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German Pages [351] Year 1994
SPÄTANTIKE UND FRÜHES MITTELALTER
LANDSCHAFTSVERBAND RHEINLAND Rheinisches Landesmuseum Bonn
Spätantike und frühes Mittelalter
Kunst und Altertum am Rhein LANDSCHAFTSVERBAND RHEINLAND Führer des Rheinischen Landesmuseums Bonn und des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege Band 134
SPÄTANTIKE UND FRÜHES MITTELALTER Ausgewählte Denkmäler im Rheinischen Landesmuseum Bonn
Herausgegeben von Josef Engemann und Christoph B. Rüger
1991 Rheinland-Verlag GmbH • Köln in Kommission bei Dr. Rudolf Habelt GmbH • Bonn
Gedruckt mit Unterstützung des Ministeriums für Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen
Die Publikation erscheint anläßlich der Ausstellung „Frühe Christen im Rheinland" im Rheinischen Landesmuseum Bonn (24.9.-24.11. 1991), die im Rahmen des 12. Internationalen Kongresses für Christliche Archäologie in Bonn stattfindet.
Redaktion: Winfried Schmilz Gisela Hellenkemper Salies
© Landschaftsverband Rheinland/Rheinisches Landesmuseum Bonn 1991 Umschlagentwurf: Jörn Kraft Lithos, Satz und Druck: Boss, Kleve ISBN: 3-7927-1186-9
Inhalt Vorwort der Herausgeber Zur Geschichte des Rheinlands in Spätantike und Merowingerzeit Grabpflege und Totenkult von der Spätantike zum frühen Mittelalter
VII IX l
Grabinschriften und Grabsteine Totengedenkstätte/,Cella memoriae' 20 - Das Kreuz im Estrich 25 - Sarkophaggrab aus Bonn (Jakobstraße) 29 - Holzkammergrab aus Morken 35 - Kirchengrab von Rommerskirchen 44 Blattkreuze 49 - Die Stele von Moselkern 52 - Platte mit Bildnis eines Mannes 57 - Platte mit Kreuz 61 - Fragment einer Platte 63 - Grabinschriften aus Boppard 65 - Grabstein des Diakons Deodatus 70 - Grabinschriften aus Kobern-Gondorf 73 - Grabinschrift aus Kärlich 93 - Grabstein des Garoaldus 94 - Grabinschriften aus Andernach 96 - Grabinschriften aus Leutesdorf 101 - Grabstein des Pulevaldus 106 - Grabinschriften aus Remagen 107 - Grabinschriften aus Bonn 113 - Grabstein der Rignedrudis 118 - Grabstein der Sola/Soia 121 - Grabstein der Godvine 123 - Grabinschriften aus Inden-Pier 125 - Grabinschrift aus Lindern 130 - Grabstein des Batimodus 130 - Fragment einer Grabplatte 134 - Grabstein aus Leutesdorf 137 - Der fränkische Grabstein von Niederdollendorf 140 - Grabstele mit figürlicher Darstellung 149 - Fränkische Grabsteine 152 - Menschlicher Kopf 168
Tracht, Schmuck und Bewaffnung
171
Zwiebelknopffibel 189 - Almandinscheibenfibeln 193 - Filigranscheibenfibeln 197 - Kreuzfibel 203 - Durchbrochene Zierscheiben 206 - Kettengehänge 214 - Fränkische Kapselanhänger 217 Münzanhänger aus Xanten 226 - Fingerringe 229 - Greifenschnalle 233 - Reliquiarschnalle 236 Tauschierte Gürtelschnallen und Beschläge 241 - Riemenzunge 245 - Spangenhelm 248 - Mundblech einer Schwertscheide 254
Alltagsgeräte
257
Goldgläser 263 - Figürlich verzierte Schliffgläser 268 - Löffel 290 - Klappmessergriff in Form eines widdertragenden Hirten 295 - Elfenbeinpyxis 299 - Fragmente eines Kästchenbeschlages 305 Wagenaufsatz: Herkules und Amazone 312
Namens-und Wortindex zu den Inschriften
317
Abgekürzt zitierte Literatur
321
Abbildungsnachweis
324
Autoren A. B. F. v. B. L. B. E. J. C.-Th. J. D. M.D. E. E. J.E. R. G. D.H. S. H. D. I. B. K. C. K. J. K. G. L. N. L. B. M. U.M. G. N. E. P. M. P. U.-K. R. A. S. F. S. M. S. W. S. M. W. R. W.
Angela Bormann Friederike von Bargen Letha Böringer E. Johanna Clauß-Thomassen Jutta Dresken Michael Dodt Elisabet Enß Josef Engemann Raymund Gottschalk Dorothee Herrmann StefanHeid Doris Ittameier Brigitte Klausen Cordula Krause Josef Kremer Gabriele Limburg Nicoletta Latteri Bettina Mägerlein Ulrike Meininghaus Gernot Nürnberger Ernst Pohl Marcell Perse Ute-K. Rasp Annette Schaefer Frank Siegmund Michael Schmauder Winfried Schmilz Markus Wild Rotraut Wisskirchen
Vorwort der Herausgeber
Den Anlaß zur Veröffentlichung dieses Auswahlkataloges bildet der 12. Internationale Kongreß für Christliche Archäologie, der vom 22. bis 28. September 1991 in der Universität Bonn stattfindet. Bereitwillig griff das Rheinische Landesmuseum Bonn den bei den Kongreßvorbereitungen aufgetretenen Wunsch auf, einen solchen Katalog mit interessierten Studenten zu erarbeiten. Wir haben drei Semester lang ein gemeinsames Kolloquium zu diesem Zweck veranstaltet, an dem auch Dieter Korol, Christine Winkler und Andreas Scholl mitwirkten. Die Auswahl der vorgelegten Stücke soll nicht nur die weitgefächerte formale Verschiedenartigkeit und unterschiedliche Zweckbestimmung der Fundstücke erkennen lassen, die das Museum aus spätantiker und frühmittelalterlicher Zeit besitzt. Vielmehr sollen auch die vielfältigen Möglichkeiten religiöser Bezüge zum Ausdruck kommen, die an Denkmälern dieser kulturellen Übergangsperiode festzustellen sind. Der Katalog enthält Gegenstände, die keinen christlichen Einfluß verraten, selbst wenn ein solcher in einigen Fällen bisher vermutet wurde, und Stücke, bei denen eine christliche Deutung ihrer Form oder ihres Dekors fraglich bleiben muß; daneben Objekte, deren Dekor zwar christliche Bildmotive oder Symbole aufweist, die aber keinen sicheren Hinweis darauf geben, daß auch ihre Benutzer dem neuen Glauben angehörten; und schließlich Denkmäler, die einen eindeutigen Schluß auf die Zugehörigkeit ihres Besitzers zum Christentum erlauben. Die Katalogtexte der am Kolloquium beteiligten Studenten wurden von einem Redaktionsstab überarbeitet, zu dem außer den Herausgebern Friederike von Bargen, E. Johanna Clauß-Thomassen, Ernst Pohl, Michael Schmauder, Winfried Schmilz und Rotraut Wisskirchen gehörten. Winfried Schmilz bearbeitete nicht nur sämtliche, zum Teil unveröffentlichte Steininschriften, sondern unterzog sich auch der mühevollen Aufgabe, den gesamten Text in eine druckreife Fassung zu bringen. Er veranlaßte und betreute die fotografischen Neuaufnahmen der im Katalog behandelten Objekte und sorgte für alle übrigen Bild- und Kartenvorlagen. Auch die Indices und Verzeichnisse am Schluß des Bandes wurden von ihm erstellt. Ihm wie allen anderen Mitarbeitern sei für ihre Hilfe herzlich gedankt. Besonderen Dank schulden die Herausgeber dem Ministerium für Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, das durch einen großzügigen Zuschuß den Druck dieses Kataloges ermöglichte. Josef Engemann C. B. Rüger
Fränkische Filigranscheibenfibeln
Zur Geschichte des Rheinlands in Spätantike und Merowingerzeit*
1. Von Caesars Gallienfeldzügen bis zur Tetrarchie (58 v. Chr.-293 n. Chr.) 58-51 v. Chr. 9 n. Chr. 15/16 n. Chr.
41-54 50
Um 70
Um 90 Um 100 Um 250
Caesar erobert Gallien bis zum Rhein. Nach der Niederlage des Varus geben die Römer ihre militärische Präsenz in den rechtsrheinischen Gebieten bis zur Elbe auf. Kaiser Tiberius veranlaßt seinen Statthalter Germanicus, auf ein weiteres militärisches Vorgehen jenseits des Rheins zu verzichten1. Er setzt den Rhein, ursprünglich als Nord-Süd-Verbindung und damit als logistische Basis eingeplant, als Grenze fest. Der niedergermanische Limes wird geschützt durch eine Kette von mindestens 13 Kastellen; Legionslager gibt es zeitweise in Köln, Neuss, Nijmegen und vom 1. Jahrhundert bis in die spätrömische Zeit in Bonn und Xanten. Claudius baut das Straßennetz besonders im Rheintal und nach Belgien aus. Das seit einigen Jahrzehnten bestehende oppidum Ubiorum wird zur Colonia (Colonia Claudia Ära Agrippinensium-Köln) erhoben. Die Stadt erhält das ius Italicum, wie es nur wenige Städte in den römischen Nordwestprovinzen besitzen (z.B. Lyon)2. Infolge des Bataver auf Standes werden im Bereich der Rheinmündung die meisten Militäreinrichtungen zerstört, darunter auch das Legionslager Vetera I bei Xanten. Kaiser Vespasian leitet den Wiederaufbau ein: die Legionslager in Bonn und Neuss werden in Stein neu gebaut, in Gelduba (Krefeld-Gellep) wird ein Reiterlager eingerichtet. Am Rhein werden die zwei Provinzen Germania Superior und Germania Inferior eingerichtet. Am Niederrhein wird eine Veteranenkolonie, die Colonia Ulpia Traiana (Xanten), gegründet, die zweite und letzte Kolonie in der Provinz Germania Inferior. An der Jahreswende 256/257 durchbrechen rechtsrheinisch siedelnde Germanen, die Franken, den Limes, die in den folgenden Jahren mit wechselhaften Erfolgen ihre Angriffe wiederholen3. Dabei erweist es sich als großer Nachteil, daß nur der Rhein als Grenze militärisch gesichert ist. Hatte ein Feind einmal den Rhein überschritten, stand ihm der ungehinderte Weg nach Gallien offen.
* Kirchenpolitische Ereignisse sind kursiv gedruckt. 1 TACITUS, Annales 2,26,2ff. 2 TACITUS, Annales 12,27; Digesta L 15,8,2: Paulus libro secundo de censibus: ... In Germania inferiore Agrippinenses iurisItalicisunt. 3 AURELIUS VICTOR 33,3; EUTROPIUS 9,8,2; R. WENSKUS,
Stammesbildung und Verfassung (1961) 512f.; E. ZÖLLNER, Geschichte der Franken (1970) 8; B. KRÜGER, Die Franken bis zur politischen Vereinigung unter Chlodwig, in: DERS. (Hrsg.), Die Germanen 2 (1986) 379-442; Lexikon des Mittelalters IV (1989) 693 s. v. Franken B (H. ANTON).
Zur Geschichte des Rheinlands in Spätantike und Merowingerzeit
259-273
276
Das ,Gallische Sonderreich', zu dem die germanischen und gallischen, zeitweise auch die spanischen und britannischen Provinzen gehören, bewirkt eine Stabilisierung der Grenze. Hauptstädte des Sonderreiches sind Köln und Trier4. Ein fränkischer Einfall zerstört die Lager Gelduba (Krefeld-Gellep) und Vetera II (Xanten) vollständig und hinterläßt im nördlichen Grenzabschnitt kein unbeschädigtes Lager. Von diesem Zeitpunkt an scheint die Rheingrenze zwischen Arnheim und Nordsee ungesichert geblieben zu sein.
2. Bis zum Ende der Römerherrschaft (293 - um 450 n. Chr.) 284-305
306
311/313
Unter Kaiser Diokletian (284-305) wird - wahrscheinlich 297 - eine Verwaltungs- und Provinzreform durchgeführt, die der Provinz Germania Inferior das Siedlungsgebiet der Tungri anfügt, sie in Germania Secunda umbenennt und der gallischen Präfektur unterstellt5. Durch die Aufteilung der Herrschaft in der von Diokletian 293 errichteten Tetrarchie fällt die westliche Reichshälfte in den Machtbereich des Maximianus als Augustus und Constantius Chlorus als Caesar. Constantius verlegt 296 seinen Regierungssitz von Eburacum (York) nach Trier6. Er unterwirft die Franken, die im ungesicherten Nordabschnitt des Limes eingedrungen sind, siedelt sie im Gebiet der Rhein-Scheide-Mündung an und macht sie zu Föderalen7. Durch diese politisch-militärischen Maßnahmen gibt es bis 305 keine Grenzgefährdung. In den folgenden Jahren nutzen die Franken die Kämpfe um die Nachfolge im Römischen Reich zu Einfallen über den Rhein. Konstantin wird in Eburacum (York) vom Heer zum Kaiser ausgerufen. Er unternimmt bis 318/319 gegen die Franken vier Feldzüge, verstärkt den Ausbau der Befestigungsanlagen, baut in Köln eine 420 m lange Brücke über den Rhein und sichert sie durch einen Brückenkopf, das Kastell Divitia (Köln-Deutz)8. Von besonderer Bedeutung für die folgende Zeit ist seine Politik der Integration fränkischer Stammesteile in das römische Heer. Das Toleranzedikt des Kaisers Galerius beendet die Christenverfolgung im Römischen Reich, aber erst die Mailänder Konvention von 313 zwischen Konstantin und Licinius ermöglicht den Christen die freie Religionsaus-
1. KÖNIG, Die gallischen Usurpatoren von Postumus bis Tetricus (1981); DERS. in: Trier, Kaiserresidenz und Bischofstadt (1984) 9 f.; J. F. DRINKWATER, The Gallic Empire (1987). LACTANTIUS, De mortibus persecutorum 7,4: „Er schnitt die Provinzen in Stücke"; AMMIANUS MARCELLINUS 15,11,7. J. MOREAU, Constantius I. Jahrb. Antike u. Christentum 2, 1959, 158-160; H. MEINEN, Trier und das Trevererland in römischer Zeit (1985) 266 f. Panegyricus Latinus VI 5,3 (ed. R. MYNORS 189). Foedus ist ein Bündnis zwischen dem römischen Kaiser und einem nichtrömischen Stamm. Solche Bündnisverträge mit den Franken werden erwähnt im Panegyricus Latinus X 10,3,
bei AMMIANUS MARCELLINUS 16,3,2; 17,8,3 f. und bei CLAUDIANUS XXI 188f. Zu angesiedelten ,Dediticii' und ,Laeti' vgl. auch R. GÜNTHER in: KRÜGER (Hrsg.) a. a. O 387f. und A. DEMANDT, Die Spätantike. Handbuch der Altertumswissenschaft III 6 (1989) 316f. RACIII (1957) 306-379 s.v. Constantinus d. Gr. (J. VOGT); DEMANDT a. a. O. 62 Anm. 2. - Zur Rheinbrücke: Panegyricus Latinus VI 11 f. (ed. R. MYNORS 193); LACTANTIUS, De mortibus persecutorum 29,3; H. DESSAU, Inscriptiones Latinae Selectae 3,1 (1916) 8937; ZÖLLNER a. a. O. 14; U. SÜSSENBACH, Das Ende des Silvanus in Köln. Jahrb. Kölner Geschver. 55, 1984, 2.
Zur Geschichte des Rheinlands in Spätantike und Merowingerzeit
l Die germanischen Provinzen in der Spätantike
XI
XII
342/343
Um 350
9
Zur Geschichte des Rheinlands in Spätantike und Merowingerzeit
Übung (Publikation des Beschlusses durch Brief des Licinius vom 13. 6. 313 aus Nikomedien)9. Die früheste Nachricht über Christen in Germanien findet sich beilrenaeus, dem Bischof von Lyon, dessen Werk Adversus haereses in die Zeit um 180 zu datieren ist. Zum Beweis, daß der christliche Glaube und die Überlieferung der Kirche im Römischen Reich gleich seien, erwähnt Irenaeus auch Gemeinden in den germanischen Provinzen. Ob mit den bei Irenaeus genannten exxÄrjatai bischöflich verfaßte Kirchen oder in kleineren Gemeinschaf ten lebende Christen gemeint sind, ist schwer zu entscheiden10. Für das Rheinland ist die Frage der städtischen Episkopate besonders kompliziert, da es nicht wahrscheinlich ist, daß das Militär in den von ihm verwalteten Siedlungen episkopal geleitete Christengemeinden vor Konstantin zugelassen hat. Unter den niedergermanischen Städten bietet Köln am ehesten die Voraussetzungen für die frühe Entstehung einer größeren christlichen Gemeinde11. Da Bischof Maternus ,exAgrippina civitate'zu den von Konstantin 313 nach Rom bestellten Schiedsrichtern über die Donatistenfrage gehört und dieser gemeinsam mit dem Diakon Macrinus die Akten der Synode von Arles 314 unterschreibt12, wird die Kölner Gemeinde bereits im 3. Jahrhundert bestanden haben. Wahrscheinlich wird von Trier aus die Gemeinde in Köln, von Köln aus die Gemeinde in Tongern gegründet1*. Bischof Euphrates von Köln nimmt am Konzil von Serdika (Sofia) teil14. Er soll angeblich auf einer Synode gallischer Bischöfe in Köln 346 abgesetzt worden sein mit der Begründung: „Christum deum negat"15. Nach 20 Jahren Frieden wiederholen sich ab 341 die Frankeneinfälle16. Die Infiltration von fränkischen Neusiedlern ist nicht mehr kontrollierbar. Der germanische Bevölkerungsanteil auf römischem Gebiet wächst ständig. Infolge der innerrömischen Kämpfe um die Nachfolge werden große Truppenteile von der Rheingrenze abgezogen. Bei der Entscheidungsschlacht in Mursa, einer Stadt an der Mündung der Dräu in die Donau, sollen 36000 aus dem gallischen Heer gefallen sein17. Diese Schwächung des römischen Heeres nutzen die Franken zu Einfallen: die römischen Provinzen bis weit nach Gallien werden 353 verwüstet. 355 fällt die Provinzhauptstadt Köln der Zerstörung anheim. Für ein Jahr - bis zur Befriedungspolitik Julians
LACTANTIUS, De mortibus persecutorum 48,2; EUSEBIUS, Historia ecclesiastica 10,5,2-14; O. SEECK, Geschichte des Untergangs der antiken Welt l (1895) 138 f.; 498 f.; H. DÖRRIES, Das Selbstzeugnis Kaiser Konstantins (1954) 228f.; T. BARNES, The New Empire of Diocletian and Constantine (1982) 71. Zur Religionspolitik Konstantins: DEMANDT a.a.O. 71-75, 79. 10 IRENAEUS, Adversus haereses 1,10,2. Für die Stichhaltigkeit des Zeugnisses RAC X (1978) 576f. s. v. Germania (Romana) (H.v.PETRTKOVITS); vgl. 486s.v. Germanenmission (K. SCHÄFERDIEK). " PETRKOVITS a. a. O. 594 f. 12 Rom: OPTATUS, De schismate Donatistarum 1,23 (CSEL 26,26). - Arles: Concilia Gallia 314-506 (CCL 148,15).
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Siehe auch E. HEGEL, Die rheinische Kirche in römischer und frühfränkischer Zeit (1962) 95f.; H. BORGER, Die Abbilder des Himmels in Köln (1979) 58. ATHANASIUS, Historia Arianorum 20 (PG 25, 716 C); K. GIRARDET, Kaisergericht und Bischofsgericht (1975) 106 f. Concilia Gallia 314-505 (CCL 148,27); vgl. zur Ausbreitung des Christentums in den Rheinprovinzen nach 313 PETRIKOVITS a. a. O. 627f. HIERONYMUS, Chronica zu 341/342; ZOSIMUS 2,42; 3,1; 3,5; Chronica minora I 236; SOCRATES, Schol. 2,13. Chronica Minora 1237; ZONARAS 13,8,17; Epitome de Caesaribus 42,4; J. MOREAU, Constantius II. Jahrb. Antike u. Christentum 2, 1959, 162-178.
Zur Geschichte des Rheinlands in Spätantike und Merowingerzeit
XIII
(356-359) - bleibt die Provinz Germania Secunda außerhalb der römischen Machtsphäre. 355
Der Usurpator Silvanus flüchtet in Köln „ad conventiculum ritus Christiani", ehe er ermordet wirdn. Offizielle Maßnahmen gegen die Heiden verschärfen sich19. Aber obwohl 354 Constantius II. die Schließung aller heidnischer Tempel verfügt, erleben unter anderem in der Provinz Germania Secunda ältere pagane Tempelbezirke eine neue Blüte.
356
Julianus Apostata (Kaiser von 361-363) erhält, als er 355 in Mailand von seinem Vetter, dem Kaiser Constantius II. zum Caesar ernannt wird, den Auftrag, die römische Herrschaft am Rhein wiederherzustellen: „Übernimm den Schutz und und die Verwaltung Galliens, befreie die zerstörten Gegenden und erweise ihnen jegliche Erleichterung"20. Julianus ergreift sogleich wirksame Maßnahmen zur Rückeroberung der niedergermanischen Provinz21: Er verfolgt und vernichtet plündernde Franken, schließt Verträge mit anderen, führt notwendige Baumaßnahmen durch22 - unter anderem werden Köln und Bonn wieder aufgebaut - und stößt erfolgreich auf rechtsrheinisches Gebiet gegen die Chattuarier vor (359). Macht- und Reichsgrenze sind bis in die 80er Jahre des 4. Jahrhunderts wieder identisch. Kaiser Valentinian I. (364-375) setzt ein umfassendes Befestigungsprogramm entlang des Limes in Gang23. Außerdem sichert er die Straße von Köln über Tongern und Tournai nach Boulogne mit einer Postenkette24. In diese Zeitspanne relativer Ruhe in der niedergermanischen Provinz fällt die entscheidende Niederlage bei Adrianopel (378), in der zwei Drittel der römischen Ostarmee in der Schlacht gegen die Westgoten aufgerieben werden25. 388 gibt es erneut Überfälle und Brandschatzungen rechtsrheinischer Franken in der Provinz Germania Secunda.
369
388
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391/392
18 19
20 21 22 23
381 gilt als das Jahr der Begründung der christlichen Staatsreligion; an die Stelle der Bevorzugung der rechtgläubigen Christen tritt nun der Glaubenszwang. Theodosius (3 79-395) setzt 382 gegen Sonderkirchen, inquisitores'ein und verfügt einen Kanon von Strafen26. In drei Gesetzen von 391 und 392 verbietet er alle heidnischen Kulte - was allerdings nicht deren sofortiges Ende zur Folge hat - und erklärt das Christentum zur Staatsreligion21.
AMMIANUS MARCELLINUS 15,5,31; dazu MOREAU a. a. O. (Anm. 17) 167; SÜBENBACH a.a.O. (Anm. 8) 11. K. NÖTHLICHS, Die gesetzgeberischen Maßnahmen der christlichen Kaiser des 4. Jh. gegen Häretiker, Heiden und Juden (1971) 58 f. AMMIANUS MARCELLINUS 15,8,13 (Übersetzung W. SEYFARTH). Ebd. 17,8; EUNAPIUS Fragment 10; vgl. KRÜGER a. a. O. (Anm. 3) 384 f. JULIANUS 279 A. Zeugnisse bei D. HOFFMANN, Die Gallienarmee und der
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26 27
Grenzschutz am Rhein in der Spätantike. Nassauische Annalen84, 1973, 8 f. J.E. BOOAERSU. C.B. RÜGER (Hrsg.), Der niedergermanische Limes. Kunst und Altertum am Rhein 50 (1974). Zu diesem Vorgang, der die gesamte römische Welt in Alarmstimmung versetzt, schreibt RUFINUS: „ Quaepugna initium mali Romano imperio tunc et deinceps fuit" (Historia 11,13). Codex Theodosianus XVI 5,9; RE Suppl. XII (1973) 837-961 s. v. Theodosius I (A. Lippold). Codex Theodosianus XVI 10, lOff.
XIV
Zur Geschichte des Rheinlands in Spätantike und Merowingerzeit
Ende 4. Jh.
Für das Ende des 4. Jahrhunderts ist Bischof Severin bezeugt, der in Köln ein Monasterium zu Ehren der heiligen Cornelius und Cyprianus - das heutige St. Severin - gegründet habe soll2*. Nach ihm erfolgt eine lange Unterbrechung der Kölner Bischofsliste. Erst um 566/567 wird von Venantius Fortunatus der Kölner Bischof mit dem römischen Namen Carentius erwähnt29.
392/393
Der Franke Arbogast, seit 387 römischer Heermeister, unternimmt im Winter 392/393 einen Feldzug gegen die Brukterer und Chamaver und erneuert alte Verträge mit Franken und Alamannen30.395 erfolgt die Teilung des Reiches unter die Söhne des Theodosius; Honorius (395-423) wird Kaiser des Westreiches. Sein engster Berater, der Vandale Stilicho, befriedet als Heermeister im Westen für kurze Zeit das niedergermanische Gebiet31. Für den Kampf gegen die Westgoten unter Alarich muß er jedoch die Legionen vom Rhein und aus Britannien abziehen32. Zwischen 395 und 402 wird die Präfektur von Trier nach Vienne, dann nach Arles verlegt. Am Ende des Jahres 406 überfluten germanische Völkerschaften auf breiter Front die linksrheinischen Gebiete zwischen Mainz und Straßburg; nur der Norden zwischen Boppard und Andernach bleibt verschont33. Mainz, Worms und Speyer werden zerstört. Damit endet die römische Herrschaft in Obergermanien. Trier wird viermal (406,413,420 und 440) von den Franken erobert. Die Westgoten unter Alarich nehmen Rom ein und plündern es34. Augustin setzt sich mit dem Niedergang Roms in mehreren Predigten auseinander und neutralisiert durch seine Unterscheidung von der civitas terrena und der civitas Dei die vergängliche Nähe von civis Romanus und homo Christianus35. Der römische Heerführer Aetius36 geht gegen die Franken vor, stellt kurzfristig die Rheingrenze wieder her und schließt mit den Franken 448 einen Bundesgenossenvertrag, der 451 bei der Schlacht auf den katalaunischen Feldern realisiert wird: Die neuen Waffenbrüder, Römer, Franken und Goten, schlagen die Hunnen, die in zwei riesigen Heersäulen den Rhein überquert haben37. 454 wird Aetius, der letzte große römische Feldherr, von Kaiser Valentinian III. (425-455) erstochen38. Für die Grenzverteidigung in Ober- und Niedergermanien unternimmt Westrom nun keine Anstrengungen mehr.
406/407
410
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29 30 31 32
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34
GREGOR VON TOURS, Vita Sancti Martini l ,4 (MG SS rer. Mer. 1,590). Carmina 3,14 (MG AA 4,67f.). Vgl. CIL XIII 8262. PAULINUS VON MAILAND 30. CLAUDIANUS, De consulatu Stilichonis I 220-231. CLAUDIANUS, De bello Gothico 415-429; dazu DEMANDT a.a.O. 142, bes. Anm.20f. Ebd. Anm. 26. „Quidsalvum est, si Romaperit?" schreibt in Bethlehem HIERONYMUS (Epistulae 123,16,4).
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36 37 38
AUGUSTINUS, Sermones 81,105,296; dazu J. FISCHER, Die Völkerwanderung im Urteil der zeitgenössischen kirchlichen Schriftsteller Galliens unter Einbeziehung des heiligen Augustin (1948); DEMANDT a.a.O. 145f. DEMANDT a. a. O. 151, bes. Anm. 75. Chronica Minora I 481 f.; JORDANES, Getica 192f.; THEOPH. 5943. Chronica Minora I 303; JOHANNES VON ANTIOCHIEN, Fragment 201; PROKOP, Bellum Vandalicum 1,4,28.
Zur Geschichte des Rheinlands in Spätantike und Merowingerzeit
455
476 5. Jh.
39 40
41
XV
Köln fällt39; in der alten Metropole regieren die Franken. Aegidius räumt die Stadt und flieht zu seinem Sohn Syagrius, der in der Gegend um Soissons einen letzten Rest von Römerherrschaft bewahrt. Doch 486 wird auch er von Chlodwig vernichtend geschlagen. Odoaker setzt den letzten amtierenden Kaiser im Westreich, Romulus Augustulus, ab. Nichts deutet im 5. Jahrhundert auf eine Christianisierung des rechtsrheinischen, ,freien Germanien' hin40, auch ist die der niedergermanischen Provinz keineswegs abgeschlossen. Besonders der Bereich nördlich der Kölner Bucht stellt zu diesem Zeitpunkt nur eine Randzone christlicher Durchdringung dar. Die mit verminderter Bevölkerung überdauernden Städte, besonders die Bischofssitze wie Köln und Trier und die Kastellsiedlungen wie Bonn, können dagegen eine gewisse Kontinuität wahren; wahrscheinlich vermittelt die Schicht sozial Niederstehender den christlichen Glauben an die fränkischen Siedler. Allerdings weisen die Bischofslisten der Städte am Rhein längere Vakanzen von unterschiedlicher, oft nicht genau zu bestimmender Dauer auf. Der Hauptgrund für die offensichtliche Schwächung der Kirche in dieser Übergangsepoche waren wohl weniger Verfolgungen durch die neuen Gebieter, als eine Verarmung41. Andererseits verstärkt der fränkische Zuzug die Stellung des Heidentums, so daß man sogar von einer Repaganisierung der linken Rheinlandschaften sprechen kann. Erst die Bildung des fränkischen Großreiches unter den Merowingern führt eine Stabilisierung herbei, die sich auch bei der kirchlichen Regeneration und Weiterentwicklung auswirkt*2. Germanen, die bereits in dieser Zeit das Christentum angenommen haben, gehören zu den älteren, mehr oder minder provinzialrömisch assimilierten Bevölkerungselementen, die im 4. Jahrhundert in großer Zahl Zugang ins Reich gefunden haben43.
SALVIANUS, De gubernatione Dei 6,39: Köln sei voll von Feinden; DEMANDT a. a. O. 180. Theologische Realenzyklopädie XI (1983) 510f. s.v. Germanische Religion (A. EBERBAUER); im übrigen PETRIKOvnsa.a.O. 548 f. PETRIKOVITS a. a. O. 623; dazu SALVIANUS, Epistulae I 5,
42 43
der durch Verwandte über die Kölner Verhältnisse gut unterrichtet zu sein scheint. Dazu Theologische Realenzyklopädie XI (1983) 331 (K. SCHÄFERDIEK); PETRIKOVITS a.a.O. 582f. So SCHÄFERDIEK a. a.O. 332; siehe auch Lexikon des Mittelalters IV (1989) 718 s. v. Franken C (R. SCHIEFFER).
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Zur Geschichte des Rheinlands in Spätantike und Merowingerzeit
3. Fränkische Geschichte 2. Hälfte 4. Jh. Als Franken - der Name bedeutet, ,mutig', ,kühn', ,ungestüm', ,frech'und 5. Jh. bezeichnen sich mehrere Kleinstämme der Istwäonengruppe, zu denen unter anderen Chamaven, Brukterer, Chattuarier, Ampsivarier und Salier gehören44. Dje fränkische Landnahme auf römischem Boden, die zugleich eine Verschiebung des gesamten fränkischen Siedlungsgebietes zur Folge hat, vollzieht sich in zwei Etappen. Der gesamte Teilverband der Salier, der Salfranken, der zunächst im Salland an der Ijssel ansässig ist, siedelt schon um die Mitte des 4. Jahrhunderts - weiterem germanischen Druck weichend - in der Gegend um das heutige Tournai als .Dediticii' oder ,Foederati' auf römischem Reichsgebiet45. 100 Jahre später stoßen sie bis zur Somme vor und dehnen ihren Bereich bis zum Ende des 5. Jahrhunderts über die Seine hinaus bis zur Loire aus. Einen ersten Abschluß der salischen Expansion bildet im Jahre 486 die Zerschlagung der letzten Reste der römischen Herrschaft in Gallien, des Reiches des Syagrius. An Nieder- und Mittelrhein siedeln die Rheinfranken 46 : Sie umfassen im wesentlichen die oben erwähnten Kleinstämme und werden nach der Verwüstung des Gebietes um Köln am Ende des 4. Jahrhunderts von Arbogast und Stilicho in feste Verträge eingebunden. In der Folgezeit bedienen sich die Römer ganzer Verbände von Franken als Hilfstruppen47. Aetius gibt in den 30er Jahren des 5. Jahrhunderts dem römisch-germanischen Verhältnis eine neue Grundlage, indem er z. B. mit den Franken am Niederrhein einen Vertrag (Foedus) schließt. Für die Zeit um 450 lassen sich vier Gruppen von Franken unterscheiden, deren wichtigste die Salfranken und die Rheinfranken sind48. Um 455 Mit der endgültigen Aufgabe der römischen Herrschaft am Rhein erlangen die Rheinfranken, die um 455 Köln endgültig erobert haben, politische Selbständigkeit; sie knüpfen in der Folge (469) dynastische Beziehungen zu den Burgunden. Um 485 Die Rheinfranken erweitern ihre Machtsphäre um einen Teilbereich der ehemaligen Provinz Belgica Prima. Die Grenze zum alamannischen Gebiet verläuft ungefähr zwischen Worms und Mainz. In dieser Zeit ist eine monarchische Struktur bei den Rheinfranken eindeutig bezeugt. Am Ende des 5. Jahrhunderts sind diesbezüglich die Namen Sigibert der Lahme und Chloderich überliefert49. Die politische Führung der Franken geht noch vor dem Ende des 5. Jahrhunderts an die Salfranken unter dem Geschlecht der Merowinger über50. Dabei
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TACITUS, Germania 2,10: „ . . . proximi Oceano Ingaevones, mediiHermiones, ceteriIstaevones"; neueste Literatur bei KRÜGER a. a. O. 379-442 (zum Namen 381) und Lexikon des Mittelalters IV (1989) 690f. (H. ANTON). Die Form der rechtlichen Zuordnung ist in der Forschung umstritten. - Zu Herkunft und historischer Stellung der Salfranken KRÜGER a. a. O. 396f. Moderne Bezeichnung; im frühen Mittelalter Ripuarier genannt.
" Zum Anteil von Germanen, bes. von Franken, im römisehen Heer KRÜGER a.a.O. 395f. 48 Historici Graeci Minores I (ed. L. DINDORF 278-280); SiDONIUS APOLLINARIS, Epistulae et Carmina (MG AA VIII 1-264). 49 Cosmographia Raven. IV 24,26; GREGOR VON TOURS, Historia Francorum 2,40. 50 KRÜGER a.a.O. 439f.
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2a Die Entstehung germanischer Reiche in den gallischen und germanischen Provinzen (zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts)
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ist von großer Bedeutung, daß das Merowingerreich von Franken gegründet wird, die in geschlossenen Verbänden schon ein Jahrhundert lang im ehemaligen römischen Reichsgebiet wohnen und mit der römischen Kultur vertraut sind. Trotz des gewaltigen Umbruchs leben auf diese Weise viele spätrömische Elemente in dem neuen Staatsgebilde fort, dessen bäuerliche Struktur jetzt allerdings stärker hervortritt51. Die wirtschaftliche und politische Ordnung wird nun vom Großgrundbesitz und seinen Rechten bestimmt, in die sich König, Adel und Kirche teilen. Der Merowingerkönig Chlodwig52 (482-511), der Sohn Childerichs und Gatte der katholischen Chrotchildis, der Nichte des Burgundenkönigs Gundobad53, unterwirft seinem Reich nicht nur alle übrigen Kleinkönige bis an den Rhein und die Herrschaftsbereiche des Arbogast (nach 475) und des Syagrius (486). Er vereinnahmt auch die Herrschaftsgebiete der Alamannen (um 500) und des tolosanischen Westgotenreiches (507)54. Seine Söhne und Enkel dehnen das Reich auf die Thüringer (53l)55 und Burgunden (532/534) sowie auf das nördliche Grenzgebiet des Ostgotenreiches und Baiern (536) aus. Aus zeitgenössischen Berichten kann man nur wenig zu Chlodwigs Bekehrung zum Christentum entnehmen56. K. Schäferdiek sieht die historische Tragweite dieses Ereignisses darin begründet, daß Chlodwig die Umgestaltung des Frankenbundes zu einem Frankenreich gelingt. „Zugleich und nicht zuletzt gerade deshalb bedeutet sein Übergang zum (orthodoxen) Christentum die entscheidende Grundlegung der fränkischen Christianisierung im Anschluß an die lateinisch-katholische Kirche"51. Offensichtlich kommt es unter nicht näher bekannten Umständen 497 zu einer Schlacht zwischen Franken und Alamannen, in deren Verlauf Chlodwig ausgerufen haben soll: „Jesus Christus, den Chrotchildis laut rühmt, er sei der Sohn des lebendigen Gottes... Ich flehe dich demütig an um deinen mächtigen Beistand. Gewährst du mir jetzt den Sieg über meine Feinde, und erfahre ich so jene Macht, ... so will ich an dich glauben und mich taufen lassen auf deinen Namen "58. Die Franken siegen, und ihr König läßt sich Weihnachten 498 oder 499 von Remigius in Reims katholisch taufen59. Der Bischof begleitet den Taufakt mit den Worten: „ Verehre, was du verbrannt hast, verbrenne, was du verehrt hast"60. Durch diesen geschichtlich überaus folgenreichen Schritt gewinnt Chlodwig die Sympathien des gallischen und außergallischen katholischen Episkopats, erreicht die Festigung seiner Herrschaft in Gallien und über die durch
Zu Kontakten zwischen Franken und provinzialrömischer Bevölkerung KRÜGER a.a.O. 425f. RE Suppl. XII (1973) 139-174 s.v. Chlodovechus (A. LIPPOLD); Theologische Realenzyklopädie VIII (1981) 1-2 s.v. Chlodwig (K. SCHÄFERDIEK). GREGOR VON TOURS, Historia Francorum 2,28. Ebd. 2,37. - Zu den fränkisch-alamannischen Auseinandersetzungen GÜNTHER a. a. O. 438f. AGATHIAS 1,4 f.
