassung der Universität Münster vom 4.6. 1960. 763 § 1 S. 3 Satzung der Universität Göttingen; Abschnitt I §§ 4 Satzung der Universität Heidelberg; § 1 Abs. 2 Verfassung der Universität Münster. Gem. § 1 Abs. 2 S. 2 Verfassung der Universität Bonn: Pflege der „Verantwortung gegenüber Volk und Menschen“. 764 Neuhaus, Dokumente, S. 627; Ansprache Ebbinghaus, in: Marburger Hochschulgespräche, S. 9. 765 Ansprache Ebbinghaus, in: Marburger Hochschulgespräche, S. 9. 766 Marburger Hochschulgespräche v. 15.6.1946, S. 174 f.; ebenfalls abgedruckt in: Neuhaus, Dokumente, S. 260. 767 Marburger Hochschulgespräche (1946), in: Neuhaus, Dokumente, S. 260.
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Wesen der demokratischen Freiheit sehen [die Universitäten] dabei in der Sicherung der Freiheit durch das Recht“. Auf dieser Grundlage forderte sie die Gewährung der Wissenschaftsfreiheit, die nötig wäre, dieser Verantwortung ohne Gefahr eines Missbrauchs nachzukommen.768 Auch im Beschluss der ersten offiziellen Rektorenkonferenz der amerikanischen Besatzungszone wurde dieser Erziehungsauftrag der Universität aufgenommen: „Für die Hochschulen ist die allgemeine politische Erziehung der Studierenden eine besonders vordringliche Aufgabe.“ 769 Diese sollte sich vorrangig in der „freie[n] Aussprache“ in Vorlesungen und „Fairneß im politischen Kampf“ 770 realisieren. Die gemeinsame Hochschultagung der amerikanischen und der britischen Besatzungszone kam zu dem Schluss, dass an den Universitäten ein Verbot religiöser, rassischer und parteipolitischer Diskriminierung herrschen müsse.771 Ebenso befassten sich zwei als repräsentativ geltende772 Reformschriften mit dem Neuaufbau des Universitätswesens: Die „Schwalbacher Richtlinien“ 773 und die „blauen Gutachten“.774 Erstere bezogen sich in erster Linie auf die neue Organisation der Universitäten.775 Sie erhoben gleichwohl den Anspruch, die „grundsätzlichen Folgerungen aus den gemeinsamen Erfahrungen der ferneren und näheren Vergangenheit“ in ihren Vorschlägen zu berücksichtigen,776 ohne sich daran näher zu orientieren. Letztere dagegen gingen über die institutionellen Reformfragen hinaus und stellten die Aufgabe der Universität auf der „ideellen Ebene“ voran: Den „Dienst am Menschen durch die in wissenschaftlicher Erforschung der Wirklichkeit zu gewinnende Lehre der Wahrheit“, die Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft. Dazu sollte insbesondere die „Förderung der Erziehung und der Einheit der Bildung“ gehören.777 Gerade die so-
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Marburger Hochschulgespräche (1946), in: Neuhaus, Dokumente, S. 260. Rektorenkonferenz der amerikanischen Zone in Heidelberg, am 25.11.1946, abgedruckt in: Neuhaus, Dokumente, S. 24. 770 Rektorenkonferenz der amerikanischen Zone in Heidelberg, am 25.11.1946, abgedruckt in: Neuhaus, Dokumente, S. 24. Anders Jaspers, der Politik vollständig von der Universität trennt – allerdings vor allem mit Bezug auf Parteipolitik, vgl. ders., Die Idee der Universität, S. 111. 771 Hochschultagung des britischen Besatzungsgebietes und Hochschultagung des amerikanischen Besatzungsgebietes in Schönberg, am 18.7.1947, abgedruckt in: Neuhaus, Dokumente, S. 31. 772 Thieme, Deutsches Hochschulrecht (2004), S. 21. 773 Schwalbacher Richtlinien: Richtlinien für die Reform der Hochschulverfassungen in den Ländern des amerikanischen Besatzungsgebiets, 1947, abgedruckt bei: Neuhaus, Dokumente, S. 262 ff. 774 Gutachten zur Hochschulreform vom Studienausschuß für Hochschulreform („Blaue Gutachten“), abgedruckt in: Neuhaus, Dokumente, S. 289 ff. 775 Thieme, Deutsches Hochschulrecht (2004), S. 21. 776 Schwalbacher Richtlinien, abgedruckt bei: Neuhaus, Dokumente, S. 262 (263). 777 Blaue Gutachten, in: Neuhaus, Dokumente, S. 290. 769
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ziale Verpflichtung der Universität wurde hervorgehoben; ihre Verfehlung darin gesehen, „mit der sozialen Umschichtung [ihrer] Zeit nicht Schritt gehalten zu haben“.778 Nur, wenn die Akademiker ihre „menschliche Pflicht im Volkskörper“ erfüllten, könnten neue „politische Katastrophen“ vermieden werden.779 Die konkreten Aufgaben der Universität sollten nach dem Gutachten dreierlei sein: Forschung, Lehre und Erziehung. Erziehung bedeutete in diesem Fall eine Erziehung zur „planmäßige[n], methodische[n], sachgemäße[n] und letztlich kritische[n] Erforschung der Wahrheit“.780 Die wohl größte Lehre aus der Erfahrung des „Dritten Reiches“ zogen die „Blauen Gutachten“ aber aus der nationalsozialistischen Zentralgewalt des Reiches über die Universitäten: Nur der Föderalismus gewährleistete die Vielseitigkeit und Freiheit der deutschen Wissenschaft.781 Doch auch in der frühen Nachkriegszeit wurde der Erziehungsgedanke nicht immer an die Idee der Demokratie gekoppelt. Manchmal wurde sie schlicht mit dem Bildungsprozess „zu gehaltvoller Arbeit [. . .] durch Teilnahme am geistigen Leben“ gleichgesetzt, jegliche Erziehungsziele wie „Weltorientierung“ und Charakterbildung als von geringer Bedeutung und der Selbstverantwortung des Studenten widersprechend abgelehnt.782 Schon im Beschluss der letzten Marburger Gespräche im Jahr 1948 ließ sich nur wenig vom liberalen Pathos der ersten Tagung wiederfinden. Zwar ging es auch um die Erziehungsaufgabe der Universität; allerdings nur noch um Erziehung zu kritischem Denken und selbstständigem Urteil.783 Man bekannte sich zur Wissenschaft als Teil der Menschen- und Persönlichkeitsbildung,784 orientierte sich beim Wiederaufbau der Universität vielfach am Vorbild der Humboldt’schen Universität785 – obwohl dessen Vereinbarkeit mit dem universitären Massenbetrieb durchaus in Frage gestellt wurde.786 Die unmittelbaren Bezüge zur nationalsozialistischen Herrschaft und der Eindruck des Krieges, die noch in den „Blauen Gutachten“ festzustellen waren, verschwanden wieder aus der Debatte um eine Reform der Universitäten.787
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Blaue Gutachten, in: Neuhaus, Dokumente, S. 290 (290, 292). Blaue Gutachten, in: Neuhaus, Dokumente, S. 290. 780 Blaue Gutachten, in: Neuhaus, Dokumente, S. 290 (296). 781 Blaue Gutachten, in: Neuhaus, Dokumente, S. 290 (305 f.). 782 Jaspers, Die Idee der Universität, S. 47. 783 Beschluss der Marburger Hochschulgespräche v. 23.5.1948, in: Neuhaus, Dokumente, S. 261 f. 784 Westdeutsche Rektorenkonferenz, Köln, 30.7.1951, in: Neuhaus, Dokumente, S. 44. 785 Peters, Die Notlage der Ausbildung für den höheren Verwaltungsdienst, in: DÖV 1951, S. 369 (370). 786 Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1956), S. 16 f. Zum „Wissenschaftsbegriff des Deutschen Idealismus“, zu dem auch der Humboldt’sche gehört, näher Thieme., a. a. O., S. 7 ff. 787 Vgl. auch das Vorwort von Sturmfels, Der heutige Auftrag der Universität, S. 6. 779
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In ihrem Beschluss „Politische Bildung und Erziehung an den Universitäten und Hochschulen“ vom 6. Januar 1954 bezog die Westdeutsche Rektorenkonferenz erneut Stellung zur Erziehung der Studenten aber auch zur Bildung der Dozenten; dieses Mal mit unmittelbarem Bezug zur Politik. Ihr Anliegen war, „nach einer Zeit der Überbelastung der Jugend mit Politik und in einer Zeit beunruhigender Passivität gegenüber der Politik ein lebendiges Verhältnis von Dozenten und Studenten zu den politischen Fragen zu erzeugen“ und so die staatsbürgerliche Erziehung voranzubringen.788 Die Rektorenkonferenz schloss allerdings die Verbreitung einer „politische[n] ,Kunde‘“ in der akademischen Ausbildung sowohl in Form von Pflichtvorlesungen als auch in Form von Prüfungen aus.789 Nachdem die Studentenvertretungen schon 1946 die Einrichtung von Lehrstühlen für Politik gefordert hatten,790 schien das Thema politischer Erziehung ab den fünfziger Jahren die weitere Entwicklungsrichtung der Universität zu bestimmen. Ergänzend zu den frühen Wünschen der Studenten wurde empfohlen, die politische Bildung nicht nur durch Lehrstühle für politische Wissenschaft, sondern auch durch politische Bildung des Lehrkörpers und der Studierenden, etwa mittels Gesprächen mit Vertretern des öffentlichen Lebens oder sogar direkter politischer Erziehung der Studenten durch Persönlichkeiten mit „praktischer politischer Erfahrung“ zu fördern.791 Schnell kam der Ansatz zum Erliegen. Die Aufgaben der Universität wurden vielerorts nur noch auf Forschung und Lehre beschränkt.792 Ging es um das Verhältnis der Universität zum Staat wurde betont, ihr Dienst sei ein Dienst im Staat, nicht gegen den Staat, gleichwohl aber darauf ausgerichtet, die Studenten zu befähigen, „dem Staat und allen außerstaatlichen Mächten auch kritisch gegenübertreten zu können.“ 793 Betont wurde die Förderung der Freiheit durch die Wissenschaft,794 nicht zuletzt aber der „Grundsatz der Distanz zur Staatsgewalt“: Parallel zur unabhängigen Gerichtsbarkeit wurde das Bild einer unabhängigen Universität gezeichnet.795
788 Beschluss der Westdeutschen Rektorenkonferenz v. 6.1.1954, S. 65, in: Neuhaus, Dokumente, S. 65. 789 Beschluss der Westdeutschen Rektorenkonferenz v. 6.1.1954, S. 65, in: Neuhaus, Dokumente, S. 65, zust. Weniger, Politische Bildung und staatsbürgerliche Erziehung, S. 40. 790 Beschluss des 1. Studententag der britischen Zone v. 3.–5.7.1946, in: Neuhaus, Dokumente, S. 115 (116). 791 Empfehlungen der Westdeutschen Rektorenkonferenz für die politische Bildung und Erziehung an den Universitäten und Hochschulen, in: Neuhaus, Dokumente, S. 67. Ebenso für eine grundsätzliche Förderung politischen Bewusstseins gegen bloße, ideologisch angreifbare Objektivität, Sturmfels, Der heutige Auftrag der Universität, S. 56. 792 Menzel, Hochschulgesetze und Hochschulverfassungen A, in: JZ 1964, S. 166 (170). 793 Raiser, Die Universität im Staat, S. 17. 794 Heimpel, Schuld und Aufgabe der Universität, S. 14. 795 Raiser, Die Universität im Staat, S. 17 f.
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Diese rückläufige Entwicklung hatte Werner Thieme in seiner Gesamtdarstellung zum Hochschulrecht vorgezeichnet: Die Universität, die sich mit Aufgaben der Berufsbildung, Allgemeinbildung und Erziehung zu sozialer und politscher Verantwortung konfrontiert sehe, sei hiermit schlicht überfordert und befinde sich daher in der Krise.796 Die Vermittlung von Allgemeinbildung, ein universitäres studium generale, könnte daher nicht geboten werden;797 eine Erziehung zur Verantwortung auch nur diejenigen treffen, in deren Berufen politische und soziale Fragen zu klären wären: Geisteswissenschaftler und Pfarrer, Richter und Verwaltungsbeamte.798 Noch im Jahr 1964 wurde die Universität von manchen in der Krise gesehen. Weniger wegen einer Überfüllung der Universitäten oder einer „Entfremdung zwischen Professor und Masse der Studentenschaft“, auch kaum wegen der veränderten Anforderungen der Praxis an die Ausbildung der Berufseinsteiger oder der finanziellen Not auf Seiten der Studierender und der Universität selbst.799 Die Krise war eher geistiger Natur: Die Universität habe sich von den geistig-sittlichen Fragen der Wirklichkeit von Welt und Mensch entfernt.800 Der Universität wurde vorgehalten, wegen der fehlenden Reformen nicht für neuere Entwicklungen wissenschaftspolitischer und soziologischer Natur gewappnet zu sein.801 Die politische Mobilisierung in den Universitäten setzte allerdings erst in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre ein.802 bb) Die Lehre mit besonderem Blick auf die Staatsrechtslehre Anders als in der sowjetischen Besatzungszone konnten die meisten Hochschullehrer des „Dritten Reiches“ ihre Karrieren im Westen fortsetzen,803 teils waren die Folgen der personellen Entnazifizierung schon im Jahr 1947 nicht mehr sichtbar.804 Auf der anderen Seite war auf der Westdeutschen Rektorenkonferenz am 26. September 1945 bereits die baldige Rehabilitierung der im Nationalsozialismus verfolgten Hochschullehrer gefordert worden.805 796
Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1956), S. 16 f. Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1956), S. 18 f. Ders. später mit der Schlussfolgerung, das Humboldtsche Bildungsideal und der universitäre Massenbetrieb schließen sich aus, in: Deutsches Hochschulrecht (1986), S. 44. 798 Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1956), S. 19 f. So zuvor Sturmfels, Der heutige Auftrag der Universität, S. 59 f. 799 Anrich, Vorwort, S. I. 800 Anrich, Vorwort, S. I f. 801 Menzel, Hochschulgesetze und Hochschulverfassungen B, in: JZ 1964, S. 214 (218). Vgl. auch van Laak, In der Sicherheit des Schweigens, S. 181 f. 802 Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1986), S. 45. 803 Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1986), S. 41. 804 Für Hamburg vgl. etwa Guhl, Wege aus dem „Dritten Reich“, S. 190 ff. 805 Rektorenkonferenz in Göttingen v. 26.9.1945, abgedruckt in: Neuhaus, Dokumente, S. 15 f. 797
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(1) Freiheit der Lehre: Verfassungstreue und Beamtenstellung Nach 1946 fand die Freiheit der Wissenschaft einschließlich der Freiheit der Lehre den Weg zurück ins allgemeine Bewusstsein der Universitäten und der Kulturverwaltung, aber auch in die neuen Landesverfassungen.806 Das Grundgesetz fand dabei seinen eigenen Weg zum Umgang mit der Lehrfreiheit. Art. 5 Abs. 3 GG, der in Bezug auf die Wissenschaft die Stellung des früheren Art. 142 WRV einnahm, lautete und lautet bis heute: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“ Damit wurden drei Entscheidungen getroffen: Die Freiheit der Lehre – wenn auch in anderem Wortlaut – zu übernehmen, sie um eine Treueklausel zu erweitern und auf die Freiheit der politischen Gesinnung zu verzichten. Wenn nun ein letztes Mal auf das Spannungsverhältnis zwischen Lehrfreiheit und Beamtenstellung des Hochschullehrers eingegangen wird, scheint doch das Postulat der Verfassungstreue die Richtung vorzugeben. Dass die Lehrfreiheit auch und gerade für Hochschullehrer Geltung entfalten würde, wurde anders als noch in der Weimarer Staatsrechtslehre nicht mehr angezweifelt.807 Eine engere Bindung des Hochschullehrers an den Staat und dessen geistige Grundlagen waren schon vor dem Erlass des Grundgesetzes angedacht worden. Ausdruck dieser engeren Bindung war etwa die Forderung, gerade die Sozialwissenschaftler müssten dem Staat ihren Glauben schenken und sich voll und ganz in dessen Dienst stellen.808 Aber auch die allgemeine pädagogische Wirkung der Lehre wurde kritisch betrachtet. So befand Karl Jaspers, dem Hochschullehrer erwachse aus seiner Lehrfreiheit kein Recht, seine Autorität auszunutzen, um die politischen „Tageskämpfe“ zu kommentieren und die Universität zu politisieren.809 Andernorts wurde dem Staat gar zugegeben, ein berechtigtes Interesse an der Einflussnahme auf die Ausbildung seiner Staatsbeamten geltend machen zu können.810 So war das Verhältnis der Freiheit der Lehre zu den Beamtenpflichten zunächst unklar,811 letztlich aber nur von scheinbarer Bedeutung. Denn die besondere Stellung des Hochschullehrers gegenüber den anderen Beamten war allgemein anerkannt. Aus den Beamtenpflichten heraus sollte sich allenfalls ein Verbot des Eintretens für faschistische oder bolschewistische Strömungen ergeben; sie sachlich darzulegen, Mängel der Verfassung aufzuzeigen und Kritik am demokratischen System zu äußern, galt dagegen nicht als verboten.812 Daran än806
Thoma, Die Lehrfreiheit der Hochschullehrer, S. 8. Weber, Rechtsstellung des deutschen Hochschullehrers, S. 28; Menzel, Hochschulgesetze und Hochschulverfassungen, A, in: JZ 1964, S. 166 (170). 808 Löwenstein, Diskussion, in: Marburger Hochschulgespräche, S. 73. 809 Jaspers, Die Idee der Universität, S. 113. 810 Riezler, Freiheit und rechtliches Eigenleben der Wissenschaft, S. 7. 811 Riezler, Freiheit und rechtliches Eigenleben der Wissenschaft, S. 12. 812 Riezler, Freiheit und rechtliches Eigenleben der Wissenschaft, S. 15. 807
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derten auch Treueklauseln wie die des § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes stehenden Personen vom 17. Mai 1950813 nichts. Dort – und in manch Landesverfassung ähnlich814 – hieß es: „Die im Dienste des Bundes stehenden Personen müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zur demokratischen Staatsauffassung bekennen.“ Die Geltung dieser Treuepflicht für Hochschullehrer wurde allerdings angezweifelt. Nach allgemeiner Auffassung hoben sich Hochschullehrer von vornherein von den anderen Angehörigen des öffentlichen Dienstes ab. Einerseits, weil sie nicht in erster Linie eine hoheitliche Aufgabe wahrnähmen, andererseits aufgrund der Lehrfreiheit, aus der wenigstens eine Weisungsfreiheit folgen sollte.815 Die Treuepflichten des Beamtenrechts sollten jedenfalls auf die Lehre keine derart weiten Auswirkungen haben.816 Nach wie vor befand sich der Hochschullehrer in einem Spannungsverhältnis zwischen Staat und Universität.817 Die Antwort auf die Reichweite der Lehrfreiheit wurde in der „Treue zur Verfassung“ des Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG gesucht. Schon dessen Entstehungsgeschichte brachte Unsicherheit darüber, ob und welche Einschränkungen nun tatsächlich beabsichtigt waren. Im Parlamentarischen Rat wurde der Satz nämlich zunächst, auch aufgrund des Protests der rechtswissenschaftlichen Dekane818, gestrichen und erst später wieder eingefügt.819 Um die Zustimmung der anderen Abgeordneten zu erringen, bewarb der Abgeordnete Schmid die Treueklausel als bloße Warnung gegenüber denjenigen, die versuchen wollten, die Republik ,wissenschaftlich‘ zu unterlaufen.820 In seiner erfolglosen, kurzen Gegenrede führte Theodor Heuss aus, dass durch eine solche Treueklausel ein Grundmisstrauen gegenüber einem einzigen Beruf, dem des Hochschullehrers, „sozusagen verfassungsrechtlich ,verankert‘“ wurde, obgleich eine Missbrauchsgefahr doch bei allen Ämtern bestünde.821 In einigen zeitlich dicht beieinanderliegenden Veröffentlichungen hatten sich drei unterschiedliche Ansätze herausgestellt. Einige maßen der Treueklausel kei813
BGBl. I 1950, S. 207 (Bundespersonalgesetz). Vgl. Art. 80 Abs. 2 VerfNRW. 815 Menzel, Hochschulgesetze und Hochschulverfassungen, A, in: JZ 1964, S. 166 (170). So schon Riezler, Freiheit und rechtliches Eigenleben der Wissenschaft, S. 14. 816 Friesenhahn, Staatsrechtslehrer und Verfassung, S. 12, 20 f.; Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1956), S. 246. Thoma begründete dies damit, dass die Lehrfreiheit als schrankenloses Grundrecht mangels Gesetzesvorbehalt eben nicht vom Beamtenrecht betroffen wäre, vgl. ders., Die Freiheit der Hochschullehrer, S. 35. 817 Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1956), S. 65. 818 Stellungnahme der Dekane der westdeutschen Rechtswissenschaftlichen Fakultäten zu Artikel 7, in: GUZ 1949, H. 7, S. 2 = SJZ 1949, S. 292 = DRZ 1949, S. 182. 819 Thoma, Die Lehrfreiheit der Hochschullehrer, S. 22. 820 Vgl. den Auszug aus der Debatte in: Thoma, Die Lehrfreiheit der Hochschullehrer, S. 22 f., Fn. 10; Friesenhahn, Staatsrechtslehrer und Verfassung, S. 8. 821 Friesenhahn, Staatsrechtslehrer und Verfassung, S. 9. 814
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nerlei Rechtswirkung zu und verwiesen auf die Entstehungsgeschichte.822 So sah von Mangoldt in Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG „nichts Neues“ und neben Art. 18 GG keinen Anwendungsbereich.823 Ähnlich urteilte die Konferenz der Dekane der rechtswissenschaftlichen Fakultäten, die das tatsächliche Mittel der Wahl im Disziplinarrecht verorteten.824 Thieme ging davon aus, dass eine politische Aktivität unter dem Deckmantel der Wissenschaft schon nicht von der Wissenschafts-, bzw. Lehrfreiheit, geschützt war und somit auch eine Amtspflichtsverletzung wäre.825 Vielfach wurde eine strikte Interpretation nach der Entstehungsgeschichte im Parlamentarischen Rat aber abgelehnt.826 Am Weitesten ging die Auslegung Ernst Friesenhahns: Er führte an, dass das Ziel der Treueklausel nur die Sicherung des „Bestand[es] der politischen Ordnung“ sein könnte, die Lehrfreiheit insoweit und „nur insoweit!“ eingeschränkt wäre. Weiter hieß es: „Unser Satz bezieht sich zwar auf alle Lehrenden, aber seine besondere Bedeutung gewinnt er für den Staatsrechtslehrer, weil sich hier der Gegenstand der Treuebindung mit dem Objekt von Forschung und Lehre deckt. Von ihm fordert das Grundgesetz daher nicht nur, daß er dessen Inhalt darstellt und gehässige Angriffe vermeidet, sondern daß er positiv zu den Grundlagen der Verfassung eingestellt ist und für diese eintritt“.827 Damit kehrte er zur in der Weimarer Republik noch verworfenen These Friedrich Paulsens zurück, „bei dem Lehrer der Staatswissenschaften [müsse] ein positives Verhältnis zum Staat, zur Staats- und Rechtsverfassung des Landes vorausgesetzt werden“.828 Einschränkend betonte er jedoch, dass mit den Grundlagen der Verfassung nicht die politische Richtung der jeweiligen Regierung, sondern die „Gesamtentscheidung“ der „freiheitlich demokratischen“ Ordnung gemeint wäre – und dass wissenschaftliche Kritik freilich nicht nur zugelassen, sondern gefordert würde.829 Einige konnten sich der Einschätzung, die Treueklausel setze der Lehrfreiheit letztlich Grenzen, die das allgemeine Beamtenrecht nicht schaffen würde, zwar 822 Köttgen, Akademische Lehrfreiheit, GUZ 1949, H. 7, S. 1 (2); Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1956), S. 246 f. 823 von Mangoldt, Bonner Grundgesetz, Bd. 1, S. 68 f. Mit wohl zutreffender, aber hier nicht entscheidender Kritik, vgl. Thoma, Die Lehrfreiheit der Hochschullehrer, S. 36. Dabei verwies er auf den äußerst geringen Anwendungsrahmen des Art. 18 GG und erklärte dessen Ausgestaltung für rechtlich fragwürdig. 824 Stellungnahme der Dekane der westdeutschen Rechtswissenschaftlichen Fakultäten, ebd. 825 Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1956), S. 247 f. 826 Vgl. nur Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1956), S. 62, der sie gleichwohl für ausschlaggebend hält, ders., a. a. O., S. 246. 827 Friesenhahn, Staatsrechtslehrer und Verfassung, S. 30. 828 Friesenhahn, Staatsrechtslehrer und Verfassung, S. 30 f. Näher bereits oben, unter B. II. 3. b) cc) (2) (b). 829 Friesenhahn, Staatsrechtslehrer und Verfassung, S. 31 f., 33 f.