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Dazu E. EWIG in: H. JEDIN (Hrsg.), Handbuch der Kirchengeschichte 2,2 (1975) 104 f. 57 RAC X (1978) 535 (K. SCHÄFERDIEK); Quellen zur Taufe: AVITUS, Epistulae ad div. Nr. 46 (MG AA VI,2); NICETIUS, Epistula ad Chlod. (MG Epp. III, 122); GREGOR VON TOURS, Historia Francorum 2,31. 5 ? GREGOR VON TOURS, Historia Francorum 2,30. 59 Gregor schreibt dazu: „Er ging, ein neuer Konstantin, zum Taufbade hin" (ebd. 2,31). «» Ebd.
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2b Das Frankenreich unter den Merowingern (erste Hälfte des 6. Jahrhunderts)
XIX
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1. Hälfte 6. Jh.
Um 550
7. Jh.
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ihre konfessionelle Spaltung politisch schwachen arianischen Germanenreiche. Trotz dieser Entwicklung kommt die Missionierung an Rhein undMoselnur zögernd in Gang. Noch kurz nach 532 erläßt Childebert I. ein Edikt gegen das Heidentum, gebietet die Entfernung von Götterbildern und untersagt heidnische Gelage, Gesänge und Tänze61. Etliche Beschlüsse fränkischer Synoden verraten den Kampf gegen die alten Religionen62. Immerhin sind noch am Hofe Chlotachars (511-561) heidnische Franken anzutreffen63. Zwischen 511 und 525 hat der spätere Bischof von Clermont, Gallus, in Köln ein heidnisches Heiligtum in Brand gesteckt; Radegunde, die Gattin Chlotachars L, läßt ein heidnisch-fränkisches Kultgebäude anzünden6*. Prokop berichtet für den Italienfeldzug der Franken (539) sogar von Menschenopfern65. Das Bild der religiösen Situation zur Zeit der ersten Nachfahren Chlodwigs ist noch sehr uneinheitlich66. Das linksrheinische Franken des 6. Jahrhunderts weist ein kirchlich verhältnismäßig fest organisiertes Gebiet auf. Alle in diesem Raum am Ende der römischen Ära bestehenden Bistümer haben sich, wenn auch mit zeitweiligen Unterbrechungen der Nachfolge, behaupten können61. Um die Mitte des 6. Jahrhunderts setzen die wichtigsten Bischofslisten wieder ein. In Köln erscheint nach Carentius der wohl germanische Bischof Eberigisil (um 590J6S. Fest zu datieren ist erst Solatius, der 614 an der Pariser Synode teilnimmt69. Die erste Phase der innerfränkischen Mission erschöpft sich in der kirchlichen Restauration, die an die vorhandenen Gemeinden anknüpft und im wesentlichen vom Klerus getragen wird. Bis 614 sind sämtliche Bischofssitze am Rhein wiederbesetzt; erst in Ansätzen erfolgt die Mission der heidnischen Bevölkerung. Im 7. Jahrhundert, in der zweiten Phase, findet das fränkische Christentum Entfaltung weit über den spätrömischen Bereich hinaus. Im Zuge der durch iro-schottische Mönche ausgelösten monastischen Bewegung10 wird neben dem Episkopat auch der Adel des Merowingerreiches ergriffen. Die intensiv betriebene Glaubensverbreitung umgeht weiträumig die Kölner Bucht. Das läßt den Schluß zu, daß dieser Raum weitgehend christianisiert war. Das Gebiet östlich des Rheins wird von Köln aus missioniert, was in den mittelalterlichen Bistumsgrenzen seinen Niederschlag findet11.
Praecepta Childeberti (MG Capit. I Nr. 2). 1. Synode von Orleans 511 (c. 30); 2. Synode 533 (c. 20); 4. Synode 541 (c. 15/16). JOH. BOB., VitaVed.7(MGScr. rer. Germ. 37,314/316). GREGOR VON TOURS, Vita patrum 6,2; De vita Sanctae Radegundis 2,2 (MG Scr. rer. Mer. 2,380). PROKOP, Bellum Gothicum 2,25,9. Dazu SCHÄFERDIEK a. a. O. (Anm. 57) 536-539; PETRIKOviTsa.a.O. 625-627.
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Nijmegen und Xanten sind schon früher untergegangen, ihr Gebiet wird spätestens im 6. Jh. dem Bistum Köln angegliedert. 68 F.ÖDIOER, Geschichte des Erzbistums Köln l (1964) 116f. 69 Ebd. 2(1972) 76. ™ Columban gründet um 590 Luxeuil. " Dazu SCHÄFERDIEK a. a. O. (Anm. 42) 334; Lexikon des Mittelalters IV (1989) 719 (R. SCHIEFFER).
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6. Jh.
8. Jh.
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In Anwendung des germanischen Teilungsprinzip wird das sich ständig durch Eroberungen vergrößernde Frankenreich nach Chlodwigs Tod (511) unter seine Söhne aufgeteilt. Im Laufe des 6. Jahrhunderts verfestigt sich eine Dreiteilung: Austrien (oder Austrasien - Ostland) an Rhein und Maas mit der Residenz Metz, Neustrien im Westen zwischen Scheide und Loire mit der Hauptstadt Paris und Burgund, das das Loire- und Rhonegebiet umfaßt, mit der Hauptstadt Orleans. Das Rheinland gehört fortan zum austrischen Teilreich, das nach dem Zerfall des merowingischen Staatswesens durch den Sieg Pippins des Mittleren, des Hausmeiers von Austrien, bei Tertry (687) das politische Übergewicht erhält. Im 8. Jahrhundert führt über Karl Martell (714-741) und Pippin (751 -768), dem Vater Karls des Großen, der Wechsel zur Dynastie der Karolinger. Das hat die Erneuerung des Frankenreiches zur Folge und zieht die territoriale Erweiterung nach sich: Hier nimmmt Europa zum ersten Mal Gestalt an. R.W.
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Fundorte der im Katalog behandelten Denkmäler
3 Fundorte der im Katalog behandelten Denkmäler 1 Qualburg, Gem. Bedburg-Hau, Kr. Kleve (Kat. Nr. 106) 2 Xanten, Kr. Wesel (Kat. Nr. 45, 101-102) 3 Bislich, Stadt Wesel, Kr. Wesel (Kat. Nr. 120) 4 Morken, Stadt Bedburg, Erftkreis (Kat. Nr. 4, 113) 5 Rommerskirchen, Kr. Neuss (Kat. Nr. 5-6) 6 Lindern, Stadt Geilenkirchen, Kr. Heinsberg (Kat. N r. 44) 7 Köln (Kat. Nr. 73, 115) 8 Deutz, Stadt Köln (Kat. Nr. 124) 9 Gleuel, Gem. Hürth, Erftkreis (Kat. Nr. 69-71) 10 Rodenkirchen, Stadt Köln (Kat. Nr. 118) 11 Kaischeuren, Gem. Hürth, Erftkreis (Kat. Nr.76) 12 Meschenich, Stadt Köln (Kat. Nr. 67-68) 13 Vochem, Stadt Brühl, Erftkreis (Kat. N r. 39, 105) 14 Pier, Gem. Inden, Kr. Düren (Kat. Nr. 42-43) 15 Derichsweiler, Stadt Düren, Kr. Düren (Kat. Nr. 41) 16 Bonn (Kat. Nr. 1-3, 37-38, 49, 65-66, 74, 79, 119, 121) 17 Niederdollendorf, Stadt Königswinter, RheinSieg-Kreis (Kat. Nr. 48) 18 Bei Zülpich, Kr. Euskirchen (Kat. Nr. 116) 19 Meckenheim, Rhein-Sieg-Kreis (Kat. Nr. 7, 84, 89, 100) 20 Iversheim, Stadt Bad Münstereifel, Kr. Euskirchen (Kat. Nr. 64) 21 Remagen, Kr. Ahrweiler (Kat. Nr. 34-36, 63) 22 Zingsheim, Gem. Nettersheim, Kr. Euskirchen (Kat. Nr. 40)
23 Rheinbrohl, Kr. Neuwied (Kat. Nr. 33) 24 Leutesdorf, Kr. Neuwied (Kat. Nr. 31-32, 47, 60-62, 93) 25 Gladbach, Stadt Neuwied, Kr. Neuwied (Kat. Nr. 91) 26 Andernach, Kr. Mayen-Koblenz (Kat. Nr. 2930,54-59,78,80,98,117) 27 Engers, Stadt Neuwied, Kr. Neuwied (Kat. Nr. 81,87-88,99) 28 Mülhofen, Stadt Bendorf, Kr. Mayen-Koblenz (Kat. Nr. 90) 29 Nickenich, Kr. Mayen-Koblenz (Kat. Nr. 28, 53) 30 Kärlich, Gem. Mülheim-Kärlich, Kr. MayenKoblenz (Kat. Nr. 27, 85, 114) 31 Rübenach, Stadt Koblenz (Kat. Nr. 75) 32 Kottenheim, Kr. Mayen-Koblenz (Kat. Nr. 52) 33 Kobern, Gem. Kobern-Gondorf, Kr. MayenKoblenz (Kat. Nr. 23-26, 51, 82-83, 94-95, 104) 34 Gondorf, Gem. Kobern-Gondorf, Kr. MayenKoblenz (Kat. Nr. 9-11, 15-22, 50, 86, 107) 35 Lehmen, Kr. Mayen-Koblenz (Kat. Nr. 14) 36 Boppard, Rhein-Hunsrück-Kreis (Kat. Nr. 1213) 37 Moselkern, Kr. Cochem-Zell (Kat. Nr. 8) 38 Karden, Gem. Treis-Karden, Kr. Cochem-Zell (Kat. Nr. 46) 39 Trechtingshausen, Kr. Mainz-Bingen (Kat. Nr. 103) 40 Mainz-Kastel, Stadt Wiesbaden (Kat. Nr. 123) 41 Münster, Gem. Münster-Sarmsheim, Kr. MainzBingen (Kat. Nr. 96)
Fundorte der im Katalog behandelten Denkmäler
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Grabpflege und Totenkult von der Spätantike zum frühen Mittelalter
Der älteste in diesem Katalog behandelte Grabkomplex, die Totenmemorie unter dem Bonner Münster, wurde möglicherweise in der zweiten Hälfte des 3., spätestens aber im 4. Jahrhundert errichtet und führt somit noch in die späte römische Kaiserzeit zurück. Die architektonische Ausgestaltung ist deutlich in die Entwicklung spätantiker paganer Grabarchitektur eingebunden1. Sitzbänke und Tische (mensae) ermöglichten die Feier der Gedächtnistage und des Totenmahles. Zentraler Gedanke der Totenfeierlichkeiten am Grab der Verstorbenen war die Aufrechterhaltung und Pflege der sozialen Bindungen2. Der Tote war als am Mahl Teilnehmender zugleich auch Mitglied der Gemeinschaft der Lebenden; diese Vorstellung wurde auch vom Christentum übernommen. Mit Recht spricht O.G. Oexle von „der Gegenwart der Toten"3. Mit den christlichen Glaubensvorstellungen der Auferstehung des Fleisches, des Lebens nach dem Tode und des Gerichts am Ende der Tage gewann die Sorge um die Toten noch weit größere Bedeutung. Ein Aspekt dieses Wandels war der sich seit dem Beginn des 4. Jahrhunderts weiter ausbreitende Märtyrerkult, der erstmals in der Verehrung für den Bischof Polykarp durch seine Gemeinde in Smyrna um 165 n. Chr. belegt ist4. Auch für die Bonner Cella memoriae wurde die Vermutung geäußert, daß es sich um eine Märtyrergedächtnisstätte des Cassius und Florentius handele, die als Soldaten in der legendären Thebäerlegion gedient und in Bonn den Märtyrertod erlitten haben sollen. Jedoch erweisen sich weder der archäologische Befund noch die früheste urkundliche Erwähnung aus dem Jahr 691/692 n. Chr. als eindeutige Belege. J. G. Deckers stellte in seinen Ausführungen zur Entstehung des Märtyrerkultes in Köln fest, daß „ . . . wir auch keine anderen sicheren Quellen kennen, die für Niedergermanien und das ganze nördliche Gallien echte Martyrien belegen", und weiter, „daß die von Papst Damasus und Bischof Ambrosius so wirkungsvoll propagierte Verehrung lokaler Märtyrer auch in Köln (ebenso in Bonn) begann, ein Bedürfnis zu werden"5.
Immer noch grundlegend: TH. KLAUSER, Die Cathedra im Totenkult der heidnischen und christlichen Antike. Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 2l 2 (1971). Weiterhin: J. M. C. TOYNBEE, Death and Burial in the Roman World (l971). B. GLADIOOW, Naturae deus humanae mortalis. Zur sozialen Konstruktion des Todes in römischer Zeit, in: G. STEPHENSON (Hrsg.), Leben und Tod in den Religionen. Symbol und Wirklichkeit (1980) 119-133; P.-A. FEVRIER, Kult und Geselligkeit: Überlegungen zum Totenmahl, in: J. MARTIN u. B. QUINT (Hrsg.), Christentum und antike Gesellschaft. Wege der Forschung 649 (1990) 358-390. So z. B. TERTULLIAN, De testimonio animae 4 (CSEL 20,
S. 139). Siehe hierzu: O. G. OEXLE, Mahl und Spende im mittelalterlichen Totenkult. Frühmittelalterliche Studien 18, 1984, 401-420; DERS., Die Gegenwart der Toten, in: H. BRAET u. W. VERBEKE (Hrsg.), Death and Burial in the Middle Ages. Mediaevalia Lovaniensia Series 1/Studia 9 (1983) 19-77. H. MUSURILLO, The Acts of the Christian Martyrs (1972) 17. J. G. DECKERS, Kult und Kirchen der Märtyrer in Köln. Rom. Quartalschr. 83, 1988, 25-43 bes. 31. - Nach H. von Petrikovits geht die Entstehung der Thebäerlegende mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Heiligengeschichte der Märtyrer von Aucanum (St. Maurice-en-Agaune im Wallis) zurück, die Bischof Eucherius von Lyon etwa in den
Grabpflege und Totenkult
Die Bedeutung des Märtyrerkultes lag in dem Umstand begründet, daß die Märtyrer als Blutzeugen Christi nach der Schilderung der Offenbarung des Johannes unmittelbaren Zugang zu Christus hatten6. „Denn", wie F. W. Deichmann schreibt „nach den Vorstellungen der christlichen Frühzeit sind die Seelen der Märtyrer die einzigen, die vor der Endzeit und dem Gericht im Himmel Aufnahme fanden, und zwar unter dem himmlischen Altar, als bereits eschatologisch Vollendete"7. Bereits um 295 n. Chr., also in vorkonstantinischer Zeit, ist erstmals der Wunsch zur Bestattung ,ad sanctos' belegt, der die Errichtung von großen Coemeterialkirchen zur Folge hatte8. Kaiser Konstantin gab der Verehrung der Märtyrer durch die Memorialkirchen vor den Toren Roms einen monumentalen architektonischen Rahmen9. Die Verehrung der Märtyrer führte zu einer regen Suche nach deren sterblichen Überresten; frühzeitig entwickelte sich ein ausgedehnter Reliquienkult10. Bereits kurz nach dem Ende der unter Diokletian eingeleiteten Christenverfolgung ließ Asklepia, eine wohlhabende Christin aus Salona in Dalmatien, am Anfang des 4. Jahrhunderts den Leichnam des Märtyrers Anastasios in ihr Mausoleum überführen11. Konstantin selbst ließ sich in der Apostelkirche in Konstantinopel inmitten der Kenotaphien der zwölf Apostel bestatten; eine - zumindest in einigen Fällen mögliche - Translation der Gebeine ließ er nicht vornehmen12. 349, 381 und 386 wurden Bestimmungen zum Schutz der Gräber erlassen; die Translation von Apostel- und Märtyrergebeinen wurde verboten13. Doch nachdem der Mailänder Bischof Ambrosius am 17. Juni 386 die Gebeine der Heiligen Gervasius und Protasius in eine .Basilika Ambrosiana' genannte Stadtkirche überführt hatte, nahm die Suche nach Heiligen-
30er und 40er Jahren des 5. Jh. schrieb (H. v. PETRIKOVITS, Rheinische Geschichte l, 1. Altertum [1978] 254). Siehe auch: RAC X (1978) 548-654, bes. 582-593 s. v. Germania (Romana) (H. v. PETRIKOVITS). Joh., Offb. 20, 4-6: „Dann sah ich Throne; und denen, die darauf Platz nahmen, wurde das Gericht übertragen. Ich sah die Seelen aller, die enthauptet worden waren, weil sie an dem Zeugnis Jesu und am Wort Gottes festgehalten hatten. Sie hatten das Tier und sein Standbild nicht angebetet, und sie hatten das Kennzeichen nicht auf ihrer Stirn und auf ihrer Hand anbringen lassen. Sie gelangten zum Leben und zur Herrschaft mit Christus für tausend Jahre. Die übrigen Toten kamen nicht zum Leben, bis die ersten tausend Jahre vollendet waren. Das ist die erste Auferstehung. Selig und heilig, wer an der ersten Auferstehung teilhat. Über solche hat der zweite Tod keine Gewalt. Sie werden Priester Gottes und Christi sein und tausend Jahre mit ihm herrschen." F. W. DEICHMANN, Einführung in die Christliche Archäologie (1983) 54-67 bes. 54. V. SAXER, Die Ursprünge des Märtyrerkultes in Afrika. Rom. Quartalschr.79, 1984, 1-11. F. W. DEICHMANN u. A. TSCHIRA, Das Mausoleum der Kaiserin Helena und die Basilika der Heiligen Marcellinus und Petrus an der Via Labicana vor Rom. Jahrb. DAI 72, 1957,44-110.
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B. KÖTTINO, Der frühchristliche Reliquienkult und die Bestattung im Kirchengebäude. Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen 123 (1965); DERS., Die Tradition der Grabkirche, in: K. SCHMID u. J. WOLLASCH (Hrsg.), Memoria - Der geschichtliche Zeugniswert des liturgischen Gedenkens im Mittelalter. Münstersche Mittelalter-Schriften 48 (1984) 69-78. 1 ' Die Frage nach dem Ende der Christenverfolgung in Dalmatien kann an dieser Stelle nicht erörtert werden. Der Grabbau der Asklepia wird allgemein in die Zeit nach 305/6 n. Chr. datiert. Dazu: D. KOROL, Die frühchristlichen Wandmalereien aus den Grabbauten in Cimitile/ Nola. Zur Entstehung und Ikonographie alttestamentlicher Darstellungen. Jahrb. Antike u. Christentum. Ergbd. 13 (1978) 19 Anm. 73; 20 Anm. 75. Allgemein: TH. KLAUSER, Vom Heroon zur Märtyrerbasilika (1942), in: E. DASSMANN (Hrsg.), Gesammelte Arbeiten zur Liturgiegeschichte, Kirchengeschichte und Christlichen Archäologie. Jahrb. Antike u. Christentum. Ergbd. 3 (1974) 275-291, 284-288 mit Anm. 16; 17. 12 Zu den Beweggründen der Ausgestaltung der konstantinischen Grablege: P. STOCKMEIER, Herrscherfrömmigkeit und Totenkult. Konstantins Apostelkirche und Antiochos' Hierothesion, in: E. DASSMANN u. K. S. FRANK (Hrsg.), Pietas. Festschrift für Bernhard Kötting. Jahrb. Antike u. Christentum. Ergbd. 8 (1980) 105-113. 13 Codex Theodosianus 9,17,2; 9,17,6-7.
Grabpflege und Totenkult
und Märtyrergräbern einen sprunghaften Anstieg. Anlaß für die Überführung der beiden Märtyrerleichname in den Kirchenraum war die vorherige Bestattung an einem unwürdigen Ort (sub caespide)14. Nur in diesem Fall erlaubte das Gesetz die Exhumierung. Ambrosius ließ die beiden Märtyrer an jenem Ort bestatten, den er zunächst für sich selbst ausgewählt hatte. Er schreibt: „Ich hatte den Platz unter dem Altar für mich bestimmt, denn es ist billig, daß dort der Priester ruht, wo er das Opfer darzubringen pflegte". Nach der Auffindung der Märtyrer faßte er jedoch den Entschluß, sich in ihrer Nähe beerdigen zu lassen, denn es galt: „Die siegreichen Opfer (also die Märtyrer) an den Platz (zu) rücken, wo Christi Opfer ist; dieser, der für alle gelitten hat, auf dem Altar, jene unter dem Altar, weil sie durch sein Leiden erlöst sind"15. Die Ausführungen des Ambrosius zeigen vor allem das Bemühen, den Märtyrerkult in einen liturgisch-theologischen Rahmen und damit an die kirchliche Institution zu binden16. Auch in der Folgezeit waren die Kaiser bemüht, durch staatliche Gesetzgebung die Gräber zu schützen; Justinian ließ eine Translation von Märtyrergebeinen nur in vom Kaiser genehmigten Fällen zu17. Die Bedeutung des Wunsches, ,ad sanctos' bestattet zu werden, der durch die Translation der Gebeine nun vielerorts verwirklicht werden konnte, beschreibt Augustinus von theologischer Seite folgendermaßen: „Der Seele der Verstorbenen nützt nicht der Platz, wo der Leichnam ruht, sondern der durch den Ort immer wieder angefachte Gebetseifer der Lebenden, die ihn dem Schutz der Märtyrer empfehlen"18. Die übliche und sich noch lange Zeit haltende Sitte des Totenmahls am Grab der Märtyrer sollte durch die Feier der Eucharistie und von Gedenkgottesdiensten seiner immer noch deutlich paganen Ursprünge entledigt werden. Am Beginn des 4. Jahrhunderts urteilte Eusebius sehr positiv über die zu Ehren von Märtyrern abgehaltenen Totenmähler, „die von vielen gehalten werden, und zwar aus Mitleid und zur Erholung der Bedürftigen, wie auch zur Hilfe für die Verbannten. Wenn jemand dies für unziemlich hält, dann versteht er nicht die göttliche und allerheiligste Lehre"19. Äußerst kritisch stand der Kirchenlehrer Augustinus dem Totenmahl gegenüber; er bezeichnete es als heidnischen Aberglauben (parentalia superstitioni gentilium similima)20. Die Skepsis wird in folgender Äußerung deutlich: „Die jedenfalls, welche Lebensmittel mitnehmen, sei es, um sie zu verzehren oder um sie an die Bedürftigen zu verteilen, tun das in der Absicht, diese Lebensmittel durch die Verdienste der Märtyrer heiligen zu lassen. Daß es sich nicht um Opfer an die Adresse der Märtyrer handelt, wissen alle die, welche das einzige Opfer der Christen kennen, das man dort darbringt"21. Augustinus spricht hier einen weiteren zentralen Aspekt der durch das Christentum veränderten Aufgabe des Totenmahls an. Weitaus stärker als im paganen Grabkult soll nach Auffassung der Kirchenlehrer der karitative Zweck der Mahlfeierlich14 15
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AMBROSIUS, Ep. 22,7; 22,12 (PL 16, 1064 B u. 1066 A). AMBROSIUS, Ep. 22,13 (PL 16, 1066). Übers. KÖTTING, Reliquienkult a. a. O. (Anm. 10) 22; 29. Vgl. Codex lustinianus 3, 44, 10. Siehe weiterhin: E. DASSMANN, Ambrosius und die Märtyrer. Jahrb. Antike u. Christentum 18, 1975, 49-68. Codex lustinianus 3,44,14. RAC XII (1983) 590-637 s. v. Grabrecht (Grabmulta, Grabschändung) (G. KLINGENBERO); K. L. NOETHLICHS, Spätantike Jenseitsvorstellungen im Spiegel des staatlichen Gräberschutzes, in: Jenseitsvorstellungen in Antike und Christentum. Gedenk-
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schrift für Alfred Stuiber. Jahrb. Antike u. Christentum. Ergbd. 9 (1982) 47-54. AUGUSTINUS, De cura pro mortuis gerenda 18, 22 (CSEL 41, S. 659). Übers. KÖTTING, Reliquienkult a.a.O. (Anm. 10) 25. EUSEBIUS, Constantins Rede an die heilige Versammlung, Kap. 12 (ed. I.A.HEIKEL 1902,171). Übers. OEXLE a.a.O. (Anm. 3) 406. AUGUSTINUS, Confessiones 6,2 (CSEL 33, 11, S. 115). AUGUSTINUS, Civitas Dei 8,27 (CC 47, S. 248-249). Übers. FEVRIER a. a. O. (Anm. 2) 390.
Grabpflege und Totenkult
keiten in den Vordergrund treten22, ganz im Sinne der neutestamentlichen Aufforderung: „Nein, wenn du ein Mahl gibst, so lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein" (Lukas 14,13). Bedürftig waren vor allem jene Mitglieder der christlichen Gemeinden, die nicht in der Lage waren, selbst für ihr eigenes Begräbnis und die Gedenkfeiern aufzukommen. Hier nun führten die Gemeinden eine pagane Tradition weiter, deren Wurzeln in das ausgehende 1. Jahrhundert zurückreichen. Zu dieser Zeit entstanden die ,collegia funeraticia', denen die familiären Verpflichtungen der Sorge um die Bestattung und das Gedächtnis des Verstorbenen übertragen wurden23. Die Aufgabe der ,collegia f uneraticia' übernahmen mit dem sich ausbreitenden Christentum die Gemeinden. In Rom entstanden so auf Grund der großen Anzahl der Bestattungen und den damit verbundenen Kosten zur Erwerbung von Grundstücken die Katakomben mit den später darüber errichteten Coemeterialkirchen24. Die weitere bauliche Entwicklung im Bereich des Bonner Münsters läßt die Sorge um Gebet und Gedenken für die Verstorbenen und damit den Wunsch der Beisetzung im Kirchengebäude erkennen. Am Ende des 4. Jahrhunderts oder um 400 wird die Cella memoriae von einer kleinen Saalkirche überbaut. In der südwestlichen Ecke des Raumes fanden sich im Estrich über zwei Gräbern ein aus Marmorbruchstücken zusammengesetztes Kreuzzeichen und ein Grabstein mit Kreuz. Die spärlichen Beigaben der Grablegen des 4. und 5. Jahrhunderts legen die von K. Böhner geäußerte Vermutung nahe, daß hier vor allem die christianisierte ,Rest-Romanitas' bestattete. Der Wunsch, im Kirchengebäude bestattet zu werden, um so das Gedächtnis an den Toten wach zu halten und langfristig zu sichern, liegt auch den beiden frühmittelalterlichen Grabkomplexen von Morken und Rommerskirchen (Kat. Nr. 4; 5) zugrunde. In beiden Fällen läßt sich die Existenz eines frühen Kirchenbaues archäologisch zwar nicht nachweisen, aber durch die Lage der Gräber unter den hochmittelalterlichen Kirchen vermuten. Die Befunde stehen stellvertretend für die fortschreitende Christianisierung der germanischen Bevölkerung im Rheinland. Der in der Zeit um 600 n. Chr. in Morken bestattete fränkische Krieger mit seiner reichen Tracht- und Beigabenausstattung ist noch fränkischgermanischen Bestattungssitten verhaftet, wie sich an dem ,Charonspfennig' im Mund des Toten und an den reichlichen Speise- und Trankbeigaben zeigt25. So bleibt allein der deutliche Bezug des späteren Kirchenbaus (mit Martinspatrozinium26) zum Grab als Hinweis
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Zur Kontinuität der karitativen Bedeutung der Mahlfeierlichkeiten: J. WOLLASCH, Gemeinschaftsbewußtsein und soziale Leistung im Mittelalter. Frühmittelalterliche Studien 9, 1975,268-286. E. F. BRÜCK, Über römisches Recht im Rahmen der Kulturgeschichte (1954) 46-100. Daneben entwickelte sich nicht zuletzt durch ein Gesetz Constantins aus dem Jahr 321 n. Chr., nach dem die Freilassung von Sklaven als manumissio religiosa mente, also als Freilassung aus religiösem Geist, bezeichnet wurde, eine Form von Memorialsorge, die sich auf eben diese Freigelassenen stützte. Siehe dazu: M. BORGOLTE, Freigelassene im Dienst der Memoria. Kulttradition und Kultwandel zwischen Antike und Mittelalter. Frühmittelalterliche Studien 17, 1983, 234-250.
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H. BRANDENBURG, Überlegungen zu Ursprung und Entstehung der Katakomben Roms, in: Vivarium. Festschrift für Theodor Klauser zum 90. Geburtstag. Jahrb. Antike u. Christentum Ergbd. 11 (1984) 11-49.
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Siehe zur Trank- und Speisebeigabe den nicht unproblematischen, aber interessante Ansätze enthaltenden Aufsatz von: G. BEHM-BLANCKE, Trankzeremonien im Totenkult der Völkerwanderungszeit. Alt-Thüringen 16, 1979, 171-227.
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E. EWIG, Der Martinskult im Frühmittelalter, in: H. ATSMA (Hrsg.), Spätantike und fränkisches Gallien. Gesammelte Schriften (1952-1973) 2. Francia Beih. 3, 2 (1979) 371-392.
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auf das - stark pagane Züge tragende - Christentum des Bestatteten. Zweifellos diente aber auch hier der Kirchenbau vor allem der Memorialsorge27. Die gleiche Motivation bewegte sicherlich die fast hundert Jahre später verstorbene begüterte Frau von Rommerskirchen, sich im Kirchenraum beisetzen zu lassen. Allein der persönliche Besitz - Schmuck und ein wahrscheinlich auf dem Gewand aufgenähtes Kreuz aus Goldblech - wurde der Toten angelegt28. Welche Bedeutung der Sorge um das Gedächtnis der Verstorbenen auch im Frühmittelalter zukam, zeigt das Testament des Bischofs Bertram von Le Mans aus dem Jahr 616 n. Chr., das bis ins Detail die Abfolge der Gedenkfeierlichkeiten regelte29. Die Bewertung sowohl der in Kirchen angelegten reichen Gräber als auch der Gräber mit eindeutigem Bezug zur Lage des Kirchenbaus führten in der archäologischen Forschung zu einer grundsätzlichen Diskussion um die Begriffe .Stiftergrab' und ,Eigenkirche'. Im Mittelpunkt der archäologischen Forschung stand dabei zunächst die Frage, ob einzelne Bestattungen aufgrund des baulichen Befundes der Zeit der Errichtung zugerechnet werden können, ob also die Kirche als Grablege des Bauherrn errichtet worden war. Der Begriff der ,Eigenkirche' wurde in den Jahren 1894/95 von U. Stutz geprägt30. ,Eigenkirche' bedeutet in der auf Stutz beruhenden Definition von M. Borgolte: „ein von Laien errichtetes Gotteshaus, über das der Gründer die uneingeschränkte Verfügungsgewalt im vermögensrechtlichen Sinne behielt und zugleich die volle geistliche Leitungsgewalt ausübte"31. Die Verbindung des Begriffs ,Eigenkirche' mit dem des ,Stiftergrabs' erweist sich nach Borgolte als „originär archäologische Gedankenverbindung", die erstmals in dieser Form von P. Goeßler und J. Werner formuliert wurde32. Das grundlegende Problem bei der Verwendung der beiden Begriffe liegt in ihrer rechtshistorischen Bedeutung. Die Stif-
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Eine Beziehung zwischen der Kirche und der Bestattung ist bei der Deutlichkeit der Lagebeziehung wohl nicht zu bestreiten. Siehe hierzu auch: R. v. USLAR, Bemerkungen zu den Gräbern und den Holzpfostenkirchen. Bonner Jahrb. 150, 1950, 221-228. Es erscheint jedoch denkbar, daß sich über dem Grab zunächst eine heidnische Verehrungsstätte befand. Siehe hierzu: D. ELLMERS, Rezension zu P. LABAUME. Jahrb. RGZM 15, 1968, 247-253. Zur Bedeutung der Memorialsorge im frühen Mittelalter: O. G. OEXLE, Memoria und Memorialüberlieferung im früheren Mittelalter. Frühmittelalterliche Studien 10, 1976, 70-95. Ein zeitgleicher und von der Ausstattung sowie vom Kontext her ähnlicher Befund liegt aus Lahr-Burgheim vor. Das Anlegen von Gegenständen des persönlichen Besitzes hält sich, wie z. B. die Grablege Kaiser Lothars III. (gest. 1137) zeigt, noch bis in hochmittelalterliche Zeit. Siehe auch die Schilderungen Gregors von Tours: M. WEIDEMANN, Kulturgeschichte der Merowingerzeit nach den Werken Gregors von Tours. RGZM Monographien 3, 1-2 (1982) 236-237. M. BORGOLTE, Felix est homo ille, qui amicos bonos relinquit. Zur sozialen Gestaltungskraft letztwilliger Verfügungen am Beispiel Bischofs Bertram von Le Mans
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(616), in: H. MAURER u. H. PATZE (Hrsg.), Festschrift für Berent Schwineköper zum 70. Geburtstag (1982) 5-18. Ausführlich zu den verschiedenen Aspekten der Toten-Memoria im Mittelalter: A. ANGENENDT, Theologie und Liturgie der mittelalterlichen Toten-Memoria, in: K. SCHMID u. J. WOLLASCH (Hrsg.) a. a. O. (Anm. 10) 79-199. U. STUTZ, Die Eigenkirche als Element des mittelalterlichgermanischen Kirchenrechts (1895, ND 1955 u. 1971). M. BORGOLTE, Stiftergrab und Eigenkirche - ein Begriffspaar der Mittelalterarchäologie in historischer Kritik. Zeitschr. Arch. Mittelalter 13, 1985, 27-38 hier 28. Siehe auch: Theologische Realenzyklopädie IX (1982) 399-404 s.v. Eigenkirchenwesen (P. LANDAU); Lexikon des Mittelalters III (1985) 1705-1710 s. v. Eigenkirche, -wesen (R.SCHIEFER u. M. STEFANSSON); W. STÖRMER, Früher Adel. Studien zur politischen Führungsschicht im fränkisch-deutschen Reich vom 8. bis 11. Jh. Monographien des Mittelalters 6, 2 (1973) 357-374. P. GOESSLER, Die Alamannen und ihr Siedelgebiet. Neue Beiträge zur frühalamannischen Geschichte und Kultur. Dt. Archiv Landes- u. Volksforsch. 7, 1943, 113-152 hier 136; J.WERNER, Das alamannische Fürstengrab von Wittislingen. Münchner Beitr. Vor- u. Frühgesch. 2 (1950) 8-10.
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tung - sobald sie vollzogen ist - schließt die Verfügungsgewalt des Stifters aus33; genau der entgegengesetzte Aspekt aber, nämlich die fortwährende Verfügungsgewalt, wird durch den Begriff der ,Eigenkirche' hervorgehoben. Dem archäologischen Befund sehr viel eher entspricht der von Borgolte vorgeschlagene Begriff des .Gründergrabes'34. B. Theune-Großkopf hat die Überlegungen M. Borgoltes unter archäologischen Aspekten aufgegriffen und herausgestellt, daß „bei beiden Formen der privaten Kirchengründungen der Kirchenbau im Hinblick auf eine hervorgehobene Bestattung konzipiert worden (ist)"35, da der ausschlaggebende Grund für die Stiftung oder Errichtung einer Eigenkirche eben nicht in der Verfügungsgewalt, sondern in der Memorialsorge zu sehen ist. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, daß sich Kirchenstiftungen vor allem in Regionen finden, die in römischer Rechtstradition standen, während die Errichtung von Eigenkirchen im Zusammenhang mit dem frühmittelalterlichen Großgrundbesitz stehen36. Letzteres ist mit großer Wahrscheinlichkeit für das reiche Frauengrab von Rommerskirchen anzunehmen. M. S.
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M. BORGOLTE, Die Stiftungen des Mittelalters in rechtsund sozialhistorischer Sicht. Zeitschr. Savigny-Stiftung Rechtsgesch. 105, 1988, Kan. Abt. 74, 71-94. In dieser Weise erstmals verwendet: H. AMENT, Fränkische Adelsgräber von Flonheim in Rheinhessen. Germ. Denkmäler Völkerwanderungszeit, Ser. B, 5 (1970) 168. B. THEUNE-GROSSKOPF, Ein frühmittelalterlicher Kirchenbau mit „Gründergrab" in Cognin (Savoyen)? Arch. Korrbl. 19, 1989, 283-296.
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M. BORGOLTE, Der churrätische Bischofsstaat und die Lehre von der Eigenkirche, in: U. BRUNHOLD u. L. DEPLAZES (Hrsg.), Geschichte und Kultur Churrätiens. Festschrift für Pater Iso Müller (1986) 83-103; K. SCHÄFERDIEK, Das Heilige in Laienhand, in: H. SCHRÖER u. G. MÜLLER (Hrsg.), Vom Amt des Laien in Kirche und Theologie. Festschrift für Gerhard Krause (1982) 122-140.
Grabinschriften und Grabsteine Für die Spätantike und das frühe Mittelalter beschränken sich die epigraphischen Zeugnisse weitgehend auf die Gattung der Grabinschriften; Ehren- und Weiheinschriften fehlen fast völlig. Inschriftsteine auf Gräbern waren im Römischen Reich weit verbreitet, auch wenn sich bei weitem nicht jeder eine so aufwendige Kennzeichnung des Grabes leisten konnte; im germanischen Kulturbereich hingegen dienten dazu hölzerne Grabmale, die nicht erhalten sind. Nach der Ansiedlung der Franken auf ehemals provinzialrömischem Gebiet übernahmen romanisierte Franken die Sitte, steinerne Denkmäler aufzustellen1. Germanischen Traditionen sind offenbar die Grabsteine eng verbunden, die nur ornamental verziert waren und keine Inschrift auf weisen2; die spätantiken christlichen Symbole wie Christogramm, Tauben, die apokalyptischen Buchstaben Alpha und Omega, Doppelhenkelkelche (Kantharoi) mit Ranken und Torbögen fehlen auf diesen Steinen; sie zeigen statt dessen Rosetten und geometrische Verzierungen - etwa von Rechtecken, Diagonalen und Zickzacklinien unterteilte abgegrenzte Flächen - und kennzeichneten daher offenbar Gräber von Verstorbenen, die dem christlichen Glauben nicht angehörten3. Bei Grabsteinen mit Diagonalkreuzen ist eine eindeutige Entscheidung über den Glauben des Verstorbenen nicht möglich. Lediglich wenn sie in Verbindung mit anderen Kreuzformen auftreten, wird man sie als christliche Kreuze und nicht nur als Ornament ansehen können4. Eindeutig christlich sind hingegen die Grabsteine, die augenfällig ein Kreuz zeigen (Kat. Nr. 54, 57, 59, 65, 66, 72), und Grabsteine, die ein Stangenkreuz bzw. Steckkreuz abbilden (Kat. Nr. 68, 69). Es handelt sich bei dieser für Köln und seine Umgebung charakteristischen Denkmälergruppe um liturgische Vortragekreuze. Da diese Grabsteine zum großen Teil in enger Verbindung zu bestehenden Gemeindekirchen aufgedeckt wurden, scheint dieses Motiv erst nach Aufgabe der Reihengräbersitte auf Grabsteinen aufgenommen zu sein5. Eindeutig christlich sind auch die frühmittelalterlichen Grabsteine mit Inschrift, wie typisch christliche Formeln oder ein Kreuz am Textanfang, das die Tauben und das Christogramm der spätantiken Inschriftsteine ersetzt6, zeigen. Bei den wenigen figürlich verzierten Steinen (Kat. Nr. 47-49, 63, 67) ist umstritten, ob sie auf einen bestimmten Glauben zurückschließen lassen. Die Figuren sind meist sehr schematisch angegeben; typisch sind die ovale Kopfform und die Verbindung von Augen und Nase. Nach Deutungen als heidnische Denkmäler oder Grabsteine mit der Darstellung des Verstorbenen neigt die Forschung heute wieder mehr dazu, sie als christliche Denkmäler anzusehen. Kein Motiv ist aber sicher als pagan oder christlich zu bestimmen; vielleicht ist Christliches mit Heidnischem verschmolzen. Lediglich bei dem Stein Kat. Nr. 63 ist eine Deutung als Christus am Kreuz wahrscheinlich. K. BÖHNER in: Das erste Jahrtausend 660; I. HEIDRICH, Rheinische Vierteljahrsbl. 32, 1968, 161 f. Bei einigen Grabsteinen ist die Nähe zu hölzernen Grabdenkmälern ablesbar (Kat. Nr. 57; 62; vielleicht diente Nr. 58 als Einfassung für eine hölzerne Tafel). Inschriftlose Grabsteine aus spätrömischer Zeit sind nicht bekannt.
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Zu Rosetten auf Grabsteinen RICO I S. 58 § 44; NISTERSWEISBECKER, Grabsteine 219f. Generell als christliche Kreuze, die als Heilssymbole übernommen wurden, sieht sie K. BÖHNER in: Das erste Jahrtausend 668f. NISTERS-WEISBECKER, Grabsteine 189-194; 227; 232f. LEHNER, Andernach 142; BOPPERT, Mittelrheingebiet 80; RICO IS. 55 f. §43.
Grabpflege und Totenkult
4 Fundorte spätantiker und frühmittelalterlicher Grabsteine (•) und Grabinschriften (•) l Xanten (1 •): Kat. Nr. 45. - 2 GeilenkirchenLindern (l •): Kat. Nr. 44. - 3 Maastricht (5 •): Boppert in: Sint-Servatius 64-91. - 4 Aachen (3 •): Zeitschr. Aachener Geschver. 37, 1915, 337-350; ClL XIII 7843; Germania 14, 1930, 243. - 5 IndenPier (2 •): Kat. Nr. 42-43. - 6 Düren-Derichsweiler (2.): Kat. Nr. 41; Bonner Jahrb. 131, 1926, 367f.7 Hürth-Gleuel (3 •): Kat. Nr. 69-71. - 8 Köln (25-30 «/10 •): Galsterer, Steininschriften; Kölner Jahrb. l, 1955, 32 Nr. 23; Epigr. Stud. 12 (1981) 255-257 Nr. 20; Epigr. Stud. 13 (1983) 200-203 Nr. 27-28; Nisters-Weisbekker, Grabsteine Nr. 3, 5-8, 10-11, 13, 18-19. - 9 Köln-Merheim (2 •): Nisters-Weisbecker, Grabsteine Nr. 9, 17. 10 Köln-Kriel (1 •): Nisters-Weisbecker, Grabsteine Nr. 4. -11 Köln-Rodenkirchen (2m): NistersWeisbecker, Grabsteine Nr. 1-2. - 12 KölnMeschenich (2 •): Kat. Nr. 67-68. - 13 BrühlVochem (1 .): Kat. Nr. 39. - 14 Bonn (4 ./5 •): Kat. Nr. 37-38; Bonner Jahrb. 178, 1978, 415; W. Neuss in: E. Hegel (Hrsg.), Geschichte des Erzbistums Köln l 2 (1972) 61 Anm. 2; Kat. Nr. 49, 6566; Bonner Jahrb. 136/137, 1932, 157 Nr. 144ff. 15 Königswinter-Niederdollendorf (l •): Kat. Nr. 48. - 16 Bad Münstereifel-lversheim (1 •): Kat. Nr. 64. - 17 Remagen (3 ./l •): Kat. Nr. 34-36, 63. - 18 Nettersheim-Zingsheim (1 •): Kat. Nr. 40. - 19 Rheinbrohl (l .): Kat. Nr. 33. - 20 BrohlLützing-Niederlützingen (2 •): Bonner Jahrb. 44/ 45, 1868, 129-131.-21 Leutesdorf (2./4 •): Kat. Nr. 31-32, 47, 60-62. - 22 Neuwied-Feldkirchen (1 •): Kreismuseum Neuwied, Inv. Nr. 4539. 23 Neuwied (1 •): Pauly, Trier 61.-24 Nickenich (l ./2 •): Kat. Nr. 28; 53; Ament, Mayen 254 Taf. 114,4. - 25 Andernach (40 ./15 •): Kat. Nr. 29-30; 54-59; Lehner, Andernach; Egger, Grabsteine; Boppert, Andernach. - 26 Weißenthurm (l •): Pauly, Trier 50 Abb. 62a. - 27 AndernachMiesenheim (4 •): Ament, Mayen 29; 230/232; 247 Taf. 110,3; 111,3. -28 Plaidt (l .): ILCV3041.29 Kretz (3 •): Ament, Mayen 29; 198 Taf. 77, 1-3. - 30 Saftig (1 •/? •): Ament in: Andernacher Beitr. 3 (1988) 14. - 31 Kärlich (2 .): Kat. Nr. 27; Lehner, Steindenkmäler 989. - 32 Kottenheim (l •): Kat. Nr. 52. - 33 Mayen (5 •): Ament, Mayen 29; 223; 225f. Taf. 102,5; 104,1; 105,1; 106,1; 106,5. - 34 Koblenz (2 .): CIL XIII 7636f.; ILCV 3041 A. - 35 Kobern (5 ./l •): Kat. Nr. 2326, 51; CIL XIII 7649. - 36 Gondorf (10 ./2 •): Kat. Nr. 15-22; CIL XIII 7647; 7650; Kat. Nr. 21, 50. - 37 Lehmen (1 •): Kat. Nr. 14. - 38 Gering (1 •): Kraus, Inschriften 258. - 39 Boppard (10 •/ 14 •): Kat. Nr. 12-13; Boppert, Mittelrheingebiet 125-139; Die Kunstdenkmäler von Rheinland-Pfalz 8,2.1: Stadt Boppard (1988) 415f.; H. Eiden in: Spätantike334f. Abb.8; Ber. RGK40,1959, Nr. 185; Kraus, Inschriften II Nachtrag zu l 309; Bonner
Jahrb. 50-51, 1871, 100; 104-107; Germania 29, 1951, 293f. Abb. 4.-40 Müden (l .): H. Eiden in: Spätantike 338 Anm. 37. - 41 Karden (4 •): Kat. Nr. 46; Landeskundl. Vierteljahrsbl. 36, Heft 2, 1990, 53 mit Anm. l; 55 mit Anm. 17. - 42 Fischbach (l •): Boppert, Mittelrheingebiet 80-82. 43 Frankfurt-Heddernheim (l •): Kraus, Inschriften l 56. - 44 Wiesbaden (7 •): Boppert, Mittelrheingebiet 143-152; Kraus, Inschriften l 49. 45 Mainz (53 »/5 •): Boppert, Mittelrheingebiet 15-60; 63-80; 83-95; G. Behrens, Das frühchristliche und merowingische Mainz. Wegweiser RGZM 20 (1950) 3 Nr. 6; 8-11 Abb. 19-21; 30f. Abb. 50; lOf. Abb. 22; CIL XIII 7205, 7209; Kraus, Inschriften l 40a-b; K. Körber, Inschriften des Mainzer Museums (1900) 144 Nr. 235; 145 Nr. 237. 46 Wiesbaden-Mainz-Kastel (1 •): G. Behrens, Das frühchristliche und merowingische Mainz. Wegweiser RGZM 20 (1950) 27 Abb. 46. 47 Hochheim am Main (1 •): Mainzer Zeitschr. 29, 1934, 41 Taf. 8,3. - 48 Bingen (6 •): Boppert, Mittelrheingebiet 99-107; 118-122; G. Behrens, Die Binger Landschaft in der Vor- und Frühgeschichte (1954) 47 Abb. 70-71. - 49 Bingen-Kempten (l •): Boppert, Mittelrheingebiet 108-118. - 50 MainzEbersheim (l •): Boppert, Mittelrheingebiet 60-62. 51 Ettelbruck (l .): RICG l 238. - 52 Neumagen (2 .): Pauly, Trier 49 Abb. 56; RICG l 239. 53 Goddelau (l •): Boppert, Mittelrheingebiet 168-171. 54 Trier-Ehrang (1 •): Böhner, Trierer Land 248 Taf. 71,1. - 55 Riol (1 .): Trierer Zeitschr. 35, 1972, 319ff. - 56 Trier (ca. 850 ./29 •): RICG | 1-237; E. Gose, Katalog der frühchristlichen Inschriften Triers (1958); Böhner, Trierer Land Taf. 70, 72-75; Frühchristliche Zeugnisse im Einzugsgebiet von Rhein und Mosel (1965) l 72; 74; II 30. 57 Nittel (3 •): Böhner, Trierer Land 245 Taf. 70, 8-10. - 58 Wiltingen (1 .): CIL XIII 4214. 59 Lampaden (l •): Kraus, Inschriften l 74. 60 Worms (7 •): Kraus, Inschriften l 25; Boppert, Mittelrheingebiet 155-167; 172-173. - 61 Mettlach-Faha (1 •): Böhner, Trierer Land 246 Taf. 71,2.62 Bad-Dürkheim-Leistadt (l •): Kraus, Inschriften l 19. - 63 Pachten (2 •): Bericht Staatl. Denkmalamt Saarland 11, 1964, 46f.; RICG l 241. 64 Metz (16 ./ca. 20 .): RICG l 242-257; G. Collot, La sculpture du Haut Moyen Age (1980). Grabsteine: • Grabinschriften: l- 2 3- 4 5- 9 10-19 20-55 über 100
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Daß umgekehrt auch Romanen Fränkisches übernahmen, zeigen Einflüsse der germanischen Runenschrift und Motive fränkischer Grabsteine auf Grabdenkmälern von Romanen (wie die Rosette auf dem des Lepidus; Kat. Nr. 17). Die Verbreitung der steinernen Grabdenkmäler, vor allem der Grabinschriften (Abb. 4), zeigt, wo sich eine romanische Restbevölkerung hat halten können, wo also eine starke Romanisierung der Franken anzunehmen ist. So gehören die Siedlungen an Untermosel und Mittelrhein zu einem Gebiet, in dem die romanische Bevölkerung ihre Identität noch lange wahren konnte. In diesem Gebiet zeigen die Fundorte eine - im Gegensatz etwa zu denen der Provinz Belgica Prima - bemerkenswerte zeitliche und örtliche Streuung. Hingegen ist im Gebiet nördlich einer Linie Köln-Maastricht nur ein Grabstein (der des Batimodus aus Xanten; Kat. Nr. 45) überliefert. Hier war der römische Limes schon früh zerstört, so daß die spätrömische Bevölkerung nicht mehr geschützt war und einzelne Gebiete vollständig aufgegeben wurden. Die im Katalog erfaßten Inschriften, die noch dem 4. Jahrhundert angehören werden und aus ländlichem Raum, aus Nettersheim-Zingsheim und Inden-Pier, stammen (Kat. Nr. 40, 43), zeigen keine christlich zu deutende Worte oder Symbole7. Die ältesten christlichen Grabinschriften, die im Rhein-Mosel-Gebiet erhalten sind, stammen aus Trier, Köln und Mainz. Sie lassen nachvollziehen, daß sich das Christentum im Römischen Reich über städtische Zentren ausbreitete. Mit vielen hundert Grabinschriften dominiert das Inschriftenmaterial aus Trier. Als Kaiserresidenz war Trier im 4. Jahrhundert eine Metropole mit einer großen christlichen Gemeinde, der einflußreiche Bischöfe vorstanden. Nicht nur die hohe Zahl der Grabinschriften, sondern auch die Ausbildung eigenständiger Textformeln belegen die herausragende Stellung Triers. Obwohl um 400 aufgrund der germanischen Bedrohung die Präfektur Galliens von Trier nach Arles verlegt wurde und Trier in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts mehrfach zerstört wurde, konnten die Stadt und die christliche Gemeinde ihre Stellung in dieser Zeit wahren. Die Bischofsliste Triers weist - im Gegensatz zu Köln, Tongern, Mainz, Speyer und Worms - keine Lücken auf 8 . Nachdem das Mainzer Bistum infolge des verheerenden Germaneneinfalls von 406/7 zusammengebrochen war, dehnte der Trierer Bischof Severus den kirchlichen Einfluß Triers bis an die untere Mosel und ins Neu wieder Becken aus9. Dies spiegeln auch einzelne Inschriften dieses Gebietes wider, die typische Formularbestandteile Triers zeigen (bes. Kat. Nr. 19 aus Gondorf und wohl auch Kat. Nr. 30 aus Andernach)10. Die christlichen Grabinschriften der Spätantike sind auf wenige Siedlungen konzentriert. In der Provinz Belgica Prima sind es die Bischofssitze Trier und Metz (seit 545 n. Chr. als Bischofssitz nachgewiesen); daneben gibt es einzelne Grabinschriften des 6. Jahrhunderts aus Neumagen an der Mosel, Pachten an der Saar und Ettelbruck (Luxemburg), die weitgehend an spätantike Vorbilder anknüpfen 11 . Im nördlichen Teil der Germania Prima gibt
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Zu fragmentarisch für eine Zuordnung sind Kat. Nr. 22; 26. RAC X (1978) 623 s.v. Germania (Romana) (H. v. PETRIKOVITS). E. EWIG, Trier im Merowingerreich (1954) 313. Die Inschrift für Sarmanna (Kat. Nr. 19) ist die einzige außerhalb Triers, die die Formel titulum posuit kombi-
niert mit in pace als Schlußformel und der Eingangsformel hie iacet. " Zu den Inschriften der Belgica Prima RICG I; E. GOSE, Katalog der frühchristlichen Inschriften in Trier (1958); H. MEINEN, Rheinische Vierteljahrsbl. 40, 1976, 243-251; vgl. N. GAUTHIER, L'evangelisation des pays de la Moseile (1980).
Grabinschriften und Grabsteine
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es außer aus Mainz eine spätantike Grabinschrift aus Bingen, mehrere aus Gondorf und Kobern und eine aus Andernach. Der Grabstein der Sarmanna aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts oder vom Anfang des 5. Jahrhunderts ist ein frühes Zeugnis für das Christentum in Gondorf12. In der Germania Secunda sind außer in der Provinzhauptstadt Köln in Remagen, Bonn, Maastricht und Xanten christliche Grabinschriften gefunden worden, die spätantiken Inschriften sehr nahe stehen; sie zeigen in ihrem Formular Abhängigkeiten von Trier und Köln. In der fränkischen Zeit ändert sich dieses Bild grundlegend. Nicht unmittelbar infolge der Zerstörungen Triers in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts, sondern erst nach 470 oder am Anfang des 6. Jahrhunderts geht die Zahl der Grabinschriften deutlich zurück. Auch bei den Buchstaben fällt auf, daß typische Spätformen oder auch das Kreuz am Textanfang fehlen13. Im 6. und 7. Jahrhundert sind es die christlichen Gemeinden an der unteren Mosel und am Mittelrhein, die stärker hervortreten. Auch diese Verlagerung von Trier an den Rhein läßt sich anhand der Inschriften von Gondorf nach vollziehen. Die frühen Inschriften für Am-, Lepidus, Mauricius und Sarmanna (Kat. Nr. 15, 17-19) sind im Formular eher nach Trier orientiert, die späteren wie die für lohannis und Kat. Nr. 20 nehmen Formulare von Andernach auf. In dieses Bild fügen sich auch die Gondorfer Schrankenplatten des 7. Jahrhunderts (Kat. Nr. 9-10), die stilistische und ikonographische Parallelen in Andernach und Leutesdorf haben. Am Mittelrhein hatte sich die Siedlungsform grundlegend verändert. Die offenen prinzipatzeitlichen Dörfer (vici) waren aufgegeben worden; die Kaiser Konstantin, Julian und Valentinian I. legten in Worms, Wiesbaden, Bingen, Boppard, Koblenz, Andernach, Remagen und Bonn Kastelle an, die auch die Zivilbevölkerung aufnahmen. Die Kastelle am Rhein bildeten fortan eine sichere Grundlage für ein Weiterleben romanischer Traditionen. Die Kastellsiedlungen nördlich von Bingen waren von dem Einfall der Germanen 406/7 verschont geblieben. Zwar zogen die Grenzeinheiten wenig später aus den Kastellen ab, doch die starken Mauern boten der verbleibenden Zivilbevölkerung weiterhin Schutz. Nach der fränkischen Landnahme lebten in diesen Kastellorten des Mittelrheins und im geschützten Hinterland (Kobern, Gondorf und Karden) Romanen und Franken friedlich nebeneinander. Kobern und Gondorf weisen eine fast ununterbrochene Inschriftentradition auf und blieben auch in fränkischer Zeit bedeutende Siedlungen. Lateinische Flur-, Orts- und Personennamen haben sich hier und in Andernach lange gehalten. Das Latein blieb hier eine lebendige Sprache, das unabhängig vom Frühromanischen eigene Sprachelemente herausbildete, aber das sprachlich die gleichen Grundlagen und Komponenten hatte wie das Altfranzösische; das Moselgebiet blieb vielleicht bis ins 10. Jahrhundert eine romanische Sprachinsel14. Die weitgehend unzerstört gebliebenen Kastelle zwischen Bingen und Bonn bewahrten eine Siedlungskontinuität von spätrömischer zur merowingischen Zeit und boten der fränkischen Oberschicht Herrschaftsschwerpunkte. In Andernach gab es eine Königspfalz. Mit 40 Inschriften hat Andernach die meisten Inschriften in diesem Raum aufzuwei-
Der ebenfalls in diese frühe Zeit zu datierende Grabstein des Faustic- (Kat. Nr. 25) aus dem benachbarten Kobern enthält hingegen keine typisch christlichen Textformeln oder Symbole.
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KRÄMER, Grabinschriften 3; RICG I S. 59 § 45; S. 103 § 142; GAUTHIER a.a.O. 207; 347. S. u. Anm. 30.
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sen. Wie bei Trier im 4. und 5. Jahrhundert zeigt sich die im 6. und 7. Jahrhundert beherrschende Stellung Ander nachs auch daran, daß die Grab texte ein eigenständiges Formular ausbilden. Einige Formularbestandteile weisen über das Rheingebiet nach Südfrankreich sowie nach Nordfrankreich in das Gebiet der ehemaligen Provinz Belgica Secunda. Die Grabinschriften aus einzelnen kleineren Siedlungen, aus Nickenich und Leutesdorf, auch noch die aus Rheinbrohl und Remagen, orientieren sich an Grabtexten aus Andernach. Die Formeln auf den Inschriften von Gondorf und Kobern zeugen von einer zeitlichen und lokalen Übergangssituation: teilweise rezipieren sie Formeln von Trier, teilweise von Andernach und Mainz. Durch Grabinschriften nachweisbare römische und christliche Traditionen haben sich auch auf einer Linie von Köln nach Maastricht bewahrt; neben Aachen sind Fundorte an der Rur, in Düren-Derichsweiler, Inden-Pier und Geilenkirchen-Lindern zu nennen15. Die zentralen Friedhöfe lagen wie in römischer Zeit außerhalb der Siedlungen, bei den Kastellorten und in Kobern-Gondorf wurden sie in der Merowingerzeit weiterhin belegt. Davon zu unterscheiden sind Grablegen, die zu einzelnen Gutshöfen gehörten (Kat. Nr. 40 aus spätrömischer Zeit), und solche, die in Verbindung zu Eigenkirchen (Kat. Nr. 42) stehen. Die großen Reihengräberfelder außerhalb der Siedlungen enden im gesamten Rheinland im späten 7. Jahrhundert. Nun wurden Bestattungen innerhalb der Siedlungen an den Plätzen vorgenommen, an denen im 8. Jahrhundert Holzkirchen errichtet wurden16. Die meisten der spätantiken und frühmittelalterlichen Grabsteine und Grabinschriften sind wiederverwendete Blöcke; dabei wurde auch wenig geeignetes Material wie der poröse Tuffstein und der harte Trachyt benutzt17. Geeignetes neues Steinmaterial wurde also aus den Steinbrüchen nicht mehr geliefert. Auch im äußeren Erscheinungsbild unterscheiden sich die frühchristlichen Inschriften deutlich von denen der Prinzipatzeit. Die Buchstaben stehen meist auf oder zwischen vorgerissenen Linien, die eine Ordnung einzuhalten versuchen. Die Steinmetzen hatten Mühe, die Buchstaben etwa gleichgroß und in gleichmäßigem Duktus zu schreiben. Bereits in der Spätantike machen sich Einflüsse der griechischen Epigraphik bemerkbar, so vor allem beim A mit gebrochenem Mittelbalken. Dieses als .christlicher' Buchstabe bezeichnete A gewann seine Beliebtheit in frühchristlichen Inschriften wohl aus dem Symbol für Alpha und Omega, das seit der Mitte des 4. Jahrhunderts in Rom nachweisbar ist18. Typisch für die spätantiken Inschriften ist, daß neben die Kapitalis Buchstaben aus der Scriptura actuaria, der antiken Kanzleischrift, sowie unziale, halbunziale und kursive Buchstaben treten. Die Serifen fallen allmählich weg19. Im Gebiet von Rhein und Mosel bildet sich dabei ein besonderes Schriftbild aus, das Elemente der germanischen Runenschrift aufnahm. Eckige Buchstaben und die Verlängerung der Hasten kennzeichnen 15
Daß diese Zeugnisse auf eine in spätrömischer Zeit zurückgenommene Grenze auf der Linie Köln-Tongern zurückzuführen sind, halte ich für unwahrscheinlich, da das Material für einen Limes zu stark streut und eine Kontinuität von römischer in fränkische Zeit etwa bei IndenPier oder Hürth-Gleuel zweifelhaft ist. Zu der Kontroverse zwischen H. Nesselhauf und F. Petri über einen spätrömischen Limes auf der Linie Tongern-Köln F. PETRI, Die fränkische Landnahme und die Entstehung der germanisch-romanischen Sprachgrenze in der interdisziplinären Diskussion. Erträge Forsch. 70 (1977).
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C. BRIDGER u. F. SIEGMUND, Die Xantener Stiftsimmunität. Beitr. Arch. Rheinland. Rheinische Ausgr. 27 (1987) 108. BOPPERT, Andernach 129. R. M. KLOOS, Einführung in die Epigraphik des Mittelalters und der frühen Neuzeit (1980) 110 (nach einer These von K. F. Bauer). Ebd. 110; 117f.; vgl. auch R. FUNKEN, Epigraphische Anmerkungen zu niederrheinischen Grabsteinen. Bonner Jahrb. 183, 1983, 328f.
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diesen von K. F. Bauer als ,rheinfränkisch' bezeichneten Schrifttyp, der im Gebiet nördlich von Boppard vorkommt20. Die Inschriften Kat. Nr. 29 und 35 zeigen einige der sogenannten Kontraktionskürzungen, die zuerst im jüdisch-christlichen Kulturbereich auftreten21. Da in fränkischer Zeit eine Kapitalschrift im Bereich der Schul- und Buchschriften nicht mehr in Gebrauch, also kein verpflichtender Formenkanon vorhanden war, wurde eine individuelle Gestaltung des Steins begünstigt. Die politisch-kulturelle Einheit des Römischen Reiches, die auch für eine einheitliche Schrift gesorgt hatte, zerbrach in der Spätantike; die Schriften in den germanischen Nachfolgereichen zeigen eine Dezentralisierung, die erst von der karolingischen Renaissance überwunden wurde22. Einflüsse der Buchschrift zeigen sich besonders deutlich an der Inschrift des Giboaldus (Kat. Nr. 31) mit ihren vielen kursiven Buchstaben23. Möglicherweise hatten Buchschriften und -illustrationen auch Auswirkungen auf das Format des Steins, auf die Einteilung in Bildfeld und Rahmenzone, Rankenwerk und Farbgebung (siehe bes. Kat. Nr. 31, 57, 60). Deutliche Veränderungen sind auch in der Sprache festzustellen. Die frühchristlichen Inschriften weisen kein .klassisches' Latein mehr auf. Schreibfehler oder grammatikalische Fehler schon auf spätantiken Inschriften zeigen, daß man mit der Sprache zum Teil nicht mehr vertraut war. Stärker wirken sich aber vulgärlateinische, also umgangssprachliche Lautveränderungen aus, die etwa in Trier schon im 4. Jahrhundert zu beobachten sind24. Dazu gehören die im ganzen lateinischsprachigen Raum verbreiteten Vokalverschiebungen von u zu o, von o zu u (etwa tomolo für tumulo) und die besonders in Gallien verbreitete Veränderung von langem e zu i (requiiscit für requiescit). Markant für den Rhein-MoselRaum sind des weiteren das lange e für kurzes i (tetolo für titulo, basileca für basilica) und ein weich gesprochenes t, das dann zu d wird oder entfällt (Deudolfus statt Teodolfus, pus für post, funcus für functus)25. Mehrfach nachgewiesen ist auch der Ausfall des h gerade am Wortanfang (ic für hie; schwache Aspiration). Häufig finden wir am Mittel- und Niederrhein auch typisch frühromanische Schreibweisen wie Octover für October, oviit für obiit, Genarias für lanuarias, Gunias für lunias (vgl. ital. gennaio, giugno)26. Die Zahlwörter auf der Grabinschrift des Mauricius aus Gondorf (dodece und qarranta) zeigen deutliche Parallelen zum französischen douze und quarante oder zum italienischen dodici und quaranta. Das häufige qui für quae als weibliches Relativpronomen leitet die Entwicklung zu einem einzigen Relativpronomen für beide Geschlechter ein27. Auch in der Sprache verlieren also die Inschriften eine Verbindlichkeit; sie zeigen eine phonetisch orientierte Schreibweise, die einen Einblick in die Aussprache des in diesem Raum gesprochenen Lateins gibt, einer noch lebendigen Sprache der romanischen Restbevölke20
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HEIDRICH a. a. O. (Anm. 1) 167f.; BOPPERT, Mittelrheingebiet 5; KLOOS a. a. O. 117f., zur Runenschrift ebd. 103-105. Eine Übersichtstafel über Buchstabenformen der fränkisch-rheinischen Inschriften des 7.-8. Jh. bei KLOOS a. a. O. 116. Bei Kontraktionskürzungen fallen Buchstaben im Wortinnern aus; die Kürzung wird mit einem übergeschriebenen Strich gekennzeichnet (SCORVM = sanctorum, DO = Deo; hSV XPO = hiesu Christo). KLOOS a. a. O. 114; 119f. Vielleicht war auf dem Grabstein Kat. Nr. 60 eine In-
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schrift aufgemalt; auch hölzerne Grabmale werden z. T. aufgemalte Inschriften getragen haben. - Zur Frage, ob die Runenschrift mit ihren wenigen Rundungen und wenigen waagerechten Elementen ursprünglich auf Holz eingeschnitzt wurde, nimmt KLOOS a. a.O. 103-105 Stellung. R I C G I S . ö l f f . §46ff. RICO IS. 62 §49. M. HUISKES, Andernach im Mittelalter. Von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jh. Rheinisches Archiv 111 (1980) 77; BOPPERT, Andernach 133. RICO IS. 72 §85.
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rung28. Ein entscheidender Unterschied zwischen Latein und den romanischen Sprachen ist, daß nicht mehr kurze und lange Vokale das Wort kennzeichnen, sondern offen und geschlossen gesprochene Vokale. Die frühchristlichen Inschriften geben auch deutliche Anzeichen dafür, daß die Deklination von Substantiven, Adjektiven und Pronomen aufgegeben wird29. Daß sich an der Mosel ein eigenständiger romanischer Dialekt hielt, römische Orts- und Flurnamen tradiert wurden, zeigt, welchen prägenden Einfluß die romanische Bevölkerung in der .Moselromania' hatte30. Hier herrschte für lange Zeit eine wirkliche Zweisprachigkeit. Die Grabinschriften geben nur wenige Informationen individueller Art über die Verstorbenen. Die Texte sind stereotyp, aus Formeln zusammengesetzt. Die Auswertung der Formeln läßt aber wichtige Schlüsse für drei Bereiche zu: bestimmte Formeln sind ausschließlich oder fast ausschließlich auf christliche Grabsteine beschränkt und belegen so den christlichen Glauben des Verstorbenen. Dazu gehören die Formeln hie iacet und Hic pausat, in pace und vixit in saeculo; pausare weist dabei auf eine nur vorübergehende Ruhe in Erwartung der Auferstehung hin31. Kennzeichnend für christliche Grabsteine ist darüber hinaus, daß der Bestattungstag als Anfang eines neuen Lebens genau angegeben ist32. Andere Formeln und Metaphern in den frühchristlichen Inschriften wie die des neidvollen Todes und des jäh hereinbrechenden Schicksals eines allzu frühen Todes (Kat. Nr. 23, 32) zeigen hingegen deutlich pagane Züge. Pagane Vorstellungen waren also in diesem frühen Stadium der Christianisierung noch präsent. Die Veränderungen bei den Formeln können zweitens für eine Datierung herangezogen werden. Dies ist insofern von entscheidender Bedeutung, als keine der Inschriften der Provinzen Belgica Prima, Germania Prima und Germania Secunda (mit Ausnahme zweier griechischer Inschriften aus Trier) eine Jahresangabe enthält33. Die Forschung orientiert sich an Inschriften aus dem südlichen Gallien, die durch Jahresangaben datiert sind. Die Entwicklung des Textbeginns etwa verlief von Inschriften ohne Eingangsformeln (4. Jahrhundert; vgl. Kat. Nr. 25, 40, 4334) über einfache Wendungen wie Hic iacet oder hie pausat, die sich in Gallien seit Anfang des 5. Jahrhunderts durchsetzten, und über erweiterte Formeln mit in pace oder bonae memoriae (seit der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts) zu langen Formeln wie in hoc tumulo requiescit in pace bonae memoriae (in hoc tumulo als Eingang seit dem Ende des 5. Jahrhunderts)35. Das Ende der römischen Herrschaft an Rhein und
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Es ist also kein verderbtes Latein der ansässigen Germanen. EWIG a. a. O. (Anm. 9) 71. Der Wandel von t zu d könnte nach EWIG (ebd. Anm. 47) germanisch beeinflußt sein. Dagegen HUISKES a. a. O. 70, der dies für eine romanische Veränderung hält. RICO IS. 61 §47; S. 71 §84. EWIG a. a. O. (Anm. 9) 75f.; DERS. in: Spätantike 280; W. JUNGANDREAS, Die Moselromanen. Die romanische Moselenklave während der fränkischen Landnahme. Zeitschr. Romanische Philol. 87, 1971, 32-73; DERS., Zur Geschichte des Moselromanischen. Studien zur Lautchronologie und zur Winzerlexik. Mainzer Stud. Sprach- u. Volksforsch. 3 (1979); PETRI a. a. O. 42-44; 56; 75; 88f.; 146f.; 161; HUISKES a. a. O. 70; W. KLEIBER in: Gießener Flurnamen-Kolloquium. Beitr. Namen-
forsch. N. F. 23 (1985) 528-545; M. HALFER in: ebd. 546-559. BOPPERT in: Sint-Servatius 70 (nach J. P. Walzing). 1. KAJANTO, Onomastic Studies in the early Christian Inscriptions of Rome and Carthage. Acta Inst. Romani Finlandiae 2 (1963) 11; BOPPERT, Mittelrheingebiet 54. KRÄMER, Grabinschriften 3; HEIDRICH a. a. O. (Anm. 1) 171 erklärt die Jahresangaben auf Inschriften des Rhonetals und der Auvergne mit der starken römischen Tradition dieses Gebietes. Vgl. auch eine Aachener Inschrift des 5. Jh. (J. KLINKENBERG, Zeitschr. Aachener Geschver. 37, 1915, 338f.) und eine aus Boppard (BOPPERT, Mittelrheingebiet 63 f.). KRAMER, Grabinschriften 7-9; BOPPERT, Andernach 124 f.
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Mosel in der Mitte des 5. Jahrhunderts wirkt sich in dieser Hinsicht nicht erkennbar aus; Formeln späterer Zeit finden auch im fränkischen Raum Eingang36. Schließlich lassen die Formeln lokale Abhängigkeiten erkennen. Verschiedene Städte oder Landschaften bevorzugen unterschiedliche Formeln oder bilden ein charakteristisches Formular aus. Solche Besonderheiten im Formular sind für Trier, Köln, Mainz und Andernach und in Ansätzen auch für Maastricht nachzuweisen37. Ein charakteristisches Beispiel für solche Abhängigkeiten ist z. B. die Grabinschrift des Diakons Deodatus. Die Eingangsformel in hunc tomolo requiiscit ist im Gebiet der Belgica Prima nicht belegt, allerdings mehrfach in Mainz38. Auf diesen Mainzer Inschriften finden sich auch das Kreuz am Textanfang und Zickzacklinien als Verzierung. Eine ganz andere Orientierung zeigt sich dagegen im weiteren Text der Inschrift. Die Formeln für die Altersangabe mit vixit in saeculo und für den Tag der Bestattung mit deposicio eius finden sich nicht in Mainz, Worms, Wiesbaden, Bingen und Köln, häufig aber in Andernach. Die Schlußformel in pace fehlt im Gebiet des südlichen Mittelrheins, ist aber häufig in Trier belegt39. Die Grabinschrift für den Diakon Deodatus steht also deutlich in einem Spannungsfeld verschiedener von Trier, Mainz und Andernach wirkender regionaler Eigenheiten und in einer Umbruchzeit: der Einfluß von Trier ist im 6. Jahrhundert merklich schwächer, der von Andernach und Mainz stärker geworden40. Die Inschriften des 5. und auch noch des 6. Jahrhunderts wie etwa die aus Bonn und Andernach41 weisen überwiegend lateinische Namen auf. Viele lateinische Namen sind für Gondorf und Kobern belegt, wo man auch die größte Vielfalt findet: Mauricius zeigt nordafrikanischen Einfluß42, der hebräische Name Johannes ist in den Nordwestprovinzen des Römischen Reiches sehr selten. Sollte es sich bei Kat. Nr. 20 um den Namen Irenaeus oder Irene (mit griechischem Eta) handeln, haben wir neben der Inschrift für Meteriola aus Remagen (Kat. Nr. 35) einen Beleg für Namensgut, das aus dem Griechischen abgeleitet ist. Mit dem Namen Hunuderecus haben wir sogar einen Beleg für einen ostgermanischen Namen. Nichtlateinische Namen auf Inschriften des 4. und 5. Jahrhunderts sind Sarmanna (Kat. Nr. 19, Gondorf) und Batimodus (Kat. Nr. 45; Xanten). Diese Inschriften zeigen noch eine enge Einbindung in die römische Welt. Bezeichnend dafür ist, daß die Söhne der Sarmanna lateinische Namen tragen43.
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Auffallend selten sind sie in Trier (RICO I S. 59 § 45). KRÄMER, Grabinschriften 2; 9; 18; 22; 28; NEUSS, Christentum 55; für Köln auch W. BINSFELD, Germania 45, 1967, 107f.; für Maastricht BOPPERT in: Sint-Servatius 64-94. Für das Formular Triers sind typisch hie quiescit als Eingangsformel, titulum posuit und in pace am Schluß der Inschrift, für Andernach + hie requiescit in pace, vixit in saeculo (auch in der nur im Bereich der Untermosel und in Ober- und Mittelitalien vorkommenden Vulgärform visit, vissit; RICGI S. 69 § 76), carusparentibus, obiit in pace und die Angabe des Todes- oder Begräbnistages mit quodfacit und fortlaufender Tageszählung, für Mainz in hoc tumulo/titulo als Eingang und bonae memoriae, für Köln in pace recessit als Schluß. In Mainz auch weitere Belege mit titulus für tumulus. Typisch ist dabei der Kasuswechsel von hoc zu hunc.
Vixit in saeculo auch viermal in Trier, einmal in BrühlVochem und Plaidt. Deposicio eius auch in Trier, Plaidt und Koblenz. Schlußformel in pace auch in Koblenz und Gondorf (Kat. Nr. 19) sowie Mülheim-Kärlich (Kat. Nr. 27). Dasselbe gilt weitgehend auch für Kat. Nr. 20. Zu Andernach BOPPERT, Andernach 130f. In Mainz ist einmal Maura belegt (BOPPERT, Mittelrheingebiet 63-67). - Prof. C. B. Rüger wies mich darauf hin, daß auch theophore Satznamen aus dem Semitischen abgeleitet sind und auf nordafrikanische Herkunft hindeuten. Zu theophoren Satznamen in Trier H. MEINEN, Trier und das Trevererland in römischer Zeit. 2000 Jahre Trier l (1985)361; vgl. KAJANTO a.a.O. 102f. Zum griechischen Einfluß auf Trierer Grabinschriften NEUSS, Christentum 55; EWIG a. a. O. (Anm. 9) 28-34;
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Seit der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts herrschen am Mittelrhein germanische Namen vor44. Auffällig ist der nicht latinisierte, vielleicht angelsächsischem Einfluß unterliegende Name Godvine (Kat. Nr. 41). Verstorbene mit lateinischen Namen werden sicher Angehörige der romanischen Restbevölkerung gewesen sein. Bei den germanischen Namen ist eine sichere Entscheidung nicht möglich, da Romanen in einem germanischen Umfeld ihren Kindern solche Namen gegeben haben könnten45. Bei den frühchristlichen Inschriften fällt auf, daß Kleriker auch in merowingischer Zeit vorwiegend lateinische Namen haben46. Als Romanen waren offenbar gerade sie Garant für das im Romanentum stärker verwurzelte Christentum. Seit dem beginnenden 4. Jahrhundert weisen die lateinischen Inschriften in der Regel nicht mehr die tria nomina (Vorname, Geschlechtsname, Nachname) auf, sondern nur noch einen Namen, das Cognomen47. Auch ist in keiner Inschrift der Vatersname (Filiation) hinzugefügt. Die Reduzierung auf das Cognomen in der Spätantike ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, daß die Sklaverei in dieser Zeit stark zurückging und im Christentum der Unterschied zwischen Freien und Unfreien an Bedeutung verlor. Die tria nomina hatten in der römischen Gesellschaft schon vom Namen her eine Unterscheidung von Freigeborenen, Freigelassenen und Sklaven sichergestellt. Das römische Bürgerrecht hatte in der Spätantike an Wert verloren48. Auch auf Inschriften mit germanischen Namen bezeichnet nur ein Name den Toten. Die germanischen Namen zeichnen sich durch eine große Variationsbreite aus, so daß eine genauere Bezeichnung der Person nicht notwendig war. Erst eine gewisse Kodifizierung der Namen, die Vorliebe etwa für bestimmte Heiligennamen, die mit einer stärkeren Heiligenverehrung erst seit dem 13. Jahrhundert vorherrschten, die Zunahme der Bevölkerung und die Entstehung der mittelalterlichen Stadt ließen im 13. und 14. Jahrhundert wieder ein Bedürfnis aufkommen, einen Nachnamen hinzuzufügen. Ein christlicher Einfluß auf die Namengebung ist - wenn überhaupt - nur in Ansätzen spürbar.