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noch anschließen,830 nahmen aber deutlichen Abstand von einer Verpflichtung des Juristen oder des Staatsrechtslehrers.831 Maßgeblich bezog Richard Thoma Stellung. Seine Abwägung zwischen Lehrfreiheit und erforderlichem Schutz des Bestandes der freiheitlich-demokratischen Ordnung832 führte ihn zum Schluss, dass sich aus der „Treue zur Verfassung“ keine Verpflichtung zu „politischer suggestiver Gesinnungserziehung“ ergab.833 Er ging gleichwohl davon aus, dass eine solche in erster Linie für die mit den Fragen demokratischer Verfassungsideale befassten Vertreter der Rechts- und Staatswissenschaften getroffen hätte.834 Er traf zwei unterschiedliche rechtliche Folgerungen. Erstens habe die Treueformel negierende Bedeutung und verbiete eine Untergrabung der freiheitlich demokratischen Grundordnung,835 um einerseits Schutz vor einer Aushöhlung der Weimarer Zeit zu gewährleisten, aber andererseits neue Entwicklungen der verfassungsrechtlichen Ordnung nicht von vornherein zu blockieren;836 zweitens dürften Lehrer nicht der wissenschaftlichen Entwicklung der Studenten entgegenwirken. Der Lehrer war also verantwortlich für eine Erziehung zu „intellektuelle[r] Rechtschaffenheit“. Das hieß: „Ernst und Redlichkeit [. . .] Ehrenhaftigkeit, Pflichttreue, Zuverlässigkeit und wohlwollende Güte.“ 837 Die Freiheit der Lehre stand unter dem Vorbehalt ihrer Wissenschaftlichkeit.838 Hieraus ergab sich ein aufschlussreicher Konsens, wenn auch mit unterschiedlicher Begründung: Den Hochschullehrer traf keineswegs „Verpflichtung auf die
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Weber, Rechtsstellung des deutschen Hochschullehrers, S. 31. Allg. kritisch, Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1956), S. 64. Weber verweist zwar auf Friesenhahn, bezieht darüber hinaus allerdings nicht Stellung. Angesichts seiner äußerst kritischen Einstellung zum Grundgesetz ist es fragwürdig, ob er Friesenhahn tatsächlich zustimmen wollte, vgl. ders., Spannungen und Kräfte, S. 37, Fn. 39 sowie im nächsten Abschnitt. 832 Thoma, Die Freiheit der Hochschullehrer, S. 25 f. 833 Thoma, Die Freiheit der Hochschullehrer, S. 36. Allerdings schloss Thoma eine Erziehung durch den liberalen Staat – jedenfalls an den Schulen – nicht aus: „Staatliche Instruktion und Verpflichtung der Lehrer und Lesebuchverfasser, der Jugend bestimmte ethische, religiöse, politische, ästhetische Sympathien und Antipathien zu suggerieren und einzupflanzen, ist die sublimste und raffinierteste Methode der Herrschaft über Menschen. Sie schafft den der Jugend empfohlenen Idealen innere Autorität, und das ist mehr als äußere Gewalt. Auf diese Methode der Menschenführung, die der Nationalsozialismus so ruchlos mißbraucht hat, kann der liberale Staat nicht verzichten“ (ders., Über Wesen und Erscheinungsformen der modernen Demokratie, S. 32 f.). 834 Thoma, Die Freiheit der Hochschullehrer, S. 34. 835 Thoma, Die Freiheit der Hochschullehrer, S. 35 f. 836 Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1956), S. 62 f. 837 Thoma, Die Freiheit der Hochschullehrer, S. 30. 838 Wehrhahn, Lehrfreiheit und Verfassungstreue, S. 32. Insgesamt ging Wehrhahn seinen eigenen Weg und forderte eine „Selbstkontrolle der Wissenschaft“. Staatliches Einschreiten käme nur bei Wissenschaftswidrigkeit in Betracht, die darüberhinaus „in einem Verfahren freier wissenschaftlicher Diskussion festgestellt worden ist“, ders., a. a. O., S. 65. 831
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jeweils herrschende politische Meinung“;839 Verfassungskritik war zudem nicht ausgeschlossen.840 Mit Ausnahme von Friesenhahn wurde auch von niemandem eine Verpflichtung zum positiven Eintreten für die freiheitlich demokratische Grundordnung aus der Treueformel des Art. 5 Abs. 3 S. 2 des Grundgesetzes angenommen. Zu Recht hielt Thoma die Begründung der Dekane, mit denen sie die Einführung der Treueklausel ablehnten, für „übereilt [. . .]“ und „aus der Luft gegriffen“.841 Sie lautete: „Wir [. . .] sind der Auffassung, daß jeder Hochschullehrer stets und namentlich bei Ausübung seines Lehramtes für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten und die akademische Jugend zu den Idealen dieser politischen Lebensordnung zu erziehen hat.“ 842 Das – angesichts der vorangegangenen Untersuchung beeindruckend deutliche – Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, einschließlich der Annahme einer nicht erst aus Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG folgenden rechtlichen Pflicht zur Erziehung zu ihren Idealen, wurde nicht wiederholt und fand auch sonst keine Vertreter. Stattdessen wurde die Unabhängigkeit der Lehre der Unabhängigkeit der Richterschaft gleichgesetzt, ein Garant für die Richtigkeit der wissenschaftlichen Lehren.843 Letztlich wurde die Lehrfreiheit auch nicht gegen die Frage der politischen Verantwortung, sondern vorsorglich gegen jegliche Vorgaben der Lehrmethode in Stellung gebracht.844 (2) Die Staatsrechtslehrer des liberalen Staates Die Staatsrechtslehre selbst war mit dem Ende des Nationalsozialismus erneut einigen personellen Umwälzungen unterlegen. Bis 1949 waren einige wichtige Vertreter der Weimarer Staatsrechtslehre, aber auch einige der nationalsozialistischen Rechtslehrer verstorben. Unter ihnen Gerhard Anschütz, Heinrich Triepel, Fritz Stier-Somlo, Karl Rothenbücher, Paul Ritterbusch und Gustav Adolf Walz. Die gerade politisch überaus pluralistische Zusammensetzung der Staatsrechtslehre zeigte sich an der Mitgliederliste der 1949 wiedergegründeten Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer.845 Unter ihnen waren damalige Vorkämpfer der 839
Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1956), S. 246. Etwa Wehrhahn, Lehrfreiheit und Verfassungstreue, S. 25. 841 Thoma, Die Freiheit der Hochschullehrer, S. 34. 842 Stellungnahme der Dekane der westdeutschen Rechtswissenschaftlichen Fakultäten, ebd. 843 Hirsch, Vom Geist und Recht der Universität, S. 47. 844 Vgl. Brintzinger, Husserls Reformpläne im Kreuzfeuer der Kritik, in: JZ 1953, S. 546. So auch die Denkschrift des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung (1960), S. 288. 845 Vgl. Verzeichnis der Mitglieder der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, in: VVDStRL 8 (1950), S. 166 ff., sowie des Jahres 1952, in: VVDtStRl 11 (1954), S. 268 ff. 840
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Demokratie und politisch Verfolgte, monarchische Konservative und nicht wenige ,entnazifizierte‘ Nationalsozialisten. Thoma, Jacobi, Jellinek, Köttgen, Giese und Smend – einige der großen Namen der Republik und der Kaiserzeit lebten wieder auf. Andere kamen aus der sowjetischen Besatzungszone in den Westen, etwa der Schmitt-Schüler Weber und Abendroth. Wieder andere, wie Kelsen, emigrierten oder kehrten gar nicht erst aus dem Exil zurück. Auch einige neue Mitglieder konnten an Einfluss gewinnen, unter ihnen Carlo Schmid und Ernst Friesenhahn.846 Nahezu sämtliche nationalsozialistischen Staatsrechtslehrer wurden kurz- oder längerfristig als Mitläufer eingestuft847 und damit für eine erneute Lehrtätigkeit freigegeben. Forsthoff, Maunz und Heckel traten der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer bei. Einer Handvoll Kronjuristen des Nationalsozialismus stand diese Möglichkeit entweder von vornherein nicht offen oder aber sie nahm sie nicht wahr.848 Zweifellos zu den ersten gehörte Carl Schmitt, der eine Verkörperung des Totalitarismus darstellte und dessen Werke zunächst tabuisiert wurden.849 Schmitt ging seinerseits mit der neuen Republik, deren Ordnung auf der Würde des Menschen gründete, zeitlebens, hart ins Gericht. Der Wertorientierung der Verfassung sah er eine „Tyrannei der Werte“ folgen, in der der Jurist zum „unmittelbare[n] Wertvollzieher“ bestimmt war.850 E. R. Huber beschäftigte sich fortan zunehmend und schließlich nahezu ausschließlich mit der Verfassungsgeschichte.851 Höhn publizierte zunächst zur Militärgeschichte, bevor er mit Konzepten der betriebswirtschaftlichen Menschenführung erfolgreich wurde und von der Rechtswissenschaft Abstand nahm.852 Koellreutter wurde nach einigem Widerstand gegen seine Einstufung als Minderbelasteter erst als Haupttäter, schließlich doch als Mitläufer eingestuft und in sein altes Amt versetzt, nur um
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Vgl. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 4, S. 38. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 4, S. 39. 848 Dabei kam es auf das Maß der Involvierung in den NS-Staat genauso an, wie auf eine Unterstützung oder Ablehnung seitens der Ministerien und der Fakultäten, vgl. Schumann, Die Göttinger Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, S. 119. 849 Siehe nur van Laak, In der Sicherheit des Schweigens, S. 209 f. Eine Festschrift zu seinem 70. Geburtstag, mit Beiträgen von Forsthoff und Weber, erschien aufgrund mehrerer Auseinandersetzungen um die Person Schmitt erst im Jahr 1959, vgl. Mehring, Briefwechsel Schmitt/Smend, S. 149. 850 Schmitt, Tyrannei der Werte, S. 45, 59 ff. Zuvor a. a. O., S. 45: „Es ist ein verhängnisvoller Irrtum zu glauben, die Güter und Interessen, Ziele und Ideale, die hier in Frage stehen, könnten durch ihre Verwertung vor der Wertfreiheit moderner Naturwissenschaftlichkeit gerettet werden. Werte und Wertlehren vermögen keine Legitimität zu begründen [. . .].“ 851 Huber, Deutsche Verfassungsdokumente der Gegenwart (1919–1951). Sein bis heute fortgeführtes – auch in dieser Arbeit zitiertes – Hauptwerk war die Reihe „Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789“, erstmals erschienen 1957. 852 Jenß, Die „Volksgemeinschaft“, S. 145 ff. Vgl. etwa Höhn, Reinhard, Die Führung mit Stäben in der Wirtschaft, Bad Harzburg 1961. 847
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schließlich umgehend in den Ruhestand versetzt zu werden.853 Dort beschäftigte er sich weiterhin, teils auch mit größerer Beachtung,854 mit dem Staatsrecht. Das Verhältnis der Staatsrechtslehrer untereinander war alles andere als harmonisch. Frühere Täter und Opfer standen einander gegenüber;855 und das in einer Zeit, in der sich auch die opportunistischen Mitläufer des Nationalsozialismus in gleich zwei Richtungen solidarisierten: gegen dessen Kronjuristen ebenso wie gegen die Unbelasteten und Rückkehrer.856 Gleichwohl hatten sich diejenigen, die im „Dritten Reich“ ihre Karrieren vorantreiben konnten, zumindest formal vom Nationalsozialismus abgrenzen müssen, um sich politisch reinwaschen zu können.857 Eine gemeinsame Richtung dieser politisch angespannten Staatsrechtslehre verkündete Thoma, teils ausdrücklich, teils zwischen den Zeilen, als Alterspräsident in seiner Eröffnungsrede zur Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer im Jahr 1949: „Unser Vaterland ist auseinandergerissen und fremder Hilfe bedürftig. Die nächste Zukunft der ganzen Menschheit verbirgt sich hinter finster drohenden Wolken. Dennoch ist es uns Pflicht und Vorsatz, nicht zu verzagen, sondern, solange wir leben, zu hoffen, und solange uns Kraft bleibt, zu wirken. Das Werk der Vereinigung war und bleibt Dienst am Verfassungsleben einer nach Einigkeit und Recht und Freiheit strebenden Volksgemeinschaft; Dienst an der richtigen Deutung und wohlerwogenen Fortbildung des Staatsrechts eines demokratischen Rechtsstaates.“ 858 Dass Thoma sich als ausdrücklicher Befürworter der Demokratie859 zu ihr und zur Verantwortung der Rechtslehre bekannte, ist wenig überraschend. Aufschlussreich ist vielmehr das, was ausgelassen wurde: Kein Wort seiner Ansprache widmete er den Vertriebenen, den Opfern des Nationalsozialismus und auch 853
Schmidt, Otto Koellreutter, S. 134, 136 f. Insbesondere gelobt durch Maunz, vgl. Schmidt, Otto Koellreutter, S. 174 ff. Kritisch, weniger aufgrund dessen Tätigkeit im Dritten Reich, als vielmehr aufgrund der Rechtfertigung eines moderaten Nationalsozialismus und des Verbreitens von Verschwörungstheorien, dagegen Ridder, Otto Koellreutter, Staatslehre im Umriß, in: DÖV 1956, S. 254: „Die Urschuld an allem deutschen Unglück der neuesten Zeit aber trägt natürlich das ob deutscher Größe und Weltgeltung neiderfüllte Ausland [. . .] (S. 117).“ Dem Staat und den neuen Grundrechten gegenüber war Koellreutter misstrauisch bis feindlich gesonnen: „Allerdings warne ich immer [. . .], sich zu äußern. Denn wir haben zwar ein Grundrecht der freien Meinungsäußerung. Aber wer davon einen unerwünschten politischen Gebrauch macht, muß auf Verfolgung gefaßt sein“, vgl. ders., Über Schuld und Aufgabe, S. 13. 855 Friesenhahn, Staatsrechtslehrer und Verfassung, S. 6. Zu entsprechenden Sorgen Hans Peters, vgl. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 4, S. 29, Fn. 63. 856 Arendt, Zur Zeit, S. 55. Aber auch andere wie etwa Smend zeigten eine auffällige Distanz gegenüber den Rückkehrern, vgl. Schumann, Die Göttinger Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, S. 109. 857 Zur weiteren Geschichte Höhns näher Jenß, Die „Volksgemeinschaft“, S. 118 ff. 858 Thoma, Eröffnung, in: VVDStRL 8 (1950), S. 1. 859 Thoma, Die Freiheit der Hochschullehrer, S. 34. 854
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die Mitverantwortung der Staatsrechtslehre an der nationalsozialistischen Herrschaft blieb unausgesprochen.860 Allein den verstorbenen Mitgliedern aller politischer Richtungen wurde gedacht; allerdings nicht durch Thoma, sondern durch Hans Helfritz.861 Dass Thoma seine Ansprache in dieser Form hielt, war keineswegs einfache Nachlässigkeit, sondern ein Ausdruck des Zeitgeistes. Im gleichen Jahr, also nur vier Jahre nach dem Ende des „Dritten Reiches“, forderte nämlich Smend anlässlich der Neugründung in der Deutschen Universitätszeitung, „mit allen Gutwilligen endlich Friede“ zu machen.862 Giese stellte sich 1953 auf den Standpunkt, Maunz und Koellreutter könnten ihre Veröffentlichungen im Nationalsozialismus „nur von kleineren Geistern verübelt werden“,863 obwohl gerade Koellreutter zu den geistigen Wegbereitern der völkischen Staatslehre gezählt werden darf.864 Intern gab es zwar Kritik, etwa von Leibholz und Peters;865 Friesenhahn verlieh seiner Frustration über die fehlende Auseinandersetzung mit der „wenig ruhmvolle[n] Haltung“ der Staatsrechtslehrer im Nationalsozialismus aber noch den deutlichsten Ausdruck: um einen gar „gespenstische[n] Vorgang“ habe es sich gehandelt.866 Die Staatsrechtslehre aber glaubte, ihr größtes Hindernis überwunden zu haben: den Positivismus.867 Nicht nur im Umgang miteinander – auch im Umgang mit dem Grundgesetz fiel die Staatsrechtslehre auseinander. Zu den Befürwortern der Demokratie und der neuen Verfassung868 gesellten sich zunächst diejenigen, die ihr Misstrauen gegenüber den Besatzungsmächten bekundeten869 und – maßgeblich vertreten durch Forsthoff – diejenigen, die einzelnen Grundentscheidungen der Verfassung ihre rechtliche Geltung absprachen: Ausgehend von der zweifelhaften Prämisse 860
Ebenso Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 4, S. 83. Thoma, Eröffnung, in: VVDStRL 8 (1950), S. 2. 862 Smend, Staatsrechtslehrer-Vereinigung neu gegründet, in: DUZ 1949, H. 21, S. 15 f. Die Deutsche Universitätszeitung ging aus der Göttinger Universitätszeitung hervor. Trotz dieses Willens zur Relativierung kritisierte Smend später die Haltung Schmitts zu seiner Vergangenheit. Er störte sich nicht etwa an dessen ohnehin offensichtlichem „Amoralismus“, sondern an der unterbliebenen Distanzierung von der eigenen Vergangenheit, vgl. Mehring, Briefwechsel Schmitt/Smend, S. 149 f. 863 Giese, Besprechung, in: AöR 79 (1953/54), S. 372. Vgl. bereits Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 4, S. 88. 864 Vgl. die vorherigen Kapitel; so auch Rüthers, Entartetes Recht, S. 53. 865 Näher Stolleis, Die Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, in: KritVerf 1997, S. 339 (350). Vgl. zu Leibholz’ Position noch kurz nach dem Ende der Weimarer Republik erneut ders., Die Auflösung der liberalen Demokratie in Deutschland, S. 6. 866 Friesenhahn, Staatsrechtslehrer und Verfassung, S. 7. 867 Vgl. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 4, S. 35, 84. 868 Thoma, Über Wesen und Erscheinungsformen der modernen Demokratie, S. 28 ff.; Ipsen, Über das Grundgesetz, S. 42 f. 869 Grewe, Das Grundgesetz, in: DRZ 1949, S. 313 f.; so auch Smend in überlieferter Vorlesung nach Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 4, S. 128 f. Zur rechtlichen Problematik vgl. Ipsen, Über das Grundgesetz, S. 31 ff. 861
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E. Die Bundesrepublik Deutschland
einer absoluten Rechtsstaatlichkeit, nahm sich Letzterer vor, den der Sozialstaatlichkeit verbleibenden Raum zu ermitteln.870 Sein Resultat: „gewährender Rechtsstaat und gewährleistender Sozialstaat“ wären unvereinbar.871 Beim Sozialstaat handelte es sich damit um eine bloße Staatszielbestimmung, nicht um einen Rechtsbegriff.872 Mehr noch: Angenommen, es handelte sich um einen Rechtsbegriff, bestünde eine akute Gefahr der Instrumentalisierung des Sozialstaats durch den Machthaber, der Entwicklung eines totalen Staates.873 Noch weiter ging der Schmitt-Schüler Werner Weber in seinem Urteil über das Grundgesetz, dem er nichts Gutes abgewinnen konnte. Dies fing mit der Entstehungsgeschichte an, in der sich der Parlamentarische Rat fälschlich in der Rolle des Volkes gewähnt und seine demokratische Legitimation überschätzt hätte.874 Der Föderalismus wäre inkonsequent und ohne den „Halt“, den der Staat Preußen Zeit seines Bestehens gegeben hätte, auch instabil.875 Das Parlament wäre ebenso kaum demokratisch legitimiert und sogar in der Lage, den Willen des Volkes zu bestimmen, anstatt nach ihm zu handeln.876 Überhaupt gäbe es keine wirkliche Gewaltenteilung.877 Insgesamt handelte es sich bei dem Grundgesetz vor allem um einen von „unlösbare[n] Widersprüche[n]“ geprägten878 Versuch, der Weimarer Verfassung die Schuld am Nationalsozialismus zuzuschieben.879 Sein Fazit lautete: „Die elastische Kraft, die noch in der Weimarer Verfassung wirkte, ist im Bonner Grundgesetz durch ein dünnwandiges Beziehungssystem von gläserner Sprödigkeit ersetzt.“ 880 Obwohl Weber sich damit gleichzeitig zur ersten liberalen Verfassung Deutschlands bekannte, formulierte er eine grundlegende Ablehnung des Grundgesetzes so deutlich, wie sie nur formuliert werden konnte. Zu Recht sah Stolleis in dieser Totalabsage noch den ehesten Ansatz für eine Anwendung der Treueklausel des Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG und er bemerkte, dass diese letztlich nicht einmal erörtert wurde.881 Die Aussagen Webers erregten aber einiges Aufsehen, aus dem ein an die Staatsrechtslehre gerichteter, maß870
Forsthoff, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, in: VVDStRL 12 (1954),
S. 14. 871
Forsthoff, Verfassungsprobleme des Sozialstaats, Vorwort, S. 3, 10 ff. Forsthoff, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, in: VVDStRL 12 (1954), S. 27. Kritisch im Anschluss sowohl Bachof, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, in: VVDStRL 12 (1954), S. 37 ff., als auch Abendroth, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates (Aussprache), in: VVDStRL 12 (1954), S. 87. 873 Forsthoff, Verfassungsprobleme des Sozialstaats, S. 9 f., 23. 874 Weber, Spannungen und Kräfte, S. 10–16. 875 Weber, Spannungen und Kräfte, S. 18 ff. 876 Weber, Spannungen und Kräfte, S. 23 ff. 877 Weber, Spannungen und Kräfte, S. 27 f. 878 Weber, Spannungen und Kräfte, S. 35. 879 Weber, Spannungen und Kräfte, S. 17, 37 f. 880 Weber, Spannungen und Kräfte, S. 39. 881 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 4, S. 136. 872
II. Staat und Juristen in der Bundesrepublik
383
geblich Weber geltender Ruf nach Mäßigung hervorging: „Die Staatsrechtslehre sollte sich damit abfinden, eine im Grunde konservative Aufgabe pflichtgemäß erfüllen zu müssen [. . .]: Vernunft und Realisierungsmöglichkeiten der Gesamtordnung der staatlichen Gemeinschaft auch dort zu suchen, wo die politische Praxis [. . .] Schwierigkeiten hat.“ 882 In den Reihen der Staatsrechtslehre wurde zwar eine gewisse Indifferenz festgestellt,883 insgesamt galt die Kritik aber als konstruktiv.884 Für die gesamte Staatsrechtslehre ist Weber daher nicht repräsentativ. Und selbst er, das eindrücklichste Beispiel für einen Widerstand in der Staatsrechtslehre, distanzierte sich bis zum Jahr 1958 von der früheren Radikalität, mit der er das Grundgesetz zuvor abgelehnt hatte.885 Während die Staatsrechtslehre sich im Bereich des Staatsrechts mit Fragen der Staatlichkeit und der Souveränität des besetzten Deutschlands,886 der Rechtsnachfolge der Bundesrepublik zum Deutschen Reich,887 der Ausarbeitung der neuen Landesverfassungen und des Grundgesetzes sowie dessen Kommentierung befasste,888 hatte gerade die allgemeine Staatslehre an Strahlkraft verloren. Bemühungen, die Politik aus dem Fach auszusparen,889 hemmten ihre Entwicklung. Erst ab dem Jahre 1959 verliehen ihr neue Veröffentlichungen Aufschwung.890 Gleichzeitig wuchs die Zahl der politikwissenschaftlichen Einrichtungen. Wie die Staatsrechts- und Staatslehre sich in der Weimarer Republik vom Rechtspositivismus zum gesellschaftlich-politischen Betrachter entwickelt hatte, gingen die Politikwissenschaften von ihrem Ausgangsfeld, der Wirklichkeitsanalyse, über zum Werturteil und zur Problemlösung.891 Die Überschneidungen wurden zunächst weitestgehend ignoriert.892 Der Politikwissenschaftler Sontheimer schlug 882
Strickrodt, Die notwendige Position der Staatsrechtslehre, in: JZ 1952, S. 385
(390). 883
Strickrodt, Die notwendige Position der Staatsrechtslehre, in: JZ 1952, S. 385. So warnte Grewe, dass der bezweckte Schutz vor den Gefahren der Weimarer Republik von vornherein gar nicht für die Bundesrepublik erforderlich sein könnte, ders., Das Grundgesetz, in: DRZ 1949, S. 313 (317). Vgl. auch Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 4, S. 134 f., 139. 885 Weber, Spannungen und Kräfte, S. 7. 886 Vgl. Stolleis, Staatsbild und Staatswirklichkeit, in: ZRG GA 124 (2007), S. 223 (230 f.). 887 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 4, S. 34 ff. 888 Friedrich Gieses Kommentar zum Grundgesetz etwa erschien – in einem Umfang von nur 142 Seiten – bereits 1949, vgl. ders., Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland: vom 23. Mai 1949, Frankfurt am Main 1949. Für die spätere Praxis waren die an der frühen verfassungsrechtlichen Ausgestaltung Beteiligten allerdings von geringerer Bedeutung, vgl. Möllers, Der vermisste Leviathan, S. 31. 889 Möllers, Der vermisste Leviathan, S. 31 f. 890 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 4, S. 202. 891 Grimm, Politische Wissenschaft als normative Wissenschaft, in: JZ 1965, S. 434 (438 f.). 892 Grimm, Politische Wissenschaft als normative Wissenschaft, in: JZ 1965, S. 434 (439 f.). 884
384
E. Die Bundesrepublik Deutschland
aber in seiner Antrittsvorlesung vor, die allgemeine Staatslehre entweder den Politikwissenschaften zuzuordnen oder aber sie durch einen Politikwissenschaftler lesen zu lassen.893 Möglicherweise wegen der zunehmenden Verdrängung aus dem eigenen Tätigkeitsbereich, möglicherweise weil das Bedürfnis nach politikwissenschaftlicher Grundbildung erkannt wurde, nahm sich die Staatsrechtslehre der Frage nach dem Verhältnis der beiden Disziplinen an. Die Staatsrechtslehrertagung vom 7. Oktober 1964 kam zu dem Schluss, dass die Staatsrechtslehre nicht auf die bloße Rechtsdogmatik einzuengen und in diesem Sinne durch die Politikwissenschaften zu ergänzen wäre;894 dass im öffentlichen Recht selbst Politikwissenschaften gelehrt werden müssten.895 Einen erneuten Methodenstreit gab es jedoch nicht.896 cc) Beobachtungen und Einordnung Nachdem es für kurze Zeit schien, als hätte sich die Universität in einer Phase des politischen und demokratischen Aufbruchs befunden, wurden derlei Hoffnungen schnell aufgegeben. Die radikalsten Forderungen verstummten mit zunehmendem Verblassen der Erinnerungen an die NS-Zeit, dem Willen des Staates zur Finanzierung der Wissenschaft und der Wiedererstarkung der Bürokratie.897 Eine bis zum Ende der sechziger Jahre kaum ausgeprägte Erinnerungskultur tat ihr Übriges.898 Vorgeblich kehrte Normalität in den Universitätsbetrieb ein.899 Als Hauptproblem für die Universitäten stellte sich die Wahrung ihrer geistigen und finanziellen Unabhängigkeit heraus. Die Aufgabe der staatsbürgerlichen, teils auch politischen Erziehung wurde angesprochen, aber so weit aus dem Zusammenhang zur staatlichen Entwicklung gerissen, dass es sich letztlich um eine „staatsbürgerliche Erziehung [. . .] ohne Staat“ 900 handelte. Gegen die „politische [. . .] Sterilität“,901 die an den Universitäten herrschte, wurde eine denkbare Erziehung zum politischen Diskurs in Aussicht gestellt.902
893
Sontheimer, Politische Wissenschaft und Staatsrechtslehre, S. 45 f. Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Empfehlungen, in: JZ 1964, S. 694. 895 Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Empfehlungen, in: JZ 1964, S. 694 (695). 896 Zu einem „subkutanen Methodenstreit“, einer Art Methodenstreit im Detail, vgl. Stolleis, Staatsbild und Staatswirklichkeit, in: ZRG GA 124 (2007), S. 223 (233). Zur zeitgenössischen Bewertung vgl. Strickrodt, Die notwendige Position der Staatsrechtslehre, in: JZ 1952, S. 385. 897 Raiser, Die Universität im Staat, S. 5. 898 Vgl. Hemmerle, Deutsche Hochschulen und Erinnerung, S. 277 f. 899 Woelk/Sparing, Universitätsgeschichtsschreibung, S. 8. 900 Weniger, Politische Bildung und staatsbürgerliche Erziehung, S. 23. 901 Van Laak, In der Sicherheit des Schweigens, S. 180. 902 Vgl. Weniger, Politische Bildung und staatsbürgerliche Erziehung, S. 45 f. 894
III. Auswertung
385
Obwohl der Einfluss der Wissenschaft und Lehre auf die politisch-soziale Entwicklung den Hochschullehrern mehr als bewusst war903 und auch die Gefahren der Wissenschaft und Lehre für die politische Macht gesehen wurden,904 blieb eine eingehende Beschäftigung mit der Verantwortungsfrage aus. Gerade die Staatsrechtslehre sah sich selten moralisch oder berufsethisch, so gut wie nie rechtlich gebunden, in ihrer Lehre für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzustehen. Dafür wurde die neue Ordnung weitestgehend anerkannt. Teils wurde der Staatsrechtslehre sogar zugutegehalten, dass die „Formenlehre“ zugunsten historischer, soziologischer Bezüge und politischer Zusammenhänge zurückgenommen wurde.905 Unabhängig davon, ob die nationalsozialistische Lehre tatsächlich an ihre eigene Distanzierung vom „Dritten Reich“ glaubte: Durch die Rückkehr der demokratischen Wissenschaftler906 und die stillschweigende Verdrängung der nationalsozialistischen Vergangenheit schien einer reaktionären Stimmung in der Lehre vorgebeugt.907 Wie nach Erstem Weltkrieg gab es weder einen „eigene[n] Erneuerungswille[n]“ 908 noch bemerkenswerte Veränderungen des Universitätsbetriebes im Vergleich der Jahre 1920 und 1965.909 Die Lehre war von vornherein entpolitisiert. Sie wirkte weder als ausgesprochener Antrieb, noch als Gegenpol zur Entwicklung eines liberalen, demokratischen Verständnisses.
III. Auswertung 1. Juristen und Staat In der zweiten Republik kehrte der Juristenstand in die Stellung zurück, die er vor der Zeit des „Dritten Reichs“ in Staat und Gesellschaft eingenommen hatte.910 Er setzte sich auch aus den gleichen Schichten zusammen wie zuvor.911 Jedoch blieb es nicht bei einer Wiederherstellung des status quo ante: Trotz eines geringen Reformumfangs wurde die Position der Juristen im und gegenüber dem Staat durch eine Welle der Unabhängigkeitsentwicklungen gefestigt. Die Etablierung naturrechtlichen Denkens, die Erhebung der Gerichte zur dritten Gewalt und die Behauptung einer vom politischen Tagesgeschehen unbeeindruckten geistigen Entfaltung an den Universitäten bedeuteten die Unabhängigkeit des Rechts, die 903 904 905
Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1956), S. 245. Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1956), S. 241. Ridder, Bemerkungen zur Reform des juristischen Studiums, in: JZ 1956, S. 525
(528). 906 907 908 909 910 911
Van Laak, In der Sicherheit des Schweigens, S. 181. Ähnlich Rüthers, Die heimliche Revolution, S. 23. Litt, Hochschule und öffentliches Leben, S. 57. Adam, Hochschule und Nationalsozialismus, S. 214. So auch Schwinge, Der Jurist in der modernen Gesellschaft, S. 24. Kaupen/Rasehorn, Obrigkeitsstaat, S. 206.
386
E. Die Bundesrepublik Deutschland
Unabhängigkeit der Rechtsprechung, die Unabhängigkeit der (Rechts-)Wissenschaft. Der Staat schaffte und ließ Freiräume in zuvor umkämpften Bereichen. Zwar gab es durchaus Versuche der Einflussnahme; Exekutive und Legislative traten aber sogar aktiv für die Unabhängigkeit gerade der Rechtsprechung und gegen Kritik an dieser ein; trotz aller Kritik am „radikalen Rechtswegsstaat“ 912 oder einer „Hypertrophie der Justizstaatlichkeit“.913 Gleichzeitig wurde die Bürokratie weiter ausgeweitet.914 Neben der Wirtschaft forderte auch der Staat eine Vielzahl juristischer Fachkräfte – mehr als noch zu Zeiten der Weimarer Republik.915 Auf das neue, gleichwohl in weiten Teilen aus dem Nationalsozialismus übernommene Beamtentum wurde kaum weltanschaulicher Einfluss genommen. Die Rückkehr der Beamten in ihre alten Berufe brachte zwar mit sich, dass formal Verfassungstreue gelobt werden musste, ein positives liberales Engagement in der Verwaltung entwickelte sich aber nicht.916 Der Juristenstand der Bundesrepublik konnte deutlich stärker aktiv Einfluss auf politische Prozesse nehmen – vor allem in der Rechtsprechung, die nun umso mehr die staatliche Macht mäßigen sollte. Dennoch wurde den Juristen eine besondere Beteiligung beim Aufbau des Rechtsstaates und der Durchsetzung einer neuen Staats- und Rechtsauffassung zugesprochen; man sprach gar von einer „rechtlichen Durchdringung des öffentlichen und privaten Lebens“.917 Ob diese Feststellung aber nicht eher auf die Verfassungsrechtsprechung beschränkt werden muss, soll an dieser Stelle offen bleiben. 2. Staatliche Juristenleitbilder Doch mit welchem Leitbild vor Augen wurde dem Juristenstand in der Bundesrepublik ein so großer Einfluss ermöglicht? a) Leitbilder der juristischen Ausbildung Aus dem Ausbildungsrecht und den Reformdebatten ergibt sich nur ein unscharfes Bild, was nicht zuletzt an der geringen Reformdichte, aber auch an der Uneinheitlichkeit der Ausbildung in den unterschiedlichen Ländern liegt. Zumindest auf eines musste die juristische Ausbildung hinauslaufen: auf die Entwicklung zum in Grundzügen bundesweit einheitlichen Universaljuristen, der prinzipiell in der Lage sein sollte, jede juristische Tätigkeit auszuführen. Das diente
912 913 914 915 916 917
Jahrreiss, Das Bundesverfassungsgericht, in: JuV 1950, S. 121 (124). Weber, Spannungen und Kräfte, S. 106. Schwinge, Der Jurist in der modernen Gesellschaft, S. 9. Ridder, Bemerkungen zur Reform des juristischen Studiums, in: JZ 1956, S. 525. So Niethammer, Reform und Rekonstruktion, S. 54. Sirp, Zu den Berufsaussichten der jungen Juristen, in: JZ 1960, S. 50.
III. Auswertung
387
nicht nur der sozialen und beruflichen Mobilität des Juristen, sondern war auch Ausdruck der Einheitlichkeit der Rechtsordnung. Trotz der Abwertung der sozialen Fächer zur Mitte der sechziger Jahre sollte der Jurist ein Verständnis für soziale Entwicklungen, für die geschichtlichen Hintergründe des Rechts und die philosophischen Fragen der Gerechtigkeit aufweisen. Über jeden Zweifel erhaben war die wissenschaftliche Ausbildung des Juristen: Der Jurist sollte nicht nur Wissen anhäufen, sondern ein Verständnis für die Grundzüge und Zusammenhänge zwischen den Studienfächern entwickeln. Gerade eine gesellschafts- und lebensnahe Bildung des Juristen erforderte zudem – trotz früher Zweifel – eine Verbindung von Theorie und Praxis. Von erstaunlich geringer Relevanz war dagegen das Verständnis für die neue staatliche Ordnung. Selbst das rechtsstaatliche Denken wurde kaum als zu fördernde Eigenschaft des Juristen hervorgehoben. Allerdings schien man davon auszugehen, dass spätestens der Vorbereitungsdienst dieses vermitteln würde, wo man den Dienst in der Justiz als Grundlage für die Entwicklung rechtsstaatlichen Denkens der Verwaltungsjuristen ansah. Nur in zwei Punkten grenzte sich die Ausbildung von der des früheren Juristen, vor allem von der des „Dritten Reiches“, ausdrücklich ab: Erstens wurde den Studierenden wieder eine weitgehende Freiheit in der Gestaltung ihres Studiums eingeräumt und die Eigenverantwortlichkeit des Referendars betont; zweitens wurde die Ablehnung der positivistischen Methode hervorgehoben. Dass der bundesrepublikanische Jurist damit in einen expliziten Bezug zur „demokratischen und rechtsstaatlichen Gesellschaftsordnung“ gesetzt worden wäre, kann allerdings kaum behauptet werden.918 b) Bundesrepublikanische Richterbilder: Die Rückkehr des unabhängigen Richters Der vom Positivismus befreite Richter schien zunächst auch das einzige Leitbild für einen neuen Richtertypus zu sein. Gerade aus der Politik wurde Zurückhaltung gewahrt: „Was ein Richter sein soll, läßt sich gesetzgeberisch nicht machen, sondern nur abgrenzen, vorbereiten, unterstützen.“ 919 Der Umfang der Reformen war durch den Föderalismus und Meinungsverschiedenheiten in Ministerien, Parlamenten und der Wissenschaft gering geblieben.920 Ob es mangels Reformen aber überhaupt keinen neuen Richtertyp gab, wie es Rudolf Wassermann 1964 resümierte,921 ist weniger leicht zu beantworten.
918 919 920 921
Anders Lührig, Reform der Juristenausbildung, S. 219. Arndt, Das Bild des Richters, S. 4. Wagner, Der Richter, S. 255 ff. Wassermann, Unsere konservativen Richter, in: DIE ZEIT, Nr. 11/1964, S. 32.
388
E. Die Bundesrepublik Deutschland
Zumindest für das Bild des Richters im Gesamten des Staates ist das zweifelhaft: Der unabhängige Richter war zum Hüter des Rechtsstaates berufen worden, ohne dass seine Stellung im Einzelnen deutlich verbessert worden wäre. Zwar hatte schon das Reichsgericht der letzten Republik eine Bindung an das positive Recht gelockert und sich eine Prüfungskompetenz zugesprochen, nun aber wurde die Prüfungskompetenz nicht nur toleriert, sondern ausdrücklich eingeräumt, obgleich damit auch eine grundsätzliche politische Entscheidungsgewalt des Richters anerkannt wurde. Der Richter war nicht mehr bloßer „Rechtsautomat“.922 Dafür war er an das Naturrecht gebunden und umso stärker zur Wissenschaftlichkeit verpflichtet. Die neue Macht der Gerichtsbarkeit wurde zudem durch das Bundesverfassungsgericht und vor allem die öffentliche Berichterstattung beschränkt. Einem wahrlich unabhängigen Richter stand nun die Presse als Gegenpol entgegen.923 Soweit sich Wassermann allerdings auf eine innere Erneuerung – einen neuen Richtertypen in geistiger Hinsicht – bezog, lag er wohl richtig: Die politische Auffassung des Richters wurde kaum thematisiert; allenfalls eine politische Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes wurde befürchtet. In den Vertrauenskrisen wurde zwar die gesteigerte staatspolitische Verantwortung der gesamten Richterschaft deutlich; und auch die Verantwortung für einen sozialen-gesellschaftlichen Ausgleich im neuen sozialen Rechtsstaat wurde angesprochen.924 Mehr, als dass der Richter nun Kritik zu ertragen und sich möglicherweise dazu äußern und im Übrigen mit der gesellschaftlichen Entwicklung Schritt zu halten habe, wurde daraus aber nicht geschlossen. 3. Juristenleitbilder und Staatsbewahrung Über den Rechtsstaat „nicht nur in der Form, sondern in der Sache und in der täglichen Wirklichkeit [. . .] zu wachen [,] ist die rechtliche und moralische Verpflichtung der Juristen“, schrieb Karl Siegfried Bader im Jahr 1946 über die Aufgabe eines einheitlichen Juristenstandes im neuen Staat.925 Nur wenig von dem findet sich in den Leitbildern wieder, die mit vager Allgemeingültigkeit vorgefunden wurden. Freilich: Die neue Richterschaft galt berufen, als dritte Gewalt, befreit von der Absolutheit des positiven Rechts, aber gebunden an übergesetzliche Wertvorstellungen einer neuen freiheitlich-demokratischen Grundordnung, die Verfassung und den Rechtsstaat zu wahren. Die Richter hatten eine so starke Stellung erlangt, dass sie selbst ein Interesse daran haben mussten, diese gegen autoritäre Eingriffe zu verteidigen. Das Hauptziel einer Staatsbewahrung durch 922 So auch Generalbundesanwalt Güde, Der Richter ist kein Rechtsautomat, in: DIE ZEIT, Nr. 07/1959, S. 3. 923 Schwinge, Der Jurist in der modernen Gesellschaft, S. 21. 924 Baur, Sozialer Ausgleich durch Richterspruch, in: JZ 1957, S. 193 (195, 197). 925 Bader, Die Deutschen Juristen, S. 41 f.
III. Auswertung
389
die Richterschaft lag nicht in der Hemmung reaktionärer Strömungen und auch nicht in der Zerschlagung kommunistischer Bewegungen, sondern in der stabilisierenden Wirkung der Rechtsprechung926 und sicherlich auch in der Begrenzung der staatlichen Gewalt gegenüber seinen Bürgern; in der Eindämmung autoritärer Erscheinungsformen innerhalb des Staates selbst.927 In der juristischen Ausbildung wurden grundsätzliche politische Erwägungen allerdings völlig übergangen. Die Verknüpfung der Juristenausbildung mit dem Bestand von Rechtsstaat und gesellschaftlicher und staatlicher Ordnung beschränkte sich auf Einzelüberlegungen; noch weniger wurde das Staatsrecht als möglicher Vermittler einer zu bewahrenden Ordnung anerkannt. Der Universaljurist sollte am Ende seiner Ausbildung befähigt sein, die Rechtsordnung aufrechterhalten,928 sie vielleicht auch durch seine Praxis- und Volksnähe stärken – mehr nicht. Nicht unberechtigt bemerkte Wassermann, Mitinitiator des „Hamburger Modells“,929 im Jahr 1965: Für „stürmische Zeiten“ des Rechtsstaates werde kein hinreichendes Verantwortungsbewusstsein gelehrt.930
926 927 928
Brüggemann, Gesetzesrecht und Richterrecht, JR 1963, S. 162 (167). Insofern zutr. Schwinge, Der Jurist in der modernen Gesellschaft, S. 12. Zu diesem Mindestmaß vgl. Schwinge, Der Jurist in der modernen Gesellschaft,
S. 5. 929 930
(122).
Siehe im Anschluss F. I. 2. Wassermann, Grundfragen der praktischen Juristenausbildung, in: JR 1963, S. 121
F. Spätere Zäsuren und ihre Kerngedanken In der gebotenen Kürze sollen nun noch zwei spätere Entwicklungsstufen der deutschen Juristenausbildung in einem kurzen historischen Ausblick gewürdigt werden: Die direkt an den vorangegangen Betrachtungszeitraum anschließenden Reformen zur Zeit der 68er Bewegung einer- und die Wiedervereinigung Deutschlands andererseits. Dabei soll nicht erneut detailliert auf Reformvorschläge und Reformen, Streitstände und staatliche Einflussnahme eingegangen werden. Vielmehr soll skizziert werden, ob und wie in der Reformdiskussion neue Schwerpunkte in der Ausrichtung der Juristenausbildung auf den Staat und die Gesellschaft gesetzt wurden.