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KRÄMER, Grabinschriften 20; KEINEN a. a. O. (Anm. 11) 247f.; RICO I S. 49f. § 42. - Zum Batimodus-Stein H. TIEFENBACH, Beitr. Namenforsch. N.F. 21, 1986, 29: „dieser Stein (ist) offenbar noch als Zeugnis der provinzialrömischen Bevölkerung in der Germania Inferior anzusprechen". In Gallien begegnen germanische Namen auf christlichen Inschriften erst nach 450 (BOPPERT, Mittelrheingebiet 106, nach LeBlant). - H. Meinen hat aufgrund der bei N. Gauthier in RICO I (siehe bes. S. 79-87) zusammengestellten Inschriften hervorgehoben, daß germanische Namen in Trier auffallend selten sind, die Grabinschriften also hauptsächlich von Vertretern der römischen und romanischen Oberschicht Triers gesetzt wurden. Keltische Namen treten gegenüber der Prinzipatzeit kaum noch auf, offenbar weil die treverisch-keltische Landbevölkerung durch die Germaneneinfälle härter getroffen wurde als die städtische Bevölkerung (a. a. O. [Anm. 11] 245). BÖHNER in: Das erste Jahrtausend 660; BOPPERT, Andernach 130f. - Eine Inschrift mit unterschiedlichem Namensgut, die für eine kulturelle Integration spricht, ist die
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des Armentarius aus Boppard (BOPPERT, Mittelrheingebiet 125-128); vgl. RICG I 11. Dies hob schon BENDERMACHER, Bonner Jahrb. 50/51, 1871, 106 hervor; JUNOANDREAS, Geschichte des Moselromanischen a. a.O. (Anm. 30) 69f.; 73f. - Diakon Deodatus in Lehmen (6./7. Jh.; Kat. Nr. 14); Presbyter Crescentius in Andernach (7. Jh.; Kat. Nr. 29). In der paläographisch und formularmäßig eng verwandten Gruppe von vier Inschriften aus Boppard hat der Presbyter Nonnus als einziger einen lateinischen Namen (BOPPERT, Mittelrheingebiet 128-133; 138 f.). In Boppard außerdem ein Diakon namens Besontio (H. EIDEN in: Spätantike 335). Trier: RICG 1109 (Basilius, nach 450); 142 A (Lycontius, 2. Hälfte 5. Jh.); 170 (Ursinianus, 8. Jh.); 214 (Aufidius, 8. Jh.). Bingen: Presbyter Aetherius (BOPPERT, Mittelrheingebiet 99-104). Koblenz: Lector Leuradus oder Leupadus (CIL XIII 7636); Mainz: Presbyter Badegisel und Abt Pertramm (BOPPERT, Mittelrheingebiet 24-26, 7. Jh.; 75-77, 7.-8. Jh.). Kajantoa.a.O. 122. Ebd. 4; 18; 122; RICG I S. 81 § 101.
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Spezifisch christliche Namen, wie sie auch in Rom nicht vor der Mitte des 4. Jahrhunderts vorkommen, sind Deodatus und Johannes (Kat. Nr. 14, 16; beide sind Kleriker)49; Irenaeus oder Irene (Kat. Nr. 20?) hatte vielleicht in der Spätantike einen christlichen Sinngehalt angenommen. Außer dem Namen lohannes bietet das Inschriftenmaterial der Untermosel und des Mittelrheins keine alt- oder neutestamentlichen Namen oder solche von Märtyrern. Der Einfluß des Christentums auf die Namengebung, die Ausbildung einer spezifisch christlichen Namengebung50 ist zunächst durch die fränkische Landnahme von einer germanischen Namenstradition überdeckt worden. Durch die große Zahl von frühchristlichen Grabinschriften vor allem aus Trier ist es möglich, in groben Zügen Angaben über das Durchschnittsalter, die Sterblichkeitsrate, das Heiratsalter und die Familienstruktur zu gewinnen. So läßt sich an den Grabinschriften des Rhein-Mosel-Gebietes eine recht hohe Kindersterblichkeit feststellen; das Durchschnittsalter lag bei knapp über 24 Jahren, wobei zu berücksichtigen ist, daß über die Inschriften stärker die städtische Oberschicht und die Romanen oder romanisierten Franken erfaßt werden. Knapp 38% der Personen, die durch die Inschriften des Rhein-Mosel-Gebietes erfaßt werden können, starben vor dem 12. Lebensjahr, knapp über 50% blieben jünger als 21 und nur 1% der Bevölkerung wurde über 80 Jahre alt51. Das Heiratsalter ist auf vier Inschriften dieses Gebietes direkt belegt: Der Trierer Genesius und Mauricius aus Gondorf haben mit 28 Jahren geheiratet; Frauen heirateten in früherem Alter: Maura war bei der Heirat knapp 17, Bertichildis erst 15 Jahre52. In der Regel setzten die Eltern oder der Ehepartner den Grabstein für den Verstorbenen. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß die Formel der Steinsetzung auf datierten gallischen Inschriften nur bis in die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts reicht, die folgenden Angaben also weitgehend nur für die spätrömische Zeit gelten. In Trier gibt es zwei Inschriften für eine 13jährige und eine 20jährige Frau, deren Grabsteine der Ehemann und die Eltern gemeinsam setzten; vielleicht waren diese Frauen kurz nach der Heirat verstorben53. Ehemänner haben ihren Ehefrauen Grabsteine aufgestellt, die im Alter von 13, 20, 23, 25, 26, 28, 30 Jahren oder älter gestorben sind54, Ehefrauen ihren Männern, die im Alter von 26, 28, 35, 37, 38, 40 Jahren und älter gestorben sind55. Eltern haben Grabsteine für früh verstorbene Kinder und für Töchter im Alter von 12, 13, 15, 16, 20, 21 und 22 Jahren aufgestellt56, sowie für Söhne im Alter von 16, 20, 24, 25 und 34 Jahren57. Die Bezeichnung puella vor oder hinter
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Kajantoa.a.O. 116-118; 123. Zu diesem Einfluß ebd. 87ff.; 123. Zu christlichem Namensgut in Trier RICO I S. 84f. § 110. J. JANSSENS, De vroekristelijke Grafschriften uit Rijn- en Moezelland l (Proefschrift Leuven 1969) 107-122; BiNSFELDa.a.O.(Anm.37) 108; MEINEN a.a.O. (Anm. 11) 250f.; RICO I S. 47 § 40. Zu Vergleichsdaten aus dem Imperium Romanum (1.-6. Jh.) siehe J. SZILÄGYI, Acta Arch. Hung. 14, 1962, 346; 15, 1963, 180f. RICO I 217 (6./7. Jh.); Kat. Nr. 18 (5./6. Jh.); BOPPERT, Mittelrheingebiet 63-67; 108-118 (4./5. und 6./7. Jh.). Vgl. RICO I 68 mit einem Heiratsalter der Frau von vielleicht 12 Jahren und ebd. 149 (Heirat der Frau vielleicht mit 20 Jahren).
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RICO I 32 (5. Jh.); 47 (4. Jh.); vielleicht auch 149; vgl. aber 63: Vater, Ehefrau und Kinder setzen dem 38jährigen Valentinus den Grabstein (6. Jh.). RICG I 32; 47; BOPPERT, Mittelrheingebiet 118-120; RICO 124; Kat. Nr. 43; RICO 162; 139; 140; vgl. 26; 111; 119; 136; 144; 173; 175; Kat. Nr. 40. RICG 133; 138; 160; 39; 63; 238; 95; vgl. 55; 71; 142; 174; GOSE a.a.O. (Anm. 11) 731 und Kat. Nr. 19. BOPPERT, Mittelrheingebiet 60-62; RICG I 69; 97; 35; GOSE a. a. O. 741; 771 (15-19 Jahre); Kat. Nr. 39; Galsterer, Steininschriften 491; RICG I 75; 220. RICG 151; 147; 97; 52; 150; 4; vgl. GOSE a. a. O. 540 (mindestens 18 Jahre).
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Grabpflege und Totenkult
dem Namen gibt an, daß die Verstorbene sich im heiratsfähigen Alter befand. Mehrfach findet sich auch bei Frauen und Männern dieses Alters nomine hinzugefügt58. Aus diesen Anhaltspunkten ergibt sich, daß das Heiratsalter bei Frauen zwischen 12 und knapp über 20 Jahren, bei Männern eher zwischen Mitte und Ende 20 lag. Aufgestellt wurde der Grabstein in der Regel von Mitgliedern der Kernfamilie, von Eltern, Kindern, Geschwistern. Auf dem Grabstein der Sarmanna ist neben den Söhnen auch die Schwiegertochter genannt, auf zwei Trierer Steinen der Stiefvater, auf einem anderen ein Enkel59. Die Zahl der Kinder scheint relativ klein gewesen zu sein, nachzuweisen sind auf Grabinschriften ein bis drei Kinder, in einem Fall wohl auch vier; mehrere andere geben nur undifferenziert /////' an60. Obwohl die Lebenserwartung gering war und eine hohe Kindersterblichkeit wahrscheinlich ist, sind Adoptivverhältnisse selten belegt, und die Kernfamilie blieb die vorherrschende Lebensgemeinschaft. Allerdings wurde etwa ein Drittel der Grabsteine, die von Eltern aufgestellt wurden, von nur einem Elternteil gesetzt. Bei Waisen sprangen wohl die älteren Geschwister ein. Hinweise auf die soziale Stellung der Verstorbenen sind bei den hier vorgestellten Inschriften selten. Sarmanna war Ärztin, ansonsten sind nur kirchliche Weihen genannt. Erst in Inschriften des 7. oder 8. Jahrhunderts wird wieder auf den sozialen Status hingewiesen (Kat. Nr. 32, 42)61. Dies ist Ausdruck eines inzwischen entstandenen adeligen Selbstbewußtseins. In römischer Zeit stand der Grabstein mit Inschrift als Stele inmitten eines kleinen Grabgartens vor einer Bestattung, oder die Grabinschrift war in ein größeres Grabdenkmal eingelassen. Der lange, nur grob zugeschlagene Schaft des Grabsteins aus Pier (Kat. Nr. 43) beweist, daß auch noch im 4. Jahrhundert hohe Grabstelen aufgestellt wurden62. Als in der Spätantike die Brandbestattung zugunsten der Körperbestattung aufgegeben wurde, konnte die Grabinschrift direkter mit den sterblichen Überresten verbunden werden. In Trier und Metz fanden sich in großer Zahl Marmorplatten von wenigen Zentimetern Dicke, die in den Deckel des Sarkophags eingelassen waren. In Grabkammern - allein auf dem Gräberfeld von St. Matthias in Trier wurden über 22 dieser Grabkammern freigelegt konnte der Sarkophag mit der Inschrift sichtbar aufgestellt oder die Grabinschrift konnte in der Wand eingelassen sein63. Solche dünnen Marmorplatten wurden auch in Karden,
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Puella: RICG I 35 (16 Jahre); 97 (15); 127 (12); vgl. 193; 220; BOPPERT, Mittelrheingebiet 68-71 (21); 104-107 (32); Kat. Nr. 30 (puella?; 15-19 Jahre); RICO I 101 (virgo; 13 Jahre). - Nomine: RICO I 97 (Mann, 20 Jahre); 147 (Mann, adulescens, 16); 220 (Frau, 22); BOPPERT, Mittelrheingebiet 68-71 (Frau, 21); 104-107 (Frau, 32); Kat. Nr. 39 (Frau, 16). Vgl. auch Kat. Nr. 34 (puello numen) und die Bezeichnung innocens auf den Grabinschriften (RICO IS. 75 §95). RICO I 12; 185 (alumno; vgl. 67: nutriciones); 194. Vgl. die Übersicht S. 45-47. Ein Kind: RICG I 8; 46; 68; 109; 162; 165; 214; zwei Kinder: RICGI 1; 13b;21; 32b; 38; 101; 116; 127; Kat. Nr. 19; drei Kinder: RICG I 27; 169; vier Kinder: RICG I
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154. Filii: RICG I 62, 63, 84; 104; Kat. Nr. 40; 42; vgl. Kat. Nr. 25. Vgl. RICG I S. 39 § 38. Einen früheren Beleg stellt die Inschrift auf einer Bronzekanne aus Krefeld-Gellep dar: Arpuarerat(f)elexundiquepr(a)e(celsus?). G. ALFÖLDY, Bonner Jahrb. 166, 1966, 446-451; U. SCHILLINGER-HÄFELE, Ber. RGK 58, 1977, 203. Die Kanne stammt aus einem außerordentlich reich ausgestatteten ,Fürstengrab' des 6. Jh. Auch der als Grabstein wiederverwendete Matronenaltar (Kat. Nr. 40) wird als Stele das Grab markiert haben. TH. K. KEMPF u. W. REUSCH, Frühchristliche Zeugnisse im Einzugsgebiet von Rhein und Mosel (1965) 167; vgl. 21 Nr. 6 mit Abb.; 54 Nr. 52; GOSE a.a.O. 478; RICG I S. 20 §3; S. 26 §13.
Grabinschriften und Grabsteine
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Gondorf, Kobern und Andernach gefunden (Kat. Nr. 46, 14f., 18-21, 23, 30)64. Größere und dickere Steine waren mitunter in Rahmensteine eingelassen, die in die Erde eingetieft über dem Sarkophag lagen oder standen65. In einen Rahmen eingelassen waren wohl auch solche Inschriftplatten, die eine Rahmenleiste aufweisen. So war der unverzierte Randstreifen von Kat. Nr. 25 offenbar abgedeckt. Die Grabsteine der frühmittelalterlichen Reihengräberfelder, in denen dicht beieinander aus Steinplatten ummauerte Gräber, Steinkisten, Holzsärge, Holzkammern, hölzerne und steinerne Baumsärge lagen, sind in der Regel wesentlich kleiner als römische Grabstelen. Mangelnde finanzielle Möglichkeiten und die Aufgabe der römischen Steinbrüche sind dafür wohl die Ursachen66. Die seltenen, auffallend großen Grabplatten wie der Stein für Meteriola, der von vier Seitensteinen gerahmte Grabstein für Deudolfus und der figürlich verzierte Grabstein von Faha deckten das Grab ab67. In den Boden eingelassen war der Grabstein für Ursicinus (Kat. Nr. 38), der Abtrittspuren aufweist. Als Grabstele hingegen diente ursprünglich der Stein von Niederdollendorf, der einen Zapfen aufweist und auf allen vier Seiten und auf der Oberseite mit Reliefs versehen ist68. Bei vielen anderen Steinen läßt sich nicht klären, ob sie auf dem Grab standen oder lagen. Häufig aber sind sie unförmig, an den Seiten nur grob geglättet und wenig standfest. Die Sitte, den Grabstein nicht sichtbar über dem Grab anzubringen, sondern wie eine Beigabe mit in das Grab zu geben, scheint unheilabwehrende Bedeutung gehabt zu haben69. W. S.
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Vielleicht zeigt sich auch hier ein Einfluß Triers (vgl. HEIDRICH a. a. O. [Anm. 1] 169). - Kat. Nr. 18 und 23 zeigen auf der Rückseite muldenförmige Abschlagungen; wahrscheinlich sollten sie eine bessere Einpassung garantieren. So lag etwa einen halben Meter über dem Grab der Victura in Trier eine Marmorplatte mit Inschrift, die von einem Sandstein eingefaßt war: E. GOSE, Trierer Zeitschr. 28, 1965, 746f.; Frühchristliche Zeugnisse a. a. O. (Anm. 63) 171f. Nr. 4; vgl. 192 Nr. 11; zu solchen eingelassenen Inschriften RICO I. - Zur Anbringung von Grabsteinen
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allgemein: GOSE a.a.O. (Anm. 11) 128; BOPPERT, Andernach 125f.; 129; DIES, in: Sint-Servatius 90f.; NISTERSWEISBECKER, Grabsteine 178-180; 184. BOPPERT, Andernach 133 f. Kat. Nr. 34f.; Frühchristliche Zeugnisse a.a.O. 98 Nr. 68; GAUTHIER a. a. O. (Anm. 11) Taf. 16,3. Vgl. RICO I S. 20 §3. Beiderseitig verziert ist auch die kleine Stele Kat. Nr. 64, die also ebenfalls aufrecht stand. Vgl. AMENT, Mayen29; BOPPERT, Andernach 125f.; 129; DIES, in: Sint-Servatius 90f.; s.u. Kat. Nr. 47 Anm. 4.
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Grabpflege und Totenkult
Totengedenkstätte /,Cella memoriae'
Rekonstruktion in originaler Größe mit originalen Bestandteilen (Mensa c) Spätes 3. bis Mitte des 4. Jahrhunderts Bonn; unter der Krypta des Bonner Münsters 1928 ausgegraben Rekonstruierte Maße der Cella: 3,35 m lang, 2,55 m breit; Mensablock c: 88-92 cm lang, 76-89 cm breit, 74 cm hoch Unter der Krypta des Bonner Münsters St. Martin, der Kirche des ehemaligen Cassiusstiftes, legten Grabungen 1928 eine weitgehend zerstörte Totengedenkstätte (Cella memoriae), Bestattungen und einen Saalbau frei. Die Grabung war 1928 mit der Absicht begonnen worden, den Ostschluß des frühromanischen Chores festzustellen. Erst die Freilegung römischer Gräber veranlaßte eine Ausweitung der Untersuchung, die Aufschluß über Vorgängerbauten des romanischen Münsters brachte. Vorgängerbauten waren bis dahin allein in schriftlichen Quellen und in einer im 13. Jahrhundert überlieferten Legende genannt1. Diese berichtet, Kaiserin Helena, die Mutter Konstantins L, habe um 310 zur Erinnerung an die HU. Cassius und Florentius, Märtyrer der Thebäischen Legion, in Bonn eine Kirche errichten lassen. Ein Martyrium von 50 Soldaten der Thebäischen Legion für Köln nennt Gregor von Tours (538-594), ohne Namen zu erwähnen. Das Martyrologium Hieronymianum des frühen 7. Jahrhunderts hingegen nennt zwar die Namen der HU. Cassius und Florentius, jedoch ohne Ortsangabe und ohne Bezug zu Bonn. Mit Bonn verbunden sind Cassius und Florentius erst in einer Schenkungsurkunde von 691/922. Vor der Ausgrabung hielt man jene vier Bestattungen für die Gräber der Soldatenmärtyrer, die
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So H. LEHNER, Rom. Quartalschr. 38, 1930, 135; DERS., Bonner Jahrb. 136/137, 1932, 3ff. W. LEVISON, Die Bonner Urkunden des frühen Mittelalters. Bonner Jahrb. 136/137, 1932, 236f. Nr. 5. H. LEHNER, Bonner Jahrb. 136/137, 1932, 208.
Abb. 5-7
beim Bau des frühromanischen Langchores (um 1060) durch die tonnengewölbte Cassiusgruft überbaut und - diagonal zum Chor - in die jetzt geostete Kirche aufgenommen wurden (Abb. 5, Gräber 1-4). Neben Cassius und Florentius glaubte man den Märtyrer Mallusius und einen weiteren unbekannten Begleiter hier bestattet. Mallusius ist in den Bonner Quellen seit der Erhebung der Gebeine durch den Kölner Erzbischof Reinald von Dassel 1166 bezeugt. Diese Überlieferungen hatten die Ausgräber vor Augen, als sie einen mit der Memorie fast gleichgerichteten Saalbau D mit einer Anhäufung von Sarkophagen freilegten. Da die Nutzung des Saalbaus durch Nachbestattungen noch für das späte 7. Jahrhundert belegt ist, läßt sich die erste Erwähnung ,ad basilicam Sanctorum Cassii et Florentii' von 691/92 auf ihn beziehen. Ein „verführerischer Gedanke" - so Lehner3 - wurde aufgegriffen: man glaubte hier die Memorie der legendären Thebäer-Märtyrer Cassius und Florentius gefunden zu haben. Die Memorie lag am Westrand des römischen Gräberfeldes südlich des Legionslagers in einem Bereich, der zur Gumme - einem alten Rheinarm - abfiel (Abb. 68). Die Lage der Memorie wich nur geringfügig von der nordöstlichen Ausrichtung der umliegenden Bestattungen ab. Keine Klarheit besteht hinsichtlich der Datierung des Gräberfeldes, dessen Belegung aufgrund eines einzelnen Grabfundes bis in das späte l. Jahrhundert zurückgeführt wird4. Die Cella memoriae war aus römischem Abbruchmaterial errichtet. Erhalten waren Teile einer umlaufenden Sitzbank (a), der festgetretene Lehmboden und zwei gemauerte Blöcke, die als Tische dienten (Mensa b und c). Mensa b war bis zur halben Höhe abgebrochen, Mensa c
Ebd. 6; 209f.; H. v. PETRIKOVITS, Kölner Jahrb. Vor- u. Frühgesch. 9, 1967/68, 113 gestützt auf LEHNER und BADER a. a. O.; K. BÖHNER, Bonner Jahrb. 178, 1978, 395; C. B. RÜGER in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde III (1978) 228f.; BADER, Stiftskirche 183.
,Cella memoriae'
5 Die Cella memoriae (A) unter dem Bonner Münster (Maßstab 1:150)
nahezu unbeschädigt. Die Memorie wurde nach Befund mit originalen Teilen in einem Kellerraum des Landesmuseums nachgebaut. Diese Rekonstruktion zeigt die kleine, längsgerichtete, 3,35 x 2,55 m messende Anlage mit den beiden gemauerten, quadratischen Tischblöcken von etwa 80-90 cm Seitenlänge, die 10 cm in den Boden eingetieft und an drei Seiten von einer 40 cm hohen Sitzbank umgeben sind. Der Mensablock b ist freistehend, der bei der Freilegung ganz erhaltene Mensablock c schließt wie die Sitzbank an der nordöstlichen Schmalseite an eine mindestens 90 cm hohe Trockenmauer an. Die Sitzbank und der Tischblock c waren grob verputzt. In der Oberseite des Mensablockes c ist eine unprofilierte Terra-SigillataSchale eingelassen, daneben befindet sich ein
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aus dem Putzmörtel geformter Standring, wohl für ein Trinkgefäß. Diese Einrichtung für ein Mahl und die Sitzbank kennzeichnen die Cella als Anlage, in der Gedächtnismahle (refrigeria) für Verstorbene abgehalten wurden, wie dies im heidnischen Totenkult und auch noch im frühchristlichen Begräbniswesen üblich war. Die Gräber der Verstorbenen, zu deren Erinnerung die Cella errichtet wurde, werden unter den Mensablöcken vermutet; hier konnte aus statischen Gründen nicht tiefer gegraben werden5. Die Cella war in das umliegende Gelände eingetieft, denn Sitzbank und Trockenmauer waren gegen Erde gesetzt6. Wahrscheinlich war die Anlage überdacht. Dafür spricht der gute Erhaltungszustand des Verputzes der Mensa c7. Es ist möglich, daß mehrere Pfosten oder Holzwände ein solches Dach getragen haben, wie die Rekonstruktion dies andeutet. Der Zugang wird auf der Südseite angenommen. Das angrenzende Gebiet der Cella konnte nicht erfaßt werden; es ist durch Sarkophage und durch den Einbau der Cassiusgruft gestört. Das Außenniveau zur Entstehungszeit der Cella wird auf etwa 2 m unter dem heutigen Kryptafußboden liegend geschätzt. Der vorgefundene bauliche Zustand der Anlage läßt auf eine baldige Zerstörung und Aufgabe der Memorie schließen. Nach der Zerstörung (durch Brand?) wurde das Gelände angeschüttet. In dieser Aufhöhung wurde um die Cella herum bestattet, die Memorie dabei nur von einem Sarkophag (Nr. 25) überschnitten. Frühestens gegen Ende des 4. Jahrhunderts wurde in dem Gräberfeld ein Saalbau errichtet. Ein in seinen ersten Estrich eingelegtes Kreuz (Kat. Nr. 2) kennzeichnet ihn als christliche Bestattungskirche. Fast in der Mitte, rund 1,60 m unter dem Estrich, lag die Cella.
H. LEHNER, Bonner Jahrb. 136/137, 1932,195f.; 202; 210; H. v. PETRIKOVITS a. a. O. 119 Anm. 32; dagegen TH. KLAUSER in: Bonn und sein Münster. Festschrift J. Hinsenkamp. Bonner Geschbl. 3, 1947, 37f. W. BADER, Bonner Jahrb. 136/137, 1932, 40; DERS., Stiftskirche 184. Dagegen W. BADER, Bonner Jahrb. 136/137, 1932, 40f.
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Grabpflege und Totenkult
6 Rekonstruktion der Cella memoriae im Rheinischen Landesmuseum
Zur Erklärung der zentralen Lage der Cella unter dem Saalbau D gingen die Ausgräber von einer Kennzeichnung im Boden und der somit bewußten Überbauung aus; denn ein Vorgänger des Saalbaues, nach welchem man monatelang ohne Erfolg gegraben habe, sei nicht nachzuweisen8. Unbeachtet blieb dabei die Lage der Sarkophage in der Nord-Süd-Diagonalen des Saalbaues9. Diese Sarkophage (Abb. 5 u. 8, Nr. 14 und 56) geben den Grundriß des Saalbaues vor und sind laut Grabungsbericht10 älter als der Bau, woraus Th. Klauser auf einen hölzernen Vorgänger 8 9
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W. BADER, Bonner Jahrb. 148, 1948, 452f. KLAUSER a. a. O. 35-39. Ohne Verweis auf die auffällige Lage der Sarkophage (Nr. 14 und 56) dachte H. LEHNER, Bonner Jahrb. 136/137, 1932, 210 schon an einen Vorgänger des Saalbaues als Erklärung der zentralen Lage der Cella. W. BADER, Bonner Jahrb. 136/137, 1932, 61ff.
schloß. Als eine zufällige Einbeziehung in den Saalbau wird man die Lage dieser älteren Sarkophage jedenfalls nicht erklären können. Letztlich wird die Frage eines Vorgängers des ersten Steinbaues offen bleiben, da die durch die Ausgräber vorgegebene Datierung der Sarkophage nicht überprüft werden kann. Einen ersten Anhaltspunkt für die Datierung der Cella gibt ein in der Mensa c vermauerter Inschriftstein, auf dem der Name des 235 ermordeten Kaisers Alexander Severus (222-235) getilgt ist (Damnatio memoriae). Die Cella wurde folglich nach 235 errichtet. Entscheidend für die Datierung ist aber vor allem die in die Oberseite der Mensa c eingelassene unverzierte Terra-Sigillata-Schale11. Sie wurde von H. Lehner zwischen 260 und 350 angesetzt. Ferner gingen die H. LEHNER, Bonner Jahrb. 136/137, 1932, 177f.
,Cella memoriae'
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7 Die Cella memoriae unter dem Bonner Münster. Rekonstruktionszeichnung
Ausgräber davon aus, die zerstörte Cella habe um 300 die ersten Körperbestattungen angezogen; sie sei daher zwischen 260 und 300 errichtet worden. Die Verbindung mit dem legendären Martyrium der Hll. Cassius und Florentius führte zu einer Datierung der Memorie um 26012. Durch diese Frühdatierung fiel der Bonner Cella in der Literatur ihre besondere Stellung zu13. Die jüngere Forschung grenzt das Vorkommen der Terra-Sigillata-Schale auf das späte 3. Jahrhundert ein14. Eine frühe Entstehung der Cella um 260 ist somit ausgeschlossen. Da die Schale aber auch als altes Stück noch in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts benutzt worden sein kann, gibt sie wieder nur einen zeitlichen Anhaltspunkt, nach welchem die Cella entstanden ist15. 12
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So W. BADER, Ann. bist. Ver. Niederrhein 144/145, 1946/47, 13 ff. R. KRAUTHEIMER, Early Christian and Byzantine Architecture3 (1981) 35; RAC XII (1983) 424f. s. v. Grabbau (K. STÄHLER). v. PETRiKOviTsa.a.O. 112. Ebd.
Auch die umliegenden Gräber können die zeitliche Stellung der Cella nicht eingrenzen. Die Sarkophage in der Anschüttung unmittelbar um die Cella sind zwar jünger als diese, jedoch nicht näher zu datieren. Zwei durch Beigaben in das 3. Jahrhundert datierte Bestattungen (Nr. 31 und Nr. 45)16 sind für die zeitliche Einordnung der Cella unbrauchbar, da ihr Verhältnis zu der Memorie nicht zu bestimmen ist. Folglich bleibt eine allgemeine zeitliche Ansetzung der Cella memoriae zwischen der Datierung der TerraSigillata-Schale (spätes 3. Jahrhundert) und dem Saalbau D (um 400?). Eine - nicht auszuschließende - Entstehung der Memorie im späten 3. Jahrhundert macht ihren christlichen Zusammenhang unwahrscheinlich. Die jüngere Literatur bezeichnet die Bonner Cella angesichts der zweifelhaften Existenz der Thebäermärtyrer im Rheinland nur noch selten als Märtyrermemorie17, sondern allgemein als 16
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H. v. PETRIKOVITS u. D. HAUPT, Kölner Jahrb. Vor- und Frühgesch. 9, 1967/68, 113; 116ff. (45 = erste Hälfte 3. Jh.; 31 = zweite Hälfte 3. Jh.). K. BÖHNER, Bonner Jahrb. 178, 1978, 395; vgl. H. BOR-
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Grabpflege und Totenkult
christliche Totengedenkstätte18. Vielfach gilt sie als früheste christliche Memorie Niedergermaniens, als ältestes christliches Zeugnis im Rheinland19, wie auch als Kern der mittelalterlichen Stadt Bonn. Die Memorie selbst zeigt allerdings keine christlich zu deutenden Merkmale. Allein weil man in der zentralen Lage unter dem ersten Saalbau eine beabsichtigte Überbauung der Memorie zu erkennen glaubt, wird sie in einen christlichen Zusammenhang gestellt. Die Bestattungen um die Memorie können diese Deutung stützen nicht beweisen. Es bleibt die Frage, ob im Falle der allgemein vorausgesetzten baulichen Kontinuität von der christlichen Bestattungskirche auf eine Gedenkstätte für einen Christen rückgeschlossen werden muß oder ob die Memorie erst mit der Überbauung in einen christlichen Zusammenhang gebracht wurde20. Somit ist offen, für wen die Memorie errichtet wurde und welcher Personenkreis das Gräberfeld belegte21. Gesichert ist allein der christliche Charakter des ersten Saalbaues. Ob mit seiner Errichtung um 400 (?) schon die Verehrung der legendären Märtyrer Cassius und Florentius verbunden war, die die Quellen erstmals 691/92 überliefern, wissen wir nicht.
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GER, Die Abbilder des Himmels in Köln l (1979); H. G. HÖRN in: DERS. (Hrsg.), Römer in Nordrhein-Westfalen 290. So v. PETRiKovrrsa.a.O. 116. HÖRN a. a. O. RÜGER a. a. O. 229. Bei der Nutzung des Gräberfeldes wurde an den Personenkreis aus dem Militärlager gedacht, womit auch die Verbindung zu den legendären Soldatenmärtyrern erklärt werden könne; so v. PETRIKOVITS a. a. 0.116.
Literatur: H. LEHNER u. W. BADER, Baugeschichtliche Untersuchungen am Bonner Münster. Bonner Jahrb. 136/137, 1932, 1-216; TH. KLAUSER, Bemerkungen zur Geschichte der Bonner Märtyrergräber, in: Bonn und sein Münster. Festschrift J. Hinsenkamp. Bonner Geschbl. 3, 1947, 35-39; W. BADER, Zur Kritik des Bonner Märtyrergrabes. Bonner Jahrb. 148, 1948, 452f.; Auswahlkatalog 1963, 105-107 Nr. 61 Abb. S. 58; F. OSWALD, L. SCHAEFER u. H.R. SENNHAUSER (Bearb.), Vorromanische Kirchenbauten 1. Katalog der Denkmäler bis zum Ausgang der Ottonen (1966) 40f.; H. v. PETRIKOVITS u. D. HAUPT, Die Zeitstellung der ältesten frühchristlichen Kultanlage unter dem Bonner Münster. Kölner Jahrb. Vor- u. Frühgesch. 9, 1967/68, 112-119; H. E. KUBACH u. A. VERBEEK, Romanische Baukunst an Rhein und Maas. Katalog der vorromanischen und romanischen Denkmäler l (1976) 107ff.; RACX(1978) 548-654s.v. Germania (Romana) (H. v. PETRIKOVITS); K. BÖHNER, Bonn im frühen Mittelalter. Bonner Jahrb. 178, 1978, 395-426; Reallexikon der Germanischen Altertumskunde III (1978) 225-229 s. v. Bonn. Römische Zeit (C. B. RÜGER); BADER, Stiftskirche 173-212; H. G. HÖRN in: DERS. (Hrsg.), Römer in Nordrhein-Westfalen 290f.; M. GECHTER ebd. 372. A. S.
,Cella memoriae'/Das Kreuz im Estrich
2 Das Kreuz im Estrich Ende des 4. Jahrhunderts Bonn; unter dem Münster im Estrich des ältesten Kirchenbaus (D) gefunden Blaugrauer, weißer, weiß-roter und grau-violettfarbener belgischer Marmor in rötlichem Kalkestrich 80 cm lang, 30 cm breit Bei der Auffindung fehlten einige Marmorteile. Inv. Nr. D 413 Über der Cella memoriae (Kat. Nr. 1) wurde gegen Ende des 4. Jahrhunderts eine erste kleine Saalkirche errichtet, die die Ausrichtung der Gräber, die sich um die Cella memoriae gruppierten, aufnahm. Es war ein rechteckiger Raum (D; 13,77 x 8,88 m) mit drei Anbauten (E, L, M) (Abb. 8). An drei Stellen fanden die Ausgräber Walter Bader und Hans Lehner geringe Reste des ursprünglichen Estrichs des kleinen Kultraumes. In der Südecke der Saalkirche D war über Grab 32 ein aus Marmorstücken zusammengesetztes Kreuz in den Estrich eingedrückt worden. Am Aufbau der Südwestmauer von D ist zu erkennen, daß der Estrich beim Bau der kleinen Saalkirche verlegt wurde (Abb. 10): Auf der Fundamentstickung saß die Fundamentmauer auf, die zum überwiegenden Teil aus römischen Weihealtären bestand. Über dieser folgte die schmalere aufgehende Wand; Fundament und Wand sind durch einen Absatz deutlich zu unterscheiden. Der Absatz wird außen der Erdoberfläche entsprochen haben. Der rote Estrich ist über den inneren Absatz der Fundamentmauer direkt bis an die Innenwand gestrichen worden. Anschließend wurde die Innenwand verputzt und der Putz weiß getüncht. Mauer, Estrich und Putz gehören somit zu einer Bauphase. Die Bodenpackung für den Estrich bestand aus Kieseln, Ziegelstücken und zerschlagenen Kalksteinen. Die Kalkmörtelschicht von 7-9 cm Dicke war durch Ziegelmehl und kleinere Ziegelstückchen rötlich gefärbt. Als der Estrich noch weich war, drückte man das Kreuz aus Marmorstükken ein. Es gehört also in die gleiche Zeit, in der auch Estrich und Putz angebracht wurden1.
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Abb. 9
Das älteste Kirchengebäude (D), der Estrich und das Marmorkreuz sind am Ende des 4. Jahrhunderts entstanden, denn im Mörtel des Fundaments waren drei spätantike Münzen verbacken, darunter ein so gut wie stempelfrisches Kleinerz des römischen Kaisers Valens (364-37S)2. Die ausnahmslos römischen Fundstücke, die in den Fundamentgruben und im ersten Estrich geborgen wurden, und die Bestattungen unter dem Estrich mit Beigaben des 3. und 4. Jahrhunderts sind weitere Indizien für diesen zeitlichen Ansatz des Baus. Für Nachbestattungen wurde der erste Estrich immer wieder aufgebrochen. Anschließend wurden die Stellen mit zumeist andersfarbigem Kalkmörtel verschlossen3. Einzig ungestört blieben die Bestattungen in Grab 32, das mit dem Marmorkreuz bezeichnet war, und Grab 30, ein Männergrab, über dem sich ebenfalls ein Streifen des ursprünglichen Estrichs erhalten hatte. Für eine Kinderbestattung wurde der Boden über Grab 31 geöffnet, dann mit einem gelblich-braunen Kalkestrich geflickt, wobei an der Mauer ein schmaler Streifen des ursprünglichen Estrichs erhalten blieb. Vielleicht nach dem Vorbild des Nachbargrabs 32 drückte man in den feuchten Kalkmörtel der Flickstelle eine Kalksteinplatte mit eingemeißeltem Kreuz (Kat. Nr. 65). Dieses Grab kann nach den Beigaben und der Schichtabfolge um 575 n. Chr. datiert werden4. Der erste Estrich hat also in stark geflicktem Zustand noch im letzten Viertel des 6. Jahrhunderts bestanden. Dann überdeckte ein zweiter Fußboden - eine etwa l cm dicke Kalkmörtelschicht - alle Flickungen und auch die beiden durch Kreuze gekennzeichneten Gräber.
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H. LEHNER u. W. BADER, Baugeschichtliche Untersuchungen am Bonner Münster. Bonner Jahrb. 136/137, 1932, 41-50; 156; 179-184. Ebd. 167f. Nr. 4; 8; 9; 179f. Ebd. 184. Ebd. 45; 183; NISTERS-WEISBECKER, Grabsteine 226; 252 Nr. 28.