I. Die Juristenausbildung im Geist der 68er 1. Die Beschlüsse von München und Mainz Zur Mitte der sechziger Jahre hatte bei vielen Beteiligten der Reformdebatten Resignation eingesetzt. Es galt der Satz: „Es gibt eine Geschichte der Ausbildungsreform, die ganze Bände füllt, aber die Reform selbst findet nicht statt.“ 1 Zur gleichen Zeit nahmen die Studentenproteste zu und ließen die Reformdebatten nicht unberührt. In seinen „Münchener Beschlüssen“ vom 16./17. Februar 1968 schlug der Ausschuss des Fakultätentages für die Studienreform „einschneidend[e]“ Änderungen vor, die zunächst noch allgemein auf die Ausbildung eines „fachlich geschulte[n], geistig selbstständige[n] und seiner Verantwortung bewußte[n] junge[n] Jurist[en]“ ausgerichtet waren.2 Der Prüfungsstoff sollte auf einen Kernbestand reduziert; das übrige Angebot an Veranstaltungen, in denen die Studierenden aktiver einbezogen wurden, hingegen vermehrt werden: „[D]em Einfallsreichtum der Fakultäten“ sei „keine Grenze zu ziehen“.3 Der pädagogische Wert der Ausbildung sollte zudem, auch durch die Auswahl pädagogisch fähigen Lehrpersonals, erhöht werden.4 Schon in den darauf folgenden Mainzer Beschlüssen im September und Oktober 1968 wurden die Münchener Reformvorschläge für den Prüfungsstoff neu gefasst: „I. Die Prüfung soll erweisen, daß der Kandidat in den Prüfungsgebieten Kenntnisse des geltenden Rechtes und 1
Wassermann, Erziehung zum Establishment, S. 35. Münchener Beschlüsse zur Fortführung der Studienreform vom 16./17. Februar 1968, in: JZ 1968, S. 223. 3 Münchener Beschlüsse vom 16./17. Februar 1968, in: JZ 1968, S. 223 f. 4 Münchener Beschlüsse vom 16./17. Februar 1968, in: JZ 1968, S. 223 (224 f.). 2
I. Die Juristenausbildung im Geist der 68er
391
Verständnis für dessen geschichtliche, gesellschaftliche und philosophische Grundlagen sowie für Probleme der Rechtspolitik hat [. . .]. II. Voraussetzung für die Zulassung zur Prüfung ist die Teilnahme an einem Seminar, in dem der Student ein Thema unter rechtshistorischem, rechtsphilosophischen und rechtssoziologischen Gesichtspunkt erfolgreich bearbeitet hat.“ 5 Diese drei Disziplinen konnten so „in ihrer ganzen Breite [. . .] durch eine Hintertür wieder [in die Prüfung] einbezogen werden“.6 Damit wurde die soziale und auch politische Ausbildung nach einem deutlichen Tiefpunkt mehr denn je in den Mittelpunkt der juristischen Ausbildung gestellt. 2. Die Loccumer Tagungen und der Arbeitskreis für Juristenausbildung Seinen Höhepunkt erreichte diese radikale Wende aber erst mit den Loccumer Tagungen und der Gründung des Arbeitskreises für Juristenausbildung durch die Professoren Ramm, Jäger und Wiethölter, den Landgerichtspräsidenten Wassermann sowie die Juristen Bull und Zenz.7 In seiner Entschließung vom 4. November erhob er eine drastische Anklage gegen die gegenwärtige Juristenausbildung: Der Studierende würde nicht zur Selbstverantwortlichkeit angeleitet, der Stoff würde mangels gesellschaftlich-politischer Bezüge unkritisch vermittelt, der Vorbereitungsdienst würde weder auf den späteren Beruf vorbereiten noch Interesse daran wecken; im Gegenteil den Verlust des im Studium gesammelten Wissens verursachen.8 Nicht alle Teilnehmer der Tagung gehörten dem neuen Arbeitskreis an; die Loccumer Tagung rief aber eine erhebliche Resonanz hervor9 und der Arbeitskreis selbst bestimmte fortan den Verlauf der Diskussionen. Der Eindruck des sozialen Wandels10 und die neue rot-gelbe Koalition auf Bundesebene, die versprach, eine neue Welle der sozialen Reformen zu ermöglichen, gaben den Reformern immensen Auftrieb.11 Gingen die Kritikpunkte der Entschließung vom 4. November am Stand der Juristenausbildung noch nicht über zuvor vereinzelt 5
Mainzer Beschlüsse, in: JZ 1969, S. 62. Schneider, Bericht des Vorsitzenden des Fakultätentages, in: JZ 1968, S. 64. 7 Vgl. Loccumer Entschließung des Arbeitskreises für Juristenausbildung, in: Wassermann, Erziehung zum Establishment, S. 88. 8 Loccumer Entschließung des Arbeitskreises für Juristenausbildung, a. a. O., S. 88. 9 Wassermann, Vorwort, in: Erziehung zum Establishment, ohne Seitenangabe. 10 Benseler/Rasehorn/Wassermann, Vorwort, in: Der neue Jurist, S. 7. 11 So Lührig, Reform der Juristenausbildung, S. 122 f. In den Beratungen über die Reform des DRiG am 29.4.1970 kündigte die CDU/CSU auch Widerstand an. Der Abgeordnete Vogel verkündete, „daß wir die dringend notwendige Reform der Juristenausbildung wollen. Wir erklären gleichzeitig, daß wir jeden Versuch bekämpfen, die Rechtswissenschaft, die Ausbildung der Juristen und die das Recht anwendenden juristischen Berufe ideologisch-politisch umzufunktionieren“, abgedruckt in: Presse- und Informationszentrum des Dt. Bt., Reform der Juristenausbildung, S. 12. 6
392
F. Spätere Zäsuren und ihre Kerngedanken
Geäußerte hinaus, waren die politischen Gesichtspunkte in dieser Präsenz dagegen völlig neu. Sie waren nicht nur gesellschaftlich-progressiv, sondern eindeutig einer politischen Linken zuzuordnen, die in der sonst traditionsverhafteten, konservativen Ausbildungsdebatte nur selten zu Wort gekommen war. Den Reformern des Loccumer Arbeitskreises schwebte vor Augen, den „habilitierungsfähige[n] Oberlandesgerichtsrat [. . .], der in der ,ordentlichen‘ Gerichtsbarkeit zu Hause ist“, ein Schreckgespenst aus der Zeit Savignys, zu vertreiben.12 Damit sollte eine zeigemäße Demokratisierung ermöglicht werden, die der Jurist als „Monopolist [. . .] der Rechtsfortbildung“ dadurch störte, dass er das Recht daran hinderte, seine politische Bedeutung zu entfalten.13 Eine entsprechende Reform hatte bei den „überholten und ablösungsreifen Grundlagen des tradierten Selbstverständnisses von deutschem Recht und deutscher Rechtswissenschaft“ anzusetzen.14 Durch eine Reform vor allem der praktischen Ausbildung sollte das Bild des Juristen erneuert werden. Gerade das Beamtenverhältnis im Vorbereitungsdienst wurde als Instrument betrachtet, den Juristen zum „Establishment“ zu erziehen, unter Kontrolle des Staates zu stellen15 und auch ein Festhalten am Bildungsideal des Richters erschien den Reformern als Verharren in der Juristenausbildung des Obrigkeitsstaates.16 Aber auch im Studium wurden ganz strukturelle Probleme gefunden: In allen Kernfächern würden „überkommene Wertsetzungen“ gelehrt – besonders im BGB, das von einer Gesellschaft des 19. Jahrhunderts ausginge.17 Die Rechtswissenschaft dürfte nicht länger von anderen Wissenschaftszweigen, gerade den Sozialwissenschaften unabhängig und isoliert sein.18 Die Universitäten an sich müssten politisiert; die herrschende Neutralität überwunden werden.19 Nebenbei müsste auch die Unabhängigkeit des Richters neu konzipiert werden,20 überhaupt bedürfte es eines neuen Juristentypen in allen Bereichen.21
12
Wiethölter, Anforderungen an den Juristen heute, S. 20. Wiethölter, Anforderungen an den Juristen heute, S. 5 f. Später ähnlich Troje, Juristenausbildung heute, S. 108. 14 Wiethölter, Anforderungen an den Juristen heute, S. 20; vgl. auch Rüthers, Institutionelles Rechtsdenken, S. 11. 15 Wassermann, Erziehung zum Establishment, S. 39. 16 Wiethölter, Anforderungen an den Juristen heute, S. 20 ff. Ein anderer Teil der Kritik zielte auf eine ihm unzeitgemäß erscheinende „Überbetonung“ von Zivilrecht, Strafrecht und Prozessrecht an. Wohl zust. später Lührig, Reform der Juristenausbildung, S. 219. 17 Wassermann, Erziehung zum Establishment, S. 41. 18 Wiethölter, Anforderungen an den Juristen heute, S. 7. 19 Wiethölter, Anforderungen an den Juristen heute, S. 21 f. 20 Wiethölter, Anforderungen an den Juristen heute, S. 28. 21 Wassermann, Erziehung zum Establishment, S. 43. 13
I. Die Juristenausbildung im Geist der 68er
393
3. Die „Experimentierklausel“ und die einstufige Juristenausbildung Eine derart weite Kritik blieb zwar ihrerseits nicht ohne Einwände; vermehrt setzte sich aber die Überzeugung durch, nach einem jahrzehntelangem Reformstau müssten nun „Experimente ermutigt und Ausbildungsmodelle entwickelt und erprobt werden, die sich nicht in einem Umbau des Herkömmlichen erschöpfen, sondern einen Neubau versuchen“.22 Die deutsche Rechtswissenschaft sollte fortan nicht ohne eine „Reflexion über die gesellschaftlichen, d.h. sozial-ökonomischen, ideologischen und politischen Voraussetzungen und Funktionen von Recht und Rechtswissenschaft, des Wissenschaftsbetriebs und der Arbeit des Wissenschaftlers“ auskommen; Theorie und Praxis waren unter einer gesamtgesellschaftlichen Betrachtung zusammenzubringen; die Rechtswissenschaft sollte zur Sozialwissenschaft werden.23 Für viele bedeutete das auch die Streichung des Vorbereitungsdienstes: Den Startschuss für Reformen brachte das Änderungsgesetz zum Deutschen Richtergesetz vom 10. September 1971.24 In § 5b DRiG wurde eine „Experimentierklausel“ eingeführt, die den Ländern ermöglichte, eine einstufige Juristenausbildung einzuführen. Die Gestaltungsfreiheit war umfassend: „Gleichwertig“ müsste die Ausbildung sein, mindestens fünfeinhalb Jahre andauern, einen praktischen, nicht näher bestimmten Teil bei „Gerichten, Verwaltungsbehörden und Rechtsanwälten“ umfassen und selbst die erste Prüfung sollte durch „eine Zwischenprüfung oder durch ausbildungsbegleitende Leistungskontrollen ersetzt werden“ können. Nach Art. III § 2 des Gesetzes trat die Experimentierklausel „mit Ablauf des 15. September 1981 außer Kraft“. Bis dahin wurde eine Vielzahl unterschiedlicher Modelle vorgeschlagen und zeitweise eingeführt – die meisten mit einer einstufigen Ausbildung.25 Nur einen punktuellen Vergleich soll hier der Blick auf die Zielbestimmung in § 2 des Bremischen Juristenausbildungsgesetzes aus dem Jahr 197326 bieten: „Ziel der Ausbildung ist es, den Juristen zu einer Berufspraxis zu befähigen, die in der sich wandelnden Gesellschaft dem Anspruch einer rechtsstaatlichen, demokratischen und sozialstaatlichen Verfassung genügt [. . .] (3) Die Ausbildung hat in den von ihr vermittelten Inhalten und Methoden, insbesondere durch sozialwissenschaftliche Grundlegung und Auslegung, einer Trennung von Theorie und Praxis entgegenzuwirken.“ 22 Beschluss des Deutschen Juristentages 09.1970, zitiert nach Rinken, Das Juristenausbildungsgesetz, S. 13. 23 Hoffmann, Inhaltliche Verklammerung von Theorie und Praxis, S. 135 f. 24 BGBl. I 1971, S. 1557. 25 Zu den Modellen vgl. Lührig, Reform der Juristenausbildung, S. 131 ff. Eine vergleichende Übersicht über die Umsetzung des Einstufen-Modells in den Ländern bzw. Universitäten bietet Braun, Juristenausbildung, S. 10. 26 GBl. Bremen 1973, S. 177.
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F. Spätere Zäsuren und ihre Kerngedanken
Zwei Punkte fallen auf: Die sozialwissenschaftliche Verbindung von Theorie und Praxis und die Rückbindung der Juristenausbildung an die rechtsstaatliche, demokratische und sozialstaatliche Verfassung. Zu letzterem wurde ausgeführt, die Bremer Universität fühlte sich „einer Verfassung verpflichtet, die als konkret geschichtliche Antwort auf das nationalsozialistische Unrechtssystem auch das Recht in den Zusammenhang der politischen Aufgabe stellt, eine demokratische Gesellschaft zu schaffen.“ 27 Über ein Vierteljahrhundert dauerte es bis zu einer Distanzierung vom „Dritten Reich“ und bis zu einem Bekenntnis zum Rechtsstaat im Ausbildungsrecht. Wie genau der neue Jurist nun den Rechtsstaat fördern sollte, blieb im Bremischen Ausbildungsgesetz allerdings offen. Wahrscheinlich lag hierin ohnehin nicht der Kern der Reform: Neben der Rechtsstaatlichkeit stand der Antitotalitarismus und – wohl am wichtigsten – die Sozialstaatlichkeit.28 So sollte der neue Jurist vor allem den gesellschaftlichen Wandel begleiten. Seine Notwendigkeit wurde im Zuge der Reformen nicht bestritten,29 dafür aber dessen Rolle neu formuliert. Der neue Jurist war „Sozialingenieur“.30 Der Jurist der 68er Bewegung war, soweit die vorgenommene kursorische Betrachtung einen ersten Eindruck zulässt, gesellschaftsnah und staatsfern, ein Vertreter des Sozialstaats und auch des Rechtsstaats – letzteres jedenfalls insoweit, dass er obrigkeitsstaatlichen Tendenzen entgegenwirkte.
II. Die Rechtsfakultäten als Hüter des Rechtsstaates: Ein Wort zur Einheit? 1. Die unmittelbaren Folgen der deutschen Einheit Die deutsche Einheit von 1990 hätte erneut das Potenzial gehabt, ein neues staatliches Juristenleitbild zu Tage zu fördern. Denn wieder galt es, wenngleich beschränkt auf die neuen Länder, eine neue Verfassungs- und Rechtsordnung durchzusetzen, die der bisherigen von Grund auf widersprach. In diesem Zuge war auch die Juristenausbildung an den nun veränderten Maßstäben auszurichten und es hätte Anlass bestanden, der bisherigen ideologischen 27
Rinken, Das Juristenausbildungsgesetz, S. 12. Wassermann/Rasehorn/Benseler, Vorwort, in: Der neue Jurist, S. 8. Ein Hinweis auf die Bedeutung von Rechtsstaatlichkeit und insbesondere auch Demokratie findet sich dafür an anderer Stelle. So wurde vom Juristen „Einsicht in die Grenzen der Demokratie und [die] demokratischen Beziehungen“ und ein Entgegenwirken gegen eine Verselbstständigung der Bürokratie gefordert, vgl. Troje, Juristenausbildung heute, S. 95. 29 Bull, Für die Abschaffung des „Vorbereitungsdienstes“, S. 79. 30 Gegen den „Juristen“ und für den „Sozialingenieur“, vgl. Schlosser, Jurist oder Sozialingenieur?, in: FS Eichler, S. 611. Siehe außerdem Zweigert, Vom Rechtsheiligen zum Sozialingenieur, in: DIE ZEIT, Nr. 08/1969, S. 56. Ähnlich Kübler, Amt und Stellung des Richters, in: DRiZ 1969, S. 379 (382); ders., Juristenausbildung im Zielkonflikt, S. 6. 28
II. Die Rechtsfakultäten als Hüter des Rechtsstaates
395
Vor- und Ausbildung der DDR-Juristen entschieden – und vor allem: aktiv – entgegenzuwirken. Wenngleich nicht völlig uninteressant, müssen die Erwartungen an eine solche Untersuchung aber von vornherein beschränkt werden. Eine auf die neuen Länder zugeschnittene Ausbildung gab es nicht. Stattdessen beließ man es dabei, das westdeutsche System schematisch auf die neuen Länder zu übertragen.31 Die rechtswissenschaftliche Ausbildung konnte durch die Beteiligung westdeutscher Lehrer alsbald fortgesetzt werden.32 Das heißt aber nicht, dass diese die Juristenausbildung am Rechtsstaat ausgerichtet hätten.33 Schnell herrschte Stillstand statt Reformtrieb.34 Die größte Aufgabe der Reformdebatten wurde an gänzlich anderer Stelle gesehen: Dringend gesucht war ein Weg, die Juristenausbildung an den Europäischen Binnenmarkt anzupassen.35 Soziologische, systemtheoretische Ansätze, wie sie in den Siebzigern nicht hinwegzudenken waren,36 waren wieder aus der Diskussion verschwunden.37 2. Neue Gedanken zum Juristen-Fakultätentag der Einheit Zum Deutschen Juristen-Fakultätentag des Jahres 1992 kam dennoch kurz die Frage auf, welche Rolle die Juristen eigentlich im modernen Staat einnehmen sollten. In einer „kleinen Positionsschrift“ anlässlich des Beitritts der neuen Länder38 hob der Vorsitzende des Fakultätentages Franz-Ludwig Knemeyer die Juristen als „Wächter des Rechts[,] [. . .] die dafür Sorge zu tragen haben, daß die Anwendung der Gesetze dem Recht entspricht und das Recht nicht durch den Staat selbst ausgehöhlt“ würde, hervor.39 Auf diesen Gedanken basierend wurden schließlich zwölf Thesen zur Juristenausbildung veröffentlicht, von denen zwei 31 Wassermann, in: Die Reform der Juristenausbildung Tagung, S. 4; Leptien, Ausbildung und Umschulung, in: DtZ 1994, S. 14 (15). 32 Leptien, Ausbildung und Umschulung, in: DtZ 1994, S. 14 (15); Werner, Der Aufbau der juristischen Fakultäten, S. 78. 33 Leptien, Ausbildung und Umschulung, in: DtZ 1994, S. 14 (15). Entscheidender schien die Schaffung eines „Wir-Gefühls“ sowie eine Überbrückung kommunikativer und sozialer Hürden gewesen zu sein, vgl. Werner, Der Aufbau der juristischen Fakultäten, S. 81 ff. 34 Mit Verweis auf sieben Kongresse oder Symposien allein im Jahr 1990, vgl. Martin, Unausgeschöpfte Möglichkeiten, in: JuS 1992, S. 86 (86). 35 Basedow, Juristen für den Binnenmarkt, in: NJW 1990, S. 959 (passim); Hadding, „Verkürzung und Straffung der Juristenausbildung“, in: NJW 1990, S. 1873 (1873); Hattenhauer, Juristenausbildung, in: JuS 1989, S. 513 (519). 36 Für eine systemtheoretische Bearbeitung vgl. Troje, Juristenausbildung heute, passim, insb. S. 19 ff. 37 Schmitt Glaeser, Die Juristen-Fakultäten als Hüter des Rechtsstaats, in: NJW 1995, S. 2597 (2601). 38 Knemeyer, Vorwort: Der Deutsche Juristen-Fakultätentag 1992, S. 6. 39 Knemeyer, Fakultätenkonferenzen zwischen 1920 und 1944, S. 43.
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F. Spätere Zäsuren und ihre Kerngedanken
mit Blick auf den Untersuchungsgegenstand dieser hervorzuheben sind. Erstens wurden die Grundlagenfächer für unverzichtbar erklärt: Nur sie gewährleisteten eine wirklich wissenschaftliche Ausbildung.40 Zweitens müsste ein Ziel der Ausbildung die Schaffung eines gewissen juristischen Ethos’ sein: Eine „Mitverantwortung für die Erhaltung der Rechts- und Verfassungsordnung, der Demokratie, des Rechtsstaates und des sozialen Friedens“, die nur dann vermittelt werden könnte, wenn den Studenten in der wissenschaftlichen Betrachtung ihre ethische Verpflichtung als Juristen verdeutlicht würde.41 Wenige Jahre später, im Juni 1995, griff Walter Schmitt Glaeser diese, auf dem Fakultätentag der Einheit angestoßene Überlegung in seinem Festvortrag zum 75-jährigen Bestehen des Deutschen Juristen-Fakultätentages erneut auf. In seinem Vortrag mit dem vielsagenden Titel „Die Juristen-Fakultäten als Hüter des Rechtsstaats“ benannte er die Rechtsfakultäten als Repräsentanten des Rechts – und die Hauptaufgabe wäre die Ausbildung des Juristen als Vorbereitung auf dessen besonderem Auftrag:42 Dieser Auftrag wiederum sei zwar stets von den Erfordernissen seiner Zeit abhängig – immer gehörte dazu aber auch die Stabilisierung der „jeweiligen konkreten Rechts- und Herrschaftsordnungen“ als „Systemfunktionär“.43 Im „Rechtsstaat des Grundgesetzes“ müsste der Jurist das Recht nicht nur anwenden, „sondern auch erklären und akzeptieren helfen“ und so die Zustimmung zum Rechtsstaat erhöhen: Der Jurist wäre „Funktionär des freiheitlichen Rechtsstaats“.44 Für die Fakultäten sollte dies konkret bedeuten, dass sie die im Grundgesetz angelegten übergesetzlichen Werte – wie die Menschenwürde – als Basis für die Rechtserziehung nutzen müssten, um sodann zu einem rechtsstaatlichen Geiste, einem Denken „in den Kategorien Recht und Gerechtigkeit“ zu erziehen.45 Gleichzeitig musste der Jurist verstehen, dass ein Kernbereich des Rechts vom Zugriff des Staates schlicht unabhängig war; die staatliche Gesetzgebung insofern vom überpositiven Recht beschränkt wäre. Eine solche Ausbildung müsste zwingend einheitlich sein. Keinesfalls dürfte der Jurist zum bloßen Bürokraten erzogen werden46 und ebenso wenig dürfte sich die Rechtswissenschaft „in Nachbarwissenschaften, wie z. B. Politologie oder Psy-
40
Knemeyer, Zwölf Thesen zur Juristenausbildung, S. 89 f. Knemeyer, Zwölf Thesen zur Juristenausbildung, S. 90. 42 Schmitt Glaeser, Die Juristen-Fakultäten als Hüter des S. 2597. 43 Schmitt Glaeser, Die Juristen-Fakultäten als Hüter des S. 2597 f. 44 Schmitt Glaeser, Die Juristen-Fakultäten als Hüter des S. 2598 ff. 45 Schmitt Glaeser, Die Juristen-Fakultäten als Hüter des S. 2600. 46 Schmitt Glaeser, Die Juristen-Fakultäten als Hüter des S. 2600. 41
Rechtsstaats, a. a. O., Rechtsstaats, a. a. O., Rechtsstaats, a. a. O., Rechtsstaats, a. a. O., Rechtsstaats, a. a. O.,
II. Die Rechtsfakultäten als Hüter des Rechtsstaates
397
chologie, Soziologie [. . .]“ auflösen.47 Die „juristische Ausbildung im Rechtsstaat“ hatte ihm zufolge „Schule zum skeptischen Juristen zu sein, der zugleich Zustimmung zum demokratischen Rechtsstaat vermitteln kann“.48 Dieses – in der Reformdebatte ausgesprochen seltene und daher hier auch hervorzuhebende – Gesamtbild des Juristen verfeinerte Schmitt Glaeser noch: Der Jurist sei Träger einer liberalen, rechtsstaatlichen Ideologie; er vermittele nicht nur das Recht, sondern auch den Rechtsstaatsgedanken und das antitotalitäre Denken des Grundgesetzes. Die Verantwortung für die Umsetzung einer entsprechenden Ausbildung verortete er von vornherein nicht in erster Linie in den Ausbildungsordnungen, sondern bei den Fakultäten, die gerade durch ihren Bildungsauftrag zu „Hütern des Rechtsstaats“ würden. Ausdrücklich widersprach er der Annahme Ralf Dahrendorfs, eine Juristenelite könnte den Staat der Freiheit nicht garantieren.49
47 Schmitt Glaeser, Die Juristen-Fakultäten als Hüter des Rechtsstaats, a. a. O., S. 2601. 48 Schmitt Glaeser, Die Juristen-Fakultäten als Hüter des Rechtsstaats, a. a. O., S. 2601. 49 Schmitt Glaeser, Die Juristen-Fakultäten als Hüter des Rechtsstaats, a. a. O., S. 2599.
G. Staatliche Juristenleitbilder Die vorstehende Darstellung hat zahlreiche Rechts- und Verfassungsentwicklungen, Änderungen in der Gerichtsbarkeit, der Juristenausbildung im Allgemeinen sowie den Universitäten und der Staatsrechtslehre im Speziellen in einem über die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hinausgehenden Zeitraum teils in Umrissen, teils im Detail nachgezeichnet. Die umfangreichen Ergebnisse gilt es nun auszuwerten. Nach einer übersichtlichen Gegenüberstellung der bisherigen Forschungsergebnisse im Folgeteil soll abschließend auf das Juristenleitbild des liberalen Staates eingegangen werden. Da die vorliegende Arbeit darauf verzichtet, selbst ein genaues Bild des idealen Juristen zu zeichnen, der am Ende einer an den Prinzipien moderner Freiheitlichkeit ausgerichteten Juristenausbildung stehen könnte, gilt es an dieser Stelle, zur Ausgangsfrage zurückzukehren. Herauszustellen ist, ob und inwiefern der Jurist des liberalen Staates auch den freiheitlichen Rechtsstaat garantieren sollte – und wenn nicht: warum.
I. Juristenleitbilder nach dem Umbruch: Eine Gegenüberstellung Die wesentlichen Änderungen und Erkenntnisse sind nun einander gegenüberzustellen, um abschließend aufzuzeigen, ob und an welchen Stellen die staatlichen Umbrüche Veränderungen nach sich zogen, die das Leitbild eines jeweils ,neuen‘ Juristen prägten. 1. Neuer Staat – neue Ordnung – neues Recht In jeder Phase der Entwicklung des deutschen Staates änderte sich selbstredend die Verfassungsordnung, auch wenn die Diktaturen – im Nationalsozialismus endgültig, in der DDR bis in die sechziger Jahre – formell allenfalls geringe Änderungen vornahmen. Jede Änderung der materiellen Verfassungsordnung schaffte eine neue Beziehung des Bürgers zum Staat: In Weimar wurde seine demokratische Beteiligung hervorgehoben und ihm wurden grundlegende Rechte gegenüber dem Staat eingeräumt;1 in den Diktaturen wurde seine Bedeutung als Individuum negiert, seine Freiheit gegenüber dem Geltungsanspruch von Staat
1
B. I. 2.
I. Juristenleitbilder nach dem Umbruch: Eine Gegenüberstellung
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oder „Volk“ zurückgestellt. Im Nationalsozialismus wurde dies durch eine absolute Unterordnung im Rahmen des geltenden Führerprinzip umgesetzt;2 im Sozialismus durch die Einordnung in ein Kollektiv von vermeintlich Gleichgeordneten.3 In der Bundesrepublik wurde der Grundsatz der Freiheitlichkeit zuletzt noch deutlicher als der der Demokratie hervorgehoben; auch die soziale Verantwortung des Staates wurde verfassungsrechtlich kodifiziert.4 Nur in der Weimarer Republik trat neben die neue Ordnung nicht auch ein neuer Begriff des Rechts. Der Positivismus und sein Postulat einer größtmöglichen Rechtssicherheit wurden, ohne hinterfragt werden zu müssen, übernommen.5 Im „Dritten Reich“ folgte man dem frank’schen Dogma „Recht ist, was dem Volke nützt“: An die Stelle der Rechtssicherheit wurde der willkürliche, nationalsozialistisch-zweckgerichtete Volkswille gesetzt.6 Im Sozialismus fiel das Recht in den Begriffskomplex der „sozialistischen Gesetzlichkeit“: Recht war das Machtmittel der jeweils herrschenden Klasse; nun also das Mittel zur Durchsetzung des Sozialismus. Statt auf den Volkswillen verwies man auf die Lehren des Marxismus-Leninismus, zunächst auch noch auf diejenigen Stalins. Das positive Recht konnte nicht mehr außerhalb seiner neuen, sozialistischen Zwecksetzung betrachtet werden.7 Beiden totalitären Staaten ist zu eigen, dass sie dem bestehenden positiven Recht durch eine neue Interpretation des Rechtsbegriffs und die Auffindung einer neuen Rechtsquelle auch einen neuen Sinn, eine ideologiegebundene Zwecksetzung verliehen.8 Die Bundesrepublik sollte zwar die Abkehr vom Willkürstaat markieren; dennoch fußte ihre – anders als im Nationalsozialismus und der SBZ/DDR – nicht zentral vorgegebene, aber weitestgehend einmütige Rechtskonzeption nicht etwa auf einer Abgrenzung von der willkürlichen Rechtsanwendung, sondern zunächst auf einer Absage an den Rechtspositivismus.9 2. Staat und Juristen: Die Richterschaft im Staat a) Neuordnung der Gerichtsbarkeit Ständigen Änderungen war auch das Verhältnis der Richterschaft zum Staat unterworfen. Stets war die Schaffung einer neuen Ordnung mit der Frage einer politischen Gerichtsbarkeit behaftet; mit der Frage, inwieweit den Richtern – zu 2 3 4 5 6 7 8 9
C. I. 2. D. I. 2. E. I. 2. Vgl. B. II. 2. b) bb). C. II. 1. D. II. 2. Vgl. erneut Fn. 6 und 7. Näher Rüthers, Die Wende-Experten, S. 165 ff. E. II. 1; vgl. auch die Abschnitte II. 2. c) aa) sowie II. 3. b) ff).
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G. Staatliche Juristenleitbilder
jedem Zeitpunkt fast ausschließlich Berufsjuristen – eine Kontrolle über die staatliche Gewalt eingeräumt werden sollte und durfte. Das betraf in den Diktaturen in erster Linie die Verwaltungsgerichte. Deutlich wurde die Entscheidung getroffen, das Handeln der Staatsgewalt nicht – oder allenfalls in minimalem Umfang – einer Überprüfbarkeit durch die Gerichte zu unterwerfen. Eine innerstaatliche Opposition der Gerichte gegenüber der vermeintlich legitimierten Staatsgewalt galt es zu unterbinden.10 Mit der Abkehr vom Begriff des subjektiven Rechts war eine mögliche Verwaltungsgerichtsbarkeit aber ohnehin um einen beträchtlichen Teil ihres ehemaligen Zuständigkeitsbereichs erleichtert worden. Die jeweilige – im Nationalsozialismus faktische und im Sozialismus auch rechtliche – Abschaffung war vor allem eine logische Konsequenz dessen. Die Begründung einer Verfassungsgerichtsbarkeit war damit erst recht ausgeschlossen. Die Aussicht, dass Verfassungsgerichte – wenngleich anhand der Verfassung – politische Entscheidungen treffen würden, die sogar für den unmittelbar demokratisch legitimierten Gesetzgeber bindend sein könnten, wurde aber auch in beiden demokratischen Republiken kritisch aufgefasst. Erst nachdem die Erfahrungen der Weimarer Republik nahegelegt hatten, dass ein Reichspräsident nicht zum „Hüter der Verfassung“ taugte11 und nicht zuletzt auf Drängen der Besatzungsmächte wurde das Bundesverfassungsgericht zum neuen Hüter der Verfassung erhoben. Als solches füllte es den grundgesetzlichen Begriff der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ mit rechtlicher Bedeutung und nahm unmittelbar gestaltend am Aufbau der neuen Verfassungsordnung teil.12 Der Neuaufbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit war in der Bundesrepublik eine Selbstverständlichkeit. Zwei Gerichte stechen bei der Betrachtung heraus, die als politische Sondergerichte konzipiert waren und die Justiz ihrer Zeit prägten: Das erste war der Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik in Weimar. In der kurzen Phase seines Bestehens (1922–1929) sollte er die republikanische Staatsform vor Verrätern schützen, bekämpfte jedoch langfristig die Kommunisten und weniger die Nationalsozialisten, die letztlich den Fall der Republik herbeiführten.13 Das zweite war der Volksgerichtshof des „Dritten Reiches“. Er stellte sicher, dass vermeintliche politische Verbrechen von Anfang an nicht dem Reichsgericht, sondern einer spezialisierten, politisch besonders zuverlässigen Gerichtsbarkeit zugewiesen würden.14 10
C. II. 2. a) cc); D. II. 3. a) bb). B. II. 2. a) cc). 12 Zu den Umständen der Gründung vgl. E. II. 2. a); zu dessen Konturierung des Begriffs der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, vgl. E. I. 2. 13 B. II. 2. a) aa) (2). 14 C. II. 2. a) bb). 11
I. Juristenleitbilder nach dem Umbruch: Eine Gegenüberstellung
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b) Unabhängigkeit und Einbindung der Richterschaft Eine der neuen Ordnung entsprechende Umgestaltung der Gerichtsbarkeit wurde nur in geringem Maße diskutiert. Wirklich entscheidend war der Umgang mit der alten und die Schaffung einer neuen Richterschaft, die der neuen Staatsform angemessen wäre. Außer in der DDR blieben personelle Wechsel in der Richterschaft in überschaubarem Rahmen. Und dennoch wurde – am wenigsten noch in der ersten Republik – stets ein neuer Richtertypus gesucht. Der Nationalsozialismus kannte den „Rechtsbewahrer“, auch wenn der Begriff nicht nur dem Richter, sondern dem Juristen im Allgemeinen gewidmet war;15 die DDR propagierte den demokratischen Richter der „sozialistischen Gerechtigkeit“ sowie dessen Prototypen, den „Volksrichter“;16 und in der Bundesrepublik wurde zwar kaum ein einzelnes Richterleitbild formuliert, dafür gleich der gesamte Staat zum Justiz- oder Richterstaat erklärt.17 Alle vier deutschen Staaten kannten und verlangten den „unabhängigen Richter“, der wenigstens „weisungsfrei“ sein musste. Die Gründe dafür waren vielfältig. Stets war eine unabhängige Richterschaft der zentrale Mittler zwischen staatlicher Ordnung und Volk; als eigene Einrichtung stärkte sie das Vertrauen in die jeweilige Rechtsordnung.18 Im NS-Staat bedeutete die unabhängige Gerichtsbarkeit darüber hinaus die Bestätigung deutscher Rechtstradition, deren Fassade selbstredend nur solange aufrechterhalten werden konnte, wie sie nicht der Durchsetzung des absoluten Machtanspruchs der Nationalsozialisten im Wege stand.19 Nur im liberalen Staat stand die Richterschaft auch für die Rückbindung des Staates an das Recht. In der Bundesrepublik wurde sie bereits im Zeitpunkt der Staatsgründung mit Schaffung einer eigenen Dritten Gewalt, der rechtsstaatlichen Bindung der Staatsgewalt an die Grundrechte und dem Vorbehalt des Gesetzes weitergedacht.20 Das Verständnis von richterlicher Unabhängigkeit legt gerade mit Blick auf die totalitären Regierungen auch das Verhältnis vom Staat zu seinen Juristen offen. Weder die DDR noch das „Dritte Reich“ hatten eine wirklich unabhängige Richterschaft. Der Richter des Nationalsozialismus war zwar nur eingeschränkt dem Führerprinzip und der Leitung durch das Justizministerium unterworfen; er sollte weisungsfrei und sogar frei von Beeinflussung bleiben. Seine politische Zuverlässigkeit war aber zwingende Voraussetzung für den Verbleib im Amt, in seiner Rechtsprechung war er an die nationalsozialistische Ideologie gebunden und die 15
Vgl. die Einleitung zu C. II. D. II. 3. b) bb). 17 E. II. 2. d). 18 Oder schwächte das Vertrauen im Verlauf einer Vertrauenskrise, vgl. etwa B. II. 2. a) aa) (1); b) dd); C. II. 2. b); D. II. 2. b) bb); E. II. 2. d). 19 C. II. 2. b). 20 E. II. 2. b) aa). 16
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G. Staatliche Juristenleitbilder
Richter konnten sich ungehinderten Einschüchterungsversuchen der SS ausgesetzt sehen.21 Dennoch stand die tatsächliche Einbindung der Richterschaft in den Staatsapparat in keinem Verhältnis zu den Maßnahmen der DDR. Der Vorgabe politisch wünschenswerter Urteile mithilfe von Unterrichtsbriefen im „Dritten Reich“ steht ein umfassendes, verpflichtendes fachlich-weltanschauliches Fortbildungssystem in der DDR gegenüber, ein aktiver Einbezug der Richter in Parteiangelegenheiten und damit die absolute Politisierung der Richter im Sinne des Sozialismus. Die Anleitung der Gerichte durch das Oberste Gericht stellte die Gerichtsbarkeit als einheitlichen Arm der Staatsmacht heraus, sorgte aber schlechterdings nicht für ein größeres Maß an geistiger Unabhängigkeit innerhalb der Rechtsprechung.22 In der Demokratie ging die Unabhängigkeit gänzlich andere Wege. So vermochten in Weimar bereits Altersgrenzen und der Vorschlag demokratischer Wahlen für Richter erheblichen Protest hervorzurufen. Während sich an der Unabhängigkeit des Richters so wenig änderte, stellte die Richterschaft in der Wirtschaftskrise ihrerseits die Bindung an das Gesetz in Frage und behauptete eine eigene Verwerfungskompetenz mit der sie letztlich einen eigenen Machtpol gegenüber dem Parlament bildete.23 Die Weimarer Warnzeichen bezüglich einer politischen und gleichzeitig unabhängigen Richterschaft waren für die bundesrepublikanische Neukonzeption der unabhängigen Gerichte nicht ausschlaggebend. Sie wurden geradezu ignoriert. Im Gegenteil wurde die Bindung des Richters an das Gesetz durch die Akzeptanz übergesetzlichen Rechts gelöst; die Richter als „dritte Gewalt“ nur mit noch größerer Machtfülle ausgestattet. Der Eindruck zu großer Einflussnahme sollte vermieden werden. So gab es zwar Fortbildungen, sie waren aber nicht verpflichtend. Die Hoffnung auf eine vollständige institutionelle Unabhängigkeit in Form eines neuen Rechtspflegeministeriums wurde zwar enttäuscht; den Richtern wurden aber vermehrt Mitspracherechte eingeräumt. Die Unabhängigkeit schien gleichwohl nicht ernstlich in Gefahr.24 c) Der Kern der Justizkrisen Wenn ein anderer Begriff als die „Unabhängigkeit“ in Verbindung mit der Richterschaft immer wieder aufgetaucht ist, dann ist das der Begriff der „Justizkrise“. Die Ursprünge der jeweiligen Krise und der Umgang zwischen der Richterschaft und der übrigen Staatsgewalt konnten deutlich unterstreichen, welche Rolle der Richter im Staat einnehmen sollte. Die Vertrauenskrise der Weimarer Zeit war Ausdruck einer nach Macht strebenden, antidemokratischen und antiparlamentaristischen Richterschaft, die in
21 22 23 24
C. II. 2. b) aa). D. II. 3. c). B. II. 2. a) aa) (1); b) cc). E. II. 2. b) bb).
I. Juristenleitbilder nach dem Umbruch: Eine Gegenüberstellung
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Krisenzeiten nur umso deutlicher wurde. Ihre Aufwertungsrechtsprechung wertete sie als Einsatz für das Volk; wohl nicht zuletzt, weil seitens der Öffentlichkeit bereits der Vorwurf der Volksfremdheit im Raum stand. Der junge Parlamentarismus konnte sich nicht in den offenen Kampf mit den Richtern wagen, ohne die Krise zu verschärfen. Umgekehrt konnte die Richterschaft ihre Position in der Phase staatlicher Festigung nicht weiter ausbauen.25 Bis zum Ende der ersten Republik blieb der Konflikt ungelöst und das Verhältnis von Richtern und Staat angespannt. Die vermeintliche Justizkrise des „Dritten Reiches“ dagegen war zum überwiegenden Teil Propagandainstrument. Allein auf Grundlage der Rechtsprechung gab es keinen Anlass, den Juristen das Vertrauen zu entziehen. Stattdessen bestand ein allgemeines Misstrauen der rechts- und juristenfeindlichen Führung und daher das Bedürfnis, die Machtverhältnisse klarzustellen, die absolute Führung Hitlers auch als „oberster Gerichtsherr“ durchzusetzen.26 Gänzlich andere Voraussetzungen boten sich in der DDR. Die Schärfe, mit der die personelle Umgestaltung vollzogen worden war; mit der die Justiz politisiert wurde, verhinderte das Aufkommen einer internen Justizkrise. An ihrer Stelle stand die Behauptung einer Justizkrise im Westen, die den eigenen Richtern nicht nur die Gefahr des Westens und das Bild einer vom Volke angefeindeten „Klassenjustiz“, sondern auch das Privileg der Tätigkeit im DDR-Staatsapparat vor Augen führen sollte.27 In der Bundesrepublik gaben sich Regierung, Parlamente und Gerichte zunächst harmonisch: Man war sich einig, dass den Richtern der NS-Zeit kein ernsthafter Vorwurf gemacht werden durfte und hätte es womöglich dabei belassen. Erst die öffentliche Kritik an der Wiedergutmachungsrechtsprechung und das bald folgende Schlagwort der „unbewältigten Vergangenheit“ zwangen Regierungen und vor allem Parlamente, nach ersten Versuchen einer Inschutznahme, doch zum Handeln. Nur widerwillig und mit vorsichtig gewählten Worten wurde Kritik geäußert und einzelne Richter für womöglich belastet befunden. Allein diejenigen, die „exzessive“ Todesurteile verhängt hatten, sollten aus dem Dienst gedrängt werden. Dies reichte bereits, um Spannungen zwischen der Richterschaft auf der einen und Parlamenten und Regierungen auf der anderen Seite zu fördern. Alle Seiten bemühten sich, die Justizkrise alsbald für beendet oder wenigstens für ein allgemeines, nicht allzu drängendes Problem zu erklären.28 d) Richterbilder: Skizzen neuer „Richtertypen“ Zu keinem Zeitpunkt sollte in den letzten hundert Jahren ernsthaft auf Rechtsspezialisten, auf ausgebildete Juristen im Allgemeinen, im Speziellen aber auf Richter verzichtet werden. Schon aus der kursorischen Betrachtung wird aber 25 26 27 28
B. II. 2. c). C. II. 2. b) bb). D. II. 3. c) cc). E. II. 2. c) bb) und cc).
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G. Staatliche Juristenleitbilder
zweierlei deutlich: Der deutsche Juristenstand war im Betrachtungszeitraum weder eine „noblesse de robe“ – also keine Art von Amtsadel29 – noch war Deutschland eine „nation of lawyers“.30 Gerade der Auftrag der Richter, die neue Rechtsordnung durchzusetzen, bedeutete aber, dass die Gestaltung der Gerichtsbarkeit immer einen erheblichen Machtfaktor darstellte und in der Zeit des Umbruchs keinesfalls außen vor gelassen werden konnte. Welche Folgen es haben konnte, wenn die Entwicklung des Staates nicht auch im Verhältnis des Staates zu seinen Richtern diskutiert und in der Gerichtsbarkeit entsprechend reformiert wurde, ist an der Weimarer Republik leicht zu erkennen: Die Richter fanden in der Korrektur der parlamentarischen Gesetzgebung selbst eine Funktion im neuen Staat. Gleichwohl gab sich die Gerichtsbarkeit unpolitisch und unparteiisch. Im Nationalsozialismus und in der DDR bestand ein vollkommen neuer Richtertypus: Der Richter als Erzieher diente der Durchsetzung der staatlichen Rechtsund Wertordnung. In beiden Diktaturen waren die Gerichte sowohl politisch als auch parteiisch im Sinne der jeweiligen Staatsauffassung. In der Bundesrepublik schenkte man der Richterschaft erhebliche Aufmerksamkeit, auch wenn sich diese nicht in Kontrollmechanismen äußerte. Die Richterschaft galt ihrer personellen Kontinuität zum Trotz als dem übergesetzlichen Recht verpflichtete Wächterin über die staatliche Gewalt. Mittlerweile hatte sich die Auffassung durchgesetzt, dass auch der Richter im demokratischen Staat letztlich politische Entscheidungen traf und er sich der politischen Wirkung seiner Urteile bewusst sein musste. Als parteiisch galt er damit weiterhin nicht.31 Das grundlegende Konfliktpotenzial zwischen staatlicher Führung und einer als von ihm unabhängig geltenden Richterschaft hat sich stets unterschiedlich entfaltet; in den Phasen des Umbruchs war es aber stets deutlich erkennbar. Gleichzeitig war die entscheidende Bedeutung der Richterschaft bei der effektiven Umsetzung der neuen Rechtsordnung – jedenfalls im totalen Staat – unübersehbar. Nicht nur der totalitäre Staat, sondern auch der liberale Staat hatte daher einen Anlass, den Juristen zum Staate und seiner neuen Ordnung zu schulen; ob nun als Machtwerkzeug oder um die richterliche Souveränität in rechtsstaatliche Bahnen zu lenken.
29 Das gilt auch mit Blick auf die um die Wende zum 20. Jahrhundert errichteten Justizpaläste: Sie dienten nicht der Hervorhebung des Richters, sondern bedienten auch die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, insbesondere mit Erlass der Justizgesetze des Jahres 1877 gestiegenen Ansprüche an die Öffentlichkeit der Justiz – damit waren sie Ausdruck der bürgerlichen Rechtsstaatlichkeit. Hierzu und ablehnend zur Frage, ob die Gerichtsarchitektur zur Einschüchterung der Bevölkerung diente, vgl. Kähne, Gerichtsgebäude in Berlin, S. 18 f.; Klemmer/Wassermann/Wessel, Deutsche Gerichtsgebäude, S. 35; Landauer, Gerichtshäuser, S. 239. 30 So schon Duden, Bemerkungen über die heutige deutsche Juristenausbildung, in: JZ 1956, S. 644. 31 E. II. 2. b) aa) (2); 2. d).
I. Juristenleitbilder nach dem Umbruch: Eine Gegenüberstellung
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3. Der Staat und die Ordnung in den Ausbildungsreformen Jedenfalls in den deutschen Diktaturen wurde die Juristenausbildung erwartungsgemäß im größtmöglichen Umfang auf den neuen Staat und seine Ordnung ausgerichtet. Das Ziel der Ausbildung war immer auch eine Charakterbildung im Geiste des Menschenbildes der jeweiligen Weltanschauung. Juristenausbildung hieß weniger Bildung denn Erziehung. Erst spät und auch dann nur punktuell und in einem weiteren Sinne wurde die Charakterbildung im liberalen Staat aufgegriffen. Immer wiederkehrende Motive der Ausbildungsreformen sind das grobe Bild des Einheitsjuristen und das Problem einer nicht bewältigten stofflichen Überfüllung des Studiums. a) Zielsetzung Eine neue Gesamtzielsetzung hatte die Juristenausbildung im jeweils neuen liberalen Staat kaum erhalten. Vor allem eine gesetzliche Zielvorstellung, die offenkundig aus einem neuen liberalen Bild des Rechts und des Rechtsanwenders motiviert gewesen wäre, gab es mit einer Ausnahme – Hessen – nicht. Im Übrigen begnügte man sich damit, als Erfolg des Studiums das Erreichen des Studienziels; als Erfolg des Vorbereitungsdienstes den selbstständigen Erwerb der Befähigung zum Richteramt zu definieren.32 Erst später und nur in einigen Ländern wurde angedeutet, dass der Jurist am Ende seiner Ausbildung über das Recht hinaus auch die größeren Zusammenhänge erkannt haben müsste.33 In der Ausbildungsdebatte legten nur wenige Beteiligte, vor allem aber der Arbeitskreis für Fragen der Juristenausbildung um Gerhart Husserl, ihren Vorstellungen ein eigenes, konkretes Leitbild des neuen Juristen zugrunde: Im Falle des Arbeitskreises sollte dieser etwa besonders sozial befähigt sein.34 Gänzlich anders zeigte sich die Ausbildung in den totalitären Staaten. Schon die Präambel der nationalsozialistischen Justizausbildung von 1934 verdeutlichte den ganzheitlichen, weltanschaulichen Anspruch und legte dem Bildungsweg des Juristen ein konkretes Ziel zugrunde. Noch viel deutlicher als aus den Rechtsgrundlagen gingen die Erwartungen an das von der Juristenausbildung zu Leistende aus den Reformdebatten und Erwägungen hervor. Die Erziehung nicht nur zur jeweils nationalsozialistischen oder sozialistischen Gesinnung, sondern auch zu einer Anwendung des Rechts als Mittel zur Durchsetzung der Macht der herrschenden Partei war untrennbarer Teil des Staatszwecks und damit auch zwangsläufig Teil der Ausbildung.35 32 33 34 35
E. II. 3. a) aa) (1). E. II. 3. a) bb) (1). E. II. 3. b) aa). C. II. 3. c) aa); D. II. 4. b) cc) (1).
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G. Staatliche Juristenleitbilder
b) Aufbau der Ausbildung Zwei der deutlichsten Konstanten der Juristenausbildung waren der Einheitsund Volljurist und die gesetzliche Formulierung, dass die juristische Ausbildung zum Richteramt befähigen sollte.36 Die Einheitlichkeit der Juristenausbildung wurde wenigstens im Grundsatz immer anerkannt: Die Juristen sollten ein grundlegend einheitliches Niveau erreichen. Die größte Aussage zugunsten der Einheitsausbildung traf die Bundesrepublik, in der nun endgültig kein Unterschied zwischen Verwaltungs- und allen anderen Juristen mehr bestehen sollte. Die Kenntnis der einheitlichen deutschen Rechtsordnung ließ eine Differenzierung in der Ausbildung nur noch in engem Maße zu. Zudem sollte dem Juristen ein späterer Berufswechsel ermöglicht werden. Allerdings stand einer weiteren Vereinheitlichung und darauf basierenden Reformen das ,neue‘ Verfassungsprinzip entgegen, das sich in Form einer Vielzahl unterschiedlicher Regelungen am deutlichsten im neuen Ausbildungsrecht widerfand: der Föderalismus.37 Nur die DDR stellte sich gegen den Einheitsjuristen. Im Anschluss an ein Grundstudium waren die angehenden Juristinnen und Juristen auf einen konkreten Einsatzzweck vorzubereiten. Auf universale Einsetzbarkeit kam es vor dem Hintergrund einer effektiven Planwirtschaft nicht mehr an.38 Beide Diktaturen durchbrachen die traditionelle Juristenausbildung: der Nationalsozialismus mit der Einführung von Gemeinschaftslagern zur Etablierung militärischer Denkstrukturen;39 die DDR durch die Einführung einer Volksrichterausbildung, in der einerseits ein neuer weltanschaulicher Ausbildungsmodus erprobt, andererseits in kürzester Zeit eine neue, politische Zusammensetzung der Justiz erreicht wurde.40 Im Übrigen begannen weltanschauliche Differenzierungen im totalen Staat bei der Zulassung zum juristischen Studium: Im Nationalsozialismus durch rassische, weniger auch politische Auslese unter faktischem Ausschluss der Frau; in der DDR durch genaueste politische Auslese und aktive Förderung der Studierenden aus Arbeiterschichten und auch der Frau. Hier musste nach weltanschaulichen Maßstäben die Durchsetzung des Arbeiter- und Bauernstaates beginnen.41 Die in Weimar erreichte Gleichstellung der Frau in der juristischen Ausbildung war für das Gesamtbild des Juristen seiner Zeit ohne Bedeutung und auch in der Bundesrepublik wurde einer Durchsetzung der Chancengleichheit kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Auch die Förderung begabter 36
B. II. 3. a) aa); C. II. 3. a) aa); D. II. 4. b) aa); E. II. 3. a); bb); cc) (1). E. II. 3. b) bb). 38 D. II. 4. b) aa) (2) und (3); cc) (3). 39 C. II. 3. b). 40 D. II. 3. b) bb); II. 4. a) cc). 41 C. II. 3. c) bb); D. II. 4. b) cc) (2). Für Rüthers lag hier spätestens ab 1970 wohl der wesentliche Hebel zur Lenkung des Juristenstandes, vgl. ders., Die Wende-Experten, S. 151. 37
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Anwärter aus finanziell schwächeren Verhältnissen war kein Mittel sozialer Gestaltung des Juristenstandes.42 Mit einer Reform des Studienablaufs fielen die beiden Nachkriegsstaaten nach 1945/49 auf. Durch Seminare und Kolloquien unter Beteiligung staatlicher Funktionäre wurden gerade in der DDR schon früh die Auseinandersetzung mit dem Marxismus-Leninismus und der politische Meinungsaustausch gefördert.43 In der Bundesrepublik wurde zwar eine amerikanisierte Studienform abgelehnt; auch hier wurde aber neben pädagogisch intensiven Propädeutika auf wissenschaftliche Kolloquien gesetzt.44 Im weiteren Verlauf des Studiums sorgte insbesondere die DDR für eine frühe Einbindung in quasistaatliche Vereinigungen, namentlich die FDJ.45 Das Prüfungswesen wurde im totalen Staat dahingehend geändert, dass vermehrt politische staatliche Funktionäre, teils auch ohne juristische Vorbildung, die weltanschauliche Prüfung durchführten und so intensivierten.46 Der Vorbereitungsdienst, der die Referendare von der Universität aus zumindest zu erheblichen Teilen an staatliche oder staatsnahe Einrichtungen führte, wurde ebenso unterschiedlich bewertet. Immer sollte er dem künftigen Juristen eine selbstständige Aufgabenbewältigung ermöglichen. Darüberhinausgehende geistige Erwägungen wurden in der ersten Republik nicht angestellt. Dass der Vorbereitungsdienst einen am Obrigkeitsstaat orientierten Beamten hervorbringen würde, war weder ausdrücklich beabsichtigt noch befürchtet worden. Das „Dritte Reich“ nutzte dagegen verstärkt Arbeitsgemeinschaften, gerade um die nationalsozialistische Rechtsauffassung zu vermitteln und jegliche formalistische – sprich: objektive – Herangehensweise zu unterbinden.47 Die DDR richtete den Vorbereitungsdienst am deutlichsten am Staat und dem späteren Einsatz des Juristen aus. Ob in der Verwaltung, in der Justiz oder in anderen Gremien: Der künftige Jurist sollte hier unmittelbar zum Staatsfunktionär geschult werden. Im Staat der Kollektivierung und Arbeitsteilung bedeutete ein Einheitsjurist ein Weniger an Effizienz, sodass er bald zugunsten einer Zweiteilung der theoretischen, vor allem aber der praktischen Ausbildung abgeschafft wurde. In der Bundesrepublik gab es wieder wenige konkret staatsbezogene Erwägungen: Der Dienst der späteren Juristen des höheren Verwaltungsdienstes sollten in der Justiz rechtsstaatliche Grundsätze vermittelt bekommen. Der Dienst in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit sollte wenigstens in geringem Umfang die praktische Bedeutung der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit und die soziale Bedeutung des Rechts nachvollziehen lassen. 42 43 44 45 46 47
E. II. 3. b) cc). D. II. 4. a) cc). E. II. 3. b) dd) (1). D. II. 4. a) aa) (3); b) aa) (1) (b). C. II. 3. a) bb) (2); D. II. 4. b) aa) (1) (a). C. II. 3. c) cc).