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Grabpflege und Totenkult
8 Grundriß der ältesten Saalkirche unter dem Bonner Münster (Maßstab l :150)
Das Kreuz im Estrich
9 Kreuz aus Marmorstücken. Im Estrich der ältesten Kirche unter dem Bonner Münster
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Grabpflege und Totenkult
Außen Estrich vom späten 8. Jh. Estrich mit Kreuz
aufgehende Wand
Fundamentmauer Fundamentstickung
Grab 32
10 Schnitt durch die Mauer der ältesten Kirche bei Grab 32 (Maßstab 1:50)
Das Kreuz im Estrich lag über dem Kopfende von Grab 32. Es handelt sich bei dem Grab um einen Plattensarg von unregelmäßiger längsrechteckiger Form (69 cm hoch, 72 cm breit; der nordöstliche Teil wurde durch einen Kryptapfeiler 1060/70 zerstört). Seiten, Boden und Deckel bestanden aus braunen Tuffplatten, die hier in zweiter Verwendung verbaut waren, denn die Verzapfungslöcher passen nicht aufeinander. Im Innern des Sargs fanden sich im Schutt, der beim Bau des Kryptapfeilers eingefüllt worden war, Knochen eines Erwachsenen. Ton- und Glasperlen einer Halskette sprechen für ein Frauengrab. Die meisten der 21 unterschiedlichen Glasperlen sind rund, einige auch zylindrisch geformt; ihr Durchmesser variiert zwischen 9 und 3 mm. Da die Glasperlen oft über Generationen in der gleichen Art und Weise hergestellt wurden, lassen sie sich nur grob dem
3.-5. Jahrhundert zuweisen5. Als weitere Beigaben kommen die ,barbarisierte Nachahmung' einer Münze des Kaisers Tetricus (270-272), die wahrscheinlich noch im 3. Jahrhundert geprägt wurde, Goldfäden, eine abgebrochene Bronzenadel, Bronzeblechstückchen, Tierknochen, Schneckengehäuse und Perlmutterstückchen hinzu. Eiserne Sargnägel lassen auf einen Holzsarg schließen, der in das Plattengrab eingelassen war. Da beim Bau der Fundamentmauer Mörtel über die Deckplatte am Kopfende gequollen war, muß zumindest dieser Teil des Grabes beim Bau der ersten Kirche freigelegen haben.
LEHNER u. BADER a. a. O. 183; M. TEMPELMANN-MACZYNSKA, Die Perlen der römischen Kaiserzeit und der frühen Phase der Völkerwanderungszeit im mitteleuropäischen Barbaricum (1985) 188 f. ordnet solche Perlen den Stufen C 2 und D, also der zweiten Hälfte des 3. bis Mitte des 5. Jh. zu.
Literatur: H. LEHNER u. W. BADER, Baugeschichtliche Untersuchungen am Bonner Münster. Bonner Jahrb. 136/137, 1932, 1-216; BADER, Stiftskirche 184-186 Taf. 110
Vergleichbare Kreuze aus Marmorstückchen, die im Boden ein Grab kenntlich machten, gibt es nicht. Das Kreuz im Estrich beweist, daß es sich bei diesem Saalbau um eine christliche Kirche handelt.
U.-K.R.
Das Kreuz im Estrich /Sarkophaggrab aus Bonn
3 Sarkophaggrab aus Bonn (Jakobstraße) Spätes 4. Jahrhundert Bonn; Jakobstr. l (seit 1975 Kesselgasse) Inv. Nr. 72.0315 Auf dem Gebiet eines seit dem l. Jahrhundert kontinuierlich belegten Gräberfeldes, welches sich in der Spätantike in einem Bogen vom Rhein über die Stiftskirche bis in den Bereich des Münsters erstreckte (Abb. 68), wurde 1972 bei Ausschachtungsarbeiten ein Sarkophag gefunden, dessen ungewöhnliches Beigabenensemble schon kurz nach der Entdeckung bekanntgemacht wurde1 . Der Sarkophag - etwa 4,55m unter der heutigen Oberfläche - war annähernd west-östlich ausgerichtet und erwies sich nach Abheben des Deckels als unberaubt (Abb. 11-12). Die Umrisse einer Grabgrube waren bis auf den südwestlichen Teil erkennbar; der Sarkophag stand auf einer bis zu 10 cm dicken, modrigen, teils auch fettig-schwärzlichen Verfärbung, welche wohl eine vergangene Holzunterlage darstellt. Der Trog und der leicht überstehende Deckel sind aus glimmerhaltigem, stark kristallinem und grau erscheinendem Sandstein gearbeitet. Der Trog ist innen wie außen mit sauberem Rundschlag versehen. Der dachförmige Deckel ist an der Südseite durch einen rechteckigen, giebelartigen Vorbau und an den vier Ecken mit kugelsegmentförmigen Akroteren gegliedert. Die Langseiten und die Deckelhöhlung sind in einer Art Wolfszahnmuster mit ineinandergreifenden, gegenläufig schraffierten Dreiecken verziert; die Schmalseiten sowie der Mittelgiebel tragen dieselbe Verzierung wie der Trog. Der Tote lag in gestreckter Rückenlage im Sarkophag, mit dem Kopf im Westen und am Körper angelegten Armen. Er war mit umgelegtem Gürtel (Nr. 4) beigesetzt worden. Spatha (Nr. 8), Spathagurt (Nr. 5 und 6) sowie das wohl in der Spathascheide steckende Messer (Nr. 7) sind an der Nordseite des Sarkophages deponiert worden. Als Bestandteile einer Trankausstattung D. HAUPT in: Archeologie en Historie. Festschrift für H. Brunsting(1973)315ff.
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Abb. 11-14
waren südlich des rechten Oberschenkels ein Glaskännchen (Nr. 3) und ein Glasbecher (Nr. 2) beigegeben worden. In der nordwestlichen Ecke des Sarkophages fand sich - umgedreht auf dem Bügel liegend - eine Zwiebelknopffibel (Nr. 1; Kat. Nr. 74), die auf der Abschlußplatte des Nadelkastens mit einem Christogramm verziert ist. Unter den spätrömischen Körpergräbern sind diejenigen mit Waffenbeigabe schon früh in den Mittelpunkt der Forschung gerückt und bis in jüngste Zeit immer wieder diskutiert worden2. Nach neueren Untersuchungen, die auf einer Analyse der Waffenkombinationen aufbauen, soll es sich bei den mit Waffen bestatteten Kriegern um Ostgermanen handeln, die zum Teil als Söldner im spätantiken Heer gedient hatten3. Grundlage dazu bildete die Erkenntnis, daß sich im europäischen Raum außerhalb des Römischen Reiches drei durch unterschiedliche Waffenkombinationen gekennzeichnete Gebiete abzeichnen, die ihren jeweiligen .Bewaffnungskodex' zum Teil bis in die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts beibehielten4. Jedoch sind Bestattungen, bei denen den Toten wie im Bonner Grabfund nur die Spatha beigegeben war, in der Regel nur bei reiternomadischen Stämmen der ungarischen Tiefebene und Südrußlands anzutreffen. Es könnte sich also bei dem Verstorbenen um einen Angehörigen des römischen Heeres mit reiternomadischer Herkunft handeln5, zumal histo2
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M. SCHULZE-DÖRRLAMM, Germanische Kriegergräber mit Schwertbeigabe in Mitteleuropa aus dem späten 3. Jh. und der ersten Hälfte des 4. Jh. n.Chr. Jahrb. RGZM32,1985, 509 ff. mit Darstellung der Forschung 509 f. und 549 ff. SCHULZE-DÖRRLAMM a. a. O. 561; vgl. schon K. SCHUMACHER, Siedlungs- und Kulturgeschichte der Rheinlande 3. Die merowingische und karolingische Zeit (1925) 28. SCHULZE-DÖRRLAMM a. a. O. Abb. 34, 39 und 40. SCHULZE-DÖRRLAMM (a. a. O. 552f.) spricht sich beim Spathagrab von Alzey (511 Nr. 2) gegen eine reiternomadische Komponente bei der Herausbildung der Waffenbeigabensitte aus, obwohl die „Tatsache, daß im römischen Heer ,Barbaren' unterschiedlichster Herkunft ... dienten" (a. a. O. 510), betont und durchaus in Betracht gezogen wird, „daß nicht nur Germanen, sondern auch
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Grabpflege und Totenkult
11 Grab aus Bonn (Jakobstraße). Sarkophag
12 Grab aus Bonn (Jakobstraße). Lage der Beigaben im Sarkophag
Sarkophaggrab aus Bonn
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13 Grab aus Bonn (Jakobstraße). Beigaben
rische Quellen sehr enge Kontakte etwa zu den Sarmaten des mittleren Donauraumes belegen6. Im Bonner Grabfund unterstützen auch andere Bestandteile des Inventars eine derartige Deutung. Bei der mit Christogramm verzierten Zwie-
andere ,Barbaren' auf römischem Reichsboden mit ihren Waffen begraben wurden und ihren Anteil an der Ausbildung der Waffenbeigabensitte im Westen beigetragen haben könnten" (a. a. O. 552). Vielleicht wird man bei verbesserter Quellenlage Beobachtungen zur Lage der Spatha in Körpergräbern mit einbeziehen können. Bei einer Durchsicht der Fundlisten 3 und 5 (a. a. O. 563 ff.) fällt auf, daß in denjenigen Gräbern Südosteuropas, die nur eine Spatha enthielten und deren Lagebefund bekannt ist, diese - wie in Bonn - mehrheitlich auf der linken Seite deponiert wurde. Die wenigen bekannten Lagebefunde in Gräbern mit mehreren Waffen - Nordeuropa ausgenommen - zeigen im Gegensatz dazu die Spatha auf der rechten Seite. Zur Diskussion des archäologischen Nachweises sarmatischer Gräber in den Westprovinzen vgl. R. PIRLING, Ein sarmatischer Spiegel aus Krefeld-Gellep. Germania 66, 1988, 455ff. SCHULZE-DÖRRLAMM a. a. O. 552 mit Anm. 124; von historischer Seite etwa U. B. DITTRICH, Die Beziehungen Roms zu den Sarmaten und Quaden im 4. Jahrhundert n. Chr. (1984).
belknopffibel konnte die Herkunft aus einer donauländischen Werkstatt wahrscheinlich gemacht werden (Kat. Nr. 74). In dieselbe Region weisen auch die Bestandteile von Spatha- und Leibgurt. Während in Gallien Tierkopf- und Kerbschnittschnallen typisch sind7, gehören die schlichten Silberschnallen und die Riemenzunge zu Gürtelformen, die in den Donauprovinzen beheimatet sind8. Im Gegensatz dazu stammen das Messer und die beiden Glasgefäße aus Werkstätten der gallischgermanischen Provinzen. Der Glasbecher wird der sog. ,Igelkopf'-Werkstatt zugeschrieben, für die halbkugelförmige und konische Becher mit einer bestimmten Schlifftechnik, nämlich parallelen Schliff-Furchen, charakteristisch sind
H. W. BÖHME, Germanische Grabfunde des 4. bis 5. Jahrhunderts zwischen unterer Elbe und Loire (1974) 53 ff. E. KELLER, Die spätrömischen Grabfunde in Südbayern (1971) 56ff.; M. SOMMER, Die Gürtel und Gürtelbeschläge des 4. und 5. Jahrhunderts im römischen Reich (1984) 101 ff. spricht von einem gallischen und einem illyrischen Werkstattkreis.
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Grabpflege und Totenkult
14 Grab aus Bonn (Jakobstraße). Glaskanne (Nr. 3) und Glasbecher mit Schliffverzierung (Nr. 2)
Sarkophaggrab aus Bonn
(vgl. Kat. Nr. 119)9. Die Darstellungen haben sowohl paganen wie christlichen Inhalt. Der Bonner Becher besitzt mit seinen vier kurzgewandeten Figuren, die durch Säulen voneinander getrennt sind und die in der rechten Hand Pflanzenbündel tragen, keinen spezifisch christlichen Charakter. In der Forschung umstritten bleibt die Deutung des außen auf den Becherboden eingeschliffenen achtstrahligen Sterns; eine der Hasten mit angesetztem kleinem Halbkreis ist als ,Rho' eines Christogramms gedeutet worden (Abb. 14)10. Die Kostbarkeit dieser Gläser wird durch den Fund eines derartigen Bechers in dem .Fürstengrab' 1782 von KrefeldGellep aus der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts zusätzlich dokumentiert11. Ebenfalls aus einer rheinischen oder gallischen Werkstatt stammt die kleine Einhenkelkanne12, die zusammen mit dem Becher ein Trankservice bildet, sowie das Messer mit eingelegten Tauschiermustern auf der Klinge und lederbezogenem Holzgriff13. Die Bestattung in einem Sarkophag zeigt, daß der Verstorbene trotz nichtrömischer Herkunft eng mit der römischen Tradition verbunden war. So erfolgte die Grablegung in dem von der einheimisch-römischen Bevölkerung benutzten Gräberfeld südlich des Legionslagers14, und nicht auf einem westlich des Lagers gelegenen Bestattungsplatz, auf dem eine germanische Milizbe-
Satzung des 4. Jahrhunderts samt Familien bestattet worden war15. Die Zwiebelknopffibel und die Bestandteile von Leib- und Schwertgurt gehören zur Ausrüstung des spätrömischen Militärs, die der Verstorbene wohl schon in einer Provinz des mittleren Donauraumes verliehen bekommen hatte. Aufgrund des kostbaren Inventars, insbesondere der vergoldeten Zwiebelknopffibel16 und der Gürtelbestandteile aus Silber17, handelt es sich um einen Angehörigen einer Oberschicht18. Die Frage, ob dieser Offizier im Zuge einer der vielen Truppenverschiebungen des 4. Jahrhunderts an den Rhein gekommen war oder im Anschluß an seine militärische Karriere aus uns unbekannten Gründen seinen Aufenthaltsort wechselte, kann jedoch nicht beantwortet werden. Ebenso unsicher bleibt die Beantwortung der Frage nach den Jenseitsvorstellungen des Verstorbenen19. Die Zwiebelknopffibel mit Christogramm kann den christlichen Glauben nicht belegen; wie bei Münzen mit Christogramm stellt sich hier der spätantik-christliche Staat dar, in den der in Bonn Verstorbene aufgrund seiner
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Letzte Zusammenfassung der Glasfunde dieser Werkstatt bei FoLLMANN-ScHuiz, Gläser aus Bonn 5 ff. mit Fundliste. HAUPxa.a.O. (Anm. l)320f.; FOLLMANN-SCHULZ, Gläser aus Bonn 6; 104 Nr. 385. FOLLMANN-SCHULZ, Gläser aus Bonn 6 Nr. 9; R. PIRLING, Das römisch-fränkische Gräberfeld von Krefeld-Gellep 1960-1963. Germ. Denkmäler Völkerwanderungszeit, Ser. B, 8 (1974) 174ff. Taf. 49,1. FOLLMANN-SCHULZ, Gläser aus Bonn 68 (Kat. Nr. 222) mit Ergänzung der bei HAUPT a. a. O. (Anm. 1) genannten Parallelen. Zur Verbreitung und Datierung siehe: BÖHME a. a. O. (Anm. 7) 128ff. mit Abb. 49. K. BÖHNER, Bonn im frühen Mittelalter. Bonner Jahrb. 178, 1978, 395.
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M. GECHTER, Ausgrabungen in Bonn in den Jahren 1983/ 84, in: Ausgrabungen im Rheinland '83/84 (1985) 121 ff. bes. 124 f. Zur sozialen Komponente der aus Edelmetall gefertigten Fibeln siehe: KELLER a. a. O. (Anm. 8) 44f. Derartige Schnallen und Riemenzungen sind überwiegend aus Bronze hergestellt worden; Silber stellt eine Ausnahme dar. Die Zugehörigkeit zu einer Oberschicht drückt sich nicht zuletzt auch in der finanziellen Möglichkeit aus, in dieser Spätphase römischer Präsenz im Rheinland einen Sandsteinsarkophag zu verwenden, dessen Material höchstwahrscheinlich aus den Vogesen stammt (HAUPT a. a. O. [Anm .1)316 Anm. 8); daß die unter dem Bonner Münster in Sarkophagen bestatteten Personen einer sozialen Oberschicht angehörten, vermutete auch BÖHNER a. a. O. (Anm. 14) 395f. „So zeigt dieses Grab besonders krass die Schwierigkeiten, die einer Deutung entgegenstehen. Darf man den Toten als einen Christen ansehen?" (HAUPT a.a.O. [Anm. 1] 324). „Dagegen können Christen sehr wohl mit Waffen bestattet worden sein, wie das Grab eines germanischen Offiziers in römischen Diensten aus Bonn lehrt" (H. G. HÖRN in: DERS. [Hrsg.], Römer in Nordrhein-Westfalen 280).
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Grabpflege und Totenkult
Position mit eingebunden war. Die Deutung des achtstrahligen Sterns auf dem Boden des Glasbechers als Christogramm wird wohl weiterhin umstritten bleiben; ein stilisiertes Christogramm ist nicht auszuschließen, zumal mehrere Gläser dieser Werkstatt christliche Darstellungen tragen. GRABINVENTAR
4. Schnalle mit Beschlag (Leibgurt), Silber; 3,3 cm breit, 4,0 cm lang 5. Schnalle mit Beschlag (Schwertgurt), Silber; 3,1 cm breit, 4,5 cm lang 6. Riemenzunge, Silber; 5,3 cm lang 7. Messer, Klinge aus Eisen mit Silbertauschierung, Griff aus Holz mit Leder; noch 16,0 cm lang, Klinge 10,0 cm lang 8. Langschwert (Spatha), Eisen mit Resten der Holzscheide; noch 87,9 cm lang
Sarkophag mit Deckel aus Sandstein Trog: 2,21 x 0,88 m; 0,64 m hoch Deckel: 2,28 x 0,98 m; 0,33 m hoch 1. Zwiebelknopffibel, Bronze, vergoldet; 8,0 cm lang (Kat. Nr. 74) 2. Glasbecher mit Schliffverzierung; 5,65-5,9 cm hoch, Mündungsdurchmesser 9,9-10,02 cm 3. Glaskanne mit Henkel und Ausguß; 13,5 cm hoch, größter Dm. 10,9 cm
Literatur: D. HAUPT, Spätrömisches Grab mit Waffenbeigabe aus Bonn, in: Archeologie en Historie. Festschrift für H. Brunsting (1973) 315ff.; Gallien in der Spätantike. Ausstellungskatalog Mainz (1980) 147 f. Abb. 216a-g; M. SOMMER, Die Gürtel und Gürtelbeschläge des 4. und 5. Jahrhunderts im römischen Reich (1984) Taf. 27, 5-12; H. G. HÖRN in: DERS. (Hrsg.), Römer in Nordrhein-Westfalen, Abb. 241. E.P.
Sarkophaggrab aus Bonn / Holzkammergrab aus Morken
4 Holzkammergrab aus Morken Um 600 Morken, Erftkreis; Grab 2 Inv. Nr. 55, 435
In den Jahren 1955/56 wurden - veranlaßt durch den fortschreitenden Braunkohlentagebau - auf dem Kirchberg von Morken umfangreiche Grabungen durchgeführt. Nachdem ein hölzerner Kastenbrunnen mit fränkisch-karolingischer Keramik unterhalb des Kirchberges gefunden worden war1, ließen topographische Erwägungen erwarten, daß unter der im Kern romanischen Pfarrkirche von Morken mit dem frühen Martinspatrozinium fränkische Gräber anzutreffen seien. In der Regel schließen nämlich merowingische Gräberfelder oberhalb der Siedlungen an, die an Talrändern, hier am westlichen Rand der Erftniederung, angelegt wurden (Abb. 15 und 16)2. Die Ausgrabungen auf dem Kirchberg erbrachten dann auch eine Reihe von merowingerzeitlichen Bestattungen. Überregionale Bedeutung erhielt der Fundplatz durch die Entdeckung des Holzkammergrabes 2 (Abb. 17-18), einer Bestattung, die häufig mit dem Begriff Adels- bzw. Fürstengrab umschrieben wird. Für diese Bestattung wurde eine Holzkammer von 2,65 x l ,80 m lichter Weite konstruiert und dafür eine 2,90 x 2,20 m große und 2,75 m tiefe Grabgrube ausgehoben. Der Verstorbene selbst wurde in einem 2,05 x 0,65 m großen Holzsarg im nördlichen Teil der Grabkammer niedergelegt. Die anthropologische Untersuchung der erhaltenen Skelettteile ergab, daß es sich um einen ca. 30-50 Jahre alten und ca. 1,85 m großen Mann handelte, der am Schädel mehrere Spuren von verheilten Verletzungen aufwies. Neben dem Grabbau ist es vor allem die Beigabenausstattung, die dieses Grab aus den umliegenden Gräbern heraushob. Der Tote wurde mit umgelegtem Gürtel (Nr. 10) und Gürtel-
Abb.15-21 tasche (Nr. 11 a-e) in den Holzsarg gelegt. Dazu kamen als Nahkampfwaffen die Spatha (Nr. 9) auf der rechten Seite des Körpers und der Schild (Nr. 21), der aus Platzgründen an die Nordseite des Sarges gestellt wurde. An die Südseite der Grabkammer legte man Distanzwaffen, so eine Wurfaxt (Franziska, Nr. 1), einen Ango (Nr. 18), eine Lanze (Nr. 20) und einen Spieß (Nr. 15). Die Knebeltrense (Nr. 14) als Bestandteil des Pferdegeschirrs und der Tränkeimer (Nr. 16) kennzeichnen den Toten als Reiter. Prunkstück der Grabausstattung ist der bronzevergoldete Spangenhelm (Nr. 17; Kat. Nr. 113), eine mediterrane Arbeit, die im fränkischen Kulturbereich neben der Schutzfunktion (Hiebspuren!) auch - und vor allem - ein Statussymbol darstellte. Des weiteren gehören neben Gerätschaften (Kamm, Schere, Wetzstein; Nr. 3, 4, 13) ein mit Vogelfedern gefülltes Kissen, ein kleiner Beutel aus Kalbsleder sowie Stoffe aus Leinen, Wolle und Seide - wahrscheinlich von Bekleidungsstücken - zu den reichen Beigaben3. Eine Speiseund Trankausstattung sollte den Verstorbenen auf dem Weg ins Totenreich verköstigen. Im Südostteil der Grabkammer lag Fleisch von Rind, Schwein und Huhn (Nr. 19), im Südwestteil eine Bronzeschale, ein Tontopf sowie ein Glasbecher (Nr. 6, 5, 2)4. Eine Münze des oströmischen Kaisers Tiberius II. Constantinus im Mund des Toten (Nr. 8), der sog. Charonspfennig, sollte die Überfahrt in das Reich der Toten gewährleisten. Neben einheimisch-fränkischen Arbeiten wie etwa der Gürtelgarnitur, der Franziska oder dem Glasbecher verweisen Ausführung und Zierweise des Schildbuckels auf eine skandinavische Werkstatt. Aus dem mediterranen Bereich stammen der Helm (Kat. Nr. 113), die Goldmünze und die Seidenstoffe. Der Grabbau und die 3
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A. HERRNBRODT, Bonner Jahrb. 151, 1951, 215f. BÖHNER, Trierer Land 326 ff.
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K. SCHLABOW in: H. HINZ, Die Ausgrabungen auf dem Kirchberg in Morken, Kr. Bergheim (Erft). Rheinische Ausgr.7(1969)217ff. Die Fundlage eines zweiten Glasbechers ist nicht mehr zu ermitteln.
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Grabpflege und Totenkult
l5 Marken (Maßstab 1:10 000)
reichhaltigen und kostbaren Beigaben unterschiedlicher Herkunft dokumentieren nachdrücklich den persönlichen Reichtum und die gehobene soziale Stellung des in den Jahrzehnten um 600 n. Chr. Verstorbenen. Die Bestattungen unter der Martinskirche waren in den Ruinen einer bis in die Spätantike genutzten römischen Villa vorgenommen worden5, wie es auch bei anderen fränkischen Gräberfeldern zu beobachten ist6. Die Hoffnung der Ausgräber, ein größeres Reihengräberfeld freizulegen, erfüllte sich jedoch nicht. Durch ihre Beigaben konnten acht Gräber als merowingerzeitlich erkannt werden7. Da der Friedhof bis in die Neu5 6 7
HiNza.a.O. 21 ff. BÖHNER, Trierer Land 259. Gräber 1-4, 6, 8, 10, 12; HINZ a. a. O. 63ff. Taf. 13. Im Vorbericht von A. HERRNBRODT, Bonner Jahrb. 157, 1957, 466ff., bes. 449 mit Beilage l war von nur sechs ungestörten fränkischen Bestattungen die Rede.
zeit hinein belegt wurde, also im gleichen Areal immer wieder neue Bestattungen vorgenommen wurden, läßt sich die tatsächliche Anzahl fränkischer Gräber nur schwer ermitteln8. Spätestens seit der 1983 erfolgten Entdeckung und Ausgrabung eines großen Reihengräberfeldes 400 m westlich des Kirchberges9 (Abb. 15) ist der Bestattungsplatz unter der Kirche von Morken als Separatfriedhof anzusprechen, wie sie im Merowingerreich häufig sind10. 8 9
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So war Grab 3 offenbar dreimal belegt worden (HINZ a.a.O. 64 mit Taf. 24). J. GÖBEL in: Ausgr. im Rheinland '83/84 (1985) 174ff.; DIES, in: Archäologie in Nordrhein-Westfalen. Ausstellungskatalog Köln (1990) 279 ff. Im süddeutschen Raum etwa Kirchheim am Ries (CHR. NEUFFER-MÜLLER, Der alamannische Adelsbestattungsplatz und die Reihengräberfriedhöfe von Kirchheim am Ries [Ostalbkreis]. Forsch, u. Ber. Vor- u. Frühgesch. Baden-Württemberg 15 [1983]) oder Hüfingen (G. FIN-
Holzkammergrab aus Morken
16 Morken. Kirchberg mit fränkischen (1-12) und vorromanischen (a-w) Gräbern und der Saalkirche
Von den datierbaren Gräbern unter der Kirche von Morken ist das Holzkammergrab das älteste. Die Fundsituation der Gräber unter einer Kirche ließ die Frage aufkommen, ob in dem verstorbenen Adeligen ein zum Christentum bekehrter GERLIN, Hüfingen, ein zentraler Ort der Baar im frühen Mittelalter, in: Der Keltenfürst von Hochdorf. Methoden und Ergebnisse der Landesarchäologie. Ausstellungskatalog Stuttgart [1985] 410ff. mit Karte auf S. 410)- zur Verbreuung von Kirchengräbern und Separatfriedhöfen im 6. und 7. Jh. vgl.: Jahrb. RGZM 32, 1985, 710 Abb 22
Franke zu sehen ist, der sich in einer schon bestehenden Holzkirche bestatten ließ. Die gleiche Orientierung von fränkischen Gräbern und ältester Steinkirche schien diese Interpretation zu unterstützen (Abb. 16)". Die Grabung erbrachte trotz intensiver Suche keine Spuren einer Holzkirche12, so daß als ältester gesicherter Bau die Saalkirche des 10./11. Jahrhunderts gelten muß. 11 12
K. BÖHNER in: Neue Ausgrabungen in Deutschland (1958) 460f.; STEIN, Adelsgräber 170f. HINZ a.a.O. 113ff.
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Grabpflege und Totenkult
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Literatur: CIL XIII 7646; PAULY, Trier 27 Abb. 33.
W. S.
22 Fragment einer Grabinschrift
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Abb. 51
Gondorf, Gem. Kobern-Gondorf, Kr. MayenKoblenz; wie Kat. Nr. 16; verschollen Kalkstein 12,5 cm hoch, 12,7 cm breit, 4,3 cm dick Das Fragment ist quer zur Schrift aus der Inschriftplatte herausgeschlagen und möglicherweise als rechteckiger flacher Stein wiederverwendet worden. Inv. Nr. 35,19 Inschrift: ]..[,_ ]GENER[
Die sehr sorgfältig ausgearbeiteten Buchstaben stehen zwischen zwei vorgeritzten Linien. G besteht aus einem Halbkreis und einem gegengesetzten, unten breiter werdenden Viertelkreis; N hat geschwungenen Querstrich, R geschwungen auslaufenden Bogen. Ligatur NE. GENER könnte der Anfang eines Namens (etwa Generosus/-a) oder von genus abgeleitet sein50. W. S. 49 50
Vgl. dazu PAULY, Trier 10 Abb. 8. Vgl. RICO I 29A; 135 aus Trier.
Fragment einer Grabinschrift aus Gondorf
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Grabstein des Desideratus
Abb. 52
5. Jahrhundert Kobern, Gem. Kobern-Gondorf, Kr. MayenKoblenz; 1882/83 bei privaten Grabungen im Gräberfeld nahe dem Koberner Bahnhof gefunden. 1884 vom Provinzialmuseum Bonn erworben. Marmor 37 cm hoch, 75 cm breit, 4 cm dick Oben, rechts und unten sind die zum Teil ungeraden Kanten bestoßen. Links fehlen die obere und untere Ecke. Links oben und rechts in der Mitte Beschädigungen der Oberfläche. Inv. Nr. 3100 Inschrift: DVRA QVIDEM FRANGIT PARVORVM MORTE ' PARENTES CONDICIO RAPIDO PRVAECIPITATA GRADV SPES AETERNA TAMEM TREBVET SOLACIA LVCTVS AETATES TENERAS QVD PARADISUS ABET N[VM SEX SVPER ADIECTIS AD NONVM MENSEBVS A[N
CO'NDITVS HOC TVMOLO DESSIDERATE IACES
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Grabpflege und Totenkult
52 Grabstein des Desideratus aus Kobern
Dura quidem frangit parvorum morte parentes V condicio rapido praecipitata gradu, V spes aeterna tarnen trebuet solacia luctus, V aetates teneras qu(o)d paradisus abet. \5 Sex super adiectis ad nonum mensebus a[n] \4nfumJ\6 conditus hoc tumolo Dessiderate iaces. Mit dem bitteren Tod der Kleinen trifft die Eltern zwar das schnellen Schrittes jäh hereinbrechende Schicksal. Ewige Hoffnung jedoch spendet Trost in der Trauer; ewige Jugend verheißt uns ja das Paradies. Sechs Monate fügten sich nur zu den neun Jahren hinzu. Geborgen im Grab, Dessideratus, liegst du hier. Die Zeilen stehen zwischen leicht vorgerissenen Linien und sind unterschiedlich lang, das letzte Wort von Zeile 5 wurde wegen Platzmangels in der 4. Zeile fortgesetzt. Die Buchstaben sind schlicht und gerade. Auffällig sind die unterschiedlichen Schreibweisen von A und M. Charakteristisch ist auch die Form des F, des G und des V, dessen Hasten früh zusammengeführt sind (vgl. Kat. Nr. 18). Ligatur VM (Zeile 5).
Die metrische Inschrift ist in Distichen abgefaßt. In trebuet und mensebus ist aus dem kurzen i ein langes e geworden (vgl. Kat. Nr. 16). Zum Ausfall des anlautenden H bei habeo siehe Kat. Nr. 15. H. Lehner führt das doppelte s in Dessideratus auf das Metrum zurück. Fehler unterliefen dem Steinmetzen bei praecipitata - auch das r wurde später eingefügt -, bei tamem/n und bei qu(o)d. Die Wendung conditus hoc tumolo hat Parallelen in Mainz, Andernach, Plaidt und Derichsweiler51. Der Name Desideratus ist mehrfach auf paganen Inschriften Galliens nachgewiesen; häufiger findet sich der verwandte Name Desiderius (Kat. Nr. 24). Desideratus und Desiderius bedeuten ,Ersehnter'. Vielleicht wurden so die nach vorher unerfülltem Kinderwunsch geborenen Söhne genannt. Um so schmerzlicher wird der frühe Tod empfunden worden sein. 51
BOPPERT, Mittelrheingebiet 36f.; EGGER, Grabsteine Nr. 12: confdita in hunc tumujlum; ILCV 3041: condetur tomolo; Kat. Nr. 41.
Grabinschriften aus Kobern-Gondorf
Unter der Inschrift stehen rechts und links von einem Christogramm im Kranz zwei Vögel mit schmalem, aufrechtem Hals und kleinem Kopf. Überproportional groß ist der Körper, über dem ein Federkleid und mit einem einfachen Strich ein Flügel angegeben sind; die Schwanzfedern sind schraffiert und breit gefächert. Die Physiognomie entspricht recht genau der der Vögel auf dem Mauriciusstein (Kat. Nr. 18). Nach Schrift, Verstechnik und den christlichen Symbolen wird der Grabstein von J. Klein und F. X. Kraus an das Ende des 4. oder an den Anfang des 5. Jahrhunderts datiert; aufgrund der Buchstabenformen und der Ausführung der Vögel, die dem Mauriciusstein aus dem nahen Gondorf entsprechen, ist eine Datierung in das 5. Jahrhundert vorzuziehen52. In den ersten beiden Zeilen greift das Grabepigramm auf das in griechischer und römischer Zeit verbreitete Motiv des vorzeitigen Todes (mors immatura, fors dura) zurück53. Dem göttlichen Neid auf menschliches Glück wird die Schuld am allzu frühen Tod angelastet, und die Seelen der Kinder beklagen mit lautem Weh ihr Schicksal, flattern umher, bis sie zu der ihnen bestimmten Zeit im Elysium aufgenommen werden. Doch schon in den Mysterienkulten tritt der Tod als soziale Kategorie, der Kindern, Sklaven und anderen Kreisen zunächst ein Jenseits verwehrte und an ein Fortbestehen der sozialen Verhältnisse glauben ließ, hinter dem Tod als religiöser Kategorie zurück. Unterschieden wird nicht zwischen Freien und Sklaven, Kindern und Erwachsenen, sondern zwischen dem Gläubigen und dem Außenstehenden54. Das Grabepigramm des Desideratus veranschaulicht sehr deutlich eine der römisch-paganen Welt grundverschiedene Jenseits Vorstellung. Dem Schmerz über den frühen Tod setzt das Christentum die 52 53 54
So auch ILCV 3450(5.76. Jh.). Dies noch deutlicher in Kat. Nr. 32 (hier weitere Lit.). F. BÖMER, Untersuchungen über die Religion der Sklaven in Griechenland und Rom 4 (1963) 138-155; 171-199; B. GLADIOOW, Naturae deus humanae mortalis. Zur sozialen Konstruktion des Todes in römischer Zeit, in: G. STEPHENSON (Hrsg.), Leben und Tod in den Religionen (1980) 119-133.
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Hoffnung auf das Paradies entgegen, das gerade den Kindern als unschuldigen Menschen offensteht 55 . Literatur: J. KLEIN, Fränkische Gräber von Gondorf an der Mosel. Bonner Jahrb. 93, 1892, 205-216; KRAUS, Inschriften II Nachtrag zu I Nr. 308; F. BüCHELER, Carmina Latina epigraphica (1895-97) 1409; CILXIII7642; RIESE, Inschriften4287; LEHNER, Führer 221; DERS., Steindenkmäler 988; DERS., Skulpturen II Taf. 34,7; ILCV 3450; NEUSS, Christentum 56f. Abb. 40; Auswahlkatalog 1963, 113 Nr. 65 Abb. S. 62; PAULY, Trier 25 Abb. 28. W. S.
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Grabstein des Desiderius
Abb. 53
Spätes 5.-6. Jahrhundert Kobern, Gem. Kobern-Gondorf, Kr. MayenKoblenz; 1880 beim Fundamentaushub in der Nähe des Bahnhofs gefunden Jurakalkstein 27,5 cm hoch, 33 cm breit, 8 cm dick Der obere Teil des Grabsteins fehlt, die Bruchkante ist unregelmäßig. Kleinere Beschädigungen auf der Oberfläche. Inv. Nr. 1518 Inschrift: äußerer Kreis: ]ICET innerer Kreis: VIJXSIT AVTEM DESIDERIVS AN[
Vijxsit autem Desiderius anfn(os) .. Es lebte Desiderius .. Jahre. Der Stein verjüngt sich nach oben. Die rechte, untere und linke Schmalseite sind geglättet. Um einen tief eingebohrten Mittelpunkt sind drei 55
Vgl. die Bezeichnungen innocens auf Grabsteinen von Kindern (etwa W. BINSFELD, Germania 45,1967,107; GALSTERER, Steininschriften 489f.; 495; 501 f.; RICO I 241 aus Pachten; BOPPERT, Mittelrheingebiet 125-128 aus Boppard; DIES, in: Sint-Servatius 75-87 Nr. 3-5 aus Maastricht; zur Verbreitung ebd. 93).
90
Grabpflege und Totenkult
sechsspeichigen Rads, an das mit deutlich schwächerer Ritzung der Bogen des Rho und ein Alpha und Omega angefügt sind. In den vier Ecken befindet sich je ein Blatt58. IfillP
Literatur: E. AUS'M WEERTH, Fränkischer Kirchhof in Cobern a. d. Mosel. Bonner Jahrb. 69, 1880, 59-61 Taf. 7,6; KRAUS, Inschriften I 263; LEBLANT, Inscriptions 424; CIL XIII 7639; RIESE, Inschriften 4288; LEHNER, Steindenkmäler 984; DERS., Skulpturen II Taf. 34,6; PAULY, Trier 27 Abb. 36; J. JANSSENS, De vroegkristelijke Grafschriften uit Rijn- en Moezelland 2 (Proefschrift Leuven 1969) 4f.; Kobern-Gondorf. Von der Vergangenheit zur Gegenwart (1980) 56 Abb. 24; N. GAUTHIER, L'evangelisation des pays de la Moselle (1980) 239f. Taf. 9,2. M. D./W. S.