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Vor allem im Nationalsozialismus, aber auch in der Bundesrepublik war die Gesamtdauer der Ausbildung auch eine Frage der Familienpolitik: Eine allzu lange Ausbildung war für eine früh- oder rechtzeitige Familiengründung hinderlich. c) Studieninhalte Mit Bezug auf die Eingangsthese stellt sich nun erneut die Frage, welche Rolle die einzelnen juristischen Lehrfächer für eine staats- und ordnungsnahe Ausbildung der künftigen Juristen eingenommen haben und insbesondere, inwiefern gerade die neue staatliche Ordnung in besonderem Maße zum Gegenstand der Ausbildung erhoben wurde; inwiefern sich die neue Ausbildung implizit oder explizit am neuen Rechtsbegriff orientierte. (1) Die Fachausbildung Ganz unterschiedlich wurde die Bedeutung des Strafrechts bewertet. Während es immer dem Schutz der bestehenden Rechtsordnung diente und als juristisches Kernfach für die Ausbildung als unentbehrlich galt und damit keiner besonderen Aufmerksamkeit bedurfte, wurde in den Diktaturen ein besonderer Fokus auf die strafrechtliche Ausbildung gelegt. Dort wurde das Strafrecht nicht nur auf die jeweiligen Feindbilder ausgerichtet; es diente auch als Mittel zur Disziplinierung des Volkes zur Wahrung des „Volksfriedens“ oder zur Durchsetzung der „sozialistischen Moralgesetze“.48 In der Ausbildungsdebatte des liberalen Staats, selbst in der Zeit des Republikschutzgesetzes, fanden sich dagegen keine Anzeichen für politisch motivierte Reformbestrebungen im Strafrecht. Überraschend erscheinen die politischen Dimensionen der Ausbildung im bürgerlichen Recht. Wie das Strafrecht wurde auch deren Bedeutung in Weimar und der Bundesrepublik als altbewährtes Prüfungsfach kaum diskutiert. Für den totalen Staat, der die Freiheit des Individuums aus seiner Ordnung verbannt hatte, stellte das Zivilrecht aber ein erhebliches Problem dar. Vor allem im „Dritten Reich“ galt es als Quelle liberaler Denkweise. Während die weltanschaulichen Maßstäbe in einzelnen Bereichen, insbesondere dem Familienrecht und dem Arbeitsrecht, kurzfristig umgesetzt werden konnten, war die innere Logik des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht durch einen baldigen Gesetzgebungsakt zu beseitigen. Dabei stand nicht nur die Privatautonomie im Widerspruch zur neuen Ordnung; auch der systematische Aufbau begünstigte einen formalen und objektiven, damit einen schlechthin unakzeptablen Ansatz der Rechtsanwendung. Entsprechend wurde versucht, diese Systematik in der Ausbildung zu durchbrechen.49 In der DDR wurde dazu als erste Sofortmaßnahme die weltanschauliche Umdeutung gesetzlicher Generalklauseln – darunter traditionelle Begriffe wie die 48 49
C. II. 3. c) dd) (3); D. II. a) bb) (4); b) cc) (4) (c). C. II. 3. c) dd) (3); D. II. 4. b) cc) (4) (c).
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guten Sitten sowie Treu und Glauben – angeordnet.50 Im demokratischen Staat wurde die politische Dimension der zivilrechtlichen Ausbildung nicht diskutiert; nicht einmal in der Bundesrepublik mit Blick auf die Entwicklung auf der anderen Seite der innerdeutschen Grenze. Selbst das Staatsrecht, zumindest in der Theorie das wichtigste Fach zur Vermittlung eines juristischen Staatsbewusstseins, wurde in der Weimarer Republik über die Forderung nach einem größeren Fokus auf das öffentliche Recht hinaus nicht und vor allem nicht unter politischen Gesichtspunkten thematisiert. Ganz anders war dies freilich im „Dritten Reich“: Hier sollte die gesamte neue Ordnung, die nationalsozialistische Gefolgschaft, zum Tragen kommen. Die Allgemeine Staatslehre hingegen wurde gerade durch die Vorlesung „Volk und Staat“ ersetzt, auch weil es nicht mehr als eine Staatsauffassung geben konnte. Das neue Fach verschärfte nur den weltanschaulichen Blick auf die Grundlagen des NSStaates.51 In der DDR wurde das Staatsrecht mitsamt der allgemeinen Staatslehre seinerseits vollständig in marxistisch-leninistischer Ausführung neu aufgelegt.52 Wenigstens stellenweise wurde in der Bundesrepublik die grundlegende Bedeutung des Staatsrechts anerkannt, wo ihm zugemessen wurde, „den Rechtsgedanken in allen Gebieten in gleicher Weise durchzusetzen“.53 Dass den im Nationalsozialismus aufgewachsenen oder zumindest teilweise bereits ausgebildeten Studierenden nun dringlichst das rechtsstaatliche Denken, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu vermitteln gewesen wäre, wurde aber keineswegs vertreten. Die ansatzweise Gleichstellung des öffentlichen Rechts mit dem Zivilund Strafrecht hat die Gesamtausrichtung der Ausbildung, gerade des Studiums seit den preußischen Studienordnungen gleichwohl sichtbar verändert.54 (2) Grundlagenfächer und die interdisziplinäre Ausbildung Als formend für den Gesamtcharakter des rechtswissenschaftlichen Studiums haben sich die wandlungsfähigen Grundlagenfächer55 und die interdisziplinären Fächer einschließlich der „Allgemeinbildung“ erwiesen. Auch hier blieb die Weimarer Republik im Reformeifer zurück: es ging vor allem um eine objektive wissenschaftliche Vertiefung; in der wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung um 50
Dies gilt vor allem für die Volksrichterausbildung, vgl. D. II. 4. a) aa) (2). C. II. 3. c) dd) (3). 52 D. II. 4. b) cc) (4) (b). 53 E. II. 3. b) ee) (1). 54 So auch Kübler, Juristenausbildung im Zielkonflikt, S. 12. 55 Der Begriff der Grundlagenfächer wird erst seit den späten sechziger Jahren regelmäßig verwendet und unterschiedlich eng gefasst. Hier meint er sämtliche Fächer, die weder eindeutig den Kern- und Nebenfächern (etwa dem bürgerlichen Recht und dem Familienrecht) noch den fachfremden Vorlesungen (Wirtschaftswissenschaften, allgemeine Philosophie etc.) zuzuordnen sind, eingehend dazu Soergel, Implementation der Grundlagenfächer, S. 2 f. 51
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die Ergänzung praktischer juristischer Fähigkeiten. Im Nationalsozialismus hoffte man, mit einer entsprechenden Betonung der geschichtlichen Fächer ein – falsches – Bild originär deutscher Rechtstradition zu vermitteln. Praktisch relevanter als die Rechtsgeschichte war dabei die Geschichte im Rahmen der nationalsozialistischen Allgemeinbildung, die als schriftliche „geschichtliche Aufgabe“ in beide juristische Prüfungen einzog. Über den Weg der entsprechenden allgemeinbildenden Prüfung konnte die ideologische Festigung der Kandidaten festgestellt werden.56 Die DDR legte ihrerseits erheblichen Wert auf die sozialistische Philosophie Marx’ und Lenins, die Geschichte der Arbeiterbewegung und die nationalökonomischen Auswirkungen des Sozialismus: Sämtliche Grundlagenfächer fügten sich in das Gesamtbild einer sozialistischen Ausbildung ein. Hier wurde die weltanschauliche Bildung in die Tiefe betrieben.57 Bis dieser Gedanke zur Mitte der sechziger Jahre kurzzeitig zum Erliegen kam, sollten in der Bundesrepublik die Rechtsgeschichte, die Rechtsphilosophie und die Rechtssoziologie ein Verständnis für die Entwicklung und die Auswirkungen des Rechts vermitteln, den Juristen auch vom positiven Recht lösen und zunehmend zum kritischen Denken befähigen.58 Bis in den siebziger Jahren der ,soziale Jurist‘ zum Leitbild erklärt wurde,59 blieb dieser Teil der juristischen Kenntnisse allerdings nur einer von vielen Einzelaspekten. Zur vollständigen Orientierung am Leitbild des politisch und sozial aufgeklärten Rechtsanwenders war es in der ersten längeren Phase der bundesrepublikanischen Ausbildungsreform nicht gekommen.60 Dass der Jurist auch im liberalen Staat ein hohes Maß an Allgemeinbildung aufweisen sollte, stand außer Streit. Die begriffliche Unklarheit stellte allerdings ihre Eignung als Prüfungsstoff in Frage.61 d) Juristische Ausbildung zwischen Wissenschaftlichkeit und Praxisbezug Als Gemeinplatz für Forderungen nach Ausbildungsreformen muss – in der historischen Betrachtung – ihre Wissenschaftlichkeit gelten. Sie wurde immer vorausgesetzt, aber in aller Regel nur dort herangezogen, wo es um eine Forderung nach verstärkt praxisorientierter Ausbildung ging. Im Nationalsozialismus bedeutete Wissenschaftlichkeit nicht mehr als eine Ausbildung durch Hochschullehrer an den Universitäten. Erst unter Thierack aber erklärte das Reichsjustizministerium allein die praktische Brauchbarkeit der 56
C. II. 3. c) dd) (1). D. II. 4. b) cc) (4) (b). So auch Soergel, Implementation der Grundlagenfächer, S. 282. 58 E. II. 3. b) ee) (2). 59 Hierzu kurz unter F. I. 2. 60 E. II. 3. b) jj) (1). 61 E. II. 3. b) ee) (2). 57
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angehenden Juristen für entscheidend.62 In der DDR wurde ebenfalls vornehmlich die praktische Ausbildung betont. Es wurde aber auch ein eigener, vergleichsweise klarer Wissenschaftlichkeitsbegriff zugrunde gelegt: Die Studierenden sollten die marxistisch-leninistischen Grundlagen des Rechts kennen und anwenden können, sich also nicht nur im Ergebnis, sondern auch in der Begründung auf fester theoretischer Grundlage bewegen können. Dadurch sollten vermeintlich imperialistische, also objektive und unparteiliche Denkmuster abgelegt werden.63 In der Bundesrepublik wurde erneut der traditionelle Wissenschaftsbegriff vorausgesetzt – natürlich unter der Maßgabe, dass ein Positivist nicht das Ergebnis der Ausbildung sein könnte. Dass bald trotzdem nahezu einmütig ein größerer Praxisbezug verlangt wurde, hing mit dem Wunsch zusammen, einer „Volks-“ und „Lebensfremdheit“ des angehenden Juristen zu begegnen.64 Eine den Verhältnissen in der DDR vergleichbare Vorstellung derart, dass nur der wissenschaftlich gebildete Jurist ein Verständnis für die Bedeutung des Rechts für den freiheitlichen Rechtsstaat und gerade dessen Gesellschaft entwickeln könnte,65 war keineswegs verbreitet. Das Stichwort der „juristischen Methode“ blieb außerhalb des Arbeitskreises um Husserl für die Ausbildungsreform bedeutungslos. e) Das Richteramt als formelles Leitbild der Juristenausbildung Mit Ausnahme der DDR, die mit ihrem Spezialistensystem konsequent hiervon Abstand nahm,66 begleitete die „Fähigkeit“ oder „Befähigung zum Richteramt“ die deutsche Juristenausbildung als formelles Leitbild.67 Dabei schien zumindest denkbar, dass eine solche Bezugnahme Grundlage für eine über die fachlichen Fähigkeiten hinausgehende geistige Ausbildung sein und ein konkretes „Juristenethos“ in greifbare Nähe rücken könnte: Der Richter wurde stets als besonders sensibler Vermittler zwischen dem staatlichen Recht und dem von ihm betroffenen Einzelnen wahrgenommen. In der Monarchie wie im liberalen Staat galt der Richter vor allem in Abgrenzung zu Rechtsanwälten und Verwaltungsjuristen als unparteiisch und von der „eigenen Interessenorientierung“ befreit – wenn auch seit der Bundesrepublik nicht mehr dezidiert unpolitisch.68 Dort nämlich wachte 62
C. II. 3. c) ee). D. II. 4. b) cc) (5). 64 E. II. 3. b) ff). 65 So in jüngerer Zeit Möllers, Editorial, in: Der Staat 58 (2019), S. 503 (505). 66 D. II. 4. b) cc) (4) (d) und (6). 67 Die „Befähigung zum Richteramt“ als Ergebnis der Juristenausbildung i. S. d. DRiG wurde zuletzt ausdrücklich bestätigt im Jahr 1984, vgl. den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes vom 12.3.1984, BT-Drucks. 10/ 1108. 68 Dylla-Krebs, Befähigung zum Richteramt, in: BRJ Sonderausgabe 01/2016, S. 1 (6). Allerdings wird teilweise bemängelt, dass das politische Bewusstein der Richter63
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von Anfang an die Rechtsprechung als „dritte Gewalt“ über die Einhaltung des Rechts – auch und gerade durch den Staat. Dieses Leitbild der Befähigung zum Richteramt wurde jedoch in den Reformdebatten von Weimar bis zur Bundesrepublik fast nicht berücksichtigt. Allein in der Weimarer Republik, in der die praktische Ausbildung besonders justizbetont war, brachte das preußische Justizprüfungsamt den Prüfungserfolg überhaupt mit der Fähigkeit zum Richteramt in Zusammenhang. Im Nationalsozialismus bestätigte man die Bedeutung des Richters allenfalls, um dann festzustellen, dass am Ende des Weges nicht der Richter, sondern der Universaljurist stehen sollte.69 In der Bundesrepublik blieb die Bedeutung des Richteramtes für die Juristenausbildung unerwähnt. Man verwies umgekehrt darauf, dass Richter nur sein könne, wer eine wissenschaftliche Juristenausbildung durchlaufen hatte.70 Mit einer zu fördernden besonderen inneren Einstellung der angehenden Juristen war die „Befähigung zum Richteramt“ nicht verbunden. Damit hat sich auch die Erwartung, dass die Befähigung zum Richteramt als Verknüpfung der Juristenausbildung und den Änderungen im Verhältnis des Staates zu seinen Richtern gedient haben könnte, nicht bestätigt. Tatsächlich aber zeichneten sich die Entwicklungen in der mehr oder weniger unabhängigen Rechtsprechung und auch die teils massiven, tatsächlichen oder vorgeblichen Krisen der Justiz nicht im Reformverlauf der Juristenausbildung ab. Selbst die „Vertrauenskrise“ im Nationalsozialismus warf nicht die Frage nach einer neuen Ausbildungsreform auf. Die Befähigung zum Richteramt ist diffus geblieben. Eine ideelle oder materielle Bedeutung für die Juristenausbildung hat sie nicht entfaltet. Aus historischer Sicht scheint das Leitbild verzichtbar. Andere konkrete Berufsbilder spielten in der Ausbildung und ihrer Reformdebatte allerdings auch keine größere Rolle.71 f) Die lange Tradition des Volljuristen Denn wesentlich wichtiger als ein bestimmtes Berufsbild war den Beteiligten der Reformdebatten das Leitbild wahlweise des Einheits-, Universal- oder des Volljuristen. Das gilt für die Weimarer Republik ebenso wie für den Nationalsozialismus und die Bundesrepublik Deutschlands, in der letztlich auch der Verwaltungsjurist im System der einheitlichen Juristenausbildung aufging. Außer im schaft in der jüngeren Entwicklung zurückgegangen sei, vgl. Lamprecht, Richter machen Politik, in: NJW 2017, S. 3495 (3499). 69 C. II. 3. c) ff). 70 Brüggemann, Gesetzesrecht und Richterrecht, in: JR 1963, S. 162 (167). 71 Für den Nationalsozialismus ergibt sich die Unerheblichkeit des Rechtsanwaltsberuf nur logisch aus dessen geringer gesellschaftlicher Relevanz, vgl. Stolleis, Sozialistische Gesetzlichkeit, S. 34 f.
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Spezialistensystem der DDR herrschte Einigkeit, dass „kein noch so spezialisierter Berufszweig des Juristen denkbar [ist], der nicht den Gesamtblick über die Grundfragen des Rechts erfordern würde“.72 In späteren Erörterungen zum Volljuristen wurden diesem eine ganz immense Bedeutung für den Rechtsstaat zugemessen: Er gewährleiste etwa, „daß das Gesetz herrsche, nicht der technische Sachverstand, nicht die Effizienz, sondern die normgewordene Politik, nicht die Politik als solche“.73 Zudem glaubte man, dass die Spezialistenausbildung der DDR die Lenkbarkeit des Juristenstandes sichergestellt hatte und nur der Volljurist diesen vor dem Zugriff eines totalen Staates schützen könne.74 Eine solch konstituierende Bedeutung des Volljuristen für den freiheitlichen Staat lässt sich aufgrund der vorliegenden Betrachtung nicht bestätigen. Wo die Entscheidung zugunsten des Universaljuristen ausfiel, spielten weltanschauliche Gesichtspunkte keine Rolle. Das gilt für die Weimarer Republik ebenso wie für die Bundesrepublik – und selbst im Nationalsozialismus war die Ausbildung zum Volljuristen eine der wenigen Modalitäten, die keiner weltanschaulichen Begründung bedurften. Es ging neben einem zugeschriebenen besseren Verständnis für die einheitliche Rechtsordnung75 um eine Herstellung einheitlicher Standards und ein allgemeines Mehr an beruflicher Mobilität.76 Die Annahme, dass der Volljurist in der DDR in erster Linie wegen seiner unzureichenden Lenkbarkeit abgeschafft worden sei, ist kaum haltbar. Die ideologische Bindung des angehenden Juristen begann bereits mit der Auslese politisch geeigneter Kandidatinnen und Kandidaten; die Ausbildung selbst war trotz der Spezialisierung weiterhin darauf ausgerichtet, den Studierenden ein Gesamtverständnis der Rechts- und Staatsauffassung zu vermitteln. Die sich anschließende Spezialisierung war nicht mehr Hauptmechanismus totalitärer Lenkung, sondern eine in der Planwirtschaft erforderliche Form der Arbeitsteilung. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass man sich im Nationalsozialismus für und nicht etwa gegen einen vermeintlich freiheitssichernden Volljuristen entschied. 4. Die Universitäten: Wissenschaft und staatsbürgerliche Erziehung Die akademische Selbstverwaltung, die Freiheit der Wissenschaft und die Freiheit der Lehre sind originär liberale Gedanken. Ihr Untergang in der Diktatur überrascht nicht; ebenso wenig, dass sich mit dem neuen totalen Staat stets der 72 So die Stellungnahme der 32. Justizministerkonferenz im Jahr 1965, vgl. den Bericht: Reform der juristischen Ausbildung, in: DRiZ 1965, S. 199; vgl. die Verweise auf Freisler unter C. II. 3. c) ff). 73 Leisner, Das Juristenmonopol, S. 61. 74 Weidenkauff, Juristenausbildung, S. 75 ff. 75 E. II. 3. b) dd) (2). Heute noch Weidenkauff, Juristenausbildung, S. 74; ähnlich Kübler, Juristenausbildung im Zielkonflikt, S. 20 f. 76 E. II. 3. b) dd) (2).
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Wissenschaftsbegriff änderte. Die Suche nach Wahrheit konnte nur die Suche nach einer weltanschaulich bereits festgestellten sein. Die Wissenschaft hatte daher die Funktion, die weltanschaulichen Grundlagen wissenschaftlich zu begründen oder die wissenschaftlichen Erkenntnisse weltanschaulich zu begründen. Die Erziehung zum totalen Staat war zweifellos nicht nur das Ziel der Juristenausbildung, sondern auch allgemeine Aufgabe der Universitäten.77 Im liberalen Staat beschränkte die freiheitliche Ausgestaltung des Universitätsbetriebs den staatlichen Einfluss auf die pädagogische Ausgestaltung der Universitäten. Dies gilt sogar für die Weimarer Zeit, als die Satzungshoheit noch in staatlicher Hand lag. Eine konkrete geistige Erziehung konnte der Staat den Universitäten kaum vorschreiben. Es blieb daher dabei, dass ihnen die Aufgabe einer unspezifischen staatsbürgerlichen Erziehung traditionell zugewiesen blieb.78 Der Gedanke politischer Erwachsenenerziehung war zahlreichen Vertretern der liberalen Ausbildungsdiskussion zwar suspekt, aber keineswegs fremd. Eine Politisierung des Universitätsbetriebs fand in der ersten Republik nicht seitens der Lehre, sondern maßgeblich in Form politischer, vor allem rechtsextremer Hochschulgruppen statt.79 In der Bundesrepublik verhinderten vor allem die allgemeine Notsituation und eine offensiv unpolitische Haltung der Beteiligten, dass die Universitäten zum Bereich des Politischen wurden. Das betraf aber in erster Linie nicht die Gründung hochschulpolitischer Gruppierungen, sondern den allgemeinen politischen Austausch, der durchaus gewünscht gewesen wäre. Die Universität war im Kern vor allem im bundesrepublikanischen Selbstbild ein staatsferner, entpolitisierter Betrieb.80 5. Die Lehre: insbesondere die Staatsrechtslehre und ihr Erziehungsauftrag Die Staatsrechtswissenschaft und ihre Vertreter in der Staatsrechtslehre waren stets an der Entwicklung einer neuen Verfassung und staatlichen Ordnung beteiligt. Im Totalitarismus rechtfertigten sie den neuen Staat und verliehen ihm bisweilen auch unter Rückgriff auf gebräuchliche Rechtsbegrifflichkeiten rechtliche Legitimation.81 Bis auf den kleinen, demokratischen „Weimarer Kreis“ war die ,neue‘ Staatsrechtslehre der ersten Republik weitläufig reaktionär eingestellt. Der Methodenstreit, den sie für sich entscheiden konnte, erlaubte ihr die Hinwendung zum Politischen, den theoretischen Kampf gegen den verfassungstheoretischen Unterbau 77 78 79 80 81
C. II. 3. d) aa); D. II. 4. b) dd) (1). B. II. 3. c) aa) (2); E. II. 3. c) aa) (2). B. II. 3. c) cc). E. II. 3. c) aa) (2); cc). C. II. 3. d) bb) (2); D. II. 4. b) dd) (2) (b).
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des neuen parlamentarischen Staates.82 Im Nationalsozialismus setzten einige dieser Kämpfer gegen den Parlamentarismus – namentlich Otto Koellreutter und Carl Schmitt – ihren Kampf nun für den Nationalsozialismus fort, bis sie von einer neuen Elite abgelöst wurden, die ihrerseits die theoretische Unterfütterung der politischen Grundbegriffe der NSDAP fortführte. Wohl in Anknüpfung an die deutsche Staatstradition führten einige den Rechtsstaatsbegriff in eine nationalsozialistische Lesart über. Dies trug dazu bei, dass zumindest eine traditionelle liberale Vorstellung, der Vorbehalt des formellen Rechts, teilweise überlebte – auch wenn er praktisch bedeutungslos war.83 Die Staatsrechtslehre der DDR beschritt einen vornehmlich kosmetisch anderen Weg: Alte Rechtsbegriffe mussten entweder als Relikt des Liberalismus verworfen oder aufgrund vorgeblicher allgemeiner Inhaltsleere aufgegeben werden. Mit neuen Konstrukten wie der „sozialistischen Gerechtigkeit“ sollten sie ihrer Aufgabe gerecht werden, die Massen an den sozialistischen Staat heranzuführen und den Aufbau des Sozialismus zu begünstigen.84 Die frühe Bundesrepublik kam ohne Methodenstreit aus. Die demokratischen Rechtslehrer Weimars beteiligten sich an der Ausarbeitung unterschiedlicher Verfassungen. Kritik an der neuen Verfassung war zwar an der Tagesordnung, auch von Wissenschaftlern zweifelhafteren Werdegangs wie Ernst Forsthoff, aber eine offene Opposition zum neuen Parlamentarismus entstand nicht. Ein besonderer Erziehungsauftrag der Staatsrechtslehre stand jederzeit im Raum. In den totalen Staaten, insbesondere der DDR, war er als Selbstverständlichkeit akzeptiert. Im liberalen Staat wurde er für möglich erachtet und diskutiert, aber jedenfalls als rechtliche Pflicht abgelehnt. Das galt nicht nur für eine – schon aus freiheitlicher Sicht inakzeptable – Erziehung zur jeweils politisch herrschenden Partei. Die konkrete Darstellung des Staates innerhalb des Studiums stand nicht zur Disposition des Parlaments – und war damit nicht kurzlebigen parteipolitischen Interessen oder Bemühungen um Einflussnahme unterworfen. Auch eine Erziehung im Sinne der Verfassung oder ihrer demokratischen, freiheitlichen und rechtsstaatlichen Verfassung wurde im besten Fall als moralische Schuldigkeit wahrgenommen, obwohl zu jeder Zeit Klarheit darüber bestand, dass gerade die Staatsrechtslehre sich in einer pädagogischen Schlüsselposition befand. Dabei war spätestens seit dem Methodenstreit klar, dass der einzelne Hochschullehrer auch im liberalen Staat politisch sein könnte. Beamtenrechtliche Treuepflichten spielten in Bezug auf die Erziehungspflicht keine Rolle. Sie wurden mit Verweis auf die Lehrfreiheit vollständig relativiert. Einzig anerkannt wurde eine allgemeine Pflicht zur Mitarbeit an der Verbesserung der Verfassung.85 82 83 84 85
B. II. 3. c) bb) (2); (3). C. II. 3. d) bb) (2). D. II. 4. b) dd) (2) (b). B. II. 3. c) bb) (1); E. II. 3. c) bb) (1).
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6. Die Akteure: Reformen zwischen Kooperation und Machtkampf Fanden sie bis jetzt eher randläufig Erwähnung, sollen nun noch einmal die wichtigen Akteure ihrer Zeit zur Geltung kommen. Dabei kommt es nicht nur auf die auffallenden Einzelpersonen, sondern auch auf die personelle Zusammensetzung der Reformdebatten an. Die Reformdebatte geht bis auf die Anfänge der modernen Juristenausbildung zurück. So lag schon in den 1870er Jahren der größte Druck, die größte Quelle an Reformideen bei der Professorenschaft.86 In Weimar hatte sie weiterhin Einfluss, insbesondere, wo sie seitens der preußischen Ministerien schon in der Entwurfsphase der Änderungsverordnungen einbezogen wurden. So entsprangen Reformen des Studiums in der Regel der Feder von Wissenschaftlern; Anpassungen des Vorbereitungsdienstes der zuständigen Praxis. Die abschließende Entscheidung, auch darüber, das juristische Examen letztlich ohne Zuwarten auf die Entwicklung in den anderen Ländern zu reformieren, lag freilich bei den Justizbehörden selbst.87 Im „Dritten Reich“ setzte sich eine Tendenz fort, die schon in Weimar erkennbar war: Unterschiedliche Reformansätze und Strömungen, gerade an den Universitäten, hinderten die zügige Umsetzung von Reformen. Trotz weitgehender ideologischer Zuverlässigkeit und gelenkter Debatten war die Juristenausbildung ein Machtkampf, der zwischen der Akademie für Deutsches Recht einerseits und der Kieler Schule und ihrem Umfeld andererseits ausgetragen wurde. Im Hintergrund des Konflikts standen sich hochrangige Funktionäre gegenüber: Hans Frank für erstere und Heinrich Himmler für letztere.88 Eine ungleich geringere Zahl an einflussreichen Beteiligten hatte die DDR vorzuweisen. Nachdem der liberale Gegenpol in der Justizverwaltung verschwunden war, prägte mehr noch als Ernst Melsheimer die spätere Justizministerin Hilde Benjamin die Volksrichterausbildung;89 Karl Polak die Entwicklung der Staatsrechts- und Rechtswissenschaft im Allgemeinen.90 Wohl nicht zuletzt Polaks unmittelbare Beziehung zu Walter Ulbricht, die äußerst zentralen Strukturen und die unmittelbare Involvierung der SED-Führung in die Rechtswissenschaft trugen dazu bei, dass sich Macht- und Richtungsstreitigkeiten kaum als reformhinderlich entfalten konnten. Jeder noch so geringe Eindruck angeblicher Bürgerlichkeit konnte zu einem abrupten Karriereende führen, wie es die SED-Führung 86 Husserl, Bericht über Errichtung, Aufgabe und Arbeitsprogramm der Arbeitsstätte des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung, in: JZ 1956, S. 634 (635). 87 B. II. 3. b); bb). 88 C. II. 3. c). 89 D. II. 3. b) bb); 4. a). 90 D. II. 3. b) dd) (2) (b).
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im Fall Bönninger auf der Babelsberger Konferenz demonstriert hatte.91 Dies alles prägte auch die Form in der die Ausbildungsreformen in der DDR kommentiert wurden: Veröffentlich wurden nahezu ausschließlich Erwägungen der Entscheidungsträger. Richtungsstreits – oder wenigstens Streits in Detailfragen, wie sie selbst im „Dritten Reich“ auszumachen waren – gab es kaum. In der föderalistischen Bundesrepublik nahm die Zahl der Beteiligten beträchtlich zu. Am nun nicht mehr gelenkten Reformdiskurs beteiligten sich Professoren, Referendare, Studierende, Justizjuristen, die nun grundsätzlich gleichermaßen bedeutungsvollen einzelnen Landesregierungen und am wenigsten noch die Parlamente. Gleichzeitig übten sich die Beteiligten im Zuwarten auf Entscheidungen ganz unterschiedlich zusammengesetzter Gremien – insbesondere des Arbeitskreises für Fragen der Juristenausbildung und des Juristen-Fakultätentages – sodass ein Reformprozess erkennbar verzögert wurde.92 Parlamentarische Grundentscheidungen, erst recht auf Bundesebene, kamen nur selten vor. Erst die Diskussion über eine Kürzung des Vorbereitungsdienstes zur Mitte der sechziger Jahre ließ eine parteipolitische Färbung der konkreten Reformvorschläge, vor allem von dem der SPD, erkennen. Der Gesetzgebungsprozess neutralisierte derlei Ansätze zunächst. Das Ergebnis war eine Reform des DRiG im Sinne des Gesamtkonsenses von juristischer Wissenschaft und Praxis.93 Zu jeder Zeit waren sowohl die Justiz als auch die Juristenausbildung Bereiche, die an oberster Stelle der Gestaltung durch Juristen unterlagen. Selbst im Nationalsozialismus sah Hitler trotz aller Juristenfeindlichkeit schließlich doch davon ab, das Justizministerium in die Hände eines Nichtjuristen zu legen.94 In aller Regel arbeiteten die Ministerien und Ämter, berufen aufgrund ihrer Sachnähe und ihrer Handlungsfähigkeit, mit Hochschullehrern zusammen. Gesetzgebungsakte erfolgten nur bei absoluter Notwendigkeit; in der Bundesrepublik in Abstimmung und auf Anforderung der Justizministerkonferenz.95 Innerhalb der Reformdebatte spielte das Parlament abgesehen von seiner Mitwirkung bei der Umsetzung vorgeschlagener Reformen zumeist keine Rolle. Weder waren Landtags- und Bundestagsabgeordnete Teilnehmer noch waren die Beschlüsse der jeweiligen Organe Gegenstand angeregter Diskussionen – und das, obwohl diese zahlreich und bis hinein in die kleinsten Detailfragen geführt wurden. Von Seiten der Öffentlichkeit des demokratischen Staates wurden Forderungen nach einer Reform des Studiums erst 1968 deutlicher geäußert.96 Im Übrigen stand nur die Richterschaft dauerhaft im Mittelpunkt öffentlicher Beobachtung. 91 92 93 94 95 96
D. II. 1. E. II. 3. c) gg). E. II. 3. a) cc) (3). C. II. 2. b) bb). E. II. 3. a) cc) (2). Wassermann, Vorwort, in: Erziehung zum Establishment, ohne Seitenangabe.
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7. Die zentralen Leitbilder in der Kurzfassung Als gemeinsame Grundlage eines idealen Durchschnittsjuristen konnte der wissenschaftlich gebildete, aber stets praktisch verständige und deshalb auch volksnahe Jurist herausgearbeitet werden – ohne dass diese Wissenschaftlichkeit des Juristen näher bestimmt worden wäre. Außer in der späteren DDR war dieser Jurist stets formal zum Richteramt befähigt; immer aber ein ausgesprochener Volljurist, also in der Lage, sämtliche wesentlichen juristischen Berufsbilder auszufüllen. Zum Abschluss des vergleichenden Teils sollen die oben ausführlicher beschriebenen Leitbilder nun im Umriss gegenübergestellt werden. Der Weimarer Republik lässt sich kein wirklich neues Leitbild des Juristen zuordnen. Dessen praktische Ausbildung war weiterhin stark auf die Justiz bezogen, ohne dass einem geistigen Ideal des Richters entsprochen werden sollte. Am ehesten noch sollte ein neuer Jurist verstärkt den hohen Anforderungen einer kriselnden Wirtschaft gerecht werden.97 Der Nationalsozialismus schaffte ein Leitbild des deutschen Mannes, der das Recht in einer Position als seinerseits lenkbarer, rechtlicher „Führer“ zur Bewältigung vorgeblich geschichtlich vorherbestimmter Aufgaben des deutschen Volkes einsetzte. Vor allem musste er das Recht im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie gegen die Feinde des Volkes anwenden.98 Auf dieses Leitbild war die Ausbildung vollständig ausgerichtet, wo nicht aus zwingenden Gründen doch praktische Erwägungen vorrangig waren. Der Sozialismus zeichnete auf allen Ebenen das Juristenleitbild eines spezialisierten Staatsfunktionärs der nach marxistisch-leninistischen Maßstäben in engster Bindung an den Staat die „sozialistische Gesetzlichkeit“ durchsetzte; ob in Justiz, Verwaltung oder staatlichen Betrieben. Seine Hauptaufgabe bestand in der rechtlichen Erziehung der Volksmassen, die ihm nur dann möglich war, wenn er sich nicht mehr durch seinen Stand und seine Denkweise vom Volk des Arbeiter- und Bauernstaates abhob. Der sozialistische Jurist war so ein ausgesprochener Gegenentwurf zum objektiven, unparteiischen Bürokraten des „Imperialismus“.99 Trotz einer deutlichen Unschärfe100 zeichnete sich in der Bundesrepublik ein Leitbild eines grundsätzlich kritischen Juristen mit Bewusstsein für die gesellschaftliche Bedeutung seiner Rechtsanwendung ab. Es mangelte aber an einer konsequenten praktischen Umsetzung. Vom Richterstand abgesehen wurde dem Juristenstand auch kaum eine herausragende Bedeutung für die Entwicklung der
97
B. III. 2.; 3. C. III. 2.; 3. 99 D. III. 2.; 3. 100 Vgl. auch Kübler, Juristenausbildung im Zielkonflikt, S. 12. 98
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bundesrepublikanischen Rechtsordnung; geschweige denn der freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes zugemessen.101
II. Leerstelle: liberales Juristenethos Was verbleibt nach dem Ergebnis der Auswertung vom Leitbild eines Juristen, der im liberalen Staat die Stellung eines Garanten der freiheitlichen und rechtsstaatlichen Verfassung einnehmen sollte – vom liberalen Juristenleitbild? Indem Dahrendorf dem Stand der Berufsjuristen aus soziologischer Sicht absprach, tauglicher Garant der Verfassung der Freiheit und des Rechts sein zu können,102 schien er zumindest für möglich zu halten, dass der Jurist seiner Zeit überhaupt als solch ein Garant konzipiert war. Aus der historischen Betrachtung ergibt sich allerdings, dass eine derart herausgehobene Garantenstellung des Juristenstandes schon kaum den zeitgenössischen Leitbildern der Juristenausbildung in den jungen liberalen Staaten entsprach. Während die Juristen der totalitären deutschen Staaten gezielt geschult wurden, um die staatliche Ordnung und den Willen der politischen Führung durchund umzusetzen, schienen die neuen freiheitlichen Verfassungen, die Weimarer Reichsverfassung und das Grundgesetz, nahezu unbeachtet geblieben. Den einen neuen und liberalen Juristentypus, der berufen gewesen wäre, die neue und fragile freiheitliche und rechtsstaatliche Ordnung zu schützen, schien es indes in beiden liberalen Demokratien nicht gegeben zu haben. Ein freiheitliches, ,liberales‘ Juristenethos, das über soziale und antibürokratische Ansätze hinausgegangen wäre, war eine ausgesprochene Leerstelle in der Entwicklung der jungen Republiken. 1. Der Jurist des liberalen Staates Erst in der Reformzeit der späten sechziger Jahre wurde überhaupt eine Art ,freiheitlicher‘ Jurist zum Leitbild der Experimentierphase erhoben: Als Antagonist zum vermeintlich allgegenwärtigen Obrigkeitsstaat sollte der kritisch denkende Jurist auch die Freiheit des Einzelnen schützen. Seiner Konzeption nach war der neue Jurist aber in der Gesellschaft zu verorten – nicht im Lager von Politik, Staat oder Verfassung.103 So war auch dieser Jurist kein ausgesprochener Garant der freiheitlichen Verfassung. Die Vorstellung von einem Juristenstand, der zugleich berufener Hüter des Rechtsstaates und auch Staatsfunktionär wäre, trat erst zur Mitte der 80er Jahre 101
E. III. 2.; 3. Dahrendorf, Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, S. 261; vgl. die Einleitung dieser Arbeit. 103 Entsprechend auch die Sorgen Küblers über einen „gegenüber einer demokratischen Legislative“ loyalen Juristenstand, ders., Juristenausbildung im Zielkonflikt, S. 16. 102
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deutlicher zu Tage. Wie Schmitt Glaeser plädierte wenig früher Roman Herzog auf einer Tagung mit dem Titel „Jurist und Staatsbewußtsein“ 104 im Jahr 1985 dafür, dass der Juristenstand sich für den Staat einsetzte: „Wenn nicht die ganz überwältigende Mehrheit der Staatsbürger sich ihrer Rechtsordnung freiwillig unterordnet oder, anders ausgedrückt, Loyalität übt, dann funktioniert der Staat nicht mehr.“ Der Jurist müsste sich in der freiheitlichen Demokratie und einer pluralistischen Gesellschaft „bewußt sein, daß er es ist, der den Staat repräsentiert, er ganz allein. Wir Juristen sind es, an Hand derer sich der Bürger sein Bild über den Staat und dessen Unterstützungswürdigkeit, damit aber über die Berechtigung seines Staatsbewußtseins und über die notwendige Loyalität dem Staat gegenüber entwickelt“.105 Der Jurist sollte nicht Antagonist zum Staat, sondern dessen Vertreter und Vermittler sein. Trotz durchaus positiver Resonanz106 konnten diese Überlegungen zum staatsbewussten oder gar staatsbewusstseinsstiftenden Juristen keinen großen Raum in der weiteren Ausbildungsdiskussion beanspruchen. In die Diskussion über eine Reform der Juristenausbildung zogen sie jedenfalls nicht ein. Die Gedanken veranschaulichen aber die mögliche Reichweite eines denkbaren ,liberalen‘ staatlichen Juristenleitbildes. 2. Die Reformdebatten und der Umbruch zum liberalen Staat Die Vermutung, auch der liberale Staat habe in der Phase seines Aufbaus nicht darauf verzichten können, den Juristenstand so zu gestalten, dass er die neue Ordnung bestmöglich sicherte, hat sich nicht bewahrheitet. Genauso wenig wie von Parlamenten und Ministerien ging in der Nachkriegszeit von der Professorenschaft ein Reformdrang aus. Im Gegenteil zeichnete sich ab, dass der staatliche Umbruch nicht nur wenig förderlich, sondern teils sogar abträglich für eine vollständige Neukonzeption eines „freiheitlichen“ Juristentypus war. Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass die neue Ordnung und ihr Ursprung für eine grundlegende Reform der Juristenausbildung keine optimalen Bedingungen mit sich brachten: Zweifellos schafften die Verfassungen beider Republiken ein neues Maß an Freiheitlichkeit, das einen Ansatzpunkt für eine hieran orientierte Ausbildung geboten hätte. Allerdings vermochte die Weimarer Republik schon nicht, die preußischen Strukturen abzuschütteln; und auch hinter der Gründung der Bundesrepublik stand 104 Im Vorwort zur Tagung hieß es: „Der Jurist sollte sich daher auch in seinem beruflichen Alltag dessen bewußt sein, daß die Rechtsanwendung dem freiheitlichen Menschenbild zu entsprechen hat“, Pirkl, Vorwort, S. V. 105 Herzog, Der Jurist und seine Verantwortung für das Staatsbewußtsein, S. 18, 22. Zu große Erwartungen an einen Einfluss des Juristen auf die Entwicklung eines Staatsbewußtseins einschränkend der damalige Präsident des BVerwG, Sendler, Der Rechtsstaat im Bewußtsein seiner Bürger, in: NJW 1989, S. 1761 (1767). 106 Ipsen, Buchbesprechung: Jurist und Staatsbewußtsein, in: DVBl. 1988, S. 366 f.
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keineswegs eine revolutionäre Idee, sondern nur ein erneuter staatlicher Zusammenbruch nach einem verlorenen Weltkrieg. Jedenfalls für den akademischen Betrieb war der Umbruch kein Motor der Politisierung. Er wirkte eher entgegengesetzt, wenn auch in den Republiken von Weimar und Bonn jeweils unterschiedlich. Der politische Umbruch in Gestalt des Einzugs kommunistischer und sozialistischer Kräfte in den Reichstag der ersten Republik brachte die gesellschaftliche Stellung des Juristenstandes zumindest scheinbar in akute Gefahr. Reformen der Ausbildung erschienen als Hebel der linken Parteien, den Einflussbereich der bürgerlichen Bevölkerungsschicht anzugreifen – namentlich den Juristenstand. An die Stelle der politischen Straßenkämpfe der Weimarer Republik trat nach dem Zweiten Weltkrieg eine akute Politikverdrossenheit. Ob aus Staatsverdrossenheit, negativen Erfahrungen mit der politischen Erziehung im „Dritten Reich“ oder einer Ablehnung der Demokratie:107 Politischer Reformgeist hatte schon zum Ende der vierziger Jahre nur noch einen geringen Raum an den Universitäten und auch in den Ministerien. Insgesamt wurde so jegliche Aufbruchsstimmung mit Skepsis wahrgenommen. Ob seitens Ernst Zitelmann in der Weimarer Republik oder Karl Siegfried Bader in der Bundesrepublik: Grundlegenden Reformen widersprach man in dem Glauben, eine vorübergehende Hysterie bald schon überwunden zu haben.108 In der Bundesrepublik der früheren Nachkriegszeit hatte diese Entpolitisierung der Ausbildungsdebatte, der Universitäten und der Fakultäten eine für viele wohl durchaus erwünschte Nebenfolge: Dass die Fragen nach Verantwortung und Konsequenzen in personeller wie ausbildungspolitischer Hinsicht weitgehend unbeantwortet blieben, gewährleistete die vergleichsweise ungestörte Fortsetzung des Lehr- und Forschungsbetriebs in den juristischen Fakultäten.109 3. Reformdebatten ohne Fernziel Die Reformdebatte des liberalen Staates der Nachkriegszeit litt aber nicht nur unter den Entpolitisierungserscheinungen ihrer Zeit. Schon die Frage, was die Juristenausbildung leisten soll und kann, blieb unbeantwortet. Im jungen liberalen Staat ist eine historische Konzeptlosigkeit der Juristenausbildung zu verzeichnen. Das liegt nicht an einem zu geringen Angebot an vielversprechenden juristischen Rollenbildern vom ,wissenschaftlich gebildeten‘ Juristen, über den ,zum 107
Weniger, Politische Bildung und staatsbürgerliche Erziehung, S. 16. Bader, Zur Studien- und Ausbildungsreform, in: JZ 1961, S. 735; Zitelmann, Die Neugestaltung des Rechtsstudiums, S. 12. 109 Den gegenteiligen Eindruck bietet gleichwohl die Betrachtung der Weimarer Republik: Obwohl die Loslösung vom ehemals strengen Rechtspositivismus sowohl für die Debatten um die Stellung der Weimarer Richterschaft als auch für diejenigen um die Methode der Staatsrechtslehre maßgeblich war, ließ das Stichwort die Ausbildung und ihre Reformdebatten unberührt. 108
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G. Staatliche Juristenleitbilder
Richteramt befähigten‘ Juristen bis zum Voll-, Einheits- oder Universaljuristen. All diese Schlagworte, die bisweilen in die Debatten eingebracht wurden, trugen aber kaum dazu bei, das Gesamtbild der Juristenausbildung zu prägen, geschweige denn, ein liberales Juristenleitbild mit Leben zu füllen. Man ließ die jüngere Geschichte, die staatliche Entwicklung, die den politischen Alltag von Grund auf änderte, nahezu unbeachtet, was sich gerade in einer nicht vorhandenen Debatte über den Sinn des Staatsrechts äußerte, obwohl sich dessen Inhalt schlagartig ganz gravierend geändert hatte. Stattdessen wurde auf Optimierungen gesetzt; Grundlagenfächer, die auf die innere Einstellung des juristischen Nachwuchses hätten einwirken sollen, wegen stofflicher Überfüllung gestrichen. Die Reformdebatte selbst hat sich nicht in jeglicher Hinsicht als „Kampfarena [. . .] widerstreitender politischer Interessen und machtstrategischer Überlegungen“ 110 gezeigt. Die Vielzahl der unterschiedlichen Akteure – von einzelnen Parlamentariern über die Justizministerien und Prüfungsämter, die juristischen Fakultäten und die Angehörigen der Lehre bis hin zu Stimmen aus der Praxis, der Referendare und der Studierendenschaft, jeweils ergänzt durch mehr oder minder offizielle Gremien, wie den Arbeitskreis für Fragen der Juristenausbildung um Gerhart Husserl oder die Kommission um Wilhelm Loschelder – ließ aber vereinzelt aufgeworfene grundsätzliche Fragen in den Hintergrund treten. Vor allem die Justizministerkonferenzen, deren Einfluss ein Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene anstoßen konnte, verzichteten darauf, mehr als technische Fragen zum zentralen Gegenstand der eigenen Beratungen zu erheben. Die jeweils in Weimar und der Bundesrepublik eröffnete Diskussion um die Reichweite der Lehrfreiheit zeigt, dass die Schwierigkeiten, die einem möglichen Leitbild des liberalen Juristen entgegenstanden, über die eigentliche Debatte um eine Reform des Ausbildungsrechts hinausgingen. Auch ohne dass die Beteiligten in der Reformdebatte bis zur Frage einer der neuen staatlichen Ordnung angemessenen Ausbildung vorgedrungen gewesen wären, sah sich die Staatslehre nahezu einheitlich gezwungen klarzustellen, dass eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Vermittlung der staatlichen Wertordnung von vornherein nicht bestand. Das Gelingen einer inneren Ausbildungsreform – erst recht dasjenige einer ,liberalen‘ Erziehung in der juristischen Ausbildung – wäre somit ohnehin an den Willen der freien Lehre geknüpft gewesen, diese umzusetzen. Umgekehrt wird gleichzeitig deutlich, dass sich die Lehre im Rahmen ihrer Lehrfreiheit jederzeit dafür hätte entscheiden können, den freiheitlichen Rechtsstaat und die Verfassung zum Ausbildungsinhalt zu erheben. Auf dem Weg zum liberalen Juristen mangelte es nicht nur an einer Debatte über das Fernziel einer Ausbildungsreform, sondern auch an einer Debatte da110 Schmitt Glaeser, Die Juristen-Fakultäten als Hüter des Rechtsstaats, in: NJW 1995, S. 2597.