53 Grabstein des Desiderius aus Kobern
25
Grabstein des Faustic- -
Abb. 54
konzentrische Kreise (Dm. 13,5, 22,5 und 26,4 cm) gezogen. Der innere Kreis ist in acht Segmente geteilt; die vertikale Speiche zeigt oben den Bogen eines Rho. Es handelt sich also um ein stilisiertes Christogramm, bei dem Alpha und Omega durch einen horizontalen Strich ersetzt sind oder das Monogramm Christi mit einem Kreuz verschmolzen ist (vgl. Kat. Nr. 19). Bei der Inschrift im folgenden Kreis war annos offenbar abgekürzt, denn nur so bliebe noch Platz für ein oder zwei Zeichen zur Altersangabe. Vixsit für vixit findet sich im ganzen lateinischen Westen belegt. In Verbindung mit autem begegnet es einmal in Trier, mit quoque einmal in Leutesdorf (Kat. Nr. 32)56. Der Name Desiderius ist in paganen und christlichen Inschriften mehrfach belegt57. Der Inschriftrest im äußeren Kreis ist nicht gedeutet. Links unten befindet sich eine Ritzung (Blatt?). Eine umlaufende Inschrift ist für Trier belegt (RICO I 143), größere Ähnlichkeit hat eine Grabinschrift aus Clion in Aquitanien mit zentralem Christogramm in Form eines
Ego Fausticf- - -J \ vivo titulfum - - -J\ annorum [- - -] \dimisi nfatos - - -J \Alefius [- - -]\ Ruf[- - -
56
58
57
RICO I 219 (8. Jh.); vgl. ILCV 4497; 4997. GALSTERER, Steininschriften 325; 491 (Christ?); Index ILCV.
4./Anfang 5. Jahrhundert Kobern, Gem. Kobern-Gondorf, Kr. MayenKoblenz; wie Kat. Nr. 23 Marmor 29,5 cm hoch, 26 cm breit, 4,5 cm dick Die obere, linke und untere Kante des Grabsteins sind erhalten. Die Oberfläche ist im Bereich der Bruchkante beschädigt und verwittert. Inv. Nr. 3095 Inschrift: EGO FAVSTIC[- - VIVO TITVL[VM - - ANNORVM'I DIMISI N[ÄTOS - - ALEFIVS [ RVF['--
LEBLANT, Inscriptions 223 (Ende 5./Anfang 6. Jh.); vgl. von der Form auch die Silberscheibe auf dem Sarg des heiligen Paulinus in Trier (KRAUS, Inschriften I 190,4; LEBLANT, Inscriptions 39-40).
Grabinschriften aus Kobern-Gondorf
54 Grabstein des Faustic- aus Kobern
Ich, Faustic-, (habe mir) zu Lebzeiten den Grabstein (errichtet), an Jahren .. Ich habe die Kinder Alefius . . . Ruf- zurückgelassen. Die Inschrift gehört zu einem der vom Provinzialmuseum Bonn erworbenen Gräber, die ein Händler nahe dem Koberner Bahnhof geöffnet hatte. Das Grab bestand teils aus Sandsteinplatten, teils aus römischen Leistenziegeln. Nach den Beigaben handelte es sich um ein Frauengrab (Kat. Nr. 82, 95 und 104). Münzen der Kaiser Justinian und Phokas datieren die Bestattung auf eine Zeit nach 602. Da die Inschrift sicher früher zu datieren ist und zu einem Männergrab gehörte, war der Stein hier in Zweitverwendung gebraucht. An den Kanten ist ein Band von wenigen Zentimetern freigelassen. Möglicherweise war der Stein hier abgedeckt. Die Buchstaben sind sorgfältig und in gerader Linie, in den unteren Zeilen enger gesetzt. Markant sind das E mit breiten Serifen, das F mit Haste schräg nach oben, das L mit Haste schräg nach unten, das G mit Cauda
91
in Form eines spiegelverkehrten S, das M mit kurzen Horizontalstrichen und das T mit geschwungener Haste. Solche Merkmale finden sich auch auf Trierer Inschriften des 4. und beginnenden 5. Jahrhunderts 59 . Vulgarismen weist die Inschrift nicht auf. Nach Parallelen läßt sich die Inschrift teilweise ergänzen60. Der Beginn mit ego und dem Namen des Verstorbenen ist vor allem in Italien im 4. und 5. Jahrhundert belegt61. Offenbar war die Frau des Faustic- bereits verstorben, und Fausticließ die kleinen Kinder als Waisen zurück. Der Name könnte Fausticinus gelautet haben. Zwar ist Alefius inschriftlich sonst nicht bezeugt, aber die verwandte Form Alfius 62 . Ruf- ließe sich zu den häufig belegten lateinischen Namen Rufus/-a oder Rufinus/-a ergänzen. Titulus kommt auf paganen und christlichen Grabsteinen vor. Die Inschrift enthält also keinen Hinweis auf einen christlichen Glauben des Verstorbenen. Aufgrund der Paläographie, fehlender Vulgarismen, der einleitenden Formel und der Namen gehört die Inschrift in das 4. oder an den Anfang des 5. Jahrhunderts. Literatur: J. KLEIN, Fränkische Gräber von Gondorf a. d. Mosel. Bonner Jahrb. 93, 1892, 205-216; CIL XIII 7643; RIESE, Inschriften 3989; LEHNER, Steindenkmäler 986. W. S.
59 60 61 62
Etwa RICO 146; 70; 71. Siehe die Nr. im Index XII von ILCV s.v. ego und dimitto. Besonders ILCV 3632; 3754B; hier keine Parallelen aus den Nordwestprovinzen. MÖCSY, Nomenclator; vgl. CIL XIII 7825.
92
Grabpflege und Totenkult
Inschrift: CISAB VICIRA MARI ÖPIN OCS
Die Inschrift gehört ebenfalls zu einem der vom Bonner Museum erworbenen Gräber, die ein Händler nahe dem Koberner Bahnhof aufgedeckt hatte. Das Grab bestand aus Dachziegelplatten und war offenbar von dem Inschriftstein und einer grünlichen Marmorplatte abgedeckt. Die reichen Grabbeigaben (Kat. Nr. 83, 94) sind aber eindeutig jünger als die Inschrift, die also hier in zweiter Verwendung gebraucht worden war. Die Bedeutung der Inschrift ist unklar. Die Buchstaben sind sehr sorgfältig zwischen vorgerissene Linien gesetzt. Auffällig ist das kunstvolle R. Die Inschrift gibt keinen Hinweis darauf, daß es sich um einen christlichen Grabstein handelt. Literatur: J. KLEIN, Bonner Jahrb. 93,1892, 209; CIL XIII 7648; LEHNER, Steindenkmäler 987. W. S.
55 Fragment einer Grabinschrift (?) aus Kobern
26 Fragment einer Grabinschrift (?)
Abb. 55
Kobern, Gem. Kobern-Gondorf, Kr. MayenKoblenz; wie Kat. Nr. 23 Kalkstein 24,5 cm hoch, 12,5 cm breit, 9 cm dick Obere Kante erhalten; an den drei anderen Seiten unregelmäßig gebrochen; auf der Rückseite zwei Dübellöcher. Inv. Nr. 3081
Grabinschriften aus Kobern-Gondorf/Grabinschrift aus Kärlich
93
27 Grabinschrift aus Kärlich Abb. 56 7./8. Jahrhundert angeblich Kärlich, Gem. Mülheim-Kärlich, Kr. Mayen-Koblen/; 1920 als Geschenk aus der Sammlung des Baron von Geyr-Schweppenburg erhalten. Brohler Tuffstein 26,5 cm hoch, 21,5 cm breit, 10,5 cm dick Obere Kante vollständig, rechte Kante zum Teil erhalten. Inv. Nr. 29996
Mitten im Ort Kärlich wurden in einem Hof gegenüber der Kirche Gräber mit Beigaben aus dem 4. Jahrhundert gefunden. Römische Siedlungen sind außerdem in der Gemeinde Weißenthurm (1.-5. Jahrhundert) und am Fuße des Bubenheimer Berges an der Straße von Mülheim nach Depot (1.-4. Jahrhundert) nachgewiesen. Im Raum Mülheim-Kärlich ließen sich mehrere fränkische Gräberfelder feststellen. Aus dem nordwestlich des Ortes und der Kirche von Kärlich liegenden großen merowingerzeitlichen Gräberfeld an der Heeresgasse, das seit 1864 bekannt ist und in den 80er Jahren von privaten Händlern ausgeräumt wurde, stammen zwei Grabinschriften1. Inschrift: H] IC REQVIIS LVHAOA DÖETRIC CVNüiN
OMIN'
56 Grabinschrift aus Kärlich
Nr. 13) und die deutlich kleiner geschriebene Schlußformel in pace (siehe Kat. Nr. 14) ungedeutet. Die Zeilen sind nicht eingehalten; requiiscit mit unzialem q und offenem R. Das T reicht nur bis zur halben Zeilenhöhe, das O ist kleiner als die übrigen Buchstaben. Literatur: PAULY, Trier 59 Abb. 61c; W. HENRICHS, 100 Jahre Pfarrei Maria Himmelfahrt Mülheim (1987) Abb. S. 13. W. S.
RVR
ipvs IN P]ÄCE
HJic requiis[\cit- - -]luhaoa[\- -]do et ric[\- -] cundin\ [- - -Jomin\f- - -] rur\l- - -]idus\f- - in pjace. Die rechte Schmalseite ist stufenförmig abgearbeitet, vielleicht handelt es sich um eine wiederverwandte Altarbasis. Die obere Schmalseite ist glatt, bildet also den oberen Abschluß des Steins. Der Text ist bis auf hjic requiisfcit (siehe Kat.
Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz 16,3: Landkreis Koblenz (1944) 148; W. HENRICHS, Mülheim-Kärlich (1981) 59-62; DERS., 100 Jahre Pfarrei Maria Himmelfahrt Mülheim (1987) 11-13; H. H. WEGENER in: Berichte zur Archäologie an Mittelrhein und Mosel 1. Trierer Zeitschr. Beih. 9 (1987) 238-242. - Von einem weiteren Fragment (Inv. Nr. 2749; CIL XIII 7669; LEHNER, Steindenkmäler 989) ist nur die Eingangsformel -quijescit in [pace- zu erkennen. Der Stein wurde 1883 wahrscheinlich mit fränkischen Grabbeigaben gefunden.
94
Grabpflege und Totenkult
28 Grabstein des Garoaldus Abb. 57 7. oder 8. Jahrhundert angeblich Nickenich, Kr. Mayen-Koblenz Kalkstein 22,5 cm hoch, 17,5 cm breit, 6,5 cm dick In der linken oberen Ecke fehlt ein größeres, in der rechten unteren Ecke ein kleineres Stück. Weitere Beschädigungen an der linken Seite. Inv. Nr. 29358
Nach Entdeckung einzelner fränkischer Gräber wurden 1912 anläßlich von Straßenarbeiten in Nickenich 18 Gräber eines Reihengräberfeldes freigelegt (an der Straße nach Andernach; Fluren .Prestrath' und ,Auf Wahlen')1. 1969 wurden weitere Gräber bei Baumaßnahmen zerstört, andere beigabenlose Gräber konnten untersucht werden. Alle sicher diesem Gräberfeld zuzuweisenden Funde gehören dem 7. Jahrhundert an. Auch der Grabstein des Garoaldus, der vom Bonner Museum 1918 erworben wurde, dürfte von hier stammen2.
57 Grabstein des Garoaldus aus Nickenich
Inschrift: HI]C REQV ]SCIT IN PA C]E GÄROALDS VIXIT IN SECO LO ANNS V DE POSICIO EIVS FICIT MINSIS DE CJEMBER DIES IIII
Hi]c requ\[ie]scit in pa\[c]e Garoald(u)s. \ Vixit in seco\lo ann(u)s V. De\posicio eius\ficit minsis De\[c]ember dies \ IIII. Hier ruht in Frieden Garoaldus. Er lebte in (dieser) Welt 5 Jahre. Seine Bestattung war am 4. Tag des Monats Dezember.
AMENT, Mayen 157; 249-259 (mit Lit.). Zur Einschätzung der Fundangabe AMENT, Mayen 257; von dem Gräberfeld stammen auch zwei Grabsteine ohne Inschrift (Kat. Nr. 53; AMENT, Mayen 254 Taf. 114,4).
Da die ersten beiden Zeilen nicht an der linken Kante begannen, wird der Block in der linken oberen Ecke bereits beschädigt oder für eine vorausgegangene Verwendung - vgl. auch die Bearbeitung der Rückseite - abgearbeitet gewesen sein. Die Zeilen sind nicht geradlinig und verlaufen schräg nach rechts unten. Die Buchstaben sind von unterschiedlicher Größe, besonders das kleine und hochgesetzte O weicht von den anderen ab. Viele Buchstaben haben breite Serifen. Die Hasten anderer Buchstaben sind durch Striche begrenzt. Das D ist als Dreieck, ähnlich einem griechischen Delta, gebildet, das G aus Halbkreis und Klammer. E und P haben verlängerte Haste, bei B und R beginnen die Bögen nicht an der Haste. Solche Merkmale finden sich auf den nahen Andernacher Grabsteinen3. Garoaldus und annos sind durch HoriEOGER, Grabsteine Nr. 1; 5-6; 9; 15; LEHNER, Andernach Nr. 1-2; 9; 12b; 15-16.
Grabstein des Garoaldus
zontalstriche abgekürzt. Über fic befindet sich ein weiterer, aber tieferer Querstrich (vielleicht von früherer oder späterer Verwendung). Vulgärformen treten bei secolo für saeculo, deposicio für depositio, ficit für fecit, minsis für mensis auf 4 . Zu Hic requiescit in pace siehe Kat. Nr. 13. Die enge Beziehung zu Andernach zeigt sich in den Formeln vixit in saeculo, depositio eius und in der Angabe des Begräbnistages mit facere, die im Rhein-Mosel-Gebiet immer zusammengeht mit einer fortlaufenden Tageszählung und die sich neben Plaidt, Andernach und Leutesdorf (Kat. Nr. 32; vgl. 34 aus Remagen) häufiger in Nordfrankreich und Aquitanien, hingegen nur einmal in Trier findet5. Auf die Tagesangabe folgt eher eine Verzierung oder Symbole als Buchstaben6.
Minsis auch auf einer Andernacher Inschrift (EGGER, Grabsteine Nr. 9). ILCV 1463 (643? n. Chr.); 2352; 2456; 2803; 2803A-C; 2845 A-B; 2919A adn.; 4423 mit adn. (6./7. Jh.); EGGER, Grabsteine Nr. 6; 9; 10; 16, vgl. LEHNER, Andernach Nr. 10; RICG I 147 (kaum älter als 2. Hälfte 7. Jh.).
95
Eingangsformel und vixit in saeculo belegen den christlichen Glauben des Garoaldus. Der germanische Name ist in der Form Geroaldus um 640 für einen Münzmeister aus Gondorf nachgewiesen7. Die Vokalverschiebungen, der Name und die Datierung des Begräbnistages deuten auf das 7. oder 8. Jahrhundert. In diese Zeit fallen auch inschriftliche Parallelen aus Gallien und aus Andernach.
Literatur: H. LEHNER, Bonner Jahrb. 126, 1921, Bericht S. 5; H. FINKE, Neue Inschriften. Ber. RGK 17, 1927, 250; EGGER, Grabsteine Nr. 22 Taf. 7.4; AMENT, Mayen 258 Taf. 113,4. W. S.
6 7
EGGER, Grabsteine Nr. 22 las IIIIX carufs sjuifs; danach AMENT, Mayen 258. Siehe S. 73. Vgl. FÖRSTEMANN, Namenbuch s. v. Garva (= kampfbereit) mit Garoildis, Garivald, Garioald, Garold.
96
Grabpflege und Totenkult
29-30 Grabinschriften aus Andernach (Antunnacum) Wie Boppard und Koblenz wurde Andernach nach den ersten schweren Einfallen der Franken und der Aufgabe des rechtsrheinischen Liniesgebietes (um 260) zum Grenzort1. Der prinzipatzeitliche Vicus wurde befestigt und unter Kaiser Julian durch starke Kastellmauern geschützt. Im Kastell lag eine Garnison, die als nördlichste Einheit noch dem dux Moguntiacensis (Mainz) unterstand. Bei den Einfallen der Vandalen, Alanen und Sueben (407) blieb Andernach zwar verschont, doch die Garnison wurde wie in Boppard und Koblenz abgezogen und ins Feldheer eingereiht. Nach dem Fall von Mainz scheint dieses Gebiet, der Nordzipfel der Germania Prima, Trier unterstellt worden zu sein, wie die spätere Bistumszugehörigkeit erweist. Eine lokale Verwaltung und eine zumindest fiktive römische Suprematie bestanden wohl noch bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts. Dann ging das Moselgebiet an die Franken über, die sich nach fränkisch-alamannischen Konflikten am Ende des 5. Jahrhunderts in diesem Raum behaupten konnten. Unter den austrasischen Merowingern scheint Andernach zu einem kleinen politischen Zentrum geworden zu sein. Innerhalb des Kastells lag eine fränkische Königspfalz mit einer Kapelle der hl. Genovefa (erwähnt bei Venantius Fortunatus, etwa 588). Bald jedoch gingen Teile des Königsbesitzes in kirchliche Hände über, vielleicht als Grundausstattung der um 650 gegründeten Abtei Malmedy. Angesichts der Kirchen auf den umliegenden Friedhöfen wird man innerhalb des Kastells - wahrscheinlich unter der Liebfrauenkirche - eine spätantik-frühfränkische Gemeindekirche voraussetzen müssen. Die an den Ausfallstraßen nach Süden und Osten in römischer Zeit genutzten Bestattungsplätze wurden auch in merowingischer Zeit weiter belegt. Als im 19. Jahrhundert Andernach über das mittelalterliche Siedlungsareal und damit über die Gräberfelder hinauswuchs, zogen hierbei zutagetretende Funde weitreichende Grabungen, meist von Privatleuten, nach sich. Die Beigaben wurden veräußert; der Zusammenhang der Grabinventare und wichtige Befunde dieser umfangreichen Gräberfelder gingen verloren. Im Süden der Stadt an der Straße nach Mayen liegt im ansteigenden Gelände beiderseits des Kirchbergweges ein ausgedehntes, mit römischen Brandgräbern einsetzendes Gräberfeld. Neben 141 spätrömischen Körperbestattungen wurden etwa 1000 frühmittelalterliche Gräber freigelegt. Die Beigaben, darunter auch typisch fränkische Trachtbestandteile und Waffen, gehören vor allem der älteren Merowingerzeit (zweite Hälfte 5. und 6. Jahrhundert) an. Das Patrozinium der 1295 erstmals genannten Kirche St. Gervasius und Protasius deutet auf eine spätrömische oder frühmittelalterliche Coemeterialkirche an diesem Ort. Die kontinuierliche Belegung spricht für ein friedliches Nebeneinander von Romanen und Franken. Ein zweiter Gräberbezirk liegt östlich des Kastells an der Straße nach Koblenz2. Vor dem Burgtor liegen hier römische (südlich) und merowingerzeitliche Gräber (nördlich der Straße) Zu Andernach in Spätantike und frühem Mittelalter: F.-J. HEYEN u. H. AMENT in: Spätantike 297-315; 347-356; M. HUISKES, Andernach im Mittelalter. Von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jh. Rheinisches Archiv 111 (1980) 65-97; H. AMENT, V. ZEDELIUS, B.C. OESTERWIND,
2
K. SCHÄFER u. W. BOPPERT in: Andernach im Frühmittelalter. AndernacherBeitr.3(1988)3ff.; 69ff.; 73ff.; 121ff. Möglicherweise handelt es sich um mehrere getrennte Grabfelder (HUISKES a.a.O. 79).
Grabinschriften aus Andernach
97
getrennt. Östlich davon in den Fluren ,Ziegelfeld' und ,Hospitalfeld' kamen ausschließlich merowingerzeitliche Bestattungen zutage3. Alle datierbaren Gräber gehören der Zeit um 600 an. Wegen der in dieser Zeit verbreiteten Sitte, Gräber mit Steinsarkophagen oder mit Steineinfriedungen auszustatten, haben sich auf dem .Hospitalfeld' etwa 40 Grabinschriften in zweiter Verwendung, aber auch in situ am Kopfende der steinumstellten Grabanlage, über dem Skelett, in oder auf einem Grab befunden4. Auf einer ist eine Peterskirche erwähnt, wohl die Friedhofskirche aus römischer oder merowingischer Zeit. Die Inschriften bilden eine sehr homogene Gruppe. Da frühere Inschriften fehlen, überhaupt für das 5. und die erste Hälfte des 6. Jahrhunderts eine Fundlücke festzustellen ist, kann eine kontinuierliche Nutzung dieses Gräberfeldes nicht nachgewiesen werden. Der Grabinschrift Kat. Nr. 30 kommt deswegen besondere Bedeutung zu: Vom (ergänzten) Formular und vom Schriftbild her unterscheidet sie sich deutlich von den anderen Inschriften aus Andernach, Nickenich und Leutesdorf. Als einzige Inschrift wurde sie auf dem Kirchberg gefunden5. Da sie wesentlich früher als die anderen Inschriften zu datieren ist, beweist sie eine romanische und christliche Tradition in Andernach vor der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts. Zwei weitere frühmittelalterliche Bestattungsplätze liegen am Martinsberg und im Bereich des ehemaligen Klosters St. Thomas. Ersterer gehörte zu einer ursprünglich königlichen Hof Siedlung mit einer Kapelle des hl. Martin (Funde des 6. und 7. Jahrhunderts), der zweite zu einer fränkischen Hofsiedlung mit Friedhof, Stephanskapelle und vielleicht einer christlichen Gemeinschaft: Innerhalb eines seit dem 3. Jahrhundert wüst liegenden Gutshofs wurden vor allem Frauengräber mit Funden bis ins 7. Jahrhundert gefunden. Weitere zu Höfen gehörende fränkische Grabstätten lagen an der Peripherie Andernachs6. Die Zahl von sechs Kirchen innerhalb und außerhalb des Kastells läßt die bedeutsame politische und religiöse Rolle Andernachs im 7. Jahrhundert am Mittelrhein deutlich hervortreten. W. S.
Seit karolingischer Zeit zog die Pfarrkirche im Kastell alle Bestattungen an sich. Zum Namensgut der Inschriften HUISKES a. a. O. 77 und BOPPERT a. a. O. 130f. Durch Münzen des ausgehenden 6./beginnenden 7. Jh. sind Münzmeister namens Charifridus, Radoaldus und Leovidulfus nachgewiesen: HUISKES a. a. O. 86; ZEDELIUS a. a. O. 69-72.
So der Katalog der reichhaltigen Antiken-Cabinete . . . E. AUS'M WEERTH (1895) 474 und LEHNER, Steindenkmäler 996; nach CIL auf dem Martinsberg gefunden. H. AMENT in: Andernach im Frühmittelalter. Andernacher Beitr. 3 (1988) 14 (hier sind Grabsteine mit und ohne Inschrift aus der Umgebung [Saffig, Plaidt, Miesenheim, Kretz] genannt).
98
Grabpflege und Totenkult
Inschrift: ESCENT PRESVE TER IN CVLMjT NE MERVIT SCO RVMESSE CON ..]RTESOFFICI - - -]CVR
- - -f^escent presve\ter. In culme\ne meruit s(an)c(t)o\rum esse. Cori\[so]rtes offia\f- - -] cur\[- - escent, Presbyter. In der Erhabenheit der Heiligen verdient er zu sein. Die Amtsbrüder haben (die Aufstellung des Grabsteins) besorgt.
l Mauer des spätrömischen Kastells. - 2 Liebfrauenkirche. - 3 Bereich der Pfalz (St. Genovefa). - 4 Mittelalterliche Stadtmauer und Burg. - 5 Gräberfeld am Kirchberg.-6 Römische Gräber am Martinsberg.-7 Merowingische Gräber am Martinsberg. - 8 Merowingische Gräber bei St. Stephan/St. Thomas. - 9 Jungmerowingische Gräber am Burgtor. - 10 Römische Brand- und Körpergräber auf dem Grundstück Herfeld. - 11 Jungmerowingische Gräber auf dem Ziegelfeld. - 12 Jungmerowingische Gräber auf dem Hospitalfeld 58 Andernach. Spätrömisches Kastell und Gräberfelder
29 Grabstein des Presbyters Crescentius (?) Abb. 59 7. Jahrhundert Andernach, Kr. Mayen-Koblenz; am Burgtor gefunden Kalkstein 21,5 cm hoch, 22 cm breit, 10 cm dick Der Stein ist oben gerade, unten schräg abgebrochen, die rechte und die linke Kante sind erhalten. Die jetzige obere Kante ist stark beschädigt. Die Rückseite ist stark ausgebrochen und hat ein rechteckiges Dübelloch. Inv. Nr. 2339
Der Grabstein wurde am Burgtor in Andernach als Einzelfund innerhalb des fränkischen Gräberfeldes gefunden7. Wie an der Bearbeitung der linken Schmalseite zu erkennen, hat der Stein in einer Erstverwendung als Architekturglied gedient. Die Zeilen fallen leicht nach unten ab. O ist in scürum als kleiner Kreis, sonst als Raute ausgeführt; E, F, P und R haben teilweise verlängerte Hasten. Das S ist langgestreckt. Ähnliche Buchstaben (vor allem das rautenförmige O) zeigen die Grabsteine des Daniulfus, Santa und Rainovaldus aus Andernach und Leutesdorf. Mehrfach sind Buchstaben in Ligatur verbunden; sanctorum ist abgekürzt (hier eckiges C). Vokalverschiebungen von i bzw. y zu e haben culmene und presveter8. Statt des kurzen i ein langes e zu sprechen, ist besonders in Andernach verbreitet, seltener in Trier und am Mittelrhein9. V statt b in presveter ist auch in Rom (um 520)
7
g
9
So Inventarbuch, CIL, LEHNER und C. KOENEN, Bonner Jahrb. 86, 1888, 230. Nach der Erstpublikation von KRAUS hingegen 1881 auf dem Martinsberg (Grundstück des J. M. Schumacher) gefunden. Hier liegt wohl ein Versehen von Kraus vor, denn Koenen nennt das Grundstück von J. M. Schumacher am nördlichen Abhang des Kirchbergs, östlich des Kirchwegs (ebd. 183). Vielleicht auch presviter zu lesen (H. HEMGESBERO, Rheinische Vierteljahrsbl. 47, 1983, 328 Anm. 24). EGGER, Grabsteine Nr. 3; 4; 6; 10; 11; 16; LEHNER, Andernach Nr. 1; 6; 9; 10; 14; 23; Trier: RICO I S. 63 § 53; Mittelrhein: BOPPERT, Mittelrheingebiet 36; Kat. Nr. 16; 18; 23; 38; 39.
Grabinschriften aus Andernach
99
die besonderen Verdienste des Presbyters Crescentius bestanden, teilt uns die Inschrift nicht mit (Missionierung im Rechtsrheinischen?). Nach der Paläographie, die der anderer Andernacher Inschriften entspricht, wird der Stein in das 7. Jahrhundert zu datieren sein. Literatur: KRAUS, Inschriften I 275; LEBLANT, Inscriptions 423; CIL XIII7689; LEHNER, Führer I 220; DERS., Steindenkmäler 991; DERS., Skulpturen II Taf. 35,1; ILCV 2177; PAULY, Trier 16 Abb. 15; J. JANSSENS, De vroegkristelijke Grafschriften uit Rijn- en Moezelland l (Proefschrift Leuven 1969) 95.
L. B./W. S.
59 Grabstein des Presbyters Crescentius aus Andernach
und in Nordafrika belegt, sonst - etwa in obire - mehrfach auch im Rhein- und Moselgebiet, unter anderem auch in Andernach (siehe Kat. Nr. 13). Von der Eingangsformel sind nur geringe Hastenenden erhalten. In culmene meruit sanctorum esse dürfte eher auf eine besondere Stellung im Jenseits als auf einen konkreten Ort einer bevorzugten Bestattung in der Kirche hinweisen10. Der Name des Presbyters lautete wahrscheinlich Crescentius. Dieser Name findet sich häufig auf christlichen Inschriften. Der Grabstein, der von Amtsbrüdern aufgestellt wurde, belegt eine Gemeinschaft von Priestern in Andernach. Worin 10
So auch von Neuss, Christentum 56 verstanden. Vgl. ILCV 952: hieposituscaeli transcendit culminaPaulus..; 1778a: culmen apostolicum cum Caelestinus haberet. Zu privilegierten Bestattungen in Andernach LEHNER, Andernach 130 Nr. 1-2; EGGER, Grabsteine Nr. 12; Trier: RICO I 170: .. .qui meruit sanctorum sociari sepulchra (vgl. 89 u. S. 20; 22 § 4; 7-8); Köln: GALSTERER, Steininschriften 499. Y. DUVAL u. J.-Cn. PICARD (Hrsg.), L'inhumation privilegiee du IV au VIIF siecle en Occident (1986); Y. DUVAL, Aupres des saints corps et äme. L'inhumation ,ad sanctos' dans la chretiente d'Orient et d'Occident du III e au VIF siecle (1988).
30 Fragment einer Grabinschrift
Abb. 60
5. -6. Jahrhundert Andernach, Kr. Mayen-Koblenz; 1880 im fränkischen Gräberfeld auf dem Kirchberg gefunden, 1895 erworben. Jurakalk 27,5 cm hoch, 17 cm breit, 5 cm dick Allseitig abgebrochenes Plattenbruchstück mit geringen Resten der originalen Kanten. Inv. Nr. 10148 Inschrift: ]ULA[ 1UIU[ ]XV[ ]ULU[ ]CT
Hic re/q]ui[escit Urs?]ula [puella q]ui vfixit annos] XV[+ ?. Hüne tit]ulu[m posuit - -Jet (Name). Hier ruht das Mädchen Ursula, die 15 Jahre lebte. Diesen Grabstein setzte - -ct. Vor der Wiederverwendung war die Platte ein paganer Grabstein. Davon sind auf der Rück-
100
Grabpflege und Totenkult
246 und CIL XIII 390112. Sollte -ula zum Namen gehören, könnte die Tote Ursula (vielleicht auch Artula) geheißen haben13. Während W. Boppert die Inschriften mit rundem U und gleichem Aufbau in das 5./6. Jahrhundert datiert, setzt N. Gauthier die Trierer Texte in das 6./7. Jahrhundert. Nach Paläographie und Vulgarismen werden die Trierer Inschriften aber sicher jünger als das Fragment aus Andernach sein. E. aus'm Weerth hatte das Fragment in das 5. Jahrhundert datiert. Literatur: Katalog der reichhaltigen Antiken-Cabinete der Herren F. H. Wolff in Köln und E. aus'm Weerth (1895) 474 Abb. S. 34; CIL XIII 7688; LEHNER, Steindenkmäler 996. W. S.
60 Fragment einer Grabinschrift aus Andernach
seite die Reste - ANO -V AN -V .MA - erhalten. Sie stehen schräg auf dem Kopf zur christlichen Inschrift. Über ANO ist ein Teil der originalen Kante erhalten (auf der Gegenseite neben CT. T wegen der Kante leicht erhöht). Die leicht schräge Kante über UI in der ersten Zeile ist möglicherweise original. Die Buchstaben zwischen vorgeritzten Linien sind regelmäßig und sorgfältig eingeschlagen. Auffällig ist das runde U statt des spitzen V, das nur als Zahlzeichen verwendet wird. Das runde U ist auf datierten Inschriften Galliens 449, 501 und 545 oder 605 bezeugt11. Die vorgeschlagene Ergänzung - die natürlich hypothetisch bleiben muß - orientiert sich an den Inschriften RICO I 1; 75; 154; 178; 232 und Boppert, Mittelrheingebiet 162-164 und 172f., die das runde U und einen gleichen Aufbau zeigen. Puella nachgestellt findet sich in RICG135; " RICGI 154(8.400).
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Nachgestelltes nomine in RICG I 219. Trifft die Ergänzung titulum posuit zu, wäre dies ein Hinweis auf Trierer Einfluß (KRÄMER, Grabinschriften 2). Ursula und Artula in RICG I 75. Das auf eine Frau bezogene gui statt quae ist nicht ungewöhnlich (vgl. Kat. Nr. 35 und BOPPERT, Mittelrheingebiet 22).
Grabinschriften aus Andernach/aus Leutesdorf
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31-32 Grabinschriften aus Leutesdorf Bisher ist nur ein Gräberfeld am Nordende von Leutesdorf bekannt (in der Flur .Wacker'). Mit dem Grabstein des Rainovaldus wurden 1882 mehrere Gräber entdeckt, 1890 weitere Gräber geöffnet 1 . Von Leutesdorf stammen außerdem vier Grabsteine ohne Inschrift (Kat. Nr. 47, 60-62; im Bildfeld von Kat. Nr. 60 befand sich wahrscheinlich eine gemalte, heute vergangene Inschrift). W. S.
31 Grabstein des Giboaldus 7. Jahrhundert Leutesdorf, Kr. Neuwied; 1936 auf dem Grundstück Hintergasse 215 in 2,5 m Tiefe gefunden. Vom Museum Neuwied erworben. Heller Fossiltrümmerkalk (eher von Mainz als von Lothringen) 53,5 cm hoch, 28,5 cm breit, 14 cm dick Auf der linken Schmalseite oben ein großes Dübelloch, auf der rechten unten ein 6,5 cm tiefes Bohrloch; an der Kante zur Rückseite fehlt ein längliches Stück. Auf der oberen Schmalseite ein kleines rechteckiges Loch in der Mitte. Der untere Teil des linken Ornamentbandes und eine kreisförmige Fläche in der rechten oberen Hälfte sind abgeschlagen. Kleinere Beschädigungen an den Kanten und auf der Oberfläche. Inv. Nr. 36,1027 Inschrift: GIBOA[L DVS C[E SQIT FV NCVSF VIT CALE NDAS P'VS CALINDAS GVNIAS D VDECIMO
Giboa[lJ\dus c[e]\sqitfu\ncusf\uit pus \ calindas \ Gunias d\udecimo. Giboaldus ruht (hier). Er war gestorben nach den Kaienden des Juni am 12. Tag (12. Juni).
Abb. 61
Der rechteckige Grabstein ist oben dicker und verjüngt sich nach unten. Alle Seiten sind geglättet. Die Zeilen der Inschrift sind schwach vorgerissen, wobei die erste Zeile höher ist. Der Steinmetz ist mit Buchschriften, nicht mit Steininschriften vertraut. Dies zeigen die vielen kursiven Buchstaben. Nach fuit hat der Schreiber offenbar pus (= post) vergessen und wiederholt daher nach calendas nochmal pus calindas, diesmal mit kursivem S, aber ohne die dritte Haste des N. Wegen des Schreibfehlers sind die Buchstaben von Zeile 6 an enger gesetzt. Die Vulgarismen in cesqit mit Austausch von c und q, e für ie und Ausfall des u nach q sind im lateinischen Westen mehrfach belegt2. Zur Assimilation funcus fürfunctus RICG I S. 69 § 78. Functus für obiit ist in christlichen Inschriften selten; sehr verbreitet aber ist defunctus. Pus statt post findet sich in Inschriften aus Florenz und Vienne von 488 und 562 n. Chr. 3 . In G statt I (Gunias) - in Inschriften dieses Raumes und
E.AUS'MWEERTH, Bonner Jahrb. 72, 1882, 121; H.STOLL, Rheinische Vorzeit 2, 1939, 124 (mit Lit.). Fund eines Tuffsteinsarkophags ohne Skelett und Beigaben H.-H. WEGENER in: Berichte zur Archäologie an Mittelrhein und Mosel 1. Trierer Zeitschr. Beih. 9 (1987) 272. G. ALFÖLDY, Bonner Jahrb. 166, 1966, 444; RICG I 250; vgl. EGGER, Grabsteine Nr. 6; 8; 11; 16 aus Andernach. ALFÖLDY a. a. O. 445 Anm. 8.
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Grabpflege und Totenkult
61 Grabstein des Giboaldus aus Leutesdorf
Grabinschriften aus Leutesdorf
auch darüber hinaus häufiger zu finden4 - zeigt sich ein romanisches Sprachelement. Die Zählung der Tage nicht vor, sondern nach den Kalenden tritt vereinzelt schon seit dem 4. Jahrhundert auf 5 . Giboaldus ist nach H. Reichert kein germanischer Name. Parallelen sind nicht bekannt. Wichtige Datierungshinweise bietet die Rahmung der Inschrift. Zwei schmale Stege begrenzen ein Ornamentband, das oben und unten breiter ist als an den Seiten. Oben und unten befindet sich rechts von einem Dreiblatt (Lotusblüte) ein Greifenkopf mit Hals. Von dem mandelförmigen Auge öffnet sich weit der Schnabel, unter dem Kopf ist durch Striche Gefieder angegeben. An den Seiten verzieren ebenfalls Dreiblatt und Blattranken den Stein. Aufgrund der linearen, nur die Umrisse betonenden Innenzeichnung wird man eine farbliche Ausmalung voraussetzen dürfen. Die Ornamente sind mit solchen aus Andernach, Leutesdorf und Gondorf (Kat. Nr. 57, 60, 10) eng verwandt6. Durch einen Schriftvergleich mit merowingischen und karolingischen Münzen datiert F. Rademacher den Inschriftstein in die Zeit von 760 bis 850. Da ein solcher Vergleich problematisch ist, wird hier nach Grabsteinen mit vergleichbaren Ornamenten eine Datierung in das 7. Jahrhundert vorgezogen. Literatur: RADEMACHER, Grabsteine 265-282 Taf. 51,2; EGGER, Grabsteine 152-154 Nr. 18 Abb.7 Taf. 3; G. ALFÖLDY, Zur Grabinschrift des Giboaldus aus Leutesdorf, Kreis Neuwied. Bonner Jahrb. 166, 1966, 444f.; L'Annee Epigraphique 1967, 342; PAULY,Trier
20 Abb. 23.
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M. D./W. S.
Ebd. 445 Anm. 10 mit Belegen aus Andernach, Pier und Remagen. Vgl. ILCV Index VIP s.v. lanuarius; BOPPERT, Mittelrheingebiet 48. RICO 197. RADEMACHER, Grabsteine 269 ff.