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rüber, welche Aufgaben den Universitäten und den Rechtsfakultäten als Stätten wissenschaftlicher Bildung oblagen und vor allem, inwieweit die Lehre über ihre verfassungsrechtlichen Pflichten hinaus aus berufsethischen Gründen zur Entwicklung und Vermittlung eines neuen, liberalen Juristenethos hätte beitragen können oder sollen.
Schlussbetrachtung I. Jüngere Entwicklungen und Ausblick 1. Juristenausbildung Die Debatten über eine Reform der Juristenausbildung werden voraussichtlich kein Ende nehmen. Das ist weniger Kritik als bloße Bestandsaufnahme: Es besteht ohnehin Anlass zur regelmäßigen Kontrolle, ob die Juristenausbildung noch zeitgemäß ist.1 Eine „inhaltliche Debatte über ein Leitbild des modernen Juristen“, die Lührig in einer Dissertation des Jahres 1995 für eine zielgerichtete, ergiebige Reformdebatte für unverzichtbar hielt,2 ist allerdings bis heute ausgeblieben. Zu Beginn des Jahrtausends suchte etwa Michael Stolleis ein neues Leitbild in der Wissenschaftlichkeit, einer verstärkten Grundlagenausbildung und im internationalen Rang der Juristenausbildung3 – und tatsächlich folgte im Jahr 2002 die Einführung der universitären Schwerpunktbereiche,4 mit denen das wissenschaftliche Niveau der Juristenausbildung gehoben werden sollte. Ein wirklicher Vorstoß in Richtung eines ,liberalen‘ Juristenleitbildes war schließlich im Jahr 2017 zu verzeichnen: Bundesjustizminister Heiko Maas kündigte an, einen Reformentwurf des DRiG zu entwickeln. Eine verpflichtende Vermittlung der nationalsozialistischen Rechtsgeschichte sollte das Bewusstsein angehender Juristinnen und Juristen „dafür schärfen, wenn Würde und Menschenrechte erneut infrage gestellt werden“.5 Aus dem NS-Unrecht sollten Folge-
1 Mit besseren Worten Friedrich Kübler in seiner Antrittsvorlesung im Jahr 1971: „Was leistet ein starres, auf strikte Einheitlichkeit gerichtetes, die Studieninhalte autoritativ und definitiv festlegendes System, das aus dem 18. Jahrhundert stammt und sich im 19. Jahrhundert glänzend bewährt hat, für eine industrielle Demokratie des späten 20. Jahrhunderts?“ (ders., Juristenausbildung im Zielkonflikt, S. 13). Für eine Ausbildungsdebatte des 21. Jahrhundert dürfte dies nicht weniger gelten. 2 Lührig, Reform der Juristenausbildung, S. 220. 3 Stolleis, Leitbild der Juristenausbildung, in: NJW 2001, S. 200 (202). Insofern wurde ein neues, „Bologna-konformes Ausbildungsmodell“ in Aussicht gestellt, vgl. Bergmans, Auf dem Wege zu einem neuen Verständnis, in: ZRP 2013, S. 113. Dass in der gegenwärtigen Krise der Europäischen Union bald der Weg zu einem europäischen Juristenleitbild beschritten würde, darf aber bezweifelt werden. 4 BGBl. I 2002, S. 2592. 5 Maas, Nazizeit als Pflichtprogramm in der Ausbildung, in: FR online v. 20.7.2017.
I. Jüngere Entwicklungen und Ausblick
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rungen für ein modernes „Juristenethos“ gezogen werden.6 Der Vorstoß blieb folgenlos. Auch heute bleibt ein liberales Juristenleitbild eine Leerstelle der deutschen Juristenausbildung.7 Die heutige Reformdiskussion beherrschen dagegen Überlegungen, die Schwerpunktbereiche – gegen den Widerstand zahlreicher juristischer Fakultäten – zu schwächen oder abzuschaffen.8 Als die zwei Hauptmangel der Schwerpunktbereiche gelten ein hoher Aufwand seitens der Universitäten und Studierenden9 und eine Uneinheitlichkeit der Schwerpunktbereiche in Bezug auf die Prüfungsergebnisse nicht nur zwischen den Universitäten, sondern auch innerhalb der Universitäten.10 Die Entwicklung hat das Potenzial, auch eine Debatte über die Erwartungen an den juristischen Nachwuchs zu entfachen. Mit Blick auf eine anstehende Schwächung der Schwerpunktbereiche, aber auch anlässlich der Rechtsstaatskrise in den osteuropäischen Ländern forderte Christoph Möllers „eine Diskussion darüber, welche Erwartungen jenseits der Beherrschung des positiven Rechts wir an Juristinnen [sic] haben, die als Richter, Ministerialbeamte oder Staatsanwälte arbeiten“ und im Jurastudium mehr über Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nachdenken zu lassen.11 Ob es hierzu – und damit zu einer ersten größeren Leitbilddebatte – kommt, bleibt abzuwarten. Eine solche Diskussion wäre wohl nicht weniger als der Beginn einer neuen Phase der deutschen Juristenausbildungsdebatte. 2. Die unabhängige Justiz und der Einfluss der Europäischen Union Die Vorstellung, dass gerade die Richterinnen und Richter Garanten des freiheitlichen Rechtsstaats seien, ist nach wie vor aktuell.12 Zumindest einer neuen Debatte über die Rechtsstaatlichkeit der deutschen Justiz könnte die Europäische Union Aufwind verleihen. Dass auch Deutschland nicht weit davon entfernt ist, von Seiten des Europäischen Gerichtshofs zu einem weiteren Ausbau der rechts-
6 Heiko Maas erinnert an „Furchtlose Juristen“ und fordert Einbeziehung des NSUnrechts in die Juristenausbildung, Pressemitteilung des BMJV (online) v. 4.7.2017. 7 So auch Möllers, Editorial, in: Der Staat 58 (2019), S. 503 (504 f.). 8 Vgl. den Beschluss der 90. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister v. 7.11.2019 zu TOP I.12 und den Bericht des Ausschusses der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister zur Koordinierung der Juristenausbildung über die Harmonisierungsmöglichkeiten für die juristischen Prüfungen (KOA-Bericht). 9 KOA-Bericht, S. 4. 10 KOA-Bericht, S. 4. Zweifel hieran äußerte etwa die FU-Berlin, vgl. KOA-Bericht, S. 60. 11 Möllers, Editorial, in: Der Staat 58 (2019), S. 503 (504 f.). 12 Vgl. hierzu etwa den Beschluss der 89. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister v. 6./7.6.2018 zu TOP I.16.
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Schlussbetrachtung
staatlichen Gewaltenteilung angehalten zu werden,13 legt die jüngere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zum europäischen Haftbefehl nahe.14 Sie erhöht den Druck auf die Bundesrepublik, ihr Verhältnis zur Justiz zu überdenken und auch die Staatsanwaltschaft in die Unabhängigkeit zu entlassen. Aufgrund der Vorlage eines hessischen Gerichts hatte der Gerichtshof zudem zu klären, ob der „unabhängige Richter“ der Bundesrepublik auch hinreichend unabhängig ist, um als „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV zu gelten. Zumindest im konkreten Fall konnte der Gerichtshof feststellen, dass Zweifel an der Unabhängigkeit nicht begründet seien.15
II. Schluss Beide totalitären deutschen Staaten hatten ihr eigenes, detailliertes staatliches Juristenleitbild. Welche Rolle der Jurist, insbesondere der vermeintlich ,unabhängige‘ Richter in der neuen staatlichen Ordnung einnehmen sollte und durfte, mit welchen Zielen vor Augen er ausgebildet werden sollte: All das wurde schon in den jungen Jahren des neuen Staates entschieden. Auf den unterschiedlichsten Ebenen der Juristenausbildung wurden Reformen vorangetrieben, um den künftigen Juristen in das staatliche System einzufügen, damit er die staatliche Ordnung sicherstellte und sie als gerecht und rechtmäßig vermittelte. Was bereits zu erwarten war, wurde detailliert bestätigt – am eindrücklichsten mit Blick auf die Verhältnisse der DDR. Die Ergebnisse der Suche nach einem historischen ,liberalen‘ Juristenleitbild blieben hinter den Erwartungen zurück. Die Vorstellung, es gebe überhaupt eine Elite von Juristen, die berufen sei, die Verfassung des Rechts oder die Verfassung der Freiheit zu garantieren, findet sich in der Zeit des Umbruchs zur Bundesrepublik allenfalls in Ansätzen in der Neukonzeption richterlicher Unabhängigkeit und damit in der Diskussion um den Richterstaat wieder. In der Juristenausbildung scheint die Bedeutung der künftigen Juristen für den Bestand des freiheitlichen Rechtsstaats dagegen untergegangen zu sein. Politische Enthaltsamkeit und die Suche nach Antworten auf praktische Fragen verdrängten
13 Wobei auch der Machtzuwachs des EuGH die Problematik des „Richterstaates“ schon früh auf die Europäische Union erweitert hat, mit Verweis auf Roman Herzog vgl. Rüthers, Die heimliche Revolution, S. 37. 14 EuGH, Urt. v. 27.5.2019, C-508/18. Der EuGH entschied – etwas vereinfacht –, dass der Europäische Haftbefehl von einer unabhängigen Justizbehörde erlassen werden muss (vgl. Rn. 38 ff.) und dass die gegen Akte der deutschen Staatsanwaltschaft zulässigen Rechtsbehelfe nicht hinreichend geeignet seien, „die Staatsanwaltschaften vor der Gefahr zu bewahren, dass ihre Entscheidungen im Rahmen der Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls einer Einzelweisung des Justizministers unterworfen werden“. (Rn. 116). 15 EuGH, Urt. v. 09.07.2020, Rn. 60.
II. Schluss
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Überlegungen zu einem dem freiheitlichen Rechtsstaat angemessenen Juristenleitbild. Übrig bleibt am ehesten ein „Leitbild eines wissenschaftlich gebildeten und politisch aufgeklärten Juristen in Justiz und Verwaltung“ 16; die Vorstellung, eine wissenschaftliche, einheitliche Ausbildung garantiere ein Verständnis von den Zusammenhängen der Gesamtrechtsordnung, von den politischen und sozialen Wirkungen des Rechts, von der Wirkung freiheitlicher Grundsätze auf die Rechtsanwendung. In absehbarer Zeit wird der freiheitliche Rechtsstaat nur schwerlich auf im Rahmen rechtsstaatlicher Vorgaben arbeitende Juristinnen und Juristen verzichten können – ob an den Gerichten, in den Anwaltskanzleien oder in der Verwaltung.17 Angesichts der Krise des Rechtsstaates in den europäischen Nachbarstaaten, könnte es heute noch mehr als früher geboten sein, sich damit auseinanderzusetzen, welche Aufgaben der Juristenstand des freiheitlichen Rechtsstaates zu erfüllen hat. Sollte die Frage, ob18 und, wenn ja, wie die angehenden Juristinnen und Juristen in ihrer Ausbildung für die Rolle des Rechts und des Juristenstandes im freiheitlichen Rechtsstaat zu sensibilisieren sind, Einzug in die Reformdebatte erhalten, dürfte diese Debatte nicht darauf beschränkt sein, das äußere Erscheinungsbild der Ausbildung zu reformieren. Auch die Fragen, welchen Beitrag die Universitäten erbringen und welche Verantwortung die auch heute freie Lehre19 in der modernen Ausbildung trägt, dürften zu beantworten sein. Tritt die wissenschaftliche Ausbildung letztlich in den Hintergrund und findet auch die Reformdebatte keine neue Richtung, muss womöglich ein in der unmittelbaren Nachkriegszeit gezeichnetes Bild als Leitbild der modernen juristischen Ausbildung herangezogen werden:
16 In Grundzügen übereinstimmend das grobe Leitbild bei Rinken, Einführung in das juristische Studium, S. 124 f. 17 So schon Kübler, Juristenausbildung im Zielkonflikt, S. 23. 18 Argumente hiergegen könnten etwa dahin gehen, dass das Recht ohnehin als Mittler staatlicher Ideologie wirke (hierzu allgemein Rüthers, Die Wende-Experten, S. 143 f.; ähnlich Schmitt Glaeser, Die Juristen-Fakultäten als Hüter des Rechtsstaats, in: NJW 1995, S. 2597 (2598 f.)) oder dass der Staat sich einer Erwachsenenerziehung enthalte. Ob damit hinreichend auf juristische Berufe vorbereitet wird, in denen Antworten auf Rechtsfragen regelmäßig auch durch politische Entwicklungen beeinflusst werden und ihrerseits politische Auswirkungen haben (vgl. die aktuelleren Fälle unter Einl., III.) ist freilich fraglich. 19 Bis heute gewährleistet die Lehrfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG unverändert auch eine politische Freiheit der Lehre bis zur „Missbrauchsschranke“ des Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG (Bethge, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 5 GG, Rn. 225 f.). Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass sich ein der Lehre zugrundeliegendes Bildungsideal heutzutage an einem gesellschaftlichen Selbstverständnis orientiere, das „vom demokratisch vereinten Menschen geprägt [ist], der gleich an Würde und Freiheit ist“ (so jedenfalls Bumke, Universitäten im Wettbewerb, in: VVDStRL 69 (2010), S. 436), ergeben sich rechtliche Folgen, insbesondere Pflichten für die Lehre, hieraus nach wie vor nur bedingt.
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Schlussbetrachtung
„Der Jurist, so wie ihn die Praxis kennt und braucht, ist ein Mann der greifbaren Tatsachen, der nüchternen Überlegung, des sicheren Urteils; er erscheint wenigstens so.“ 20
20 Fechner, Rechtsphilosophie im juristischen Unterricht, in: DRZ 1947, S. 385 – Heutzutage immerhin mit geschlechterübergreifender Geltung. In den achtziger Jahren dagegen durchaus positiv formuliert von Weidenkauff, Juristenausbildung, S. 76: „Lebenserfahrung und ein Augenmaß für die Dinge muß [der Jurist] haben. Problemoffen und zugleich im Urteil selbstständig, so braucht ihn die Gesellschaft. Darauf muß die Ausbildung ausgerichtet sein.“
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Heckel, Johannes 128, 165, 379 Helfritz, Hans 381 Heller, Hermann 87, 90 Herzog, Roman 420 Heusinger, Bruno 304 Heuss, Theodor 375 Himmler, Heinrich 101, 118 Hindenburg, Paul von 38, 48 Hitler, Adolf 101, 111, 113 Höhn, Reinhard 99, 112, 137, 165 Huber, Ernst Rudolf 49, 99, 137, 165, 379 Husserl, Gerhart 327 f., 336, 422 Jacobi, Ernst 379 Jagow, Traugott von 45 Jahrreiss, Hermann 305 Jaspers, Karl 374 Jellinek, Walter 164, 379 Kahl, Wilhelm 89 Kelsen, Hans 89, 165, 379 Kerrl, Hanns 134 Knemeyer, Franz-Ludwig 395 Koellreutter, Otto 99, 140, 164, 379 Köttgen, Arnold 379 Kröger, Herbert 180
Gerber, Hans 99 Giese, Friedrich 282, 379, 381 Gürtner, Franz 113, 118, 144
Lange, Heinrich 128, 137 Larenz, Karl 128, 137 Leeb, Johannes 49 Leibholz, Gerhard 381 Lenin, Wladimir Iljitsch 183 Loschelder, Wilhelm 326, 422
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Personenverzeichnis Maunz, Theodor 165, 379 Melsheimer, Ernst 191, 196, 206 Möllers, Christoph 425 Müller, Gebhard 281 Neumayer, Fritz 286, 288 Nipperdey, Hans Carl 358 Palandt, Otto 135 Paulsen, Friedrich 83, 376 Polak, Karl 185, 238, 267 Radbruch, Gustav 51 f., 68, 89, 276, 293 Richter, Heinrich 135 Ritterbusch, Paul 112, 128, 378 Rothenberger, Curt 156 Rothenbücher, Karl 82, 378 Schäffer, Fritz 298 Schiffer, Eugen 53, 191 f., 207, 218 Schlegelberger, Franz 293 Schmid, Carlo 375, 379 Schmitt, Carl 39, 48, 87, 107, 128, 164, 379 Schmitt Glaeser, Walter 396, 397 Schorn, Hubert 297
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Schwister, Wilhelm 71, 85 Simons, Walter 43 Smend, Rudolf 82, 87, 165, 379 Sontheimer, Kurt 383 Steiniger, Alfons 267 Stolleis, Michael 382, 424 Sträter, Artur 285, 293 Thieme, Werner 373 Thierack, Otto Georg 117, 155 Thoma, Richard 379, 381 Triepel, Heinrich 378 Ulbricht, Walter 175, 179, 207, 267, 268 Wassermann, Rudolf 361, 387, 389, 391 Weber, Werner 382 Weinkauff, Hermann 284 Wende, Erich 83 f. Werner, Fritz 340 Wieacker, Franz 147 Wyschinksi, Andrei 184 Zinn, Georg-August 285 Zitelmann, Ernst 74, 421
Stichwortverzeichnis akademische Selbstverwaltung 81, 159, 367 Allgemeinbildung 139, 142, 144, 172, 310, 317, 351, 373, 409 Arbeitsgemeinschaft 61, 140, 212, 336, 363 Arbeitskreis für Fragen der Juristenausbildung 327, 366, 422 Arbeitskreis für Juristenausbildung 391 Aufbau des Sozialismus 176, 179, 195, 258 Babelsberger Konferenz 179, 248, 250 Berufsethos 293, 396, 425 Bewusstsein – Rechtsbewusstsein 145, 195, 271, 357, 365 – Staatsbewusstsein 420 Blaue Gutachten 370 Bund nationalsozialistischer Deutscher Juristen 103 Bundesverfassungsgericht 278 bürgerliche Ideologie 181 case law 359 Debattenbegriff 25 Denkschrift 329, 363 Deutsche Juristenzeitung 136 Deutsche Rechtspflege 136 Deutsche Rechtswissenschaft 136 Deutsche Richterzeitung 49 Deutscher Anwaltverein 327 Deutscher Juristentag 327 Deutscher Richterbund 49, 103, 286, 327 Dualität Reich-Preußen 38 Eingabewesen 188 einstufige Juristenausbildung 393
Erziehung 101, 139, 158, 162, 196, 262, 264, 309, 329, 364, 422 – staatsbürgerliche 78, 83 Erziehungsauftrag 81, 377, 415 Experimentierklausel 393 Formalismus 47, 114, 158, 181, 182, 250 freiheitlich-demokratische Grundordnung 273, 274, 378, 388, 409, 419 Fremdheit – Artfremdheit 129 – Entfremdung zwischen Volk und Recht 53 – Lebensfremdheit des Juristen 75, 142, 357 – Rechtsfremdheit des Volkes 158 – soziale 67 – Volksfremdheit 155, 177 – Weltfremdheit des Richters 350 Führerprinzip 101, 141, 159 Gemeinschaftslager 134, 156, 159 Gesetz vom 6. Mai 1869 36, 57 Gesetzlichkeit, sozialistische 183, 195, 250, 399 Große Justizreform 53, 286 Grundgesetz 272 ff., 348 Herrenchiemseer Entwurf 283 Hinterzartener Tagung 326, 357, 362 Hochschule des MfS 205 Humboldt’sches Bildungsideal 330, 371 Hüter der Verfassung 48, 280 Imperialismus 214, 411, 418 ius respondendi 34
Stichwortverzeichnis Justizministerkonferenz 362 f., 366, 417, 422 Kapp-Putsch 45 Kieler Schule 128, 137 law school 336 Lehrfreiheit 81, 163, 265, 374, 422 Leitbild 22, 95, 172, 270, 329, 386, 419, 424, 427 Loccumer Tagungen 391 Loschelder-Gutachten 363 Nationalsozialistischer Rechtswahrerbund 103 Naturrecht 185, 276, 284, 388 Neue Justiz 201, 245, 246 noblesse de robe 404 Notverordnungsrecht 39 Paulskirchenverfassung 81 Positivismus 41, 86, 89, 185, 276, 284, 294, 298, 304, 359, 381, 387, 399 Preußenschlag 37 Rechtsautomat 388 Rechtsprechung – Aufwertungsrechtsprechung 42 – Wiedergutmachungsrechtsprechung 296 Rechtsschutzgemeinschaft 92 Rechtsstaat 89, 110, 166, 394 Rechtstaatsbegriff 267 Rechtstechniker 72, 145, 339, 359, 365 Rechtswegsstaat 305, 386 Repetitorien 141, 249, 339 – universitäre 62, 66, 316 Republikanischer Richterbund 50 Republikflucht 194 Republikschutzgesetz 46 Republikschutzverordnung 46 Richterakademie 362
479
Richteramt, Befähigung zum 35, 73, 156, 218, 261, 359, 411, 422 Richterrecht 49 Richterstaat 305, 401 Richterwahl 53, 199, 288 Schwalbacher Richtlinien 370 Sozialingenieur 394 Spezialistenausbildung 413 Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik 46 Stoßtrupp 131 Stoßtruppfakultät 137, 138 Stoßtruppuniversität 161 studium generale 355, 365, 373 Tübinger Fakultätentag (1961) 326, 343 Unabhängigkeit – der Rechtswissenschaft 386 – des Rechts 385 – funktionelle ~ der Universität 368 – richterliche 50, 111, 166, 194 Unabsetzbarkeit, richterliche 52, 111, 196, 282 Universaljurist 156, 360 Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 81, 378, 379 Vertrauenskrise 41, 50, 106, 118 Volksaufstand des 17. Juni 1953 198 Volksrichter 190, 194 – sowjetisches Vorbild des ~s 216 Volksrichterausbildung 206, 245 Volljurist 73, 413 Waldheimer Prozesse 193 Weimarer Kreis 89 Weiterbildung 198, 243 – Fortbildung 361 Wissenschaftlichkeit 74, 162, 261, 339, 377, 388, 424