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32 Grabstein des Rainovaldus Abb. 62 7. oder 8. Jahrhundert Leutesdorf, Kr. Neuwied; im fränkischen Gräberfeld gefunden; 1882 erworben. Fossiltrümmerkalk (eher von Mainz als von Lothringen) 41 cm hoch, 35, 5 cm breit, 12 cm dick Inv. Nr. 2422 Inschrift: + HIC REQVIESC IT IN PA CE RA'NOVALDVS PVER AMTVS INTER PAREN TES PVERVM NVBELEM PRO DVXIT IN GENTEM IN VEDA MORS ABSTRAIT DI SECOLVM^VIXIT qVO QVE ANNORVM XXXV O BIIT SVB DIAE QVOD FA CIT OCTVBER DIES VNDEDEM AMEN
+ Hic requiescit in pa\ce Rainovaldus puer \ am(a)tus interparen\tes. Puerum nubelempro\duxit in gentem. Iri\veda mors abstraft \di secolum. Vixit quo\que annorum XXXV. O\biit sub diaequodfd\cit Octuberdies\undecem. Amen. + Hier ruht in Frieden Rainovaldus, der von seinen Eltern geliebte Sohn. Er führte in den Stamm einen Adeligen als Unfreien. Der neidische Tod entführte ihn aus dieser Welt. Er lebte 35 Jahre. Er starb an dem Tage, den der Oktober als elften brachte. Amen. Die glatte, fast quadratische Grabplatte ist an den Seiten zur Vorderseite hin abgeschrägt. Zwei Dübellöcher und eine weitere unregelmäßige Vertiefung lassen auf eine frühere Verwendung der Platte im Verbund schließen. Die Zeilen der Inschrift sind unregelmäßig. Das D ist teils rund, teils als Dreieck gebildet (vgl. Kat. Nr. 28). G besteht aus zwei gegeneinandergesetzten Halbkreisen (vgl. Kat. Nr. 22, 28). L hat eine hoch angesetzte und schräge Querhaste, P und R haben verlängerte Hasten, das Q ist unzial, das O rautenförmig (vgl. Kat. Nr. 29). Bei Rainovaldus ist das I nachgetragen. Mehrfach treten
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Grabpflege und Totenkult
62 Grabstein des Rainovaldus aus Leutesdorf
Ligaturen auf. Vokalverschiebungen von o zu u und i zu e begegnen in nubelem für nobilem, inveda für invida1 und in Octuber für October, von e zu i in di für de, von ae zu e und u zu o in secolum und von e zu ae in diae. Die Eingangsformel hie requiescit in pace entspricht der von Kat. Nr. 13. Sie ist in Andernach auf 15 von 18 Inschriften verwendet, bei denen der Textbeginn erhalten ist. Amatus interparenVgl. ILCV 270 (Vienne): noveletate; 1218 (Clermont) und 4729 (Vienne, 659?): inveda. BOPPERT, Mittelrheingebiet 113. Mit q(u)od (h)abuit in Remagen (Kat. Nr. 34); ähnliche Formulierungen im Seine- und Sommegebiet und in Aqui-
tes ist CIL XIII 7636 (lector amatus; aus Koblenz) und den häufigeren amantissimus und carus parentibus an die Seite zu stellen8. Carus parentibus und vixit in saeculo finden sich im Rhein-Mosel-Gebiet vor allem in Andernach. Signifikant für Andernach ist auch die Formulierung quod facit mit Monat und Tag in fortlaufender Zählung9. Amen ist bei Diehl, ILCV auf Inschriften des 5. bis 7. Jahrhunderts belegt. tanien (siehe S. 95 Anm. 5). I. HEIDRICH, Rheinische Vierteljahrsbl. 32, 1968, 170 Anm. 15. Die Formulierung sub diae findet sich auf Grabsteinen aus Koblenz (ILCV 3041A) und Andernach (LEHNER, Andernach Nr. 4).
Grabinschriften aus Leutesdorf
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Der germanische Name Rainovaldus ist inschriftlich und literarisch sonst nicht nachgewiesen10. Nach dem Kreuz am Anfang, das in Gallien etwa zwischen 500 und 680 in datierten Inschriften belegt ist, den vielen Vokalverschiebungen, der Eingangsformel und der Datierung des Todesdatums gehört die Inschrift in das 7. oder eher in das 8. Jahrhundert. Abgesehen von den formelhaften Wendungen am Textanfang und -Schluß enthält die Inschrift Angaben individuellen Charakters. Wahrscheinlich war es Rainovaldus gelungen, im Kampf einen auswärtigen Adeligen zu besiegen, der dadurch seine Freiheit verlor11. Einen paganen Hintergrund hat das Motiv vom neidischen Tod. Es setzt die Vorstellung von neidischen - also anthropomorphen - Göttern und göttlichen Kräften voraus, die den Menschen außerordent-
liches Glück (der Erfolg im Kampf?) mißgönnen und ihnen vorzeitig, vor dem ihnen bestimmten Tag, den Tod bringen (mors immatura, dävato? acoeoc,)12. In paganer Religion sind solche Vorstellungen von göttlicher Macht (und Laune) und vom Jenseits nicht ungewöhnlich. Christliche Grabinschriften, auf denen dem neidischen Tod die Schuld am vorzeitigen Tod gegeben wird - in Clermont sogar auf einer Inschrift eines Diakons13 - spiegeln das Zusammentreffen von christlicher und paganer Welt und den Prozeß der Christianisierung. Literatur: CIL XIII 7748; LEHNER, Führer I 221; DERS., Steindenkmäler 998; DERS., Skulpturen II Taf. 35,6; ILCV 2768; NEUSS, Christentum 59 Abb. 39; PAULY, Trier 20 Abb. 22. W. S.
FÖRSTEMANN, Namenbuch; M.-Tn. MORLET, Les noms de personne sur le territoire de l'ancienne Gaule du VIe au XIP siecle (1968); bei REICHERT, Namen als „möglicherweise germanisch" klassifiziert. Zu puer als Bezeichnung für einen Unfreien vgl. M. WEIDEMANN, Kulturgeschichte der Merowingerzeit nach den Werken Gregors von Tours 2. Monogr. Rom.-Germ. Zentralmus. Mainz 3,2 (1982) 283; 288; 292f. (hier ein Beispiel für einen in Unfreiheit geratenen Adeligen). Puer könnte in der Inschrift des Rainovaldus aber auch „Junge, Knabe" bedeuten und auf ein Gefolgschaftsverhältnis Bezug nehmen. - Die Lesungpuerum nubelem ist allerdings nicht zweifelsfrei. Da es sich um eine Ligatur handelt, ist auch die Lesung pueram möglich (AM-Ligatur ohne Querstrich des A auch in amtus oder amatus). Die Übersetzung lautete dann: Er führte in den Stamm ein adeliges Mädchen (also: heiratete es). Die Lesungpuerum wurde hier vorgezogen, da zunächst puellam statt pueram zu erwarten wäre und es ungewöhnlich ist, daß in der
Inschrift auf die adelige Abkunft der Schwiegertochter, nicht auf die eigene hingewiesen wird. Auch entspricht gens in fränkischer Zeit eher dem Stamm bzw. speziell dem Heer und nicht - wie im Römischen - der Familie, dem Geschlecht (vgl. aber RICO I 29A; 135). Hinweise zur Interpretation verdanke ich Prof. Dr. I. Heidrich. Vgl. bes. ILCV 4729 und BOPPERT, Mittelrheingebiet 108-118, wo invida mors verbunden ist mit Hinweisen auf die kurze Lebensdauer (cuius infancia bonafuit; vixit in pace parvo tempus; Alter: 23 und 20 Jahre). Vgl. auch S. 89. Zur mors immatura J. TERVRUOTLENTZ, Mors immatura (1960); vgl. F. BÖMER, Untersuchungen über die Religion der Sklaven in Griechenland und Rom 4 (1963) 178f.; E. GRIESSMAIR, Das Motiv der mors immatura in den griechischen metrischen Inschriften (1966); L. PAULI, Keltischer Volksglaube (1975) 158 f. ILCV 1218 (548 oder 621 n. Chr.); zu weiteren Belegen siehe BOPPERT, Mittelrheingebiet 109; 115f.; 117.
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Grabpflege und Totenkult
33 Grabstein des Pulevaldus Abb. 63 7. Jahrhundert Rheinbrohl, Kr. Neuwied; in einer Säule der Pfarrkirche des 12. Jahrhunderts eingemauert; 1905 von der Kirchengemeinde Neuwied erhalten. Kalkstein 31,5 cm hoch, 20 cm breit, 7,5 cm dick Stein in drei Teile gebrochen (Foto von früherem Zustand). Oben originale Kante, die übrigen Seiten sind gebrochen. Leichte Beschädigungen der Oberfläche. Auf der Rückseite Dübelloch. Inv. Nr. D 72
Am Kleinkastell von Rheinbrohl, gegenüber der Mündung des Vinxt-Bachs, der die Grenze zwischen Ober- und Niedergermanien bildete, begann der rechtsrheinische Limes. Nach der Aufgabe des Limesgebietes sind aus Rheinbrohl, Henningen und Linz erst wieder in fränkischer Zeit Funde nachgewiesen, und zwar von wenigen Einzelgräbern. Der Grabstein des Pulevaldus deutet auf eine kleine christliche Gemeinde im 7. Jahrhundert hin, die zumindest seit dem Ende des 7./Anfang des 8. Jahrhunderts eine Pfarr- oder Coemeterialkirche hatte. Unter Pippin I. (gestorben 639) ist in Rheinbrohl Königsbesitz nachgewiesen. Inschrift: + hIC REQVI ISCIT IN PA CE • PVLE[.'] ALDVS C[ PAREN[' VIXSIT [ ]COLO[
+ Hic requtMscit in pa\ce PulefvJ\aldus cfarusj \ paren[t(ibus)]. \ Vixsit [in\sae]colo[- - -. + Hier ruht in Frieden Pulevaldus, lieb den Eltern. Er lebte in dieser Welt... Von der Wiederverwendung als Stein einer Säule im 12. Jahrhundert rührt die gerundete Rückseite her. Da nur wenig von der Inschrift fehlt und die letzte Zeile deutlich kleiner und unregel-
63 Grabstein des Pulevaldus aus Rheinbrohl
mäßiger ist, läßt sich die ursprüngliche Größe des Grabsteins abschätzen. Die Buchstaben sind von unterschiedlicher Größe und halten die Zeilen nicht ein. Das C ist teils eckig, teils rund, das h ist unzial, das Q ähnlich einem C mit langem Begrenzungsstrich unten, das S ist eckig und ähnelt einem spiegelverkehrten Z. Das I in Hic ist nachträglich zu IC-Ligatur verbessert. Carus und parentibus waren offenbar abgekürzt. Vokalverschiebungen von e zu i und u zu o finden sich in requiiscit und saejcolo. Zu vixsit für vixit siehe Kat. Nr. 24. Zum Eingangsformular siehe Kat. Nr. 13; die Formel carus parentibus und vixit in saeculo weisen nach Andernach (vgl. Kat. Nr. 14, 39). Der germanische Name Pulevaldus ist inschriftlich und literarisch sonst nicht belegt. Für eine Datierung in das 7. Jahrhundert und einen Einfluß von Andernach zeugt das Eingangsformular, die Formel carus parentibus, die zwar schon im
Grabstein des Pulevaldus/Grabinschriften aus Remagen
Prinzipat belegt ist, aber im Raum Andernach im 7. Jahrhundert häufig ist, die Formel vixit in saeculo und das Kreuz am Textanfang (vgl. Kat. Nr. 14, 16). Auch die Paläographie und die Herkunft aus Rheinbrohl unterstützen eine Datierung ins 7. Jahrhundert.
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Literatur: LEHNER, Führer 220f.; DERS., Steindenkmäler 1003; DERS., Skulpturen II Taf. 35,4; H. FINKE, Neue Inschriften. Ber. RGK 17, 1927, 253; PAULY, Trier 59 Abb. 61 a; H. SCHAEFER, Broele trans Rhenum(1972) 31 f. W. S.
A römische Körpergräber • fränkische Gräber
64 Remagen. Spätrömisches Kastell und Gräberfelder
34-36 Grabinschriften aus Remagen (Rigomagus) Nach der Zerstörung des Kastells Remagen in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts wurden die Mauern in vergrößertem Umfang wiederaufgebaut. Als einzige Befestigung zwischen Köln und Koblenz überstand Remagen die germanischen Angriffe von 355. Die Truppen zogen wahrscheinlich erst kurz nach 406 ab. Spätestens nach der Mitte des 5. Jahrhunderts war Remagen fränkisch, doch die christlichen Inschriften und Namenskontinui-
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Grabpflege und Totenkult
täten zeigen, daß Teile der romanischen Zivilbevölkerung in den unzerstörten Kastellmauern Remagens geblieben waren1. Die Grabinschrift der Meteriola ist ein Indiz für eine spätantike christliche Gemeinde, und ein im Kastell gefundenes Schrankenplattenfragment vom Ende des 4. Jahrhunderts oder aus dem 5. Jahrhundert bezeugt einen frühen Sakralbau, der an der Stelle von St. Peter und Paul gestanden haben dürfte 2 . Der römische Friedhof am Fuße des Ochsenbergs und Hundsbergs wurde weiterhin genutzt. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts waren hier, zum Teil über römischen Gräbern, fränkische Gräber mit Tuff-, Bruch- und Schieferplatteneinfriedungen gefunden worden3. Aus diesem Gräberfeld an der Fürstenbergstraße stammen die Grabsteine des Deudolfus, der Meteriola und der Stein Kat. Nr. 36 sowie ein figürlicher Grabstein (Kat. Nr. 63). Weitere fränkische Gräberfelder wurden an der Südseite des Ochsenbergs und am Unkelbach (etwa 2,5 km nördlich von Remagen) aufgedeckt; 1886 wurde an der Straße nach Birresdorf ein wohl fränkischer Baumsarg freigelegt4. W. S.
34 Grabstein des Deudolfus 7., vielleicht auch 8. Jahrhundert Remagen, Kr. Ahrweiler; 1857 beim Eisenbahnbau im fränkischen Gräberfeld am Fuß des Apollinarisberges gefunden. 1886 erworben. Weißer Jura-Kalkstein 69 cm hoch, 23,5 cm breit, 11 cm dick In zwei Teile gebrochen. In Höhe des Bruchs große runde Beschädigung auf der Oberfläche. In der Mitte stark abgerieben. Inv. Nr. 4368
Abb. 65
Hier ruht der Knabe namens Deudolfus, der . . . starb ... (Seine Bestattung war an dem Tag?), den vor den Iden der Monat Juni als 5. hat (9. Juni). Die Inschriftplatte war von vier rechteckigen Blöcken aus Sandstein eingefaßt und bildete mit ihnen den Sargdeckel5. Die seitlichen Einfassungen sind vorne mit einer Zickzacklinie verziert, die obere und untere sind nur oberflächlich ge-
Inschrift: HIC REQVI ISCITPV ' ELLO NV MEN DEV DOLFV qVIOB[.] IT[ C[ TIS QOD ABVIT I DIS MENSE GVNNO V
Hic requi\iscit pu\ello nu\men Deu\dolfu\ qui obfifttf- - -J\cf- - -]\[.]td[.]e[- -J\tisqod\abuit TW/s mense \ Gunno V.
D. HAUPT, Remagen-Rigomagus, in: J.E. BOGAERS, C.B. RÜGER (Hrsg.), Der Niedergermanische Limes. Kunst und Altertum am Rhein 50 (1974) 208-213. H. HEMGESBERG, Die ersten Remagener Kirchen im Licht eines frühchristlichen Schrankenfragments. Ann. Hist. Ver. Niederrhein 189, 1986, 9-34 (mit Lit.). Einen Überblick gibt O. KLEEMANN, Vor- und Frühgeschichte des Kreises Ahrweiler (1971) 104 Nr. 10 (mit älterer Lit.). KLEEMANN a. a. O. Nr. 38, 14 u. 29. So Inventarbuch und danach CIL und LEHNER. Nach KRAUS, Inschriften I 279 und DERS., Bonner Jahrb. 75, 1883, 180f. hingegen wurde der Stein erst 1876 in der Fürstenbergstraße gefunden. Bei den Mitteilungen zu den Inschriftenfunden beim Eisenbahnbau berichten Bonner Jahrb. 26, 1858, 114-117; 186-188 nicht von einer fränkischen Inschrift.
Grabinschriften aus Remagen
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glättet6. Die Zeilen, die durch Linien abgegrenzt sind, haben unterschiedliche Höhe. Die Eckpunkte der Buchstaben sind vorgebohrt. Das B ähnelt einem D mit kleinem, oben angesetztem Bogen7. E hat verlängerte Haste, G ist aus zwei Klammern zusammengesetzt, L hat eine schräge, nach hinten verlängerte Querhaste, das N eine tief angesetzte Querhaste. Q ist unzial, das S besteht aus einer senkrechten Mittelhaste mit angesetzten Bögen, das kleine T hat eine geschwungene Horizontalhaste. Vergleichbar sind Schrifttypen aus Andernach, Bingen und Mainz, nicht hingegen aus Trier8. Die Inschrift enthält viele Vulgarismen: in requiiscit und numen sind die verbreiteten Vokalverschiebungen von e zu i und o zu u zu verzeichnen. Puello statt puer ist analog zu puella gebildet. Bei Deudolfus ist das S am Ende entfallen, bei q(u)od das V (vgl. Kat. Nr. 16) und bei abuit das anlautende H (vgl. Kat. Nr. 23). Mense steht für mensis, wobei offensichtlich das S ausgefallen und das kurze i zu einem langen e geworden ist. Gunno steht für lunias (vgl. Kat. Nr. 31). Die Umwandlung von T in weiches D (von Teodulfus bzw. Theodulfus zu Deudolfus) läßt sich auch für Andernach nachweisen9. Nach obiit folgte vielleicht ANS für annos (Hastenenden
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65 Grabstein des Deudolfus aus Remagen
Eine Umzeichnung im Inventarbuch, die LEHNER, Steindenkmäler 1005 wiedergibt. Vgl. KRAUS, Inschriften 1279. Maße mit Einfassung: 150/165 cm hoch, 56/59 cm breit; Seiteneinfassungen: 122 cm hoch, 24 cm breit, 11 cm dick. Eine vergleichbare Umrahmung mit Zickzacklinien hat die Grabinschrift für Bertisindis und Randoaldus aus Mainz (hier aus einem Stück; 112x53x9 cm; BOPPERT, Mittelrheingebiet 26-31). Umlaufende Zickzacklinien auch auf Grabsteinen ohne Inschrift im Gebiet der Moselmündung (PAULY, Trier 60 Abb. 62a-c). Vgl. EOOER, Grabsteine Nr. 12. EGGER, Grabsteine Nr. 1; BOPPERT, Mittelrheingebiet 21; 24; 27; 34 (Mainz); 108 (Bingen). LEHNER, Andernach Nr. 1-2 (adries/adria für atrium). RICO I S. 68 §74, Nr. 217 und BOPPERT, Mittelrheingebiet 32 (adque statt atque in Trier und Mainz; prinzipatzeitliche Belege aus Avenches, Oppenheim, bei Pommern und aus Köln). Vgl. CIL XIII 687; 3534; 8355; 8775. Das Phänomen der schwachen Aussprache des T zeigt sich auch in funcus für functus und pus für post in Kat. Nr. 31 aus Leutesdorf (vgl. CIL XIII906 aus Bordeaux und 11947 aus Heddernheim).
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Grabpflege und Totenkult
erhalten) und eine ausgeschriebene Jahreszahl (nach R. Egger: dejcefm). Die Angabe puer (bzw. puellä) zeigt, daß der Verstorbene unverheiratet war. Auch nomen ist in der Regel nur bei Frauen, Kindern und Jugendlichen hinzugefügt10. Die Tagesangabe mit quod abuit ist sonst nicht belegt; zum verwandten quod fadt siehe Kat. Nr. 32. Der Name Deudolfus ist inschriftlich sonst nicht belegt. Häufiger sind die Namen Teudulfus, Theodulfus und Theudulfus im Gebiet Frankreichs und Spaniens, vor allem im 7. und 8. Jahrhundert, literarisch und inschriftlich genannt11. Nach der Form der Buchstaben, den vielen Vulgarismen und der Angabe des Datums wird die Inschrift in das 7., vielleicht auch in das 8. Jahrhundert zu datieren sein. Literatur:F.X.Kiuws, Bonner Jahrb.75,1883,180f.; DERS., Inschriften I 279; LEBLANT, Inscriptions 89; CIL XIII 7814 (danach ILCV 4423 adn.); LEHNER, Führer I 220; DERS., Steindenkmäler 1005; DERS., Skulpturen II Taf. 35,8; EGGER, Grabsteine 157f. Nr. 24 Taf. 9,2; PAULY, Trier 22 Abb. 27. L.B./M.D./W.S.
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Grabstein der Meteriola
Abb. 66
Wahrscheinlich um die Mitte oder zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts Remagen, Kr. Ahrweiler; 1892 im Gräberfeld am Fuß des Apollinarisberges gefunden Trachyt (vom Stenzelberg im Siebengebirge?) 68 cm hoch, 163 cm breit, 14-20,5 cm dick Mehrere Beschädigungen an der oberen Kante. An einigen Stellen sind Sanidine ausgebrochen. Inv. Nr. 8411 Inschrift: HIC IACET METERIOLA MIHI DVL CISSIMA CONIVX QVI MECVM LABORABIT MVLTIS ET PLRIBVS A NNIS QVE Mlhl FV1T ANNVS XXIII CONIVX ET ANNVS VIII ET MESES SEPTE ET DIES XVIII SOROR IN DOMIN O DU NOSRO HSV XPO QVI Mlhl TAN TI ABEAT OSTENDERE VIAS SVAS QAS EGO SEQERE POSSEM
Hic iacet Meteriola mihi dut\cissima coniux qui mecum \ laborabit multis et pl(u)ribus d\nnis que mihi fuit annus XXIII \ coniux et annus VIII et meses \ septe et dies XVIII soror in domiri\o d(e)o nos(t)ro h(ie)su Chr(ist)o qui mihi tan\ti abeat ostendere vias suas gas \ ego seqere possem. Hier ruht Meteriola, meine teure Gattin, die mit mir viele lange Jahre Mühen und Arbeit teilte, die mir 23 Jahre Gattin gewesen ist und 8 Jahre und sieben Monate und 18 Tage Schwester im Herrn, unserem Gott lesus Christus, der geruhen möge, mir seine Wege zu weisen, denen ich folgen kann.
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RICO I 97. Beides in Inschriften aus Mainz und Bingen (BOPPERT, Mittelrheingebiet 68-71; 104-107); K. KRÄMER, Francia 3, 1975, 660 Anm. 82. REICHERT, Namen; FÖRSTEMANN, Namenbuch s. v. Theuda/Theudulf.
1892 stieß man beim Bau eines Kellers an der Fürstenbergstraße auf mehrere beigabenlose Bestattungen, die mit Tuffsteinplatten abgedeckt waren12. Die Grabplatte der Meteriola hob sich durch ihr Material und ihre Größe ab. Eine 12
Zu dieser Inschrift ausführlich H. HEMGESBERG, Bonner Jahrb. 186, 1986, 299-314, der dieser Text weitgehend folgt.
Grabinschriften aus Remagen
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66 Grabstein der Meteriola aus Remagen
solch große Platte, wie sie an Rhein und Mosel selten, in Rom hingegen häufiger gefunden wurde, weist auf eine herausgehobene Stellung der Verstorbenen hin. Vor der Verwendung als Grabplatte diente der Stein als Tür- bzw. Schwellenstein, wie das runde Dübelloch von 9 cm Durchmesser (cardo, Angelbuchse), die Abarbeitung darunter (aufgerauhte Einlassung für den Türrahmenbalken) und die leichte Wölbung der Oberfläche zeigen. Nach den Glättungen an der linken, oberen und rechten Schmalseite und den für die Verlegung angebrachten kreuzförmigen Markierungen zu urteilen, lag die Platte ursprünglich im Verbund, wobei die jetzige Unterkante stufenförmig erhöht war. Hier ist die Kante abgetreten. Die Inschrift nimmt auf die frühere Bearbeitung und die Sanidineinschlüsse Rücksicht. Das Zeilenniveau ist unregelmäßig, die Buchstaben sind nur flach und ohne Serifen eingehauen. Das Zeilenende richtet sich nicht nach Wort- oder Silbenschluß. Das F ist dem Kursiven entlehnt und wie das unziale h (neben der Kapitale H) seit etwa 300 n. Chr. in der Epigraphik nachweisbar. Die Abkürzung XPS ist seit der Mitte des 4., DS seit Anfang des 5. Jahrhunderts, in datierten
gallischen Inschriften seit der Mitte des 5. Jahrhunderts, hSV in Inschriften um 400 und von 644 belegt. Dem Steinmetzen unterliefen mehrere Schreibfehler: Bei iacet ist IA in das C des hie eingeschrieben, das folgende E zu einem C verbessert (Zeile 1); in Zeile 3 ist das T von et nachträglich eingesetzt, bei pluribus hat der Schreiber das erste u, bei nostro das t, bei vias die Querhaste des A vergessen. Die vom klassischen Latein abweichenden Formen wie que und qui für quae, laborabit für laboravit, annus für annos, meses für menses, septe für septem, abeat für habeat, qas für quas, seqere für sequere und possem für possim geben die gewandelte Aussprache in einer phonetisch orientierten Schreibweise wieder13. Der Text ist weitgehend frei formuliert. Er beginnt mit der schlichten Eingangsformel Hic iacet, die bis nach der Mitte des 5. Jahrhunderts in Gebrauch war und durch Wendungen wie hie re-/quiescit verdrängt wurde. Möglicherweise gehen die ersten drei Zeilen auf einen Hexameter zurück, wobei die Vorlage auf Meteriola angepaßt wurde. Hic iacet ist daher kein zweifelsfreies Datierungskri13
Zur Sprache HEMOESBERO a. a. O. 304-306.
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Grabpflege und Totenkult
terium. Statt der an Mosel und Rhein sonst üblichen Angabe des Sterbealters ist hier die Ehedauer angegeben, wie es sich häufig auf stadtrömischen Epitaphien findet; daran schließt eine Zeitangabe an, in der Meteriola ihrem Mann „Schwester im Herrn" war. Dies kann sich auf die spätere Taufe einer der Ehepartner oder auf die Aufnahme geschlechtlicher Enthaltsamkeit in der Ehe beziehen, die seit dem ausgehenden 4. Jahrhundert Verheirateten bei höheren kirchlichen Weihen empfohlen, schließlich vorgeschrieben und seit Leo dem Großen auf niedere Weihen ausgedehnt wurde. In diesem Fall hatte der Hinterbliebene ein kirchliches Amt inne oder Meteriola und ihr Mann sind jenen hochgestellten Kreisen zuzuordnen, die ein gottgeweihtes, asketisches Leben in ehelicher Enthaltsamkeit suchten. Am Ende mündet der Text in ein Gebet, das Psalmworte wiedergibt. Der Name Meteriola („Mütterchen") ist bisher nur in Remagen nachzuweisen. Der Name ist ein in Spätantike und Frankenzeit beliebtes Diminutivum auf -ulus bzw. -iolus vom griechischen Namen Meterius/-a. Der Name des Mannes, der für Meteriola den Grabstein aufgestellt hat, ist nicht angegeben. Einen recht konkreten Hinweis für die Datierung bietet die Wendung tan t i höhere, die zeitlich in dem engen Rahmen am Ende des 5. und zu Beginn des 6. Jahrhunderts in Briefen gallischer Bischöfe vorkommt. Nach den weiteren oben genannten Kriterien ist eine Datierung um die Mitte oder in die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts wahrscheinlich.
67 Grabinschrift aus Remagen
36 Grabinschrift Literatur: J. KLEIN, Römisch-christliche Inschrift aus Remagen. Bonner Jahrb. 93, 1892, 203-205; KRAUS, Inschriften II Nachtrag zu I 310; F. BÜCHELER, Carmina Latina epigraphica (1895-97) 794; LEHNER, Führer 220; DERS., Steindenkmäler 1004; CIL XIII 7813; RIESE, Inschriften 4338; NEUSS, Christentum 57 Abb. 43; DERS. in: E. HEGEL (Hrsg.), Geschichte des Erzbistums Köln P (1972) 63; PAULY, Trier 21 Taf. 26; H. HEMGESBERG, Die frühchristliche Meteriola-Inschrift aus Remagen. Bonner Jahrb. 186, 1986, 299314 Abb. 1. L.B./M.D./W. S.
Abb. 67
6. Jahrhundert (?) Remagen, Kr. Ahrweiler; 1892 im Gräberfeld am Fuß des Apollinarisbergs in der Fürstenbergstr. gefunden; 1892 erworben. Kalkstein 40 cm hoch, 25 cm breit, 15 cm dick An den Schmalseiten sind Teile abgeplatzt oder abgeschlagen. Davon abgesehen hat der Stein seine originale Größe. Inv.Nr. 8611
Grabinschriften aus Remagen/aus Bonn
Inschrift:
DEO si [ M•SVPERIN ' FELIX' BFCOS SÄCRVM PRE TEXTATO CÖ + IN HVNC TVMOLO
Deo S(oli) i(nvicto) [M(ithrae)]\M(arcus) Superin(ius) \ Felix \ b(ene)f(iciarius) co(n)s(ularis) \ sacrum Pre\textato co(nsule). \ + In hunc tumolo Dem unbesiegten Sonnengott Mithras (hat) Marcus Superinius Felix, Straßenposten im Dienst des Statthalters, (diesen) Weihestein unter dem Konsul Praetextatus (aufgestellt). [Von zweiter Hand:] + In diesem Grab. Der Weihestein ist unter dem Konsulat des Caius Asinius Praetextatus, also 242 n. Chr. angefer-
113
tigt worden. An die römische Inschrift ist in deutlich anderer Schrift ein einfaches Kreuz und die Eingangsformel eines Grabsteins angefügt. Kreuz und Formel finden sich in Mainz und am Rhein bis hinauf nach Remagen und an der Untermosel (siehe Kat. Nr. 14). Daß der Text unvollständig ist, trifft wohl nicht zu. Vielleicht wurde der Name des heidnischen Gottes eliminiert. Zwischen die Zeilen l und 2 wurden Kreuze eingeritzt, vor b(ene)f(iciarius) ein Kreuz in einen Rahmen gesetzt (vgl. Kat. Nr. 63, ebenfalls aus Remagen), das letzte T in Pretextato zu einem Kreuz umgeändert. Da der Name Felix nachgehauen wurde, wird dies der Name des Toten gewesen sein, für den der Weihestein zu einem christlichen Grabstein umgewandelt wurde. Literatur: J. KLEIN, Bonner Jahrb. 93,1892, 216-218; KRAUS, Inschriften II Nachtrag zu I 311; CIL XIII 7794; LEHNER, Steindenkmäler 218. W. S.
37-38 Grabinschriften aus Bonn (Bonna) Nach der Zerstörung von Lager, Lagervorstadt und Zivilvicus 275 n. Chr. wurde das Lager wiederaufgebaut; Limitaneinheiten wurden hier stationiert. Die Soldaten lebten mit ihren Familien im befestigten Lager; im Bereich der ehemaligen Lagervorstadt wurden nun Bestattungen vorgenommen. Wegen der Zerstörungen 350/355 war ein erneuter Aufbau der Befestigung notwendig, die von nun an bis ins Mittelalter Schutz bot. In der Südwestecke des Lagers, das seit Anfang des 5. Jahrhunderts von romanisierten Wehrbauern als einheimischer Miliz verteidigt wurde, entstand die erste Pfarrkirche St. Peter (später Dietkirche). Auf dem zugehörigen Friedhof waren Romanen mit reichen Beigaben bestattet worden. Im 3./4. Jahrhundert wurde im Bereich der Münsterkirche eine Cella memoriae (Kat. Nr. 1), am Ende des 4. Jahrhunderts darüber eine kleine Saalkirche errichtet. Der Ort wurde ein bevorzugter Bestattungsplatz. Um den hier entstehenden Märtyrerkult bildete sich im Laufe des 5. Jahrhunderts eine Siedlung, die ins Frühmittelalter hinüber führte und sich im 9.710. Jahrhundert gegen die Siedlung im Kastell als Kern der mittelalterlichen Stadt durchsetzte. Viele der spätrömischen und frühmittelalterlichen Bestattungen im Bereich der Münsterkirche waren durch Nachbestattungen und Baumaßnahmen gestört. Die wenigen
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Grabpflege und Totenkult
A römische Körpergräber • fränkische Gräber
fränkisches Siedlungsgebiet
68 Bonn. Besiedlung und Gräberfelder
Beigaben der ungestörten Gräber deuten nach K. Böhner auf Angehörige der romanischen Bevölkerung, die erst unter dem Einfluß prunkvoller fränkischer Bestattungen die Beigabensitte in bescheidenem Maße wieder aufnahmen. Auch daß die Gräber ihre Ausrichtung beibehielten und sich daran selbst noch die frühe Kirche orientiert, zeuge für die Kontinuität als Bestattungsplatz der Romanen. Nordöstlich des ältesten Kirchenbaus (D) wurde der Grabstein des Ursicinus auf Grab Nr. 71 gefunden (Abb. 9; Kat. Nr. 38), in der Südecke des Baus über Grab 31 ein inschriftloser Grabstein mit Kreuz (Kat. Nr. 65). Außer diesem Bestattungsplatz gibt es nördlich des Münsters (Friedrichstraße - Maargasse) einen spätrömischen Friedhof, der aber im 5. Jahrhundert aufgegeben wurde, und einen weiteren um die heutige Stiftskirche (früher St. Paul), der von der Spätantike kontinuierlich bis ins frühe Mittelalter fortbestand. Hier fand sich beim Neubau der Stiftskirche das Fragment Kat. Nr. 37. Auch der Grabstein für Marinus1 und der figürliche Grabstein Kat.
Inv. Nr. 1928c (LEHNER, Steindenkmäler 1010; H. FINKE, Neue Inschriften. Ber. RGK 17, 1927, 278; K. BÖHNER,
Bonner Jahrb. 178, 1978, 415): M]ARINV[S- -/ -]QVI VIX[IT- -; allseitig abgeschlagenes Marmorfragment;
Grabinschriften aus Bonn
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Nr. 49 werden von diesem Gräberfeld stammen. St. Paul dürfte eine Coemeterialkirche gewesen sein; die zugehörige Siedlung (an der Römerstraße?) gehörte wahrscheinlich zum vicus Bonnensis, dessen Pfarrkirche in fränkischer Zeit St. Remigius wurde2. W. S.
37
Grabstein für As-
5. Jahrhundert? Bonn; an der Stiftskirche (früher St. Paul) gefunden, 1880 dem Museum geschenkt Kalkstein 18,5 cm hoch, 14,5 cm breit, 6 cm dick Der Grabstein wurde später zu einem rechteckigen Block gearbeitet. Ecken stark bestoßen. Beschädigungen auf der Oberfläche. Inv. Nr. CXXV Inschrift: ]VSAT AS[ ]XIT AN[
[Hicpajusat Asf- -\- vijxit anfnos - Hier ruht As- -. Er/Sie lebte ... Jahre Über der Inschrift sind Teile einer Giebelverzierung erhalten. Neben einer Volute befindet sich, wahrscheinlich im Zentrum des Giebels, ein
8 cm hoch, 9 cm breit, 3 cm dick; 1881 in der Heerstraße gefunden. Außerdem erwähnt W. NEUSS (in: E. HEGEL [Hrsg.], Geschichte des Erzbistums Köln l 2 [1972] 61 Anm. 2) einen Grabstein, der das Christusmonogramm, zwei Tauben und die Inschrift Concordia in pace trägt und unter dem Boden der Krypta des Bonner Münsters gefunden wurde. Die Inschrift CIL XIII 8128a (Inv. Nr. U 172; LEHNER, Steindenkmäler 1008: cujius anima [requiesjcat in s(ancta) p[ace als Textende) halte ich für spätmittelalterlich oder frühneuzeitlich. - An Namen sind für das 7. Jh. die der Monetäre Amman, Chadoaldus und Widicunus bekannt. : Zu Bonn in Spätantike und frühem Mittelalter: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde III (1978) 224-232 s. v. Bonn; BÖHNER a. a. O. 395-426 (mit Lit.); M. GECHTER in: HÖRN (Hrsg.), Römer in Nordrhein-Westfalen 370-372; C. B. RÜGER, Bonn an der Schwelle zum Mittelalter, in: U. HEIMBERG, Die römische Ära Bonns (1989) 46 f.
Abb. 69
Christogramm der älteren Form. Die schräge Ritzung über Volute und Christogramm zeigt die Neigung des Giebels an und läßt die ursprüngliche Breite des Grabsteins erahnen. Der Giebel ist ein Indiz dafür, daß der Stein das Grab nicht abdeckte, sondern es als Stele kenntlich machte. Grabsteine mit verzierten Giebeln finden sich auch in Mainz und Trier, jedoch nicht mit vergleichbarem Dekor3. Auffällig ist die Form des A im Namen des Verstorbenen, das von der üblichen Form des A in pajusat und anfnos abweicht4. Die Eingangsformel Hic pausat, deren Ergänzung auch aufgrund der zu erschließenden Breite des Steins sehr wahrscheinlich ist, findet sich mehrfach in Trier, je einmal in Maastricht und Worms und ist auch sonst im lateinischen Westen häufiger5. Die Buchstabenreste nach AS in der ersten Zeile gehörten zu einem B, P oder R. Vielleicht hieß der Tote Aspasius oder Asper. Literatur: P. WOLTERS, Neue Inschriften aus Bonn. Bonner Jahrb. 69, 1880, 45-48 Nr. 5 Taf.7,5; KRAUS, Inschriften I 282; LEBLANT, Inscriptions 88; 440; LEHNER, Steindenkmäler 1009; DERS., Skulpturen II Taf. 36,6; H. FINKE, Neue Inschriften. Ber. RGK 17, 1927, 277; K. BÖHNER, Bonn im frühen Mittelalter. Bonner Jahrb. 178, 1978, 414f. Taf. 17. M. D./W. S.
BOPPERT, Mittelrheingebiet 68, vgl. 75; E. GOSE, Katalog der frühchristlichen Inschriften in Trier (1958) Nr. 692. LEBLANT, Inscriptions 88; 440 sieht in dem Zeichen die Ligatur FL als Abkürzung für Fl(avius) Sp- -. BOPPERT, Mittelrheingebiet 156; DIES, in: Sint-Servatius 69f.; RICO IS. 38 §38.
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Grabpflege und Totenkult
69 Fragment eines Grabsteins für As- aus Bonn
70 Grabstein des Ursicinus aus Bonn
Grabinschriften aus Bonn
38 Grabstein des Ursicinus Um 400 n. Chr. Bonn; 1929 unter dem Bonner Münster bei Ausgrabungen gefunden Kalkstein 53 cm hoch, 59 cm breit, 26 cm dick Glatt abgelaufene Oberfläche mit kleineren Beschädigungen besonders an der linken oberen Ecke. Die rechte untere Ecke fehlt. Inv. Nr. D 284
Inschrift: TETVLO VRSICIN[I
Tetulo Ursicinfi. Grab des Ursicinus Die Grabplatte wurde bei der Münstergrabung 1929 als Teil der Abdeckung des Plattengrabes Nr. 71 nordöstlich des ältesten Kirchenbaus (D) im späteren Anbau L gefunden (Abb. 9). Der Stein lag mit Inschrift und Christogramm nach oben und in Richtung auf eine Wand zwischen zwei unverzierten Platten. Seine Ausrichtung deutet darauf hin, daß er ursprünglich nicht zu diesem Grab gehörte. Die letzte Bestattung im Grab 71 gehört in karolingische Zeit, da für die Anlage der Gräber 71 und dann 72 und 73 der karolingische Estrich (und der Estrich darunter) aufgehackt und mit einer weißen Kalkmörtelschicht geflickt wurde6. Das Grab 71 war durch den Grabstein, der einst das Grab des Ursicinus geschmückt hatte, im Boden kenntlich gemacht. Daher dürften die Abtrittspuren und die glatte Oberfläche herrühren. Die Grabplatte ist auf der rechten Seite etwas gedrungener als auf der linken. Die gerundete Rückseite und das Zapfloch an der oberen vorderen Kante rühren von einer früheren Verwendung her. Nach der Form handelt es sich um die Hälfte einer Säulentrommel. Den größten Raum auf der Oberfläche nimmt ein tief eingeschlage-
Abb. 70
nes Christusmonogramm der älteren Form mit Alpha und Omega ein. Das Christogramm ist von einem Kreis umgeben, an dem unten eine U-förmige Einmeißelung anschließt, vielleicht um eine Aufhängung nachzuahmen. Sie teilt die durch dünne Ritzlinien eingefaßte Inschrift, wobei die Buchstaben von tetulo mehr Raum haben als die gedrängteren von Ursicini. Die Vulgärform tetulo für titulo findet sich häufig in Trier7, vereinzelt in Lyon, Vienne, am Mittelrhein und in Gondorf (Kat. Nr. 18). Der falsche Kasus (hier Dativ statt Nominativ) findet sich auch in Gondorf8. Ähnlich kurze Formulare sind für Rom und Trier nachgewiesen9. Ursicinus ist ein häufiger, fast ausschließlich christlicher Name. Nach den Fundumständen wird der Stein in die Zeit um 400 n. Chr. datiert. Literatur: J. HAGEN, Germania 14,1930,103; H. LEHNER, Römische Steindenkmäler von der Bonner Münsterkirche. Bonner Jahrb. 135, 1930, 26 Nr. 69 Taf. 26,4; DERS. u. W. BADER, Baugeschichtliche Untersuchungen am Bonner Münster. Bonner Jahrb. 136/ 137,1932, 30f. Nr.71; H. NESSELHAUF, Neue Inschriften. Ber. RGK 27, 1937, 217; Auswahlkatalog 1963, 109 Nr. 64 Abb. S. 60; BADER, Stiftskirche 193 Taf. 110; Führer Sammlungen 65 f. Abb. 50.
M.D./W.S.
7 8 6
H. LEHNER u. W. BADER, Bonner Jahrb. 136/137, 1932, 30f. Nr. 71. Taf. 42a/b zeigt die Grabplatte in Fundlage.
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9
KRÄMER, Grabinschriften 2. Kat. Nr. 16; 18. S. 79 Anm. 24 mit weiteren Parallelen. ILCV 398A, RICO I 218: titolu Hagdulfus. LI; vgl. 153 und ILCV 4169A.
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Grabpflege und Totenkult
Abb. 71
39 Grabstein der Rignedrudis 6. Jahrhundert Vochem, Stadt Brühl, Erftkreis; 1913 gefunden Fossiltrümmerkalk vom Lothringer Typ 118 cm hoch, 59 cm breit, 26 cm dick Vorderseite glatt poliert mit kleineren Beschädigungen. Im unteren Teil leicht verwittert. Inv. Nr. 24453 An der Eisenbahntrasse Vochem-Güterbahnhof Brühl wurden 1913 beim Erdaushub drei Körpergräber ohne Beigaben gefunden. Zwei Verstorbene waren in Särgen aus Sandstein, ein anderer in einem Holzsarg eingebettet; einer der Steinsärge war mit einem wiederverwendeten römischen Grabstein abgedeckt. Etwas weiter nördlich stak im Lehmboden die Inschrift der Rignedrudis1. Inschrift: IN HVNCJOMOLO RE(^ ESCIT INPACE BONEMEMEMO RIE NOME • NE • RIGNEDRVDIS • CARA PARENTEBVS ET NI MIVM RELICTA AMORE • QVI VIXIT IN HVNC • SAECOLO^ANNOS • XIIIIII ET MIGRAVIT DE HVC MVN DO • XV • KLS • MADIAS
In hunc tomolo req(ui)escit in pace bone memo \ rie nomene Rignedrudis \ cara parentebus et ni\mium relicta amore\qui vixit in hunc \ saecolo annos XIIIIII \ et migravit de huc mun\do XV K(a)l(enda)s Madias. In diesem Grab ruht in Frieden guten Gedenkens (das Mädchen) mit Namen Rignedrudis, lieb den Eltern und allzusehr entbehrt in der Liebe. Sie lebte in dieser Welt 16 Jahre und ging von dieser Erde am 15. Tag vor den Kaienden des Mai (17. April).
Ortsarchiv RAB (Koord. r63550, h34310); Bonner Jahrb. 123, 1916, 2. Bericht 106; 108; vgl. ebd. 131, 1926, 366: Brandgrab des 3. Jh. an der alten Bonnstr. in der Nähe der Eisenbahn.
Für den Grabstein wurde ein Block wiederverwendet, der in römischer Zeit als Pilastergesims gedient hatte. An der rechten Schmalseite ist das Profil des Gesimses erhalten, das auch um die zurückspringenden Ecken herumgeführt ist. Die Buchstaben stehen zwischen Linien. Sie sind sehr sorgfältig und gleichmäßig ausgearbeitet. R und K haben kurze Schräghasten, G ähnelt einem C. Requiescit und Kalendas sind durch horizontale Striche abgekürzt. Die Inschrift weist viele Ligaturen auf. Die Wörter sind zum Teil durch Punkte getrennt, irrtümlich auch nome.ne. Bei memorie ist die erste Silbe zweimal geschrieben. Vokal Verschiebungen von u zu o, ae zu e, i zu e und o zu u finden sich in tomolo, bone memorie, nomene, parentebus, saecolo und huc mundo. Zur Kasusverschiebung bei hunc vor tomolo und saecolo siehe Kat. Nr. 14. Bei Maias ist ein weiches D eingeschoben, wie auf den Inschriften des notarius Santa und des Adelbertus aus Andernach2. Die lange Eingangsformel in hunc tomolo requiescit in pace in Verbindung mit bone memorie ist in beiden Bestandteilen in der Belgica Prima nicht nachgewiesen, hingegen ohne in pace vielfach in Mainz. Weitere Belege, zum Teil mit in pace, konzentrieren sich in Lyon und Vienne, sowie in Aquitanien; je ein Beleg findet sich auch in Köln und Derichsweiler3. Datierte Inschriften gehören überwiegend in das 6. Jahrhundert, einige in die letzten Jahre des 5. und in die ersten des 7. Jahrhunderts. Die Formel carus parentibus findet sich mindestens siebenmal in Andernach, einmal in Rheinbrohl und auf Kat. Nr. 41 (Derichsweiler), ist also auf ein enges Verbrei-
2
3
EGGER, Grabsteine Nr. 4; 6; auch auf ILCV 3303 (aus Volvic/Aquitanien; 636 n. Chr.); 4377 (Rom, 364 n. Chr.) und 4729 (Vienne, 659 n. Chr.?). Vgl. auch den paganen Grabstein CIL X 2559 (codiugi für coiugi = coniugi aus Puteoli). GALSTERER, Steininschriften 494 (In oh tumolo reqiescet in pace bone memorie Leo ...; 6./7. Jh.?). Zu Derichsweiler S. 123 Anm. l.
Grabstein der Rignedrudis
71 Grabstein der Rignedrudis aus Vochem
119
120
Grabpflege und Totenkult
tungsgebiet beschränkt4. Vixit in saeculo findet sich in Trier und vor allem in Andernach, die Formel in hocsaeculo konzentriert sich auf Oberitalien in der zweiten Hälfte des 5. und im 6. Jahrhundert5. Die Angabe des Sterbedatums mit migravit de huc mundo ist ungewöhnlich6. Der germanische Name Rignedrudis ist inschriftlich sonst nicht nachgewiesen7. Der Steinmetz war um exakte Symmetrie bemüht. Die spiegelsymmetrischen, etwa gleich hohen Bildfelder passen sich der hier kürzeren Plattenbreite an. Die schlanke Form der Vögel mit ihren langen Hälsen fügt sich harmonischer in den runden Ornamentrahmen ein, als die sonst weit verbreitete gedrungene Form der Vögel. Mit dem Bemühen um Symmetrie und Ausgewogenheit der Darstellung geht eine starke Stilisierung einher, die zu einer Verfremdung der Symbole führt und für die technische Hilfsmittel wie Bohrer und Zirkel eingesetzt wurden: das zu einem Strich reduzierte Rho im Christogramm, der Kranz aus kleinen Kreisen, die Palmen mit Zweigen und Beeren, die Rosetten in den Ecken, die Blume im unteren Feld, besonders aber das Ornament in der Mitte über der Inschrift, das so stark verfremdet ist, daß es nur aus Vergleichen als Kantharos erschlossen werden kann 8 . Auch die Schrift zeigt ornamentale Tendenzen, wird selbst zum Ornament. Parallelen für eine so kunstvolle Stilisierung gängiger christlicher Symbole gibt es im Rhein-Mosel-Ge-
H. HEMGESBERO, Rheinische Vierteljahrsbl. 47, 1983, 329; vgl. BOPPERT, Mittelrheingebiet 92ff. (Mainz; 5. Jh.?). Allerdings gibt es keinen Beleg für bonae memoriae in Andernach. Auch ILCV 2749 (= LEHNER, Andernach Nr. 4): in huc secola. Annähernde Parallelen in Vienne (ILCV 1687: de haec luce megravit; 527 n. Chr.; 2779: migravit de hac luce; auch mit ähnlicher Eingangsformel und ähnlichem Aufbau; 516 n. Chr.), in Cremona (ILCV 2778: migravit de hac luce; ähnlicher Aufbau; 481 n. Chr.) und Rom (ILCV 2766: migravit de hoc saeculo, 493 n. Chr.). REICHERT, Namen; vgl. FÖRSTEMANN, Namenbuch s. v. Ricja/Ricdrudis. RICG I 181; 183; 217; vgl. E. GOSE, Katalog der frühchristlichen Inschriften in Trier (1958) 128f.; BOPPERT, Mittelrheingebiet 168 f.
biet sonst nicht9. Die sorgfältige Ausführung, die Stilisierungen und die ausgewogenen Proportionen weisen diesem Stein einen herausragenden Platz unter den frühchristlichen Grabsteinen zu. Die Formel in hoc tumulo/titulo/sepulchro ersetzt in Gallien seit dem Ende des 5. Jahrhunderts das einfache hic[0. In dieselbe Zeit, Ende des 5. Jahrhunderts und 6. Jahrhundert, weisen die Formeln in hoc saeculo und migravit de hoc mundo. Literatur: LEHNER, Führer 222f. Taf. 30; DERS., Bonner Jahrb. 123, 1916, 2. Bericht 108; E. H. ZIMMERMANN, Vorkarolingische Miniaturen, Text (1916) Taf. 1; LEHNER, Steindenkmäler 1014; DERS., Skulpturen II Taf. 38,1; H. FINKE, Neue Inschriften. Ber. RGK 17, 1927, 279; NEUSS, Christentum 59 Abb. 38; Auswahlkatalog 1963, 113 Nr. 66 Abb. S. 61; Führer Sammlungen 66f. Abb. 52. W. S.
Eine Verzierung aus gebohrten Punkten, geritzten Kreisen und Halbkreisen auf einem Kölner Stein (GALSTERER, Steininschriften 505); NEUSS, Christentum 59: der Grabstein der Rignedrudis sei in Text, Schrift und Ornament mit Grabsteinen der südlichen Rhonegegend verwandt. Die Palme sei in Rom, aber auch in Lyon häufig. KRÄMER, Grabinschriften 50.
Grabstein der Rignedrudis/der Sola (Soia)
Abb. 72
40 Grabstein der Sola/Soia 4. Jahrhundert Zingsheim, Gem. Nettersheim, Kr. Euskirchen; im November 1973 bei der Feldbestellung nordwestlich des Dorfes Zingsheim gefunden Bräunlicher Sandstein 94 cm hoch, 55 cm breit, 24 cm dick Der Grabstein ist in ein großes Fragment und acht kleinere Fragmente gebrochen und erheblich beschädigt. Die rechte untere Ecke fehlt. Inv. Nr. 73.0567
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etwa l km nordwestlich von Zingsheim gefunden. Er bezeugt eine spätrömische Besiedlung (Villa; vgl. auch den Namen: „der von der Villa") und damit eine landwirtschaftliche Nutzung in diesem Raum noch im 4. Jahrhundert3. Inschrift: VI.LATIVS ET NATI NOST RI KARI COIVGI MEISO.ET.. LVM PONET ANORVM ' XXX[- -]
Das Gebiet um Nettersheim war in römischer Zeit bis in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts besiedelt. Siedlungsreste am Hang des Görresbergs, an die sich ein Gräberfeld anschließt, erbrachten Funde bis zur Mitte des 3., im Matronenheiligtum dort und auf dem sog. Werkplatz wurden zahlreiche Münzen aus der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts gefunden. Einzelne Gräber reichen in die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts1. Eine Kontinuität von römischen zu fränkischen Siedlungsplätzen läßt sich im nordöstlichen Eifelvorland nicht beobachten. Außer in Zülpich enden Höfe (Villae rusticae) und Bestattungsplätze fast unvermittelt an der Wende zum 5. Jahrhundert. Zwar kennt man in diesem Raum zahlreiche fränkische Bestattungsplätze, doch die Beigaben gehören in der Regel erst der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts an2. Früher datiert lediglich der Friedhof von Nettersheim (,Auf der Kaulen') mit Gräbern aus dem 6. Jahrhundert (einige auch aus der ersten Hälfte). Der Zeit um 700 lassen sich eindeutig christliche Beigaben zuordnen. Die relativ wenigen, aber qualitätvollen Beigaben vom fränkischen Friedhof von Zingsheim stammen aus dem 7. Jahrhundert. Der Grabstein für die Frau des Villatius wurde
Bei dem Grabstein handelt es sich um einen wiederverwendeten Weihestein vom nahegelegenen Matronenheiligtum in Zingsheim. Teile der Polster und einer Opferschale sind noch erkennbar, die Weiheinschrift hingegen ist vollständig weggeschlagen und durch die Grabinschrift ersetzt. Die Buchstaben sind unbeholfen eingeschlagen. Die Querhaste des L verläuft schräg nach unten; K hat kurze Schräghasten; N und S fallen leicht nach rechts. Der Schreiber war mit dem Lateinischen nicht vertraut. Kari und mei haben männliches statt weibliches Genus4. Ponet steht für ponent, posunt oder posuerunt. Carus mit k und coniugi ohne n ist schon in prinzipatzeitlichen Inschriften verbreitet. Bei titulum ist offenbar das zweite u, bei annorum ein n ausgefallen. Zu Buchstabenform und Sprache gibt es
Ein Meilenstein bei Nettersheim wird noch um 350 errichtet. Auf dem großen Friedhof von Iversheim fand sich auch ein einfach behauener Grabstein ohne Inschrift vom Ende des 7. Jh. (Kat. Nr. 64). O. KLEEMANN, Zur ältesten Geschichte des Dorfes Net-
tersheim in der Eifel. Bonner Jahrb. 163, 1963, 213-220; C. B. RÜGER u. H. W. BÖHME in: Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern 25 (1974) 46ff.; 86ff. ILCV 3659: d.m. mimoriae (ae)terne. Aurilia Ciriscentina, ui vixcet annus XXV. Aurilius Secumdinus sipurclu posuuit cari cougi soi...
Vifljlatius \ et nati nosM kari coiugi \ mei Sofl/ije tfitJMum ponet. Anorum\XXX[- Villatius und unsere Kinder setzt meiner lieben Gattin Sola/Soia (diesen) Grabstein. . .unddreißig Jahre alt.
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Grabpflege und Totenkult
72 Grabstein der Sola/Soia aus Zingsheim
Grabstein der Sola (Soia)/des Godvine
Ähnlichkeiten mit der Inschrift aus Pier (Kat. Nr. 43). Daß es sich bei Sole/Soie um einen Namen handelt, ist aufgrund der Satzstellung wahrscheinlich. Auch kari wurde aufgrund der Satzstellung auf coiugi, nicht auf nati nostri bezogen5. Titulum ponere ist im germanisch-gallischen Raum besonders in Trier in christlichen Inschriften häufig belegt. Da die Inschrift aber keine ausdrücklich christlichen Wendungen enthält, werden Villatius und seine Frau wohl keine Christen gewesen sein. Daß ein den Matronen geweihter Stein für die Grabinschrift wiederverwendet wurde, beweist noch nicht einen Abstand zu einheimisch-römischen Kulten; denn auch im Matronenheiligtum in Bad Münstereifel-Nöthen waren zahlreiche Weihesteine für eine spätere pagane Bauphase der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts zurechtgeschlagen worden. Villatius ist als römischer Gentilname nachgewiesen. SO.E kann aufgrund der Hastenenden zu SOIE oder SOLE ergänzt werden. Da solus im Sinne von „allein" sehr ungewöhnlich wäre und keinen Sinn gibt (außerdem würde man ebenso wie bei kari und mei die falsche Form soll erwarten), wird es sich um den Namen der Verstorbenen handeln. Soia und Sola sind römische Namen6. Nach Formular, Namen, Buchstabenform und den vorgerissenen Linien kann der Grabstein in das 4. Jahrhundert datiert werden. Literatur: M. CLAUSS, Neue Inschriften im Rheinischen Landesmuseum Bonn. Epigr. Stud. 11, 1976, 2 f. Nr. l Taf. 1; W. PIEPERS u. M. CLAUSS, Bonner Jahrb. 176, 1976,410-412. W. S.
41 Grabstein des Godvine (Abguß) Abb. 73 7./8. Jahrhundert Wahrscheinlich Derichsweiler, Stadt Düren, Kr. Düren Weißer Sandstein 16 cm hoch, 25 cm breit, 7 cm dick Die linke obere Ecke fehlt, der linke Rand ist beschädigt. An der Unterseite ist der Stein - wahrscheinlich für eine spätere Verwendung gekürzt worden. Die Inschrift ist daher unvollständig. Inv. Nr. 44,263 In Derichsweiler (Kr. Düren) zeugen römische Funde und eine frühchristliche Grabinschrift, die an der Südseite der alten Kirche eingemauert war und heute verschollen ist, von einer Besiedlung in Antike und frühem Mittelalter1. Der Grabstein des Godvine, der 1944 in den Kölner Kunsthandel gelangte und angeblich aus der Gegend von Bonn stammt, wurde nach dem Formular für den Raum zwischen Andernach und Köln gesichert. Er wird hier Derichsweiler zugeschrieben, da auf einem der Abgüsse im Rheinischen Landesmuseum handschriftlich „Derichsweiler" vermerkt ist, da durch die oben genannte Inschrift ein merowingerzeitlicher Friedhof in Derichsweiler bezeugt ist, der offenbar unter der alten Kirche lag, und da der Stein im Kriegsjahr 1944 in den Handel gelangte, also in dem Jahr, in dem die Kirche von Derichsweiler - wie andere Dürener Kirchen - durch einen Luftangriff weitgehend zerstört wurde. Der Stein wurde also wohl aus den Trümmern geborgen2.
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Vgl. BOPPERT, Mittelrheingebiet 63: Crispinfus pjosuit titulum dulcissime coniugi suae Maure qui... Hüne titulum posuit Crispinus coniugi suae Maurae in XPOIHV. MÖCSY, Nomenclator.
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Die Inschrift ist publiziert worden von H. LEHNER, Bonner Jahrb. 131, 1926, 367f.: In hoc tumöMum requiescit\ in p[a]cem bone\memforjieC.\...ir\drus. Deposicio\eius XI Kalen\das Agustas. Weißer Kalkstein; 27 cm hoch, 21 cm breit. Noch 1951 wurde ein in der Kirche verbauter Matronenaltar herausgebrochen (S. GUTENBRUNNER, Bonner Jahrb. 152, 1952, 162-164). In Andernach und Remagen gab
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Grabpflege und Totenkult
73 Grabstein des Godvine
Inschrift: + ] CVNdETVR HV C] TVMVLVM IN BA SILECA SCI GERVA SI GOdVNE CARVS PAR]ENTEBVS VIX [IX---
+] Cundetur hu\fcj tumulum in ba\sileca S(an)c(t)i Gerva\si Godv(i?)ne carus \ [parjentebus vix\fit — + Eingebettet ist in diesem Grab in der Kirche des Heiligen Gervasius Godvine, lieb den Eltern. Er lebte ... Die Schrift ist regelmäßig und sehr sorgfältig ausgeführt 3 . B, E, L und R haben verlängerte
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es so starke Kriegszerstörungen bei Friedhofskirchen nicht. St. Gervasius in Andernach wurde schon im 16. Jh. abgerissen und nicht wieder aufgebaut. Der Text folgt weitgehend H. HEMGESBERG, Rheinische Vierteljahrsbl. 47, 1983, 325-334.
Hasten, D als Unziale, G ist aus zwei Bögen zusammengesetzt, O ist rautenförmig, T hat gekrümmten Querbalken (neben geradem T in tumulum und parentebus). Ähnliche Merkmale zeigen Inschriften aus Andernach, Remagen und Mainz. Sancti ist abgekürzt. Verbreitete Vokalverschiebungen von o zu u und i zu e begegnen bei cundetur, basileca und parentebus; huc steht für hunc. Ähnliche Eingangsformeln gibt es in Andernach und Plaidt. Auch die Formel carus parentibus ist auf das Verbreitungsgebiet Andernach, Rheinbrohl, Vochem beschränkt. Die zweite frühchristliche Inschrift aus Derichsweiler hat zwar einen anderen Formularbestand, zeigt darin aber gleichfalls einen deutlichen Bezug auf Andernach und den Mittelrhein (etwa: in hoc tumolum requiescit in pacem; deposicio eius). Der Name wurde von H. Hemgesberg Godvine gelesen. Die zwischen V und N eingehauene liegende Haste sei ein nachträglich eingesetztes I. Godvine und ähnliche Namensformen sind literarisch seit dem 7. Jahrhundert nachgewiesen.
Grabstein des Godvine/Grabinschriften aus Inden-Pier
Bemerkenswert ist, daß der Name (mit Endung auf -e) nicht latinisiert wurde. Vom 8. Jahrhundert an sind - unter angelsächsischem Einfluß? Verbindungen mit -wine belegt. Es handelt sich also wohl nicht um einen Angehörigen der romanischen Restbevölkerung. Die Hastenverlängerung und das eckige O sprechen für eine Datierung in das 7./8. Jahrhundert. Grabsteine dieser Zeit tragen häufig zu Beginn der ersten Zeile ein einfaches Kreuz. Diese Datierung wird gestützt durch den Namen. Neben Klerikern wurden auch Laien in Coemeterialkirchen, Pfarrkirchen und Eigenkirchen bestattet. Sie dürften den lokalen Führungsschichten und den Stifterkreisen zuzurechnen sein. Um das Jahr 800 wurden fideles laici ausdrücklich aus dem Verbot der Bestattung in der Kirche
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ausgenommen. Auffallend ist, daß Godvine als Kind (carus parentibus) einen solchen bevorzugten Bestattungsplatz erhielt4. Der Titelheilige muß der Mailänder Märtyrer sein, der 386 mit Protasius durch Bischof Ambrosius zum Heiligen erhoben wurde. Gervasiusund Protasiusreliquien fanden gerade in Gallien eine breite Verehrung. Eine Durchsicht der Gervasius- und Protasiuspatrozinien im Rheinland läßt die Annahme eines spätrömischen Ursprungs nicht abwegig erscheinen5. Literatur: Bonner Jahrb. 148, 1948, 326f. Taf. 56,3; H. HEMGESBERG, Basileca Sancti Gervasi. Zu einer merowingischen Grabinschrift. Rheinische Vierteljahrsbl. 47, 1983, 325-334. W. S.
42-43 Grabinschriften aus Inden-Pier Römische Überreste in Pier und benachbarten Orten belegen, daß in dieser Epoche ländliche Ansiedlungen die fruchtbaren Lößplatten des Jülich-Dürener Raums überzogen. Viele Villenbesitzer verließen nach den Germaneneinfällen ihre Höfe; Waldgebiete entstanden. Doch die Güter am Rand der Lößterrasse wurden für den Eigenbedarf weiter bewirtschaftet, da sich dieses Gebiet sowohl für den Ackerbau wie für die Viehwirtschaft eignete. So wurden hier die römischen Ortsnamen von einer nicht unerheblichen romanischen Restbevölkerung das Mittelalter hindurch bewahrt. Seit dem 6. Jahrhundert hatten Franken von Westen her diesen Raum besiedelt. Große Einzelhöfe entstanden an den Grenzsäumen zwischen den feuchten Weiden und den fruchtbaren Ackerflächen. In den sonst nicht benutzbaren römischen Trümmerstätten wurden die Toten bestattet. Der Grabstein der Cheldofrida wurde unter den Trümmern des 1944 zerstörten romanischen Turms der Pierer Kirche geborgen. 1955 wurden beim Neubau der Kirche 34 merowingerzeitliche Bestattungen des 6. und 7. Jahrhunderts freigelegt. Pfostengruben bezeugen einen frühen dreischiffigen Kirchenbau aus Holz mit einem rechteckigen Chor; die Kirche hatte die Orientierung der Gräber aufgenommen. Sie war um 600 oder spätestens im Laufe
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Zu privilegierten Bestattungen siehe die Literatur S. 99 Anm. 10. Eine Coemeterialkirche mit dem Patrozinium der Heiligen
Gervasius und Protasius ist in der Andernacher Nekropole auf dem Kirchberg namentlich im 13. Jh. bezeugt (BopPERT, Andernach 128f.).
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Grabpflege und Totenkult
Hl Pfosten und Pfostengruben 74 Inden-Pier. Fränkische Gräber, Grundriß der Holzkirche (wohl 7. Jahrhundert) und der Steinkirche des l O./l l. Jahrhunderts unter St. Maria (Maßstab l: 200)
des 7. Jahrhunderts entstanden und wurde um 900 durch eine Steinkirche ersetzt. Als Eigenkirche war sie Besitz eines fränkischen Grundherren, dessen Hof unweit zu vermuten ist. Cheldofrida gehörte dieser Familie an. Vielleicht war sie als Eigenkirchenherrin innerhalb der Kirche bestattet worden. Im Laufe der Zeit entstand hier eine Ansiedlung. 1985 fanden abseits der Kirche Ausgrabungen statt, die 87 Bestattungen des 6. und 7. Jahrhunderts freilegten. Zahlreiche römische Steine waren hier sekundär vermauert, darunter auch Matronensteine und ein weitgehend erhaltener spätantiker Grabstein (Kat. Nr. 43)1. W. S. H. BORGER in: Kirche und Burg in der Archäologie des Rheinlandes. Kunst und Altertum am Rhein 8 (1962) 103-106; G. B. WALZIK, Siedlungsgeschichtlicher Ertrag archäologischer Untersuchungen an ländlichen Pfarrkir-
chen des Rheinlandes (1981) 9-59; W. SCHWELLNUS in: Dörfer und Städte. Ausgrabungen im Rheinland '85/86 (1987) 44; H. TICHELBÄCKER, Dürener Geschbl. 78, 1989, 55-65.
Grabinschriften aus Inden-Pier
42 Grabstein der Cheldofrida (Abguß) 7. Jahrhundert Pier, Gem. Inden, Kr. Düren; 1949 aus den Trümmern des im 12. Jahrhundert gebauten und 1944 zerstörten Turms der Marienkirche geborgen; Original im Leopold-Hoesch-Museum Düren. Kalkstein 46 cm hoch, 32 cm breit, 15-19 cm dick Links und rechts abgeschlagen. Die Inschrift ist hier unvollständig. Die Kanten sind stark beschädigt. Auch unten sind Teile des Grabsteins abgeschlagen. Inschrift: ]VR HOC TDMOLVS REQVIES[CIT DOM]NÄ MNA CHELDOFRIDA IN] PACE NOMEN EIVS REFVLS[IT ET PRO]LES CLARA GRACIA PLEN[A OBIIT IN PA]CE A[N]NVS XXXXV ET MEN[S(ES)- RECEPT]A IN DEI GLORIAM ANT[E EIVS MA[GE[S]TATES VBI DOM[INVM SAN]CT[I] LAVDARE NDN C[ES SAN]T CVIVS OBITVS PO[ST D]IES XV DE KALENDA[S F]EBRVÄRIAS
- -]ur hoc tomolus requiesfcit \ domjna Cheldofrida \ [in] pace. Nomen eius refulsfit et \ projles clara. Gratia plenfa obiit \ in pajce afnjnus XXXXV et men[s(es)- - \ Receptja in Dei gloriam antfe eius \ majgefsjtates, ubi domfinum \ sanjctfij laudare non cfes\sanjt. Cuius obitus pofst \ djies XV de Kalendafs \ FJebruarias. ... in diesem Grab ruht die Herrin Cheldofrida in Frieden. Ihr Name erstrahlte, und ihre Nachkommen erfreuen sich hohen Ansehens. Voll der Gnade starb sie in Frieden mit 45 Jahren und .. Monaten. Aufgenommen in Gottes Herrlichkeit vor seine Majestät, wo die Heiligen nicht aufhören, den Herrn zu preisen. Ihr Tod (war) nach 15 Tagen von den Kaienden des Februar an.
Abb. 75
Kreissegmenten unterteilte Rosetten an (vgl. Kat. Nr. 51). Die Buchstaben stehen zwischen zwei Linien. Sie sind von unterschiedlicher Größe, einige nehmen auf Beschädigungen des Steins Rücksicht. Das B ist deutlich aus zwei Bögen zusammengesetzt, F ist ein Kreuz mit Bogen darüber, G ein Halbkreis mit Cauda nach unten, Q ein Kreis mit Haken nach unten. Das S fällt leicht nach rechts. O ist zweimal als D geschrieben, MNA nach domna ist irrtümlich doppelt gesetzt. In frühchristlichen Inschriften ist das i in dominus/-a häufig ausgefallen. Vokalverschiebungen von u zu o und o zu u finden sich in tomolus und annus. Eine an der Aussprache orientierte Schreibweise zeigt sich in magestates für maiestates und gratia für gratia (vgl. deposicio). Die Eingangsformel hat ähnliche Parallelen an Mittelrhein und Untermosel, in Brühl-Vochem und Düren-Derichsweiler2. Das Lob der Herkunft und der Nachkommenschaft begegnet mehrfach in der altchristlichen Grabpoesie. Dei gloria ist eine verbreitete Umschreibung des christlichen Himmels3. Die Inschrift zeichnet sich durch ein Nebeneinander von gutem und vulgärem Latein aus. Die Angabe des Todesdatums ist sehr umständlich. Der germanische Name ist inschriftlich sonst nicht bezeugt. Zahlreiche Belege lassen sich für Hildifrid, Heidefred und Childifrit anführen4. Die Bezeichnung dom(i)na bezeugt die Zugehörigkeit Cheldofridas zum Adel, nämlich zu der Grundherrenfamilie, die die Holzkirche von Pier als Eigenkirche errichtet hatte.
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Die Inschrift ist oben und unten von tiefer eingeschlagenen Linien begrenzt. Unter der Inschrift schließen konzentrische Halbkreise und von vier
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Vor hoc tomolus ist sjub den früheren Lesungen conditjur und in Ch]r. vom Platz her vorzuziehen (W. BINSFELD, Germania 45, 1967, 108). Ein einfaches Kreuz wird dann dem Text vorangegangen sein (vgl. Kat. Nr. 14, 39). Laudatio: ILCV 1046; 4835; Dei gloria: ILCV 3385f.; graciaplena hat wohl eine Parallele in Andernach (EGGER, Grabsteine Nr. 12). FÖRSTEMANN, Namenbuch s. v.; 8.-10. Jh.
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Grabpflege und Totenkult
75 Grabstein der Cheldofrida aus Pier (Leopold-Hoesch-Museum Düren)
Grabinschriften aus Inden-Pier
Literatur: EGGER, Grabsteine 156f. Nr. 23 Taf. 13; I. GERHARDS, Der Grabstein der Cheldofrida aus Pier. Dürener Geschbl. l, 1955, 2-4; K. BÖHNER in: Neue Ausgrabungen in Deutschland (1958) 464-466; Kirche und Burg in der Archäologie des Rheinlandes. Kunst und Altertum am Rhein 8 (1962) 105; K. BÖHNER in: Das erste Jahrtausend 675; H. HEMGESBERG, Rheinische Vierteljahrsbl. 47, 1983, 329 Anm. 35.
W. S.
43 Grabstein der Ru- -
Abb. 76
4./Anfang 5. Jahrhundert Pier, Gem. Inden, Kr. Düren; in einem fränkischen Gräberfeld nordwestlich der Kirche 1985 gefunden. Brauner Sandstein 112 cm hoch, 28 (oben) - 33 (unten) cm breit, 16-27 cm dick Aus zwei Stücken wieder zusammengesetzt. Oben rechts ist ein großes Stück scharfkantig herausgeschlagen. Auch von den Schmalseiten fehlen größere Stücke. Die obere Kante ist offenbar nicht die Originalkante. Die Oberfläche ist in den unteren Zeilen verwittert. Hing. Nr. 78/85 Inschrift:
...( RV[
R[
COIVX
KÄRISIMVS MEMORIA' FACERE -'QVI VIXSIT ANOS XXVI
- - -J\ Ruf- - -] \ R[- - -] \ coiux \ karisimus \ memoria \facere. Qui \ vixsit \ anos XXVI. Der Ru- - hat R- -, (ihr) sehr lieber Gatte, (diesen) Gedenkstein gemacht. Sie lebte 26 Jahre. Der sehr hohe, sich nach oben verjüngende Stein war mit dem 49 cm langen unteren, nur grob zugerichteten Teil in die Erde gesetzt, der obere Teil ragte als Grabstele sichtbar heraus. Durch tiefe, unregelmäßige Linien, die unterschiedliche Abstände haben und rechts schräg abfallen, sind
76 Grabstein der Ru- aus Pier
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Grabpflege und Totenkult
die Zeilen abgetrennt. Sie beginnen stets mit einem neuen Wort; die Zahl der Buchstaben pro Zeile schwankt stark. Es ist nicht eindeutig zu entscheiden, ob der Text mit RV- - begann oder eine Eingangsformel vorausging (über RV- - vielleicht CIT)5. Die Buchstaben, bei denen das flache, offene C, das F mit schräger oberer Querhaste, das K mit kurzen Schräghasten und das breite M mit schrägen Hasten auffallen, ähneln denen der Villatius-Inschrift (Kat. Nr. 40). Coniux ohne n und carus mit k sind in paganen römischen Inschriften ebenso verbreitet wie der Ausfall der Buchstabenverdoppelung (karisimus, anos)6. Zur Schreibweise vixsit siehe Kat. Nr. 24. Memoria als Bezeichnung für den Grabstein wird sowohl in paganen wie in christlichen Grabinschriften gebraucht. Auf datierten Inschriften findet es sich mehrheitlich auf solchen des 4., aber auch noch Anfang des 5. Jahrhunderts und vereinzelt im 6. Jahrhundert (ILCV 3598 ff.). Nach dem Genus von coiux karisimus wird man in Zeile 2 den Namen der verstorbenen Frau im Dativ und in Zeile 3 den des Mannes erwarten, auf den sich coiux karisimus bezieht. Doch am folgenden memoria facere ist ersichtlich, daß der Satz keine grammatikalische Struktur hat. Das folgende qui, das häufig für quae steht, kann die Unsicherheit nicht entscheiden. Der Name der Verstorbenen ließe sich zu Rufa oder Rufina, der ihres Mannes, bei dem auf R nach dem erhaltenen Buchstabenrest auch V folgte, zu Rufus oder Rufinus ergänzen. Der Text gibt keine eindeutigen Hinweise, daß die beiden Christen waren. Nach den Buchstabenformen und dem Formular kann die Inschrift in das 4., vielleicht noch an den Anfang des 5. Jahrhunderts datiert werden7.
44 Grabinschrift aus Lindern Abb. 77 Lindern, Stadt Geilenkirchen, Kr. Heinsberg Roter Sandstein 56 cm hoch, 66 cm breit, 22 cm dick Oben und untere rechte Kante abgeschlagen. Kanten beschädigt. Rückseite stark ausgebrochen. Inv. Nr. 58,1156
In der Ortschaft Geilenkirchen-Lindern wurden mehrere Gräber aus fränkischer Zeit entdeckt. Beim Bau des Hauses Bahnhofstr. 88 wurde 1897 der Inschriftstein gefunden, der bis 1958 im Keller des Hauses verblieb. Er war angeblich als Platte für ein Plattengrab gebraucht worden, in dem ein Langschwert und ein Helm gelegen haben sollen. Inschrift: HIER[ ETCÖ TETVLVM PATER VIX... DO. EXSVPEPFQ VIXI QVI bAGE
Die Schmalseiten sind geglättet. Auf der Vorderseite ist ein Inschriftfeld eingetieft, der untere Teil ist geglättet. Die Zeilen stehen zwischen Linien, die Buchstaben sind sehr uneinheitlich. Der Text ist unverständlich; einzelne Worte wie tetulum, pater, vixit lassen einen Zusammenhang nicht rekonstruieren. Literatur: W. PIEPERS, Archäologie im Kreis Heinsberg 1. Bodendenkmäler und Funde im ehemaligen Kreis Geilenkirchen-Heinsberg. Schriftenreihe des Kreises Heinsberg 5 (1989) 124; 363 Taf. 114,2.
W. S.
unpubliziert
W. S.
45 Grabstein des Batimodus (Abguß) Abb. 78 5
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Hic reguiesjcit scheint mir eine zu junge Formel für diese spätrömische Inschrift und wäre in einer anzunehmenden vorangehenden Zeile kaum unterzubringen. Kat. Nr. 40, auch etwa CIL XIII 7122 aus Mainz. KRÄMER, Grabinschriften 7.
5. Jahrhundert Xanten, Kr. Wesel; gefunden 1953 im Gräberfeld unter der Stiftskirche im nördlichen Seitenschiff (Joch E 1)
Grabinschriften aus Inden-Pier/aus Lindern/aus Xanten
P 77 Grabinschrift aus Lindern
78 Grabstein des Batimodus aus Xanten (Regionalmuseum Xanten)
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Grabpflege und Totenkult
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